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Full text of "Porzellan: Mit 166 Abbildungen im Text."

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jnANOrERREP TO 

gllE ARTS '-if ^" 
pARD COLLEGE 

LIBRARY 



HANDBÜCHER 
I DER KÖNIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN 



KUNSTGEWERBEMUSEUM 

porz^OXan 



VOK 



ADOLF BRÜNING 




MIT i66 ABBILDUNGEN IM TEXT 



BERLIN 

DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER 
1907 






HARVARD 

ÜNIVERSITY 

UBRARY 



Inhalt ' • 

Einleitung i 

Der Stoff und seine Eigenschaften 3 

Das chinesische Porzellan 5 

1 . Technik .*.■.:...' 5 

2. Form und Ornamentik 16 

3. Versuch eines geschichtlichen Überblickes 20 

Chinesische Exportware 33 

Japanisches Porzellan 34 

Persisches Porzellan 39 

Erste Versuche der Porzellanbereitung in Europa 41 

Johann Friedrich Böttger 44 

Meißen von 1720 — 1750 (Künstlerischer Betrieb) 57 

Meißen von 1750 — 18 14 (Industrieller Betrieb) 88 

Wien 105 

Berlin 114 

A. Die Wegelysche Fabrik 114 

B. Die Königliche Porzellanmanufaktur 122 

Fürstenberg 153 

Höchst 160 

Frankenthal 167 

Ludwigsburg 180 

Nymphenburg 188 

Kleinere deutsche Fabriken 194 

Hausmalereien 199 

Französisches Porzellan 204 

Englisches Porzellan 216 

Italienisches und spanisches Porzellan 219 

Literatur 222 



Einleitung 



Die Porzellansammlung des Kunstgewerbemuseums ist in 
zwei Gruppen aufgestellt: die ostasiatischen Porzellane 
jm Raum 60 — 61, die europäischen Porzellane im Raum 
57—59. Einzelne Stücke sind zu dekorativen Zwecken in den 
Räumen des Erdgeschosses verteilt, die größeren Vasen auf 
Schränken, Kommoden und Tischen, kleinere Porzellane in 
Glasschränken. 

Bedeutendere Porzellansammlungen befinden sich außer- 
dem in der Königl. Porzellanmanufaktur zu Charlottenburg, 
im Hohenzollernmuseum und im Märkischen Museum. 

Zahlreiche Porzellane besitzen die Königl. Schlösser in 
Berlin, Charlottenburg und Potsdam, zum großen Teil Stücke 
von außergewöhnlicher Schönheit und Seltenheit. Die meisten 
gehen auf Friedrich den GroÄen, einen leidenschaftlichen 
Porzellanliebhaber, zurück. Besonders hervorragende Por- 
zellane befinden sich im Neuen Palais in Potsdam, wahrend 
das Charlottenburger Schloß noch ein ganzes Porzellan- 
kabinett, ein eigens zur Aufnahme von Porzellanen bestimmtes 
Zimmer, mit fast ausschließlich ostasiatischer Ware enthält. 

Endlich gibt es auch in Berlin sehr reiche und aus- 
gewählte Porzellansammlungen in Privatbesitz, die weiteren 
Kreisen in Sonderausstellungen des Museums vorgeführt 
werden konnten. (Vgl. Europäisches Porzellan des 18. Jahr- 
hunderts. Katalog der vom 15. Februar bis 30. April 1904 
im Lichthofe des Königl. Kunstgewerbemuseums zu Berlin 
ausgestellten Porzellane. Von Adolf Brüning in Verbin- 
dung mit Wilhelm Behncke, Max Creutz und Georg Swar- 
zenski. Berlin 1904. Verlag von Georg Reimer.) 

Das vorliegende Handbuch schließt sich zunächst dem 
Bestände des Museums an. Hauptsächlich ist das deutsche 
Porzellan berücksichtigt. Da das chinesische und japanische 
Porzellan in Form und Dekoration auf das europäische Por- 
zellan von entscheidendem Einflüsse gewesen ist, und somit 
dieses ohne jenes nicht verstanden werden kann, so konnte 
auf eine knappe Behandlung des ostasiatischen Porzellans 

• Brüning-, Porzellan. I 



2 Einleitung 

nicht verzichtet werden, so schwierig es auch ist, die Kunst 
eines Volkes ohne eingehende Kenntnis seiner Sprache und 
Kultur zu würdigen. Ebenso durften auch die Erzeugnisse 
von Vincennes-S^vres in dem Rahmen dieses Handbuches 
nicht fehlen, da dieselben in der zweiten Hälfte des i8. Jahr- 
hunderts vielen deutschen Fabriken als Vorbilder gedient 
haben. Dagegen konnte auf eine eingehendere Darstellung 
der Geschichte der italienischen, spanischen und englischen 
Fabriken, die zudem in den Sammlungen des Museums nur 
sehr schwach vertreten sind, verzichtet werden, da die deutsche 
Porzellanfabrikation von ihren Produkten nicht berührt wor- 
den ist. Die im i8. Jahrhundert wenig bedeutenden Porzellan- 
fabriken der skandinavischen Länder sind nicht aufgenommen 
worden. 

Die Darstellung schließt mit der Geschichte der histori- 
schen Stile ab. 

^- ' c ' ^ 

3 ■* »• ' :^^f,.-r. (r . ,%(,-J.'C ' '- j itr/ ' ' -5 

i^ M- i. \, :••■•'.'" • f'-iy -^ 

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Der Stoff und seine Eigenschaften 

Zur Kenntnis der Natur des Porzellans und seiner Vor- 
züge vor den anderen keramischen Erzeugnissen dient am 
besten ein kurzer Überblick über die Tonwaren, soweit die- 
selben eine künstlerische Veredelung erfahren. 

Man unterscheidet poröse und dichte Ton waren. Bei 
den porösen ist der Scherben nicht dicht, sondern durch- 
lässig, porös, d. h. er saugt Wasser auf und ist so weich, 
daß er sich mit dem Messer ritzen läßt. Gebrochen hat er 
ein erdiges Aussehen. Bei den dichten Tonwaren saugt 
dagegen der Scherben nicht mehr Wasser, er ist völlig ge- 
schlossen, d. h. gesintert und von muscheligem Bruch, der 
Stahl gleitet von ihm ab. 

Zu den porösen Tonwaren gehören zunächst die Terra- 
kotten, die aus gebranntem Ton ohne weiteren Überzug be- 
stehen, dann die unglasierten sog. prähistorischen Tongefäße, 
sowie die griechischen und unteritalischen Tonwaren, die 
in der Regel mit einer schwarzen Firnisfarbe überzogen sind. 

Um den porösen Scherben völlig gegen Wasser undurch- 
lässig zu machen und ihm zugleich ein gefälliges Ansehen 
zu geben, überzieht man ihn mit Glasuren, entweder mit 
einer durchsichtigen Bleiglasur, wie bei den glasierten 
Irdenwaren, den mittelalterlichen Fliesen und den Hafner- 
arbeiten der Renaissance, oder mit einer opaken Zinnglasur, 
wie bei der europäischen Fayence (Majolika), oder mit 
alkalinischen Glasuren, wie bei den orientalischen Fayencen. 
So reichen Schmuck an Malereien u. a. diese Tonwaren 
tragen können, so gering ist ihre praktische Brauchbarkeit, 
da die Glasur leicht abblättert und zerspringt. 

Durch härteren, feinkörnigen Scherbefl von weißer oder 
nahezu weißer Farbe zeichnet sich das Steingut aus. Es 
trägt eine durchsichtige, meist bleihaltige Glasur, die aber 
vom Messer leicht geritzt wird und auch bei Temperatur- 
veränderungen Haarrisse bekommt. 

Den dichten Tonwaren ist das Steinzeug beizuzählen, 
das einen so harten Scherben besitzt, daß er, am Stahl 



4 Der Stoff und seine Eigenschaften 

geschlagen, Funken gibt. Er hat in der Regel eine dunkle 
Farbe. Bei dem rotbraunen Steinzeug der Chinesen, der 
diesem entsprechenden „Böttgerware" und den Steinzeug- 
arbeiten Wedgwoods Qasper-, Basaltware u. a.) ist der Scherben 
' in der Masse gefärbt. 

Von gleicher Dichtigkeit und Härte ist das Porzellan 
(porcella. Schweinchen, Name für die rundlichen See- 
schnecken, deren Gehäuse porzellanartig aussieht). Vor 
dem Steinzeug hat es besondere Eigenschaften voraus: 
eine schöne milchweiße Farbe, die Durchsichtigkeit (bei 
mäßiger Stärke des Scherbens) und das Vermögen, raschen 
Temperaturwechsel gut zu ertragen. Vor den porösen Ton- 
waren, insbesondere der ihm in der äußeren Erscheinung 
oft angeglichenen Fayence oder dem Steingut, zeichnet es 
sich außer durch seine Härte durch die schöne und dünne 
Glasur aus, die mit dem Scherben sich unauflöslich im 
Brande verbunden hat, so daß sie niemals abspringen kann. 
Alle diese Eigenschaften, zu denen noch der helle Klang 
zu rechnen ist, machen das Porzellan wie keinen anderen 
Stoff zu Eß- und Trinkgeschirren geeignet. Dazu kommt 
seine reiche Dekorationsfähigkeit, in dem sowohl die Kunst 
des Bildhauers wie des Malers sich an ihm betätigen kann. 
Die Hauptbestandteile der Porzellanmassen bilden die 
Kaoline, welche die reinste Form der Tone darstellen. Da 
die Kaoline für sich feuerfest und unschmelzbar sind, setzt 
man ihnen als Flußmittel FÄdspat zu, der in der hohen 
Brenntemperatur zu einem emailartigen Glase schmilzt und 
die einzelnen unschmelzbaren Kaolinteilchen zu einer festen 
Masse verkittet. Der, Chinese veranschaulicht dieses Ver- 
hältnis beider Substanzen dadurch, daß er das Kaolin das 
Knochengerüst, den Feldspat das Fleisch des Porzellans 
nennt. Ist das Kaolin nicht schon von vornherein quarz- 
haltig, so muß noch ein besonderer Zusatz von Quarz 
der Masse beigefügt werden. Je nach der Art und der 
Zusammensetzung ihrer Bestandteile sind die Porzellane 
auch in ihrem Aussehen und ihren Eigenschaften verschieden. 
Die wichtigsten Arten sind folgende: 

1. Das chinesische und japanische Porzellan; 

2. Das europäische Hartporzellan (päte dure); 

3. Das Weichporzellan (päte tendre). 

Das ostasiatische Porzellan steht hinsichtlich seiner 
Härte ungefähr in der Mitte zwischen dem europäischen 
Hartporzellan und den Weichporzellanen. 




Abb. 1. Porzeiian mit weiBer bzw. leicht getönter Giasur. China. 



3«^ 



3^ i 



nl 



Das chinesische Porzellan 



I. Technik 



Das chinesische Porzellan unterscheidet sich, ebenso 
wie das japanische, in seiner Zusammensetzung wesentlich 
von den europäischen Hartporzellanen. Während bei diesen 
dj^^Kaohn derL_Geh^ Quarz überwiegt 

qder_zum_Wßnig^s_teD.s ihoi^leichkommt, ist dagegen bei dem 
ostasiatischen Porzellan der Kaolingehalt geringer als der 
der b eiden__an deren Su bstanzen. Auch die Glasuren zeigen 
bedeutende Verschiedenheiten. Die Glasur des europäischen 
Hartporzellans besitzt einen hohen Gehalt von Feldspat und 
ist von milchigem Aussehen, die Glasur des ostäsiatischen 
Porzellans ist dagegen stark kalkhaltig und infolgedessen 
sehr durchsichtig und von grünlichem bzw. bläulichem Ton. 
Infolge dieser verschiedenartigen Zusammensetzung der Masse 
und Glasur ist das ostasiatische Porzellan weniger hart als 
das europäische Hartporzellan, die Garbrandtemperatur ist 
demgemäß wesentlich niedriger als bei diesem. 

Wenn nun auch infolgedessen das ostasiatische Porzellan 
gegen raschen Temperaturwechsel und scharfen Stoß empfind- 
licher ist, so hat es doch in künstlerischer Hinsicht große Vor- 
züge vor dem europäischen Hartporzellan. Die erheblich 
leichter flüssige Glasur läßt sich mit Metalloxyden, die beim 



6 Das chinesische Porzellan 

Garbrand des Hartporzellans nicht zur Entwicklung kommen 
würden, aufs reichste und mannigfaltigste färben, die Unter- 
glasurmalerei läßt sich viel glänzender und in einer größeren 
Anzahl von Tönen anw^nden> .sodann ermöglichen sich auf 
dem ostasiatischen Porzellan bestimmte Dekorationen, wie die 
Eniäils "auf Biskuit und' die Malerei auf der Glasur mit 
Emailfarben, die das Hartporzellan nicht erlaubt. 




8chQ88el mit Seladonglasur. 



Endlich gestattet die Natur des Materials, daß ohne Ver- 
glühbrand gearbeitet werden kann. Während in Europa das 
aus der Masse geformte Gefäß zunächst in einem leichten 
Brande verglüht wird, bevor man es in den Glasurbrei taucht, 
wird in China der aus der Porzellanmasse hergestellte Gegen- 
stand nur an der Luft getrocknet. Allerdings muß dann beim 
Aufbringen der Glasur größere Vorsicht bewahrt werden. 
Größere Gefäße erhalten die Glasur durch Aufblasen. Der 



1«-^ 



I. Technik y 

Arbeiter bläst aus einem Bambusrohr, das an dem einen 
Ende durch einen feinen Seidenstoff geschlossen ist, den 
dünnen Glasurbrei auf das Gefäß auf. Es werden auf diese 
Weise eine größere Anzahl von Lagen, die letzten jedesmal 
mit einem Pinsel aufgetragen, damit die Glasur sich mög- 
lichst gleichmäßig verteilt. Die Arbeitsteilung bei der Her- 
stellung und Bemalung der Porzellane ist sehr groß. Ein 
Jesuit, namens d*Entrecolles, der in den Jahren 1712 und 
1720 in zwei Briefen über die chinesische Porzellanfabrikation 
eingehend berichtet, erzählt, daß an einem einzigen Stück 
oft 70 Leute beschäftigt gewesen seien. 

Weitaus die größte Menge aller chinesischen Porzellane 
von künstlerischer Qualität wurden in der Stadt Ching-t^-ch^n_ 
in der Provinz Kiang-si hergestellt, wo sich aucn die schon 
im II. Jahrhundert begründete kaiserliche Manufaktur befand. 
Die Stadt besitzt eine für die Porzellanfabrikation sehr 
günstige Lage. Nicht weit von ihr befinden sich die Lager- 
stätten des Kaolins. Auf dem Wasserwege können sowohl 
die Rohstoffe hergeschafft, als auch die fertigen Waren nach 
Peking gebracht werden. D'Entrecolles berichtet, daß zu 
seiner Zeit Ching-tö-ch^n eine Million Seelen und dreitausend 
Porzellanöfen besessen habe. 

Die wichtigsten Dekorationsmittel des chinesischen 
Porzellans lassen sich in vier Gruppen gliedern: a) die 
farbigen Glasuren, b) die Unterglasurmalerei, c) die Emails 
auf Biskuit, d) die Uberglasurmalerei. 

Farbige Glasuren. . 

Der Gruppe von chinesischen Porzellanen, bei denen 
die Glasur sich durch eine besondere Tönung oder Färbung 
auszeichnet, darf man zunächst die weißen Porz ellane bei- 
zählen, die weiter keinen besonderen farbigen Schmuck 
erhalten, sondern mit Reliefs, eingravierten oder eingepreßten 
Ornamenten "verziert.. sind. Viele derselben werden in be- 
sonderen Fabriken hergestellt. Eine dieser Manufakturen 
blühte besonders zur Zeit der Sung-Dynastie (960 — 1279) in 
Ting-chou (Provinz Chili). Hier wurde bis gegen die Mitte 
des 17. Jahrhunderts eine besondere Art von Porzellan her- 
gestellt, deren Fabrikation von da ab in Ching-t^-ch^n weiter 
fortgesetzt wurde. Es sind zumeist Schalen (Abb. i links, 
Schrank _4ß6)— von feinkörniger Masse, deren dünne Glasur 
leicht olivgrün getönt ist. Weil sie sehr zerbrechlich sind, 
ist der^Kärid" 'von einem dünnen Kupferreifen eingefaßt. 
Auf diesen Kupferreifen ist vielleicht der braune Rand an 
europäischen Porzellanen zurückzuführen. Das Innere der 
abgebildeten Schale zeigt flott eingravierte Ornamente, im 
Spiegel einen Drachen, auf der Wandung Lotosblumen. 
Das Werkzeug, mit dem die Linien eingraviert sind, ist 



8 



Das chinesische Porzellan 



beim Einkratzen schräg gestellt worden, so daß die Linien 
ziemlich breit und derb geworden sind. Möglicherweise 
ist es noch ein älteres Stück aus Ting-chou, während die 
Schalen (Inv. Nr. 79, 1173 und 79, 1414) mit eingepreßten 
Mustern wohl spätere Imitationen aus Ching-t6-chdn sind. 
Noch jünger ist die Schale 79, 1167, bei der ein braun 
gemalter Rand den Kupferreif ersetzt. 

Eine andere viel häufiger auftretende Gruppe von 
Weißporzellanen, die in Sammlerkreisen unter ''den Namen 
»blancs de Chine« bekannt sind, besitzt eine dicke 

samtartige Gla- 
sur von cr^me- 
oder elfenbein- 
farbener Tönung. 
Sie wurden in 
Tdhua in der 
Provinz Fuchien 
fabriziert. Eine 
sehr beliebte in 
dieser weich- 
porzellanartigen 
Masse hergestell- 
te Form ist der 
Weinbecher bzw. 
die . Opferschale 
in der Abb. i 
rechts. Die eigen- 
tümliche Form 
derselben ist ei- 
ne Nachbildung 
einer aus Rhino- 
zeroshorn ge- 
schnitzten Scha- 
le. In Relief sind 
Blütenzweige, 
Abb. 3. Kanne mit blauer Untergiaaurmalerei. sowie Drachen 

China. Die Silberfassung von Georg Berger, Erfurt um 1570. ^^^ ^^^ chinesi- 
sche Phönix dar- 
gestellt. Die Statuette der Kuan-yin (Abb. i. Schrank 
j, jj Aß&f aus derselben Masse ist mit kalter roter Farbe 
Semalt. 

Durch Verbindung mit verschiedenen Metalloxyden 
nimmt die Glasur im scharfen Feuer des Garbrandes wech- 
selnde Färbungen an. Unter diesen Metalloxyden steht an 
erster Stelle das Kupferoxyd, das je nach dem Grade der 
Oxydation der Glasur eine rote, grüne oder türkisblaue 
Färbung gibt. Der schönste Hurch dieses Metalloxyd ge- 




I. Technik 



I 



wonnene Farbton ist ein tiefes leuchtendes Blutrot (sang 
de boeuf), das entsteht, w enn die G lasur in reduzierenrler 
Flamme geschmoTzen wird^ d. h. wenn infolge sparsamen 
Luftzutritts dem Feuer der Sauerstoff entzogen wird. Wird 
dagegen die mit Kupferoxyd versetzte Glasur in^j^dierendem 



! 




Abb. 4. Vase mit blauer Unterglasurmalerei. China um 1700. 



Brande, d. h. bei reichlichem Luftzutritt, also mit über- 
schüssigem Sauerstoff gebrannt, so entstehen mannigfach 
gefleckte, Uli d gejäammte Töne (flamb^s), rote, violette, blaue 
und grüne Farben in reizvollem Spiel. Zahlreiche Porzellane 



lo Das chinesische .Porzellan 

im Schrank a66^ zeigen die verschiedenen Möglichkeiten, die 
diese Kupferoxydglasuren im Brande entwickeln. Es ist 
wie ein glänzendes farbenprächtiges Feuerwerk, das die 
Glut des Feuers auf die Flächen der Gefäße festgebannt 
hat. Besonders geschätzt sind solche Porzellane, deren 
Farbe den zarten Tönen der Haut des Pfirsichs gleicht 
(peach bloom). 

Bescheidener ist die Farbwirkung, die das Eisenoxyd in 
der Glasur hervorruft. Zunächst ist es ein etwas trübes 
Grün, als Seladorxgrün bekann t~"~Die~sö gefärbten Porzellane, 
äie" zu den ältesten chinesischen Porzellanen, die wir noch 
besitzen, gehören, sind in der Regel nicht glatt , wie die 
Gefäße mit den glänzenden Kupferglasuren, sondern mit 
Reliefs oder eingravierten Ornamenten versehen. Die in 
deü Tiefen der Gravierungen liegende Glasur erscheint 
naturgemäß dunkler als die übrige auf den erhöhten Stellen 
aufliegende Glasur. (Vergl. die Abb. 2.) Bei den älteren 
Stücken zeigt sich auf dem Boden ein rostbrauner Ring, 
die Spur des Untersatzes, auf dem das Porzellan beim 
Brande gestanden hat. Der Name Seladon wurde diesen 
Porzellanen im 17. Jahrhundert nach dem grüngekleideten 
Helden des Romanes L'Astree von Honor^ d'Urf^ beigelegt. 
Ebenfalls aus Eisenoxyd gewonnen wurde eine braune Glasur, 
die in ihrer Farbe an Milchkaffee (cafe au lait) erinnert. 
Sie wurde mit besonderer Vorliebe auf der Außenseite von 
3 5/ Tassen mit Blaumalerei angewendet. (Vergl. Schrank jfaO 

Außer diesen Scharffeuerglasuren gibt es noch olaue 
Glasuren aus Kobalt und schwarze aus Kobalt in Verbin- 
dung mit Mangan- oder Eisenoxyd, die ebenso im Gar- 
brande auf das lufttrockene Gefäß befestigt werden. Eine 
mit glänzender schwarzer Glasur versehene eiförmige Vase 
mit Goldmalereien in prachtvoller französischer Bronze- 
fassung ist im Rokokozimmer ausgestellt. (Siehe die Ab- 
bildung im Rokokohandbuch.) 

Andere Glasuren werden in einem schwächeren Brande 
aufgebracht, nachdem das Gefäß zuvor ohne Glasur gar ge- 
brannt worden ist. Diese auf Biskuit aufgelegten Glasuren 
sind Bleiglasuren: ein Türkisblau und Grün aus Kupfer- 
oxyd, ein Violettbraun aus Manganoxyd, und ein Gelb aus 
Äntimonoxyd. . Qefäße und Figuren mit türkisblauen und 
mänganvioletten Glasuren erscheinen sehr häufig in franzö- 
sischen Bronzefassungen (Louvre). 

Endlich kommen auch farbige Glasuren bzw. Emails 
vor, die auf das fertig glasierte Gefäß in dem schwachen 
Muffelfeuer aufgebrannt werden. Dazu ist vor allem das 
schöne Korallenrot zu rechnen, das aus Eisenoxyd^ ge- 
wonnen, sowie ein Purpurrot, das aus Gold hergestellt wird. 



I. Technik 



II 



Die Anwendung aller dieser farbigen Überzüge ist über- 
aus mannigfaltig. Sie werden sowohl als einheitlicher Ton 
verwandt, als auch in Verbindung mit anderen Dekorationen, 
indem in dem farbigen Fond Reserven ausgespart werden. 




Abb. 5. VaM tfitt roter Unterglasurmalerei. China 18. Jahrh. 



331 



Mit Hilfe dieser mannigfachen Farbtöne ist es den chinesi- 
schen Porzellankünstlem auch gelungen, die Farbenwirkung 
anderer Stoffe bis zur Täuschung zu imitieren. Es gibt fasi 
kein Material, das nicht in Porzellan, nachgebildet worden 
wäre: Bronze, JEisen, Holz, Lack, Glas, Schlangenhaut, 



12 Das chinesische Porzellan 

Leder usw. Eine.. Nachahmung^ der Wirkung des Marmors 
3ji zeigt eine . .Vase-im. Schrank 4667 während ein Gefäfi mit 
,^ emem Entenhals im Schrank ^jjt^ völlig einem mit Gold und 
V^V- Silber tauschierten Bronzegefäß gleicht. 

Bei den eigentlichen Glasuren ist noch eines besonderen 
Effektes Erwähnung zu tun, der offenbar anfangs nur ein 
unbeabsichtigter Fehler, dann aber als künstlerisches Mittel 
bewußt und mit überlegter Berechnung angewandt wurde. 
Es ist die sog. KraJcfiliexung, b^i der die Glasur so zerrissen 
ist^jdasjhre.i5bjeifläche mit einem eng- oder weitmaschigen 
JNetz von feinen Linien überzogen ist. Um die Wirkung 
zu erhöhen, sind diese Risse oft mit schwarzer oder roter 
Farbe eingerieben. Die Chinesen vergleichen die Zeichnung 
dieser Krakeluren mit gespaltenem Eis, Fischrogen usw., je 
nach der Beschaffenheit des Musters. Diese Haarrisse sind 
die Folge eines mechanischen Vorganges; S2e entstehen 
dadurch^ daß beim Erkalten des Gefäßes nach "Hem Brande 
sTcE dTe GrTasur schneller zusammenzieht als die Masse des 
' ^ Gefäßes selbst und infolge dessen reißt. Dieses verschiedene 
-, '} ' Dehnungsverhältnis zwischen Glasur und Masse erzielen die 
chinesischen Töpfer dadurch, daß, sie der Glasur Speckstein 
^'' ^ ^ zusetzen. 

tJnterg lasurmal er ei 

Bei der Unterglasurmalerei wird in Europa auf dem ver- 
glühten, in China auf dem lufttrockenen Gefäße gemalt, dann 
dasselbe in bemaltem Zustande mit der Glasur versehen und 
in der hohen Temperatur des Gutfeuers gebrannt. Nach dem 
Brande liegen die Farben unter der Glasur, wie durch einen 
durchsichtigen Panzer geschützt. Nur wenig Metalloxyde 
halten diesen starken Brand aus: das Kobaltoxyd, das eine 
blaue Farbe gibt, und das Kupferoxyd, das eine rote Farbe 
hervorruft. Auf dem europäischen Hartporzellan des 18. Jahr- 
hunderts konnte nur die blaue Farbe als Unterglasurfarbe 
verwandt werden, das Kupferrot vermochte man nicht her- 
zustellen. Aber auch das Blau kam in der sehr hohen Tem- 
peratur des Garbrandes, den das europäische Porzellan ver- 
langt, selten gut und in schönem klaren Ton heraus. Die 
geringere Temperatur des Garbrandes, den das chinesische 
Porzellan erfordert, bewahrt dagegen das Kobaltoxyd viel 
mehr vor der Zerstörung, so daß die blaue Farbe voll und 
ganz in ungetrübter Schönheit sich entwickeln kann. Und 
die chinesischen Blaumaler, besonders in der Zeit um- 1700, 
haben es denn auch verstanden, dieser Farbe all den Heiz, 
den die Technik ihres Materials gestattete, abzugewinnen. 
Sie wissen dieselbe in der mannigfachsten Modellierung von 
den zartesten, hellsten bis zu tiefen, satten Tönen zu ver- 
wenden, so daß das Blau wie der vibrierende Ton der Geige 



I. Technik 



13 



Bewegung und Leben bekommt. Da_die. I^inselstriche von 
dem lufttrockenen Scherben sofort aufgesogen werden, sind 
Retouchen ausgeschlossen. Daher besitzen alle diese Unter- 
glasurmalereien den Vorzug der Frische und Ursprünglichkeit, 
der den Überglasurmalereien , die Korrekturen erlauben, 
fehlt. Für die verschiedene Behandlung der Blaumalerei und 
der zu den verschiedenen Zeiten wechselnden Nuancen des 




^ "^^^ 




Abb. 6. BlumengefaB mit Emails auf BIsIcuii China bez.: Hsüante (1426-1435). 30 7, 

Blaus gibt die Sammlung von Blauporzellanen im Schrank 4Ö5 y c> ^ 
reiches Material. Eines der schönsten Stücke ist die Walzen- "^ '^ 
vase mit einer chinesischen Landschaft (Abb. 4). 

Schwieriger ak -das ^Kobaltoxyd ist das Kupferoxyd, 
das die unangenehme . Eigenschaft hat,, sich im Feuer -stark 
zu verflüchtigen^ Auch den Chinesen gelingt es nur selten, 
einen schönen roten Ton zu erzielen, häufig geht er ins 



14 



Das chinesische Porzellan 



^3. 



bräunlicheüber; bei der Flasche 97, 108 im Schrank ^4 ist er 
fast schwarz geworden. Es wird sowohl in Verbindung mit 
dem Kobaltblau als auch allein verwandt. Ausschließlich 
in Kupferrot bemalt ist die Kugelflasche in der Abb. 5, 
auf der Drachen über Wellen dargestellt sind. Vereinzelt 
kommen auch in Verbindung mit diesen beiden .Unterglasur- 
farben zwei andere Scharöeuerfarben vor, das Seladongrün 
(siehe Seite 10) und das aus Eisenoxyd gewonnene Hell- 
braun (caf6 au lait), wie auf dem als Persische Kanne 
SJ/. gefaßten Porzellan 82, 725 im Schrank ß^' Doch haben 
diese beiden Farben dann immer den Charakter eingelegter 
Glasuren. 

Emails auf Biskuit 

Die ichon. erwähnten Blßiglasuren, die in einem mittleren 
Feuer (demi grand feu) auf Biskuit als einfarbiger Fond aufge- 
bracht werden, werden auch nebeneinander als mehrfarbiger 
Dekor verwandt, wie z. B. bei den beiden sitzenden Gottheiten 
im Schrank ^ßrf. Ähnlich werden auch Gefäße mit derartigen 
j Emails dekoriert. Um die Farben voneinander zu trennen, sind 
die Ornamente entweder in starkem "TLelief aufgetragen, das 
durch seine Erhebungen die Farbflächen voneinander sondert, 
oder die Konturen der Zeichnungen sind erhaben, wie die hoch- 
stehenden Ränder der Ornamente auf den spanischen Azulejos 
(Wand 209 — 210), oder die Zeichnung ist eingraviert, wie bei 
%c^>^ dem Teller mit grünem Grund im Schrank ^fa^ Daneben geht 
eine eigentliche Biskuit mal er ei, bei der dfie Farbenflächen 
nur durch die gewöhnlich in Manganbraun gemalten Kon- 
turen getrennt sind, und bei der auch Muffelfarben, wie 
z. B. das Eisenrot auf der Konfektschale in Gestalt eines 
ili Lotosblattes (Schrank i07), angewandt sind. Diese Biskuit- 
malereien werden auK höchste geschätzt, besonders die mit 
schwarzem Grunde, deren Wirkung einigermaßen durch die 
beiden vierkantigen Flaschen mit weißen Blütenzweigen 
veranschaulicht wird. Schöner in der Zeichnung ist die 
vierkantige Flasche, der der Hals fehlt, die auf grümem 
Grunde die Blumen der vier Jahreszeiten zeigt. Bei der 
Blumenvase in Gestalt eines halben Flaschenkürbis (Abb. 6) 
stehen die mythologischen Darstellungen auf gelbem Grunde. 

Charakteristisch für diese Biskuitdekorationen sind die 
dünnen, durchsichtigen Emails, die das Korn des Biskuits 
durchscheinen lassen, filüolas Weiß, das niemals als Grund- 
ton, sondern nur zur Darstellung des Ornaments verwandt 
wird, ist opak. 

Überglasurmalerei 

Während die europäiscie ...Püizellankunst für .die_ 
Malerei über der Glasur _stumpfe Farben verwendet, bei 
defieiT'die larbenTen. "Metalloxydeldurch _das_ beigemischte 



I. Technik 



15 



Flußmittel nur auf der Glasur befestigt« aber n icht von 
demselbe n _ajatgelöst__ werdeny wer d^p Hagegen heim nst- 

a siatiScF <=>n y^^^frellan Qtaft Her FarKen farhige Kläger (Emails) 

benutzt, in denen die färbenden Metalloxyde aufgelöst 




Abb. 7. Vase. China bez.: Wan-Ii (1573-1619). 



U^h!; ;»., 



sind. Diese Emails liegen reHef artig auf dem Porzellan 
auf, während die europäischen Farben kaum fühlbar sind. 
Nur das aus EisenQxjil gewxmnene Korallenrot und eine 
zumeist .aux für. die Konturen verwendete schwarze Farbe 
ist ebenso stumpf und dünn wie die europäischen Farben. 



l6 Das chinesische Porzellan 

Auch d ie ostasiatischen Emails werden in dem schwachen 
Muffeibrande auf der Glasur befestigt. 

Versuche, diese Eniails auch auf dem europäischen 
Hartporzellan anzubringen, sind gescheitert. Sie blättern 
im Brande ab und reißen dabei oft tiefe Löcher in die 
Glasur. Nur Massen von ähnlicher Zusammensetzung, wie 
das ostasiatische Porzellan, nehmen diese farbigen Gläser auf. 



2. Form und Ornamentik 

So schwierig es auch ist, die unseren europäischen 
ungeschulten Augen oft fremdartig anmutenden Schöpfungen 
der chinesischen Künstler voll zu würdigen, so gibt es doch 
etwas, das ohne weiteres verstanden werden kann und als 
eine allgemein gültige und von jeder nationalen Sonder- 
lichkeit freie Schönheit immerdar sein Recht behaupten 
wird, das ist der wunderbare Wohllaut der Formen, der 
sich in den chinesischen Porzellanvasen ausspricht. Linien 
von reinstem Ebenmaß und Formen von weichstem Schwünge, 
volle sanfte Rundungen, zarte Schwellungen und zierliche 
Biegungen — Schönheiten, die an die Reize des weib- 
lichen Körpers erinnern, sind dem chinesischen Porzellan 
eigen. Es sind neben den griechischen Vasen die edelsten 
Formen, die überhaupt die Gefäßkunst aller Zeiten und 
Völker geschaffen. Gegenüber ihrer weicheren Anmut haben 
die griechischen Formen etwas Strengeres und Strafferes. 
Wesentlich ist, das bei den, chinesischen Porzellanvasen — 
soweit sie nicht direkte Kopien von Bronzegefäßen sind — 
die Henkel ganz fehlen, während diese bei den griechischen 
Gefäßen die Silhouetten stark bestimmen und entscheidend 
auf die Entwicklung der ganzen Form einwirken. Auch 
fehlen alle Profile und scharfen Absätze, in der Regel fließt 
eine schöne geschwungene Linie in ununterbrochenem Zuge 
vom Halse bis zum Fuß hinab — ein einziger voll aus- 
klingender Ton. 

Viele dieser Gefäßformen sind zweifellos schon in der 
älteren Bronzekunst geschaffen worden. Alle di e Formen, 
deren R^HefschniucJLujlzwdfelhaft ihre Herkunft ausser Guß- 
technik oder Schnitzkunst (Nephrit, Jadeit) offenbart, kommen 
für unsere Zwecke nicht in Betracht. Sie sind es auch 
nicht, die von der europäischen Porzellankunst übernommen 
sind, sondern nur die, deren klarer ungebrochener Upiriß 
sie als keramische Form (ohne Rücksicht auf ihren Ursprung) 
brauchbar macht. Vielfach scheint durch Weglassen der 
Henkel und des Reliefschmucks die alte Form dem neuen 
Zweck angepaßt worden zu sein. 



2. Form und Ornamentik 



17 



Die schönsten und vollendetsten Formen erscheinen 
zur Zeit des Kaisers K'ang-hsi (1663 — 1722). Sie sind es 
auch, die insbesondere Eingang in die europäische Keramik 
gefunden haben. Bemerkenswert ist ihre Größe und ihr 
monumentaler Charakter, zumal im Gegensatz zu den kleinen 




Abb. 8. Vase. China um 1700. 



Formen der japanischen Keramik. Zum Teil liegt das an 
der verschiedenen Zweckbestimmung. In China verwandte 
man die Vasen auch als Dekoration, eine Bestimmung, die 
Japan gar nicht kannte. 

Brüning, Porzellan. 2 



i8 



Das chinesische Porzellan 



In der Dekoration der chinesischen Porzellanvasen 
herrscht ein z weifach es Prinzip, ein architektoniscJies„mid 
eiji^ malerisches. Bei je nem wird das Grefäß nach seinen 
Bestandteilen durch Ürnanierite gegliede'rt und in besonderen 
Bildflächen die Darstellungen eingesetzt. Es ist dasselbe 




Abb. 9. Vase. China um 1700. 



U^ 



Prinzip, nach der auch der griechische Vasenmaler seine 
Gefäße dekorierte (Abb. lo). 

Bei. dem malerischen Dekorationsprinzip wird die ganze 
Fläche des Gefäßes ohne Rücksicht auf seine Gliederung 



2. Form und Ornamentik 



19 



als eine Einheit betrach tet ^ auf die der Maler wie auf eine 
ausgespannte Leinwand seine Komp ositionen setz t (Abb. 9). 

Das architektoniscTie Prinzip ist dasselbe, wonach 
auch die europäische und westasiatische Kunst dekoriert. 
Diese Gemeinschaftlichkeit erklärt sich aus den vielen Be- 
ziehungen, in denen die ostasiatische Kunst zu der westlichen 
gestanden. Über Babylonien gelangten griechische Kunst- 
formen seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. nach China, und seit 
dem Jahre 67 n. Chr. war es der Buddhismus, der eine Brücke 
schlug zwischen dem Westen und Osten. Das, was die in- 
dische Kunst an antiken Kunstelementen aufgenommen, ge- 
langte auf diese Weise nach China. Besonders rege Wechsel- 
wirkungen zwischen Europa und Westasien (Persien) einer- 
seits und Ostasien andererseits herrschten sodann zur Zeit 
der Mongolendyhastie (1280 — 1367), als Herrscher desselben 
Stammes zu gleicher Zeit auf den Thronen zu Bagdad und 
Peking saßen. Schon 1252 fand der Gesandte Ludwig des 
Heiligen in Karakorum einen Pariser Goldschmied Guillaume 
Boucher, der für den Möngolenherrscher eine herrliche Tisch- 
fontäne aus Silber arbeitete, und 1256 kamen zahlreiche 
chinesische Künstler und Handwerker nach Persien. 

Dagegen scheint jenes maleris che Pekoratio nsprin zip 
ganz Eigentum^ des os tasiatisch en_ G^steszu sein. Vielleicht 
hangt es mit äenTTirer am frühsten erwachten Sinn für die 
Schönheit der Landschaft und dem sich hier zuerst offen- 
barenden Gefühl für Natureindrücke zusammen. Schon im 
4. Jahrhundert n. Chr. gab es in China einen Maler, der sich 
das Problem stellte, »den Flug des wilden Schwanes zu 
malen«, und zur Zeit der Sung-Dynastie (960 — 1279) feierte 
die Landschaftsmalerei in China ihre höchsten Triumphe. 
In Zusammenhang mit ihr steht die Wiedergabe einzelner 
Naturmotive, besonders die Darstellungen der Pflanzenwelt, 
denen in der Regel die Tiere mehr attributiv beigesellt sind 
(Abb. 9). Die Wiedergabe der freien Willkür des Natur- 
motivs moc hte leicht die SchfäriTceri "archTtektohischer Ge- 
bundenheit g espreng t haben. Doch ist dieses malerische 
Prinzip der Dekoration kein regelloses. Der Blumenzweig, 
der die freie Fläche schmücken soll, wird mit einer Treff- 
sicherheit hingesetzt, daß es scheint, er könne nicht anders 
und nicht besser zur Füllung des Raumes verwandt werden 
(Abb. 9, 13, 17). 

Die Malerei ist im wesentlichen Umrißze ichnung, sie kennt 
keine Schatten und keine Modellierung. Die G egenstände 
werden in der" Regel ohne Wiedergabe ihrer körperlichen 
Rundung auf die Fläche projiziert, sie werdenals Flächen, nicht 
als Körper cjargestellt. Und was mit dein einzelnen Gegen- 
stande geschieht, geschieht auch mit dem ganzen Land- 



20 Das chinesische Porzellan 

Schaftsausschnitt, auch er wird als Fläche behandelt, ohne daß 
versucht wird, durch perspektivische Darstellung in die Tiefe 
zu gehen. Das Hintereinander wird durch ein Übereinander 
geßehen (Abb. 14), ein Verfahren, das für die— Ausfüllung - 
von Flächen sich vortrefflich eignet und z. B. auch von den 
flandrischen Gobelinwirkern angewandt wurde. Überhaupt 
ist diese flächenhafte Malerei ein ausgezeichnetes Dekorations- 
mittel, da sie sich mit dem Grunde, den sie schmücken 
soll, aufs engste verbindet. 

Schon der rein lineare Charakter der chinesischen Malerei 
verrät ihre nahe Verwandtschaft mit der Kalligraphie. Noch 
mehr zeigt dieses die starke Stilisierung, dfe seTbsrdie'dlr'ekten 
NätüTwiedergäben" erfahren. Bei den Figuren ist das "Spiel 
def^ Gewaridfalten in feste Rhythmen gebannt, die Felsen^ 
werden m bestimmter schematischer Form, nicht naturalistisch 

" dargestellt und selbst die Blumenblätter in einer allgemeinen 
konventionelleri Gestalt wiedergegeben, doch so, daß das 
jeweilige Vorbild sich noch erkennen läßt. Daneben gibt 
es aber^zabl reiche. Gegenstände, die völlig zu rein linearen 
Motiven verschnörkelt sind, wie die Fledermaus, Wellen und 
Wölken (Abb. 5), Flammen u. a. Diese sowie die s'peziellen 
Schöpfungen der chinesischen Phantasie, de r Drach e und 
der Phönix, werden auch als rein ornamentale Eihhetteri 

"benutzt. Andererseits "hat vieles von dem, was uns hur als 
gegenstandsloses Ornament erscheint, wie z. B. der Mäander, 
bei den Chinesen eine bestimmte sinnvolle Bedeutung, so 
daß es ohne Kenntnis chinesischer Sprache und Kultur 
niemals möglich ist, die Bedeutung der chinesischen Deko- 
ration ganz zu verstehen. 



3. Versuch eines geschichtlichen Überblickes 

Nur auf literarischem Wege läßt sich einigermaßen dem 
Ursprung des chinesischen Porzellans näher kommen, da erst 
seit dem häufigeren Auftreten desselben auf europäischem 
Boden, also seit dem 16. Jahrhundert, sich aus den erhaltenen 
Stücken selbst eine leidlich feste Basis für ihre Datierung 
gewinnen läßt. Schon um 600 n. Chr. wird in chinesischen 
Quellen von »grünem Porzellan« (Seladon?) gesprochen. 

Aber erst zur Zeit der Tang- Dynastie (618 — 907), unter 
der in China Malerei, Poesie und Musik hohe Pflege fanden, 
erscheinen feste Nachrichten, die an dem Vorhandensein 
wirklichen Porzellans kaum Zweifel lassen. Denn wenn 
keramische Waren jener Zeit als feinkörnig, dünnwandig, 
durchsichtig und glänzend wie weißes Nephrit bezeichnet 
werden, so kann man darunter nichts anderes als Porzellan 



3. Versuch eines geschichtlichen Überblickes 



21 



verstehen. Auch die Erzählung, daß ein berühmter Musiker 
aus zehn Porzellanschalen sich ein Glockenspiel gebildet 
habe, weist auf wirkliches Porzellan hin. Der erste Fremde, 
der in unzweideutigen Ausdrücken von Porzellan spricht, 
war der Araber Soleyman, der in der Mitte des 9. Jahr- 
hunderts China bereiste. Zur gleichen Zeit mit der Ein- 
führung des neuen Materials scheint auch der allgemeine 




Abb. 10. Schüssel. China bez.: K'ang-hsi (1662-1722). 



Gebrauch des Tees aufgekommen zu sein, möglicherweise 
nicht ganz ohne inneren Zusammenhang. 

Zur Zeit der Sung-Dynastie (960 — 1279) blühten schon 
mehrere Porzellanfabriken, deren Erzeugnisse ziemlich genau 
beschrieben werden, so daß man den Versuch gemacht hat, 
bestimmte Stücke dieser Zeit zuzuweisen. Der in Ting-chou 



22 Das chinesische Porzellan 

gefertigten weißen P orzellane ist schon auf S. 7 Erwähnung 
getan, e benso der Selado ne, deren Hauptfabrikationsort Lung- 
chüan (Provinz Ch6-hiang) war. Die starkwandigen Seladone 
waren anscheinend Exportware, die von dem Hafen Zaitun 
in der Gegend von Amoy ausgeführt wurden und durch den 
arabischen Handel bis nach Marokko gelangten. Seladone, 
die auf diese Weise exportiert wurden, hat man in Japan, 




Abb. 11. RQckseiie umstehender SchQssel. 



Borneo, Sumatra, in Indien, Jawa und auf den Philippinen 
gefunden, in Sansibar zugleich mit chinesischen Münzen 
des 10. und 11. Jahrhunderts. Das Museum besitzt Scherben 
von Seladongefäßen, die in Fostat (Oberägypten) zusammen 
mit anderen Gefäßen ausgegraben sind. Vielleicht ist die 
grüne Farbe dieser Porzellane aus dem Bestreben zu erklären, 
das so hochgeschätzte Nephrit nachzuahmen. 



3. Versuch eines geschichtlichen Überblickes 23 

Auch andere farbigen Glasuren wußte man damals so- 
wohl auf Porzellan wie Steinzeug herzustellen, so eine 
wundervolle hellblaue Glasur (clair de lune). Wohl das 
schönste in Europa befindliche Stück mit einer solchen 
Glasur, ein großer Napf, befindet sich im Besitz des Herzogs 
von Sachsen-Koburg-Gotha und ist im Museum zu Gotha 
ausgestellt, ein kleineres Stück besitzt das Britische Museum 
in London. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dieselben aus 
so früher Zeit stammen. Geflammte und krakelierte Glasuren 
werden auch schon erwähnt, ebenso nimmt man an, daß 
die Emails auf Biskuit ebenfalls bekannt waren. In Ching- 
t^-ch^n, wo damals schon für den kaiserlichen Hof gearbeitet 
wurde, fabrizierte man dünnes weißes Porzellan. 

Unter der Mongolenherrschaft (1280 — 1367) scheint die 
chinesische Porzellanindustrie im wesentlichen für den Export 
gearbeitet zu haben. Erst unter den Mi ng- Kaisern (1368 
bis 1643) nimmt die Porzellankunst erhöhten Aufschwung. 
Die Produktion konzentriert sich jetzt allmählich fast ganz 
auf Ching-t^-chen. Besonders sind es zwei Kaiser, deren 
Regierungszeiten als Blüteperioden der Porzellankunst gelten, 
Hsüantö (1426 — 1435) ^^^ Ch^ng-hua (1465 — 1487); ihre 
Marken wurden später am häufigsten nachgeahmt. Gepflegt 
wurde unter diesen Kaisern insbesondere die Unterglasur- 
malerei und die Dekoration auf Biskuit. Indessen läßt sich 
kein einziges Stück mit positiver Sicherheit aus dieser Zeit 
nachweisen, wenn es ja auch nicht ausgeschlossen ist, daß 
z. B. die große Schüssel mit Drachen in roter Unterglasur- 
malerei im Völkermuseum, sowie das Gefäß Nr. 271 in der 
Sammlung Franks im Britischen Museum mit Blaumalereien, 
die die Marke des Kaisers Cheng-hua tragen, wirklich aus 
dieser Zeit stammen. 

Erst im 16. Jahrhundert lichtet sich allmählich der 
Nebel, der über der chinesischen Porzellankunst der früheren 
Jahrhunderte lagert. Für die Zeit des Kaisers Chi a-ching 
(1522 — 1566) lassen sich schon eine große Anzahl charakte- 
ristischer Stücke nachweisen. Dazu gehören vor allem 
Porzellane mit Malerei in Kobaltblau, das einen ganz 
besonders tiefen leuchtenden Ton hat. Das Blau tritt aber 
zumeist nur in einer Nuance auf, die spätere modellierende 
Behandlung dieser Farbe kommt fast noch gar nicht vor. 
Der Ton des Blaus entspricht annähernd dem auf der kleinen 
Vase Inv. Nr. 79, 1186, die die Marke des Kaisers Wan-li 
(1573 — 1619) trägt. Daneben erscheint aber auch im 16. Jahr- 
hundert ein blasses, oft trübes Blau, wenigstens zeigen die 
in jener Zeit in Edelmetall gefaßten Porzellane derartige 
Töne, wie z. B. die in der Abb. 3 dargestellte Kanne, deren 
silberne vergoldete Montierung die Marke des Erfurter 



24 



Das chinesische Porzellan 



Goldschmieds Georg Berger (1560 — 1577) trägt. Das Blau 
ist bei diesem Stück ziemlich trübe, es tritt in schwarzen 
Punkten und Flecken an die Oberfläche der blasigen Glasur. 
Dagegen ist das Blau der chinesischen Kanne in der Samm- 
lung Salting im Viktoria- und Albert-Museum in London, 




Abb. 12. Vase. China um 1700. 



Sij 



deren englische Silberfassung aus dem Jahre 1585 stammt, 
sehr blaß. Zahlreiche Blauporzellane mit Marken von Kaisem 
des 16. Jahrhunderts besitzt die Sammlung Franks im Bri- 
tischen Museum. Von den Stücken des Kunstgewerbe- 
museums gehören dieser Zeit bzw. dem Anfang des 17. Jahr- 



3. Versuch eines geschichtlichen Überblickes 25 

hunderts wahrscheinlich der Napf Inv. 03, 122, und 90, 239 
an, sowie die kleine Vase 79, 1186, die die Marke des 
Kaisers Wan-li trägt. 

Auch mehrere der Gefäße in persischen Formen, die 
großen Kannen, Wasserpfeifen usw. sind wahrscheinlich 
um 1600 in China für den Export nach Persien ge- 
arbeitet. Unter den Gebäuden der Moschee des Schech 
Safi in Ardebil befindet sich auch ein Porzellanhaus, in . 
dem jetzt noch etwa fünfhundert chinesische Porzellane, 
zumeist mit Blaumalereien, am Boden stehen. Früher waren 
sie in Wandnischen untergebracht, ähnlich wie später im 
18. Jahrhundert in den europäischen Schlössern in Porzellan- 
kabinetten die Porzellane aufgestellt wurden. Schah Abbas I. 
(1586 — 1628), der Erbauer der Moschee, benutzte sie als 
Speisegeschirr (Sarre). Wie für Persien so wurde unter 
Wan-li auch schon für den europäischen Export gearbeitet; 
mehrere vder großen Schüsseln im Meißener Porzellansaal 
sowie verschiedene Porzellane im Hohenzollemmuseum ge- 
hören dieser Zeit an. 

Auch die Malerei über der Glasur erscheint auf Por- 
zellanen, die man wohl sicher noch dem 16. Jahrhundert 
zuschreiben darf. Zunächst treten die Muffelfarben in Ver- 
bindung mit der Blaumalerei auf, indem z. B. ein gelber 
Ton den weißen Grund deckt. Nicht selten ist dann die 
Blaumalerei mit einigen bunten Muffeltönen gehöht. Oder 
es wird das Ornament in einer Muffelfarbe aufgesetzt, der 
Grund dann mit einer zweiten Muffelfarbe gedeckt, wie z. B. 
bei dem Teller mit grünem Drachen auf eisenrotem Grunde, 
f der allerdings schon dem 18. Jahrhundert angehört (Schrank 
^ /'♦ X^M)' Dann aber erscheint auch die Malerei in bunten 
^'' "Muffelfarben auf der weißen, nicht gedeckten Glasur. Eines 
der ältesten Stücke mit dieser Dekoration ist vielleicht der 
Spülnapf Nr. 989 in der Sammlung Salting im Viktoria- und 
Albert-Museum in London, der die Marke des Kaisers 
Cheng-te (1506 — 1521) trägt. Auck der Napf 84, 1040 auf 
em Gestell neben dem Schrank ajöto mit der Marke des Kaisers 
Chia-ching (1522 — 1566) dürfte wohl aus der Zeit seiner Da- 

• tierung stammen. Char akteris tisch f ür die se frühen Muffel- 
deko rationen sind das dunkele tlecTcfge EisenVöt" und dieirach 
unvollkommenen schmutzigen 'Emails. Das türkisblaue Email, 
das sicTT'auch* auf der eiförmigen Vase im Schrank ß/i^ 
findet, kommt auf den Muffelmalereien der späteren Zeit 

' nicht mehr vor. 

Auch unter Wan-li (1573 — 1619) weisen die Emails noch 
dieselben Mängel auf. Zum Teil sind es, wie z. B. auf der 

* großen freistehenden eiförmigen Vase neben Schrank ^^j.^, 
stumpfe Farben, aber noch nicht Emails. Die Sammlung 



°,h(r% 



^n 



26 



Das chinesische Porzellan 



des Museums besitzt gerade aus der Zeit dieses Kaisers 
eine verhältnismäßig große Anzahl von Porzellanen mit Über- 
glasurmalerei. Das in Verbindung mit den Überglas urfarben 
auftretende Unterglasurblau ist ungleichmäßig, bald tief und 
leuchtend, wie unter Chia-ching, bald blaß wie auf der 
Flasche in der Abbildung 7. Die Formen sind zumeist 
schwerfällig, sie besitzen noch nicht die Eleganz der 
. späteren Zeit. 




Abb. 13. Vase. China, Ende 17. Jahrh. > 



Die Glan zTiPit dftr chinesischen Porzellankunst, soweit 
wenigstens diese in erhaltenen Stücken sich darstellt, fällt 
in die Regierung des Kaisers K^ang-hsi (1662 — 1722). ^u 
Gefrier anderen Zeit zeigen die Formen der Gefäße die 
gleiche Anmut der Umrißlinien, entwickeln die Farben eine 
solche Leuchtkraft und Schönheit und sind die Dekorationen 
von so vollendeter Zeichnung. Es scheint, daß dieser Auf- 
schwung der Porzellankunst seit 1680 datiert. Die ersten 
Jahre der Regierung dieses Kaisers waren mit Kämpfen 



3. Versuch eines geschichtlichen Überblickes 



27 



gegen aufständische Rebellen ausgefüllt, 1675 wurde die 
kaiserliche Manufaktur in Ching-t^-chen völlig zerstört und 
erst 1680 konnte der volle Betrieb wieder aufgenommen 
werden. 

Sämtliche in älterer Zeit geübten Dekorationsweisen 
werden wieder aufgenommen und mit hoher Vollendung 




Abb. 14. SchOssel. China, Anfang 18. Jahrh. J^ r 

angewandt. Unter den farbigen Glasuren werden besonders 
d ie aus K upferoxyd gewpjrmenen joten und geflammten 
Tö ne mit~"gr6irer M eisterschaft hergestellt. Die Bla umalerei 
erreic ht in der virtuo'sen"Beherrschung der Tonmodellierung 
eine Vollkommenheit, die sie vielleicht niemals vorher be- 
sessen. "Die Sammlung des Museums ist nicht reich an 



28 Das chinesische Porzellan 

Blaumalereien aus dieser Zeit, hervorragende Stücke fehlen 
ganz. Am besten vermag noch die schon erwähnte, in der 
Abb. 4 dargestellte Walzenvase die technische Meisterschaft 
der damaligen Blaumaler zu veranschaulichen. Ein selten 
vorkommendes Stück ist die kleine Vase, aus deren blauem 
Grunde Drachen ausgraviert sind. Die Walzen vase 98, 227 
zeigt in dem durch Spritzung aufgetragenen, gesprenkelten 
blauen Grunde (bleu fouette) weiße Reserven mit figür- 
lichen Darstellungen. Zu den am höchsten geschätzten 
Blauporzellanen gehören die fälschlich Hawthorn- oder 
Mayflower- Vasen genannten eiförmigen Deckelvasen, bei 




Abb. 15. Teller. China, 1. Hälfte 18. Jahrh. - - 

denen auf tiefblauem Grunde Mumeblüten ausgespart sind. 
Die auf Biskuit emaillierten Porzellane, die man früher in 
der Regel früheren Jahrhunderten zuzuschreiben geneigt war, 
werden jetzt zumeist in die Zeit K'ang-hsis gesetzt, wo dieser 
alte Dekor ebenfalls mit größtem Erfolg wieder aufgenommen 
wurde. Da die meisten Stücke die Marke der Kaiser 
Ch'^ng-hua oder Hsüan-t^ tragen, wird man annehmen dürfen, 
daß es sich um direkte Kopien alter Stücke des 15. Jahr- 
hunderts gehandelt hat. 

Während alle diese Dekorationen in früheren Jahr- 
hunderten vielleicht mit derselben technischen Vollendung 



3. Versuch eines geschichtlichen Überblickes 29 

geübt sein mögen, scheint dagegen ^aif dem Gebiete der 
Uberglasurmalerei unter K*ang-hsi ein g anz wesentiicher 
FöftäChfift' eingetreten zu sein. Die Emailfarben gelingen 
jetzt 'züni ersten Male vollkommen, besond ers (j^^ Onin wird 
in so glänzende r Weis e herausgebracht , daß es „mit seix^sx 
jeuchtgfldgn ?rar.hl;liIIfiI^dSf n Karhfip JsJcErunjteLordnfit^^so 
daß man d er ganzen G ruppe der so dekorierten Porzellane 
3ie Jjezeichhu ng »t^miTfe verte<rg^g^VnTiat." Daneben tritt 
an zweiter*"S^telle ein kräftiges FrjfJP'nrntj ferner ein gelbes 
und manganviolettes Email. Das Blau tritt in der ersten^ 
Zeit unter ^!:^hg-hsi'"als Unterglasurblau, später als Über- 
glasurblau auf. Die grauschwarzen Konturen und die Innen- 
zeichnung werden von den durchsichtigen Emails gedeckt. 
Eines der schönsten Beispiele dieses Dekors, bei dem be- 
sonders das Grün von schönster Leuchtkraft und satter Tiefe 
ist, ist die Vase in der Abb. 12. 

Es gibt aber auch noch Porzellane, die noch nicht die 
volle Klarheit und Farbenfrische dieser Überglasurpalette 
zeigen, sondern den älteren Malereien aus der Zeit Wan-lis 
nahestehen. Man pflegt sie auch zumeist noch in die Ming- 
Zeit zu setzen. Indessen enthält die Sammlung des Museums 
ein Stück, wodurch diese ganze Gruppe in die Regierungs- 
zeit K'ang-hsis hinaufgerückt wird: die in der Abb. 10 wieder- 
gegebene Schüssel. Sie zeigt nämlich auf der Rückseite die 
sehr schön geschriebene Marke des Kaisers (Abb. n). Cha- 
rakteristisch ist der doppelte Fußrand, der eine unglasierte 
runde Rinne bildet. Auch die Schüssel mit Felsen und 
Päonien (Abb. 13) ist in der Zeichnung noch sehr streng 
und altertümlich, während dagegen die Vase mit Blüten- 
zweigen und Vögeln (Abb. 9) sowie die große Schüssel 
mit figurenreicher Darstellung (Abb. 14) schon der Zeichnung 
nach sich als Arbeiten der jüngeren K'ang-hsi-Zeit darstellen. 
Der große Stil, den diese älteren Malereien besitzen, weicht 
einer zierlicheren und kleinlicheren Manier. Vielleicht waren 
europäische Einflüsse dabei im Spiel. Unter K'ang-hsi 
hatten die Jesuiten großen Einfluß in China; 1699 wurden 
zwei Maler des Jesuitenordens, Gherardini und Belville, nach 
Peking berufen, und von einem chinesischen Maler aus dem 
Anfang des 18. Jahrhunderts erzählt der Biograph, daß er 
nach der Methode des Westens gearbeitet habe. 

K*ang-hsis Nachfolger Yung-ch^ ng (17 23 — 1735) suchte 
mit blutiger Gewalt das Christentum, das schon unter den 
kaiserlichen Prinzen Anhänger gefunden hatte, wieder aus- 
zurotten und die alten nationalen Traditionen von neuem 
zu beleben. Auch in der Kunst äußert sich diese Reaktion. 
In Ching-te-ch^n werden die alten Porzellane, die der Kaiser 
aus seiner Sammlung in die Manufaktur schickte, kopiert. 



30 



Das chinesisclie Porzellan 



Aber der europäische Einfluß ließ sich nicht aufhalten. JEr_ 
äußert sich zunächst ~in~ -einer Hera bs t imtnxnrg "der kräftigen 
Farben zu ;«ärten "gebrochenen TOnen, ein ähnlicher Vor- 
gang, wie er damals auch in Europa hervortritt. Vielfach 




Abb. 16. Vase. China bez.: Yung-cheng (1723-1735). 



werden die Konturen bei der Anwendung durchsichtiger 
Emails in Unterglasm-blau vorgezogen, wie bei der Pilger- 
flasche in Schrank ^^ die als Dekoration große Fruchtzweige 
zeigt. Die Zeichnung ist in dieser Zeit oft von großer 
Zierlichkeit und Anmut (Abb. 15). 



3. Versuch eines geschichtlichen Überblickes 



31 



Neben diesen zarten, allmählich sich verflüchtigenden, 
durchsichtigen Emails der alten » famille verte « tritt dann eine 
völlig neue Palette, die von ei nem schönen, aus Gold ge- 
wonnenen, an die Stelle des Eisenrots tretenden Purpur 
beherrscht wird. Die Porzellane der neuen Farbenskala 
führen den Namen »Jamille rose«. Diese Purpurfarbe tritt 
schon auf Porzellanen auf, die unzweifelhaft noch der Zeit 
des Kaisers K'ang-hsi angehören, wie auf der im Schrank 




Abb. 17. SchOssel. China, 18. Jahrh. 



V'} 



a6^ stehenden Deckelvase mit grünen Emails, Eisenrot und 
rurpur, die im übrigen noch den Charakter der »famille 
verte« trägt. Aber erst unter Yung-ch^ng scheinen neben 
diesem Purpur jene opaken zarten Töne aufgekommen zu 
sein, die durch Mischung der farbigen Flüsse mit weißem 
Email entstanden sind. Ein ausgezeichnetes Beispiel dieser 
neuen Malerei stellt die Vase in der Abb. 16 dar. Die 
fein detaillierte Innenzeichnung, bei der die Farben über- 
einandergesetzt sind, entspricht in ihrer modellierenden Be- 



32 



Das chinesische Porzellan 



handlung und dem Ineinandergehen der Töne statt des 
früheren Nebeneinander schon ganz der europäischen Mal- 
weise. 

Unter Ch'ien-lung (1736 — 1795) nimmt die chinesische 
Porzellankunst unter der Ägide des kunstsinnigen Kaisers 
noch einmal all ihr Können zusammen. Aber es fehlt ihr die 
alte nationale Kraft. Die Formen werden schlaff und weich- 
lich, die weiße Glasur vielfach kreidig und stumpf. Aller- 
dings gelingen zum Teil noch die alten farbigen Glasuren, 
aber gepflegt werden mehr jene täuschenden Nachahmungen 
fremder Stoffe und gewisse Effekte, wie die durchbrochenen, 
nur durch Glasur geschlossenen Dekorationen (grain de riz, 
vgl. den Teller im Schrank ^^^ bei dem die Körner des 
Granatapfels in dieser Technik hergestellt sind), oder das 
Eierschalenporzellan. An die Stelle der Kunst tritt jetzt 
das Raffinement. Auch in der Überladung mit Orna- 
menten (seven borders) zeigt sich der Verfall, wenn ja auch 
noch vieles Geschmackvolle (siehe die Abb. 17) geschaffen 
wird. Die Blaumalerei, die noch unter Yung-ch^ng mit 
einiger Kunst geübt wurde, sinkt völlig von ihrer früheren 
Höhe herab. In der Überglasurdekoration herrschen die 
oft schreienden und harten Farben der »famille rose«. 

Die letzten Ausläufer der alten Porzellankunst reichen, 
ähnlich wie in Europa die historischen Stile, bis in die 
Mitte des 19. Jahrhunderts. Manches von dem, was noch 
unter Tao-kuang (182 1 — 1850) geschaffen wurde, ist in der 
sorgfältigen technischen Ausführung immerhin noch achtens- 
wert, wie z. B. die im Schrank 4J5^ ausgestellten Näpfe mit 
farbigen Fonds, in denen Ornamente eingraviert sind, und 
mit Blumenmalereien in weißen Reserven. Äußerlich kenn- 
zeichnet sich der Zusammenbruch der chinesischen Porzellan- 
kunst in der Zerstörung von Ching-t^-ch^n während der 
Taipingrebellion im Jahre 1855. 



Chinesische Exportware 

Man darf annehmen, daß schon im Mittelalter viele 
der schweren dickwandigen Seladone eigens für den Export 
angefertigt worden sind (vgl. S. 22). Gegen Ende des 16. Jahr- 
hunderts bewirkte sodann die starke Nachfrage nach chinesi- 
schem Porzellan sowohl in Persien wie in Europa, daß für 
beide Märkte besondere Ware angefertigt wurde. Aber wäh- 
rend man b ei den für Persien gearbeiteten Stücke n vor allem 
i n den Formen , zum Teil auch wohl i m Or naniente dem Ge- 
schmack und dem Bedürfnisse der Abnehmer stär k" ent- 
gegen Team, scheint der einzige Unterschied zwischen dem 
daSiäTs für China selbst und für Europa anderseits fabri- 
zierten Porzellan in der schlechteren Qualität des letzteren 
beruht zu haben. Höchstens wird man besonders beliebte 
Muster bei der Exportware bevorzugt haben. 

Erst unter Khiang-hsi geht man in China dazu über, 
den Geschmack der Europäer soweit zu berücksichtigen, 
daß man das Porzellan mit Darstellungen dekorierte, für 
welche die Vorlagen, Zeichnungen, Kupferstiche u. a., 
von Europa eingeschickt wurden. Diese Malereien wurden 
zum großen Teil in Kanton ausgeführt. Naturgemäß über- 
wiegen die Wappen der Besteller, aber ebensowenig fehlt 
es an Genrebildern, religiösen, historischen und mytholischen 
Darstellungen. Die Sammlung des Museums ist reich an 
derartigen Porzellanen, eine große Anzahl von Geschirren 
mit Malereien in Schwarz und Gold sind als Geschenk der 
Frau Sophie Eltzbacher dem Museum überwiesen worden. 
Der künstlerische Wert dieser Porzellane ist gering. Inter- 
essant ist die sonderbare Umwandelung, die vielfach die 
europäischen Motive unter der Hand des chinesischen Malers 
erfahren haben. Das Parisurteil auf einem Teller im Schrank 
V ^ \yf'^ zeigt z. B. die Unsicherheit des Porzellanmalers in der 
* ■ Wiedergabe der unbekleideten Figuren; die Darstellung des 
Nackten ist auf dem chinesischen Porzellan — von Obscöni- 
täten abgesehen — ausgeschlossen. 

Chinesische Arbeiten sind auch die siamesischen Ge- 
' fäße im Schrank ^6, wie Masse, Technik und Farben 
deutlich erkennen lassen. 

Brüning', Porzellan. -3 



Japanisches Porzellan 

So hoch in China das Porzellan als künstlerisches Aus- 
drucksmittel steht, so wenig ist es in Japan unter den ke- 
ramischen Produkten angesehen. Steinzeug und Steingut 




Abb. 18. Teller (Imariware). Arlta, 17. Jahrh. '/ ' , 

nehmen hier die erste Stelle ein. Ihre gedämpften intimen 
Reize, die etwas Müdes, Weiches an sich haben und sehr 
verfeinerte Sinne zu ihrer Würdigung verlangen, Sinne, die 
an vergilbtem Papier und verwittertem Stein sich erfreuen — 
die verschwiegenen Reize dieser keramischen Stoffe ent- 
sprechen mehr dem japanischen Geschmack als die leuch- 



Japanisches Porzellan 35 

tenden frischen Farben des Porzellans, deren Helltönigkeit 
dem japanischen Ohr vielleicht zu laut erklingen mochte. 
Jedenfalls^ hat ^.^^as ^Porzellan in Japan nur eine be- 
s*cHei5ene Pflege gefunden, es. war, mehr eine Exportware 
als rtir"ProdÜKt zur Befriedigung heimischer ^Bedürfnisse. 
Innerhalb der Geschichte der Porzellankunst ist aber trotzdem 
das japanische Porzellan, auch das für den Export nach 
Europa geschaffene, nicht unwichtig, weil es stark das euro- 
päische Porzellan in Form und Dekoration beeinflußt hat. 

Es scheint, daß erst die starke Nachfrage der Europäer 
nach chinesischem Porzellan überhaupt die Japaner ver- 
anlaßt hat, Porzellan zu fabrizieren, um selbst sich die 
Vorliebe des Occidents für dieses Produkt zunutze zu machen. 
Denn erst seit Beginn des 17. Jahrhunderts, dem Zeitpunkte, 
seitdem die Holländer mit Japan in Handelsbeziehungen 
traten, wurde dort die Porzellanfabrikation in größerem 
Maßstabe betrieben. Wie in allen anderen Dingen, waren 
erst recht auf diesem Gebiete die Chinesen die Lehrmeister 
der Japaner. 

Die älteste und bedeutendste Fabrikationsstätte war die 
Stadt Arita in Hizen, der Korea zunächst gelegenen Pro- 
vinz. In Hizen war schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts 
von einem Töpfer, der in China gelernt hatte, Porzellan 
fabriziert worden, aber ohne dauernde Wirkung. Besseren 
Erfolg hatte der koreanische Töpfer Li-Sanpei, der nebst 
anderen Genossen von den Japanern aus einem Kriegszuge 
nach Korea mitgebracht worden war, um seine Kunstfertigkeit 
nach Japan zu verpflanzen. Er fand um 1600 bei Arita 
reiche Kaolinlager und errichtete in diesem Orte den ersten 
Brennofen. Da in China um die Mitte des 17. Jahrhunderts 
durch den Einfall der Mandschu die Manufakturen in Ching- 
t^-ch^n für längere Zeit still gelegt wurden, machten sich 
die Töpfer Aritas diesen Umstand zunutze und zogen 
einen großen Teil des Exporthandels nach Europa an sich. 
Ihre Erzeugnisse wurden von Imari, einem kleinen Hafen, nach 
Nagasaki geschafft und von da aus weiter transportiert. 
Der Name »Imari« ist dann dem Porzellan von Arita als 
Gattungsname (»Imariware«) beigelegt worden. 

Die besten Erzeugnisse Aritas, in denen sich ein feiner 
Geschmack ausspricht, sind sparsam mit bunten Emails 
dekorierte Gefäße, die offenbar zunächst für japanische Ab- 
nehmer bestimmt waren. Die Masse ist fein, die Glasur 
milchig, wenig durchsichtig, oft elfenbeinfarben. JÖas 
Eisenrot herrscht in der Dekoration vor, dazu treten ein 
grüiTeü gelbes und ein blaues "Emaih Der weiße Grund 
wird nur wenig gedeckt von den zierlichen Motiven, die 
zumeist nur aus einzelnen Bäumen und Blumen, Bambus, 

3* 



36 



Japanisches Porzellan 



Pinie, Chrysanthemum, Päonie u. a. bestehen (Abb i8). Die 
nach Europa exportierten Stücke sind in Meißen, St.Cloud, 
Chelsea, Bow usw. mit Vorliebe nachgeahmt worden. 

Indessen dieser maßvolle und zierliche Dekor war den 
Holländern nicht reich genug. Man wollte prunkvollere Mo- 
tive und derbere Formen, damit sie sich in die schweren 
heimischen Barockformen hineinfügen könnten. Und so ent- 




Abb. 19. Flasche. Kutan! um 1700. Vi/ 



standen in__der. „zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Jene 
reichen, vorzugsweise in Unterglasurblau, Eisenrot und 
Gold deJiorierten Porzellane, die noch jetzt in ' Massen "Hie" 
europäischen Schlösser füllen. Sie wurden fast täuschend 
in Delft nachgeahmt (vgl. Schrank 358 im Saal 53). Neben 
den drei herrschenden Farben werden bunte Emails meistens 
nur sparsam verwendet. Auch in China hat man diesen 
Dekor imitiert; bei diesen chinesischen Nachbildungen ver- 



Japanisches Porzellan ^y 

rät vielfach nur die Masse, insbe sondere der bräunliche 
'^ 1 Fußrand die He rkunft (vgl. Schrank Aii<jj, wahrend das 

^ , japanische J i'orzelian leicht an den Warzen unter dem 

Boden erkennbar Ist,' "üeii ^Kesteil tter " kleinen Sfötz'en," " auf 
™ denen' 'dfe' "Porzellane beim Brande standen. Auch ist 

vielfach "dernrüßrarid hicKt "^ so" sauber abgeschliffen wie 
' beim chinesischen Porzellan, sondern noch rauh und un- 

eben. Außer diesen Waren wurden in Arita noch nur in 
Unterglasurblau dekorierte Gefäße ebenfalls für den Export 
hergestellt. 

In der Provinz Hizen befanden sich außerdem noch 
zwei kleinere Porzellanfabriken, die sich durch gute Arbeiten 
auszeichneten. Die eine war die zu Anfang des i8. Jahr- 
hunderts errichtete Privatmanufaktur des P'ürsten von Nabe- 
shima in Okawaji, die nur für den Bedarf des Fürsten 
arbeitete. Charakteristisch für die Erzeugnisse dieser Fabrik 
ist ein k^mmartiggc Muotor (kushite), wie es das kleine 
. /; Schälchen im Schrank 0^ am äußeren Fußrande zeigt. Innen 
' > sind in Unterglasurblau Blüten auf Wellen dargestellt. Den 
Grund füllt zum Teil eine seladongrüne Glasur. Eine andere 
Manufaktur, die ebenfalls zu Beginn des i8. Jahrhunderts 
gegründet wurde, befand sich zu Mikawaji (]PfiraHn) Sie 
^^gfgQg^JUl^g ge schmackvoll e_ Blau wäre»., die indessen im 
Museum nicht Vertreten ist. Auch Porzellane mit feinen 
Pinselreliefs und versenkten Reliefs wurden hergestellt. Die 
Fabrik arbeitete für den in Hirado residierenden Fürsten 
aus der Familie der Matsu-ura. 

Die nächst Arita bedeutendste japanische Porzellan- 
fabrik ist die um 1660 errichtete Manufaktur in Kutani 
(Prov. Kaga). Man erzählt, daß ein Töpfer namens Goto 
Saijiro das Geheimnis der Porzellanbereitung, das in Arita 
ebenso sorglich wie später in Meißen gehütet worden sei, 
durch List erworben und nach Kutani gebracht habe. Doch 
gelang es niemals, eine so weiße und feine Masse herzustellen 
wie in Arita, sie blieb vimmer mehr oder weniger grau 
und kommt oft dem Steinzeug nahe. Infolgedessen wählte 
man einen Dekor, der möglichst den Grund deckte, und 
überspann den ganzen Körper mit Ornamenten in einem etwas 
dunklen schweren Eisenrot. Zu diesem traten entweder bunte 
Emails, wie Grün und Gelb und Schwarz hinzu (Abb. 19), 
oder Gold und Silber. Der Rot-Gold-Silber-Dekor ist im 
' 19. Jahrhundert wieder aufgenommen worden (Schrank^l^). 
Dem großen Stil der chinesischen Porzellane kommt 
eine andere Gruppe von Porzellanen, die in Kutani hergestellt 
worden sind, nahe, deren Dekorationen auf den gegen Ende 
des 17. Jahrhunderts in Kioto lebenden, sehr geschätzten 
Maler Hisazumi Morikage zurückgeführt werden. Sie stehen 



38 



Japanisches Porzellan 



offenbar, unter dem Einfluß der chinesischen Biskuit- 
dekorationen, die Emails decken den ganzen Grund, sind 
aber auf die Glasur gemalt. Ein Grün von nicht selten 
überraschender Schönheit überwiegt, daneben tritt ein 
warmes Manganbraun (violett) und ein Gelb, selten ein Blau 




Abb. 20. SchUssel. Kutani um 1700. 



(über der Glasur). Die Zeichnung ist in Schwarzbraun gemalt 
und dann von den Emails gedeckt. Die in der Abb. 20 
dargestellte große Schüssel zeigt die Technik und den Stil 
dieser Arbeiten. Die Rückseite zieren große Spiralranken 
unter grünem Email. 



Persisches Porzellan 

Lange Zeit war man geneigt, die zahlreichen in Persien 
gefundenen Porzellane für einheimisches Fabrikat zu halten. 
Indessen fast alle sind in Masse und Technik so sehr dem 
chinesischen Porzellan verwandt, wenn auch vielfach gröber 
und mangelhafter in der Arbeit, so daß man nicht daran 
zweifeln kann, daß es sich nur um chinesische Exportware 




Abb. 21. Flasche mit Unterglasurmalerei. Persien. 



40 



Persisches Porzellan 



handelt (vgl. Seite 33). Nur ein einziges Stück befindet 
sich in der Sammlung, überhaupt das einzige mir bekannte 
Stück, daß man als persisches Porzellan ansprechen möchte. 
Es ist die Flasche mit Messingstöpsel im Schrank 341 (Abb. 21). 
Die Form derselben ist durchaus unchinesisch, sie kommt da- 
gegen bei persischen Gläsern und Fayencen häufig vor (vgl. 
Schrank 339). Die Einziehung des Bodens verrät, daß die 
Form der Glastechnik entsprungen ist. Die Glasur ist weich, 
leicht ritzbar und von grünlichem Ton, sie verläuft unten 
in dicke Tropfen, ohne ganz bis zum Bodenrand herab- 
zureichen. Der Löwe (oder Tiger?) ist offenbar, wie die 
Ansätze (Flammen?) an den Oberschenkeln zeigen von einer 
chinesischen Darstellung beeinflußt, aber wohl kaum von 
chinesischer Hand gemalt, und zwar in einem zwiefachen 
Blau und einem graubraunen Tone unter der Glasur. Die 
Glasur erinnert stark an die alkalische Glasur der persischen 
Fayencen. Die Masse ist weiß und läßt sich nicht ritzen, 
muß also als Porzellan bezeichnet werden, und zwar wahr- 
scheinlich als persisches. 

Die Möglichkeit, daß auch Persien Porzellan fabriziert 
habe, ist keineswegs ausgeschlossen, da sowohl in Urmia 
wie in Kaschan sich Kaolinlager befinden, so daß es an dem 
nötigen Material nicht fehlte. Auch Reisende des 17. und 
18. Jahrhunderts, wie Chardin, erzählen, daß in Persien durch- 
sichtiges Porzellan hergestellt würde, und ebenso spricht 
P^re d'Entrecolles von persischem Porzellan. Bei der ein- 
gehenden Kenntnis dieses Mannes von der Technik des 
chinesischen Porzellans darf man auf seine Mitteilung be- 
sonderen Wert legen. Da wir wissen, daß Schah Abbas 
(1585 — 1677) eine Kolonie chinesischer Töpfer in Ispahan 
ansiedelte, ist es möglich, daß damit die Kenntnis der 
Porzellanbereitung nach Persien gekommen ist. 



Erste Versuche der Porzellanbereitung 
in Europa 

Wohl die früheste Kunde vom chinesischen Porzellan 
brachte gegen Ende des 13. Jahrhunderts der Venetianer 
Marco Polo nach Europa, der seinen Landsleuten über diese 
unbekannte Ware berichtete und wohl auch einige Stücke 
mit nach Hause brachte. Im 15. Jahrhundert müssen schon 
eine größere Anzahl von chinesischen Porzellanen durch die 
Venetianer und Genuesen nach Italien gekommen sein, bis 
dann nach der Entdeckung des Seewegs um das Kap der 
guten Hoffnung im Laufe des 16. Jahrhunderts der Import, zu- 
nächst durch die Portugiesen vermittelt, allmählich anwächst. 
Natürlich weckte diese keramische Ware, die an Schönheit 
und Gebrauchswert alle anderen Tonprodukte weit übertraf, 
bald in den Europäern den Wunsch, etwas Ähnliches selbst 
herstellen zu können, zumal man dem Porzellan damals über- 
natürliche Eigenschaften (durch Veränderung seiner Farbe 
die Anwesenheit von Gift zu verraten) beimaß.^) 

Die ersten Versuche dieser Arten fanden in Venedig 
statt. Schon 1470 berichtet ein Mönch an einen Freund 
in Padua, daß ein gewisser Antonio von San Simeone durch- 
sichtiges Porzellan erfunden habe, so daß alle Töpfer und 
Alchymisten Venedigs über diese Entdeckung in große 
Aufregung geraten seien. Die neue Ware komme an Qualität 
den barbarischen Gefäßen nahe. 15 18 rühmt sich ein Spiegel- 
fabrikant Leonardo Peringer, der in der Merceria zu Venedig 
wohnte, ebenfalls, das Geheimnis gefunden zu haben, durch- 
sichtiges Porzellan gleich dem orientalischen herzustellen. 
Von welchem Erfolge alle diese Versuche gewesen sind, 
wissen wir nicht. Ebensowenig haben in der zweiten Hälfte 
des 16. Jahrhunderts die Bemühungen, die an den Höfen zu 
Ferrara, Pesaro und Turin angestellt wurden, Porzellan zu 
bereiten, zu Resultaten, die für uns greifbar wären, geführt. 



') Mathesius, Bergpostill. S. 268 : »heut zutag brauchn die großen 
Potentate jr porzelach / welches man für die edlisten vnd tewristen 
trinckgeschirr achtet / darin kein gifFt bleiben sol.« 



42 



Erste Versuche der Porzellanbereitung in Europa 



Besser steht es mit unserer Kenntnis des in Florenz von 
dem Großherzog Franz I. (1574 — 1587) hergestellten Porzel- 
lans, da sich von demselben noch eine größere Anzahl von 
Stücken (40 — 50) erhalten hat. Es ist das sog. Medici- 
p o rz e 1 1 an. Dem Großherzog, der sich in seinen Mußestunden 
mit naturwissenschaftlichen Arbeiten beschäftigte und in 




Abb. 22. SchUssel. Mediciporzellan. Florenz um 1580. 



seinem Laboratorium alle möglichen Experimente anstellte, 
gelang es, wie es heißt nach zehnjährigen Versuchen, mit 
Hilfe eines Griechen eine Masse herzustellen, die man als 
Porzellan bezeichnen kann. Nach seinepi Tode scheint die 
Porzellanfabrikation weiter fortgeführt zu sein. Ein gewisser 
Niccolö Sisti, der anscheinend schon unter Franz I. in Florenz, 



Erste Versuche der Porzellanbereitung in Europa 43 

und später in Pisa Porzellan fabriziert hat, erhält 1620 eine 
Unterstützung vom Großherzog Cosimo II. 

Das Mediciporzellan kann als kaolinhaltiges Fritten- 
porzellan bezeichnet werden, das in der Mitte zwischen Hart- 
porzellan und Weichporzellan steht. Der wesentliche Be- 
standteil ist Quarz und eine glasige Fritte, der Gehalt an 
Kaolin, das von Vicenza bezogen wurde, ist nur schwach. Die 
im Besitz des Museums befindliche Schüssel mit blau gemal- 
tem Ornament nach chinesischem Vorbild (Abb. 22) scheint 
mit einer doppelten Glasur versehen zu sein, ähnlich wie 
bei der italienischen Majolika, wo über der Zinnglasur noch 
eine dünne Bleiglasur liegt. Über dem Scherben, der, wo 
er auf der Rückseite freiliegt, bräunlich gefärbt erscheint, 
liegt eine weiße Schicht, die sich an den Rändern abblättern 
läßt, und über dieser eine weiche gelbliche Glasur. Der 
Scherben ist hart, er gibt dem Stahl nicht nach. Als Marke 
trägt die Schüssel, ebenso wie auch andere Mediciporzellane, 
die Domkuppel von Florenz und darunter ein F, in Blau 
gemalt. Form und Dekoration der Mediciporzellane bilden 
eine Mischung chinesischer, persischer und italienischer 
Motive, wie sie in der gleichzeitigen Majolikamalerei sich 
findet. Die Blaumalerei tritt in verschiedenen sehr ungleich- 
mäßigen Tönen auf, vielfach zerfließt das Blau. Bei manchen 
Stücken sind die Konturen in Manganbraun vorgezeichnet. 



Johann Friedrich Böttger 

Einem Deutschen sollte es vorbehalten bleiben, die lange 
Sehnsucht Europas nach diesem köstlichen Stoffe zu er- 
füllen, Johann Friedrich Böttger, einer der merkwürdigsten 
Persönlichkeiten in der Geschichte der Erfindungen. Sein 
Leben bis zu dem glücklichen Gelingen der Porzellan- 
bereitung ist reich an abenteuerlichen Schicksalen. Er 
wurde am 4. Februar 1662 zu Schleiz geboren als Sohn des 
Münzkassierers des Grafen von Reuß, der später Münzmeister 
in Magdeburg war. Nach dem Tode des Vaters wurde 
Böttger als Vierzehnjähriger nach Berlin zum Apotheker 
Zorn, der am Neuen Markt wohnte, in die Lehre gegeben. 
Hier wußte er schon nach wenigen Jahren durch seine 
alchymistischen Studien und geheimnisvollen Experimente 
sich mit dem Rufe eines Goldmachers zu umgeben, so daß 
eines Tages der König die Sache untersuchen ließ. Böttger 
flüchtete rechtzeitig nach Wittenberg, das damals sächsisch 
war, und wurde von hier nach Dresden geführt (1701), wo 
August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von 
Polen, ihn in sicheren Gewahrsam bringen ließ, in der 
Absicht, aus dem Goldmacher reichlichen Gewinn zu 
ziehen. 

Obschon Böttger des Königs Erwartungen natürlich 
nicht befriedigen konnte, hielt ihn doch der König fest, da 
er von seiner Wundergabe fest überzeugt war. So lebte 
Böttger auf dem Schlosse in Dresden, auf der Albrechtsburg 
zu Meißen und auf dem Königstein lange Jahre in ab- 
wechselnd gelinder oder strenger Haft. Ein Fluchtversuch, 
der ihn bis nach Enns in Niederösterreich führte, scheiterte. 
Doch scheint es, daß er diese Jahre nicht nutzlos verbracht 
hat, schon der Verkehr mit dem damals bedeutenden 
Chemiker Ehrenfried Walter Tschirnhaus (165 1 — 1708), der 



Johann Friedrich Böttger 



45 



große Brennspiegel baute und Glashütten anlegte, läßt darauf 
schließen. Er mochte auch wohl das Bestreben haben, dem 
König wenigstens auf anderen Gebieten als auf dem der Gold- 
macherei von Nutzen zu werden und ihn so einigermaßen 
zufrieden zu stellen. 

Nachdem Böttger im September 1707 auf der Jungfern- 
bastei in Dresden, in der Nähe des jetzigen Belvedere auf 
der Brühischen Terrasse, ein Laboratorium angewiesen 
bekommen hatte, folgten kurz hintereinander die Begründung 
dreier keramischen Fabrikationen : anscheinend noch in dem- 
selben Jahre erfand er das rote Steinzeug, 1708 errichtete 
er eine Fayencefabrik und übernahm nach dem Tode 
von Tschirnhaus die Leitung der von diesem ange- 




Abb. 23. Figur und Geschirr aus rotem Steinzeug. Meißen um 1715. 



legten Glashütte und Schleifmühle und 1709 scheint ihm 
endlich die Erfindung des Porzellans gelungen zu sein, 
wenn es ihm auch erst 17 13 beschieden war, dieses neue 
Material in größeren Mengen herzustellen und damit die 
Ostermesse in Leipzig zu beschicken. 

Während die Fayencefabrik in Dresden blieb, wurde 
dagegen die Fabrikation des Steinzeugs und Porzellans 17 10 
auf die Albrechtsburg in Meißen verlegt. Hier schien das 
Geheimnis der Fabrikation besser gewahrt, außerdem war 
die Lage an der Elbe und der durch Meißen führenden 
Poststraße günstig. Die Beamten und Arbeiter wurden in 
Meißen scharf bewacht. Böttger selbst leitete die Fabrik von 



46 



Johann Friedrich Böttger 



Dresden aus bis zu seinem Tode, der im Jahre 17 19 am 
13. März erfolgte. 

Da Böttgers erste Erfindung, das rote Steinzeug, als 
Sonderprodukt innerhalb der übrigen keramischen Waren 
alleinsteht, so mag dasselbe nebst seinen Nachahmungen 




Abb. 24. Vase aus rotem Steinzeug. Meißen um 1750. 



innerhalb der Geschichte des Porzellans, mit der es eng 
verwachsen ist, eine kurze Erörterung erfahren, während 
Böttgers Fayencen ein Platz in der Geschichte der Fayence 
zukommt. 

Auch zu der Herstellung dieser Ware hat chinesisches 
Produkt die Anregung gegeben, jene steinzeugharte, dichte, 



Johann Friedrich Böttger 47 

durch und durch zumeist rotbraun gefärbte Masse (boccaro), 
die an der Oberfläche von feinen warzenartigen Körnchen 
bedeckt ist, so daß sie stumpf und glanzlos erscheint. Es 
sind zumeist Gefäße für Tee und Zuckerwerk aus dieser 
Masse hergestellt, mit besonderer Vorliebe in naturalistischen 
Formen. Eines der schönsten Stücke dieser Ware im Schrank 
478 hat die Gestalt eines halben Pfirsichs. Die von Böttger 
hergestellte Masse hat eine ähnliche Farbe, doch ist die 
Oberfläche zum Unterschied von der gekörnten Haut des 
chinesischen Steinzeugs ganz glatt, daher glänzend. Häufig 
erscheint die Masse etwas fettig, sie ist ebenfalls zumeist 
dicht und mit dem Stahl nicht ritzbar. Als Material wurde 
anfangs roter Bolus, später roter Ton von Okrilla, mit 12^/0 
geschlemmten Lehms vermischt, angewandt. 

Zunächst wurden die in Dresden befindlichen chinesischen 
Steinzeuggefäße einfach abgeformt und in der neuen Masse 
kopiert. Im Brande schwindet die Masse, so daß die Nach- 
formungen um ^/6 — ^/y kleiner sind, als die Originale, außer- 
dem sind die Formen stumpfer und flauer. Bald aber ge- 
langte man zu einer selbständigen Formbildung, so daß man 
in Verbindung mit einer mannigfaltigen Technik höchst eigen- 
artige Produkte hervorbrachte. Für die Formgebung der 
neuen Ware hatte der König seit 17 10 den Hofgoldschmied 
Johann Jakob Irminger bestellt. Die von Irminger er- 
fundenen Gefäßformen zeigen eine interessante Verschmelzung 
ostasiatischer Motive und europäischer barocker Elemente, 
und zwar so, daß bei den Formen das Ostasiatische, bei 
den Ornamenten das Europäische überwiegt. Allerdings 
sind auch die übernommenen Formen stark europäisiert, 
indem sie an Hals, Fuß und den Einsc}inürungen mit scharf 
gedrehten Profilen versehen sind, die ihren Vorbildern fehlen, 
doch schimmert unter der europäischen Hülle das Chinesische 
noch deutlich durch. Andere Formen sind offenbar durch 
Abwandelung der chinesischen Urform entstanden, wie der 
Schokoladenbecher, der eine Vergrößerung der chinesischen 
Teetasse darstellt. In der Dekoration der Gefäße herrscht 
durchaus die europäische Ornamentik der damaligen Zeit, 
nur die aneinandergereihten Palmblätter und das Stab- 
ornament am Fuß der Vase in der Abb. 24 weisen auf 
Chinesisches hin (vgl. die Abb. 6 und 8). Eigene Zier- 
formen dieser Gefäße, die speziell für dieselben erfunden 
sind, sind die aufgelegten Zweige mit Früchten und 
Blüten; hier hat die chinesische Ornamentik ebenfalls die 
Anregung gegeben, ihre Gestaltung ist aber zumeist völlig 
europäisch. 

Beim Brande des Böttgersteinzeugs bezieht sich die 
Oberfläche mit einer stumpfen rostbraunen Haut, d. i. Eisen- 



48 Johann Friedrich Böttger 

oxydulaluminat, das infolge des hohen Eisenoxydgehalts 
der Masse entsteht (vgl. mehrere Stücke mit diesem Über- 
zug im Schrank 430). Um die Entwicklung dieses trüben, 
unschönen Niederschlages zu vermeiden, brannte man die 
Stücke, insbesondere Figuren und Reliefs, in Kapseln, oder 
man schliff die Haut ab und polierte sie dann. Die so ge- 
glätteten Gefäße wurden dann wie Gläser mit eingeschliffenen 
Ornamenten, oft auch mit Facettenschliff versehen. Dieses 
Polieren und Schneiden geschah zum Teil in der »Schleiff- 
und Poliermühle« in Dresden-Friedrichstadt vermittelst mecha- 
nisch getriebener Scheiben. 17 17 waren in Meißen drei, 
in Dresden sechs und in Böhmen zehn Glasschleifer für die 
Fabrik tätig. Bei Reliefdekorationen wurden häufig nur der 
Grund poliert, die Ornamente ganz oder teilweise stumpf 
gelassen (Abb. 23). Bei Figuren wird in der Regel das Ge- 
wand unpoliert gelassen, die nackten Teile mit großem 
Geschick geglättet. 

Eine andere Veredelung der Oberfläche fand durch 
Glasuren statt: neben dünnen durchsichtigen Glasuren von 
brauner Farbe kommen auch dicke opake schwarze Glasuren 
vor. Auch diese glasierten Gefäße wurden vermittelst des 
Glasschnitts dekoriert oder mit Gold, Silber und Lackfarben 
bemalt. Ein besondes seltenes und schönes Stück ist der 
Humpen, dessen dunkelbraune Glasur zum Teil von einem 
aufgemalten aventurinartigen Grunde gedeckt ist. In aus- 
gesparten Feldern sind Blumen in ostasiatischer Art in bunten 
Emailfarben, die von Goldkonturen eingeschlossen sind, dar- 
gestellt. Dadurch, daß man verschiedenfarbige Massen durch- 
einander mengte, wußte man auch marmorartige Wirkungen 
zu erzielen. 

Diesem Reichtum an Dekorationsmitteln entsprach auch 
die Fülle der Formen, die in verhältnißmäßig kurzer Zeit ge- 
schaffen wurden, so daß allein schon diese Produkte Böttger 
einen Ehrenplatz in der Geschichte der Keramik sichern 
würden. Neben Ziervasen, Teegeschirr, Trinkgefäßen u. dgl. 
erscheinen schon Mai 17 11 alle möglichen anderen Gefäße 
und Geräte: Glocken, Weihkessel, Messer- und Gabelgriffe, 
Stockknöpfe, Pfeifenköpfe, ferner zahlreiche figürliche Ar- 
beiten, Kruzifixe, Apollo-, Vitelliusköpfe, Kinderköpfe, kleine 
römische Köpfchen u. a. Mit der Vervollkommnung des 
eigentlichen Porzellans wurde diese »Böttgerware« allmäh- 
lich in den Hintergrund gerückt. Doch scheint sie in 
Meißen erst 1730 völlig aufgegeben zu sein. In der Vor- 
erinnerung zur Übersetzung der Abhandlung des Grafen 
de Milly über das Porzellan durch Daniel Schreber, die 
1775 im 13. Band des »Schauplatzes der Künste und 
Handwerke« erschien, heißt es: »Man hat noch bis gegen 



Flaue a. d. Havel 



49 



1730 rothes und braunes Porcellän gemacht, und ist vor- 
nehmlich deswegen davon abgegangen, weil es zum Gebrauch 
nicht so angenehm ist, als das weiße; und da es inwendig 
nicht recht ausgeschliffen werden kann, den Geschmack von 
allem, was hineingethan wird, annimmt; wie denn auch der 
Schleiferlohn, wodurch ihm äußerlich ein schönes Ansehen 
gegeben ward, zu hoch zu stehen kam«. 

Der Erfolg der Meißner »Manufaktur der roten Masse« 
bewog den preußischen Etatsminister Friedrich von Görne 
auf seinem Gute Flaue a. d. Havel, in dessen Nähe ein 
rötlicher feuerfester Ton gegraben wurde, eine ähnliche 
Fabrik zu begründen. Versuche, die er schon 17 13 mit 
einem früher im Laboratorium von Tschirnhaus und Böttger 
beschäftigten Mann, namens Kempffe, anstellte, schlugen 
fehl ; doch fand er bald in dem Maler und Lackierer David 
Pennewitz eine geeignete Kraft zur Durchführung seiner 
Ideen, so daß er 17 14 mit diesem ein Sozietätsverhältnis 
einging. In Berlin eröffnete man in der Breitenstraße eine 
Niederlage und im folgenden Jahre trat ein gewisser Georg 
Mehlhorn, der ebenfalls von Meißen kam, in das Unter- 
nehmen ein, indem er die Verpflichtung übernahm, »den 
weißen Porzellan zu verfertigen«. Aus Augsburg verschrieb 
man sich Arbeiter, die die Formen der dortigen Goldschmiede 
mitbrachten. 

Indessen das Unternehmen scheint nicht recht von- 
statten gegangen zu sein, denn schon 17 15 bot von Görne 
seine Fabrik dem Kurfürsten von Sachsen für den Kauf- 
preis von 13000 Reichstalern an. Auf Böttgers Bericht 
jedoch, der die Erzeugnisse der neuen Fabrik für »plump, 
schwer und unfagonnirlich« erklärte, kam der Ankauf nicht 
zustande. Auch August der Starke, der sich auf der Leip- 
ziger Messe desselben Jahres zwei Stücke der Plauener 
Ware vorlegen ließ, tadelte, daß sie nicht »so sauber gear- 
beitet und so fleißig bossiert als das Dresdener, auch gar 
zu wohlfeil wäre«. Herr von Görne versuchte nun sein 
Unternehmen mit größerem Nachdruck als bisher zu betreiben; 
außer in Berlin wurden in Braunschweig, Zerbst, Breslau, 
Magdeburg, Hamburg, Kassel, Danzig und Königsberg Nieder- 
lagen eingerichtet, an die 17 18, abgesehen von dem, was 
in Berlin verkauft wurde, für 3084 Reichstaler Waren auf 
Kommission verschickt wurden. 1720 überließ der Minister 
Pennewitz die Fabrik allein, die dieser noch bis zum Jahre 
1730 fortführte; er nahm dann eine Stelle als königlicher 
Kastellan in Potsdam ein. 

Nach den Mitteilungen Bekmanns in seiner » Historischen 
Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg 1751« und 
den Berichten Sybels soll in Plaue rotes bzw. braunes, 

Brüning, Porzellan. a 



50 



Flaue a. d. Havel 



schwarzes, blaues und weißes Porzellan hergestellt worden 
sein. Das schwarze, dessen Glanz gerühmt wird, ist vielleicht 
schwarz glasiertes Steinzeug gewesen; was das blaue ge- 
wesen sein mag, ist ungewiß. Herr von Görne hebt 171 5 
hervor, daß »itzo eine Art von bläulichten Porzellan, so in 
Sachsen noch nicht bekannt ist, verfertigt werde«. Vielleicht 
ist es ein in der Masse gefärbtes Porzellan, wie es später 
auch in Meißen hergestellt worden ist. Als Dekoration werden 
beim braunen und schwarzen »Porzellan« eingeschnittene 
Ornamente, matte Reliefs auf poliertem Grunde, Bemalung 
mit Gold, Silber und bunten Farben erwähnt. Ferner wird 
die außerordentliche Härte der braunen und schwarzen Masse 




Abb. 25. Geschirr aus rotem Steinzeug. Flaue a. d. Havel um 1720. 

hervorgehoben; sie sei so hart gewesen, daß man sie als 
Feuerstein hätte gebrauchen können. 

Sybel erwähnt unter den wenigen Plauener Steinzeug- 
arbeiten in seinem Besitz »ein braunes Gefäß, verziert mit 
vergoldetem grotesken Löwenkopf am Henkel, und rot und 
weiß grell kolorierten Papagei auf dem Deckel«. Diese 
Beschreibung paßt fast wörtlich auf das Deckelgefäß in 
der Abb. 25 links, nur statt des Löwenkopfes trägt es am 
Henkel eine männliche Maske mit Spitzohren, die in Blatt- 
werk ausläuft. Das Gold ist kalt aufgetragen, das Gefäß 
poliert, der Papagei ist mit Lackfarben rot und weiß bemalt. 
Auch sonst stimmen alle anderen Merkmale : die Einwände, 
die August der Starke und Böttger gegen die Plauener Er- 
zeugnisse erhoben, finden an diesem Stücke ihre Begründung. 
Es ist plump, der Boden ist nicht, wie bei den Meißener 



Flaue a. d. Havel 



51 



Arbeiten, sauber abgedreht, sondern wie mit der Hand ab- 
geflacht, so daß er unregelmäßig gewellt ist. Die Masse 
erscheint unter dem Boden fleckig, ist aber im übrigen 
äußerst hart. Der Henkel ist ungeschickt modelliert und 
angesetzt, während gerade die Henkel bei den Meißener Ge- 
fäßen sehr exakt gearbeitet und sorgfältig dem Körper an- 
gefügt sind. 

Auch die in der Abb. 25 daneben stehende Kanne ist 
Plauener Fabrikat. Die Blumen auf den unpolierten Feldern 
sind mit weißen, blauen, roten und grünen Lackfarben bemalt, 
die Goldspitzen am Rande sind ebenfalls kalt aufgetragen. Im 
übrigen treffen dieselben Kennzeichen zu : die fleckige Masse, 
der ungeschickte Henkel, die plumpe Form. Eine ganz ähn- 
liche Kaffeekanne befindet sich im Nordböhmischen Ge- 
werbemuseum zu Reichenberg. Durch die gleiche Form des 
kleeblattförmigen Ausschnittes auf der Oberseite des Aus- 
gusses wird auch die in der Form ebenfalls ziemlich schwer- 
fällige Kaffeekanne Inv. Nr. M 2008 zu dieser Gruppe von 
Steinzeugarbeiten hinzugezogen. Sie ist mit eingeschliffenen 
Laub- und Bandelwerkborten verziert. Aber auch die Arbeit 
dieser eingeschliffenen Ornamente bleibt weit hinter der 
Sauberkeit und Regelmäßigkeit zurück, mit der in bzw. 
für Meißen derartige Dekorationen ausgeführt wurden. Be- 
sonders das Laubwerk ist sehr unbeholfen eingeschnitten. 
Ähnliche eingeschliffene Ornamente zeigt auch der Spülnapf 
in der Abb. 25 rechts, sowie die braune rechteckige Dose 
(M 2014 ab) und die schwarz glasierte Dose (M 2020 ab) im 
Schrank 430, die man wohl auch als Plauener Fabrikat, 
ebenso wie eine ähnliche Dose in der Porzellansammlung 
in Dresden ansprechen darf. Auch der Humpen im Hohen- 
zollern- Museum, der auf poliertem Grunde in Relief das 
preußische Wappen mit den wilden Männern zeigt, weist 
alle Merkmale dieser Gruppe von Steinzeugarbeiten auf; das 
Wappen ist mit kaltem Gold und Silber, sowie mit schwarzen, 
roten, grünen und türkisblauen Lackfarben bemalt. 

In weit größerer Anzahl sind die Nachahmungen der 
roten » Böttgerwaren « erhalten, die man auf Bayreuth 
zurückführen kann, und zwar auf Grund eines im Keramischen 
Museum in S^vres befindlichen Tellers, der auf der Rück- 
seite in Gold die Inschrift trägt »Bay: I. A. Fichthorn«. 
Er ist aus roter Masse hergestellt, die aber mit dem Messer 
ritzbar ist, und mit einer durchsichtigen braunen Glasur 
gedeckt, aus der kleine helle Pünktchen herausschimmern. 
Die Malerei ist in Gold, bei anderen Stücken auch in Silber 
ausgeführt. Der Teller im Museum zu S^vres zeigt ein Wappen 
(drei Lilien durch einen Querbalken getrennt), einen Teller 
mit demselben Wappen und der Bezeichnung: B., darunter 



52 



Bayreuth 



I. A. F., besitzt das Hamburgische Museum für Kunst und 
Gewerbe. 

Die beliebtesten Darstellungen sind Jagdszenen (Abb. 26) 
und Chinoiserien, ähnlich den ebenfalls in Gold gemalten 
Bildern auf Meißener Porzellanen. Das Laub- und Bandel- 
werk, das als Randborte u. a. verwandt wird, erscheint 
häufig in einer Art von kalligraphischer Stilisierung, wie 
auf dem abgebildeten Teller, bei der das Laubwerk zum 
Teil in kommaartige Schnörkel aufgelöst ist. Das Blatt- 




Abb. 26. Teller aus rotem Ton. Bayreuth um 1740. 



werk der Bäume ist in eigentümlicher schematischer Ma- 
nier dargestellt. Auch schwarz glasierte Ware stellte man 
her, denn im Inventar des Schlosses Monbijou von 1738 
wird das Bayreuther »Porzellan« als »braun mit Gold oder 
schwarz mit Silber verziert« bezeichnet. Auch gelbe Ware, 
mit ganz ähnlichen Silberdekorationen wie auf den brau- 
nen Arbeiten, kommt vor (mehrere Stücke im Besitz des 
Dr. V. Dallwitz). Nach Jacobsohn (Technologisches Wörter- 
buch 1794) wurde noch zu seiner Zeit in Bayreuth »Fayence 
von brauner Farbe mit Gold und Silber, dann von gelber 
Farbe mit Silber eingeschmelzt«. 



Johann Friedrich Böttger 



53 



Vielleicht unabhängig von Böttgers Erfindung sind die 
Nachbildungen des chinesischen Steinzeuges von hollän- 
dischen Töpfern wie Ary de Milde (vgl. Schrank 430), 
M. de Milde, Lambert van Eenhom und Jacobus de Caluve. 
Auch in England wurden von einem aus Holland eingewan- 
derten,einer säch- 
sischen Familie 
entstammenden 
Töpfer, namens 
Elers, in Bradwell 
ähnliche Arbei- 
ten hergestellt. 
Englischen Ur- 
sprungs sind viel- 
leicht die beiden 
Kaffeekannen mit 
Asthenkeln und 
einzeln aufgesetz- 
ten Rokokoorna- 
menten und die 
kleine sechsecki- 
ge Teekanne mit 
dem Porträt eines 
Königs. 

Man darf an- 
nehmen, daßBött- 
ger, abgesehen 
von einigen Ver- 
suchsstücken, die 
sich zum Teil 
noch in der Dres- . 
dener Porzellan- 
sammlung erhal- 
ten haben, erst 
seiti7i3 Porzel- 
lan in größeren 
Mengen herge- 
stellt hat. Viel- 
leicht gehört zu 
den f rühestenPor- 
zellanen eine klei- 
ne Gruppe von 
Gefäßen mit dop- 
pelter Wandung, 
von Laubsägestil 




Abb. 27. Vase. Meißen um 1715. 



von denen die äußere in einer Art 
in geometrischen Mustern durchbrochen 
ist. Sie sind unbeholfen in der Technik: unter der Last 
der Knöpfe sind die Deckel vielfach eingesunken, sie haben 



54 Johann Friedrich Böttger 

zum Teil große Brandrisse, und die Ringfüße, die bei diesen 
Stücken freihändig angesetzt, nicht aus dem Boden selbst, 
wie es später üjjlich wurde, herausgedreht worden sind, 
sind vielfach abgebrochen. Die weit größere Anzahl da- 
gegen der unter Böttger hergestellten Porzellane zeigt die- 
selben Formen wie das gleichzeitige Steinzeug: reich pro- 
filierte Formen mit Reliefdekor, der entweder ausgeformt 
oder freihändig aufgesetzt ist (Abb. 27). Die Masse des 
Porzellans ist von gelblichem, sahnefarbenem Ton. Die 
Glasur ist häufig in den inneren Winkeln des Fußrandes 
und zuweilen auch zwischen den Relief auf lagen zusammen- 
geflossen, so daß sie eine grünlich-glasige, mit kleinen Luft- 
bläschen versetzte Schicht bildet. Im allgemeinen aber ist 
sowohl Masse wie Glasur gut gelungen, von gleichmäßigem 
Ton, ein fast fehlerfreies Produkt, an dem kaum noch etwas zu 
verbessern blieb. Die Erde bezog man vom Grundstück des 
Hammerschmieds Schnorr v. Carolsfeld zu Aue im Voigtlande. 

Die meisten dieser mit Reliefs gezierten Böttgerporzellane 
wurden weiß verkauft, doch finden sich auch schon einige 
schüchterne Versuche, sie mit Farben zu dekorieren. Zu- 
nächst begnügte man sich, sie hin und wieder mit nicht 
eingebrannten »kalten« Farben oder Gold zu beleben, dann 
aber bemühte man sich, wenn auch ohne großen Erfolg, 
sie mit eingebrannten Emailfarben nach dem Beispiel der 
Chinesen zu schmücken. Zum Teil sind diese Farben sehr 
lebhaft und leuchtend, wie ein Grün, Gelb, Blau und 
ein Purpurrot, weniger gut ist das dunkfe Eisenrot und ein 
Graugrün und trübes Violett. Es scheint, daß die färbenden 
Metalloxyde nicht genügend mit Flußmitteln versehen wurden, 
so daß die Farben vielfach körnig und fleckig erscheinen 
und leicht abblättern. Am besten gelingt eine lilafarbene 
Lüsterfarbe, damals »Perlmutterglasur« genannt, die auch 
später in Meißen beibehalten wurde. Sie wird sowohl als 
Fondfarbe, wie auch zur Darstellung von Ornamenten, dann 
zumeist von Goldkonturen umschrieben, verwandt. Auch 
Gold- und Silberdekorationen kommen schon vor. 

Mit den genannten Emailfarben versuchte man zunächst 
die plastischen Ornamente zu beleben. Dann wagte man sich 
auch an Malereien auf den glatten Flächen, die aber zumeist 
noch recht dürftig ausfallen: dünne Spitzen und Borten, 
ziemlich roh und ungeschickt gemalte Blumen und Früchte, 
sehr naive Chinoiserien. Am besten gelingen noch kleine 
einfarbige Landschaften in Eisenrot oder verdünntem Purpur, 
umgeben von Gold- oder Silberornamenten. Vereinzelt finden 
sich auch größere figurenreiche Kompositionen in Anlehnung 
an Watteaus Gemälde. Auch die Malerei mit Unterglasur- 
blau wird schon versucht, gelingt aber noch nicht. 



Johann Friedrich Böttger 55 

Sehr bescheiden tritt auch schon die figürliche Plastik 
auf. Man formte zunächst chinesische Statuetten ab, beson- 
ders häufig sind die kleinen hohlen, an Mund und Ohren 
durchbohrten sitzertden Pagoden, die als Räuchergefäße 
dienten. Dann aber versuchte man sich mit selbständigen 
plastischen Arbeiten, die aber noch sehr unsicher sind und 
in einer merkwürdigen Form auftreten. Es sind die soge- 
nannten Callotfiguren (Sammlung Gumprecht Berlin, Dres- 
dener Porzellansammlung, Schloß Arnstadt, Dr. List Magde- 
burg) 7 — 12 cm hohe Zwerge und andere drollige Figürchen, 
die auf einem kleinen profilierten Sockel stehen. Die 
Modellierung der Figuren ist ziemlich unbeholfen und un- 
geschickt, auffällig sind die Andeutungen der Augensterne 




Abb. 28. Geschirr mit Goldmalerei. Meißen um 1720. 

durch einen eingestochenen Punkt und die auch sonst 
an den Gewandungen, den Haaren usw. erkennbaren Ein- 
drücke des Modellierholzes. Manche sind mit Gold und eini- 
gen der angeführten frühen Emailfarben bemalt. Sie sind 
nicht eigene Erfindungen des Modelleurs, sondern Kupfer- 
stichen entnommen. Ein großer Teil derselben läßt sich 
nachweisen. Sie sind in einem Abbildungswerke enthalten, 
das den Titel führt »Tl Calotto resuscitato. Oder Neu 
eingerichtes Zwerchen Cabinet. Le Monde est plein de sots 
joieux. Les plus Petits sots sont les mieux. De Waereld 
is vol Gekken-Nesten de Klynste Narren zyn de beste. 
17 16 tot Amsterdam gedruckt by Wilhelmus Koning.« Das 
Werk enthält 57 verschiedene Narren in grotesken Um- 



5 6 Johann Friedrich Böttger 

rahmungen, begleitet von Unterschriften und Versen in 
deutscher, französischer und holländischer Sprache. Die 
deutschen Verse sind in drolliger Weise mit mundartlichen 
und fremdsprachlichen Ausdrücken verbrämt; sowohl be- 
stimmte Charaktere und Stände, wie Nationalitäten (Bayern, 
Schweizer, Ungarn) werden verspottet. (Das Zähringer 
Museum im Schloß zu Karlsruhe besitzt Zwerge nach »II Cal.« 
in bemaltem Ton auf gedrehten Holzsockeln als Schach- 
figuren.) 

Wenn auch sowohl die Malereien wie die plastischen 
Arbeiten noch im höchsten Grade unvollkommen sind, so 
weisen sie doch schon für die weitere Gestaltung des 
Meißener Porzellans die Wege und geben die Grundlage 
für die spätere blühende Entwicklung der Manufaktur. Die 
nun folgende Zeit, die etwa drei Jalirzehnte umfaßt, darf 
als die eigentliche Blütezeit der Meißener Manufaktur be- 
trachtet werden, in der sie unter der Führung des Malers 
Herold und des Bildhauers Kandier ihr Bestes leistete. 
Nach der Mitte des Jahrhunderts erlahmte die schöpferische 
Kraft beider, es traten keine künstlerischen Kräfte als Ersatz 
ein und die Produktion Meißens gewinnt allmählich einen 
mehr handwerksmäßigen bzw. industriellen Charakter. Man 
kann daher von einer Zeit des künstlerischen Betriebes 
(1720 — 1750) und einer Periode des industriellen Betriebes 
sprechen. 



Meißen (1720 — 1750). 

(Künstlerischer Betrieb.) 

Die Kommission, die nach dem Tode Böttgers ein- 
berufen wurde, um Ordnung in die arg zerrütteten Ver- 
hältnisse der Manufaktur zu bringen, fand bald einen geeig- 
neten Mann für die künstlerische Leitung des Unternehmens. 




Abb. 29. Geschirr mit farbigen Fonds. Meißen 1730—1740. 

Es war der 1696 in Jena geborene Maler Johann Gregor 
Herold, der schon eine Zeitlang in der 17 18 in Wien von 
Du Paquier ins Leben gerufenen Porzellanmanufaktur gear- 
beitet hatte und spätestens Frühjahr 1720 in Meißen eintrat. 
Die Oberleitung selbst versah zunächst eine dreigliedrige 
Kommission, von 1729 — 31 übernahm der Premierminister 
Graf von Hoym, dann zwei Jahre der König selbst die 
Direktion. Nach seinem Tode im Jahre 1733 besorgte der 
Kabinettsminister Graf Brühl die Geschäfte der Fabrik und 



5» 



Meißen (1720 — 1750) 



behielt sie bis 1763. Neben August dem Starken hat beson- 
ders Graf Brühl entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung 
der Manufaktur und ihre künstlerischen Erzeugnisse ge- 
nommen. 

Nach dem Berichte der Kommission, auf Grund dessen 
Herold nach Meißen berufen wurde, verstand dieser Maler 
etwas, was bisher der Fabrik gefehlt hatte, nämlich die Por- 
zellane farbig zu dekorieren. Ihm gelingt es jetzt, Farben 

auf das Porzellan 
zu bringen, die 
sich im Feuer voll 
entwickeln und 
fest auf der Gla- 
sur haften, ohne 
abzublättern. Al- 
lerdings sind es 
nicht Farben von 
der Beschaffen- 
heit der ostasia- 
tischen hoch auf- 
liegendenEmails, 
aber sie zeigen 
doch zum Teil, 
besonders das 
Grün und später 
das Überglasur- 
blau, einen schö- 
nen Schmelz von 
herrlicherLeucht^ 
kraft und email- 
artigem Charak- 
ter, wie sie die 
späteren euro- 
päischen Porzel- 
lanfarben nicht 
mehr besitzen. Diese starke farbige Wirkung der Herold- 
schen Malereien liegt allerdings zum Teil darin, daß die 
Farben nach dem Vorbild der ostasiatischen Porzellane in 
breiten Flächen, die die Konturen ausfüllen, aufgetragen, 
nicht in modellierender Weise aufgemalt sind. In der ersten 
Zeit hat allerdings seine Farbenskala etwas Schweres und 
Ernstes. Die meisten der so bemalten Porzellane befinden 
sich in Dresden. Annähernd ist sie vertreten in dem in der 
Abb. 30 dargestellten Humpen, der mit Lotosblumen in stili- 
sierten Wellen bemalt ist. Das Eisenrot ist tiefer und dunkler 
als in den späteren Malereien, daneben erscheint Purpur, 
später ein zweifaches Grün, Gelb und Überglasurblau. Statt 




Abb. 30. Humpen. Meißen um 1720. 



Meißen (1720 — 1750) 



59 



der letzten Farbe zeigen die frühesten Malereien Herolds im 
Turmzimmer des Schlosses zu Dresden ein Unterglasurblau, 
eine Farbe, die auch erst 1720 gelang. 

Bald aber werfen die bunten Farben ihre anfängliche 
Schwere ab und werden leichter und fröhlicher, insbesondere 
auf den Porzellanen, auf denen der frühe Imaridekor imitiert 
ist. Überhaupt tritt jetzt die direkte Nachahmung der 
ostasiatischen Vorbilder in Form und Dekoration in 
den Vordergrund. Von den unter Böttger hergestellten 
Formen werden 
nur wenige über- 
nommen. Die 
glatten unbe- 
grenzten Flä- 
chen der ost- 
asiatischen Por- 
zellane waren 
auch dem Ma- 
ler ein willkom- 
menes Feld für 
seine Tätigkeit. 
Auch die Masse 
wird weißer, 

wenn auch un- 
gleichmäßig. Der 
äußere Umriß 
folgt den Silhou- 
etten der chine- 
sischen und japa- 
nischen Gefäße, 
doch immer mit 
einer leichten Ab- 
weichung vom 
Original, dessen 
straffe Linien ver- 
weichlicht und 
verflaut werden. 
Die Malereien 
der von August 

dem Starken gesammelten Porzellane wurden zum Teil in täu- 
schender Nachahmung kopiert. Mit besonderer Vorliebe imi- 
tierte man die japanischen Porzellane aus Arita, und zwar mit 
gutem Geschmack die ältere Gruppe der mit sparsamer bunter 
Malerei auf weißem, wenig gedecktem Grunde (vgl. das Kaffee- 
service und anderes im Schrank429), aber auch die Exportware.^) 

*) 1729 wurden aus dem japanischen Palais zahlreiche chinesische und 
japanische Porzellane als Modellstticke an die Meißner Fabrik abgegeben. 




Abb. 31. Kaffeekanne aus einem Service des Königs. 

Meißen um 1730. 



6o 



Meißen (1720 — 1750) 



Seltener sind die Nachbildungen der chinesischen Porzellane 
der »famille verte«, noch seltener die der »famille rose«, die 
ja auch in der Dresdener Sammlung fast ganz fehlen. Man 
wählte im allgemeinen den Blumendekor; »indianische« Blu- 
men hießen sie damals, als »indianisch« gleichwertig mit 
»ostasiatisch« galt. Auch die phantastischen Tiere der Chi- 
nesen, der Phönix (Abb. 16) und der Drache sind beliebt. 
In Eisenrot wurde der Drache als Dekor für ein Service des 




Abb. 32. Terrine „Neubrandenstein". Meißen um 1740. 



Königs reserviert (vgl. Schrank 431), ebenso wie das soge- 
nannte Tigermuster, das einen Tiger darstellt, der hinter einem 
Bambusstamm hervortritt. Die Formen dieser letzteren Ge- 
schirre zeichnen sich auch durch besonderen plastischen 
Schmuck und den Kurhut als Deckelknopf aus (Abb. 31). 
Seltener sind Darstellungen von Menschen in direkter Nach- 
bildung der ostasiatischen Vorbilder, wie auf der geriffelten 
Deckelvase in Schrank 429. Die zahlreichen noch zu erwäh- 
nenden Chinoiserien sind freie europäische Erfindungen. 



Meißen (1720— 1750) 



61 



Von dem chinesischen Porzellan beeinflußt, aber in ihren 
Ausbildungen frei und selbständig sind die sog. »Fond- 
porzellane«, bei denen der ganze Grund, mit Ausnahme aus- 
gesparter weißer Flächen, die zur Aufnahme von Malereien 




Abb. 33. Vase. Meißen um 1730. 



dienen, mit einem farbigen Überzug gedeckt ist. Man wollte 
offenbar die farbigen Glasuren der Chinesen nachahmen, be- 
gnügte sich aber nicht mit der einen Farbe als alleinigem 
Schmuck, sondern brachte sie nur in Verbindung mit Orna- 
menten an, denn für das Verständnis und die Freude an den 



62 Meißen (1720 — 1750) 

Reizen der Farbe allein ist der Europäer erst in jüngster Zeit 
reif geworden, ebenso wie auch der Sinn für die Natur fast ein 
Jahrtausend später in Europa als in China geboren wurde. 
Das Aussparen der Reserven hatte man wohl den chinesi- 
schen Porzellanen mit gespritztem Blau (vgl. die Walzen- 
vase im Schrank 465) abgesehen. Von Scharffeuerfarben 
verwandte man als Fonds bzw. Glasuren nur das Kobalt- 
blau und das aus Eisenoxyd gewonnene Milchkaffeebraun 
(vgl. den Napf und die Milchkanne im Schrank 431 mit 
bleu fouette), das letztere mit besonderer Vorliebe auf der 
Außenseite von Tassen, die innen in Unterglasurblau bemalt 
sind. Sehr selten kommt eine seladongrüngraue Glasur vor 
(Schokoladenkanne im Schrank 427). Sonst verwandte man 
die Muffelfarben als Überzug. Wohl die frühste Fondfarbe ist 
ein Zitronengelb; auf einem Stück der Dresdener Porzellan- 
sammlung befindet sich das Datum: »i. Januar 1726«, der 
Spülnapf mit gelbem Fond und Chinoiserien in runden Feldern 
im Schrank 431 ist unter dem Boden in Unterglasurblau be- 
zeichnet: »Meißen den 27. Augusti 1726«, Porzellane mit 
grünen Fonds in der Dresdener Porzellansammlung tragen das 
Datum »1727«. 1731 werden als Fondfarben erwähnt: Gelb, 
Dunkelblau, Himmelblau, Pfirsichblüten, Stahlgrün, Meergrün, 
Grau (hell und dunkel), Purpur und Rot. Man malte übrigens 
die Blumen und andere Ornamente nicht nur in die weißen 
Reserven hinein, sondern setzte sie außerdem noch nicht 
selten auf die farbigen Fonds, d. h. man malte diesen Grund 
um die Blumen herum (vgl. in der Abb. 29 den Spülnapf 
mit erbsengrünem Fond und braunen Randlinien). Für die 
ausgesparten Felder wählte man mit Vorliebe die Vierpaß- 
form in verschiedenen Variationen, mit runden oder kiel- 
bogenförmigen Pässen u. a.^) 

Auch Versuche, die Masse zu färben, wurden gemacht. Es 

kommen graublaue,blaßlila-, cremefarbene, graubraune Farben 

'in der Dresdener Porzellansammlung vor. Da die Töne aber 

nicht rein herauskamen, scheint man von einer weiteren 

Anwendung dieses Verfahrens Abstand genommen zu haben. 

Neben diesen bunten Dekorationen wandte Herold auch 
der Unterglasurmalerei seine Aufmerksamkeit zu. Schon 
Nehmitz, der technische Leiter der Fabrik, berichtet am 
14. Juni 1719: in Vorbereitung sei, »eine blaue Farbe auf 
unser Porzellan zu bringen, welches 2 Grad härter als das 
Ostindische ist«. Er hob damit schon die Schwierigkeiten 
hervor, welche die bei der härteren Masse bedeutend höhere 



') Der Plan, den Neubau des japanischen Palais mit Porzellan so 
auszustatten, daß in jedem Zimmer eine Farbe vorherrschend war, hat 
jedenfalls die Schaffung der »Fondporzellane« sehr befördert. 



Meißen (1720 — 1750) 63 

Garbrandtemperatur der Entwicklung der unterglasurblauen 
Farbe entgegenstellte. Denn auch, nachdem es im folgen- 
den Jahre gelungen war, eine gute unterglasurblaue Farbe 
herzustellen, gelangte man doch nie, weder in Meißen noch 
sonst in Europa, dazu, Malereien von solcher Vollendung 




Abb. 34. Vase mit gelbem Fond. Meißen um 1740. 

nicht nur der Zeichnung, sondern auch besonders des Tones 
in seiner in China so mannigfaltigen Nuancierung und Leucht- 
kraft herzustellen. Infolgedessen blieb die Unterglasur- 
malerei in Meißen immer etwas Untergeordnetes gegenüber 
den bunten Malereien. Nur in der ersten Zeit suchte man 



64 Meißen (1720 — 1750) 

auch hier mit China zu konkurrieren und verlegte sich auf 
Stücke wie die beiden Vasen im Schrank 428 (siehe die Ab- 
bildung der einen in der Abb. 35), die zu den hervorragendsten 
Meißener Blaumalereien gehören; aber schon die Ungleich- 
mäßigkeit des Tones auf den beiden Stücken, die die Marke 
A R tragen, zeigt, wie unsicher die Technik war. Ein 
selten feines Stück ist auch die kleine Kanne in Bronze- 
fassung mit einem breiten Bandstreifen um den Leib. Unter 
Herold scheinen in der Blaumalerei nur »indianische« Mo- 
tive verwandt worden zu sein, erst nach 1750 kommt auch 
Europäisches in Blaumalerei vor. 

Indessen Herold begnügte sich nicht mit dem Abklatsch 
ostasiatischer Motive. Schon in den ersten Jahren seiner 
Tätigkeit schuf er als Dekoration eine ganz eigenartige 
Formenwelt, in der sich Ostasiatisches und Europäisches ein- 
trächtig zu etwas Neuem verband, jene sog. Chinoiserien, 
die offenbar aus dem Wunsche hervorgegangen sind, statt 
jener dem Europäer unverständlichen figürlichen Darstellun- 
gen auf den ostasiatischen Porzellanen, deren direkte Kopie 
man nur selten ausführte, Bilder zu setzen, die, wenn auch 
phantastisch und willkürlich, doch dem Beschauer verständ- 
licher sein mußten. Das früheste Datum für diese Chinoi- 
serien erscheint auf einer Tasse aus der ehemaligen Sammlung 
Franks im Bethnal Green Museum in London; auf derselben 
ist ein großer Chinese mit einem Schilde dargestellt, der die 
Inschrift trägt »George Ernst Keil, Meißen, den 6. Juli 1724«. 
Herold selbst nennt sich zweimal als den Erfinder der ganzen 
Gattung, das eine Mal auf einer Radierung in der Omament- 
stichsammlung des Kunstgewerbemuseums, die die Bezeich- 
nung trägt: »J. G. Höroldt inv. et fecit 1726«, das andere 
Mal auf einer großen Vase mit gelbem Grund und figuren- 
reichen Chinoiserien in Reserven im Turmzimmer des 
Schlosses zu Dresden, auf der die Aufschrift steht: »Johan 
Gregorius Hörold inv: Meißen den 22. Jan. anno 1727«. Da 
Herold die Radierung ebenso wie eine zweite ebenfalls in der 
Ornamentstichsammlung befindliche Radierung offenbar als 
Vorlage für seine Maler angefertigt hat, muß die ganze 
Gattung dieser Darstellungen damals schon beliebt und 
typisch geworden sein. 

Die datierte Radierung zeigt einen am Boden hocken- 
den teetrinkenden Chinesen, ihm gegenüber einen stehenden 
Chinesen, von einem Widder begleitet, mit zwei Stangen in 
der Hand, an denen verschiedene Gegenstände hängen. Die 
Gruppe wird eingerahmt von einer Palme und einem Gebüsch 
mit Chrysanthemen und anderen Blumen. In der Luft 
schwebt ein Drache in Gestalt einer geflügelten Schlange, 
sowie Vögel und Insekten, ganz ähnlich wie auf der Kaffee- 



Meißen (1720 — 1750) 



65 



kanne in der Abb. 37, deren Figuren, Tiere und Pflanzen 
die größte Verwandtschaft mit der Radierung zeigen. 

Ähnliche Bilder erscheinen in einer unerschöpflichen 
Fülle von Einfällen und launigen Episoden auf zahllosen 




Abb. 35. Vase mit Biaumaierei. Meißen um 1730. 

Porzellanen der zwanziger und dreißiger Jahre. Es ist eine 
Art von Schlaraffenland, das uns vorgeführt wird, in dem jene 
behaglich grinsenden Figürchen ein behäbiges Wohlleben 
führen, wie es sich der Europäer damals vorstellte, dem die 

Brüning-, Porzellan. c 



66 



(Meißen (1720 — 1750) 



Berichte der Reisenden und Missionare aus China und Japan 
Wunderdinge erzählten. Man glaubte, die Bewohner jener 
glücklichen Länder verträumten dort ein heiteres, müheloses 
Dasein in Spiel und Genuß unter Palmen und duftenden 
Blütenbäumen, umgaukelt von Blumen und farbenprächtigen 
Schmetterlingen. Diesen Vorstellungen hat Herold greif- 
bare Gestalt gegeben und hat es verstanden, der von 
ihm geschaffenen Märchenwelt einen Schein von Wahrheit 

zu verleihen. Es 
sind nicht etwa 
verkleidete Euro- 
päer, ebensowenig 
wie echte Ostasia- 
ten, sondern es ist 
eine selbständige 
Eigenwelt, ver- 
gleichbar den 
phantastischen We- 
sen, die die an- 
tike Kunst ge- 
schaffen. Wie man 
dort etwa von einer 
Verkörperung des 
Meeres sprechen 
kann, so kann man 
hier von einer per- 
sonifizierten Ex- 
otik im Sinne des 
1 8. Jahrhunderts 
reden. Auch ein 
Franzose, Jean Pil- 
lement, hat ähn- 
liche Chinoiserien 
geschaffen, geist- 
reiche Komposi- 
tionen voll reiz- 
voller Motive, wäh- 
rend der Chinesen- 
welt Herolds etwas von spießbürgerlicher Schlafrockpoesie 
anhaftet. 

Die Dosis wirklicher Exotik, die der erdichteten 
Phantastik Herolds beigemischt ist, ist den großen Werken 
entnommen, die seit dem 16. Jahrhundert europäische Welt- 
reisende über ihre abenteuerlichen Fahrten veröffentlichten. 
Herold hat vielleicht das Werk von Dapper (Gedenkwaerdig 
Bedryf der Nederlandsche Oost-Indische Maetschappye, op 
de Küste en in het Keizerryk van Taising of Sina . . . 




Abb. 36. MeBkelch mit Goldmalerei. Meißen 1730-1740. 



Meißen (1720 — 1750) 



67 



Beschreven door Dr. O. Dapper, t' Amsterdam By Jacob van 
Meurs 1670) gekannt. Hier finden wir nämlich alle Requisiten, 
die Herold in seinen Chinoiserien benutzt: das Kostüm, die 
Geräte, die merkwürdigen Pflanzen und Tiere, und zwar auch 
schon in einer sonderbaren Entstellung, die die dargestellten 
Landschaften, Architekturen und Menschen der Wirklichkeit 
völlig entfremdet. Offenbar sind alle diese Kupferstiche, 




Abb. 37. Kaffekanne. Meißen um 1725. 



womit das Werk so reich ausgestattet ist, nach dürftigen 
Skizzen und Notizen der Reisenden, die sich in den Köpfen 
der Zeichner seltsam veränderten, hergestellt worden. Diese 
trüben Quellen, aus denen Herold seine Kenntnisse von Ost- 
asien schöpfte, erklären aber nur zum kleinen Teil die 
Phantastik seiner Kompositionen. Der größte Teil dieser 
übersprudelnden Fülle von Erfindungen ist auf Rechnung 

5* 



68 Meißen (1720— 1750) 

seiner großen Schöpferkraft zu setzen. Sein und seiner Schüler 
Erfindungsreichtum ist so groß, daß oft auf sämtlichenTeilen 
und Bildern eines ganzen Frühstückservices sich keine ein- 
zige Darstellung wiederholt. 

Neben Herold werden in dem Verzeichnisse der im 
April 1731 in Meißen beschäftigten Arbeiter noch sechs 
andere Maler für »Japponische Figuren« aufgeführt. Man er- 
kennt auch leicht in den verschiedenen Malereien ver- 
schiedene Hände. Den Heroldschen Stil, der die Köpfe 
modelliert und in feinster Weise sowohl Körper wie Ge- 
wandung ausführt, vertritt die angeführte Kaffeekanne; die 
erbsengroßen Köpfchen der Figuren sind mit sprechendem 
Leben erfüllt. Scharf von diesen hebt sich eine andere Gruppe 
von Chinoiserien ab, bei denen die Köpfe nicht modelliert 
sind, sondern bei denen die Umrisse derselben in geraden 
Strichen, die in scharfen Winkeln zusammenstoßen, gezeichnet 
sind, während die Gewänder ähnlich, wenn auch nicht so 
fein, gemustert sind. Sie sind vertreten auf der kleinen schon 
erwähnten Kanne mit gesprenkeltem tiefblauem Grunde im 
Schrank 431. Eine dritte sehr selten vorkommende Art von 
Chinoiserien zeigt die Terrine in der Abb. 38, die zugleich die 
früheste Terrinenform repräsentiert. Sie ähneln den figür- 
lichen Darstellungen auf den chinesischen Porzellanen, 
insofern sie auch mit Farbflächen ausgefüllte Konturen 
zeigen, sind aber in der Erfindung des Vorgangs und auch 
in der Zeichnung durchaus europäisch. Bezeichnend ist die 
unangenehm weichliche Linienführung. Die bedeutendsten 
Malereien dieser Art befinden sich auf Kaminvasen im Neuen 
Palais in Potsdam. 

Die frühesten Chinoiserien scheinen in Gold gemalt 
zu sein (s. Abb. 28), wenigstens zeigen sie sich auf Stücken, 
deren gelbliche Masse dieselben als noch sehr früh erweist. 
Die zugleich abgebildete Schokoladentasse ohne Henkel zeigt 
ein gerade bei Goldmalereien häufig wiederkehrendes Motiv: 
eine Art von Spitzenmustern mit C-förmigen, um eine Mittel- 
achse geordneten Schnörkeln (Mauerankern ähnlich). Bei 
figürlichen Darstellungen werden die Figuren als Silhouetten 
aufgetragen, die Innenzeichnung mit einem Griffel aus dem 
stumpfen Gold radiert. In Rundungen stehen die Chinesen 
auf einem ähnlichen Sockelornament wie in der Abb. 26. In der 
Regel sind bei solchen mit Gold dekorierten Gefäßen Henkel, 
Ausgüsse, Knäufe, häufig auch das Innere der Tasse und 
Untertasse ganz vergoldet. Die Ränder und Profile schmücken 
breite Goldbänder, häufig mit einem bogenförmig ausge- 
zackten Rand, von kleinen zierlichen Ornamenten, unter 
denen besonders ein gezahnter Bügel charakteristisch ist, 
begleitet. Zu den nur mit Gold dekorierten Arbeiten ge- 



Meißen (1720 — 1750) 69 

hört auch der Meßkelch (Abb. 36). Auch Porzellane mit 
Silberdekorationen kommen vor, die jetzt zumeist ganz 
schwarz geworden sind (Schrank 430). Es scheint, daß man 
infolge der schnellen Oxydation des Silbers diesen Dekor 
bald aufgegeben hat. 

Die weitaus größere Menge der Chinoiserien sind in 
leuchtenden bunten Farben gemalt, unter denen besonders 
das Eisenrot und Purpur bevorzugt sind. Sie werden zum 
Teil frei auf die Fläche gesetzt, wie bei der Kaffeekanne 
(Abb. 37). Bei den Fondporzellanen stehen sie in den 
weißen Reserven wie die erwähnten Blumen. Die Reserven 




Abb. 38. Terrine. Meißen 1730-1740. 

sind von einer goldenen oder bunten Linie umsäumt. Am 
häufigsten erscheinen sie in Umrahmungen in Gold und 
Lüster, die von buntem Laubwerk eingefaßt sind, ähnlich 
denen auf der Anbietplatte mit Parklandschaften (Abb. 39). 
Das Laubwerk ist entweder in Eisenrot ausgeführt und von 
blaßroten Schatten begleitet oder in Eisenrot und Purpur, 
wozu dann zuweilen noch Gelb zutritt. Nicht selten wird 
dieses Rahmenwerk noch durch Gitter und Schuppenmuster, 
eingefügte kleine Medaillons mit Miniaturbildchen in ein- 
farbiger Malerei, durch Masken und dergl. verziert. Diese 
Rahmen dienen nicht nur dazu, den Bildern einen Abschluß 



yo Meißen (1720 — 1750) 

zu geben, sondern sie fügen sich mit ihren Ausläufern ge- 
schmackvoll der Form der Gefäße an. 

Neben den Chinoiserien treten schon früh, besonders 
auch bei Goldmalereien, Jagddarstellungen auf (Abb. 26), 
ferner feine Landschaftsbilder, Hafen- und Flußland- 
schaften mit Kaufleuten, Orientalen und warenausladenden 
Männern, ferner Parklandschaften (Abb. 39) mit lustwan- 
delnden Herren und Damen, sowie endlich Kriegsbilder. 
Diese Miniaturbilder sind entweder bunt oder auch einfarbig 
in Purpur und Eisenrot ausgeführt. Sie erscheinen ebenso wie 
die Chinoiserien entweder frei auf die Fläche gemalt oder in 
Reserven oder in ähnlichen Laub- und Bandelwerkkartuschen 




Abb. 39. Anbieiplatte. Meißen 1730-1740. 

wie erwähnt, die dann später durch Rokokokartuschen in 
Gold mit einigen schwarzen Linien ersetzt werden (Abb. 40). 
Ebenso wie die Chinoiserien sind auch diese Park- und 
Flußlandschaften selbständig erfundene Kompositionen. Die 
Vorliebe für Flußlandschaften brachte vielleicht die Lage 
Meißens an der Elbe mit sich. Anders ist es mit den 
Reiterkämpfen und Kriegsszenen, bei denen wir mehrfach 
direkte Kopien von Stichen nach Hughtenburg, Rugendas, 
Wouwermann u. a. nachweisen können. Auf den Land- 
schaftsbildern finden sich wiederholt Datierungen aus der 
ersten Hälfte der vierziger Jahre. 

Alle diese überaus fein und mühsam ausgeführten 
Miniaturbildchen geben den Porzellanen Herolds und seiner 



Meißen (1720 — 1750) 



71 



Schule den Charakter des Kostbaren, Seltenen, das man, 
wie die Handschriften des Mittelalters, mit größter Liebe 
und Sorgfalt bemalte, da man der hohen Wertschätzung 
dieser auf intime eingehende Betrachtung berechneten 
Dekorationen des wertvollen neu aufgefundenen Stoffes 
durch den Käufer gewiß war. Wo man auf weitsichtige 
dekorative Wirkung hin schmücken mußte, wählte man die 
ostasiatischen Blumen oder gab dem Porzellan ein farbiges 
Kleid, in das man kleine Bildchen setzte, die ihre Reize 
aber erst in nächster Nähe offenbarten. 

Das Haupterzeugnis der Meißener Manufaktur war in 
den zwanziger Jahren das Frühstückservice, dessen ver- 
hältnismäßig kleine Stücke gerade zu jener Kleinmalerei 
einluden. Zu ei- 
nem solchen ge- 
hörte eine Kaffee- 
kanne, eine Milch- 
kanne, ein Spül- 
napf, in dem die 
Tassen gespült 
wurden, eine Tee- 
büchse, eine klei- 
ne flache Schale 
zur Aufnahme der 
Löffel bzw. des 
Zuckers und zwölf 
oder sechs Tassen, 
die zunächst so- 
wohl für den Tee 
wie für den Kaf- 
fee dienten. Für 
die Schokoladen- 
tassen hatte man 
die bekannte hohe 

Form. Es ist wohl kein zufälliges Zusammentreffen, daß 
zu gleicher Zeit mit der Entstehung des europäischen Por- 
zellans die Einführung der warmen Getränke: Tee, Kaffee 
und Schokolade, erfolgte. Allerdings waren sie schon im 
siebzehnten Jahrhundert in Europa bekannt geworden, fanden 
aber erst im achtzehnten Jahrhundert weitere Verbreitung. 
Ebenso wie diese für Sitte und Leben der damaligen 
Welt von tief einschneidender Bedeutung waren, so auch 
der Gebrauch des zerbrechlichen feinen Porzellans, das 
feinere Hände verlangte, als die derben Fäuste, die den 
Steinzeug- und Zinnhumpen geschwungen hatten. Geschlos- 
sene Tafelservice scheinen erst seit 1734 hergestellt worden 
zu sein. 




Abb. 40. Teekanne. Meißen um 1740. 



72 



Meißen (1720— 1750) 



Neben den Frühstückservicen verfertigte man schon früh 
Kaminaufsätze von fünf bis sieben Stück, ferner Prunk- 
vasen für die Porzellankabinette, die man bis dahin mit 
chinesischen und japanischen Porzellanen besetzt hatte. Solche 




Abb. 41. Kandelaber aus dem Sulkowsky-Service. Meißen 1735—1738. 



Kabinette haben sich noch in einer großen Anzahl von Schlös- 
sern, zum Beispiel Charlottenburg, München, Ansbach, Schön- 
brunn usw., erhalten. Für die Kenntnis der frühesten Arbeiten 
Herolds ist besonders das sogenannte Turmzimmer im Schloß 
zu Dresden wichtig. Es ist wahrscheinlich, daß die dort 



Meißen (1720 — 1750) 



73 



aufgestellten Porzellane ursprünglich in dem von dem Archi- 
tekten Mathias Daniel Pöppelmann erbauten, ganz mit Por- 
zellanen ausgestatteten japanischen Palais, das August der 
Starke 17 17 vom Feldmarschall Graf Flemming gekauft hatte, 
gestanden haben. Da indessen das damals noch kleine Schlöß- 




Abb. 42. Terrine aus dem Sulkowsky-Service. Meißen 1735—1738. 



chen nicht ausreichte, wurde 1727 der ganze Bestand aus- 
geräumt und zum Teil in das Turmzimmer geschafft. Der 
König hatte die Absicht, das Palais bedeutend zu erweitern 
und dann von neuem von oben bis unten mit Porzellan 
auszustatten. Infolge seines 1733 erfolgten Todes kam es 



74 Meißen (1720— 1750) 

nicht zur völligen Verwirklichung seiner Absicht, wenn auch 
bis in die vierziger Jahre hinein Porzellane für das japanische 
Palais geliefert wurden. Nach den noch erhaltenen Beschrei- 
bungen und Aufrissen sollte das Erdgeschoß mit chinesi- 
schen und japanischen, das Obergeschoß mit Meißner Porzel- 
lanen so ausgestattet werden, daß dieselben in rhythmischer 
Anordnung die wesentlichste Dekoration ausmachten. In den 
verschiedenen Gemächern sollten Gefäße von gleicher Farbe, 
dazwischen eine große Anzahl von Tieren, zum Teil in 
Lebensgröße, aufgestellt werden. Aus Porzellan sollten ferner 
ein Glockenspiel, Teile eines Thrones, Statuen und Reliefs, 
sowie Kanzel und Altar der Kapelle hergestellt werden. 
Von den zwölf Aposteln, die die Kapelle zieren sollten, hat 
sich nur ein Petrus von zweidrittel Lebengröße in der Dres- 
dener Porzellansammlung erhalten, der indessen im Brande 
sich stark verzogen hat; es ist die einzige Apostelfigur, die 
in Porzellan aus geführt worden zu sein scheint. 

Offenbar im Zusammenhang mit diesem groß angelegten 
Plane, das japanische Palais nicht nur mit Gefäßen, sondern 
auch mit Figuren zu schmücken, steht die Berufung mehrerer 
Modelleure. Die ersten beiden, der 1727 berufene Gottlob 
Kirchner und der im folgenden Jahre an seine Stelle ge- 
setzte Bildhauer Johann Christian Ludwig Lücke, bewährten 
sich nicht, obschon Lücke sich später als tüchtiger Elfen- 
beinschnitzer erwies. 

Dagegen fand August der Starke in einem anderen Bild- 
hauer, Johann Joachim Kandier, einen Mann, der ganz 
geeignet war, seine Ideen auszuführen und durch seine um- 
fangreiche schöpferische Tätigkeit neben Herold die Meißener 
Manufaktur zur glänzendsten Entwicklung geführt hat. Er 
legte nicht nur den Grund zu der Porzellanplastik überhaupt, 
sondern übte auch auf die Entwicklung der Geschirrformen 
bedeutsamen Einfluß aus. 

Kandier war im Jahre 1706 zu Seeligstadt bei Bischofs- 
werda in Sachsen als Sohn des dortigen Pfarrers geboren, 
1723 kam er zum Hofbildhauer Thomae zu Dresden in die 
Lehre. August der Starke lernte ihn bei der Einrichtung 
des Grünen Gewölbes, zu dem auch Kandier verschiedene 
Arbeiten liefern mußte, kennen, er ernannte ihn 1730 zum 
Hofbildhauer und im folgenden Jahr zum Modellmeister der 
Meißener Manufaktur. Kändlers erste Arbeiten waren außer 
dem erwähnten Petrus eine größere Anzahl von Tieren, zum 
Teil in Lebensgröße, denen bald eine große Menge anderer 
Tiere folgte, die sich zumeist noch in der Dresdner Por- 
zellansammlung erhalten haben. Sie sind teils weiß, teils 
mit kalten Farben, teils mit eingebrannten Farben bemalt. 
In der lebensvollen Erfassung der Tiere sowohl, wie in der 



Meißen (1720 — 1750) 75 

großzügigen, auf das Wesentliche gerichteten Darstellung, die 
über die Zufälligkeit des einzelnen Tieres hinaus die Gattung 
wiederzugeben weiß, zeigt Kandier seine Meisterschaft. Die 
Nachbildung des kühn bewegten polnischen Adlers auf dem 
Schrank 428, ebenso wie der Löwe auf der Sulkowsky-Terrine 
(Abb. 42) vermögen einigermaßen den großen Stil seiner 
Tiergestalten zu veranschaulichen. Der Löwe und die Löwin 
im Schrank 428 sind wohl nicht von seiner Hand. 

Außer diesen Tieren hat Kandier noch eine große 
Anzahl anderer, im Maßstab ungewöhnlicher Arbeiten aus- 
geführt, von denen mehrere sich in der Dresdener Sammlung 
befinden : eine Madonna mit dem hl. Antonius, einen hl. Wenzes- 
laus, eine Pietä, die figurenreichen Gruppen der Kreuzigung 
und des Todes des Franziskus Xaverius, und ein Standbild 
Augusts IIL in polnischer Tracht in dreiviertel Lebensgröße. 
Auch die noch in mehreren Exemplaren (Dresden, Wien, 
Schloß Pforten) vorhandenen Apostel von etwa 40 cm Größe 
gehören zu diesen großfigurigen Werken; einen der Apostel, 
Simon, stellt die Abb. 49 dar» Sie sind um 1740 angefertigt, 
und zwar ursprünglich für die Schwiegermutter Augusts III., 
die Kaiserin Amalie, nebst einer noch zum größten Teil 
im Wiener Hofmuseum erhaltenen Altargamitur: Kreuz, 
Leuchter, Meßkännchen usw. Kändlers Ehrgeiz kannte keine 
Grenzen für das Material, in dem er arbeitete. Er faßte 
sogar den kühnen Entschluß, die Reiterstatue des Königs 
August III. in der Größe des jetzt auf dem Neustädter Markt 
in Dresden stehenden Reitei-bildes auszuführen. Das Modell 
wurde 1753 in Porzellan vollendet, und befindet sich in 
der Dresdener Sammlung. Ebendort hat sich noch das in 
Gips ausgeführte Originalmodell des Kopfes des Königs 
erhalten, das eine Vorstellung von der geplanten Größe des 
Werks zu geben vermag. Kändlers Absicht scheiterte an 
der Ungunst der Verhältnisse, die technischen Schwierig- 
keiten hätte er vielleicht überwunden. Die Statue sollte 
aus zahlreichen Stücken gefertigt werden, die ein kompli- 
ziertes Eisengerüst zusammen halten sollte. Das Original- 
modell wurde 1779 vernichtet. Eine der Figuren, die den 
Sockel umgeben sollten, die Göttin des Friedens, ist in 
kleinem Maßstab wiederholt worden (Schrank 427). 

Zu Größenverhältnissen, die dem Charakter des Por- 
zellans als einer feinen zarten Masse entsprachen, führten 
Kandier die Service, die er auszuführen hatte. Von den zwei 
bedeutendsten, dem Sulkowsky-Service und dem Schwanen- 
service des Grafen Brühl, werden die wichtigsten Stücke im 
Museum aufbewahrt. Im Gegensatz zu den glatten Formen 
der Heroldschen Service zeigen sie, besonders das Brühische, 
reichen plastischen Schmuck, der der Bemalung fast völlig 



76 



Meißen (1720 — 1750) 



entraten kann. Wenn auch einzelne dieser Formen, so die 
Terrine des Sulkowsky-Services, wie Julius Lessing nach- 
gewiesen hat, direkt einer in der Silberkammer in Dresden 
befindlichen silbernen Terrine des Augsburger Goldschmiedes 
Johannes Biller nachgebildet ist, und dem kleinen Leuchter 
(Abb. 43) des Brühischen Services ein Stich von Despläces 
nach Meissonier zugrunde liegt, so bleibt doch des Selb- 
ständigen und Eigenen so viel übrig, daß wir die Gestaltungs- 
kraft des Meisters, die allerdings sich nicht immer zu mäßigen 
weiß, aufs höchste bewundern müssen. 

Das Sulkowsky-Service, von dem das Museum außer 
der Terrine einen prächtigen Kandelaber (Abb. 41) und 
eine öfters vorkommende Sauci^re besitzt, ist in den 




Abb. 43. Geschirr aus dem Schwanenservice. Meißen 1737—1741. 

Jahren 1735 — 1738 für den polnisch-sächsischen Kabinetts- 
minister Alexander Joseph von Sulkowsky und seine Ge- 
mahlin Franziska Katharina Freiin von Stein angefertigt 
worden. Die Masse ist noch vielfach fleckig und zeigt 
zahlreiche Glasurfehler; zum Teil sind sie mit kleinen 
indianischen Streublumen und Reisigbündeln gedeckt. Den 
Rand der Terrine schmückt ein schmales Strohgefiecht, das 
später als Osiermuster sich breiter ausdehnte. Es wäre 
möglich, daß dieser Zierart auf das gestrichelte Linien- 
ornament am Fuß der chinesischen Vase in der Abb. 9 und 
das Randornament auf der Schüssel in der Abb. 10 zurück- 
geht. Auf das Obergewand der leuchtertragenden Figur ist 
ein Stoffmuster eingepunzt, eine aus der Goldschmiedekunst 
übernommene Technik; vielleicht liegt also auch hier ein 
Metallvorbild zugrunde. 



Meißen (1720 — 1750) 



77 



Noch reicher ist die plastische Gestaltung beim sog. 
Schwanenservice, dessen Name von dem auf jedem Stück 
vorhandenen Relief herrührt, auf dem auf muschelartig 
geripptem Grunde ein Weiher mit Schwänen und Reihern 




Abb. 44. Terrine aus dem Schwanenservice. Meißen 1737—1741. 



dargestellt ist. Es eröffnet die Reihe der zahllosen Be- 
stellungen, mit denen nach dem Tode Augusts des Starken 
der allmächtige Kabinettsminister seines Nachfolgers, Graf 
Brühl, bis zum Siebenjährigen Kriege die Manufaktur in 
weitgehendem Maße beschäftigte, so daß, wie vorher August 



y8 Meißen (1720— 1750) 

der Starke, jetzt Graf Brühl entscheidend die Entwicklung 
der Manufaktur bestimmt zu haben scheint. Das Service 
befindet sich in seiner Hauptmasse (etwa 1400 Stück) auf 
dem Schlosse Pforten. Einige der schönsten Stücke sind 
dem Museum leihweise überlassen und im Schrank 436 auf- 
gestellt. Alle Teile tragen das Alliance -Wappen der Brühl 




Abb. 45. PastetenbOchse aus dem Schwanenservice. Meißen 1737—1741. 

und Kolowrat-Krakowski. Es scheint, daß dem Service 
eine bestimmte Idee, die auf die das Wasser beherrschenden 
Gottheiten und dasselbe bevölkernden Lebewesen sich be- 
zieht, zugrunde gelegt ist. Die auf der Terrine angebrachte 
Gruppe erinnert an die bekannten auf Raffael zurückgehenden 
Kompositionen des Triumphs der Venus oder Galathea von 
Albani, Coypel u. a. Vielfach überwuchert das nur lose 



Meißen (1720 — 1750) jg 

angeklebte Ornament, wie bei der Terrine, völlig die Form, 
doch die hinreißende glänzende Darstellung des Ganzen 
läßt über derartige Schwächen leicht hinwegsehen. Zu den 
schönsten Geräten gehören die Konfektschalen, die von 
einer Nereide (Abb. 46) und einem bärtigen, leidenschaftlich 
bewegten Tritonen (Nachbildung auf dem Schrank 427) ge- 
tragen werden. Mehr kulturhistorisch interessant sind andere 
Formen, wie der Weinkorb, der Wurstkessel, und der von 
Delphinen getragene Apfelsinenbecher (Abb. 43). Bei diesem 
Service herrscht das Weiß noch mehr wie bei dem Sulkowsky- 
Service, die indianischen Streublümchen sind auf den Rand 
zurückgedrängt. Dagegen hebt eine reiche Vergoldung die 
Wappen, Kartuschen und die Ränder. Die plastischen Tiere 
und Muscheln sind durch ein kräftiges Schwarzbraun oder 
Eisenrot belebt, auch die Figuren glänzen in dem schneeigen 
Weiß der Masse, nur auf den Wangen, Brüsten, Knien, 
Füßen und Händen sind leichte Tupfen von Fleischfarbe 
aufgesetzt. Das tiefe Schwarz oder rötliche Braun der Haare 
wirkt zu dem Weiß des Fleisches als kräftiger Kontrast. 
Das Service wurde in den Jahren 1737 — 1741 angefertigt. 

Diese reiche plastische Ausbildung der Geschirre und 
Ziergefäße führen Kandier und seine Schüler dann in mannig- 
faltigen Variationen weiter. Eine einfachere, aber geschmack- 
volle und offenbar auf Kandier zurückgehende Form ist die 
Terrine, welche mit einem Randmuster dekoriert ist, das man 
»Brandenstein« nannte. Kommen wie bei diesem Stück noch 
Riffelungen, die den Körper teilen, dazu, so hieß es » Neu- 
brandenstein«, Muster, die später ebenso wie das Strohgefi echt 
noch lange fortleben. Andere neue Serviceformen gewinnt 
Kandier dadurch, daß er den Körper völlig mit kleinen Blüten, 
z. B. Vergißmeinnicht (Abb. 48), belegt. Am höchsten ge- 
schätzt sind die mit weißen Blüten bedeckten Schneeballvasen. 
Oder es wird der ganze Grund gefiechtartig gebildet oder 
gittermusterartig mit eingefügten Blüten. Mehrere derartige 
Dekorationen befinden sich in den königlichen Schlössern 
in Potsdam. Auch die Geräte in naturalistischen Formen, 
wie die Kaffeekanne in Gestalt eines Kürbis im Schrank 427 
oder die Sauciere in Form eines Blattes (Abb. 47), stammen 
aus seiner Hand. Während er in diesen Dekorationen ge- 
schmackvoll bleibt und Maß hält, durchbricht seine Phantasie 
dagegen bei den bekannten Vasen der Elemente, bei denen 
der ganze Körper in eine figürliche Szenerie aufgelöst ist, 
alle Schranken der dekorativen Gesetzmäßigkeit. Die große 
Bildsamkeit und leichte Gestaltungsfähigkeit des Stoffes ver- 
führt leicht zu derartigen Übertreibungen. 

Seit dem Beginn der vierziger Jahre wachsen dann aus 
Kändlers schöpferischer Hand j^ne zahllosen spannenhohen 



8o Meißen (1720— 1750) 

Gruppen und Figuren hervor, in denen er das Leben und 
Treiben der sächsischen Hofgesellschaft in hundertfachen 
Reflexen abspiegelt. Wir sehen die Damen in ihren großen 
Krinolinen, von höflichen und zärtlichen Kavalieren begleitet, 
dann dieselben als Schäferinnen und Schäfer verkleidet» 




Abb. 46. Konfektschale aus dem Schwanenservice. Meißen 1737—1741. 

oder im Jagdkostüm, die Hofnarren, die Offiziere und 
Soldaten, aber auch Handwerker und Bauern, freilich in 
einer zumeist wenig der Wirklichkeit entsprechenden ele- 
ganten Gestaltung, die diese Typen aus dem Leben 
mehr als Maskeraden der vornehmen Gesellschaft, denn als 



Meißen (1720 — 1750) 81 

wirkliche Bettler und Arbeiter erscheinen lassen. Wissen wir 
doch, daß mit Vorliebe an den Hoffesten karnevalistische Um- 
züge, bei denen die Teilnehmer in allen möglichen Kostümen 
erschienen, stattfanden. Dazu kommen noch die Gott- 
heiten des Olymps, wie sie sich das 18. Jahrhundert in 
seinem Sinne vorstellte, sowie zahllose Personifikationen 
allgemeiner Begriffe, der freien Künste, Jahreszeiten, Ele- 
mente usw. 

Alle diese Gruppen und Figuren hatten eine bestimmte 
Verwendung. Sie sollten dazu dienen, die Tafel zu 
schmücken. Nach einer bis ins Mittelalter zurückreichenden 
Sitte war es nämlich Brauch, bei festlichen Anlässen sog. 




Abb. 47. Sauciere. Meißen Mitte 18. Jahrh. 

Schauessen in der Mitte der Tafel und auf besonderen 
Tischen aufzubauen: Tempel, Paläste, Häuser mit Gärten, 
Alleen, Pyramiden, Springbrunnen, Felsen und Lauben, die 
von Figuren belebt waren. Zumeist wurden in mythologischen 
und allegorischen Gestalten bestimmte Vorstellungen (etwa 
die Tugendhaftigkeit der Gefeierten) zum Ausdruck ge- 
bracht. Die zahlreichen in Porzellan erhaltenen Amoretten 
spielten z. B. bei Hochzeiten eine große Rolle; die Liebes- 
götter im Schrank 427 mit den Aufschriften »Prix de la con- 
stance«, »Coup sur coup« usw. geben dafür ein sprechendes 
Beispiel. In der Regel erschienen diese Aufsätze erst in 
Begleitung des Desserts. Häufig wurden dann die Beete 
der gärtnerischen Anlagen des Aufbaues mit Konfekt aus- 
.gelegt. Was nun in früheren Jahrhunderten aus Zuckerwerk 
oder Wachs geformt war, wurde jetzt in Porzellan gebildet. 

Brüning', Porzellan. 5 



82 



Meißen (1720 — 1750) 



Einen Beweis für diese Anwendung der Porzellanfiguren 
gibt das Inventar der Konditorei des Grafen Brühl von 1753, 
das neben einer Aufzählung fast sämtlicher noch erhaltenen 
Modelle von Gruppen und Figuren zahlreiche Architekturstücke 
und größere Kompositionen aus Porzellan erwähnt. Es werden 
da genannt: 4 Kirchen, 2 Tempel, 2 italienische Türme, 
51 Stadthäuser, 13 Bauernhäuser, 5 Scheunen, 13 Ställe, 
20 Nischen, 48 Pyramiden, 6 Gondeln, ferner Felsen, Grotten, 
Bassins und »Schalen zu Wasserkünsten«, Altäre, Postamente, 

Säulen, Kapitale, 
Gesimse und Va- 
sen, Kronen und 
Kurhüte, Schil- 
der, Palmen, 
» Blumenkrüge « , 
» Orangentöpfe « 
usw. Von größe- 
ren Stücken wird 
u. a. ein aus 
264 Stück beste- 
hender Ehren- 
tempel erwähnt, 
zu dem 74 Figu- 
ren gehörten. Ur- 
sprünglich wird 
der größte Teil 
der angeführten 
Figuren und Ar- 
chitekturteile für 
einen besonderen 
Anlaß gefertigt 
worden sein. Das 
sich in den Kon- 
ditoreien ansam- 
melnde Material 
konnte dann bei 
einer anderen Ge- 
legenheit in an- 
derer Aufstellung und unter Zugrundelegung einer neuen Idee 
verwendet werden. Kupferstiche mit Darstellungen von Fest- 
lichkeiten zeigen die Anordnung solcher Aufsätze auf der 
Tafel. Häufig wurden die Figuren auf Bahnen von Spiegel- 
glas gestellt. 

Es sind vielfach noch Renaissancegedanken, die in 
diesen Tafelaufsätzen weiter fortleben. Die Gottheiten und 
personifizierten Naturkräfte, die Elemente, Jahreszeiten, 
Monate, Weltteile: dieser ganze Apparat der Renaissance- 




Abb. 48. Vase. Meißen Mitte 18. Jahrh. 



Meißen (1720 — 1750) 



83 



feste, der bei den damaligen Aufzügen, den theatralischen 
Aufführungen, ja selbst beim Feuerwerk eine so große Rolle 
spielte, findet so im Porzellan des achtzehnten Jahrhunderts 
noch einmal im kleinen eine reizvolle Verkörperung, bis er 
zugleich mit der neuen zerbrechlichen Form für immer 
dahinstirbt. Welchen Wert man gerade diesen Gedanken- 
kreisen beimaß, zeigt der Umstand, daß Kandier in Meißen 
»täglichen Unter- 
richt zur Erklä- 
rung der schwe- 
reren mytholo- 
gischen Dichter« 
bei dem Magister 
ChristianFriedrich 
Weise nahm, der 
in der Meißener 
Fürstenschule von 
1735— 1770 unter- 
richtete. 

Diese Verwen- 
dung der Porzel- 
lanfiguren als Ta- 
felschmuck war 
wohl auch für ihre 
Größe bestim- 
mend. Während 
Kandier in seinen 
für das japanische 
Palais geschaffe- 
nen plastischen 
Arbeiten einen 
sehr großen Maß- 
stab gewählt hat- 
te, gab er diesen 
Porzellan -Figuren 
eine Größe, die für 
die auf derTaf el le- 
bende kleine Welt 




Abb. 49. Apostel Simon. Meißen um 1740. 



angemessen war. 

Auch die Form des Sockels ergibt sich für viele Figuren 
aus diesem Zwecke. Bei den Figuren, welche als Zierat 
auf die großen »Plats de menage« mit ihren Salz-, Pfeffer-, 
öl- und Essigbehältern usw. gesetzt wurden, wurde der Sockel 
mit seinem Muschelwerk den Rokokoformen dieser Geschirre 
angeglichen; Sockel, mit Blumen oder Gras bewachsen, wählte 
man bei Figuren, die den auf der Tafel aufgebauten Park 
bevölkern sollten. Kleine Postamente in Denkmalform dienten 



84 



Meißen (1720— 1750) 



als Untersatz für die Statuen aus Porzellan, welche die 
Parterre und Terrassen zu schmücken bestimmt waren. 

Auch die die Gruppen begleitenden Bäume, Lauben, 
Pyramiden und Nischen erklären sich nun leicht, femer 
die allseitige Komposition bei den Gruppen, die, in der 
Mitte der Tafel freistehend, sich nach allen Seiten hin 
gleichmäßig entwickeln mußten, um von jedem Standpunkte 

aus ein gutes Bild 
zu bieten. Viel- 
fach wurden die- 
se Mittelgruppen 
durch Aneinander- 
schieben von Teil- 
stücken gebildet, 
wie der aus meh- 
reren Stücken ge- 
arbeitete Aufsatz 
mit Bacchanten im 
Schrank 433. Bei 
dem Mittelstück 
dieses Aufsatzes 
trägt eine ionische 
Säule einen Kon- 
fektkorb, daneben 
reitet der trunkene 
Silen auf einem 
Esel , von einem 
Genossen begleitet 
(Sammlung King 
in London). 

Die besten Fi- 
guren und Grup- 
pen Kändlers sind 
in Privatsammlun- 
gen und in Schlös- 
sern verstreut, die 
Museen enthalten 

Abb. 50. Mädchen mit Blumenkorb. Meißen um 1740. nur wenig, was sein 

höchstes Können 
auf diesem Gebiete illustrieren könnte. Für die mythologischen 
Figuren seiner frühesten Zeit geben die Figuren des Schwanen- 
und Sulkowsky -Services einen Anhalt; ihre Vorzüge gegen- 
über den späteren verflauten Arbeiten Kändlers bzw. seiner 
Schüler zeigt die erwähnte Figur der Friedensgöttin vom 
Denkmale Augusts IIL, die zu Anfang der vierziger Jahre 
entstanden ist (Schrank 427). Es ist in diesen um 1740 ge- 
schaffenen Figuren etwas Kraftvolles und Feuriges, Ge- 




Meißen (1720 — 1750) 



85 



schlossenes und Gesundes: blühende Frauenkörper von 
reifer Schönheit und saftstrotzende Putten von üppiger 
Fülle des Fleisches. Auch das Mädchen mit dem Korb 
auf dem Schöße, der zur Aufnahme von Blumen bestimmt 
ist, besitzt diese schöne kraftvolle Gesundheit, die man 
sonst in den graziösen Gestalten des achtzehnten Jahr- 
hunderts nicht sucht, und die den engen Zusammenhang 




Abb. 51. Erato. Meißen Mitte 18. Jahrh. 



Kändlers mit der Barockkunst kennzeichnet (Abb. 50). 
Sie besitzt ebenso wie die duellierenden Kavaliere (Abb. 58) 
jene kurze rundliche Kopfform, die für die Figuren Kändlers 
so charakteristisch ist. Während die Bewegung der Figuren 
und Gruppen stets sehr lebendig ist, bleibt die Silhouette 
geschlossen und von ruhigem Umriß, so daß das heraus- 
stürmende Leben in der Ruhe des Umrisses seinen harmoni- 



86 



Meißen (1720— 1750) 



sehen Ausgleich findet. Nur selten zerreißt das allzuheftige 
Temperament auch diese unsichtbare Schranke des in sich 
geschlossenen Konturs. 

Jene frühen bekleideten Figuren und Gruppen sind mit 
leuchtenden kräftigen Farben bemalt, unter denen besonders 
ein intensives Rot und ein tiefes Schwarz sich auszeichnet. 
Aber auch grüne, blaue und gelbe Töne von seltener Rraft 
und Schönheit kommen vor, von denen die Figuren der 
Sammlung nur eine schwache Vorstellung geben. Diese 
Töne sind zumeist in großen Flächen aufgetragen, die 
breite Modellierung der Gewandmassen kommt der Ent- 




Abb. 52. Schreibzeug. Meißen Mitte 18. Jahrh. 

Wicklung der schönen Farben entgegen. Beliebt sind aber 
auch Ornamente freier Erfindung, die mit den Stoffmustern 
der damaligen Gewebe nichts gemein haben. Der wirkungs- 
vollste Dekor ist der, der auf tiefschwarzem Grunde goldene 
und bunte Borten und Blumen zeigt, er findet sich bei den 
schönsten Krinolingruppen. Früh kommt auch die Musterung 
mit Goldblumen vor, wie bei dem purpurfarbenen Gewand- 
stück, das in weitem Bogen die Göttin auf der Terrine des 
Schwanenservices überspannt. Auch sonst werden ein- 
farbige Blumen als Muster verwandt, wie bei den Chinesen 
des Schreibzeugs (Abb. 52). Am beliebtesten und charakte- 
ristisch für Meißen sind indessen die bunten, in der Art 



Meißen (1720 — 1750) 87 

der »indianischen« stilisierten Blumen, wie z. B. auf dem 
Gewände des Chinesen in der Abb. 52 oder auf der Schürze des 
Mädchens mit dem Blumenkorb in der Abb. 50. Sie werden 
auch später immerfort wiederholt, bis sie in den achtziger 
Jahren durch Muster, die direkt Ornamente der Stoffmuster imi- 
tieren, abgelöst werden. Jene frühe auffallend kräftige und 
lebhafte Bemalung ist in der Sammlung, abgesehen von den 
Stücken des Schwanenservices, nicht vertreten, das Hohen- 
zollernmuseum besitzt eine einen Lichtschirm tragende 
Chinesin, die mit diesen tiefen Farben bemalt ist. Später 
werden die Farben allmählich flauer und schwächlicher. 
Das Rot und Schwarz tritt als Farbe in größeren Flächen 
kaum mehr auf, die tiefen, satten gelben, blauen, grünen 
und purpurnen Farben weichen lichteren, zarteren Tönen. 

Die Bemalung erscheint als eine notwendige Ergänzung 
der Figuren ; sie ist stets mit besonderer Sorgfalt ausgeführt, 
fast nie wiederholt sie sich, so daß die Modelle durch 
die verschiedenartigen Dekorationen immer wieder neuen 
Reiz erhalten. Vielfach werden auch die Modelle durch 
leichte Veränderung, kleine Zutaten oder durch Fort- 
lassungen variiert. 

Will man das ganze von Herold und Kandier in diesem 
Zeitraum geschaffene Werk unter die geläufigen Stilrubriken 
einordnen, so könnte man noch von der Vorherrschaft des 
Barocks reden. Bei Herold tritt das Barocke allerdings 
nur in untergeordneter Form, in den kleinen Laub- und 
Bandelwerkkartuschen auf. Bei Kandier aber erscheint es 
sowohl in der kraftvollen Bewegung der Formen wie in 
der Ornamentik und den lebhaften ungebrochenen Farben. 
Auch das Brühische Service ist noch stark von barocken 
Elementen durchtränkt, wenn auch die Formen im einzelnen 
schon dem Rokoko angehören. 




Abb. 53. Kleingerai Meißen Mitte 18. Jahrh. 



Meißen (1750 — 1814). 

(Industrieller Betrieb.) 

Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts hatte Meißen 
im wesentlichen seine künstlerische Aufgabe erfüllt. Die 
bisherige Tätigkeit der Manufaktur war im höchsten Grade 
schöpferisch und bahnbrechend gewesen. Man hatte in 
Meißen nicht nur dem neu entdeckten Stoffe jede technische 
Vollendung gegeben, sondern auch seine künstlerische 
Leistungsfähigkeit in jeder Weise bewiesen. Durch die 
Schaffung der Porzellanplastik war der Porzellankunst 
Europas ein ganz neues, eigenartiges und lohnendes Gebiet 
erschlossen; sowohl für das Eß- und Trinkgeschirr wie die 
dekorativen Vasen usw. hatte man eine große Anzahl blei- 
bender Formen und Dekorationen gefunden. Auf dem 
durch Herold und Kandier urbar gemachten Boden konnte 
man nunmehr sicher weiter bauen, auch mittelmäßige Talente 
von handwerksmäßiger Routine vermochten in der von ihnen 
gegebenen Richtung weiter zu arbeiten. 

An Stelle der fürstlichen Auftraggeber oder ihrer Minister 
tritt jetzt das breite Publikum, das keine besonderen An- 
forderungen stellt, sondern mit bescheidener Gebrauchsware 
vorlieb nimmt. Aus der fürstlichen Kunstanstalt wird all- 
mählich lediglich ein Fabrikunternehmen, das mit einem 
Stamm geschulter und bewährter Arbeiter den Markt mit 
Waren versorgt, Preisverzeichnisse in den Zeitungen ver- 



Meißen (1750 — 18 14) 



89 



öffentlicht und mehr auf den Gewinnst als auf die Erfüllung 
künstlerischer Aufgaben bedacht nimmt. Dieser Umschwung 
in den Verhältnissen der Manufaktur vollzieht sich in den 
vierziger Jahren. Das Personal, das 1740 218 Arbeiter 




Abb. 54. me h. Familie. Meißen Mitte 18. Jahrh. 
(Nach Raffaels Madonna de! Passeggio.) 



zählte, wuchs bis 1765 auf 731 Personen, und in ähnlichem 
Verhältnisse vermehrten sich die Einnahmen, wenn auch 
der Siebenjährige Krieg in dieser Beziehung störend ein- 
griff. Die Einnahmen stiegen in den Jahren 1740 bis 1752 
von 38320 Taler auf 222560 Tal er. Herold und Kandier 



90 



Meißen (1750— 1 8 14) 



leben noch in diese neue Zeit hinein. Herold stirbt erst 
1771, Kandier 1775, aber ihre künstlerische Kraft erlahmt 
allmählich, und den Künstlern, die an ihre Stelle treten, 
wie dem Bildhauer Acier (1765 — 1781), fehlte es an der 
genialen Schöpferkraft, die diesen beiden Begründern der 
europäischen Porzellankunst zu Gebote stand. 




Abb. 55. Vase. Meißen Mitte 18. Jahrh. 



Den besten Beweis für die nachlassende künstlerische 
Potenz in der Manufaktur bietet das Bestreben, von 
außen her neues Blut den alten Adern einzuführen. Hatte 
man auch früher schon vereinzelt Kupferstiche als Vor- 
bilder benutzt, so wurde jetzt diese Anlehnung an die Er- 
zeugnisse fremder Künstler fast zur Regel. 1 741 gab Heinecke, 



Meißen (1750 — 18 14) 



91 



der Sekretär und Bibliothekar Brühls, 230 Kupferstiche an 
die Fabrik ab. 1746 und 1747 wurden dem Pariser Agenten 
Leleu 327 Taler für gelieferte Bilder und Kupferstiche 
ausgezahlt. 1764 errichtete man eine Kunstschule in Meißen 




Abb. 56. Uhrhalter. Meißen Mitte 18. Jahrh. 



unter Leitung des Hofmalers und Professors an der Dresdner 
Kunstakademie Christian Wilhelm Ernst Dietrich »zur Auf- 
hilfe des Verfalls der Malerei und Bildhauerkunst bei der 
Manufaktur«. In demselben Jahre schickte man Maler und 



Q2 Meißen (1750 — 1814) 

Bildhauer nach Höchst, Frankenthal, München, Paris und 
Wien, um neue Zeichnungen und Modelle zu gewinnen. 
Zwei andere Maler mußten sich in S^vres auf drei Jahre 
anstellen lassen, um die Meißener Fabrik über die Leistungen 
der französischen Manufaktur zu unterrichten. 

In den ersten Jahrzehnten dieser Periode herrschten die 
von Kandier eingeführten Formen des Rokoko. In plasti- 
scher Gestaltung umspielen die bewegten, sich ineinander 
verschlingenden und überstürzenden Wellenkämme und 
Muschelrippen die Rahmen, Uhrgehäuse, Kronleuchter und 
Kandelaber, Vasen und Tintenfässer bis zu den kleinen 
Riechfläschchen herunter (Abb. 53). Sobald einmal der 




Abb. 57. Terrine mit „Dulongs-Relief-Zieraten". Meißen um 1760. 

Formenkreis eingelernt, vermögen auch geringere Kräfte 
die gefälligen Schnörkel zu zwingen. Während bei den 
Ziergeräten die stark hervortretenen Rocaillen oft die 
ursprüngliche Form fast völlig verschleiern (Abb. 55), fügt 
sich dagegen bei Gebrauchsgeräten, z. B. Riechfläschchen, 
Stockgriffen (Abb. 53), sowie bei den Servicen das Muschel- 
werk als flaches Ornament in die Silhouette des Gegenstandes 
ein. Ein beliebtes Muster sind die »Dulongs-Relief-Zierate«, 
bei denen Rokokokartuschen verbunden sind durch Bogen, 
von denen je eine Palmette und ein dreifaches Rocaille- 
ornament herabhängen (Abb. 57). Ein anderes flaches Relief- 
ornament sind die sog. »Gotzkowsky erhabene Blumen«, 



Meißen (1750 — 18 14) 



93 



vielleicht eine Erfindung Gotzkowskys in seiner Berliner 
Manufaktur ; es zeigt auf dem Rande vier gestreckte Blumen- 
sträuße, während den Spiegel ein entsprechender Kranz 
umschließt. Das schon erwähnte Strohgeflechtmuster, »Or- 
dinair Ozier«, tritt jetzt in feinerer Flechtung auf. Sind 
die mit diesem Muster geschmückten Gefäße geriffelt, so 
spricht man von »NeurOzier«, ebenso wie man zwischen 
»Ordinair Brandenstein« und » Neubrandenstein « unter- 
schied. Bei einem weiteren Muster, den »Marseille Zieraten«, 
erscheinen auf dem Rande flache, symmetrisch gebildete, 
längliche Kartuschen (Schrank 428). 




Abb. 58. Kavaliere im Duell. Meißen Mitte 18. Jahrh. 



Beliebter noch als diese plastischen Muster waren 
glatte Formen, bei denen nur Henkel und Ausguß leicht 
reliefiert waren; zum Schmuck des Randes verwandte man 
aufgemalte bunte Schuppen, Gitter oder Geflechtmuster, 
die »Mosaique« genannt wurden. Diese Ornamente, die 
durch ähnliche Grundmuster des chinesischen Porzellans 
(Abb. 14) zweifellos beeinflußt sind, werden häufig von 
feinen goldenen oder bunten Rocaillen, Palmenzweigen, 
Blumen u. a. eingerahmt (Abb. 62). 

Als Dekor der freien Felder und Flächen erscheinen 
seit der Mitte des Jahrhunderts die »deutschen Blumen«, so 
im Unterschied von den »indianischen« Blumen bezeichnet, 
weil sie der einheimischen Flora entnommen sind. Sie 



94 Meißen (1750 — 1814) 

kommen schon in den vierziger Jahren vor, aber hier in 
einer absonderlichen trockenen, gestrichelten Manier. Meist 
sind es einzelne abgeschnittene Blumen, denen Insekten und 
kleine Tiere beigesellt sind (Abb. 34). Häufig ist bei diesen 
Blumen und Insekten der Schlagschatten dargestellt. Für 
diese Malereien hat nicht die Natur, sondern es haben Kupfer- 
stiche und Radierungen den Porzellanmalem als Vorbild ge- 
dient. Das zeigt sowohl die Zeichnung, die vielfach noch die 
Strichlagen der Kupferstiche beibehalten hat, wie die freie, 
ohne Rücksicht auf das Naturvorbild bestimmte Farbgebung. 




Abb. 59. Teller mit „Gotzkowsky erhabenen Blumen". Meißen um 1760. 

Für die Blumen kommen etwa die Stiche der Nürnberger C. C. 
Schmidhammer und Johann Daniel Preisler aus der ersten 
Hälfte des 18. Jahrhunderts in Betracht, oder vielleicht auch 
noch frühere, wie die des in Straßburg 1662 erschienenen 
»Newen Blumen -Büchlein« von Tobias Frankenberger, in 
dem neben den schattenwerfenden Blumen auch Insekten 
dargestellt sind. Manche der Schmetterlinge, Raupen usw. 
erinnern an Wenzel Hollars Insektenbüchlein (Muscarum 
Scarabeorum Vermiumque Variae Figurae & Formae omnes 
primo ad uium coloribus depicte & ex Collectione Arun- 



Meißen (1750 — 18 14) 



95 



deliana a Wenceslao Hollar aqua forti aeri insculptae 
Antuerpiae Anno 1646). Diese trockene und schwerfällige 
Blumenmalerei weicht aber bald einer leichteren und ge- 
fälligeren Manier; indem man sich direkt an die Natur 
wendet, gelingt es, einen besonderen, der Porzellanmalerei 
entsprechenden Stil zu finden, der den locker auf der Fläche 
verstreuten Blumen etwas von dem zarten Duft und Farben- 
schimmer ihrer Vorbilder in der Natur mitzugeben ver- 
steht (Abb. 64). 

Zugleich mit 
den »deutschen« 
Blumen erschei- 
nen auch Darstel- 
lungen der heimi- 
schen Vogelwelt, 
aber auch hier 
dienten, und zwar 
zumeist, nicht die 
in der freien Natur 
sich bewegenden 
Tiere, sondern 
Abbildungswerke 
als Vorbilder 

(Abb. 34). Für die 
Quellen dieser Bil- 
der gibt der Kom- 
missions - Bericht 
von 1745 Auf- 
schluß, der als 
Vorlage die Kup- 
ferstiche aus dem 
»Weimannischen 
botanischen gro- 
ßen Werke auch 
andere dgl. Zeich- 
nungen, dazu des 
Albani so sehr ge- 
priesene invention 

von allerhand Arten derer Vögel nach ihrer Gestalt und 
Farbe, das nächstens aus England erwartet wird « , erwähnt. 
Später wurde Buffons illustrierte Naturgeschichte eifrig be- 
nutzt. Diese Kopien der Vorlagewerke wirken zumeist steif, 
unlebendig. Reizvoller sind die Malereien, bei denen der 
Künstler in freier Erfindung phantastische, in leuchtende 
Farben gekleidete Vögel schafft, wie auf dem Teller mit 
Mosaik an den Rändern, dessen Gestalt die Form einer 
sechsblättrigen stilisierten Päonie hat (Schrank 34). 




Abb. 60. Entführung. Meißen Mitte 18. Jahrh. 



96 Meißen (1750 — 18 14) 

Mit den alten Darstellungskreisen, den »Bataillen«, 
Jagden usw., geht, soweit sie nicht, wie die Chinoiserien, 
ganz aufgegeben werden, eine Veränderung vor. Sie werden 
entweder, wie bei dem Teller in der Abb. 67, unten von 
Rocailleornamenten umschlungen oder frei auf die Fläche 
gesetzt und mehr auf breite dekorative Wirkung hin be- 




Abb. 61. Kaffeekahne mit „Mosaique". Mitte 18. Jahrh. 

handelt, als minutiös durchgeführt. Die Farben verlieren 
ihre alte Leuchtkraft, sie werden matter und blasser. Be- 
liebt werden jetzt die »Watteaufiguren«, kleine Gruppen, die 
direkt den Stichen Watteaus oder seiner Schule entlehnt 
oder wenigstens ganz in seiner Art gebildet sind. Aber 
auch bei diesen Anleihen offenbart sich doch immer 
noch ein gewisser Geschmack. Schon in der Auswahl der 



Meißen (1750 — 18 14) 



97 



den zumeist sehr figurenreichen Stichen entnommenen 
Gruppen zeigt sich in der Regel ein gutes künstlerisches 
Gefühl für Geschlossenheit der Komposition und ein sicherer 
Raumsinn. Freie Erfindungen sind zumeist die kleinen 
Landschaftsausschnitte mit Gebüsch und Bäumen, in die 
Gruppen hineingestellt sind. Sie pflegen unten nicht gerade 
abgeschnitten zu sein, wie auf den Stichen, sondern verlaufen 




Abb. 62. Töpfer. Meißen Mitte 18. Jahrh. 



an den Rändern mit feinem Laubwerk allmählich in die 
Plächen, wodurch ein engeres Anschmiegen der Malerei an 
den Gefäßkörper erreicht wird. Seltener werden Stiche 
nach Chardin und Greuze benutzt. Für die allerdings in 
Berlin häufiger als in Meißen auftretenden Darstellungen 
von Amoretten (Abb. 68) wurden die Stiche von Aveline, 
Bidinger, Huquier und La Rüe nach Boucher fleißig ver- 

Brüning', Porzellan. »r 



98 



Meißen (1750 — 18 14) 



wandt. Die vorliegende Komposition ist nach Stichen von 
Bidinger u. a. zusammengestellt. Die Form der Anbiet- 
platte ist in S^vres erfunden, überhaupt nimmt das Geschirr 
jetzt vielfach die charakteristischen Formen der Weichpor- 
zellane von S^vres an, z. B. die Kanne mit den reizvollen 
Watteaufiguren im Schrank 433. Von den farbigen Gründen, 
die die Porzellane von S^vres auszeichnen, ahmte man gern 
das Königsblau (bleu de Roi) nach. 




Abb. 63. Teller. Meißen Mitte 18. Jahrh. 



Im Jahre 1774 übernimmt Graf Camillo Marcolini, 
dessen Porträt ein Medaillon im Schrank 437 zeigt, die 
Direktion. Unter ihm wandeln sich allmählich die Geschirr- 
formen unter dem Einfluß der klassizistischen, an die Antike 
anknüpfenden Geschmacksbewegung völlig um. Die ge- 
schweiften Konturen der Gefäße werden zumeist noch bei- 
behalten, das Neue setzt sich äußerlich als rechteckiger 
Henkel oder als Lorbeerfestons, die die Ausgüsse umschlingen, 
u. a. an. Später nehmen auch die Gefäßkörper selbst 
strengere Formen an, die aus den regelmäßigen geometri- 
schen Figuren des Kreises, der Ellipse, des Quadrats genommen 
sind. Die Wände steigen senkrecht empor, und die Schultern 



Meißen (1750 — 1814) 



99 



der Kannen treten in scharfen Kanten zurück. Die Zylin- 
dertasse behauptet das Feld, 

Auch in den Bildstoffen zeigt sich ein Wechsel. Die 
Blumenmalereien verlieren ihre duftige Frische und anmutige 
Leichtigkeit, sie werden trocken und nüchtern mit ängstlicher 
Pedanterie gemalt. Später müssen sie dazu dienen, zu Buch- 
staben vereint das Monogramm des Besitzers darzustellen. Erst 
jetzt erscheint auch die Landschaft an sich ohne figürliche 
Staffage, zunächst als allgemeine Ansicht, gegen Ende des 
Jahrhunderts kommen 
dann die Darstellungen 
bestimmter Gegenden 
auf, in öder Hervorkeh- 
rung des Lehrhaften. Pa- 
rallel damit gehen die 
Illustrationen von Wer-' 
ken der Literatur. So be- 
sitzt die Schreiber- Col- 
lection im Viktoria- und 
Albert-Museum in Lon- 
don ein Kaffeeservice mit 
der Darstellung der Lei- 
den des jungen Werthers, 
eine Tasse im Hamburgi- 
schen Museum bietet die 
Kopie eines englischen 
Farbdruckes nach einem 
Bilde von Angelika Kauf- 
mann zu Sternes »em- 
pfindsamer Reise«. Auch 
sonst werden gern Ge- 
mälde kopiert, und zwar 
ohne jede Veränderung; 
jede Freiheit in der Be- 
nutzung des Vorbildes, 
wie sie vorher herrschte, 
wird jetzt ausgeschlossen. 
Als Ausfluß derselben 
Geistesrichtung, die in 
litäten das Individuelle 




Abb. 64. Zuckerstreuer. Meißen Mitte 18. Jahrh. 



der Darstellung bestimmter Loka- 
statt des Allgemeinen sucht, sind 
auch die Porträts anzusehen, die jetzt sowohl in bunter Malerei 
wie als Silhouetten erscheinen. Als Einfassung für alle diese 
Bilder werden gern Goldrahmen benutzt mit fein radierten 
Goldblumen, oft in mehrfacher Goldfarbe. Gegen Ende des 
Jahrhunderts ahmt man auch die Arbeiten Josiah Wedgwoods 
nach (vgl. die Tasse im Schrank 427). Im »Journal für Fabrik, 
Manufaktur und Mode, Leipzig 1794«, werden ein Paar Arm- 



loo Meißen (1750— 1814) 

leuchter in Gestalt des Ganymed und der Hebe in blau und 
weiß in der Art der Jasperware angeboten. Für den Ganymed- 
leuchter hatte ein antiker Kandelaber als Vorbild gedient. 
Die figürliche Plastik steht in den sechziger und sieb- 
' ziger Jahren noch ganz im Zeichen Kändlers. Sie ist noch 
so sehr von seiner Eigenart durchtränkt, daß es sehr 
schwer ist, aus der Rokokoplastik die verschiedenen Hände 




Abb. 65. Teemaschine. Meißen Mitte 18. Jahrh. 



der unter ihm arbeitenden Modelleure herauszufinden. Sie 
standen so unter dem Banne seiner überragenden Persönlich- 
keit, daß ihr Können in seiner Kunst völlig aufgegangen 
zu sein scheint. Zu diesem unpersönlichen Charakter, den 
alle diese Werke zeigen, kommt noch dazu, daß bei vielen 
die Komposition Kupferstichen entnommen wurde. So geht 
z. B. die »Leserin am Spinnrocken«, die im Preiskurant 



Meißen (1750 — 1814) loi 

von 1765 mit 22 Reichstalern und 12 Groschen bewertet 
wird, auf den Stich »Les amusements de la vie priv^e« 
von L. Surugue nach einem 1746 gemalten Bilde von 
J. J. Chardin, die gleich teure »Kaufmannsfrau«, eine Dame 
am Schreibtisch, auf den Stich von J. P. Lebas nach einem 
Bilde von Chardin zurück. Auch der Stich von Lebas 
»La toilette du matin« nach Chardin ist in Porzellan aus- 
geführt worden. Die zahlreichen Chinesengruppen jener Zeit 
sind zum großen Teil Stichen von Balechou,Huquier u. a. nach 
Boucher, andere Stichen nach Coypel usw. nachgebildet. Aber 
auch bei diesen Entlehnungen äußert sich immerhin noch 




Abb. 66. Supp^nnapf. Meißen Mitte 18. Jahrh. 

eine gewisse Selbständigkeit des Modelleurs gegenüber dem 
Stiche. Bei der Übersetzung des Kupferstiches in ein Rund- 
bild gilt es, die Gruppe straffer in ihrem Aufbau zusammen- 
zufassen und etwaige Requisiten der Bühne, auf der der 
betreffende Vorgang sich abspielt, in porzellangemäße bzw. 
dem Modelleur geläufige Formen umzubilden. Daß die 
Farbgebung dieser Figuren und Gruppen viel flauer und 
schwächlicher ist, als die kraftvolle Bemalung der vierziger 
Jahre, wurde schon hervorgehoben. 

Auch unter Marcolini zeigt die Plastik noch die letzten 
Spuren Kändlerschen Geistes, aber es sind entartete Ab- 



I02 



Meißen (1750 — 18 14) 



kömmlinge. Die Sockel sind viereckig, rund oder oval, 
von einem plastischem Mäander, Flechtband oder ähnlichem 
geziert. Daneben erscheinen Figuren und Gruppen im Kostüm 
der Zeit, deren Bemalung genau die Stoffmuster imitiert. 
Auch die Spitzen der Kleider werden aufs feinste in Bisquit- 
masse dargestellt. Vielleicht sind diese Arbeiten Acier 
zuzuteilen. Der frivole Beigeschmack, den mehrere dieser 
Gruppen haben, scheint fast dafür zu sprechen. Mehrere 




Abb. 67. Teller. Meißen um 1760. 



derselben stellen Familienszenen dar: Vater und Mutter, 
von ihren Kindern umringt. 

Daneben erweckt das Beispiel von S^vres auch eine 
Bisquitplastik. Doch fehlt dem unglasierten Meißener Hart- 
porzellan jene Weiche und Wärme des Tons, die das Weich- 
porzellan auszeichnet. Es behält immer etwas glasiges und 
kaltes. Eines der besten Beispiele von Meißener Bisquit- 
arbeiten ist das Gellert-Denkmal (Abb. 69). Die sogenannte 
» Ildefonso-Gruppe « (Schrank 427) ist ein Exempel für die 
Nachbildung' antiker Marmorwerke, die jetzt häufiger wird. 



Meißen (1750 — 1814) 



103 



Das Weiß des Marmors hatte ja auch nicht zum wenigsten 
die Wahl des Bisquits bestimmt. Als Modelleure dieser 
Bisquitplastik werden Jüchzer und Matthaei genannt. 

Schon früh (spätenstens 1723) bezeichnete man das 
Porzellan zum Schutze gegen Nachahmungen mit einer 
Marke, zuerst mit K. P. M. (Königliche Porzellan-Manufaktur) 
oder K. P. F. (Kgl. Porzellan-Fabrik), dann mit den gekreuzten 
Schwertern des sächsischen Wappens, und zwar in Unter- 
glasurblau. Anfangs wurde bestimmt, daß bei einem Früh- 
stückservice nur die Teekanne und die Zuckerdose die 
Marke tragen sollten, später wurden alle Stücke bezeichnet. 




Abb. 68. Anbietplatte. Meißen um 1770. 



1731 wurde als besonderes Zeichen für die vom König 
bestellten Porzellane das Monogramm AR bestimmt; die 
nach Frankreich gehenden Stücke sollten die Kurschwerter, 
die an andere Kaufleute und die Türkei zu verkaufenden 
Porzellane den Äskulap(Merkur)-Stab erhalten. Daneben 
kommt auch die Form des chinesischen Papierdrachen vor. 
Blauporzellane zeigen auch zuweilen chinesische Marken; 
dieselben waren auf Wunsch der Pariser Händler aufgesetzt 
worden, die offenbar die Stücke als ostasiatische Ware ver- 
kaufen wollten. In den sechziger Jahren wird unter die 
Schwerter ein Punkt gesetzt, unter Marcolini ein Stern. 
Auf Bisquit erscheint diese Marke innerhalb eines Dreiecks 



I04 Meißen (1750 — 1814) 

eingraviert. Außerdem wurden auch in Purpur über der 
Glasur die Porzellane der Hofkonditoreien gekennzeichnet, 
z. B. K. H. K. W. (Kgl. Hofkonditorei Warschau), K. C. P. C. 
(Kgl. Curf. Pillnitzer Conditorei) u. a. 




Abb. 69. Gellertdenkmal. Meißen um 1780. 

Seit 1760 wurde die Ausschußware, die nicht bemalt 
wurde, dadurch gekennzeichnet, daß ein Einschnitt quer 
über die Marke eingeschliffen wurde. 



Wien. 

Sowohl die strenge Bewahrung des Geheimnisses der 
Porzellanbereitung wie auch die überaus glänzende, sieghafte 




Abb. 70. Relief mit den Porirfits Maria Theresias und Franz von Lothringen. 

Wien Mitte 18. Jahrh. 



Entwicklung der Meißener Manufaktur und ihre großen Erfolge 
auf dem europäischen Markt bewirkten es, daß erst nach der 
Mitte des i8. Jahrhunderts auch an anderen Orten Deutsch- 



I o6 Wien 

lands Porzellanfabriken gegründet wurden, die mit Nachdruck 
der Meißener Manufaktur Konkurrenz zu machen vermochten. 
Nur an einer Stelle gelang es schon frühzeitig, ebenfalls Por- 
zellan herzustellen : es war die Kaiserstadt Wien, die sich den 
Vortritt unter den Nachfolgerinnen Meißens gesichert hat. 
Angeregt durch einen Erlaß Karls VI., der unter Ankündi- 
gungbesonderer Privilegien zur Begründung neuer industrieller 
Unternehmungen ermunterte, kam der Hofkriegsratagent 
Claudius Innocentius du Paquier, ein geborener Niederländer, 




Abb. 71. Teller. Wien 1730-40. 

auf den Gedanken, ein der sächsischen Fabrik ähnliches 
Unternehmen ins Leben zu rufen. Nachdem er sich ver- 
gewissert hatte, daß auf österreichischem Boden (in der 
Gegend von Passau) die nötigen Materialien zu finden seien, 
und er vergeblich in den Berichten der Missionare über 
chinesisches Porzellan nach dem Geheimnis seiner Her- 
stellung geforscht hatte, begab er sich 17 17 nach Meißen und 
bewog hier mit Hilfe zweier französischer Abenteurer den 
Emailleur und Vergolder Hunger zur Flucht nach Wien. 
Da indessen Hunger wohl zu emaillieren und zu vergolden 



Wien 



107 



verstand, wie ein Spülnapf in Wiener Privatbesitz zeigt, 
aber nicht Porzellan zu fabrizieren, holte sich du Paquier 
17 19 den Meißener Werkmeister und Arkanisten Samuel 
Stölzel. Eine Schokoladentasse im Hamburgischen Museum 
mit der eingeritzten Inschrift: »Gott allein die Ehr und 
sonst keinen mehr. 17 19 3 May« stellt offenbar das erste 
gelungene Probestück dar. Zu den Malern, die zuerst in 
der Wiener Manufaktur beschäftigt wurden, gehörte auch 
Herold, der indessen schon 1720 mit Stölzel, wie erwähnt, 
nach Meißen ging; vielleicht hatte er aber in der kurzen 
Zeit seiner Tätigkeit in Wien dort die Dekorationen der 
Chinoiserien eingeführt (vgl. die Teekanne im Schrank 449), 




Abb. 72. Plat du Menage. Wien Mitte 18. Jahrh. 

die allerdings hier ebenso wie die in der Frühzeit der Wiener 
Fabrik beliebten »indianischen« Blumen in Zeichnung und 
Farbe einen besonders ausgeprägten, eigenen Charakter tragen. 
Statt der leuchtenden lebhaften Meißener Farben ist die Farben- 
harmonie der frühen Wiener Porzellane weich und abgetönt. 
Die erste glänzendere Leistung der Fabrik ist die 
Dekoration eines Zimmers im Palaste des Grafen Dubsky 
in Brunn, bei der die Türen, Fensterrahmen, Möbel usw. 
mit vielen hunderten (1458) von Porzellanplatten ausgelegt 
sind. Auch die Kronleuchter und Wandarme bestehen aus 
Porzellan. Neben Chinoiserien und »indianischen« Blumen 
erscheinen hier auch schon »deutsche« Blumen (um 1730), 



io8 



Wien 



so daß es den Anschein hat, daß Wien mit diesem Dekor 
Meißen vorangegangen ist. 

In der Mitte der dreißiger Jahre treten die Formen 
des Wiener Barocks, wie sie an den damals erbauten 
glänzenden Palästen in ihren Stuckdekorationen, schmiede- 
eisernen Arbeiten usw. sich zeigen, in den Vordergrund. 
Charakteristisch ist hierbei die Verbindung von Palmetten 
mit Gittermuster (vgl. Abb. 71). In der Regel wird das 
Gittermuster gebildet aus eisenroten Strichen und trägt 
entweder auf den Kreuzungspunkten goldene rotumränderte 
Vierblätter, oder es ist in die Mitte einer jeden Raute ein 
goldener rotumränderter Punkt hineingesetzt. Die Palmetten 
sind in Überglasurblau und Blaßpurpur oder in Grün, Hell- 
und Dunkelpurpur ausgeführt. Auf dem abgebildeten Teller 




Abb. 73. Konfektkorb. Wien Mitte 18. Jahrh. 

sind sie in goldgehöhter Schwarzmalerei ausgeführt, was, 
wie auch die Tasse mit Chinoiserien zeigt, damals in Wien 
häufig vorkam. 

Die Formen haben vielfach gegenüber den Meißener 
Formen etwas Breitesj Fayenceartiges; sie stehen, soweit 
sie nicht freie Erfindungen sind, zu den Meißener Arbeiten 
fast in einem ähnlichen Verhältnis wie die Delfter Fayence 
zum ostasiatischen Porzellan. Auch der Zeichnung der 
chinesischen Figuren und der »indianischen« Blumen fehlt 
jene feine saubere Ausführung, die wir an den Meißener 
Arbeiten bewundern. Beliebt sind die figürlichen Ge- 
staltungen von Henkeln und Knäufen, es kommen ganze 
Figuren in dieser Verwendung vor, so z. B. ein sitzender 
Türke als Knopf eines Suppennapfes. Die besten Arbeiten 



Wien 



109 



dieser Periode befinden sich im Besitz der österreichischen 
Aristokratie und des Museo Civico in Turin. Außerhalb 
Österreichs ist sonst nur wenig in den öffentlichen Samm- 
lungen oder in Privatbesitz vorhanden. 

I>ie Mißerfolge, die du Paquier mit seinem Unter- 
nehmen hatte, zwangen ihn, die Fabrik 1744 dem Staate 
zu überlassen. Von nun an werden die Porzellane mit 
dem Bindenschild, dem österreichischen Staatswappen, ge- 




Abb. 74. Fruchtschaie. Wien Mitte 18. Jaiirh. 



kennzeichnet. Anfangs wurde die Marke vor dem Brande 
mit einem Holzstempel eingedrückt, seit 1749 in Unter- 
glasurblau aufgemalt, seit 1825 wurde sie wieder eingedrückt. 
Seit dem i. November 1783 werden die Jahreszahlen ein- 
gepreßt, bis 1800 die beiden letzten, nach dieser Zeit die 
drei letzten Zahlen, z. B. 94, 805. 

Die Übernahme der Fabrik durch den Staat fällt mit 
der Blüte des Rokoko zusammen, das auch in Wien Pflege 
fand. Bezeichnend für Wien ist die Vorliebe, die plastischen 



Wien 



Rocaillen mit einem tiefen leuchtenden Purpur zu höhen. 
Die Malerei geht dieselben Wege wie Meißen, die Gold- 
rocaillen, mit denen die Ränder der Geschirre geziert 
werden, zeigen eine eigentümlich federige Bildung (vgl. die 
Teller mit dem Monogramm M F.). Für Watteaufiguren 
werden die Stiche Nilsons gern benutzt, für Blumenmalereien 
zuweilen die merkwürdigen chinoisierenden Blumen Jean 
Pillements. 

In den sechziger Jahren erfolgt dann noch stärker als 
in Meißen eine Anlehnung an die Erzeugnisse von S^vres, 




Abb. 75. Die giackilchen Eltern.* Wien um 1770. 

die damals überall die Porzellankünstler mehr oder minder 
beeinflußten. Die finanziellen Erträgnisse blieben nach wie 
vor schlecht, so daß man 1784 sogar die Fabrik zum Verkauf 
ausbot; indessen fand sich kein Käufer. Da beschloß 
Joseph II., der sich persönlich für die Manufaktur interessierte, 
einen neuen Versuch zu machen, indem er sie der Leitung 
des Direktors der Wollzeugfabrik in Linz, Konrad Sorgen- 
thal, unterstellte und dessen Befugnisse gegenüber denen 
seines Vorgängers bedeutend erweiterte. Sorgenthal verstand 
es denn auch, in kurzer Zeit durch organisatorische und 
künstlerische Verbesserungen die Fabrik so zu heben, daß 



Wien III 

die Manufaktur, die von 1744 bis 1780 auf 320 Arbeiter 
gestiegen war, 1790 500 Arbeitskräfte zählte. Mit Hilfe 
des Chemikers und Malers Joseph Leithner und des Malers 
Georg Perl gelang es ihm, einen neuen, ganz eigenarti- 
gen Stil ins Leben zu rufen, der schon 1785 als völlig 
ausgebildet erscheint. Leithner erfand eine große Anzahl 
sehr wirkungsvoller farbiger Fonds, unter denen neben einem 
schönen Königsblau eigenartige, in allen Nuancen vom tiefen 
Violett bis hellen Lila und Kupferrot schillernde Lüster- 
farben hervortreten. Mit diesen Tönen werden die Gefäße 
und Geschirre ganz oder teilweise in Feldern und Zonen 
bedeckt. Zu den farbigen Gründen gesellt sich eine sehr 




Abb. 76. Teile eines FrQhstacIcservices. Wien um 1800. 

reiche Goldornamentik, bei der das Gold zum Teil relief- 
artig aufliegt, eine Erfindung von Perl, auch verwendet 
man verschiedenfarbige grünliche und rötliche Goldtöne. 
Die Ornamentik schöpft ihren Inhalt aus den antiken 
Grotesken, die aus den damals wieder aufgedeckten Städten 
Herkulanum und Pompeji ans Tageslicht traten. Mit diesen 
antiken Elementen vermischen sich Renaissanceformen, die 
durch die 1772 von Volpato und Ottaviani herausgegebenen 
Stiche nach den Grotesken Raffaels in den vatikanischen 
Loggien den Porzellanmalern übermittelt wurden. Diese 
Ornamentik bedeckt Formen von strenger Regelmäßigkeit, 
zylindrische Tassen und Kannen, kreisrunde Schüsseln und 
Teller und elliptische Anbietplatten, auf deren Flächen sie 



112 Wien 

in starren geometrischen Figuren gegliedert sind. Die weiße 
Glasur wird in der Regel völlig von den farbigen Gründen 
und dem Gold gedeckt. Die virtuose Behandlung des 
Reliefgoldes, die glänzenden Farbflächen und die überaus 
feine und sorgfältige Ausführung der Ornamente und des 
Figürlichen täuscht leicht über die Schwere und metallische 
Härte dieses Dekors hinweg, der das Material völlig unter- 
jocht hat. 

Ein sehr reiches Beispiel dieses Stiles stellt das Früh- 
stückservice dar, von dem mehrere Teile in der Abb. 76 dar- 
gestellt sind. In den langgestreckten Rautenfeldern der Anbiet- 
platte sind in bunten Farben Tänzerinnen auf Goldgrund nach 
pompejanischen Wandgemälden gemalt, die Ornamente mit 
dem Merkurkopf in den breiten Rautenfeldern sind grau 
in grau, ausgeführt. Die auf der Abbildung weiß er- 
scheinenden Flächen sind blaßseegrün und blaßlila. Die 
Anbietplatte trägt die Zahl 1799, eine der Tassen die Zahl 
1800. Teile eines anderen Kaffeeservices mit der Jahreszahl 
1795 zeigen eine jener Lüsterfarben, ein tiefes schillerndes 
Kaffeebraun. 

Später, in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten 
Jahrhunderts, wird die Anlehnung an die Antike noch 
stärker, bis zur direkten Kopie griechischer schwarz- und 
rotfigurigen Vasen. Ähnlich wie in China im achtzehnten 
Jahrhundert geht man sogar dazu über, andere Stoffe, wie 
Empirebronzen, japanische Lackmalereien usw., nachzubilden. 

Die figürliche Freiplastik Wiens läßt sich weder an Zahl 
der Modelle noch an Qualität der plastischen Ausführung 
und Bemalung mit der der Meißener Manufaktur messen. 
Vielfach werden Meißener Modelle einfach kopiert, daneben 
aber gibt es auch zahlreiche Figuren eigener Erfindung, 
Kavaliere und Damen, Figuren des Bürger- und Bauern- 
standes, die sich durch eine pikante, oft etwas gespreizte 
Grazie auszeichnen. Ein häufig wiederkehrender weiblicher 
Typus zeigt einen verhältnismäßig kleinen Kopf, der von 
einem kräftigen Hals getragen wird. Vielfach wurden die 
glasierten Figuren weiß gelassen. So sind bei einem Tafel- 
aufsatz des Zisterzienserstiftes Zwettl, den der Konvent dem 
Abt Rainer I. Kollmann im Jahre 1769 zu dessen 70. Ge- 
burtstage schenkte, sämtliche Figuren und Gruppen unbemalt; 
sie stehen auf einem breiten Aufsatz aus Spiegelglas, der 
von niedrigen Porzellanfüßen getragen und von einem 
schmalen Porzellanrand eingefaßt ist. Auch das interessante 
Medaillon mit Maria Theresia und ihrem Gemahl Franz I. 
von Lothringen ist bis auf die Inschrift unbemalt (Abb. 70). 

Die Bemalung der Figuren ist im allgemeinen wenig 
reizvoll, die Röcke der Frauen sind zumeist mit einzelnen 



Wien 



113 



Streublumen in zwei Farben dekoriert oder nur einfarbig 
und unten von einer etwas dunkleren breiten Borte besetzt. 
Auch in Wien werden als Vorlagen Kupferstiche benutzt; 
so sind auch einzelne Stiche des »Calloto resuscitato« in 
den vierziger Jahren nachgebildet, aber in einem größeren 
Maßstabe als die kleinen Meißener Zwerge. Zu der Gruppe 
» Die glücklichen Eltern « hat offenbar der Stich von Moreau 
le jeune nach J.-B. Greuze von 1766 Anregung gegeben, 
wenn auch im einzelnen der Modelleur der Gruppe von 
dem Vorbild abgewichen ist. (Abb. 75.) 

Seitdem Anton Grassi, ein Schüler des Bildhauers 
Christian Beyer, dem er bei der Herstellung der Statuen für 
Schönbrunn geholfen hatte, 1778 als Modelleur in die Fabrik 
eintrat, erscheint hier ebenso wie in Berlin die Biskuit- 
plastik. Das Königliche Schloß Charlottenburg besitzt eine 
treffliche Biskuitbüste von Haydn, die mit dem Namen Grassi 
und der Jahreszahl 1802 bezeichnet ist. 

Im Jahre 1863 wurde die Wiener Porzellanmanufaktur 
durch Parlamentsbeschluß aufgelöst mit der Begründung, 
daß eine Staatsfabrik keine Existenzberechtigung habe. 



Brüning-) Porzellan. 




Abb. 77. Tassen. Wegelysche Fabrik. Berlin um 1755. 



Berlin. 

A. Die Wegelysche Fabrik. 

Die Schicksale der Berliner Porzellanfabrikation im 
i8. Jahrhundert sind mit dem Namen Friedrichs des Großen 
unzertrennlich verbunden. Seinem tatkräftigen Betreiben ist 
es zu verdanken, wenn nach manchen fehlgeschlagenen 
Versuchen in Berlin eine Porzellanmanufaktur emporwuchs, die 
auf verschiedenen Gebieten wahrhaft künstlerische Leistungen 
hervorbrachte. 

Die Liebe zum Porzellan hatte der große König von 
seiner Mutter, der Königin Sophie Dorothea, geerbt, die in 
ihrem Schlosse Monbijou große Sammlungen von Porzellan 
zusammengebracht hatte. Schon bald nach seiner Thron- 
besteigung muß ihn der Gedanke der Begründung einer 
Porzellanfabrik beschäftigt haben. Die Anerbietung des 
Christoph Konrad Hunger, der bei der Anlegung der Wiener 
Fabrik beteiligt war (Seite io6), dann in Venedig, wieder 
in Meißen und endlich in Stockholm tätig gewesen war, 
bei der Errichtung einer Porzellanmanufaktur behilflich zu 
sein, wurde allerdings nicht berücksichtigt ; dagegen gelang es 
dem Chemiker Professor Johann Heinrich Pott, Porzellan 
herzustellen, wie er selbst am 8. Dezember 1742 in den 



Berlin 



"5 



»jBerlinischen Nachrichten« bekannt gibt. Zwei Scherben 
dieses Porzellans befinden sich im Dresdener Geheimen 
Staatsarchiv bei dem Berichte eines Meißener Arkanisteti 
vom Jahre 1743, der sie als unvollkommen bezeichnet. 
Vielleicht geht auf Pott ein kleines beschädigtes Porzellan- 
gefäß im Märkischen Museum zurück, das die Jahreszahl 1744 
in Unterglasurblau trägt, möglicherweise stammt es aber 
auch von Wegely, auf dessen Grundstück es gefunden 
worden ist. 

Während des zweiten schlesischen Krieges entführte 
Friedrich der Große bedeutende Massen Porzellan aus 
Meißen. Am 19. Dezember 1745 schrieb er an seinen 
Kämmerer Fredersdorf, daß er für 100 000 Taler Porzellan 




Abb. 78. Confektkorb. Wegelysche Fabrik. Berlin um 1755. 

nach Berlin schicke. Friedrich brachte auch zwei Arbeiter 
von Meißen mit, den Porzellanmaler Johann Karl Gerlach 
und den Porzellanfabrikanten Gottlieb Kayser, die in den 
Jahren 1746 und 1747 Zahlungen aus der Schatulle des 
Königs erhielten. Weiteres ist nicht über sie bekannt, 
ebensowenig weiß man, ob der Generalleutnant von Rothen- 
burg, an den Friedrich der Große 1749 zwei von Paris 
kommende angebliche Porzellanfabrikanten St. Germain und 
Joinville verwies, seinen Plan, eine Porzellanfabrik zu er- 
richten, verwirklicht hat. Da der Wollzeugfabrikant W i Ih e 1 m 
Kaspar Wegely schon 175 1 die Erlaubnis erhielt, eine 
Manufaktur zu gründen, scheinen alle diese Versuche ge- 
scheitert zu sein. 



i I 



Il6 Berlin 

Zugleich mit Wegely hatten sich auch die Glasschneider 
Gebrüder Schackert angeboten, eine Porzellanfabrik zu er- 
richten, und ließen sich, da Wegely das Privileg für Berlin 
erhielt, in Basdorf im Zühlenschen Revier nieder. Was sie 




Abb. 79. Vase. Wegelysche Fabrik. Berlin um 1755. 

fabrizierten, war indes nur Milchglas, das man abschliff 
und dann bemalte. Das Hamburgische Museum besitzt 
eine mit Blumen bemalte Kanne aus Milchglas, die die Auf- 
schrift »Basdorf« trägt. 



Berlin liy 

Wegely hatte seine Eingabe an den König am lo. Januar 
17 51 eingereicht, schon am 27. Januar erhielt er eine könig- 
liche Ordre, wonach sein Gesuch genehmigt war. Er bekam 
das am ehemaligen Königstor in der Neuen Friedrichstraße 
gelegene Kommandantenhaus nebst Garten, dazwischen 
liegendem Wall und der dahinter gelegenen Bastion zum 
Geschenk, Zollfreiheit für die einzuführenden Materialien, 
femer die Berechtigung, seine Arkanisten im Namen des 
Königs in Eid zu nehmen u. a. m. Wegely ließ das Kom- 
mandantenhaus niederreißen und an seiner Stelle eine große 
Fabrik errichten, die Nicolai in seiner Beschreibung von 
Berlin 1769 als eines der ansehnlichsten Gebäude der Stadt 
bezeichnet. 1752 hat er schon Porzellan fabriziert, eine 
kleine Terrine auf Löwenfüßen mit bemalten Reliefblumen 
in der Sammlung Tschukin in Moskau zeigt neben einge- 
preßten Zahlen die Jahreszahl 1752 und das W in Unterglasur- 
blau. Die eingedrückten Zahlen, zumeist drei übereinander, 
sind für die Wegelyschen Porzellane charakteristisch. Auch 
das W erscheint eingepreßt und eingeritzt. 

Im Herbst 1752 gelang es Wegely im Einverständnis 
mit dem Direktor der Höchster Porzellanfabrik, Benckgraff, 
einige Arbeiter von dort zu entführen. Ebenso soll er 
von Benckgraff ein Fäßchen Erde, feinere Dosenmasse 
und ein Ofenmodell erhalten haben. Benckgraff, im Be- 
griff, nach Fürstenberg zu entfliehen, war von dem Be- 
sitzer der Höchster Fabrik festgenommen und in Anklage- 
zustand versetzt .worden. Als Belastungszeugnis wurde ein 
Brief von Wegely, in dem die obenerwähnten Tatsachen 
erzählt werden, vorgelegt. Als Maler gewann Wegely den 
Miniaturmaler Isaak Jakob Clauce, der schon in Meißen be- 
schäftigt gewesen war, als Bildhauer Ernst Heinrich Reichard. 

Als Friedrich der Große beim Ausbruch des Sieben- 
jährigen Krieges Sachsen besetzte, nahm er auch die Manu- 
faktur und die Porzellanlager in Dresden und Leipzig in 
Beschlag. Wegely glaubte nun eine günstige Gelegenheit 
gefunden zu haben, sämtliche Modelle und Arbeiter aus 
Meißen entführen zu können. Er reiste nach Dresden und 
erhielt auch dort vom König die Erlaubnis, sich in Meißen 
über die Einrichtung der Fabrik gründlich zu informieren, 
erfuhr aber auch zugleich zu seiner Bestürzung, daß der König 
dem Armeelieferanten Schimmelmann sämtliche Vorräte 
verkauft und die Manufaktur in Pacht gegeben habe. Friedrich 
der Große bezog auf diese Weise nicht nur eine große 
Pacht von der Fabrik, sondern er hatte auch Gelegenheit, 
sich genaue Kunde von der Fabrikation während seines 
Aufenthalts in Sachsen zu verschaffen. Außerdem versorgte 
er sich reichlich mit Porzellan, das nach seinem Geschmack 



Il8 Berlin 

hergestellt werden mußte. Er hoffte, daß Schimmelmann, 
dessen kaufmännische Fähigkeiten er sehr schätzte, später 
in Preußen eine Porzellanmanufaktur anlegen würde, während 
er offenbar von Wegely, der » keine gründliche Wissenschaft 
von der Sache habe«, keine besondere Meinung hatte. 
Unter diesen Umständen sah sich Wegely gezwungen, im 
Jahre 1757 seine Fabrik eingehen zu lassen, da er auf 
irgendwelche Unterstützung des Königs oder Hofes nicht 
mehr rechnen durfte. 




Abb. 80. Teller. Wegelysche Fabrik. Berlin um 1755. 

Schimmelmann gab dem Könige von Preußen gegenüber 
bei der Verpachtung der Fabrik nur seinen Namen her, der 
eigentliche Pächter war Kommerzienrat Heibig, der lang- 
jährige Faktor der Meißener Manufaktur, der auf diese Weise 
die Fabrik durch die Wirrnisse des Krieges hindurch für 
Sachsen rettete. Die Hoffnungen, die Friedrich der Große auf 
Schimmelmann bezüglich der Errichtung einer Porzellan- 
fabrik in Berlin gesetzt hatte, wurden getäuscht. Als er 
1760 Schimmelmann direkt aufforderte, an die Begründung 
einer Manufaktur in Preußen zu gehen, lehnte Schimmel- 
mann das Anerbieten kühl ab und trat bald darauf in 
dänische Dienste. 



Berlin 



119 



Bei der Erbauung der Stadtbahn in Berlin fand man 
auf dem ehemaligen Grundstücke Wegelys große Ballen 
fertiger Porzellanmasse, die als Unterlage für den Fußboden 
eines Schuppens gedient hatten; bei ihrer Untersuchung 
fand sich, daß es dieselbe Erde war, die Meißen ver- 
arbeitete. Die an der Haupttreppe des Museums stehende 
Figur Friedrichs des Großen ist nach einem Modell Gott- 
fried Schadows für die Statue des Königs in Stettin in 
dieser alten Masse ausgeführt worden. Auch das fertige 
Porzellan zeigt die größte Verwandtschaft mit dem Meißener, 
nur daß es etwas kreidiger aussieht. Trotz des strengen 




Abb. 81. Feuer und Luft. Wegelysche Fabrik. Berlin um 1755. 

Verbots hatte Wegely sich doch Schnorrsche Erde zu be- 
schaffen gewußt. 

Porzellane der Wegelyschen Fabrik sind verhältnismäßig 
selten; es scheint die Produktion demnach nicht sehr stark 
gewesen zu sein, auch abgesehen von der Kürze der Dauer 
des Unternehmens. Sodann fällt es auf, daß die meisten 
erhaltenen Stücke, auch das Geschirr, unbemalt geblieben 
sind. Offenbar war die Malerei die schwache^ Seite der 
Fabrik, das geht schon daraus hervor, daß bei den bemalten 
Stücken die Farben häufig zum Teil abgesprungen sind. 
Anderseits war die technische Behandlung der Masse und 
die Beherrschung des Brandes gut; einen Beweis dafür 



I20 



Berlin 



bietet die große durchbrochene, über i m hohe Vase, die 
mit kalten Farben bemalt ist (Abb. 79). 

Beliebt sind aufgelegte Blumen auf Gefäßen und Ge- 
schirren. Sie werden entweder nach Meißener Art frei auf- 
gelegt, wie bei der Vase mit Putten als Knauf und Griffen, 
oder ganz flach, wie bei der Anbietschüssel mit Rocaille- 
henkeln. Die Rokokoschnörkel erscheinen hier in einer 




Abb. 82. Kaffeekanne. Berlin um 1760. 



eigentümlich rohen, vereinfachten Darstellung. Sie sind durch 
parallel nebeneinander gezogene Riffeln wiedergegeben (vgl. 
Abb. 78 und die Sockel der Figuren in der Abb. 81). Ein Orna- 
mentmuster eigener Erfindung ist der plastische Randschmuck 
des Tellers, der im Spiegel das Wappen des Grafen Gotter 
zeigt (Abb. 80). Das kleine Posthorn unter dem Wappenschild 
weistauf die 1752 erfolgte Ernennung des Grafen zum General- 
Postmeister hin. Zwischen drei glatten Kartuschen liegen auf 



Berlin 



dem Rande drei Felder mit derbem Gittermuster, das zum 
Teil aus kleinen Sternchen gebildet ist; in den Zwickeln, 
die von den darüber sich hinziehenden Rocaillen gebildet 
werden, erscheint ein zartes Schuppenmuster. Die Malerei 
ist in dem auch sonst bei Wegely häufig vorkommenden 
Purpur, der hier etwas blaß erscheint, ausgeführt. Vielleicht 
brachten die Höchster Arbeiter diese einfarbige Purpur- 
malerei mit. Daß Wegely auch über vortreffliche Figuren- 
maler gebot, beweist das Service mit Watteaufiguren u. a. 
in Purpurmalerei, bei dem nur der verschiedene Maßstab 
der Figuren zu 
tadeln ist. (Abb. 
77.) Die Tasse 
mit purpurner 
Landschaft er- 
innert stark an 
Höchster Ar- 
beit. Am häu- 
figsten scheint 
man zur De- 
koration bunte 
deutsche Blu- 
men verwandt 
zu haben. 

Die Figuren 
und Gruppen 
sind zum großen 
Teil nach Mei- 
ßener Modellen, 
die aber stark 
vergröbert wor- 
den sind, aus- 
geführt. Sie ha- 
ben viel von 
ihrem ursprüng- 
lichen Reiz und 
ihrer koketten 

Anmut verloren. Die Körper sind zumeist gedrungen und kräftig 
gebaut, es ist ein derberes festeres Volk, als jene elegante 
Hofgesellschaft Kändlers. Die Köpfe sind rundlich, von 
knorriger Bildung, das Gesicht ist nicht selten durch häß- 
liches Grinsen entstellt. Augen, Nase, Mund und Haar sind 
mit dem Modellierholz nachgestochen. Die Bemalung der 
Figuren zeigt zum Teil starke Anklänge an die meißnerische 
Bemalung. Vereinzelt kommen auch tiefrote und schwarze 
Töne in breiten Flächen vor. 




Abb. 83. Tabakskasten mit „Reliefzierat". Berlin um 1765. 



122 



Berlin 



B. Die Königliche Porzellanmanufaktur. 

Noch in demselben Jahre, als Schimmelmann das Aner- 
bieten Friedrichs des Großen ablehnte, fand der König in 
dem Kaufmann Johann Ernst Gotzkowsky einen Mann, 
der seine Pläne verwirklichen sollte. Gotzkowsky, der die 
Geschichte seines vielbewegten Lebens unter dem Titel 
»Geschichte eines patriotischen Kaufmanns« hinterlassen hat, 
war ein in mannigfachen industriellen Unternehmungen 
tätiger Mann, der das Vertrauen Friedrichs besaß und von 
ihm mit manchen wichtigen Geschäften betraut wurde. Er 




Abb. 84. Teller aus dem Service des Neuen Palais. Berlin um 1770. 



hatte schon 1753 auf Veranlassung des Königs eine Seiden- 
stoff abrik übernommen, dann eine Gold- und Silberwaren- 
fabrik begründet. Auch hatte er für den König den Ankauf 
von Gemälden für die Galerie in Potsdam besorgt. Bei der Be- 
lagerung Berlins durch die Russen im Jahre 1760 hatte er die 
Verpflegung der Truppen übernommen, dann dafür gesorgt, 
daß die Kontribution von 4 auf i^/a Millionen heruntergesetzt 
wurde. Als er von Friedrich dieserhalb nach Meißen gerufen 
wurde, äußerte der König bei dieser Gelegenheit, er möge 
eine Porzellanfabrik in Berlin einrichten. Gotzkowsky ging 



Berlin 



123 



bereitwillig auf das Verlangen des Königs ein. Nach Berlin 
zurückgekehrt, hörte er, wie er uns erzählt, von einem 
Advokaten, ein Künstler sei im Begriff, mit dem Herzog 
von Gotha einen Kontrakt zur Begründung einer Porzellan- 
manufaktur einzugehen. Es gelang ihm, denselben in 
Berlin zurückzuhalten. Wahrscheinlich war es der Bildhauer 
Reichard, der anscheinend nach dem Untergange derWegely- 




Abb. 85. Tafelaufsatz aus dem Service des Neuen Paiais. Berlin .um 1770. 



sehen Fabrik auf eigene Faust in Berlin Porzellan fabriziert 
hatte. Er überließ Gotzkowsky für 4000 Taler das Geheimnis 
und für 3000 Taler seinen Vorrat an fertigem Porzellan. 

Gotzkowsky errichtete die Fabrik in der Leipziger- 
straße an der Stelle des jetzigen Herrenhauses. Von dem 
Wegelyschen Personal übernahm auch er den Maler Jacques 
Clauce, von Meißen den Bildhauer Friedrich Elias Meyer. 
Auch Kandier wurde von Friedrich dem Großen eine 



124 



Berlin 



Stelle an der neuen Manufaktur angeboten, doch er lehnte 
ab. 1761 traten der Landschaftsmaler Karl Wilhelm Böhme 
über und einer der besten Prospekt- und Landschaftsmaler 
der Meißener Manufaktur, Johann Balthasar Borrmann, sowie 
1763 der in der Mosaikmalerei geschickte Karl Jakob 
Christian Klipfei, ein ausgezeichneter Klavierspieler, der, als 
Friedrich der Große in Sachsen war, öfters an den Kon- 
zerten des Königs teilnehmen mußte. Auch später in Berlin 
genoß er den hohen Vorzug, als einziger außer den Musikern 
zu der Kammermusik des Königs hinzugezogen zu werden. 




Abb. 86. SchOsselsturz aus dem Bresiauer Service. Berlin um 1770. 



Da Gotzkowsky wegen seiner sonstigen Beschäftigung 
häufig von Berlin abwesend sein mußte, übertrug er die 
Leitung der Fabrik dem sächsischen Kommissionsrat J. G. 
Grieninger, der dieses Amt bis zu seinem im Jahre 1798 
erfolgten Tode bekleidete. Grieninger hat eine sorgfältige 
Aufzeichnung der Geschichte der Manufaktur während seiner 
Direktion hinterlassen. 

Nach Überwindung von mancherlei Schwierigkeiten ge- 
lang es, gutes Porzellan herzustellen, und schon im folgenden 
Jahre (1762) konnte Gotzkowsky dem Könige in Leipzig 
einige von Böhme bemalte Tassen und größere Stücke vor- 
führen. Indessen schon bald geriet er in Zahlungsschwierig- 
keiten, so daß der König ihm 1763 die Fabrik für 225000 



Berlin 



125 



Taler abkaufen mußte. Ein Personal von 146 Köpfen wurde 
übernommen, ebenso 30000 rohe und verglühte Geschirre, 
10 000 weiße, 4866 bemalte Porzellane, darunter Etuis, 
Flacons, Uhrgehäuse, Stock- und Degengriffe, Dosen, 
Figuren und Gruppen, außerdem 133 Modelle: Schäferkinder 
und Tiere. 

Am II. September erschien der König persönlich in 
der Fabrik und besichtigte sie eingehend. In dem Brenn- 
gewölbe zeichnete er die Umrisse eines meißnerischen Ver- 
glühofens in die Schreibtafel Grieningers, der ihn führte, 
an anderen Orten stellte er Vergleiche mit Meißen an und 




Abb. 87. Geschirr mit „NeuzierBt". Berlin um 1770. 



erkundigte sich, weshalb es anders sei wie dort. Auch in 
der folgenden Zeit bewahrte der König das größte Interesse 
für die Fabrik, er ließ sich regelmäßig ihre neuesten Er- 
zeugnisse vorlegen, auch für bauliche Erweiterung trug 
er Sorge. Um die Manufaktur möglichst zu heben, ge- 
währte er ihr eine Reihe von Vergünstigungen. Sie erhielt 
zunächst das Monopol der Fabrikation und des Verkaufs 
in Preußen, der jährliche Bedarf an Brennholz wurde ihr 
unentgeltlich aus dem Köpenicker, später aus dem Rüders- 
dorfer Forst angewiesen. Ferner hatte sie auf allen ihren 
Bedürfnissen Zollfreiheit, sie besaß eigene Gerichtsbarkeit, 
sowie das Recht, ihr eigenes Siegel mit einem Adler und 



126 



Berlin 



Zepter zu führen. Das Zepter wurde auch, in Unterglasur- 
blau gemalt, die Marke des Porzellans. Nach einem Befehl 
des Königs von 1769 mußten alle Juden, wenn sie die Er- 
laubnis zur Eheschließung, Errichtung eines Gewerbes, Er- 




Abb. 88. Vase mit „Mosaique". Berlin um 1770. 



werb eines Grundstücks usw. erhalten wollten, für eine 
bestimmte Summe (durchschnittlich 300 Taler) Porzellan 
von der Königlichen Manufaktur entnehmen, mit der Ver- 
pflichtung, dasselbe im Auslande abzusetzen. Ebenso mußte 
die Lotteriepachtsozietät jährlich für 6000 Taler Porzellan 



Berlin 



127 



kaufen. Erst nach dem Tode Friedrichs wurden diese 
beiden, drückenden Zwangsmaßregeln aufgehoben. 

Friedrich der Große hatte selbst die Rolle eines obersten 
Departementchefs übernommen, ließ sich jeden Monat einen 
summarischen Kassenbericht erstatten und verfolgte wach- 
samen Auges die weitere Entwicklung der Fabrik. Er 
sorgte für die Verbesserung der Masse, betrieb mit dem 
größten Eifer die Erweiterungsbauten, die allerdings infolge 
seines Treibens so hastig aufgeführt wurden, daß 1766 ein 
Teil wieder einstürzte. Selbstverständlich ließ er es auch 
an großen Aufträgen nicht fehlen. So konnte denn, Dank 
seiner Fürsorge, in den Jahren seiner Regierung ein Über- 
schuß von einer halben Million Taler an die Königliche 
Kasse abgeführt werden. 




Abb. 89. Geschirr mit „NeuzierBt". Berlin um 1770. 



Die Masse, die in den ersten Jahrzehnten benutzt wurde, 
war von einer graugelblichen Farbe; es war Passauer Erde, 
die man dazu nahm, bis im Jahre 1771 bei dem Dorfe 
Brachwitz in der Nähe von Halle ein vorzügliches Kaolin 
gefunden wurde, mit dem man eine Masse von schöner 
weißer Farbe, von mildem weichen Ton herstellen konnte. 
Später fand man in der ganzen Gegend (Beidersee, Senne- 
witz) reiche Kaolinlager, aus denen noch heute die Berliner 
Manufaktur ihre Porzellanerde bezieht. Seit etwa 1780 
wurde eine Masse hergestellt von vorzüglicher Härte und 
Festigkeit und kaltem, ein wenig bläulichem Ton. 

Die noch unter Gotzkowsky hergestellten Porzellane, wie 
die Kaffeekanne (Abb. 82), sind mit einem G bezeichnet. 
Ist das G unter der Glasur gemalt, so ergibt sich, wie bei 



128 Berlin 

der Ranne, nur für die Herstellung der Form, nicht der 
Bemalung, die Zeit der Gotzkowskyschen Manufaktur. Die 
Form der Kanne lehnt sich an die der Meißener Kanne 
(Abb. 6i) an. Die Veränderungen, die man vorgenommen. 




Abb. 90. Vase. Berlin um 1775. 



betreffen nur den Henkel und den Ausguß, dessen Form, 
eine weibliche Maske mit Tuchbehang, die äußere Er- 
scheinung des Gefäßes wesentlich beeinflußt. Auch die 
Form des 3 -förmigen Henkels ist beibehalten, nur hat er 
sich in einen entsprechend gekrümmten Zweig verwandelt, 



Berlin 



129 



dessen Blätter am Körper der Kanne anliegen. Die Masse 
ist noch sehr unvollkommen, sie zeigt eine graue Farbe 
und ist mit schwarzen Pünktchen besät. Die Blumen- 
malerei ist ganz meißnerisch. Ein sicher unter Gotzkowsky 
bemaltes Frühstückservice befindet sich im Nationalmuseum 
zu Stockholm, es zeigt* das G sowohl in Unter- wie Über- 
glasurblau und Schwarz. Es ist in feinster Purpurmalerei 
mit Landschaften, Schäfern, Bauern, Jagden usw. dekoriert, 
die unten ähnlich von Goldrocaillen mit bunten Blumen- 
gehängen eingerahmt sind, wie die beiden Meißener Tassen 
mit purpurfarbenen Jagdbildern im Schrank 428. 

Der enge Zusammen- 
hang mit der Meißener 
Manufaktur bringt es mit 
sich, daß viele der dort 
geübten Dekorationen 
auch in Berlin wieder- 
kehren: das »Ordinair 
Osier« und »Neu Osler«, 
» Brandenstein « und 
»Ne.ubrandenstein«. Das 
Osiermuster wird va- 
riiert, indem es ganz 
flach gehalten und bunt 
(gelb, blaßlila) getönt 
ist; über diesen Grund 
legen sich kleine gol- 
dene Zweige, oder es 
faßt ihn ein Purpurstab 
ein, der von einem gol- 
denen Band umwunden 
und mit bunten Blumen 
und Blättern besetzt ist. 
» Gotzkowsky erhabene 

Blumen « führen in Berlin den Namen Floramuster (vgl. den 
Teller in Schrank 417). Nach der Meißener Bezeichnung 
könnte es eine Erfindung der Gotzkowskyschen Fabrik sein. 

Daneben aber treten neue reizvolle Muster auf, die der 
Berliner Manufaktur den Ruhm, die schönsten Geschirr- 
dekorationen geschaffen zu haben, erwarben. 

Schon unter Gotzkowsky wurde der » Reliefzierath « 
erfunden, der zu den anmutigsten Geschirrornamenten über- 
haupt gehört. In reizvoller Weise ergänzen sich hier Plastik 
und Malerei, indem die aus dem Grunde sich heraus- 
lösenden Reliefrocaillen die Fläche zierlich teilen und zu- 
gleich eine Art von Rahmen für die zwischen dieselben ge- 
fügten Malereien geben. Zur Ausfüllung der an den Rändern 

Brüning, Porzellan. 9 




Abb. 91. Tasse mii „Mosaique". Berlin um 1770. 



I30 



Berlin 



entstehenden Zwickel erscheinen beim Reliefzierat entweder 
einfache Stäbe, wie bei der Tabakbüchse (Abb. 83), oder 
Schuppenmuster, wie bei dem Teller aus dem Service des 
neuen Palais, bei dem goldene Schuppenmuster einen blaß- 
roten Grund überspannen. Bei diesem Geschirr tritt zu 
dem Relief Zierat noch ein Spalier • mit Blumenranken in 
flachem Relief auf, daß zur Ausfüllung dreier Randfelder 
benutzt wird. Vielfach breitet sich dieses Spalier auch 
über die ganze Fläche der Gefäße aus und läßt nur einige, 
von dünnen Reliefrocaillen umrahmte Felder frei; vgl. die 
Taufschüssel nebst Kanne mit dem Wappen der Grafen 
von Schwerin und Herren von Röhr (Schrank 417). 




Abb. 92. Dessertschassel mii „Antikzierat". Berlin um 1770. 

Auch beim »Neuzierath«, der ebenfalls schon um 1763 
geschaffen zu sein scheint, verlieren die beim Reliefzierat 
noch stark plastisch hervortretenden Rocaillen sich mehr 
in der Fläche. Als Randmuster erscheinen hier zumeist 
Schuppenmuster, die in die Fläche hineinstoßenden Rocaillen- 
zacken finden eine Fortsetzung in einigen dünnen geraden 
Zweigen (Abb. 87). Die Formen dieses Geschirres sind 
ebenfalls aus der Meißener Kanne mit ö förmigem Henkel 
abgeleitet. 

Der » Antikzierath « zeigt eine besondere Form: die 
den Rand bildenden dünnen Rundstäbe sind von einem 
Band umschlungen, an vier Stellen legen sich längliche 



Berlin 



131 



Felder von Schuppenmuster an, deren innere Begrenzung 
von Rokokoschnörkeln, die von goldenen Blumen umschlungen 
sind, gebildet wird (Abb. 86). Der Rand des Dessertservices 
ist beim »Antikzierath« gitterartig durchbrochen, auf die 
Kreuzungspunkte des Gitters sind kleine Blüten aufgesetzt 
(Abb. 92). 

Beim »neuglatten Muster« ist der Rand leicht muschel- 
artig geriffelt und mit dürftigen Rocaillen versehen. Beim 
»königsglatten Muster« löst sich der äußere Rand in kleine, 
durch Rosetten verbundene offene Ovale auf. Besonders 
reich ist der Rand der Dessertteller dieses Musters gebildet, 
indem über eine fortlaufende Reihe offener, außen gezackter, 
größerer Ovale gekreuzte Palmzweige gelegt sind (Abb. 96). 
Verhältnismäßig spät kommt das sogenannte »Kurländer 
Muster« dazu, bei dem plastische Tuchgehänge den Rand 
zieren (Abb. 98). 

Der Ruhm der Berliner Porzellanmaler ist die Blumen- 
malerei. In den frühesten Arbeiten ist die Malerei breit, 
flächig, zerflatternd, die Blütenblätter sind leicht hingetupft. 
In impressionistischer Manier wird nur der farbige Eindruck 
der Blumen in lockeren Farbflächen hingesetzt, eine genaue 
Zeichnung der Umrisse und Aderung der Blätter, der Sil- 
houette der einzelnen Blumen wird nicht versucht. Vielfach 
erscheinen die Blumen in dem Zustande dargestellt, der 
zwischen der vollendeten Blüte und dem Welken liegt, wenn 
die geschlossene Form der Blüte sich allmählich auflöst und 
die Blätter schon auseinander zu fallen beginnen. Die Farb- 
gebung ist weich und blaß, der Zusammenhang mit der 
Meißener Blumenmalerei deutlich zu erkennen. In reicher 
Ausbirdung erscheint diese Art von Blumenmalerei auf dem 
Speiseservice für das neue Palais, das um 1765 gearbeitet 
worden ist. Der Markgraf von Ansbach erhielt ein ähn- 
liches Service, das sich nur dadurch unterscheidet, daß es 
statt des goldenen Schuppenmusters auf blaßrotem Grunde 
grüne Zwickel zeigt (siehe die Anbietplatte und einen 
Teller des Dessertservices im Schrank 418). Das Service 
wurde nachher in der Ansbacher Porzellanmanufaktur er- 
gänzt (Schrank 452). Für den Fürsten von Lichtenstein 
wurde ein ebenfalls mit Reliefzierat dekoriertes Service 
hergestellt, bei dem auf dem Rande das Wappen des 
Fürsten erhaben dargestellt ist. 

Die Erfindung eines schönen Purpurrots führte dann 
zu ganz neuen Farbenharmonien kräftiger und leuchtender 
Töne, die in dem für das Schloß zu Breslau ausgeführten 
Speiseservice in besonderer Schönheit sich offenbaren. Einige 
Stücke desselben besitzt das Museum (Schrank 417). Der 
größte Teil ist im Hohenzollernmuseum ausgestellt. Grie- 

9* 

M I 



132 



Berlin 



ninger erwähnt anscheinend zuerst im Jahre 1768 diese Farbe, 
als er dem Könige die beiden Spiegelrahmen für das neue 
Palais, die dem Maßstabe nach größten Arbeiten der Manu- 
faktur, überbringt; sie waren aus einer neuen Masse her- 
gestellt und sind unbemalt. Grieninger überreichte bei dieser 
Gelegenheit etliche mit »couleur de rose, des Königs Favorit- 
Farbe« bemalte und vorzüglich gutgeratene Stücke. In 
seinem Berichte über die Ereignisse des folgenden Jahres 
erzählt er dann, der König habe befohlen, der Kurfürstin 
von Sachsen, die das Warenlager besucht hatte, unter anderem 
» ein paar Tassen mit Landschaften von der schönen Rosen- 
farbe, die bei der Meißener Manufaktur noch ganz unbekannt 
war, als Muster von der Berliner neuen Porzellanmanufaktur 
zu überreichen«. Da aber gerade jene Purpurfarbe auf der 
Meißener Palette in jener Zeit noch nicht erscheint, so darf 
man dieselbe in Grieningers Rosenfarbe suchen. 

Mit den veränderten Farben verändert sich auch die 
Zeichnung der Blumen. Man bemüht sich das Naturvorbild 
genauer wiederzugeben, ohne jedoch in ängstliche Kopie 
zu verfallen. Die Malerei ist noch immer breit und flächig. 
Die Blumen werden in natürlicher Größe dargestellt, es ist 
den Malern gelungen, sie in all ihrer Farbenglut und duftigen 
Zartheit wiederzugeben, die sie in der Natur im Zustande 
der entwickelten Blüte besitzen. Diese Malereien sind es 
offenbar, von denen Grieninger spricht, wenn er am Schluß 
seines Berichtes über das Jahr 177 1 ausführt: »Die Blumen- 
malerei auf den Berliner Porzellanen, sagen alle Kenner, 
die Sachsen selbst, ist die schönste, die man jemals gesehen 
hat. Der Grund zu diesem Lobe liegt wohl hauptsächlich 
darinnen, weil die Maler hauptsächlich angehalten werden, 
die schöne Natur nach aller Möglichkeit auf das Genaueste 
zu kopieren. Drei derselben: Schulze, Pfürzel und Raschke, 
die bei der Manufaktur das Malen unter der Aufsicht des 
Clauce sen. und des Hofmalers Böhme erlernt haben, zeichnen 
sich durch ihre Geschicklichkeit ganz besonders aus, und 
ihre Kopieen sind vortrefflich. « Grieninger sagt nicht zuviel, 
es ist in der Tat wohl das Vollendetste, was die Porzellan- 
kunst an Blumenmalerei geschaffen hat. Verwandt mit der 
Malerei des Breslauer Services sind die Dekorationen der 
beiden Vasen in den Abb. 88 und 90, deren beider Form auf 
ein chinesisches Modell zurückgeht. 

In späteren Jahren wird allerdings dieses Abschreiben 
der Natur allmählich ängstlich und tüftelig, statt der breiten 
malerischen Auffassung tritt die korrekte, trockene, botanische 
Zeichnung der Blätter und Blüten in der ihr eigenen 
Struktur. Alle diese Stadien der Entwicklung, von der 
duftigen, leichten, fast verfließenden Malerei der Frühzeit 



Berlin 



133 



bis zur harten, zeichnerischen Manier um die Wende des 
18. Jahrhunderts, lassen sich an den Porzellanen der Samm- 
lung im einzelnen verfolgen. Wie in Meißen werden auch 
hier dann die Blumen zu Monogrammen verbunden. 

Neben den großen Blumen erscheinen in Begleitung des 
»Relief-«, des »Neu-« und » Antikzierath « kleine Blumen- 
gehänge, die — eine spezifisch Berlinische Eigentümlichkeit 
— zum Teil gerissen sind, so daß die beiden Enden wie 
abgeschnitten in der Fläche hängen. Beim Service des 
Neuen Palais (Abb. 84) wechselt jedesmal eine ganze Guir- 
lande mit einer gesprengten, während beim Breslauer Service 
die zwischen dem Schup- 
penmuster aufgehäng- 
ten Guirlanden gerissen 
sind. Durch dieses Sprin- 
gen der Blumen über 
einen leeren Raum ge- 
winnt die Komposition 
einen besondern leich- 
ten Rhythmus. Später 
werden die Guirlanden 
fein säuberlich in regel- 
mäßigen Abständen auf- 
gehängt. 

Eine ähnliche Ent- 
wicklung wie bei der 
Blumenmalerei läßt sich 
bei den seltener und 
vielfach zusammen mit 
den Blumen auftretenden 
Fruchtmalereien beob- 
achten. 

Sowohl für die Blu- 
men- und Fruchtstücke 

wie auch für figürliche Darstellungen ist in Berlin neben der 
bunten auch die einfarbige Malerei sehr beliebt, besonders 
die eisenrote und purpurfarbene, seltener kommt schwarze, 
überglasurblaue und blaßgrüne vor. Zu den einfarbigen 
Malereien gesellen sich häufig in schön klingendem Akkord 
ein oder zwei Farben des Randdekors oder des Beiwerks zu, 
wie bei dem Service in der Abb. 87, dessen purpurfarbene 
Watteaubilder von dem Gold und Grün des Schuppenmusters 
und der Streublumen begleitet werden. Gerade in der feinen 
Abstimmung weniger Farbtöne zeigen die Berliner Maler ihre 
Meisterschaft. 

Watteaufiguren gehören zu den wichtigsten Requi- 
siten der Geschirrdekorateure. Die Berliner Maler nehmen 




Abb. 93. Milchkanne. Berlin um 1775. 



134 



Berlin 



zumeist die Stiche nach Watteau als Vorlage, aus denen sie 
dann mit vielem Geschmack und sicherem Raumsinn sich 
ihre Themata wählen. In der Regel sind es Gruppen von zwei 
bis vier. Figuren, die sie dem Stich entlehnen, nicht selten aber 




Abb. 94. Uhr. Berlin um 1770. 



auch nur einzelne Gestalten, die dann freilich ziemlich heraus- 
gerissen und beziehungslos erscheinen, wie das Mädchen auf 
der Milchkanne (Abb. 93), das dem Stiche von G. Scotin nach 
Watteaus »La serenade italienne« entnommen ist (Schrank 416). 



Berlin 



135 



Das lauschende Hinneigen des Kopfes ist in der isolierten 
Figur nicht mehr verständlich. Die Einfügung des Bildes in 
das Oval des Goldrahmens ist dagegen wieder bewunderns- 
wert gefällig. Die Zeichnung der Watteaufiguren ist oft 
außerordentlich zart und vollendet, wie sie in Meißen nur 




Abb. 95. Vase. Berlin um 1770. 

selten erscheint. Die einfarbige Malerei in Purpur- und 
Eisenrot ist besonders beliebt. 

Eine Spezialität Berlins sind sodann die Puttenmalereien 
in der Art Bouchers, sowohl einfarbige wie bunte. Besonders 
fein sind die in Grisaille gemalten musizierenden Putten 



136 Berlin 

auf blaßgelbem Grunde auf der Vase im Schrank 416. In 
bunter Malerei pflegen die Putten mit farbigen, flatternden 
Tüchern ausgestattet zu sein, wie auf der Teebüchse im 
Schrank 421. Auch die Vogelmalerei wird in Berlin geübt, 
ein hervorragendes Beispiel dieser Art bietet eine Kaffee- 
kanne im Schrank 416. Daß auch die » Bataillenmalerei « 
in Berlin Pflege fand, darf bei den kriegerischen Erfolgen 
Friedrichs des Großen nicht wundernehmen. Er beschenkte 
gern seine Generäle mit derartig dekorierten Porzellanen. 
Grieninger erzählt, daß der König im Dezember 1773 mit 
dem Generalmajor von Kossow im Hauptwarenlager der 
Manufaktur erschienen sei, eine vom General bestellte 
Tabati^re sich angesehen und darauf aufmerksam gemacht 
habe, »wie tapfer der Maler die schwarzen Husaren und 
Bosniaken auf die Feinde habe einhauen lassen«. Auch 
auf dem Dessertservice, das der König 1772 der Kaiserin 
Katharina schenkte, waren von Borrmann Szenen aus dem 
Kriege zwischen den Russen und Türken dargestellt. Viel- " 
leicht zu einem Geschenke des Königs an den Großfürsten 
Paul, der 1776 die Manufaktur besuchte, wird die große 
ovale Dessertschüssel gehört haben, auf der der Seesieg der 
Russen bei Chios und die Vernichtung der türkischen Flotte 
im Hafen von Tschesme (1770) verherrlicht wird. Dem Groß- 
fürsten gegenüber, der von Minerva begleitet wird, scheint 
der Admiral Alexei Orlow dargestellt zu sein (Schrank 417, 
Abb. 92). 

Auch die Mythologie fand Platz auf dem Berliner 
Geschirr. Der König legte besonderen Wert auf die sach- 
liche Korrektheit der Darstellungen. Bei seinem letzten 
Besuche in der Manufaktur im Jahre 1785 sprach er den 
Malern seinen Unwillen darüber aus, daß sie die Mythologie 
so wenig studiert hätten; ein von ihm bestelltes Service 
mit Gemälden aus den ovidischen Verwandlungen war 
nämlich nicht zu seiner Zufriedenheit ausgefallen. Ein 
Süppennapf in der Sammlung der Königlichen Porzellan- 
manufaktur in Berlin zeigt Bilder dieser Art in vollendeter 
Purpurmalerei. Es sind getreue Kopien von Stichen aus 
dem Werke: » M^tamorphoses d'Ovide, Grav^es sur les 
desseins de meilleurs peintres frangais. Par les soins de 
S" le Mire et Basan, Graveurs, Paris 1767 — 1761«. 

Überhaupt bedienten sich die Berliner Maler der Kupfer- 
stiche sehr eifrig. Noch jetzt haben sich in der Manufaktur 
die damals gebrauchten Stiche erhalten. Sie sind zum 
Teil auf große Pappen aufgezogen, und zwar so, daß in 
der Regel ein größerer Stich von mehreren kleineren Stichen 
umgeben ist. Für ein Speiseservice mit Chinesenmalereien 
in ziemlich großem Maßstabe sind Stiche von Huquier 



Berlin 137 

u. a. nach Boucher benutzt, als Randmuster zeigt das Ser- 
vice einen ähnlichen Randdekor wie die Vase in der 
Abb. 90: auf gelbem Grunde goldumrahmte Kreise mit 
Blumensträußen. Ein Frühstückservice im Hamburgischen 
Museum ist mit Szenen aus Lessings » Minna von Barnhelm « 
nach Stichen von Chodowiecki (177 1) bemalt. 

Ein ähnlicher Fall wie in Meißen, daß einer der 
führenden Maler seine Entwürfe als Vorlagen für seine 
Genossen radiert, findet sich auch in Berlin. Es ist der 
Landschaftsmaler Karl Wilhelm Böhme, der 1763 von Meißen 




Abb. 96. Dessertteller. Königsglattes Muster Berlin um 1780. 

nach Berlin kam. In der Bibliothek der Porzellanmanufaktur 
befinden sich unter den auf Pappe aufgeklebten Stichen 
auch einige Radierungen von Böhme mit der Jahreszahl 1744. 
Eine Anbietplatte im Besitze des Herrn Dr. v. Daliwitz zeigt 
eine Landschaft, bei der mit einigen, durch das Oval der 
Bildfläche gebotenen zweckmäßigen Änderungen eine Ra- 
dierung von Böhme aus dem Jahre 1765 benutzt ist. 

Das Mosaik wird zumeist in der Form von Schuppen- 
mustern von Meißen übernommen, zunächst ganz in der 
Art, wie es dort verwandt wurde, von goldenen oder 



138 



Berlin 



bunten Rocaillen eingefaßt, wie bei dem Frühstückservice 
für das Schloß Charlottenburg mit blaßrotem Schuppen- 
muster und eisenroten indianisierenden Blumen. Dann aber 
bilden sich eigene, für Berlin charakteristische Formen heraus, 
wie bei der Tasse mit Affen im Geschmack Huets (Abb. 91), 
bei der das Schuppenmuster von einer geraden Goldlinie 
begrenzt wird, die in bestimmten Abständen in unregelmäßig 
geschweifte Zacken ausladet. Eine andere Form des Rand- 




Abb. 97. Vase. Berlin um 1780. 



Schmucks zeigt kleine runde oder längliche Felder von 
Schuppenmustern, verbunden durch goldenes Gitterwerk und 
Rocaillen. 

Zu gleicher Zeit wie in Meißen und Wien macht sich 
auch in Berlin der Einfluß von S^vres geltend. Friedrich 
der Große hatte sogar die Absicht, direkte Nachahmungen 
von S^vres-Porzellanen für den Pariser Markt herstellen zu 
lassen. Durch seinen Agenten Mettra ließ er 1766 für 



Berlin 



139 



343 Livres Proben der gangbarsten Muster aus Paris kommen. 
Die mit dem Porträt der Prinzessin Friederike von Hessen- 
Darmstadt geschmückte Tasse, deren Henkel die Form 
zweier verschlungenen Zweige hat, ist ein S^vres-Modell. 
Auch der Dekor der Vase im Schrank 416 mit stumpfen, 
blauen Fonds ist offenbar auf französischen Einfluß zurück- 
zuführen. 

Die antikisierende Bewegung schlug auch in Berlin 
lebhafte Wellen. Es wurden in den letzten Jahrzehnten des 
Jahrhunderts zahlreiche neue Formen geschaffen, die man 
wohl als Eigentum der Berliner Manufaktur bezeichnen kann, 
wie die urnenförmige Vase in der Abb. 97 und die mit dem 
Porträt Friedrich Wilhelms II. ausgestattete kannelierte 




Abb. 98. Zuckerdose und Tasse. Kurländer Muster. Berlin um 1780. 

eiförmige Vase, deren Vergoldung durch Radierung belebt 
ist (Abb. 99). In dem schon erwähnten »Kurländermuster« 
wird eine dem Zeitgeschmack entsprechende Serviceform 
geschaffen (Abb. 98). Bei einem Speiseservice, das Friedrich 
Wilhelm II. (1786 — 1797) für die Pfaueninsel anfertigen und 
mit Vögeln und Schmetterlingen dekorieren ließ, zeigen 
die Durchbrechungen der Dessertteller schon gotische Spitz- 
bogenformen. 

Noch breiter und mannigfaltiger entwickelt sich der 
strengere, dem französischen Empire entsprechende Klassi- 
zismus, der durch Schinkel in Berlin bis in die dreißiger 
Jahre des 19. Jahrhunderts hinein lebensfähig erhalten wurde. 
In den Arbeiten der Manufaktur jener Zeit kreuzen sich Ein- 
flüsse von S^vres und Wien mit direkt aus der Antike bzw. der 



I40 



Berlin 



italienischen Renaissance abgeleiteten Motiven, Anklängen 
an die ägyptische Kunst, Anregungen von Wedgwood usw. 
Die Oberfläche der Gefäße wird fast ganz von farbigen 
Fonds, sowohl durchsichtigen wie stumpfen, biskuitartigen 
Tönen überzogen. So zeigt die in der Abb. loo dargestellte 
Kanne eine tiefschwarze Glasur, auf die ein feinradierter 
goldener Lorbeerkranz gemalt ist, während den creame- 
farbigen Hals eine zierliche Goldranke schmückt. Die 
Zylindertasse daneben zeigt einen stumpfen, gelben Grund, 
auf dem Rande in weißem Biskuit Greife und Vasen auf 
grünschwarzem Grunde. Bei der glockenförmigen Tasse 
stehen die Goldranken auf blauem, mattem Grunde. Innen 
werden die Tassen in der Regel reich vergoldet. Mit Vor- 
liebe ahmte man Marmor und Edelsteine nach, auch 
Mosaiken, wie auf der Tasse mit ockergelbem Grunde im 
Schrank 415. 

Ebenso wie in Meißen weisen die Bilder der Porzellane, 
insbesondere der Tassen, die gern als Geschenke gekauft 
wurden, persönliche Beziehungen auf den einstigen Besitzer 
auf, die sich in einer Silhouette, einem Monogramm oder 
auch in einer dem Besitzer allein verständlichen Andeutung 
aussprechen. Auch Illustrationen zu Romanen, Opern usw. 
kommen vor. 

Die Plastik Berlins kommt an Bedeutung weder der 
Meißens noch auch der der süddeutschen Manufakturen 
gleich. In den älteren Arbeiten, z. B. dem Tintenfaß mit Mer- 
kur, dem Amor eine Liebesbotschaft überbringt (Schrank 418), 
klingt noch Meißener Formempfinden nach. Auch die Be- 
malung erinnert noch vielfach an die der Meißener Figuren. 
Dann aber treten die Berliner Modelleure ganz unter den 
Einfluß der französischen Bildhauer, die Friedrich der Große 
nach Berlin berufen bzw. deren Werke er angekai^ft hatte. 

Das Hauptwerk der Berliner Porzellanplastik, der große 
Dessertaufsatz der Kaiserin Katharina im Winterpalais in 
St. Petersburg, zeigt diesen Einfluß aufs deutlichste. 

In der Mitte des Aufsatzes thront die Kaiserin unter 
einem Baldachin, umgeben von den Figuren des Mars, 
der Minerva, des Herkules, der Bellona und der Fama; 
vor ihr steht die Themis mit dem von der Kaiserin neu 
herausgegebenen Gesetzbuch. Sie selbst war nicht wie 
auf der farbigen Wiederholung, die im Saal 30 ausge- 
stellt ist, bemalt, sondern in weißem Biskuit gebildet. Sie 
sollte nur als ein in Marmor gebildetes Denkmal wirken. 
Um den Thron scharen sich vier Gruppen der verschiedenen 
Stände des russischen Volkes, darunter auch der knieende 
Kavalier (Abb. 103). Ferner gehören noch zum Aufsatz 
12 Trophäen mit gefangenen Türken, 24 einzelne Figuren: 



Berlin 



141 



Russen, Kosaken, Tartaren, Kalmücken, Polen usw., die 
Vertreter der verschiedenen Völkerschaften des russischen 
Reiches, endlich 14 Gruppen, die Künste und dergl. dar- 
stellend. Eine alte Zeichnung im Besitz der Manufaktur 
gibt eine Vorstellung von der ursprünglichen Aufstellung 




Abb. 99. Vase mit dem PortrSt Friedrich Wilhelms 11. Berlin um 1790. 



des Tafelaufsatzes. Danach waren die Figuren auf einer 
breiten, über die Tafel sich hinziehenden Zone innerhalb 
einer parkartigen Anlage aufgestellt; die durchbrochenen 
Körbe und Schalen des Services standen daneben. Das 
Ganze war also eine Verherrlichung der Kaiserin als der 



142 



Berlin 



Herrscherin eines so machtvollen Reiches, ihrer Regenten- 
tugenden, ihrer kriegerischen Erfolge. Im April 1772 wurde 
das Service fertiggestellt. Bevor man dasselbe nach St. Peters- 
burg abschickte, wurde es 14 Tage lang unter großem Zulauf 
des Publikums öffentlich ausgestellt. Friedrich der Große 
hatte es nach seinen Angaben herstellen lassen, um der 
Kaiserin eine besondere Aufmerksamkeit zu erweisen. 
Preußen unterhielt damals gerade sehr enge Beziehungen 
zu Rußland. Schon 1770 hatte der König seinen Bruder, 
den Prinzen Heinrich, nach Petersburg geschickt, um die 
Interessen Preußens dort zu vertreten. Die Verhandlungen 
führten zur Teilung Polens. Am 5. August 1772 wurde der 




Abb. 100. Geschirr. Berlin Anfang 19. Jahrh. 



Vertrag unterzeichnet, wahrscheinlich hat die Schenkung 
des Services in Verbindung mit diesen politischen Ereig- 
nissen gestanden. 

Als Modelleur der Figuren des Tafelaufsatzes kommt 
vor allem der Modellmeister Friedrich Elias Meyer in Be- 
tracht, der von 1761 — 1785 in der Manufaktur tätig war. 
Nach Denina (La Prusse litt^raire sous Fr^deric IL Berlin 
1790 III, S. 30 ff.) wurde Meyer 1723 in Erfurt als Sohn 
eines Bildhauers geboren. In Gotha, wohin sein Vater 
berufen wurde, habe sich der Herzog von Sachsen -Gotha 
für ihn interessiert und ihn nach Berlin geschickt, um sich 
unter Adam zu vervollkommnen. Damit stimmt freilich 
nicht das Datum seiner Übersiedelung nach Meißen, als 
das das Jahr 1745 von Nicolai angegeben wird, denn 



Berlin 



143 



Frangois Gaspard Adam lebte von 1747 — 1759 ^^ Berlin. 
Als »Premier sculpteur du roi« schmückte er Sanssouci 
mit einer größeren Anzahl Statuen, die teils im Speisesaal, 
teils auf der Terrasse und an der großen Fontäne aufgestellt 
sind. Im Grottenhaus am Lustgarten, an der Stelle der 
alten Börse, leitete er ein Bildhaueratelier, das die Schule 
für die Berliner Plastik werden sollte. Nach ihm übernahm 
sein Neffe, Sigis- 
bert Michel, der 
Bruder Clodions, 
von i764bisi77o 
das Atelier. Von 
ihm wissen wir, 
daß er auch auf 
dem Gebiete der 
Kleinplastik tätig 
war und Porzel- 
langruppen ge- 
schaffen hat. 

Ein Vergleich 
der Arbeiten 
Gaspard Adams 
mit den Figuren 
des Dessertservi- 
ces bestätigt nun 
in der Tat einen 
Schulzusammen - 
hang [zwischen 
den französischen 
Bildhauern und 
den Modelleuren 
der Porzellan- 
figuren. Hier wie 
dort finden wir 
jene äußerliche 
Eleganz und for- 
male Glätte, jene 
gespreizten, von 
hohlem Pathos 

geblähten Gebärden, einen gewissen rhetorischen, phrasen- 
haften Stil, der bis zum Überdruß geläufige Positionen wieder- 
holt. Die Bewegungen sind gesucht und geschraubt, das damals 
übliche Komponieren mit Kontrasten erscheint in der höchsten 
Übertreibung. Von Einzelheiten sind besonders zu be- 
achten : die pathetischen Handbewegungen, das Hochziehen 
eines Knies bei sitzenden Figuren, das Ȇber die Schulter 
schauen«, die Gruppenbildung aus einer stehenden und 




Abb. 101. Madchen (Herbst). Berlin um 1765. 



144 



Berlin 



einer sitzenden Figur, Merkmale, die den Potsdamer Skulp- 
turen und den Figuren des Tafelaufsatzes ebenso wie zahl- 
reichen anderen Arbeiten der Porzellanmanufaktur gemein- 
sam sind. Die aus dem Motiv durchaus nicht zu ver- 
stehende Haltung der Fama am Thron ist z. B. beeinflußt 
durch die Gruppe: »Retour de la chasse« an der großen 
Fontäne in Sanssouci, die zugleich mit der Gruppe »P6che 




Abb. 102. Grieninger im Kreise seiner Familie. Berlin 1765. 

dans la mer« von der Hand des älteren Bruders des Frangois 
Gaspard, des Lambert Sigisbert Adam, stammt. Sie wurden 
zugleich mit der Venus und dem Merkur von Pigalle 
Friedrich dem Großen von Ludwig XV. zum Geschenke 
gemacht. Die Haltung der stehenden Nymphe in der 
»Retour de la chasse« ist bei der Fama im Gegensinne 
wiederholt. 



Berlin 



145 



Dieselbe Verwandtschaft mit den Arbeiten der Adam 
zeigen' mehr oder minder alle Berliner Figuren, man ver- 
gleiche nur die Gestalten der Venus, der Justitia, des 
Glaubens, des Handels usw. im Schrank 420. Der Merkur 
in demselben Schrank ist eine Kopie des Merkur von 
Pigalle im Treppenhaus des Kaiser Friedrich - Museums, 
auch das ebendort befindliche Gegenstück, die Venus, 
kommt im Porzellan vor. Es entsprach diese Bedeutung 
der französischen 
Skulptur für die 
Manufaktur der 
hohen Meinung, 
die Friedrich der 
Große von ihr 
hatte. Auch Grie- 
ninger teilte diese 
Ansicht, spricht 
er doch auch von 
ihren Werken in 
Potsdam als von 
den Arbeiten der 
jgrößten Meister*. 
Vielleicht hängt 
mit diesem fran- 
zösischen Einfluß 
auch das Über- 
wiegen des My- 
thologischen und 
Allegorischen in 
der Plastik Ber- 
lins zusammen. 
Figuren im Zeit- 
kostüm, wie der 
Freimaurer im 
Schrank 41 8, sind, 
abgesehen von 
Porträts, nur sel- 
ten dargestellt. 

Chinesen in der Art Bouchers kommen öfter vor, ver- 
gleiche die Abb. 106. Derartige Fruchtschalen, wie die 
dargestellte, mit Figuren als Träger, oder wie hier zur 
Belebung des Schaftes verwandt, sind in Berlin beliebt 
(siehe Schrank 421). Auch sonst werden Figuren gern zum 
Schmuck von Geräten benutzt, wie bei der Uhr, deren 
Werk der Berliner Uhrmacher Kleemeyer herstellte (Abb. 94), 
und bei den beiden Modellen des Kronleuchters mit den 
Figuren der Fama und Putten, die sich in mehrfacher Aus- 

Brüning-, Porzellan. lO 




Abb. 103. Kavalier aus dem Tafelaufsatz der Kaiserin 
Katharina. Berlin um 1770. 



14^ 



Berlin 



formung in den Schlössern zu Potsdam und Ansbach er- 
halten haben. Sie stammen aus dem Ende der sechziger 
Jahre. Eine neuere Wiederholung des einen Kronleuchters 
hängt in der Mitte des Meißener Saales. 




Abb. 104. Gruppe gefesselter TUrken aus dem Tafelaufsatz der Kaiserin Katharina. 

Berlin um 1770. 



In der ersten Zeit ist die Bemalung der Figuren, soweit 
nicht die Meißener Art gepflegt wurde, ziemlich kräftig, in 
breiten Flächen werden ein tiefes Eisenrot, Dunkelpurpur, 
Grün und andere Farben aufgetragen. Später wird die Be- 
malung flau und süßlich und läßt die ohnehin schon wenig 



Bferlin 



147 



erfreulichen Figuren nur noch reizloser erscheinen. Zur 
Musterung der Gewänder werden mit Vorliebe Punkte, Strich- 
muster und dünne magere Blumen verwandt. 

Schon seit der Mitte der siebziger Jahre kommt das 
Biskuit auf, zunächst bei Porträtbüsten und Medaillons; 
dann auch bei Figuren. Es werden zunächst die alten 
Modelle in Biskuit wiederholt, so daß dieselben Figuren 
sowohl glasiert und bemalt, wie auch unglasiert vorkom- 
men. Später verwendete man für die Plastik ausschließ- 
lich Biskuitmasse, so bei den großen Tafelaufsätzen, die 




Abb. 105. Europa. Berlin um 1775. 

um Mie Wende des Jahrhunderts geschaffen wurden. Ein 
Tafelaufsatz von 1791 stellte die Natur in ihren Kräften 
und Geheimnissen dar, es gehörten dazu außer mythologi- 
schen und allegorischen Figuren Obelisken, Tempel und 
Altäre. Auch in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts 
werden mehrere große Tafelaufsätze modelliert, darunter 
1802 »Der Berg Olympos«. Vielleicht haben zu diesem 
die im Schrank 415 ausgestellten Gruppen und Figuren 
Psyche und Zephir, Apollo und Minerva, die drei Grazien, 
Bacchus und Terpsichore gehört, die gleiche Form des 

10* 



148 



Berlin 



einen Felsboden imitierenden Sockels scheint dafür zu 
sprechen. Ein großer figurenreicher Aufsatz nebst Tafelservice 
wurde 1819 vollendet, er kostete 28452 Taler und war ein 
Geschenk Friedrich Wilhelms III. an den Herzog Wellington 
in Erinnerung an den gemeinsamen Kampf gegen Napoleon. 
Unter anderem waren die Flüsse dargestellt, die Zeugen 
der Großtaten des Herzogs gewesen. Viele der ausgestellten 




Abb. 106. Fruchischale. Berlin um 1775. 



Biskuitfiguren sind Nachbildungen von antiken Statuen der 
damaligen Kunstkammer (jetzt im Alten Museum). 

Das Beste, was die Berliner Porzellanplastik geleistet, 
liegt auf dem Gebiete des Porträts. Schon 1765 entstand 
das lebensvolle Reliefbild Grieningers und seiner Familie 
in unbemaltem glasierten Porzellan (Abb. 102). Ebenfalls 
glasiert sind die Medaillons mit den Porträts des Modell- 



Berlin 



149 



meisters Friedrich Elias Meyer und seiner Frau im Schrank 418. 
Eine bezeichnete Arbeit Meyers ist das Medaillonporträt 
der Nichte Friedrichs des Großen und Gemahlin des Erb- 
statthalters Wilhelm V. von Oranien, Friederike Sophie 
Wilhelmine, das sich in der Sammlung der Königlichen 
Porzellanmanufaktur befindet und die Bezeichnung trägt: 
»F. Meyer fecit: Berl: 1773«. Die im Jahre 1767 verheiratete 




Abb. 107. Die drei Parzen. Berlin um 1780. 



Fürstin, der eine so schicksalsschwere Zukunft beschieden 
sein sollte, besuchte 1773, wie Grieninger erzählt, die 
Manufaktur in Begleitung ihrer Oberhofmeisterin, der Frau 
von Dankelmann. Vielleicht gab dieser Besuch Anlaß zur 
Schaffung des Medaillons. Das Reliefbildnis der Groß- 
fürstin Maria Fedorowna zeigt eine ganz verwandte, dem 
Medaillenstil der damaligen Zeit entsprechende Auffassung. 
Es ist bezeichnet: »(Me)ier Berl: 1777« (Abb. 109). Wahr- 



I50 



Berlin 



scheinlich stammt auch die Büste Voltaires, die Friedrich 
der Große dem französischen Philosophen 1775 schenkte, 
von seiner Hand. 

Von J. G. Müller, dem Nachfolger Meyers als Modell- 
meister, haben sich aus den Jahren seiner kurzen Amts- 
tätigkeit (1785 — 1789) ziemlich unbedeutende Porträts von 
Friedrich dem Großen (1785), dem Prinzen Heinrich, Friedrich 
Wilhelm II. und *Gleim (1787) erhalten. Tüchtiger war 

C. F. Riese, der 
von 1789 bis 
1824 Modellmei- 
ster war. Von sei- 
ner Hand stam- 
men die beiden 
Medaillons mit 
den Porträts von 
Grieninger und 
Klipfei; sie sind 
nach dem Tode 
der beiden Dar- 
gestellten (1791 
und 1798) herge- 
stellt. Riese ver- 
fertigte auch eine 
großeGruppe,die 
jene Anekdote 
darstellt, wie 
Friedrich der 
Große einem klei- 
nen Prinzen (dem 
nachmaligen Kö- 
nig FriedrichWil- 
helm III.) den 
Federball, womit 
ihn der Kleine 
belästigte, auf 
dessen hartnäcki- 
ges Drängen mit 
den Worten zurückgibt: »Du bist ein braver Junge! — 
Dir werden sie Schlesien nicht wieder nehmen.« Die 
schlichte; natürliche Auffassung, die sich in der Gruppe 
ausspricht, zeigt schon die durch Tassaert und Schadow in 
die Berliner Plastik eingeführte neue realistische Ausdrucks- 
weise mit ihrem etwas nüchternen, aber auf das Sachliche, 
Einfache und Natürliche gerichteten Sinn, der im Gegensatz 
zu der gespreizten französischen Art wohltuend und er- 
frischend wirkt. 




Abb. 108. Triumph des Klassizismus. Berlin um 1780. 



Berlin 



151 



Wahrscheinlich ist Riese auch bei der Ausführung der 
Gruppe tätig gewesen, die sich auf die Stiftung des Fürsten- 
bundes bezieht (Schrank 415). Friedrich der Große in antiker 
Tracht hält, aufrechtstehend, einen Ring, den eine sitzende, 
zu ihm aufblickende Frauengestalt, »das Reich«, faßt. 
Hinter dem König steht Merkur und hält einen Kranz 
über sein Haupt, ein geflügelter Jüngling, »die Freiheit«, 
sitzt daneben, auf eine Sphinx gestützt. Die Gruppe ist 
nach einer Skizze, die der Kurator der Akademie der 
Künste, von Heinitz, übergeben hatte, vom Bildhauer 
Alexander Trippel modelliert worden. Trippel war der Neben- 
buhler Gottfried 
Schadows bei der 
Bewerbung um 
die durch Tas- 
saerts Tode 1788 
erledigte Stelle 
eines Hofbild- 
hauers, die Scha- 
dow erhielt. 

Das Gegen- 
stück zu dieser 
Gruppe befindet 
sich im Marmor- 
palais, es stellt 
dar Friedrich wil- 
helm II. in Ritter- 
rüstung, der Göt- 
tin Europa die 
Hand reichend ; 
der Friede, ein 
geflügelter Jüng- 
ling, übergibt Eu- 
ropa einen Palm- 
zweig. Hinter 

dem Könige sitzt die Göttin des Rechts, »die Nemesis«. 
In der bei Ernst Feilsch in Berlin im Januar 1795 er- 
schienenen Nummer der » Modengallerie « ist die Gruppe 
in zwei Ansichten abgebildet. Sie wird dort als »Alle- 
gorische Gruppe auf den Frieden Preußens mit der Repu- 
blik Frankreich, ein Seitenstück zu der Gruppe auf die 
Stiftung des Deutschen Fürstenbundes« bezeichnet und 
erwähnt, sie sei »skizziert vom Rektor und Hofbildhauer 
Schadow, vom Modelleur Schwarzkopf in Thon und vom 
ersten Modelleur und Vorsteher des Massekorps Riese in 
Biskuit ausgeführt« worden. Wahrscheinlich wird also auch 
die von Trippel modellierte Gruppe von Schadow entworfen 




Abb. 109. Porträtmedaillon 
der GroBfUrstin Maria Fedorowna. Berlin 1777. 



152 



Berlin 



und von Riese im Porzellan ausgeformt und nachgearbeitet 
worden sein. Der Preis der Gruppe betrug damals ungefähr 
75 Reichstaler. Von Schadow rührt auch die Büste der 
Königin Luise her (Schrank 415). Auch seine Gruppe der 




Abb. 110. Psyche und Zephir. Berlin um 1800. 



Königin Luise mit ihrer Schwester, der nachmaligen Königin 
von Hannover, ist in Biskuit nachgebildet (Schloß zu Sagan). 
Wie weit er sonst für die Manufaktur tätig gewesen ist, 
bleibt noch festzustellen. 



Fürstenberg. 

Die Porzellanmanufaktur zu Fürstenberg gehört zu den 
zahlreichen deutschen Fabriken des 1 8. Jahrhunderts, die 
nur fürstlicher Laune ihr Dasein verdankten, ohne daß sie 
aus den Bedürfnissen des Landes herausgewachsen und die 
nötigen Existenzbedingungen gehabt hätten. Planlos und 
einsichtslos begonnen, ein Tummelplatz frecher Abenteurer, 
gleicht sie in ihren Schicksalen vielen anderen kleineren 
Manufakturen. Stets wiederholen sich dieselben Erschei- 
nungen : kühne Erwartungen, überspannte Hoffnungen, bittere 
Enttäuschungen und allerlei Nöte und Drangsale, hervor-* 
gerufen durch die Ungunst der Verhältnisse oder die Un- 
redlichkeit der Angestellten. 

Schon 1747 werden von Karl I., Herzog von Braun- 
schweig, dessen kostspielige Liebhabereien das Land in tiefe 
Verschuldung stürzen sollten, durch einen Baireuther namens 
Johann Christian Glaser auf dem am Rande des Sollinger 
Waldes hoch über der Weser gelegenen Schlosse Fürstenberg 
Versuche, Porzellan zu fabrizieren, angestellt. Der einzige 
Vorzug, den das Schloß für ein derartiges Unternehmen 
besaß, waren die großen Waldungen, die das nötige Brenn- 
holz lieferten, sonst war es in seiner Weltabgeschiedenheit 
für die Anlage einer Porzellanfabrik so ungeeignet wie nur 
möglich. Auch erhob man Vorstellung gegen die Wahl des 
Platzes, indessen der Herzog bestand darauf, um die Kosten 
für neue Fabrikgebäude zu sparen. Nachdem mehrere Jahre 
mit Vorbereitungen hingezögert worden waren, stellte sich 
heraus, daß Glaser ein Betrüger war, der von der Porzellan- 
bereitung keine Ahnung hatte. Da gelang es dem Ober- 
jägermeister von Langen, der die Seele des ganzen Unter- 
nehmens war, im Jahre 1753 durch die Vermittlung eines 
reisenden Tonhändlers den Direktor der Höchster Porzellan- 
fabrik, Johann Benckgraff, zu gewinnen. Benckgraff übergab 
für 2000 Gulden das Arkanum und Ofenmodell, außerdem 
erhielt er für die Zeit seines Lebens freie Wohnung, Garten, 
Licht, Holz, Wildbret und 120 Gulden Gehalt, sowie den 
Titel »Herzoglich braunschweigisch- lüneburgischer Bergrat 
und Direktor der Fürstenberger Porzellainfabrik« zugesichert. 
Auch sein Schwiegersohn, der Maler Johann Zeschinger, 



154 



Fürstenberg 



sowie Simon Feilner traten, dieser als Modellmeister, zu- 
gleich von Höchst über. Benckgraff starb freilich schon 
bald, aber er hatte doch seine Erfahrungen und Kenntnisse 
mitgeteilt, so daß man nunmehr mit der Fabrikation des 
Porzellans beginnen konnte. Das Kaolin wurde zuerst aus 
Hafnerzell im Passauischen auf Wasser- und Landwegen 




Abb. 111. Armleuchter. Fürstenberg um 1760. 



herbeigeholt, später fand man geeignete Erde in der Nähe 
bei dem Dorf Lenne, die, obschon sie einem kostspieligen 
Reinigungsprozeß unterworfen werden mußte, doch immer 
noch billiger kam, wie die Passauer Erde. 

Nachdem man die Störungen, die der Siebenjährige 
Krieg zum Gefolge hatte, überwunden, entwickelte sich seit 
1770 eine nicht unbedeutende künstlerische Tätigkeit. Um 



Ftirstenberg 



155 



den Malern mehr Anregung zu geben, als das entlegene 
Fürstenberg bieten konnte, wurde 1774 die Buntmalerei ganz 
nach Braunschweig verlegt und bei dieser Gelegenheit die 
Kunstsammlung, darunter 1045 Kupferstiche, nach der Re- 
sidenz geschafft. 

Eine Nachblüte erlebte die Manufaktur unter der 
energischen Leitung des Franzosen Louis Victor Gerverot, 




Abb. 112. Vase. Fürstenberg um 1770. 



der in S^vres gelernt hatte und in zahlreichen Porzellan- 
fabriken tätig gewesen war. Er trat 1795 ein und behielt 
bis zu seiner Entlassung im Jahre 18 14 die Direktion. 
Während dieser Zeit (1807 — 18 13) wurde Braunschweig dem 
Königreich Westfalen einverleibt. Gerverot verstand es, 
den neuen Verhältnissen Rechnung zu tragen und wußte 
auch Jeröme Napoleon für die Fabrik zu interessieren. Die 



156 



Fürstenberg 



Fabrik wird seit 1859 ^^^ Privatunternehmern betrieben. 
Ihre Marke ist ein F in Blau unter der Glasur. 

In ihren Erzeugnissen zeigt die Fürstenberger Manufaktur 
im allgemeinen wenig Selbständigkeit; sowohl im Geschirr 
und Gerät sowie in der figürlichen Plastik werden direkt 
Modelle und Dekorationen von Meißen, Berlin, Kassel und 
S^vres nachgeahmt. Freilich wird bei allen Nachbildungen 
doch immer etwas Neues daraus, da dem Vorbild noch 
eine mehr oder minder starke Portion von Eigenem, be- 
sonders in der Malerei, hinzugefügt wird, so daß man 




Abb. 113. Teller. Fürstenberg um 1770. 

in der Regel ohne weiteres das Fürstenberger Erzeugnis 
erkennt. Von den Geschirren der Sammlung geht z. B. der 
Suppennapf mit Blumenmalerei in tiefem Überglasurblau mit 
Gold (Schrank 450) auf den Suppennapf zurück, der von 
Catrice in S^vres 1758 bemalt wurde (Schrank 448). Meißne- 
risch ist der Dekor des Desserttellers mit seegrünen Fonds 
und bunten Hafen landschaften (Schrank 450). Der Berliner 
Reliefzierat erscheint bei dem Frühstückservice mit bunten 
Watteaufiguren, bei dem z. B. auch die Teekanne am 
Ausguß die schon unter Gotzkowsky vorkommende weibliche 
Maskp mit Tuchbehang zeigt, sowie bei dem Geschirr mit 



Fflrstenberg 



157 



Vögeln und Blumen, bei dem die Stäbe von einem orange- 
farbenem Grunde sich abheben. Ebenso ist die Einsatztasse 
in Form eines flammenden Herzens, das von einem Band 
umschlungen ist, Berliner Modell. In der Flamme befindet 
sich ein Spalt und im Innern des Deckels eine damit 




Abb. 114. EiskUhler. Fürstenberg um 1770. 

in Verbindung stehende quadratische Einsenkung; wahr- 
scheinlich diente dieselbe dazu, Räucherwerk oder Ähn- 
liches aufzunehmen. Auch das Modell der Vase, deren 
Form aussieht, als stecke sie in einem Sack (Schrank 450), 
kommt in Berlin vor, sowie der Konfektkorb und das 
Salzfaß mit einem Knaben im Schrank 450. 



15» 



Fürstenbi^rg 



Doch fehlt es auch nicht an eigenen Erfindungen. So 
finden sich reizvolle plastische Rocailledekorationen, die 
den ganzen Grund der Gefäße bedecken und nur für die 
Bilder freie Felder lassen. Auch das Modell des Tellers in der 
Abb. 113 dürfte eigene Schöpfung der Fürstenberger Fabrik 
sein. Der Rand ist durch Riffeln in Felder von ver- 
schiedener Größe geteilt, die abwechselnd mit Rokoko- 
kartuschen in zartem Relief, umwunden von Zweigen 

und Blumenguir- 
landen, oder mit 
Reliefschuppen, 
oder auf glattem 
Grunde mit bun- 
ten Blumensträu- 
ßen geschmückt 
sind. Auch ver- 
fügte die Manu- 
faktur über vor- 
treffliche Maler, 
besonders für 
, Watteaufiguren*, 
Vögel und Land- 
schaften. Die 
Blumenmalerei 
ist ebenfalls gut. 
In vielen Land- 
schaften, wie auf 
dem abgebilde- 
ten Teller und der 
Vase, herrschen 
dunkelgrüne und 
braune Töne vor, 
die den Bildern 
etwas Schweres, 
Tiefes geben. 

Unter Gerve- 
rot werden Deko- 
rationen im Empirestil beliebt (vgl. den Dessertteller im 
Schrank 450). Auch antike Vasen kopierte man, ebenso wie 
auch Wedgwoods Modelle benutzt wurden. 

Noch unselbständiger als das Geschirr und Gerät ist 
die Plastik. Hier griff man nicht nur nach den Modellen 
fremder Porzellanmanufakturen (z. B. Meißen, Affenkonzert), 
sondern bediente sich auch, wie Christian Scherer nach- 
gewiesen hat, der Bronze- und Elfenbeinfiguren des herzog- 
lichen Kabinetts als Vorbilder. Eine Amphitrite wurde von 
dem Modelleur Anton Karl Luplau nach einer Bronze- 




Abb. 115. Andromeda. Fürsten berg um 1770. 



Fürstenberg 15g 

Statuette, einer Nachbildung der Statue von Michel Anguier 
im Louvre, gebildet. Derselbe modellierte auch mehrere 
andere mythologische und allegorische Figuren nach 
Elfenbein arbeiten des Braunschweiger Museums. Auch der 
Modelleur Karl Gottlieb Schubert nahm Elfenbeinfiguren 
als Vorlage; zwei Figuren, den Frühling und Sommer, ver- 
fertigte er nach Elfenbeinstatuetten des Balthasar Permoser 
(1651 — 1732). In anderen Fällen mußten wieder Kupfer- 
stiche herhalten, so ist die an den Felsen gekettete Andro- 
meda dem Kupferstiche von L. Cars nach einem Gemälde 
von Frangois Lemoine (1688 — 1737) entlehnt; sie ist von 
Desoches modelliert (Abb. 115). Die beiden als Bildhauer 
und Böttcher verkleideten Knaben sind Höchster Modellen 
nachgebildet. Schon die andersartige Bemalung läßt sie 
leicht von ihren Vorbildern unterscheiden. 

Selbständige Arbeiten kommen auch natürlich hier vor. 
1757 modellierte Simon Feilner eine aus 14 Figuren be- 
stehende Bergmannsgesellschaft, denen er nach seiner 
eigenen Mitteilung die Züge von Personen seiner Bekannt- 
schaft lieh. Die im Besitz des Herrn Dr. Dosquet-Manasse 
in Berlin und im Herzoglichen Museum zu Braunschweig 
befindlichen Bergleute zeigen in der Tat porträtmäßigen 
Ausdruck. Auch schuf er »eine Bande von 15 Figuren zur 
italienischen Komödie«. 

Eine sehr umfangreiche Tätigkeit entwickelten sodann 
die Modelleure Luplau, Schubert, Desoches und Johann 
Christian Rombrich auf dem Gebiete der Porträtplastik 
in Form von Medaillons, Büsten und Statuetten in Biskuit. 
Es wurden die Köpfe sowohl antiker wie damaliger Ge- 
lehrten, Staatsmänner und Fürsten dargestellt. Die antiken 
Köpfe wurden nach Originalen des Kunstkabinetts ange- 
fertigt. Eine gute Vorstellung dieser Porträtplastik gibt 
der lebensvolle Kopf des Prinzen Heinrich (Schrank 450) 
und die Büste des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand von 
Braunschweig (an Wand 442). Ein ganz hervorragendes Stück 
besitzt das Kunstgewerbe-Museum in Leipzig in der glasierten 
und bemalten Büste eines mit dem schwarzen Adlerorden 
geschmückten Fürsten. Das scharf gezeichnete, geistreiche 
Gesicht ist unglasiert gelassen und mit kalten Farben be- 
malt, der glasierte Körper ist mit eingebrannten Farben 
und Silber dekoriert. 




Abb. 116. Tänzerpaar. Höchst um 1760. 



Höchst. 



Ein aus Meißen entflohener Maler, namens Adam 
Friedrich von Löwenfinck, wird als der Begründer der 
Höchster Manufaktur genannt. Er hatte wegen Betrug und 
Schulden Meißen verlassen müssen und war nach Baireuth 
und von da nach Fulda entwichen. Hier erhielt er von 
dem Beichtvater Ludwigs XV. durch Vermittlung von Jesuiten 
verschiedentlich Briefe mit der Aufforderung, im Elsaß eine 
Porzellanfabrik anzulegen. Er zog es indessien vor, sich 
mit zwei Kaufleuten zu Frankfurt a. M., Johann Christoph 
Goltz und Johann Felizian Clarus, zur Errichtung einer 
Porzellanmanufaktur in Höchst zu verbinden. Auf ihr Ge- 
such erhielten sie vom Kurfürsten 1746 ein günstiges Privileg 
auf 50 Jahre und den Speicherhof in Höchst als Fabrik- 
gebäude. Das Betriebskapital gaben Goltz und Clarus, 
Löwenfinck stellte dagegen seine keramischen Kenntnisse 
zur Verfügung. Sie erhielten auch die Erlaubnis, das Rad 
aus dem kurfürstlich mainzischen Wappen als Fabrikmarke 
zu führen. Aber das Einvernehmen der drei sollte nicht 
lange dauern. Die Unehrlichkeit und Unverträglichkeit 
Löwenfincks und seiner Genossen, die er aus Meißen hatte 



Höchst 



i6i 



nachkommen lassen, führten dazu, daß Löwenfinck schon 
1749 ausscheiden mußte; er begab sich nach Straßburg. 
Nicht besser erging es der Fabrik mit dem folgenden 
Direktor Johann Benckgraff, der schon nach kurzer Zeit 
zur Fürstenberger Manufaktur übertrat (vgl. Seite 153). 

Auch im weiteren Verlauf gelang es nicht, aus der 
Fabrik ein gewinnbringendes Unternehmen zu schaffen. 
Goltz, der seit 1749 der alleinige Besitzer war, mußte 1756 
seine Zahlungsunfähigkeit erklären. Der Pfandamtsassessor 
Johann Heinrich 
Maß, der mit der 
Verwaltung der 
Manufaktur wäh- 
rend der Abwick- 
lung des Konkur- 
ses betraut wor- 
den war, über- 
nahm dann die 
Fabrik auf eigene 
Rechnung bis zum 
Jahre 1765, in 
dem auf Betrei- 
ben des neuen 
Kurfürsten Em- 
merich Joseph 
Freiherrn Breid- 
bach zu Bürres- 
heim die Fabrik 
unter dem Ti- 
tel : » Churf ürst- 
lich - Mainzische 
privilegierte Por- 
zellaine - Fabri- 
que« in eine Ak- 
tien - Gesellschaft 
verwandelt wur- 
de. Der Kurfürst 
selbst war erster 

Aktionär. Auch sein Nachfolger Friedrich Karl Joseph Freiherr 
V. Erthal, der letzte Träger der Mainzischen Kurwürde, schenkte 
der Fabrik sein Wohlwollen und bewilligte hohe Vorschüsse. 
Die Aktionäre beuteten indessen die Fabrik so aus, daß 
der Kurfürst sie 1778 auf eigene Rechnung übernehmen 
mußte. Aber auch jetzt wird die Verwaltung nicht besser, 
die kaufmännischen Erfolge werden immer schlechter, die 
Nebenbuhlerschaft der anderen Manufakturen, die wechselnde 
Mode trugen das ihrige dazu bei. Schließlich bewirkten die 

Brüni ng, Porzellan. XI 




Abb. 117. 



Portratmedaillon des Kapituiars Dutneix. 

Höchst um 1775. 



l62 



Höchst 



unsicheren Zustände während der französischen Okkupation, 
daß 1796 der Betrieb eingestellt wurde. Als lygS.di« Fabrik 
verkauft wurde, betrugen die Aktiva 27000 Gulden, die 
Passiva 84000 Gulden. Gläubiger war der Staat, der also 
57000 Gulden einbüßte. 

Die noch vorhandenen Formen der Gruppen und Figuren 
kamen 1840 in den Besitz der Steingutfabrik von Daniel Ernst 
Müller zu Damm bei Aschaffenburg. 307 Gruppen und 
Figuren wurden in bemaltem Steingut ausgeführt (siehe 
Schrank 452). 

Die Marke der Höchster Porzellanfabrik war ein Rad, 
das zuweilen von einem Kurhut überdacht ist. Es wird in 




Abb. 118. Chinese und Kinder. Höchst um 1775. 



der ersten Zeit mit einem Stempel eingepreßt oder in 
Eisenrot, Purpur oder Gold auf die Glasur gemalt. Später 
scheint die Marke stets in Unterglasurblau ausgeführt worden 
zu sein. 

Die Stärke der Höchster Manufaktur war, wie auch 
der anderen süddeutschen Porzellanfabriken, die figürliche 
Plastik. Auf diesem Gebiete gelingt es ihr, Eigenartiges 
und Reizvolles zu schaffen und so die Plastik des 18. Jahr- 
hunderts um bedeutende Schöpfungen zu bereichem. Auf 
dem Gebiete des Geschirres und Gerätes haben Meißen sowohl 
wie Berlin und S^vres so viel an Formen und Dekorationen 



Höchst 



163 



geschaffen, abgesehen davon, was Ostasien hinzugab, daß 
sich die anderen Manufakturen nur mit leichten Variationen 
der gegebenen Typen begnügen konnten. 

Die frühesten plastischen Arbeiten der Höchster Manu- 
faktur gehören noch in Auffassung und Gestaltung dem 
Formenkreis des Rokoko an. Äußerlich gibt sich das schon 
durch den Rocaillesockel zu erkennen. Von den Figuren 
der Sammlung gehört das Tänzerpaar (Abb. 116) und der 
Knabe mit einem fagottartigen Instrument hierher. Von 
größeren Gruppen 
dieses Stils sind 
eine »Liebesgrup- 
pe«, eine »Liebes- 
brunnengruppe « , 
eine »Freimaurer- 
gruppe« und ein 
»Schneider auf der 
Geiß« im Privat- 
besitz zu erwäh- 
nen. Sie werden 
unter diesen Na- 
men in dem 
Waren Verzeichnis 
von 1766 genannt, 
die größerenGrup- 
pen] [sind darin 
mit 50 und 55 
Gulden bewertet. 
Die zum Teil 
ziemlich hölzer- 
nen Figuren — nur 
das Tänzerpaar 
besitzt noch ziem- 
lich viel von dem 
Temperament des 
Rokoko — gewin- 
nen durch ihre ge- 
schmackvolle ein- 
gehende Bemalung, die sich von der üblichen Staffierung 
der späteren Höchster Figuren stark abhebt. Sie .sind zum 
Teil mit zierlichen einfarbigen Blumensträußen bemalt. Die 
Farben sind zumeist ziemlich kräftig und unterscheiden sich 
schon dadurch von den gebrochenen weichen Tönen der 
späteren Zeit. Vielleicht gehen diese Arbeiten auf den in 
den Jahren 1762 — 1766 erwähnten Modellmeister Lauren- 
zius Russinger zurück Russinger erscheint später in Paris, 
wo er 1784 — 1800 Teilhaber der 1773 von Jean-Baptiste Locr6 




Abb. 119. Venus und Amor. Höchst um 1775. 



164 



Höchst 



in der Rue Fontaine au Roi begründeten Porzellanfabrik »La 
Courtille« war. 

Es ist wahrscheinlich, daß gleich nach Russingers Ab- 
gang im Jahre 1766 der Bildhauer eintrat, der den Ruhm 
der Höchster Manufaktur begründen sollte: Johann Peter 
Melchior. Die Gruppe des »Chinesischen Kaisers«, die 
ganz seine Art zeigt und auch wohl identisch mit der 
im Verzeichnisse von 1766 genannten Gruppe sein wird, 
spricht dafür. 

Melchior wurde 1742 in Lintorf, einem Dörfchen im 
Kreise Düsseldorf, geboren. Seine künstlerische Erziehung 
erhielt er in Düsseldorf und Aachen, dann verweilte er 

kurze Zeit in Köln, Kob- 
lenz und Paris. Der Auf- 
enthalt in Frankreich war 
bestimmend für seine 
künstlerische Entwick- 
lung. Ende 1779 sie- 
delte er nach einer höchst 
erfolgreichen Tätigkeit, 
die ihm sogar einen Ruf 
nach S^vres eintrug, nach 
Frankenthal über. 

Melchiors Figuren 
nehmen eine besondere 
Stellung in der deutschen 
Plastik des 18. Jahrhun- 
derts ein. Sie sind ein 
Erzeugnis jener auf das 
Sentimentale und Rühr- 
same gerichteten geisti- 
gen Strömung. In sei- 
nen Schilderungen der 
Kinderwelt und des einfachen bürgerlichen Daseins, die 
im starken Gegensatz zu der höfischen Plastik Meißens 
stehen, klingen Töne an, die zuerst Rousseau geweckt, er, 
»der die irrende Kunst zur Einfalt der Natur zurückrief«. 
Melchior scheint von keinem geringeren als dem jungen 
Goethe in den Kreis dieser Weltanschauung gezogen zu sein. 
Die Aufschrift des Goethe -Medaillons im Schlößchen zu 
Tiefurt bei Weimar: »Der Verfasser der Leiden des jungen 
Werther durch seinen Freund Melchior 1775 nach dem 
Leben gearbeitet« erscheint wie ein Bekenntnis. Wie 
Werther sich hingezogen fühlt zu den Kindern, zu den 
ungekünstelten Leuten des Volkes, und mit Liebe den 
kleinen Kreis malt, in dem seine Lotte lebt und wirkt, so 
schildert auch Melchior mit Vorliebe die kleinen Freuden 




Abb. 120. Einsatztasse. Höchst um 1770. 



Höchst 165 

und Leiden der Kinderwelt und weiß auch der Darstellung 
der Leute aus dem Volke natürliche, wenn auch etwas 
empfindsame Farben zu leihen. Gegenüber den verwandten 
Darstellungen von Boucher und Chardin wirkt er gemüt- 
voller, warmsinniger, aber auch hausbackener. In der 
Modellierung seiner Figuren ist er stark von Frankreich ab- 
hängig, Falconet, Clodion, Boizot haben ihm für seine rund- 
lichen Figuren mit den ovalen langwangigen Köpfen Paten 
gestanden. Die entzückende Venus (Abb. 1 19, Schrank 452) 
erscheint wie ein direkter Abkömmling der französischen 
Kleinplastik. Auch den mit Gras bewachsenen Erdsockel 
teilen die Arbeiten Melchiors mit den S^vres- Figuren. 

Dem etwas weichlichen sentimentalen Ausdruck seiner 
Figuren entspricht ihre Bemalung mit gebrochenen zarten 
Tönen; ihre feine Abstimmung bewahrt sie vor dem Ein- 
druck des Flauen, Kraftlosen. Ein Vergleich mit den Farben 
der früheren Werke, die Russinger zugeschrieben wurden, 
zeigt, wie alle Töne zu sanften weichen Akkorden abge- 
schwächt worden sind. 

Melchiors Kunst beschränkt sich aber keineswegs allein 
auf die Darstellung des täglichen Lebens und der Kinder- 
welt. Ebensowenig wie religiöse (ein Kalvarienberg im 
Historischen Museum in Frankfurt a. M.) und mythologische 
Figuren, so fehlt auch die Exotik (Chinesen, Türken) nicht. 
Sie gewinnen nur bei ihm eine besonders persönliche Nuance, 
wodurch sie sich in den Kreis der Melchiorschen Formen- 
welt einordnen. Bei mythologischen Gruppen scheut auch 
er sich nicht, Kupferstiche zu Hilfe zu rufen. So benutzt 
er z. B. bei einer Gruppe den Stich von R. Gaillard nach 
Boucher, der die Befreiung der Sylvia durch Amynthas 
darstellt. Eine besonders große Tätigkeit entfaltete er auch 
auf dem Gebiete der Porträtplastik, die zumeist bei ihm in 
der Form des Biskuitmedaillons auftritt. Außer jenem aus- 
gezeichneten Medaillon des jungen Goethe in Tiefurt, das 
sich nur in Gips erhalten hat, besitzt das Goethe-Museum 
in Weimar ein Gipsrelief von Goethe als Apollo von 1785 
und zwei Reliefs von Goethes Eltern von 1779. Dem Goethe- 
kreise gehört auch die in dem Gipsmedaillon auf der Abb. 117 
dargestellte Persönlichkeit an. Es ist der Frankfurter Kapitular 
und Dechant Damian Friedrich Dumeix, den Goethe in » Dich- 
tung und Wahrheit « als den ersten katholischen Geistlichen 
erwähnt, mit dem er in Berührung gekommen. Die un- 
gesuchte Art des Vortrags und der Reliefstil dieses Porträts 
' ist charakteristisch für alle derartigen Arbeiten des Künstlers. 
Von dem Kurfürsten Emmerich Joseph von Breidbach schuf 
er eine bemalte Büste (Sammlung Dr. Darmstädter) und ein 
bemaltes Reliefbild (Kunstgewerbemuseum in Frankfurt a. M.). 



i66 Höchst 

Auch unter den von der Höchster Manufaktur ge- 
lieferten Geschirren und Geräten fehlt es nicht an voll- 
endeten und reizvollen Arbeiten. Besonders schön sind 
die einfarbigen Malereien in einem schönen leuchtenden 
Karminrot (Schrank 452). Häufig wird auch das Schuppen- 
muster angewandt (siehe die Einsatztasse in der Abb. 120). 
Auch kommen ähnliche Muster wie das » Brandensteinmuster « 
und »Gotzkowsky erhabene Zierate« vor. Neben den 
üblichen Bildern sind fein ausgeführte mythologische Dar- 
stellungen und Bauembilder in der Art der Niederländer 
beliebt. Die Sammlung enthält verschiedene Geschirr- und 
Gerätformen, sowohl im Rokokogeschmack wie im Zopfstil. 



Frankenthal. 

Die Frankenthaler Manufaktur verdankt ihre Entstehung 
dem Privileg, das S^vres 1754 erhielt, nach dem in ganz 
Frankreich außer in der Königlichen Manufaktur nirgend 
anderswo Porzellan fabriziert werden durfte. Dieses Monopol 




Abb. 121. Musizierendes Paar. Prankenthal um 1760. 

wurde auch auf das Elsaß ausgedehnt, und so sah sich der 
Straßburger Fayencefabrikant Paul Anton Hannong, der seit 
einigen Jahren sich auch mit der Herstellung von Porzellan 
beschäftigt hatte, gezwungen, den neuen Betrieb wieder 



i68 



Frankenthal 



einzustellen. Er wandte sich nunmehr an den Kurfürsten 
Karl Theodor von der Pfalz und erhielt von diesem 1755 
die Konzession, unter großen Vergünstigungen in Frankenthal 
eine Fabrik » durchsichtigen Porcelaines « zu errichten. Das 
Unternehmen, das er 1759 ^^ seinen Sohn Joseph Adam 
übertragen hatte, konnte sich indessen nicht halten, so daß 
1762 die Fabrik an den Kurfürsten verkauft wurde. Adam 
Bergdoll, der in Höchst Former und Buchhalter gewesen 
war, wird jetzt Direktor. Da indessen Streitigkeiten zwischen 
dem Direktor und dem Personal ausbrachen, berief man 
1770 den Fürstenberger Modellmeister Simon Feilner, der 
seit 1775 die alleinige Leitung erhielt. 

Feilner machte sich 
durch verschiedene tech- 
nische Verbesserungen 
und Erfindungen um 
die Hebung der Fabrik 
sehr verdient. Aber die 
schlechten finanziellen 
* C '^ " ^^^ Verhältnisse, unter denen 

*j^% ^ Ai Vy^ f <^i^ Fabrik von Anfang 

^^^^^«J ^^ 2^ leiden hatte, wur- 
den nicht besser. Den 
Arbeitern wurde jahre- 
lang der Lohn nicht aus- 
gezahlt. Alle Mittel, die- 
sen Mißständen abzuhel- 
fen, die Veranstaltungen 
von Porzellanlotterien 
undVersteigerungen blie- 
ben ohne hinreichenden 
Erfolg. Der Einfall der 
Franzosen in den Rhein- 
gau brachte neue Verlegenheiten. Bei der Besetzung 
Frankenthals durch französische Truppen im Jahre 1795 
wurde das Inventar der Fabrik an Peter van Reccum ver- 
kauft und die Fabrik an ihn verpachtet. Van Reccum 
verlegte seine Fabrik 1800 nach Grünstadt. Ein Plan, die 
alte kurfürstliche Manufaktur wieder aufleben zu lassen, 
fand bei dem Kurfürsten Max Joseph keinen Anklang. 
»Aus unserem Finanz- Grundsatz, daß Fabriken als Ele- 
mente des Nationalwohlstandes den freien Unternehmungen 
einzelner Privaten oder Gesellschaften zu überlassen, und 
nicht unter die eigenen am wenigsten ausschlüssenden oder 
begünstigten Anstalten der Regierung aufzunehmen seien, 
geht die Erklärung hervor, daß wir die ohnehin dermalen 
aufgelöste Frankenthaler Porzellain-Fabrique in keinem Falle 




Abb. 122. Melkerin. Frankenthal um 1765. 



Frankenthal 



169 



wieder zu errichten entschlossen sind«, lautet sein Erlaß 
vom 27. Mai 1800. 

Die Porzellane der Hannongschen Fabrik in Frankenthal 
{1755 — 1762) tragen als Marke einen steigenden Löwen in 
Ünterglasurblau ; selten einen halben Rautenschild, ebenfalls 
in Unterglasurblau; daneben zeigen die frühesten Arbeiten 
die eingepreßten Buchstaben P. H. (Paul Hannong). Die 
mit dem blauen 
oder eingepreß- 
ten Monogramm 
J. H. (Joseph Han- 
nong) versehenen 
Porzellane sind 
wohl in die Zeit 
von 1759 — 1762 
zu setzen. Unter 
den mit dem 
Monogramm CT 
unter dem Kur- 
hut bezeichneten 
Stücken erschei- 
nen sehr häufig 
blaue Zahlen (71 
bis 88), die als 
Jahreszahlen an- 
zusehen sind. Das 
ergibt sich unter 
anderem daraus, 
daß die Arbeiten 
Melchiors, der 
von 1779 — 1793 
in Franken thal tä- 
tig war, stets nur 
achtziger Zahlen 
tragen. Ein sel- 
ten vorkommen- 
des vR in Blau ist 
auf van Reccum 
zu deuten. Die 

Masse des Frankenthaler Porzellans, zu der ebenfalls 
Passauer Erde genommen wurde, zeichnet sich durch einen 
weichen, milden Glanz aus, sie hat einen leicht gelblichen, 
milchfarbigen Ton. 

Die Plastik Frankenthals, die der Zahl der Modelle 
nach der Produktion der Meißener Manufaktur zunächst 
folgt, ist sowohl durch die reiche Mannigfaltigkeit der Dar- 
stellungen, die sämtliche damals beliebten Themata um- 




Abb. 123. Der Mai. Frankenthal um 1765. 



170 



Franktnthai 



fassen, sowie durch die zahlreichen, für die Fabrik tätigen 
Bildhauer von verschiedener Eigenart besonders anziehend. 
Sie wird auch in dieser Hinsicht unter den deutschen 
Manufakturen nur von Meißen übertroffen. 

Schon unter den Hannong ist eine große Fülle vor- 
trefflicher Figuren geschaffen worden. Die ältesten, Jäger u. a., 
sind zum Teil dieselben Modelle, die in Straßburg in Fayence 
ausgeführt worden sind. Typen aus dem Leben, Kava- 
liere und Damen, einige mit großen Reifröcken, Hand- 
werker und Bauern in ihren Beschäftigungen, Kinder, die 
Großen in ihrem Treiben nachahmend, Liebespaare in 




Abb. 124. Afrika und Amerika. Frankenthal um 1765. 



Rokokolauben, Götter, Weltteile,' Jahreszeiten u. a. sind die 
Gestalten, die sich die Bildhauer der Hannongschen Fabrik 
zum Vorwurf gewählt hatten. Es sind zumeist kräftige^ 
gedrungene Figuren von ziemlich derbem Schlage mit 
rundlichen Köpfen, manche vorzüglich modelliert und lebens- 
voll aufgefaßt. Die Sockel sind mit purpur- oder gold- 
gehöhten Rokokoschnörkeln ausgestattet. Die Bemalung 
der Figuren ist noch tastend und unsicher; anfangs werden 
Versuche mit kräftigen grünen, blauen, purpurnen Tönen 
gemacht, die aber nicht immer gelingen. Gern wird für 
die Musterung der Kostüme Gitterwerk genommen, auch 
einfarbige Blumenmuster kommen vor. 



Frankenthal l y l 

Zu den Porzellanen der Sammlung, die noch in dieser 
ersten Periode geschaffen wurden, gehört u. a. die Gruppe 
»Die Toilette der Venus«, bei der allerdings der durch 
eine kleine Vase ersetzte Amor, der der Venus den Spiegel 
vorhält, fehlt. Im Schloß zu Würzburg befindet sich die- 
selbe Gruppe mit einer großen Rokokolaube. Es scheint, 
daß ein Stich nach Albanis »Toilette der Venus« in der 
Galerie zu Madrid zur Schaffung dieser Gruppe Anregung 




Abb. 125. Meleager und Ataiante. Frankenthal 1778. 



gegeben hat. Durch die Aufschrift »J. A. Hannong 1761« 
auf einer Biskuitfigur eines leierspielenden Mädchen im 
Bayerischen Nationalmuseum in München gibt sich Joseph 
Adam Hannong selbst als einer der Modelleure zu erkennen. 
Ihm gehört danach die Gruppe des musizierenden Paares 
(das Gehör) (Abb. 121) und des Liebespaares (das Gefühl) (im 
Schrank 451) an. Wir sehen hier dieselbe kräftige, fast 
derbe Körperbildung, dieselbe Bewegungsmechanik, dieselbe 



172 



Frankenthal 



Behandlung des glatt anliegenden Haares, dieselbe philiströse 
Wiedergabe des Kostüms, dieselbe ziemlich leblose, steif- 
leinene Haltung der Figuren. Vom Geiste des Rokoko ist 
kaum noch ein Hauch zu spüren. 

Alles, was diesen Gestalten fehlt, zierliche Anmut, aus- 
drucksvolle Bewegung, vollendete Modellierung und geist- 
reiche Behandlung des Kostüms, besitzen die Figuren, die 
man dem hervorragendsten Bildhauer der kurfürstlichen 
Fabrik, Konrad Linck (1732 — 1802), zuschreiben kann. Er 

wurde schon 1766 nach 
Mannheim versetzt, je- 
doch unter der Bedin- 
gung, für Frankenthal 
weiterzuarbeiten. 1775 
schickte er Zeichnungen 
zu Gruppen ein, woraus 
man ersieht, daß er sei- 
ner Verpflichtung nach- 
gekommen ist. Die von 
ihm für den Park von 
Schwetzingen ausgeführ- 
ten plastischen Arbeiten, 
z. B. die • Giebelreliefs 
des Minervatempels, die 
Brunnenfiguren vor dem- 
selben, die Reliefs in der 
Perspektive, ferner die 
allerdings erst 1788 und 
1790 errichteten Monu- 
mente auf der Heidel- 
berger Brücke und andere 
größere statuarischeWer- 
ke geben im Verein mit 
einer Porzellangruppe, 
die seinen Namen trägt, 
einen festen Anhalt zur 
Bestimmung seines Stiles, so daß sich eine große Anzahl von 
Gruppen und Figuren der Manufaktur auf ihn mit Sicherheit 
zurückführen lassen. Die mit »Linck« bezeichnete unbemalte 
allegorische Gruppe mit dem Porträtmedaillon Karl Theodors 
und seiner Gemahlin Maria Elisabeth Auguste, umgeben von 
Minerva, einer Muse und drei Putten, befindet sich im 
Germanischen Museum in Nürnberg. Ein vierzeiliges Chrono- 
gramm auf einem bemalten Exemplar der Gruppe im Mus6e 
de Cluny zu Paris enthält die Jahreszahl 1769. 

Zu den besten Arbeiten Lincks gehört eine Folge von 
zwölf Monaten, von denen vier sich im Besitz des Museums 




Abb. 126. Lautenspieler. Prankenthal um 1770. 



Frankenthal 



173 



befinden (Abb. 123). Sie zeigen die charakteristischen Merk- 
male seines Stiles: die schlanken, geschmeidigen Körper 
lassen deutlich den Muskel- und Knochenbau hervortreten, 
so daß ihre Oberfläche wie von leichtem Wellenspiel belebt 
erscheint. Die Haarmassen sind in einzelne kräftige Wulste 
gegliedert und lebendig bewegt. Die rundlichen Gewand- 
falten fließen in weichen Massen dahin und begleiten den 
Rhythmus der Glieder in wirkungsvollem Spiel. Zumeist 
ist der Mantel auf dem Rücken in einem großen Zuge 
schräg heruntergezogen und verdeckt einen Teil des Sockels. 
Die Haltung der 
Figuren ist pa- 
thetisch bewegt, 
manchmal ge- 
spreizt und eckig, 
aber immer reiz- 
, voll. Viele sind 
mit zierlichen Blu- 
men ausgestattet. 
Von den Fran- 
kenthaler Figuren 
derSammlung ge- 
hören noch die 
beiden » Afrika « 
und » Amerika « 
darstellenden Fi- 
guren mit Gefäßen 
(Abb. 124) dazu, 
sowie die Grup- 
pe » Atalante und 
Meleager«, des- 
sen Komposi- 
tion durch einen 
Stich nach dem 
Gemälde von F. 
Lemoyne im Na- 
tionalmuseum zu Stockholm beeinflußt erscheint. 

Zur selben Zeit wie Linck arbeitete in Frankenthal ein 
Modelleur, der wahrscheinlich später nach Fulda übergetreten 
ist. Er bildete zierliche, graziöse Figürchen (ohne Sockel 
etwa 12 bis 13 cm hoch) mit kleinen, niedlichen Köpfchen 
auf hochgewölbtem, mit Moostupfen bedecktem Sockel, dessen 
Rand Rocaillen umgeben. Es sind galante Schäfer und 
Schäferinnen, Kavaliere mit ihren Damen, Jäger und Chinesen 
(Abb. 126). 

Auch Johann Peter Melchiors Tätigkeit in Franken- 
thal (1779 — 1793) läßt sich durch eine größere Anzahl Figuren 




Abb. 127. Knabe, Kinder mit einer Masice erschrecicend. 

Frankenthal um 1785. 



174 



Frankenthal 



und Gruppen belegen. Melchior zeigt sich auch hier als 
der liebenswürdige Schilderer und gemütvolle Beobachter 
des harmlosen Treibens der Kinderwelt. Die Gruppe: 
» ein Knabe zwei Kinder durch eine vorgehaltene Maske 





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Abb. 128. Allegorie auf Karl Theodor und seine Gemahlin. Frankenthal um 1780. 



erschreckend« zeigt dieselben für ihn charakteristischen 
rundlichen und pausbäckigen, behaglichen Figürchen wie 
in Höchst. (Abb. 127). Eine der größten von Melchior in 
Frankenthal geschaffenen Gruppen stellt einen zerfallenen 
Turm dar, in dem ein Mädchen schläft, von zwei Jünglingen 



Frankenthal 



175 



]pelauscht. Sie gehörte zu den 113 Gruppen und Figuren, 
die zur Verzierung der Tafel nebst einem mit Vögeln 
bemalten Tafel- und Dessertservice zu 24 Gedecken 
1785 dem Kardinal Antonelli in Rom vom Kurfürsten 
geschenkt wurde. Außerdem lassen sich noch zahlreiche 
andere Gruppen mit allegorischen Darstellungen (Elementen, 
Jahreszeiten), musizierenden Chinesen, Putten usw. als 
Arbeiten Melchiors nachweisen. Sie zeigen denselben 
mit Gras bewachsenen Felssockel wie seine Höchster 
Gruppen. 

Das Museum besitzt außerdem noch einen kleinen als 
Pierrot gekleideten Knaben aus gebranntem Ton, der die 
eingekratzte Marke A. C. trägt. Dieselbe Marke zeigen 




Abb. 129. Tintenfaß. Frankenthal um 1760. 



zwei ruhende Frauengestalten aus Gips bezw. Terrakotta im 
Historischen Museum zu Frankfurt a. M. Sie ist wohl mit 
Recht auf Adam Clair gedeutet, der, 1763 zu Frankenthal 
geboren, offenbar Schüler von Melchior wurde; bei seiner 
Trauung 1788 war Melchior Trauzeuge. Er siedelte 1799 
nach Nymphenburg über, wohin ihm Melchior schon voraus- 
gegangen war. Die mit seinem Monogramm bezeichneten 
genannten Arbeiten zeigen ganz den Stil Melchiors. Voll- 
bezeichnet hat er sich auf der Gruppe mit dem von Genien 
bekränzten Doppelporträt des Kurfürsten Karl Theodor und 
seiner Gemahlin ; sie trägt nämlich unter dem Sockel die ein- 
gekratzte Inschrift: »Adam Cleer a Frankenthal« (Abb. 128). 
Das Porträtmedaillon Karl Theodors allein besitzt die Samm- 



176 



Frankenthal 



lung der Königlichen Porzellanmanufaktur, dasselbe zeigt 
ebenfalls auf der Rückseite die eingekratzten Buchstaben A. C. 
Es kann wohl kaum ein Zweifel sein, daß mit dieser Signatur 
auch die künstlerische Urheberschaft Adam Clairs bezeichnet 
ist. Scheinbar im Widerspruch mit dieser Annahme steht 
allerdings der Umstand, daß drei kleine Büsten von Linck, 
welche die Jahreszeiten darstellen, von denen zwei sich in der 

Sammlung des Konsul 
Behrens in Hamburg be- 
finden, während die drit- 
te auf dem Schloß zu 
Heidelberg aufbewahrt 
wird, den eingeritzten 
Namen »Clair« tragen. 
In diesem Falle bedeutet 
diese Bezeichnung nur 
den Former, der die be- 
treffenden Stücke aus- 
geformt hat, ebenso wie 
der Name » Niebergall « 
auf einer ebenfalls von 
Linck modellierten Figur 
des Winters in der Samm- 
lung Karl Bär in Mann- 
heim. Clair wird eben 
zunächst als Former be- 
gonnen haben, um sich 
dann unter der Leitung 
Melchiors zum Model- 
leur auszubilden. Die 
Heidelberger Sammlung 
besitzt auch ein mit 
A. C. bezeichnetes Me- 
daillon in Biskuit mit 
dem Porträt des Vize- 
kanzlers von Geiger. 

Mehrere der Franken- 
thaler Modelleure nah- 
men ihre Zuflucht zu Stichen und kopierten dieselben wort- 
getreu. Benutzt ist der Stich von Joh. Hertel »Der Herbst« 
nach Jacopo Amiconi für eine Gruppe: ein Jüngling nach 
Weintrauben haschend, die ein Mädchen ihm entrissen, der 
Stich » La servante cong^diee « von Balechou nach Jeaurat 
für die Gruppe einer Hausfrau, die ihre Magd entläßt (im 
Preisverzeichnis von 1777 mit 9 Gulden bewertet), der Stich 
von Laurent Cars und Claude Donat-Jardinier nach Greuze 
für eine Gruppe: eine Mutter mit Kindern, der Stich 




Abb. 130. Leuchter. Frankenthal um 1765. 



Frankenthal 



177 



»L'agr^able legon« von R. Gaillard nach Boucher für die 
Gruppe: Schäfer, einem Mädchen die Flöte lehrend, und für 
eine »Alceste« ein Stich von L. Desplaces nach A. Coypel. 
Die letztere ist im Preisverzeichnis von 1777 als zweit- 
teuerste Gruppe mit 45 Gulden bewertet. Bei allen diesen 
Gruppen ist die Komposition der Figuren fast unverändert 
übernommen, nur das Beiwerk und der Hintergrund mußte 
porzellan- und skulpturgemäß ausgestaltet werden. 

Auch in Frankenthal erscheinen die Rokokoformen in 
phantasievoller Verwendung zu Geräten und Geschirren 
verarbeitet, entweder in einer Gestaltung wie bei dem 
Schreibzeug (Abb. 129), bei dem die Form ganz in flüssig 
bewegte Rocaillen auf- 
gelöst ist, oder wie bei 
dem Leuchter (Abb. 130), 
bei dem das Muschel- 
werk nur als ornamen- 
taler Zierat die selbstän- 
dige, mit feinen Profilen 
versehene Gerätform an- 
mutig umspielt. Später 
tritt der Einfluß von 
Sdvres hervor, hier mehr 
wie in den anderen deut- 
schen Manufakturen. So 
ist z. B. das Speiseservice 
mit der ausgezeichneten 
Vogelmalerei (Abb. 132) 
einem jetzt im National- 
museum zu München be- 
findlichen Service fast 
genau nachgebildet, nur 
ist das Mosaik sowie die 
Vogelmalerei verändert. 

Frankenthal besaß ausgezeichnete Maler, so den Bern- 
hard Magnus, von dem die Sammlung des Heidelberger 
Schlosses Teile eines Frühstückservices mit sehr feinen 
Türkenschlachten in zierlichen, von Goldrocaillen gebildeten 
Kartuschen und die Sammlung Franks im Bethnal Green 
Museum in London eine ausgezeichnete Landschaft besitzt. 
Der Maler J. Osterspey war besonders tüchtig in ovidischen 
und Watteaufiguren. Bezeichnete Stücke seiner Hand 
besitzen die Kunstgewerbemuseen zu Frankfurt a. M. und 
Leipzig. Vielfach fallen die Frankenthaler Malereien durch 
ihre Größe auf, umfangreiche Bilder füllen den ganzen 
Boden der rautenförmigen Anbietplatten und der breitei) 
vorderen Seite der dickbauchigen Kaffeekannen, deren 

Brüning-, Porzellan. 12 




Abb. 131. Tasse. Frankenthal um 1770. 



178 



Frankenthal 



glatte Henkel in der Regel eine ohrförmige Gestaltung 
zeigen. 




Abb. 132. EiskQhler. Frankenthal um 1770. 



Auch in Frankenthal arbeitete man in den Formen des 
Zopfstiles. Die abgebildete Vase zeigt große Verwandtschaft 

mit den Marmorvasen im 
Schwetzinger Park. Das 
Service, zu dem die Tasse 
in der Abb. 133 gehört, 
zeichnet sich durch eine 
eigenartige Bildung der 
Kannen aus, die am 
Ausguß eine kräftig mo- 
dellierte, bärtige Satyr- 
maske tragen. 

Eine besondere Auf- 
merksamkeit wendete 
man den farbigen Fonds 
und der Goldmalerei zu. 
Als Erfindungen Feilners 
werden 1786 »eine 
schwarze Unterglasur- 
farbe, ein Königsblau, 
ein bleu eheste, ein 
mehrfarbiges Goldchan- 
Abb. 133. Tasse. Frankenthal um 1780. geant, die erhabene Ver- 

goldung ä quatre cou- 
leurs in Matt und Glanz und mit poliertem Licht und 
Schatten« erwähnt. Ein schönes Beispiel eines gold- 




Frankenthal 



179 



geäderten Lapis-lazuli-Grundes bietet die Tasse mit Tieren 
(Abb. 131). Der Dekor ist in S^vres erfunden; ein der- 
artig dekoriertes Service, das Ludwig XV. dem Könige 
von Dänemark bei dessen Besuch in S^vres schenkte, be- 




Abb. 134. Vase. Frankenthal 1784. 



findet sich im Schloß Rosenborg in Kopenhagen. Unter 
dem » mehrfarbigen Goldchangeant « ist vielleicht ein selten 
vorkommender, lüsterartig schillernder, kupferfarbiger Grund 
zu verstehen. Auch Nachahmungen von Marmor, Holz, 
Stoffmustern kommen , vor. 



Ludwigsburg. 



Als »ein notwendiges Attribut des Glanzes und der 
Würde« wurde im Jahre 1758 vom prachtliebenden Herzog 
Karl Eugen von Württemberg die in Ludwigsburg schon 

1756 von dem Ingenieur 
Kapitän Hacker be- 
gründete Porzellanfabrik 
übernommen, ohne zu 
berücksichtigen, daß die 
Vorbedingungen für ein 
solches Unternehmen an 
jenem Orte so ungünstig 
wie nur möglich waren. 
Ludwigsburg lag in wald- 
armer Gegend, das Brenn- 
holz mußte von weither 
herangeschafft werden, 
kein Fluß, keine bedeu- 
tende Straße vermittelte 
den Verkehr mit der 
Außenwelt, nicht einmal 
der gewöhnliche Kapsel- 
ton, geschweige die Por- 
zellanerde war in der 
Nähe zu finden, das nö- 
tige Kaolin mußte von 
Haffnerzell bei Passau 
beschafft werden. Die 
Bereitung der Masse 
machte viele Schwierig- 
keiten. Wenigstens ge- 
lang nur selten die Her- 
stellung einer guten wei- 
ßen Masse, vielfach be- 
sitzt das Porzellan eine 
schmutzig graue Farbe von häßlichem Aussehen. 1759 wurde 
Joseph Jakob Ringler aus Wien, der schon in der Wiener 
und Nymphenburger Manufaktur tätig gewesen war, Direktor 
und leitete die Anstalt über 40 Jahre. Um die Kosten der 




Abb. 135. Tabuiettkrämerin. 
Ludwigsburg um 1760. 



Ludwigsburg 



i8i 



Porzellanfabrikation zu decken, wurde daneben eine Fayence- 
fabrik errichtet, deren Überschüsse der Porzellanmanufaktur 
zugute kamen. 

Den höchsten Bestand an Arbeitern erreichte die Manu- 
faktur 1766 mit 154 Angestellten. Der Aufschwung, den die 
Fabrik genommen, hängt mit der Verlegung der Residenz nach 
Ludwigsburg zusammen. Die stille Stadt wurde jetzt ein 
Schauplatz rauschender Feste, deren Prunk die Erzeugnisse 




Abb. 136. Schäferpaar. Ludwigsburg um 1760. 



der Porzellanfabrik erhöhen mußten. Als 1775 der Hof 
seinen Sitz wieder von Ludwigsburg zurückzog, ging auch 
die Fabrik allmählich wieder nieder, schon im folgenden 
Jahre betrug der Personalbestand nur noch 81 Arbeiter, 
und mit dem Tode des Herzogs, der im Jahre 1793 erfolgte, 
geriet die Manufaktur zusehends in Verfall. Durch Berufung 
französischer Arbeiter gelang es König Friedrich im zweiten 
Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts noch ein kurzes Nachleben 



l82 



Li^dwigsburg 



hervorzurufen. Indessen diese künstliche Auffrischung war 
nicht von langer Dauer, 1824 wurde die Auflösung der 
Fabrik verfügt. 

Während für eine große Anzahl der in Ludwigsburg 
geschaffenen Figuren und Gruppen, wie die kokette kleine 
Tabulettkrämerin (Abb. 135) und die süßliche Gruppe des 
Schäferpaares (Abb. 136) u. a., noch ganz im Boden der 
Rokokoplastik wurzelnde Arbeiten, sich ihre Urheber nicht 

mit Sicherheitfest- 
stellen lassen, läßt 
sich dagegen an 
einer großen An- 
zahl von Werken, 
denen ihr klassi- 
zistischer An- 
hauch ein beson- 
deres Gepräge 
unter den deut- 
schen Porzellan- 
figuren verleiht, 
der Name eines 
Bildhauers heften, 
der auch außer- 
halb des Kreises 
der Ludwigsbur- 
ger Manufaktur 
bekannt gewor- 
den ist. 

Johann Chri- 
stian Wilhelm 
Beyer wurdei725 
in Gotha als Sohn 
des dortigen Hof- 
gärtners geboren, 
der später in 
württembergische 
Dienste trat. Der 
junge Beyer ver- 
dankte seine Ausbildung als Künstler der Gunst des Herzogs, 
der ihn zunächst nach Paris, dann nach Rom schickte. Er 
blieb von 1751 — 17 59 in Italien. Hier hatte seit einigen Jahren 
die Ausgrabung der vom Vesuv verschütteten Städte be- 
gonnen, die die Welt wieder an die unvergängliche Schönheit 
der antiken Kunst erinnern sollten. Der Verkehr mit Winckel- 
mann führte ihn in den Geist der griechischen Plastik ein. 
Wohl unter ihrem Einfluß wurde aus dem Maler ein Bild- 
hauer. So kehrte er als einer der ersten Künstler, die der 




Abb. 137. Fischerin. Ludwigsburg um 1765. 



Ludwigsburg 183 

neu erstandene Geist des klassischen Altertums berührt 
hatte, nach Deutschland zurück. 

Am herzoglichen Hofe in Stuttgart nahm Beyer jetzt 
eine bedeutende Stelle ein. Er arbeitete mit am Schmuck 
des neuen Schlosses, richtete eine Akademie der Künste 
ein und entfaltete eine reiche Tätigkeit für die Ludwigs- 
burger Porzellanfabrik, indem er ihr zahlreiche Modelle 
lieferte. 1767 verläßt' er Stuttgart und begibt sich nach 
Wien, wo er bald zum höchsten Ansehen emporstieg. Er 
errichtete dort ein großes Bildhaueratelier mit vielen Gehilfen 
und schmückte den schönen Park von Schönbrunn mit 
40 Statuen. Als führende Persönlichkeit im Wiener Kunst- 




Abb. 138. Bacchantenpaar. Ludwigsburg um 1765. 

leben war er nach vielen Richtungen hin fördernd tätig, 
auch für die dortige Porzellanmanufaktur; 1806 starb er in 
Schönbrunn. 

Da Beyer selbst in zwei von ihm herausgegebenen 
großen Abbildungswerken: »Österreichs Merkwürdigkeiten, 
Wien 1779« und »Die neue Muse, Wien 1784« einen Teil 
der Modelle seiner Porzellanfiguren, darunter auch die 
trauernde Artemisia, die sich über die Urne des Mausolos 
lehnt (Schrank 453) abgebildet hat, läßt sich sein Anteil an 
der Ludwigsburger Porzellanplastik leicht feststellen. Die 
Artemisia ist, wie auch noch andere Porzellanmodelle, für 
den Park von Schönbrunn in Marmor ausgeführt worden. 
Das Bewegungsmotiv der Figur, bei der beide Arme nach 
einer Seite geworfen sind, so daß ein Arm den Oberkörper 



184 Ludwigsburg 

diagonal überschneidet, während der Kopf in entgegen- 
gesetzter Richtung wie die Arme, seitwärts, mit starker 
Neigung nach unten hin gerichtet ist, ist ein Lieblingsmotiv 
Beyers. Er wendet dasselbe, ohne daß z. B. die Senkung 
des Kopfes immer begründet ist, sowohl bei stehenden 
Figuren an, wie der Artemisia, Flora, Libertas, Veritas 
(Schrank 453), Abundantia, als auch bei sitzenden bzw. das 
Knie aufstützenden Figuren, wie der Fischerin (Abb. 137), 
der Bacchantin, die den Widder schlachtet, » Der Bacchantin 
mit einem Pantherweibchen« und mehreren Figuren der 
Musikanten. Auch aus der das Tamburin schlagenden Bac- 
chantin klingt es noch heraus. Die starke Spannung des 




Abb. 139. Tintenfaß. Ludwigsburg um 1760. 

Körpers bei der Gruppe der sitzenden Figuren, bei denen 
Kopf und Knie sich wie die Enden eines angezogenen 
Bogens nähern, läßt diese Gestalten lebendiger und tempera- 
mentvoller erscheinen als manche der stehenden Figuren, 
so daß Pfeiffer geglaubt hat, die Musikanten einem anderen 
Künstler, dem Bildhauer Joseph Weinmüller, der für das 
Ottobeurer Benediktinerkloster Holzstatuen verfertigt hat, 
zuschreiben zu müssen. Abgesehen davon, daß die im 
Rhythmus der Bewegung und im Temperament der Spinett- 
Spielerin aufs nächste verwandte »Bacchantin mit dem 
Pantherweibchen« in den »Merkwürdigkeiten« abgebildet 
und in Schönbrunn in Marmor wiederholt ist, sprechen auch 
die Proportionen der langgliedrigen Körper und der antiki- 



Ludwigsburg 



185 



sierende Kopftypus für'die engen Beziehungen der Musikanten 
zu den mythologischen Figuren Beyers. Es läßt sich freilich 
nicht leugnen, daß die Musikanten und eine Figur wie die 
Fischerin noch am wenigsten Berührung mit der Antike 
verraten, eher noch Beziehungen Beyers zu den Adams, die 
auch Dernjac annimmt, wahrscheinlich macht. Erst in den 
offenbar späteren Figuren, wie der Veritas, macht sich das 
antike Element, das bei den genannten Figuren kaum an 
die Oberfläche tritt, stärker geltend. 

Die anmutige 
Gestalt der Fische- 
rin gehört viel- 
leicht zu dem gro- 
ßen Tafelaufsatz, 
der am Geburtstag 
des Herzogs im 
Jahre 1764 in dem 
in ein »palais 
enchant^ « um- 
gewandelten Hof 
des Ludwigsbur- 
ger Schlosses auf- 
gestellt war. In 
einem 17 Fuß lan- 
gen, II Fuß brei- 
ten Bassin sah 
man Neptun auf 
seinem von vier 
Seepferden be- 
spannten Wagen, 
Tritonen und Na- 
jaden, Grotten mit 
den gefesselten 
Winden; auf grö- 
ßeren Felsen er- 
blickte man vier 
Flußgötter, auf 

kleineren Fischerkinder, Delphine und Tritonen. Die 
vier Flußgötter in der Staatssammlung vaterländischer Kunst- 
und Altertumsdenkmale in Stuttgart sind möglicherweise 
mit den Göttern des Tafelaufsatzes identisch. Auch die 
Bacchanten, die zum Teil paarweise zu schön komponierten 
Gruppen vereinigt sind, haben wohl ein Ganzes gebildet. 
Selbst Architekturstücke von 4 — 5 Fuß Höhe wurden aus 
Porzellan als Tafelzierate angefertigt. Bei der Geburtsfeier 
des Herzogs im Jahre 1763 wurden den anwesenden Damen 
porzellanene Blumensträuße überreicht. 




Abb. 140. Kaffeekanne. Ludwigsburg um 1770. 



i86 



Ludwigsburg 



Mehrere der Modelle kommen in einem dreifach ver- 
schiedenen Maßstabe vor, massenhaft haben sich noch winzig 
kleine Figürchen erhalten, z. B. im Zähringer Museum im 
Schloß zu Karlsruhe, wo sie kleine porzellanene Kaufläden 
bevölkern, auf denen die Waren aufgemalt sind. 

Die Bemalung der Figuren ist entweder wie bei der 
Fischerin nur andeutend, leicht und duftig, oder wie bei 
der Bakchantengruppe (Abb. 138) mit reichlicher Verwendung 
von Fleischfarbe und anderen Tönen. Diese deckende Be- 
malung ist bei der nur selten gelungenen Masse die häufi- 
gere. Charakter- 
istisch ist die Ab- 
fassung der Ge- 
wänder mit grü- 
nen Säumen. 

Das Kupfer- 
stichkabinett in 
Stuttgart besitzt 
zahlreiche Ent- 
würfe von Ge- 
schirren und Ge- 
räten zumeist aus 
den Jahren 1760 
bis 1762, die in 
zierlichen Roko- 
koformen gehal- 
ten sind ; sie stam- 
menvon der Hand 
des Obermalers 
GottliebFried- 
richRiedel,der 
von 1743— 1756 
in Meißen gear- 
beitet hatte und 
später (1780? bis 
1784) in Augs- 
burg als Kupfer- 
stecher tätig war. Zwei Ludwigsburger Kannen mit Füßen 
stellen die Abb. 140 und 141 dar. Während die eine Form nur 
eine leichte Abwandlung der üblichen Kannenform ist, ist da- 
gegen die andere eine sonst nicht vorkommende Gestaltung. 
Eine Besonderheit ist auch das den ganzen Grund deckende 
Reliefschuppenmuster, das wohl den Zweck haben sollte, Un- 
reinlichkeiten der Masse zu verschleiern. Als virtuoser Blumen- 
maler zeigt sich auf einem Service in der Staatssammlung zu 
Stuttgart Friedrich Kirschner. Er malt große, in dichter 
Masse nebeneinander gesetzte Blumen mit großer Geschick- 




Abb. 141. Kaffeekanne. Ludwigsburg um 1780. 



Lud w igsburg 1 8 7 

lichkeit. Besondere Prunkstücke sind die in derselben 
Sammlung befindlichen Spiegel und Wandleuchter sowie 
die großen, mit plastischen Gehängen geschmückten Vasen 
im Karlsruher Schloß. Als Marke verwendete die Ludwigs- 
burger Fabrik ein verschlungenes C (Carl) unter einem 
Herzogshut. 



Nymphenburg, 



Schon 1729 hatte sich ein wandernder Porzellanlaborant 
aus Dresden in München angeboten, Porzellan herzustellen, 
aber seine Bemühungen waren nicht von Erfolg begleitet. 

1747 erneuerte Jo» 
seph Niedermayer 
den Versuch, die 
Porzellankunst in 
Bayern einzufüh- 
ren, und gewann 
den Kurfürsten 
Max Joseph III. 
für sein Unterneh- 
men. ImHof garten 
zu Neudegg wur- 
de eine Porzellan- 
fabrik errichtet, 
die indessen erst 
seit der Berufung 
des Arkanisten Jo- 
seph Ringler im 
Jahre 1754 einen 
größeren Auf- 
schwung nahm. 
1758 waren 30 
Angestellte bei 
der Fabrik be- 
schäftigt. 

Die Verlegung 
der Manufaktur 
nach Nymphen- 
burg im Jahre 1 7 6 1 
hatte eine bedeu- 
tende Erweiterung 
der Unternehmung zur Folge. 1765 hatte das Personal die Zahl 
von 300 Köpfen erreicht. Aber mit der gesteigerten Fabrikation 
hielt der Absatz nicht gleichen Schritt und die Anzahl der 
Arbeiter mußte wieder bedeutend eingeschränkt werden. 




Abb. 142. Dame mit Pilgerfiasche. Nymphen bürg um 1765. 



Nymphenburg 



189 



Solange Max Joseph III. noch lebte, wurde die Fabrik durch 
hohe Zuschüsse aus der kurfürstlichen Schatulle unterstützt. 
Sein Nachfolger indessen, Karl Theodor von der Pfalz, der 
1777 den bayerischen Thron bestieg, kümmerte sich mehr 
um seine Manufaktur in Franken thal. 




Abb. 143. Der Schläfer. Nymphen bürg um 1765. 



Um die Wende des Jahrhunderts treffen dann mehrere 
Ereignisse zusammen, die der Nymphenburger Manufaktur 
wieder aufhelfen sollten. Die Frankenthaler ging ein und 
mehrere der tüchtigsten Kräfte, darunter Melchior, traten 
nach Nymphenburg über; das Fürstentum Passau kam mit 
seinen reichen Kaolinlagern in bayerischen Besitz, und als 
bei diesem Anlaß die Wiener Filialfabrik in Engelhardtszell 



190 



Nymphenburg" 



aufgelöst wurde, übersiedelten die Arbeiter ebenfalls nach 
Nymphenburg. Von seiten des bayerischen Fürstenhauses 
wird die nationale Manufaktur wieder begünstigt und ge- 
fördert, und obschon ihre Beibehaltung viele Opfer erforderte, 
betrachtete man sie doch als » eine Staatsangelegenheit, ein 
Attribut des Glanzes und eine Ehrensache des Hofes« und 
führte sie bis zum Jahre 1862 fort, wo sie in Privathände 
überging. 

Als Marke verwendete man den eingepreßten Rauten- 
schild, daneben auch das Pentagramm in Unterglasurblau, 
von merkwürdigen Zahlen und Zeichen umgeben. Diese 
Zeichen erscheinen auch ohne das Pentagramm in einer 

Linie nebeneinander. 

Modellmeister war 
in den ersten Jahren 
Franz Bastelli, »ein un- 
bekannter italienischer 
Bildhauer«, nach seinem 
in der Mitte der sechzi- 
ger Jahre erfolgten Tode 
trat Dominikus Auli- 
czek an seine Stelle. 
Diesen hält der Katalog 
der Sammlung Georg 
Hirth für den geistrei- 
chen und temperament- 
vollen Modelleur, der 
jene entzückenden, von 
sprühendem Leben er- 
füllten Figuren der Da- 
men und Kavaliere, der 
Liebespaare, der Gestalten der italienischen Komöde, Chi- 
nesen, Heilige, Liebesgötter u. a. geschaffen, die vielleicht 
das Beste sind, was die deutsche Plastik des 18. Jahrhunderts 
hervorgebracht hat. Die von Auliczek geschaffenen großen 
Statuen und Gruppen im Nymphenburger Park sollen diese 
Annahme beglaubigen, widerlegen sie aber im Gegenteil 
aufs schlagendste. Es gibt keinen krasseren Gegensatz 
als zwischen diesen in gemessener Ruhe dastehenden, 
muskulösen, breitschultrigen Gestalten und jenen von mo- 
mentaner zuckender Bewegung erfaßten, überschlanken, fein- 
gliedrigen und nervösen Porzellanfiguren. Dort Schweigen, 
schwerblütige Ruhe und kalte Gemessenheit, hier jäher 
Aufschrei, plötzliche Wendung, kühne Bewegung, ein Sich- 
neigen und Drehen, ein Haschen und Sträuben, und selbst 
die Ruhe als vorübereilender Augenblick gestaltet. Auch 
die Gewandbehandlung ist durchaus verschieden: von der 




Abb. 144. Tasse. Nymphenburg um 1765. 



Nymphenburg lOl 

virtuosen, breit stilisierenden Modellierung des Kostüms der 
Porzellanfiguren, deren große glatten Flächen in scharfen 
Kanten aneinanderstoßen, ist nichts in dem kleinlichen, 
krausen Gefältel der Mäntel der Götterfiguren im Park 
von Nymphenburg zu entdecken. Es geht auch nicht an, 
diese Gegensätze damit zu bemänteln, daß man sagt: »der 




Abb. 145. Schassei. Nymphenburg um 1765. 

kühle Hauch der antikisierenden Zeit«, dem sich Auliczek 
nicht habe entziehen können, liege über diesen. Auch in 
den späteren Werken Konrad Lincks (vgl. Seite 172), den 
1781 und 1790 entstandenen Denkmälern auf der Heidel- 
berger Brücke, zeigt sich eine kältere, frostigere Auffassung 
und leblosere Formsprache, als in seinen jüngeren Arbeiten; 
aber trotz der Unterschiede lassen sich doch unverkennbare 



192 



Nymphenburg 



Berührungspunkte herausfinden, man gewahrt deutlich noch 
die Handschrift des Schöpfers der reizvollen Porzellanfiguren. 
Aus den Statuen des Nymphenburger Parks spricht aber 
ein ganz anderer Geist und ein durchaus verschiedener 
Formencharakter als aus den Porzellanfiguren. Will man 
unter den Arbeiten der Nymphenburger Manufaktur nach 
Modellen suchen, die auf Auliczek zurückgehen könnten, 

so findet man eher in 
dem im Nationalmuseum 
zu München und in 
der Staatssammlung zu 
Stuttgart vorhandenen 
Tafelaufsatze, der die 
Erde und das Wasser 
darstellt, Verwandtschaft 
mit den erwähnten Sta- 
tuen, sowohl in der 
Formbehandlung wie im 
geistigen Ausdruck. 

Es bleibt also wohl 
nur Franz Bastelli als 
Urheber jener Porzellan- 
figuren übrig; das rassi- 
ge Temperament, das 
aus ihnen hervorbricht, 
würde auf Rechnung der 
italienischen Herkunft 
ihres Schöpfers zu setzen 
sein. 

Auch Melchior, der 
von 1796 — 1825 in Nym- 
phenburg tätig war, 
schuf dort in Biskuit 
Porträtbüsten von Na- 
poleon usw. sowie alle- 
gorische Gruppen. 

Die glasierten Por- 
zellanfiguren der Nym- 
phenburger Fabrik sind 
zumeist unbemalt, sie scheinen, ähnlich wie die Wiener, in 
diesem Zustande in den Handel gekommen zu sein. 

Auch die Dekoration der Geschirre weist bei manchen 
Stücken eine solche Vollendung der Malerei und reizvolle 
Eigenart der Motive auf, wie bei keiner anderen Manufaktur. 
Ein besonders schönes Beispiel von feinster Malerei besitzt 
das Hamburgische Museum in einer Kaffeekanne, die mit 
den zierlichsten Goldrocaillen bemalt ist. Eine Kanne, 




Abb. 146. Leuchter. Nymphenburg um 1780. 



Nymphenburg 



193 



vielleicht von demselben Service^ befindet sich in der 
Sammlung der Königlichen Porzellanmanufaktur, der ganze 
Körper ist von zierlichen Rocaillen übersponnen. Ein 
anmutiges Dekorationsmotiv zeigt auch die Tasse mit dem 
Springbrunnendekor (Abb. 144). Bei dem abgebildeten Teller 




Abb. 147. Schale. Nymphenburg um 1770. 

ist weniger die etwas schwerfällige Blumenmalerei als der 
feine Goldrand zu beachten. Später schuf man in den 
Formen des Klassizismus interessante neue Gefäß- und 
Gerättypen. Der kleine Leuchter ist ein bescheidenes Bei- 
spiel dieser Art. 



Brüning-, Porzellan. 



13 




Abb. 148. Porzellan aus der Fabrik zu Fulda um 1770. 



Kleinere deutsche Fabriken. 

Fulda. Hier begründete der Fürstbischof Heinrich 
von Bibra (1759 — 1788) in den sechziger Jahren eine 
Porzellanfabrik. Das »Journal für Fabrik, Manufaktur und 
Mode« von 1797 berichtet über sie: »Die Porzellanfabrik 
von Fulda ist eingegangen. Sie verdiente mehr wegen der 
Schönheit ihrer Waren als wegen des Handels bemerkt zu 
werden. Sie setzte nur 8000 Taler ab und wurde auf 
fürstliche Rechnung betrieben.« 1765 — 1766 war ein früher 
bei Wegely angestellter Arbeiter, Nicolaus Paul, Leiter der 
Fabrik. 

Das kleine Rokokoschlößchen Wilhelmsthal bei Kassel 
enthält eine große Anzahl zierlichster Porzellanfiguren der 
Fuldaer Fabrik, Tänzer, Musikanten usw., die nebst den 
vereinzelt in den öffentlichen und privaten Sammlungen 
verstreuten Gruppen und Figuren hohe Achtung einflößen 
vor dem Können der Fuldaer Modelleure und dem Geschmak 
der Maler, die diese reizvollen Püppchen mit großer Liebe 
und Sorgfalt staffiert haben. Viele von den Figuren zeigen 
große Verwandtschaft mit jenen auf S. 173 erwähnten kleinen 
Figuren der Frankenthaler Fabrik (Abb. 126), so daß wohl 
derselbe Modelleur hier wie dort gearbeitet haben wird. 



Kleinere deutsche Fabriken 



195 



Die an Höchst erinnernden Kinderfiguren zeigen eine drollig 
zieriiche, oft auch linkische Anmut, die über die vielfach 
mangelhafte Modellierung leicht hinwegtäuscht. Als Marken 
wird ein einfaches oder doppeltes F und ein gleichschenke- 
liges Kreuz in Unterglasurblau benutzt (Schrank 450). 

Ansbach. Die 1759 ^^ Ansbach begründete Fabrik 
wurde schon 1762 nach dem Schlosse Bruckberg ver- 
legt, wo sie unter dem Markgrafen Karl Alexander einen 




Abb. 149. Milchkanne. Ansbach um 1770. 



ziemlichen Aufschwung nahm und besonders auf dem 
Gebiete der Geschirrfabrikation gute Leistungen hervor- 
brachte. Johann Friedrich Kandier, ein Vetter des Meißener 
Künstlers, leitete das Unternehmen. 1807 wurde die Fabrik 
verkauft. 

Die abgebildete Kanne mit dem kleinen Köpfchen am 
Ausguß zeigt eine anscheinend hier erfundene Form, die 
Bemalung ahmt ein Stoffmuster nach. Die Anbietplatte 

13* 



iq6 Kleinere deutsche Fabriken 

mit einem Mädchen, das sich die Füße im Bache wäscht, 
in einfarbiger Purpurmalerei, zeigt, daß Ansbach über gute 
Maler gebot (Schrank 452). 

Volkstedt bei Rudolstadt. In der zweiten Hälfte 
des 1 8. Jahrhunderts wuchsen im Thüringer Walde, begünstigt 
durch den großen Holzreichtum und die zahlreichen ver- 
fügbaren Wasserkräfte, eine große Anzahl von Porzellan- 
fabriken empor, die den Grund zu der großen Entwicklung 
gelegt, die die Porzellanindustrie in jener Gegend im 19. Jahr- 
hundert genommen hat. Aber von allen diesen in Volk- 
stedt, Kloster Veilsdorf, Gotha, Gera, Limbach, Wallendorf, 
Großbreitenbach, Ilmenau, Rauenstein, Blankenhain und 
Eisenberg errichteten Fabriken rangen sich nur die drei 
erstgenannten zu künstlerischen Leistungen empor. 




Abb. 150. Soliiaire. Volkstedt um 1770. 

Die von Georg Heinrich Macheleid 1760 zuerst in 
Sitzendorf, seit 1762 in Volkstedt errichtete Fabrik hat eine 
größere Anzahl von Arbeiten, insbesondere feinere Malereien 
geliefert, die ihrer Leistungsfähigkeit das beste Zeugnis 
ausstellen. Wenn auch das große Speiseservice im Besitz des 
Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt mit »Neubrandenstein« 
und »deutschen« Blumen im Uberschwall des Relieforna- 
mentes künstlerisches Maßhalten vermissen läßt, so kommen 
doch die feinen Stücken des zierlichen Solitaire (Abb. 150), 
das das Monogramm der Prinzessin Maria Sybille von 
Schwarzburg-Rudolstadt trägt, den besten Erzeugnissen der 
großen Manufakturen nahe. 



Kleinere deutsche Fabriken 



197 



Beliebt sind einfarbige Malereien in Eisenrot und Purpur, 
da sie nicht das technische Können der Buntmalerei er- 
fordern; sie sind vielfach, wie die beiden Köpfe auf der 
nach einem Berliner Modell angefertigten Anbietplatte und 
Tasse beweisen, meisterhaft ausgeführt (Abb. 151). Ein eben- 
falls in Eisenrot bemaltes Frühstückservice des Hamburgi- 
schen Museums wiederholt Stiche von Chodowiecki; auch 
das Bild auf der Innenseite des Dosendeckels, das in ein- 
farbiger Purpurmalerei ausgeführt ist, ist einem Stiche von 
Chodowiecki nachgebildet. 

Als Marke führte man anfangs ein R., von 1766 bis in 
die achtziger Jahre gekreuzte Gabeln, in der Absicht, die 




Abb. 151. Anbietpiatte mit Tasse. Volkstedt um 1770. 



Meißener Marke nachzuahmen. Als der Kurfürst von Sachsen 
dagegen Vorstellungen erhob, begnügte man sich mit einer 
Gabel. 

Kloster Veilsdorf. Reizvolle Arbeiten, insbesondere 
fein abgestimmte bunte Malereien, lieferte auch die vom 
Prinzen Friedrich Wilhelm Eugen von Hildburghausen 1760 
begründete, aber erst fünf Jahre später konzessionierte Fabrik 
zu Kloster Veilsdorf. Ihre Marke ist ein verschlungenes C. V. 
Sie ist in der Sammlung ebenso schwach vertreten wie die 
Fabrik zu 

Gotha, der vielleicht die erste Stelle unter den 
thüringischen Manufakturen in Ansehung ihrer kunstreichen 



ig8 Kleinere deutsche Fabriken 

Erzeugnisse zukommt. Sie wurde in den sechziger Jahren 
von dem Oberhofmeister Kammerpräsident Wilhelm von Rot- 
berg ins Leben gerufen und führte ein R. bzw. Rg, ent- 
sprechend dem Namen ihres Begründers, seit 1805 das 
Wort »Gotha« als Marke. Gotha ist vielleicht die einzige 
Fabrik, die den Stil Ludwigs XVI. im Porzellan am edelsten 
und vornehmsten verkörpert hat. Mit schön gezeichneten 
Formen aus feiner Masse verbindet sich eine mit bestem 
Geschmack angewandte sparsame Ornamentik. Auch in 
den Formen des Empire schafft sie in Anlehnung an die 
Wiener Porzellankunst mannigfaltige Dekorationen. 




Abb. 152 Teil eines Teeservices. Um 1730. 



Hausmalereien. ^ 

Schon früh hatte man in Meißen über die » Pfuscher « zu 
klagen, d. h. über Maler, die außerhalb der Manufaktur auf 
eigene Faust weißes Porzellan dekorierten. Man kann sie Haus- 
maler nennen; die Franzosen sprechen von »chambrelans«. 
Ihre Tätigkeit fällt in die erste Hälfte des i8. Jahrhunderts, 
später lohnte es sich bei den allerorts aufblühenden Porzellan- 
fabriken nicht mehr. Sie benutzten unbemaltes Meißener 
oder Wiener Porzellan, stellenweise auch Chinesisches. 

Der bekannteste unter ihnen ist IgnazBottengruber, 
der in Breslau lebte. Der abgebildete Teller trägt auf der 
Rückseite die eisenrote Aufschrift: »A. B. f. Wrat: 1728.« 

Das reiche Laub- und Bandelwerk, in dem sich größere und 
kleinere Figuren, die den Winter darstellen sollen, bewegen, 
kehrt fast auf allen seinen Arbeiten wieder. Es wirkt ebenso 
wie die reiche, aber etwas trübe Farbgebung schwer. Wie 
hier und auf dem Gegenstück, das eine Allegorie auf den 
Herbst vorführt, deckt Bottengruber den ganzen Grund des 
Porzellans mit seiner Malerei. Aber während er bei den 
Tellern das organische Gefüge des Geschirrs nicht berück- 
sichtigt, sondern vielmehr den Malgrund als ungegliederte 
Fläche behandelt, weiß er bei der höchst reizvoll dekorierten 
kleinen Flasche sich sehr geschickt der Form des Gefäßes 
anzupassen. Der Humpen mit Venus und Adonis in einer 
Laub- und Bandelwerkkartusche ist seinem Stil sehr ver- 
wandt, aber wohl nicht von seiner Hand, ebensowenig wie 



200 



Hausmalereien 



die prächtigen Purpurmalereien auf dem Teeservice mit Zügen 
von Seewesen (Abb. 152, Schrank 430). Die Figuren sind sehr 
sicher und fein gezeichnet, während Bottengrubers Gestalten 
von derberem Schlage sind. Auch ist die punktierende 
Behandlung der Modellierung der Körper nicht seine Art. 
Auch Bottengruber benutzte Stiche, so auf einem Spülnapf 
der Sammlung des Ritter von Lanna in Prag einen Stich 
des Theodor de Bry, wie Pazaurek nachgewiesen hat. 




Abb. 153. Teller, bemalt von I. Bottengruber. Breslau 1728. 



Zu gleicher Zeit mit Bottengruber arbeiteten in Breslau 
noch zwei andere Hausmaler, Preußler und Karl Ferdinand 
von Wolfsburg. 

Von Preußler erzählt der Breslauer Arzt Kundmann 
1723, daß er auf Wiener Porzellan »nur Grau in Grau 
oder schwartze Gemähide gemacht« habe. Auf Grund 
dieser Bemerkung pflegt man Preußler eine große Anzahl 
Schwarzmalereien «uzuschreiben, die häufig mit etwas Gold 
gehöht sind (Abb. 154). Neben figürlichen Darstellungen 



Hausmalereien 




Abb. 154. Getchirr, bemaK von PreuBler. Breslau um 1725. 

benutzte er als Ornament fein gezeichnetes Laub- und 
Bandelwerkornament mit Vögeln (vgl. den Deckel der 
Teekanne). Die- 
selbe Art desLaub- 
werks und mäan- 
derartig durch- 
steckten Bandel- 
werks zeigt auch 
die mit goldge- 
höhterRotmalerei 
verzierteTasse aus 
chinesischem Por- 
zellan (Abb. 154 
rechts). Auch der 
mit mythologi- 
schen Darstellun- 
gen in Schwarz- 
malerei bemalte 
Telleristebenfalls 
chinesisches Por- 
zellan, das in 
China nur mit ei- 
nem unterglasur- 
blauen Rande ver- 
sehen ist. Bei 
einem ähnlichen 
Teller im Besitz 
des Herrn Dr. 
von Daliwitz sind Stiche des Benoit Audran nach zwei 
Gemälden von Francesco Albani im Louvre kopiert worden. 




Abb. 155. Humpen, bemalt von K. F. v. Wolfsburg. 

Breslau 1729. 



202 Hausmalereien 

Verwandte Schwarzmalereien finden sich auch auf schlesischen 
Gläsern und Fayencen. 

Ein schönes bezeichnetes Stück von Karl Ferdinand 
von Wolfsburg besitzt das Museum in dem Humpen, auf 
dem in trübem, bräunlichem Eisenrot gemalte Satyrn und 
Mänaden nebst Kindern eine Pansherme bekränzen (Abb. 155). 
Wolfsburg scheint seine Tätigkeit noch durch mehrere Jahr- 
zehnte fortgesetzt zu haben. Am 11. Mai 1736 berichtete 
der sächsische Gesandte in Berlin nach Dresden, daß dort ein 




Abb. 156. Teller, graviert von Busch- Hildesheim 1754. 



Wolfsburg aus Schlesien sich aufhalte und der Kronprinzessin 
eine von ihm »en emaille« gemalte Garnitur aus Meißener 
Porzellan überreicht habe. Die Porzellansammlung und das 
Kunstgewerbemuseum in Dresden besitzen zwei Teller mit 
dem Wappen des Johann Christian von Benada und breitem 
Bandelwerk in Gold, auf deren Rückseite sich die Aufschrift 
findet: »peint par Charles Ferdinand de Wolfsburg ä Breslau 
Tan 1748«. 

Früh suchten auch Augsburger Maler mit den Deko- 
rateuren der Meißener Manufaktur zu wetteifern. Die Tasse, 
auf der einzelne Figuren in einer Landschaft, umgeben von 



Hausmalereien 203 

einer lockeren Kartusche in Eisenrot und Purpur, dargestellt 
sind, wird durch eine ähnliche Tasse in der Sammlung Franks 
im Bethnal Green Museum in London als Arbeit des Augs- 
burgers J. A.W. (J. Auffmwerth?) gekennzeichnet. Andere, wie 
Metzsch und Jucht, nennen sich auf Porzellanen derselben 
Sammlung als Baireuther. Der auf kleine Plättchen von Por- 
zellan und Fayence malende B. Calau (177 1 u. 1773) arbeitete 
in Berlin. 

Eine besondere Technik übte der Kanonikus Busch 
in Hildesheim. Er gravierte auf Gläser und Porzel- 
lane schwarz eingeriebene Bilder im Charakter von Radie- 
rungen, zumeist Viehstücke. Ein Flügelglas in der Glas- 
sammlung trägt die Zahl 1748 (Schrank 610). Der abgebildete 
Teller ist 1754 datiert. Die jüngste mir bekannte Arbeit, von 
1774, ist eine Glasplatte mit einem Hirsch, der von Hunden 
verfolgt wird, in der Sammlung des Oberjustizrats von dem 
Busch in Hildesheim, die noch zahlreiche Arbeiten des 
Kanonikus enthält. ^ 



Französisches Porzellan. 



Schon vor der Erfindung des Hartporzellans durch 
Böttger war es in Frankreich gelungen, eine dem chinesischen 
Porzellan ähnliche Masse herzustellen. Es war ein weiches 
Frittenporzellan, ein dem Glase verwandter Stoff, dem 

aber ganz das cha- 
rakteristische.Ele- 
ment aller Ton- 
wafen, der plasti- 
sche Ton oder ein 
Kaolin, fehlte. 

Es scheint, daß 
das Verdienst, die- 
se Masse erfunden 
zu haben, dem 
Fayencefabrikan - 
ten Louis Poterat 
in Rouen zu- 
kommt. Er erhielt 
1673 ^äs Privileg, 
Porzellan nach 
dem Muster des 
chinesischen und 
Fayence in der Art 
der Delfter Ware 
zu verfertigen. 
Nach seinem To- 
de im Jahre 1696 
ist die Fabrik bald 
eingegangen. Ei- 
nes der sehr sel- 
tenen Produkte 
Poterats besitzt die Dresdener Porzellansammlung: eine 
Butterdose mit Blaumalerei im Stil der Rouener Fayencen 
(style rayonnant). Sie trägt die Marke A. P. 

Bald nachher errichtete (vor 1696) Pierre Chicanneau 
in St. Clou d eine Porzellanfabrik, die von seinen Kindern 
und Henri Trou, der seine Witwe heiratete, weiter fort- 




Abb. 157. Napf in Bronzefassung. Chantilly Mitte 18. Jahrh. 



Französisches Porzellan 



205 



geführt wurde. Der Herzog von Orleans sckenkte ihr später 
seine besondere Gunst. 1777 wurden die Werke durch Feuer 
vernichtet. Man ahmte in der schönen milchigen Masse 
die »blancs de Chine« nach. Ein Stück dieser Art ist die 
in Bronze gefaßte Zuckerdose mit Mumezweigen und Lotos- 
blättern (Abb. 157, Schrank 448). Die Bronze ist zum Teil 
vergoldet, zum Teil bemalt und mit bunten Porzellanblumen 
garniert, der Knauf hat die Gestalt eines Schmetterlings. 
Andere Geschirre zeigen in Blaumalerei ebenfalls den Dekor 
der Rouener Fayencen. Als Marke diente unter Ludwig XIV. 
eine Sonne, das Symbol des Sonnenkönigs. Später erscheinen 
die Buchstaben S. C. T. (St. Cloud, Trou). 

Unter den anderen 
Weichporzellanfabriken , 
die noch in der ersten 
Hälfte des 18. Jahrhun- 
derts entstanden, in Lille, 
Mennecy, Villeroy,C h a n- 
tilly u.a.O., verdient die 
letztere besondere Beach- 
tung. Sie wurde nach 
zehnjährigen Bemühun- 
gen 1735 durch Ciquaire 
Cirou begründet und 
stand unter dem Patro- 
nate des Prinzen Louis 
Henry von Cond6. Ihre 
Marke war ein Jagdhorn. 
Der Prinz besaß eine 
Sammlung von Imaripor- 
zellanen, deren Formen 
und Dekorationen von 
der Fabrik mit Erfolg 
nachgeahmt wurden. Sie bestand bis 1789. 

Alle diese Unternehmungen wurden aber um die Mitte 
des Jahrhunderts von einer neuen Gründung überholt, die, 
von der Gunst des königlichen Hauses bestrahlt, sich zu 
glänzender, über die Grenzen Frankreichs reichender Be- 
deutung entwickeln sollte. 

Zwei Brüder Dubois, die in St. Cloud, später in Chantilly 
gearbeitet, aber wegen schlechter Führung entlassen worden 
waren, hatten um 1740 auf eigene Faust sich mit der Be- 
reitung von Porzellan beschäftigt und es verstanden, das 
Interesse des Bruders des Finanzministers, Orry de Fulvy, zu 
gewinnen. Er quartierte sie in dem Schloß Vincennes bei 
Paris ein und unterstützte sie mit reichen Geldmitteln. Als 
sie nach vierjähriger Arbeit noch nicht zum Ziel gelangt 




Abb. 158. Milchkanne, bemalt von Talllandler. 

Sdvres um 1750. 



2o6 



Französisches Porzellan 



waren und Orry de Fulvy schon das Unternehmen wieder 
aufgeben wollte, da bot sich ein intelligenter Arbeiter 
der Dubois, namens Gravant, an, die Versuche weiter 
fortzuführen. Diesem gelang es denn auch, mit Hinzu- 
ziehung von Arbeitern aus Chantilly, 1745 eine Masse zu 
finden, die in ihrer künstlerischen Zweckdienlichkeit die 
Masse der anderen französischen Fabriken übertraf. Es 
wurde nunmehr eine Aktiengesellschaft mit einem Fonds 
von 90000 Franks gegründet, der Ludwig XV. ein Privileg 
auf 30 Jahre ausstellte. Der Chemiker Heilot, Direktor der 
Akademie der Wissenschaften, wurde mit der Überwachung 

der technischen Arbeiten 
betraut, der Hofgold- 
schmied Duplessis wurde 
als Modellmeister zur 
Herstellung von Gefäß- 
foriiien berufen. Der 
Emailmaler Mathieu wur- 
de Inspektor der Maler, 
jedoch schon 1748 durch 
Jean -Jacques Bachelier 
ersetzt. Die Direktion 
erhielt Boileau. Schon 
1749 gab es etwa 100 An- 
gestellte. 

Die Fortschritte der 
neuen Fabrik waren bald 
so groß, daß man sich 
entschloß, 1753 das Un- 
ternehmen unter dem 
Titel »Manufacture ro- 
yale de la porcelaine de 
France« auf eine breitere 
Grundlage zu stellen. Es wurde eine neue Aktiengesell- 
schaft mit einem Kapital von 800 000 Franks gebildet, an dem 
der König mit einem Viertel beteiligt war. Die Fabrik 
erhielt die weitgehendsten Privilegien: den anderen Manu- 
fakturen wurde verboten, ihre Porzellane in anderen Farben 
als in Blau oder in einfarbiger Malerei zu dekorieren. Sie 
durften weder Gold anwenden, noch auch FigureA und 
Blumen herstellen. 

Auf Betreiben der Pompadour, die für das Unternehmen 
große Liebhaberei hatte, wurde die Fabrik nach S^vres, 
zwischen Paris und Versailles, verlegt, und an Stelle eines 
alten Schlosses des Musikers Lully ein neues, aber wenig 
praktisches Gebäude, in dem für den König eine Reihe von 
Gemächern hergerichtet wurden, erbaut. In den folgenden 




Abb. 159. Deckeitasse. Sdvres 1757. 



Französisches Porzellan 



207 



Jahren stieg der Absatz gewaltig. Förderlich für den Ver- 
brauch von Porzellan war die auf Befehl des Königs zweimal 
vorgenommene Einschmelzung alten Silbergeräts, als dessen 
Ersatz das Porzellan dienen mußte. Auch zu Geschenken 
an fremde Souveräne verwandte man jetzt das Porzellan. 
Infolge von Differenzen zwischen den Aktionären und dem 
königlichen Kommissar löste sich die Gesellschaft 1759 
auf und Ludwig XV. übernahm die Manufaktur auf eigene 
Rechnung. 




Abb. 160. Teuer aus dem Service der Kaiserin Katharina. Sdvres 1778. 



Trotz der reichen künstlerischen Veredlung, deren das 
Weichporzellan fähig war, blieb immer doch der Wunsch 
wach, eine für praktische Zwecke geeignetere Masse, ein 
Hartporzellan, herstellen zu können. Verschiedentlich waren 
schon Anerbietungen an die Direktion von Leuten heran- 
getreten, die sich anheischig machten, Hartporzellan zu 
fabrizieren; aber alle Versuche scheiterten an dem Umstand, 
daß man kein Kaolin besaß. Erst seit dem Jahre 1768, 
als man in der Gegend von St. Yrieix bei Limoges reich- 
haltige Kaolinlager entdeckte, begann allmählich die Her- 
stellung von Hartporzellan in beschränktem Maße. 



2o8 



Französisches Porzellan 



In den achtziger Jahren macht sich ein starker Rück- 
gang der Fabrik bemerkbar, einesteils veranlaßt durch die 
Vorboten des drohenden Unwetters, das über Frankreich 
hereinbrechen sollte, andernteils durch die starke Konkurrenz 




Abb. 161. Vase. Sdvres um 1760. 



anderer Fabriken, nachdem die freiheitlichen Anschauungen 
allmählich die alten Privilegien der Manufaktur weggefegt 
hatten. Trotzdem wollte Ludwig XVI. ein Institut, das 
dem französischen Namen Glanz und Ehre gebracht hatte, 
nicht aufgeben, obschon man 1790 ihm vorschlug, die Fabrik 
zu verkaufen. Unter den größten Schwierigkeiten hielt sie 



Französisches Porzellan 200 

sich selbst durch die Schreckenszeit der Revolution hindurch, 
bis im Jahre 1800 durch die Berufung des Chemikers Alexander 
Brogniard, des Begründers der keramischen Wissenschaft, 
für die Fabrik eine neue Ära begann. Brogniard führte 
ausschließlich die Herstellung von Hartporzellan ein. Auch 
Napoleon schenkte dem wiederbelebten Unternehmen seine 
Gunst, er sah in ihren Erzeugnissen ein geeignetes Mittel zu 
seiner Verherrlichung und verschenkte sie in freigebiger Weise. 

Auch die wechselnden politischen Ereignisse des 19. Jahr- 
hunderts gingen an der Manufaktur nicht spurlos vorüber, 
vermochten jedoch nicht eine Unternehmung zu vernichten, 
die bis auf den heutigen Tag als nationales Kunstinstitut 
und Musteranstalt der Stolz Frankreichs geblieben ist. 

Das französische Weichporzellan ist, wie erwähnt, kein 
keramisches Produkt im eigentlichen Sinne, da es keinen 
Ton enthält, sondern es wird nur wegen seiner äußeren 
Erscheinung zum Porzellan gerechnet. In seiner Zusammen- 
setzung nähert es sich dem Glase. Seine Bereitung war 
überaus kompliziert. Der Hauptbestandteil der Masse bildete 
eine glasige Fritte, zu deren Herstellung Quarzsand von 
Fontainebleau, Salpeter, Kochsalz, Soda, Alaun und Gips 
oder Alabasterspähne verwendet wurden. Diese Bestandteile 
wurden gut gemischt und einem etwa fünfzigstündigen Feuer 
ausgesetzt, das sie in eine weiße Frittenmasse verwandelte. 
Diese wurde dann pulverisiert und im Verhältnis von 3 zu i 
mit kreide- oder gipshaltigem Mergel verbunden. Nachdem 
diese Masse noch einem langwierigen Knetprozeß unter- 
worfen und durch Zusatz von grüner Seife bildsam gemacht 
worden, war sie zur Bearbeitung fertig. Die Glasur, die 
durch Besprengen auf das zu Biskuit gebrannte Stück in 
geringerer Hitze aufgebracht wurde, wurde ebenfalls sehr 
umständlich aus Quarzsand, Bleiglätte, Feuerstein, Soda und 
Pottasche hergestellt. Da die Masse im Brande stark er- 
weichte und schwand, bedurfte man vieler Stützen. Auch 
bei der Anfertigung der Formen mußte diesem Umstände 
Rechnung getragen werden : sie waren zumeist ziemlich glatt 
und einfacher in der Silhouette als die Hartporzellane. 

Den technischen Mängeln der päte tendre, ihrer leichten 
Schmelzbarkeit, ihrer schwachen Widerstandsfähigkeit gegen 
Temperaturveränderungen, der geringen Härte der Glasur, 
die sich leicht ritzen läßt, stehen anderseits große künstlerische 
Vorzüge gegenüber. Die Farben sinken beim Brande in die 
leichtflüssige Glasur ein, so daß ähnlich wie bei den Unter- 
glasurfarben des Hartporzellans der Spiegelglanz der Glasur 
über ihnen liegt und ihre Leuchtkraft erhöht. Die niedrige 
Brenntemperatur der Glasur gestattet ferner die Anwendung 
schönerer Fondfarben, als es das Hartporzellan erlaubt. 

Brüning, Porzellan. ja 



j I 



2IO Französisches Porzellan 

Die Weichporzellane waren mehr Luxus- als Gebrauchsgerät, 
schon wegen ihrer beträchtlichen Herstellungskosten standen 
sie schon damals sehr hoch im Preise. Die besten Stücke 
befinden sich in der Wallace Collection im Hertford House 
zu London, im Besitz des Königs von England und der 
Rothschild. 

Als Marke dienten seit 1753 zwei verschlungene L, zu- 
meist in Blau, in deren Mitte die Buchstaben des Alphabets 
in fortlaufender Reihenfolge, bis 1777 einfach, dann ver- 
doppelt, gesetzt wurden. Seit 1793 tritt das Wort »S^vres« 
nebst anderen Zeichen ein. Man pflegte auch die Zeichen 
der Maler und Vergolder unter die Marke zu setzen, die 
der Maler in der Regel in Blau, die der Vergolder in Gold. 

In den ersten Jahren der tastenden Versuche mußten 
noch fremde, insbesondere Meißener Porzellane als Vorbilder 
dienen. Zu dieser Gruppe der von Meißener Modellen 
abhängigen Gefäße gehört der Riechtopf (Potpourri) mit 
aufgelegten plastischen Blumen und bunter Blumenmalerei. 
Plastische Blumen von feinster Ausbildung machten über- 
haupt in den ersten Jahren weitaus den größten Teil der 
Produktion, im Jahre 1749 sogar Fünfsechstel der gesamten 
Fabrikation aus. Die Marquise Pompadour soll eines Tages 
in ihrem Schlosse Bellevue ein ganzes Treibhaus parfümierter 
Porzellanblumen dem Könige vorgeführt haben, so daß 
dieser anfangs geglaubt hatte, lebende Blumen vor sich zu 
haben. Diese Blumen fanden mannigfache Anwendung: sie 
wurden entweder als Strauß in eine Vase gesteckt, wie bei 
der kostbaren, von Porzellangruppen begleiteten, in Gold- 
bronze montierten Vase, die die Gemahlin des Dauphin, die 
sächsische Prinzessin Maria Josepha, ihrem Vater König 
August IL zum Geschenk gemacht hat, und die sich jetzt 
in der Dresdener Porzellansammlung befindet, oder sie 
wurde an naturfarben gestrichenen Bronzezweigen befestigt 
und zu Wand- und Kronleuchtern vereinigt (siehe Raum 50). 

Ähnlich wie die Porzellanblumen zum Schmuck von 
Geräten verwandt wurden, so pflegte man, besonders in 
späterer Zeit, Porzellanplatten verschiedener Gestalt als 
Möbeleinlagen zu benutzen. Die schönsten Möbel dieser 
Art befinden sich in dem Jones Bequest im Viktoria- und 
Albert-Museum zu London. 

Bald aber entwickelte sich in Sevres ein selbständiger 
eigenartiger Stil, der alle die künstlerischen Vorzüge, die 
das Weichporzellan gegenüber dem Hartporzellan besitzt, 
voll auszunutzen verstand. Die geschmeidigen weichen 
Formen werden mit Vorliebe mit bunten Fonds bedeckt, 
unter denen der tiefe »Bleu de Roi« schon 1749 erfunden 
wurde; er wurde von den ausländischen Manufakturen später 



Französisches Porzellan 211 

vielfach nachgeahmt. In der Frühzeit ist der königsblaue 
Grund wolkig und durchsichtig; später wird er gleichmäßig 
im Ton und opak. Vielfach wird er von einem Netz von 
Goldlinien verschiedenartiger Musterung bedeckt. 1752 er- 
fand Heilot ein schönes Türkisblau und 1757 Xhrouet jene 
reizende Rosenfarbe, die, lange Zeit fälschlich mit dem 
Namen der Dubarry bezeichnet, jetzt die Bezeichnung 
»rose Pompadour« trägt. Sie war schwierig herzustellen 
und daher selten. Das Königliche Schloß besitzt drei 
prachtvolle Vasen mit »rose Pompadour« aus den Jahren 1757 
und 1763. Noch seltener ist ein kanariengelber Grund, 
während zwei grüne Töne häufiger vorkommen. 

Wie in Meißen werden die Fonds zunächst so an- 
gewandt, daß sie die ganze Fläche des Gefäßes decken und 
nur einzelne mit Malerei verzierte weiße Felder freilassen. 
Häufiger und eine spezielle Erfindung von S^vres ist die 
Verteilung der Fondfarben in Zonen, wie bei dem Teller 
aus dem Service der Kaiserin Katharina (Abb. 160), 
oder in breiten, geschweiften und vielfach verschlungenen 
Bändern, sowohl in einem wie mehreren Tönen nebeneinander 
(Abb. 158). Begrenzt werden die Flächen des den Grund 
deckenden Tones durch Goldomamente. Der erwähnte Teller 
gehört zu einem Service von 744 Stück, das 1788 abgeliefert 
wurde. Die Kaiserin weigerte sich, die Summe von 333317 
Livres, die das Service kosten sollte, zu bezahlen. Bei einem 
Brande in Tsarskoe Selo wurde ein Teil des Geschirrs 
zerstoßen und zum Teil das Monogramm der Kaiserin 
abgeschliffen, wie bei der Teekanne im Besitz des Herrn 
Dr. F. Clemm in Berlin. 

Die Kunst, das Gold auf dem Porzellan zu befestigen, 
hatte man für eine verhältnismäßig hohe Summe dem Bene- 
diktiner Hippolyte an der Abtei St. Martin des Champs 
abgekauft. Das Gold wurde ziemlich dick aufgetragen und 
die Zeichnung auf demselben mit einem Nagel eingeritzt. 
Erst seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts bediente man 
sich zur »Radierung« des Goldes eines Achatstiftes. 

Für die Bemalung der ausgesparten weißen Felder zog 
man Fächer- und Emailmaler heran. Blumen und Vögel 
sind die beliebtesten Motive, daneben Amoretten und 
Pastorale in der Art Bouchers, der sowohl für die Malerei wie 
die Plastik von S^vres Entwürfe geliefert hat. Einige seiner 
für die Manufaktur geschaffenen, in Stichen vervielfältigten 
Vorlagen besitzt die Ornamentstichsammlung. Erst später 
nimmt die figürliche Malerei jeglicher Art überhand. 

Trotz der glänzenden Farbenpracht, in der die so deko- 
rierten Porzellane gekleidet sind, wirkt dieser Schmuck doch 
gegenüber der maßvollen Zier der deutschen Porzellane 

14* 



Französisches Porzellan 



schwerfällig und prunkend. Eine Ausnahme bilden die nur 
mit Gold oder in einer Farbe dekorierten Gefäße, bei denen 
ein Purpur oder Blau in Verbindung mit Gold ohne Fond- 
farben bevorzugt ist. Hier kommt auch die schöne milchige 



r 




Abb. 162. Vase. Sdvres um 1770. 



Masse zur Geltung. Auch der später beliebte Dekor »oeil 
de perdrix « , bei dem in leicht getöntem Grunde Punktkreise 
ausgespart sind, zeichnet sich durch gefällige Anmut, aus. 
Völlig unterdrückt wird die Masse vollends durch jene 
prunkhaften, von Parpette, dem Genfer Cotteau und dem 



Französisches Porzellan 



213 



Vergolder Le Guay geübte Dekoration des Juwelenporzellans 
(»porcelaine ä emaux«, »jewelled porcelain«), bei der die 
Technik des Email auf Gold auf das Porzellan übertragen 
ist. Sie erscheint stets in Verbindung mit einem tiefen 
gleichmäßigen königsblauen Grund. Die Ornamente wurden 
aus durchsichtigen und opaken Schmelzflüssen gebildet, die 
auf schraffierten Goldblättchen befestigt sind, und aus aufge- 
kitteten, fein getriebenen und ziselierten Stückchen Goldblech. 

Gegen Ende des Jahrhunderts läuft die Fabrikation 
von S^vres in Form und Dekoration in denselben Strom 
ein, wie die der deutschen Manufakturen. Wenn vielleicht 
auch manche der gemeinsamen Elemente dieser Geschmacks- 
richtung in Sevres entstanden sind, so hat doch die Manu- 
faktur das eigenartige Gepräge verloren, das sie bis dahin 
ausgezeichnet hat. 

Ebenso wie Sevres in der Geschirrfabrikation zu einem 
selbständigen Stil gelangt ist, so auch in der figürlichen 
Plastik. Anfangs hatte man, wie in Meißen, die Figuren 
glasiert und auch Versuche gemacht, sie zu bemalen. Zu 
den sehr seltenen Beispielen dieser Art gehören die beiden 
weißen glasierten Gruppen neben der auf der Seite 210 
erwähnten Blumenvase in der Dresdener Porzellansamm- 
lung. Dieselben haben ganz den Stil der Meißener 
Figuren^ und sind vielleicht unmittelbare Nachbildungen 
Meißener Modelle. Ein glasiertes und bemaltes Mädchen 
mit einem Vogelkorb im Arm befindet sich im keramischen 
Museum in Sevres. Es scheint, daß insbesondere die 
Leichtflüssigkeit der Glasur, die eine scharfe Ausprägung 
der Einzelheiten verhinderte, bald von diesen Versuchen 
abbrachte, auf diesem Wege mit der Plastik Meißens zu 
wetteifern. 

Schon 1749 hatte Bachelier die Herstellung von Biskuit- 
figuren in Vorschlag gebracht. Indessen, er fand kein Ge- 
hör. Erst zwei Jahre später kam sein Plan zur Ausführung, 
und es entstanden jetzt jene graziösen Gruppen und Figuren, 
die zum Teil in der vollendeten Modellierung, wenn auch 
nicht an keramischem Reiz, die deutschen Porzellanfiguren 
überflügeln. Die feine Masse, deren gelblicher, warmer Ton 
dem Marmor an Wirkung nahekommt, gestattet die schärfste 
Wiedergabe auch der kleinsten Zufälligkeiten. 

Anfangs lieferte Frangois Boucher Skizzen zu den 
Modellen. Es sind Kindergruppen, Schäferszenen, mytho- 
logische Figuren usw., in den ersten Jahren beherrschte er 
ganz die Plastik von Sdvres. Auch die abgebildete Gruppe 
»La Laterne magique« geht auf ihn zurück. 1757 wurde 
der gefeierte Falconet Vorsteher der Modelleure und schuf 
im Verein mit Pajou, Pigalle, Clodion, Caffi^ri, Le Riebe u.a. 



214 



Französisches Porzellan 



zahlreiche Modelle. Vielfach wurden auch seine und anderer 
Bildhauer Marmorwerke einfach in Biskuit kopiert, so z. B. 
sein berühmtes Werk von 1763 »Pygmalion und Galathea«, 
dessen Biskuitnachbildung Herr Dr. Darmstädter besitzt. 
Falconet wurde 1766 von der Kaiserin Katharina nach 
Petersburg berufen um dort eine große Reiterstatue Peter 
des Großen anzufertigen. Nach seinem Fortgang wurde 
Bachelier, von 1774 — 1809 Boizot Leiter der Modellier- 
abteilung. 

Von den für S^vres hergestellten Modellen sind Ibe- 
sonders die Darstellungen berühmter Schauspieler sowie 




Abb. 163, Gruppe nach Boucher, „La Laterne magique". Sdvres um 1750. 

die Wiedergabe von Theaterszenen zu bemerken, z. B. von 
Schauspielen, die Marie Antoinette in ihrem Theater in 
Trianon aufführen ließ. Ebenso wie in Deutschland wurden 
auch hier eine größere Anzahl von Gruppen und Figuren 
zu einem geschlossenen Ganzen als Tafelaufsatz, »Surtout 
de table«, vereinigt. So gab es einen »Surtout de Bacchus«, 
»Surtout des chasses«, »Surtout du service olympique« u. a. 
1808 machte Napoleon dem Kaiser von Rußland ein ägyptisches 
Service zum Geschenk, dessen Aufsatz Tempel, Obelisken usw. 
darstellten. Es kostete 44600 Franks. 

Seit 1774 wurden jährlich zwei Statuetten berühmter 
Männer für den König verfertigt. Zwanzig dieser Bildnisse, 
die zumeist wenig gelungen sind, wurden dem Prinzen 



Französisches Porzellan 



215 



Heinrich von Preußen bei seinen Besuchen in Paris 1784 
und 1788/89 von Ludwig XVL geschenkt und befinden sich 
noch jetzt im Königlichen Schloß zu Berlin. 

Später ging man auch dazu über, die weißen Reliefs 
Wedgwoods auf blauem Grund nachzuahmen. Zwei von 
Boizot modellierte Medaillons dieser Art mit Venus und 
Amor besitzt die Sammlung. 

Von den anderen in Frankreich gegen Ende des Jahr- 
hunderts entstehenden Porzellanfabriken ist insbesondere 
die von Niederwiller zu erwähnen, die auch zahlreiche 
Figuren und Gruppen, zumeist in Biskuit, hervorgebracht 
hat. Unter den Pariser Manufakturen — im Jahre 1805 gab 
es in Paris schon 27 Porzellanfabriken — nahm insbesondere 
die von Guerhard und Dihl 1781 begründete »Manufacture 
du Duc d'Angoul^me« eine hervorragende Stelle ein. 
Nach einer Mitteilung des » Journal für Fabrik, Manufaktur 
und Mode« von 1801 wurden hier Porzellangemälde von 
fast I m Breite hergestellt, ein Beweis für ihre große 
Leistungsfähigkeit. Auch andere Manufakturen erfreuten 
sich des Schutzes hoher Patrone und vermochten so schon 
verhältnismäßig früh die Alleinherrschaft von S^vres zu 
brechen, so die 1778 in der Rue Thiroux angelegte 
»Fabrique de la Reine«, welche Marie Antoinette unter 
ihren Schutz nahm, und die »Manufacture du duc D'Orl^ans«, 
die 1783 am Pont-aux-Choux eingerichtet wurde. Die 
Sammlung besitzt einige der zumeist mit regelmäßig 
geordneten Streublümchen dekorierten Porzellane dieser 
Fabriken (Schrank 448). 



Englisches Porzellan. 

Auch das englische Porzellan, dessen Zusammensetzung 
in den einzelnen Fabriken verschieden war, ist ein Weich- 
porzellan. Unter seinen Bestandteilen kommt der Knochen- 
asche, die der Masse besondere Eigenschaften mitteilt, 
eine ziemliche Bedeutung zu, so daß man auch schlechthin 
von »Knochenporzellan« zu sprechen pflegt. Auch das 
Knochenporzellan wird ohne Glasur als Biskuit gar gebrannt 
und dann bei schwächerem Feuer in der Muffel mit der 
Glasur versehen. Es besitzt hohe Leichtigkeit und Durch- 
scheinbarkeit, sowie wegen seiner niedrigen Brenntemperatur 
dieselbe reiche Dekorationsfähigkeit wie das französische 
Weichporzellan. 

Wenn auch das englische Porzellan sich in seiner 
Heimat einer hohen Wertschätzung erfreut, so gebührt ihm 
doch innerhalb der Geschichte des Porzellans nur eine 
ziemlich untergeordnete Stellung. Die japanischen Imari- 
porzellane, die Meißener Arbeiten und insbesondere die 
Produkte von S^vres sind die unmittelbaren Vorbilder für 
die englischen Porzellanfabrikanten gewesen, über die sie 
nur selten durch selbständige Leistungen hinauskamen. Die 
englische Porzellankunst ist im i8. Jahrhundert hur der 
empfangende, nie der gebende Teil gewesen. Die Formen 
erinnern vielfach an die unklaren Pseudorokokoformen, wie 
sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland üblich 
waren. Die Plastik, bei der die glasierten und bemalten 
Figuren vorherrschen, ist zumeist weichlich und süßlich, 
Mängel, die zum Teil in der Natur des Weichporzellans 
begründet sind. Wenn man sie sieht, versteht man es 
leicht, daß S^vres überhaupt auf die glasierte Porzellanplastik 
verzichtet hat. Glänzend sind allerdings zum Teil die 
Farben, von einer Schönheit und Leuchtkraft, wie sie selten 
anderswo hervortritt; auch die Malerei erreicht häufig den 
höchsten Grad der Feinheit und Vollendung. 



Englisches Porzellan 



217 



An künstlerischer Bedeutung überragt alle anderen 
englischen Porzellanmanufakturen die Fabrik zu Worcester, 
• die 17 51 von dem Arzt Dr. John Wall und dem Apotheker 
William Davis begründet wurde. Die Erzeugnisse der Fabrik 
zeichnen sich durch einige wundervolle farbigen Glasuren 
aus, die an Schönheit mit den bunten Fonds von S^vres 
wetteifern. Der königsblaue Grund ist häufig schuppenartig 
gemustert oder netzartig getupft. In den leeren Feldern, 
die von den zier- 
lichsten Gold- 
rocaillen einge- 
rahmt sind, sind 
mit Vorliebe 
• Phantasievögel 
in leuchtenden 
bunten Farben 
dargestellt. 

Ungefähr um 
dieselbe Zeit be- 
ginnen auch die 
Anfänge der Por- 
zellanfabrikation 
inChelsea, des- 
sen kleine, in 
Form von Figu- 
ren und Grup- 
pen gestalteten 
Riechfläschchen 
zu den am mei- 
sten geschätzten 
Artikeln des 

Kunstmarkts ge- 
hören. Die Fabrik 
ist in der Samm- 
lung noch ver- 
hältnismäßig am 
besten vertreten. 
Die Schüssel, deren Rand goldene Schmetterlinge auf kleinen 
königsblauen Feldern zeigt, stammt aus einem Service, das 
vom König von England dem Herzog von Mecklenburg 
geschenkt wurde. Ein besonders stattliches Stück ist die 
Pastetenbüchse in Gestalt einer Henne, die unter einem 
Glassturz neben dem Schrank 448 steht. Ein paar mit 
Purpurfonds geschmückte kleine Vasen zeigen auf dunkel- 
braunem Grunde männliche und weibliche Porträts in 
Grisaillemalerei (Abb. 164). Die Form der Vasen lehnt sich 
an ein S^vresmodell an. 




Abb. 164. Vase. Chelsea um 1770. 



2i8 Englisches Porzellan 

Im Jahre 1770 vereinigte der Porzellanfabrikant William 
Duesbury die Fabrik von Chelsea mit seiner in Derby ge- 
legenen Manufaktur ; einige Jahre später verschmolz er auch 
die Bestände der Porzellanfabrik Bow damit zu einem 
umfangreichen Unternehmen. 

Der bedeutendste englische Keramiker Josiah Wedgwood 
tritt in der Geschichte der Porzellanfabrikation nicht hervor. 



Italienisches und spanisches Porzellan. 



Der Emailmaler Hunger, der bei der Begründung der 
Wiener Manufaktur eine Rolle gespielt hatte (Seite io6), hat 
das Verdienst, die 
Herstellung des 
Porzellans auf 
italienischem Bo- 
den eingeführt 
zu haben. 1720 
geht er auf Ver- 
anlassung des ve- 
netianischen Ge- 
sandten in Wien 
nach Venedig 
und fabriziert 
dort bis zum Jahr 
1725 Porzellan, 
und zwar Hart- 
porzellan aus 
Schnorrscher Er- 
de. Als das Kao- 
linausblieb, kehrt 
er wieder nach 
Deutschland zu- 
rück. 

Später besaß 
ein gewisser Ge- 
miniano Cozzi 
eine Porzellan- 
fabrik in Vene- 
dig, in der die 
abgebildete Vase 

hergestellt sein wird. Die Farben sind schwer und trübe, 
das Eisenrot hat einen dunklen, unreinen Ton. 

Während die von Marchese Carlo Ginori in Doccia bei 
Florenz 1735 errichtete Porzellanfabrik nur bescheidenen 
Umfang gehabt, entstand eine Manufaktur von ganz außer- 




Abb. 165. Vase. Venedig Mitte 18.Jahrh. 



Italienisches und spanisches Porzellan 



ordentlicher Leistungsfähigkeit in Capo di monte bei 
Neapel. 

Karl II., der König beider Sizilien, der dem spanischen 
Zweige der Bourbonen angehörte, hatte sich 1738 mit der 
sächsischen Prinzessin Maria Amalia Walpurga vermählt. 
Diese nahen Beziehungen zu Meißen gaben offenbar den 
Anstoß zur Errichtung der Fabrik, die im Park von Capo 
di monte angelegt wurde. Als Karl dann 1759 nach dem 

Tode seines Bru- 
ders auf den spa- 
nischen Königs- 
thron berufen 
wurde, verlegte 
er das ganze Un- 
ternehmen nach 
Buen Reti- 
r o , einem Lust- 
schlosse bei Ma- 
drid. Ein großer 
Teil der Arbeiter, 
darunter die Mo- 
delleureGiuseppe 
Gricci und Caye- 
tano Schepers, 
siedelten nebst 
ihren Gerätschaf- 
ten usw. nach 
Spanien über und 
arbeiteten dort in 
demselben monu- 
mentalen Stile 
weiter, wie in 
Capo di monte. 
Im Jahre 18 12 
ging die Fabrik 
ein. 

In Anbetracht, 
daß in Capo di 
monte wie in Buen Retiro Weichporzellan verarbeitet 
wurde, sind die technischen Leistungen wegen des un- 
gewöhnlichen Maßstabes der Porzellanwerke ganz er- 
staunlich. Es wurden nicht nur zur Ausstattung der 
Königlichen Schlösser Porzellanfiguren von außerordent- 
licher Größe angefertigt, sondern es wurden sogar ganze 
Zimmerdekorationen an Stelle der Vertäfelungen aus Por- 
zellan hergestellt, was bis dahin keine Fabrik versucht 
hatte. 




Abb. 166. Venus und Amor. Buen Retiro um 1760. 



Italienisches und spanisches Porzellan • 221 

Für das Schloß in Portici wurden Wanddekorationen 
mit Rundfeldern angefertigt, in denen chinesische Figuren, 
Tiere, Musikinstrumente u. a. dargestellt waren. Sie sind 
seit 1865 im Schlosse Capo di monte aufgestellt. Ein mit 
Porzellanplatten bekleidetes Zimmer, ebenfalls mit Chi- 
noiserien, wurde 1763 von Giuseppe Gricci für das Schloß 
zu Aranjuez fertig gestellt. Ein drittes Gemach mit Porzellan- 
vertäfelung, bei dem sogar die Decke mit Porzellanfliesen 
ausgelegt ist, befindet sich im Schlosse zu Madrid. 

Aber auch die Arbeiten kleineren Maßstabes, die in 
Capo di monte geschaffen wurden, zeichnen sich durch 
charaktervolle Eigenart aus. Den allerdings in außer- 
italienischen Sammlungen sehr seltenen Figuren ist feuriges 
Temperament, lebendige, flotte Modellierung und glänzende 
Bemalung eigen. Bezeichnend ist die Bemalung der nackten 
Körperteile mit nebeneinandergesetzten eisenroten Pünktchen. 
Vier schöne Leuchter, die Jahreszeiten darstellend, besitzt 
das österreichische Museum für Kunst und Industrie. Als 
Träger von Schalen, Salzfässern usw. werden gern Tritonen 
und Najaden verwandt. Die Kaffeeservice sind häufig mit 
feinen, bemalten Reliefs bedeckt. Später kamen auch 
Arbeiten in der Art Wedgwoods vor. (Siehe die Medaillons 
an Wand 442.) 

Im Jahre 1771 richtete Ferdinand IV,, der Sohn Karls III. 
eine neue Fabrik in Neapel ein, deren Erzeugnisse stark 
unter dem Einfluß der antiken Kunstwerke standen, die damals 
bei der Ausgrabung der Vesuvstädte bloßgelegt wurden. 
Vielfach berühren sie sich auch, wie die tiefe Schale im 
Schrank 449, mit den Arbeiten der Wiener Manufaktur. 
Um seinem Vater das Können seiner Fabrik zu zeigen, ließ 
der König 1782 ein großes Service herstellen, für das die 
Bronzen und Gemälde des Museums in Herculanum als Vor- 
bilder dienen mußten. Der Dessertaufsatz stellte in Biskuit- 
figuren dar, wie Karl III. den von seiner Familie umgebenen 
Sohn zur Fortsetzung der Ausgrabungen in Herculanum 
aneiferte, femer Büsten nach Antiken und eine Eberjagd. 
Der aus Wien geholte Modellmeister Filippo Tagliolini 
modellierte für diesen Zweck die königliche Familie. Bei 
einem zweiten Service von 180 nach antiken Vasen ge- 
bildeten Stücken, das 1787 für Georg III. von England 
gefertigt wurde, waren in Biskuit Gladiatorenkämpfe unter 
dem Vorsitz Tarchons, des Königs der Etrusker, darge- 
stellt. Von beiden Servicen haben sich ausführliche, in 
der Bibliothek des Museums vorhandene Beschreibungen 
erhalten. 1821 wurde die Fabrik aufgelöst. 



Literatur. 



J. Brinckmann, Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe. 

Leipzig 1894. 
Georges Vogt, La porcelaine. Paris. 
G. E. Pazaurek, Keramik, Reichenberg 1905. 

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handwerk. Wien 1904, S. 130 fF. 
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New York 1899. 
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Neue Berlinische Monatschrift. Herausgegeben von Biester. Berlin 
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Keramische Monatshefte 1904. 

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— , Altwiener Porzellan von 1744 — 1863 auf der Ausstellung im 
K. K. Österreichischen Museum. Kunst und Kunsthandwerk 1904, 
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Brandenburg, i. Die Porzellanfabrik zu Plaue a. d. Havel. 2. Die 
Glasporzellanhütte der Gebrüder Schackert. Forschungen zur 
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S. 69 ff. 

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Jena 1902. 

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Madrid 1904. 



225 



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1—12 Meißen. 13, 14 Berlin. 15 Fürstenberg. 16 Fulda. 17 Höchst. 
18—20 Frankenthal. 21 Ludwigsburg. 



Brüning, Porzellan. 



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Markentafel II. 



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22, 23 Nymphen bürg. 24, 25 Ansbach-Bruckberg. 26 Gotha. 27 Limbach. 28 Kloster 

Veilsdorf. 29 Volkstedt b. Rudolstadt. 30 Wallendorf. 31 Wien. 32 Capo di monte. 

33 Vincennes-Sövres. 34 Chantilly. 35 St. Cloud. 36,37 Man. de Duo d'Angouleme. 

38 Niderwiller. 39 Bow. 40 Chelsea. 41 Derby. 42 Worcester. 



Register. 



Acier 90. 

Adam, Fran^ois Gaspard 143. 

Adam, Lambert Sigisbert 144. 

Albani, Franceso 78, 95, 171, 201. 

Amiconi, Jacopo 176. 

Anguier, Michel 159. 

Ansbach 195 f. 

Antikzierat i3of, 133. 

Antonio von San Simeone 41. 

Arita 35. 

Audran, Benoit 201. 

Aue 54. 

Auffrawerth, J. 203. 

Augsburg 202 f. 

August der Starke 44 f. 

Auliczek, Dominikus 190, 192. 

Aveline 97. 

Bachelier, Jean Jacques 206, 213. 

Baireuth 5if, 203. 

Balechou loi, 176. 

Basan 136. 

Basdorf 1 1 6. 

Bastelli, Franz 190 f. 

Beidersee 127. 

Belville 29. 

Benckgraff, Johann 117, 153, j6i. 

Bergdoll, Adam 168. 

Berger, Georg 8, 24. 

Beyer, Joh. Christ. Wilh. 113, i82f. 

Bibra, Heinrich von, Fürstbischof 

von Fulda, 194. 
Bidinger 97, 98. 
Biller, Johannes 76. 
Blancs de Chine 8, 205. 
Blankenhain 196. 
Böhme, Karl Wilhelm 124, 132, 137. 
Boileau 206. 
Boizot 165, 214, 215. 
Borrmann,JohannBalthasari 24, 1 36. 
Bottengruber, Ignaz 199 f. 



I Böttger, Johann Friedrich 44 f. 

I Böttgerware 4, 47 f. 

I Boucher, Fran^ois 97, loi, 137, 

145, 165, 177, 213. 
I Boucher, Guillaume 19. 

Bow 218. 

Brach witz 127. 

Bradwell 53. 
I Brandenstein 79, 93, 129, 166. 
] Braunschweig 155. 

BreidbachzuBürresheim, Emmerich 
Joseph Freiherr, Kurfürst von 
Mainz 161, 165. 

Breslau 199 f. 

Brogniard, Alexander 209. 

Bruckberg 195. 

Brühl, Graf 57. 

Bry, Theodor de 200. 

Buen Retiro 2 20 f. 

Busch 203. 

Caffieri 213. 

Calau, B. 203. 

Caluve, Jacobus de 53. 

Capo di monte 220. 

Cars, Laurent 159, 176. 

Catrice 156. 
I Chantilly 205. 
' Chardin, J. J. 97, loi, 165. 
I Cheng-hua 23, 28. 
I Cheng-te 25. 

Chia-ching 23, 25, 26. 

Chicanneau, Pierre 204. 

Ch'ien-lung 32. 

Ching-te-chen 7, 8, 23, 27, 32, 35. 

Chinoiserien 64 f. 

Chodowiecky 137, 197. 

Cirou, Ciquaire 205. 

Clair, Adam 175 f. 

Clarus, Johann Felician 160. 

Clauce, Jsaak Jakob 117, 123, 132. 



228 



Register 



Clodion 143, 165, 213. 
Cotteau 202. 
Courtille, La 164. 
Coypel, A. 78, 10 1, 177. 
Cozzi, Geminiano 219, 

Damm 162. 

Davis, William 217. 

Derby 218. 

Desoches 159. 

Desplaces, L. 76, 177. 

Dietrich, Christ. Wilh. Ernst 91. 

Doccia 219. 

Donat-Jardinier, Claude 176. 

Dubois 205. 

Duesbury 218. 

Dulongs-Relief-Zierate 92. 

Dumeix, Damian Friedrich 161,165. 

Duplessis 206. 

Eenhom, Lambert van 53. 

Eierschalenporzellan 32. 

Eisenberg 196. 

Elers 53. 

Emails auf Biskuit 14. 

Engelhardtszell 189. ^ 

Fabrique de la Reine 264. 

Falconet 165, 213. 

Familie rose 31. 

Familie verte 29. 

Feilner, Simon 154, 159, 168, 178. 

Ferdinand IV, König b. Sizilien 221. 

Ferrara 41. 

Fichthorn J. A. 51. 

Flambes 9. 

Floramuster 129. 

Fondporzellane 61 f. 

Frankenberger, Tobias 94. 

Franz I., Großherzog v. Toskana 42. 

Friedrich der Große 114 f. 

Fulda 194 f. 

Fulvy, Orry de 205. 

Gaillard, R. 165, 176. 

Gera 196. 

Gerlach, Johann Karl 115. 

Gerverot, Louis Victor 155. 

Gherardini 29. 

Ginori, Carlo 219. 

Glaser, Johann Christian 153. 

Glasuren, farbige 7 f. 

Goltz, Johann Christoph 160. 



I Görne, Friedrich von 49. 
I Gotha 197 f. 

Göthe 164. 

Goto 37. 

Gotzkowsky, Johann Ernst 122 f. 

Gotzkowsky erhabene Blumen 92, 
94, 129, 166. 

Grain de riz 32. 

Grassi, Anton 1 1 3. 

Gravant 206. 

Grenze, J.-B. 97, 113, 176. 

Gricci, Giuseppe 220, 221. 

Grieninger, J. G. 124. 

Großbreitenbach 196. 

Grünstadt 168. 

Guerhard & Dihl 215. 

Hacker 180. 

Hannong, Joseph Adam 168 f. 

Hannong, Paul Anton 167 f. 

Heibig 118. 

Hellot 206, 211. 

Herold (Höroldt), Johann Gregor 

57 f. 

Hertel, Johann 176. 
Hildburghausen, Prinz Friedr. VVilh. 

Eugen von 197. 
Hildesheim 203. 
Hippolyte 211. 
Hirado 37. 
Hisazumi 37. 
Hollar, Wenzel 94. 
Hsüan-ti 23, 28. 
Huet 138. 
Hughtenburg 70. 
Hunger, Christoph Konrad 106, 

114, 219. 
Huquier 97, loi, 136. 

Ilmenau 196. 

Imari 3 5 f. 

Imariware 35. 

Irminger, Johann Jakob 47. 

Ispahan 40. 

Jeaurat 176. 
Joinville 115. 
Jucht 203. 
Jüchzer 103. 

Kaga 37. 

Kandier, Johann Friedrich 195. 

Kandier, Johann Joachim 74 f., 123. 



Register 



229 



K'ang-hsi 17, 26 f., 33. 
Kanton 33. 

Karl Eugen, Herzog von Württem- 
berg 180 f. 
Karl I., Herzog von Braunschweig 

153. 
Karl II., König beider Sizilien 220. 
Karl Theodor, Kurfürst von der 

Pfalz 168 f. 
Kaschan 40. 
Kaufmann, Angelika 99. 
Kayser, Gottlieb 115. 
Keil, Georg Ernst 64. 
Kempffe 49. 
Kioto 37. 

Kirschner, Friedrich 186. 
Kirschner, Gottlob 74. 
Klipfei, Karl Jakob Christ. 124. 
Königsglattes Muster 131, 137. 
Krakelierung 12. 
Kurländer Muster 131, 139. 
Kutani 37. 

La Rüe 97. 

Lebas, J. P. 10 1. 

Leithner, Joseph iii. 

Le Guay 213. 

Lemire 136. 

Lemoyne, Frangois 159, 173. 

Le Riche 213. 

Lille 205. 

Limbach 196. 

Linck, Konrad 172 f., 191. 

Li-Sanpei 35. 

Locre, Jean-Baptiste 163. 

Löwenfinck, Adam Friedrich 160. 

Lücke, Joh. Christ. Ludwig 74. 

Ludwig XV 207. 

Ludwig XVI 208. 

Lung-chüan 22. 

Luplau, Anton Karl 15g. 

Macheleid, Georg Heinrich 196. 
Magnus, Bernhard 177. 
Manufacture du duc d'Angoulemc 

215. 
Manufacture du duc d' Orleans 215. 
Marcolini, Camillo Graf 98. 
Marseille-Zierate 93. 
Mathieu 206. 
Matthaei 103. 
Mediciporzellan 42. 
Mehlhorn, Georg 49. 

Brüning, Porzellan. 



Meissonier 76. 

Melchior, Johann Peter 164 f., 169, 

173^-, 192. 
Mennecy 205. 
Metzsch 203. 
Meyer, Friedrich Elias 123 f., 142 f., 

149- 
Michel, Sigisbert 143. 
Mikawaji 37. ♦ 
Milde, Ary de 53. 
Milde, M. de 53. 
Moreau le jeune 113. 
Morikage 37. 

Mosaique 93, 126, 129, 137. 
Müller, Daniel Ernst 162. 
Müller, J. G. 150. 

Napoleon I. 209. 

Napoleon, J^rome 155. 

Neapel 221. 

Neubrandenstein 60, 79, 93, 129, 

196. 
Neudegg 188. 
Neuglattes Muster 131, 
Neu-Ozier 93, 129. 
Neuzierat 125, 127, 130, 133. 
Niebergall 176, 
Niedermayer, Joseph 188. 
Niederwiller 215. 
Nilson, Esaias iio. 

Okawaji 37. 
Ordinair Ozier 93, 129. 
Osterspey, J. 177. 
Ottaviani 1 1 1 . 

Padua 41. 

Pajou 213. 

Paquier, Claud, Innocentius du 106, 

Parpette 212. 

Paul, Nicolaus 194. 

Pennewitz, David 49. 

Peringer, Leonardo 41. 

Perl, Georg iii, 

Permoser, Balthasar 159. 

Pesaro 41. 

Pfürzel 132. 

Pigalle 144, 213. 

Pillement, Jean 66, iio. 

Pisa 43. 

Plane a. d. Havel 49. 

Polo, Marco 41. 

Poterat, Louis 204. 

16 



230 



Register 



Pott, Johann Heinrich 114. 
Preisler, Johann Daniel 94. 
Preussler 2 00 f. 

Raffael 78, 89. 

Raschke 132. 

Rauenstein 1 96. 

Reccum, Peter van 168. 

Reichard, Ernst Heinrich 117, 123. 

Reliefzierat 121, 129, 133. 

Riedel, Gottlieb Friedrich 186. 

Riese, C. F. 150 f. 

Ringler, Joseph Jakob 180, 188. 

Rorabrich, Johann Christian 159. 

Rottberg, Wilhelm von 198. 

Ronen 204. 

Rudolstadt 196. 

Rugendas 70. 

Russinger, Laurentius 163. 

Saijiro 37. 
Sang de boeuf 9. 
Schackert, Gebrüder 116. 
Schadow, Gottfried 119, 150, 151. 
Schauessen 81 f. 
Schepers, Cayetano 220. 
Schimmelmann 117 f. 
Schinkel, 139. 
Schmidhammer, C. C. 94. 
Schubert, Karl Gottlieb 159. 
Schulze 132. 
Schwarzkopf 151. 
Scotin, S. 134. 
Seladon 10, 33. 
Sennewitz 127. 
Sevres 206 f. 
Sisti, Niccolo 42. 
Soleyman 21. 
Sorgenthal, Konrad iio. 
St. Cloud 204. 
St. Germain 115. 
Stölzel, Samuel 106. 
St. Yrieix 207. 

Sulkowsky, Alexander Joseph von 
76. 



Surugue, L. loi. 

Tagliolini, Filippo 221. 

Tao-kuang 32. 

Tassaert 150. 

Te-hua 8. 

Thomae 74. 

Ting-chou 7, 8, 21. 

Trippel, Alexander 151. 

Trou, Henri 204. 

Tschirnhaus, Ehrenfried Walter 44. 

Turin 41. 

Überglasurmalerei 14 f. 
Unterglasurmalerei 12 f., 62. 
Urmia 40. 

Veilsdorf, Kloster 197. 
Venedig 41, 219. 
Vicenza 43. 
Villeroy 295. 
Vincennes 205 f. 
Volkstedt 196 f. 
Volpato III. 

Wall, John 217. 

Wallendorf 196. 

Wanli 15, 23, 25. 

Watteau 134. 

Watteaufiguren 96, 158. 

W^edgwood, Josiah 99, 140, 215, 

218. 
Wegely, Wilhelm Kaspar 1 1 5 f. 
Weinmtiller, Joseph 184. 
Weise, Friedrich Christian 83. 
Wolfsburg, Karl Ferdinand von 

201 f. 
Worcester 217. 
Wouwermann 70. 

Xhrouet 211. 

Yung-cheng 29 f. 

Zeschinger, Johann 153. 



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