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X
347
—
— ———
Pieusirte Geitiite
Sans Prus
Vierter Band
Preußens Auffeigen zur deutſchen Vormacht
(18121888)
Sfuffgart und Berlin 1902
3.6. Cotta’fhe Buchhandlung Nahfolger
6.7.5.8.
DL — —
boueo Google
E
Preußifhe Geſchichte
Hans Pruß
Vierter Band
Preußens Auffleigen zur deutſchen Vormacht
(1812-1888)
Stuttgart und Berlin 1902
3.6. Cotta'ſche Buchhandlung Nachfolger
6.m.5.%.
Alle Rechte vorbehalten.
Drud der Unlon Deutjche Berlagsgefelliaft in Etutigart.
Ce As - Ab mc
Kan
Vorwort.
Indem ich mit dem vorliegenden vierten Bande ben
Schluß der Preußifhen Geſchichte der Oeffentlichkeit übergebe,
darf ih es dankbar als eine glücliche Fügung preifen, daß
mir die Beendigung diefer Arbeit vergönnt worden ift, obgleich
inzwiſchen ein ernftes Augenleiden mich genötigt hat, meine
wiſſenſchaftliche Thätigkeit weſentlich einzufchränfen und ins:
befondere dem akademiſchen Lehramt zu entjagen.
Aber auch ohne diefe Hinderung würde ich gemäß bem
für das ganze Werk gleih anfangs feftgeftellten Plan bei der
Behandlung der Geſchichte der legten Jahrzehnte und nament:
Ti) der Jahre 1866—1888 mich auf die hier gebotene Skizze
beſchränkt haben, welche, von der Fülle der Einzelnheiten ab⸗
jehend, die Entwidelung Preußens nur in den Hauptlinien
verfolgt. Es war nicht bloß die Rüdfiht auf das fonft un-
vermeidliche Anwachſen des Bandes zu allzugroßer Stärke,
was mid) dazu beftimmt hat, fondern vor allem die Weber:
zeugung, daß die Zeit noch nicht gefommen ift, wo diefe Dinge
wirklich ohne jede vorgefaßte Meinung mit voller Objekfivität
behandelt werden können, zumal mit der Erſchließung der dazu
unentbehrlihen Duellen in unferen Tagen doc eigentlich erft
der Anfang gemacht wird.
Im übrigen darf ich auch an dieſer Stelle der freudigen
Genugthuung Ausdrud geben über die wohlmollende Aufnahme,
welche diefer Verſuch einer zufammenfafienden Darftellung der
Preußiſchen Geſchichte in weiteren Kreifen gefunden hat. Der
Schwierigkeiten, welche fi) dabei einem nad) allen Seiten hin
befriedigenden Gelingen entgegenftellen, bin ich mir von vorn=
IV Vorwort,
herein vollauf bewußt geweſen, habe es daher auch nicht anders
erwartet, als daß berfelbe nicht bloß in Einzelheiten Be—
rihtigungen und Ergänzungen hervorrufen, fondern auch prin-
zipielle Anfechtung erfahren würde, namentlich hinſichtlich des
allgemeinen Standpunftes, von dem ich dabei ausgegangen bin,
und der Tendenz, die ich dabei verfolgt Habe. Doch habe ich
mich des Einen freuen dürfen, daß auch von den Gegnern ber
von mir vertretenen Richtung, welche, wie ich ſehr wohl weiß,
mit der zur Zeit bejonders begünftigten und vorherrſchenden
teineswegs im Einklang fteht, die Reblichleit meines Strebens
und ber Freimut in ber Vertretung meiner Anſichten anerkannt
worden find. So darf ih hoffen, das Bud) werde auch weiter
bin anregend und belehrend wirken und dadurch mittelbar auch
die große Sache des Vaterlandes an feinem Teil fördern, ber
ich damit vor allem nad Kräften habe dienen wollen.
Münden im Juli 1902.
Bans Pruh,
Inhalt des vierten Bandes.
Erfies Bud. Der Freißeitskampf und feine Enttäufgun-
gen. 1812—1815 . . .
I. Die Erhebung von Heer und Boll. November 1812
bis Februar 1813...
II. Der Freiheitskrieg von 1813. Februar bis Mai
18318 ..
II. Preußen im Roalitionstrieg gegen Franlreich
1818—1814 . .
IV. Die Enttäuſchungen des Friedens und des Wiener
Kongreſſes. 1814—1815 .
Zweites Bud. Der Bau des Eiuheitsſtaates trotz Be
Hauration und eaktion. 1815—1834 . . .
I. Der Sieg der Reaktion. 1815-1819 . . .
I. Im Dienfte der Metternihihen Reaktion. 1819
bis 1834 . B
IH. Die Schwankungen der Verfaffungsfrage. 1815
bis 1823
IV. Die neue Zoe, Finang und Sieuerordnung und
die Anfänge des Zollvereind. 1817—1834 .
Prittes Bud. Au der Wende der Zeiten. 1834—1847
I. Reaftionäres Stillleben. 1830—1840
II. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 1815
bis 1840...
IH. Die Anfänge Friedrich Wilhelm w. 1840 _ 1844
IV. Verfafjungserperimente. 1840—1847 .
Wertes Bud. Revolution und Meaktion. 1848—1858
I. Die Märztage 1848
I. Die fonftituierende Nationalverfammlung und. die
Bertefungbotiopierung. Ami 1848 biß is Jenua
19 ..
22— 40
41— 58
59— 77
78—155
78— 96
97—117
118—137
188—155
186—235
156—176
177-194
195—212
213—235
236—332
236—254
255—274
vI Inhalt.
II. Die Entftehung der Verfafjung und das Scheitern
in ber deutfhen Frage. 1848-1852. . .
IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 1851—1858 .
Hüuftes Bud. Die neue Aera und der — 1868
Bis 1866 . .. .
I. Die neue Xera. 1857—1859° —1P
I. Die deutſche Frage und die Sereamorgnfaton
1857—1862 . .
IH. Der Konflitt. 1861-1864 ..
IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 18641866 A
Sehftes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 1866—1888 .
I. Die Errihtung des Norddeutſchen Bundes. 1866
II. Die Erwerbung des Kaifertums. 1867—1871
II. Im neuen Reid. 1871—1883 .
IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt und bie Anı
fänge des fozialen Königtums. 1878—1888
Namenverzeihnis zu Band I—IV
Seite
275—304
305—832
333 —416
338—350
351-871
372—8392
398—416
47 489
417—482
483—450
451—468
469489
49054
Erfies Bu.
Der Freiheitskampf und feine
Enttäufchungen.
1812-1815.
I. Die Erhebung von Beer und Bolk,
Bovember 1812 bis Hebruar 1813.
Auch im Leben der Völker fpielt was man Glüd nennt
eine Rolle. Das erfuhr Preußen 1812. Nur des von Stein
beratenen Zaren Ausharren und bie Kataſtrophe der großen
Armee boten ihm die Möglichfeit, das 1811 Verſäumte nach⸗
zuholen. Faſt wäre fie unbenugt geblieben, hätten nicht Heer
und Volk gehandelt und dem König ben Freiheitskampf aufe
genötigt. Diefe Wahrheit, nahmals möglichſt verfchleiert, hat
erft die Forſchung unferer Tage feitgeftellt. Sie zerftörte auch
die Fiktion, ala ob die Männer, die 1812 Preußen Franf-
reich dienftbar machten, einen rettenden Zwiſchenfall fiher er-
wartet und das ruſſiſche Strafgeriht vorahnend in den Kreis
ihrer Berechnung gezagen hätten.
Das Bündnis vom 24. Februar 1812 war von feinen
eifrigften Förderern, nad) Gneifenau einem kindiſch gewordenen
Feldmarſchall — Kalkreutd —, einem alten Weib von üblem
Ruf — der Gräfin Voß —, einem durch Stupibität ausgezeich-
neten General — Ködrig — und einem Hofpfaffen und zu=
gleich Hoffchrangen — Ancillon, völlig ernft gemeint. Wohl
könne, tröftete ſich auch jegt der Optimift Hardenberg, ber
Wechſel der Begebenheiten ungeahnte Hilfsmittel bringen;
nachdem aber bie franzöfifhe Partei ergriffen fei, darfe nichts
Vrud. Preubijce Ge ſqicu. IV.
2 Erfte Bud. Der Freiheitäfampf und feine Enttäufhungen.
halb geſchehen: „Gefühle müffen ſchweigen und einmal als not=
wendig anerfannte Grundfäge allein die Richtf nur angeben.“
General v. Grawert forderte gar, „freimütig, abfolut, ohne
Rudhalt, auf Tod und Leben” müſſe man nun zu Frankreich
fliehen. Der Hof behagte ſich in der rettenden Dienftbarkeit,
durch bie der König Preußens und feines Haufes Eriftenz end»
lich gefihert glaubte. Zwar Fam es ihm ſchwer an (Ende
Mai) dem Imperator in Dresden auch huldigen zu müflen.
Er war außer fi, als nachher Pillau, das nah Scharnhorft
unentbehrlih war für Preußens Dafein, franzöſiſche Befagung
aufnahm: aber am 18. Juni bebrohte er den unerlaubten
Eintritt in fremde Kriegsbienfte mit Vermögenseinziehung,
Verluft ber Orden und Chrenzeihen, ja unter Umftänden
dem Tobe. Notoriſche Franzofenfreunde dagegen erhielten hohe
Aemter und Orden. Der Eindrud war böfe. Und dabei war
die Stimmung ſchon im September 1811 zum Beifpiel in
Schleſien jo „abſcheulich“, daß man „eine andere Regierung“
wünfchte.
Daß man zur Zeit mit Frankreich gehen müfle, gab auch
Scharnhorft zu: nur dürfe barüber „das Verbienft des eigenen
Zutrauens“ nicht verloren gehen. Während Gneifenau, ſchein⸗
bar ausſcheidend, in Schweden und England eine Landung in
Deutſchland betrieb, blieb er, möglichft zurüdtretend, im Dienft,
um zu erhalten, was er „ven guten Geift für das königliche
Haus und für die Selbftändigfeit des Staates“ nannte, und
im Dienft Franfreihs das Heer zum Kampf gegen Frankreich
zu ſchulen. Eines Gewaltftreihs freilih hätte man fi jegt
weniger als 1811 erwehren können. Damals (Bb. III, ©. 484)
war für den Fall eines folhen York als Generalgouverneur
von Preußen bevollmächtigt geweſen, loszuſchlagen und bie
Nuffen herbeizurufen. Als Bivilgouverneur ſollte Schön neben
ihn treten. Auch die Volfsbewaffnung war geplant. Noch
im Februar 1812 Hatte ein Zufammenftoß gedroht. Auf bie
verbächtigen Bewegungen ber Franzofen in Medlenburg und
Shwedifh-Pommern hatte in Pommern General v. Borftell
die Beurlaubten eingezogen und bei bem fehnell armierten
Kolberg Stellung genommen, um zu handeln, fobald die Fran-
I. Die Erhebung von Heer und Volk. 3
zoſen die Smwine überfchritten, als der Vertrag vom 24. Februar
alles friedlich wandte,
Run wurde York, weil „die gegenwärtigen Umftände ihn
darin zu belafjen nicht geftatteten“, ım April bes Gouverne-
ments enthoben. Jene Vollmacht gab er zurüd. Auf Empfeh-
lung Scharnhorfts wurbe er zum zweiten Befehlshaber des nad
Rußland beftimmten Corps befigniert. Sollte er jene Fäden
wieder aufnehmen? „Politiſche Winke“ Harbenbergs verrieten,
wenn nicht Einverftändnis mit Rußland, fo doch Kenntnis
feiner Pläne und den Wunſch, fid ihnen anzupafien. Aehnliches
kam von anderer Seite. York bat, fo wichtige Befehle möge
der König geruhen, ihm felbft zu geben. Was unmittelbar
das Armeekommando und bie Kriegsvorbereitungen betraf, auch
die Dispofition über die Feftungen entzog man ihm. Geſchah
das, weil oder obgleich er eben einen Verſuch ber Franzofen
auf Pilau vereitelt hatte? Im Befehl über das Hilfscorps
mußte er Grawert nachftehen. Den mwünfchte Napoleon: fo
ſah man über Alter und Kränklichfeit hinweg. Oder mollte
man nur auf einem Ummege doch York in das Kommando
bringen? Seit dem 13. Auguft hat er e& flatt des leidenden
Grawert geführt.
— Die 20 000 Mann und 60 Gejhüge ſollten möglichit bei⸗
ſammen bleiben und zunächſt die preußiſche Grenze decken.
Nur drei Reiterregimenter wurden abgegeben. Das Gros ge
hörte als 27. Divifion zu dem 10. Corps der Großen Armee
unter Macdonald. Aus Teilen fait aller Regimenter zufammens
gefegt, ſtellte es gewiſſermaßen die Armee in ihrer neuen Eins
teilung und Ausbildung dar: in ihm follte fie ihre erfte Feuers
probe beftehen. Frankreich zu dienen fam ben Truppen freilich
hart an: baß fie ihre Pflicht thaten, bewies ihren militäriſchen
Geift. Aber ſchweigend fanden fie am 20. Juni bei Inſter⸗
burg vor dem Kaifer in Parade, ſchwiegen bei feinem Lob,
das fie feinen Garden als Mufter hinſtellte. Beim Weber
foreiten ber Grenze dagegen (28. Juni) hielt der fonft fo
wortlarge York eine Anſprache, bie der franzöfiihen Waffen»
genofienfchaft nicht gedachte und mit einem jubelnd aufgenom-
menen Hod allein auf den König ſchloß. Wie hätten fie auch
4 Erfte Bud. Der Freiheitslampf und feine Enttäufgungen.
mit ben Peinigern ihres Vaterlandes fympathifieren follen!
In Oftpreußen hatte 1811 Mißwachs einen unerhörten Not-
fand erzeugt. Und num mußte es 340000 Mann wochenlang
ernähren und dann mit Proviant auf 20 Tage verfehen. Sein
Viehftand wurde ruiniert, feine Saaten abgemäht. Dann
galt es bie Magazine zu füllen und die Lazarette auszuftatten.
Manchen Bürger und Bauer bradte die Einquartierung an
den Bettelftab. An Vorſchuſſen für die Unterhaltung ber
fremden Armee leiftete ber Staat 2900000 Thaler; mehr
als das Doppelte hatten Private für Lieferungen zu fordern.
Und babei verfuchte bie Regierung bie durch Edikt vom 24. Mai
eingeführte Vermögensfteuer auch in Oftpreußen einzuheben!
Schwerer als irgendwo empfand man bort ben Fluch bes
franzöfifden Bünbnifies. Größer als irgendwo war bort ber
Haß gegen bie Blutfauger und ber Unmut über bie eigene
Regierung. Daher wirkte bort auch zündender als irgendwo
der Hoffnungsfirahl, der plögli von Rußland her aufleuchtete.
„Die Stimmung“, ſchrieb Schön am 15. November, „iſt fo,
daß nur ein Funke nötig if, um Flammen zu haben.” Man
fühlte die Kraft zur Abwehr in fih. Mußten nit die Männer,
die 1811 im Geheimnis geweſen, jest die Zeit zum Handeln
gelommen glauben? Damals hatte York Vollmacht gehabt, in
allen umvorhergefehenen Fälen nah feiner Einfit alle zum
Wohl des Staates ihm notwendig erjcheinenden Schritte zu
thun. So hatte ihm im Auftrage bes Königs, ber feit Ans
fang des Jahres 1812 vermied, militäriſch-politiſche Inſtruk-
tionen ſelbſt zu geben, Boyen wieberholt geſchrieben. Konnte,
durfte man bem König jegt eine anbere Denkweiſe, andere
Abfihten zutrauen?
Die Hoffnung der Patrioten, eine engliſch-ſchwediſche
Landung in Rolberg werde das Signal zur Erhebung geben,
blieb unerfüllt. So beruhte alles auf dem Yorkſchen Corps.
Diefes bewährte ſich glänzend. Auf dem äußerften linken Flügel
der Großen Armee, beftimmt, deren Flanke zu deden und Riga
zu erobern, fand es zwar nicht Gelegenheit, Großes zu leiften,
machte aber in dem Lagerleben und bem aufreibenden und
gefährlichen Vorpoftendienft unter Entbehrungen aller Art eine
I. Die Erhebung von Heer und Bolt. 5
Säule durch, bie bei feiner Zufammenfegung dem ganzen
Heere zu gute fam. Erſtaunlich war ber Wandel gegen 1806.
Macbonald war vol Lobes: mit jebem Tage, erklärte er,
fleige feine Adtung vor ben Preußen. Yorks Führung ge
warn feine höchfte Anerkennung. Eigen aber blieb das Ber»
bältnis zu den Ruſſen. Auf Befehl des Königs, ber fo lange
wie möglih nur einen Scheinkrieg führen wollte, wurbe mit
ihnen unterhanbelt über eine Demarkationslinie zwiſchen ben
Vorpoften, um unnüges Blutvergießen zu vermeiden, und Aus—⸗
wechſelung ber Gefangenen. Um nicht Mißtrauen zu erweden,
brach jedoch York den Verkehr ab, hielt fi aber den Frans
zofen dauernd möglichft fern. Die Rufen erwarteten feinen
Mebertritt: auf bie Kunde von Napoleons Rüdzug lud der in
Riga befehligende General v. Eſſen ihn am 2. November ein,
Macbonald gefangen zu nehmen. Er antwortete nicht, berichtete
aber nad Berlin. Am 14. November wieberholte General
Paulucci, der Efien erfegt hatte, ben Antrag: Napoleons Lage
made Preußen zum Schiedsrichter Europas, York zum Befreier
Preußens: vereinige er fi mit ihm ober überlaſſe body die
Franzoſen ihrem Schidfal, fo erwerbe er den Ruhm La Romanas,
der 1809 die von Napoleon nad) dem Norben verfchleppte
fpanifhe Armee auf engliihen Schiffen in bie Heimat geführt
hatte. York wich aus: er wollte Beit gewinnen. Eben war
fein Verhältnis zu Macbonald ernſtlich getrübt. Beſchwerden
über Unordnung in ber Verpflegung, unter ber feine Truppen
litten, wies jener erft als angeblich unbegründet zurüd und
erwiberte fie dann mit Verbächtigungen. Offenbar wollte er
York wegbeigen, um das preußifhe Corps ganz in die Hand
zu befommen.
Wenigftens zeitweife wünfchte daher York das Kommando
abzugeben, zumal das bringendere Werben ber Ruſſen feine
Verlegenheit fleigerte. Wenn er Paulucci am 30. November
antwortete, nie werde er bas heilige Interefje von König und
Vaterland durch eine eigenmächtige oder übereilte Handlung
gefährben, den Vergleich mit La Romana aber ablehnte, weil
der doch gewußt habe, was fein Vaterland von benen zu er-
warten babe, denen er fih anſchloß, fo bezeichnete er bamit
6 Erſtes Bud. Der Freiheitätampf und feine Enttäufgungen.
die beiden Punkte, wo er zunächſt Mar ſehen wollte. Wie
dachte der König? Was wollte Rußland für Preußen thun?
Paulucci verftand ihn: er bat den Zaren um eine bie zweite
Frage beantwortende Mitteilung an den König und eine Voll-
macht zu weiteren Unterhanblungen. York aber ſchlug er ben
Abſchluß eines Traftates vor: denn der Zar wolle bie Freiheit
aller Nationen. Auch hatte diefer den Dienft ſuchend bei ihm
eingetroffenen Oberft v. Boyen bereits mit einem vertraulichen
Schreiben zurückgeſchickt, um den König zu befhwören, bieje
von der Vorfehung gebotene Gelegenheit zur Wiebergewinnung
feiner Selbftändigfeit zu benugen. York ſuchte eine Frift nach,
aber er ſchrieb doch: „Der Zeitpunkt, wo dieſer Staat im
ganzen und unter einem Willen wirken muß, Tann, darf und
wird nicht verzögert werben.“ Inzwiſchen verfchlimmerte der
harte Winter die Lage der Franzofen heillos. Der Anmarſch
der ruffiihen Donauarmee unter Wittgenftein, der ebenfalls
mit York anfnüpfte, drohte ihnen den Untergang. Dennoch
blieb Machonald noch unthätig. Um fo verantwortlicher fühlte
fih York, als eingezogene Erfundigungen die furchtbare Wahr-
heit enthülten, für feine 17500 Mann, den Kern des erneuten
preußiſchen Heeres. Auch umwarb man ihn nun von der anderen
Seite: er wurde Offizier der CEhrenlegion und erhielt als
Dotation eine Rente von 20 000 Franken, ja, man machte ihm
Ausfiht auf den Marſchallſtab, während Paulucci in ihn drang,
er ſolle fih mwenigftens unthätig nah Memel zurüdziehen.
Seine Lage wurde immer peinlicher.
Am 5. Dezember fehidte er deshalb feinen vertrauten
Adjutanten, Major v. Seydlig, um Inftruftionen nad Berlin.
Was von dort verlautete, mußte ihn vollends verwirren: man
unterhandele mit Defterreih; die von Napoleon verlangte Ver-
ſtärkung des Hilfscorps fei abgelehnt ; Bülow folle die Beurlaubten
und Krümper Oft: und Weftpreußens in Graubenz einkleiben,
er ſelbſt Pillau zu bejegen ſuchen und nad) Ueberfchreitung ber
Grenze wieder ala Gouverneur von Preußen für die Sicher-
heit ber Provinz forgen. War das eine Erneuerung der Volle
macht von 1811? Blieb er nod an Machonalds Befehl ges
bunden? Seit Mitte Dezember fannte man in Berlin bas
I. Die Erhebung von Heer und Boll, 7
Schidjal der Großen Armee. Nun verlangte der heimeilende
Napoleon die Erhöhung des Hilfscorps gar auf 30 000 Mann
— ohne jede Gegenleiftung. Gewiß wäre die richtige Antwort
darauf bie Kriegserflärung gewejen. War man doch Rußlands
bereits fie. Schon am 2. Dftober hatte Fürft Lieven im
Auftrage des Zaren an Hardenberg gefchrieben, auch Defterreih
und Preußen follten wieder felbftändige Staaten werben, und
ſchnellen Anſchluß und entiprehende Vollmacht für York vers
langt. Ohne Defterreih, antwortete ber König, könne er nichts
thun; mit ihm wolle er alles wagen, Die Entſcheidung lag
aljo in Wien. Was aber war dort zu erwarten? Zwar wies
Metternich, indem er Defterreihs Vermittelung in Ausficht
ftelte, auf die drohende Haltung der unerträglich belafteten
Zölfer hin: fie zu entfefleln, lag ihm fern. So machte auch
Kabinettsrat Albrecht in einer Denkſchrift vom 17. Dezember
jede Altion Preußens abhängig von der Mitwirkung Defter-
reichs und Rußlands. Nur traute ber König beiden nicht und
bielt, ohne Glauben an fein Volt, Preußen nicht für fähig,
etwas Entſcheidendes zu leiften. Dagegen wollte Hardenberg
den Kampf wagen, fobald man ſicher war, Oeſterreich wenigftens
nicht gegen fi zu haben. Ober follte man Napoleon unter«
fügen, um durch ein Stüd Polen belohnt zu werben? Jeder
ruſſiſch⸗franzöſiſche Konflikt, meinte der Staatslanzler, werde
unmöglich durch die Erhebung Friedrih Wilhelms zum König
von Polen.
Kleiner hat kaum je ein großer Moment eine Regierung
gefunden. Gerade das geſchah nit, wonach aller Patrioten
Herzen brannten, der fofortige Anſchluß an Rußland und ber
Appell an die erwachende Kraft bes Volles. Längft war ber
Fribericianifhe Staat dahin: das fribericianifche Vorurteil
gegen bie Selbftthätigfeit des Volkes beftand unverändert.
Dieſe nicht auffommen zu laffen, galt für wichtiger als bie
Abfüttelung der Fremdherrſchaft. Im November hatte ber
Präfident des jchlefiihen Lanbesölonomielollegiums, v. Lütt-
wig, in einer Denkſchrift ausgeführt, auch wenn der König
feine Selbftändigfeit aufgeben wolle, bleibe dem Volke das
Recht auf Unabhängigkeit und die Pfliht, fie wieberzugewinnen:
8 Erſtes Bud. Der Freiheitälampf und feine Enttäuſchungen.
er wurde gefangen gefegt. Die Wege von Regierung und
Volt gingen völlig auseinander. Diefes begehrte alles an bie
Freiheit zu fegen; jene unterhandelte mit Deſterreich über eine
Vermittelung etwa auf der Bafis des Luneviller Friedens, um
erſt, wenn fie damit nicht durchdrang, zu den Waffen zu greifen.
Auch militäriſch geſchah nichts, feit Bülow angewiefen war,
die oftpreußifchen Beurlaubten und Krümper links von ber
Weichfel als Neferve zu organifieren. York überließ man fi
ſelbſt: beſtimmte Befehle erhielt er fo wenig wie eine all-
gemeine Vollmacht. Indem man ihn weber weiter an Mac»
donald band, nod die ruſſiſchen Anträge anzunehmen autoris
fierte, ſchob man ihm — bewußt und abſichtlich — eine Ent-
ſcheidung zu, die zu treffen man felbft nicht den Mut Hatte.
Vergebens fuchte Seyblig beim Abſchied (21. Dezember) dem
König eine Mare Aeußerung abzubringen. Nur allgemeine,
beutbare Worte vernahm er: York möge nicht über die Schnur
hauen, ben Umftänden gemäß handeln, vor allem aber bes
Königs Perfon fhonen, au die Unerſchöpflichkeit der Hilfe-
mittel bedenken, über bie Napoleons Genie verfüge. Der
Kriegsminifter v. Hake aber gab ihm gar einen Brief mit,
in bem er den Wunſch nad) Erhaltung des Friedens ausſprach
und die Sammlung ber Referven ala gegen Rußland gerichtet
bezeichnete.
Inzwiſchen hatte auch Machonald endlich den Rückzug
angetreten; York deckte ihn mit 8000 Mann. Die Kälte,
Schnee und Eis und das Nachdrängen der Ruſſen machten ihn
höchſt beſchwerlich. Zum Sammelplatz beſtimmte Macdonald
am 24. Dezember Tauroggen nahe ber Grenze, wich aber ſelbſt
vor bem feine Flanke bedrohenden Wittgenftein gleich bis nad)
Tilfit und verlor jo die Verbindung mit York. Diefer ſah
ſich am Abend des 25. bei Roltyniany den Weg durch eine
ruſſiſche Abteilung unter Diebitſch verlegt. Er konnte fie
durchbrechen, freilih mit Gefahr für Geihüg und Gepäd.
Da erbat, gemäß einer allen ruffiihen Generalen gegebenen
Weiſung, Diebitfh eine Unterredung. Sie fand am Abend
ſtatt. Diebitſch, den ber in ruffifhe Dienfte getretene Clauſe⸗
wig begleitete, ſchlug einen Neutralitätsvertrag vor. Den zu
I. Die Erhebung von Heer und Boll. 9
rechtfertigen, fand York feine Lage noch nicht übel genug.
Sie entſprechend zu geftalten, vereinbarte man bie Bewegungen
für den nächſten Tag. Sehr zur Zeit lief da ein neues Schreiben
Bauluccis vom 22. Dezember ein, dabei ein Brief des Zaren
an Paulucci, nad dem er die Waffen nicht niederlegen wollte,
bevor Preußen wie 1805 daftehe. Nun traf York angefihts
feiner freubig bewegten Truppen am 26. früh nochmals mit
Diebitih zufammen. Man einigte fi: die Ruſſen follten
York den von Machonald befohlenen Marſch nad Tauroggen
ermöglichen; dort endgültig abgefänitten, wollte er fi dann
neutral erklären, um dem König das Corps zu fonfervieren.
Ein das andeutender Bericht ging fofort nad Berlin ab.
Habe er, erklärte York darin, bes Königs Intentionen nicht
richtig getroffen, fo lege er ihm ohne Murten feinen alten Kopf
zu Füßen.
Mit den Ruffen fraternifierend, erreichte das Corps am
29. Tauroggen. Macbonald war nicht dort. Doc erſchien,
von den Ruſſen burchgelaflen, Seyblig — ohne bie erfehnte
beftimmte Weifung. Ja, in einem von ihm mitgebrachten
Schreiben bezeichnete der König feine Intereſſen noch als eng
verbunden mit denen bes Kaiſers von Frankreich. Andererfeits
erfuhr man bie Kapitulation Memels, die der Beſatzung unter
ihren Offizieren in Mitau eine zuwartende Stellung anwies,
wie York fie plante. Seydlitz hatte fie geſchloſſen, obgleich,
wie Hardenberg behauptete, der König Kapitulationsverhand«
lungen mit ben Ruſſen ausbrüdli verboten hatte. Dann
fandte Wittgenftein, um des Zaren gute Abſichten zu ermeifen,
die Proflamation ein, die er beim Einmarſch in Preußen er
laſſen wollte. Aber auch einer der Boten Machonalde war
durchgekommen, mit ber Meldung, York werbe in Tilfit uns
geduldig erwartet. Damit entfiel die weſentlichſte Voraus⸗
ſetzung für Yorke Vorhaben. Die ſchwache ruſſiſche Sperre
durchbrechend, Fonnte er in einem Tage in Tilfit fein: freilich
lief dabei das Corps Gefahr und blieb beim Gelingen an bie
Franzoſen gefettet. Vollzog er aber das am 26. mit Diebitſch
Verabredete: war er der Zuflimmung bes Königs fiher? Und
was wurbe, blieb fie aus? In dieſen Zweifeln rang York
10 Erſtes Bud, Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen.
um fo ſchwerer, ala ihm ber ideale Freiheitsfinn abging, ber
einen Scharnhorft und Gneifenau in ähnlicher Lage beſchwingt
haben würde. Sonft hätte er längſt gehandelt, und dann wäre
auch Macbonald verloren, Napoleon nörblih bes Main ohne
Feldarmee geweien und die Kampfluſt von Heer und Volk zu
enthuſiaſtiſcher Bethätigung entfeflelt worden. Daß er dazu
nit fähig war, drohte fein und Preußens Verhängnis zu
werden. Eine That von höchſter politifher und nationaler
Bedeutung ließ fi nicht in die militäriſche Schablone zwängen.
Höcftens bot dieſe dem NKleinmut an leitender Stelle bie
Handhabe, um den Willen der Nation aud diesmal aufzu-
halten.
Am Abend des 29. Dezember erſchien Claufewig nochmals
bei York. Er zeigte ihm, daß, ſelbſt wenn er ſich durchſchlug,
nah Wittgenfteins Dispofitionen Macdonald nicht entlommen
könne, und legte ihm einen aufgefangenen Brief des Marſchalls
vor, nad dem biefer durch feine und anderer Offiziere Bes
feitigung ben Geift des preußiſchen Corps zu beſſern hoffte.
Das entſchied. In kurzen fernigen Worten teilte York feinen
Offizieren mit, was er vorhatte. Jubelnde Zuftimmung ante
wortete ihm. So ſchloß er am Morgen bes 30. in der Mühle
zu Poſcherun mit Diebitſch die Konvention, nad} der fein Corps
bis zur Entſcheidung bes Königs ſich zwiſchen Memel, Tilfit
und dem Haff neutral halten folte, um, blieb Preußen bei
Frankreich, bis zum 1. März nicht gegen Rußland zu fechten.
Sie galt auch für die bei Macdonald befindligen Truppen
des Generals v. Maſſenbach. Auf die Kunde davon Fehrten
dieſe am 31. von Tilfit zu York zurüd. Dem Marſchall teilten
beide Generale ihren Entſchluß brieflih mit. Ungekränkt ent
ließ biejer Die ala Stabswache bei ihm befindlichen preußifchen
Reiter, froh, dank dem Zögern Yorke, mit den übrigen Truppen
ſchnell aufbrehend zu entlommen. Noch am 30. meldete
York das Gefchehene dem König, bereit, jebe Folge zu tragen,
in der frohen Gewißheit, als treuer Untertban und wahrer
Preuße gehandelt zu Haben. In einem zweiten Schreiben
(8. Januar) befhwor er ihn im Namen der Nation, ſchnell zu
handeln: Ieite doch augenſcheinlich die Vorſehung felbft das
I. Die Erhebung von Heer und Bolt, 11
große Werk. Jetzt ober nie ſei der Moment, Freiheit, Un-
abhängigteit und Größe ohne zu große und zu blutige Opfer
wieberzuerlangen.
Er fühlte: rechtfertigen Fonnte ihn nur ein voller Erfolg;
verfagte der auch nur in einem Punkte, miflang alles. Und
fo fchien es zu fommen. Unter dem Drud biefer Sorge konnte
York nit, wie er verheißen, dem erften Schritt alsbald den
zweiten und britten folgen lafjen. Zweifel und Verzagen über
tamen ihn. Nicht wie ein Helb, ber Europa befreit, erfhien
er in Zilfit, fondern wie ein Miffethäter, der jein Urteil er
wartete. Gab es boch felbft unter feinen Offizieren noch Fran⸗
zofenfreunde. Die Ruffen aber zögerten mit dem Vormarſch,
nicht aus Rudſicht auf die Sicherheit Friedrich Wilhelms,
fonbern weil fie zu ſchwach waren und ohne York nichts thun
konnten.
Aber ſchon wurde auch das Volk unruhig, und in der
Ueberzeugung von der Notwendigkeit ſofortigen Handelns fanden
fich die entgegengeſetzteſten Parteien zuſammen. Sie vertrat ſelbſt
Hardenbergs Todfeind, v. Marwitz, der erbitterte Gegner ber
Reformen. Daß in Berlin nichts geſchah, ſchob man in Oſt⸗
preußen auf Unkenntnis der Lage: Schön ſollte fie dem König
durch glaubwürdige Augenzeugen ſchildern laflen. An biefen
richteten einige Vertreter der Stände bereits am 29. Dezember
die Bitte, den Entſchluß zu faflen, ber Befreiung von den
bisherigen Drangjalen und Sicherheit für die Zukunft verheiße:
Gut und Blut wollten fie daranfegen. Die Antwort (7. Januar)
mahnte zum Vertrauen auf den guten Willen und bie Ein—
fiht bes Königs: das erft gebe bei ber Unbekanntſchaft der
Bittfteler mit der politifhen Lage den ausgeſprochenen Ger
finnungen reiten Wert. Es ift bereits bie Theorie vom be«
ſchränkten Unterthanenverftand. Konnte denn, was in Berlin
geſchah, Vertrauen erweden? Am 30. Dezember traf bort
dur Vermittelung Boyens (S. 6) ein Brief bes Zaren ein,
der Preußen als Preis bes Anjchluffes den Stand von 1805
bot, anderenfals den Verluft Oftpreußens anbrobte. So bes
flog man, Rußland zwar ein Bündnis anzutragen, gleichzeitig
aber in Wien durch Anefebed zu erklären, ohne Oeſterreichs
12 Erſtes Bud. Der Freiheitslampf und feine Enttäufchungen.
Zuftimmung werde man mit Rußland nit einmal Frieden
fliegen. Man blieb alfo bei ber alten Unentſchiedenheit und
Zweibeutigkeit. Auf Hardenberg freilich machte die wachſende
Erregung des Volkes doch Eindruck: dem ausgeſprochenen Willen
der Nation wiberfireben, meinte er, könne einen Aufruhr
heraufbeihwören. Er veranlaßte Scharnhorft, mit Boyen, ber
bes Zaren Abſichten kannte, in Oberfälefien heimlich zu kon⸗
ferieren. Danach hatte Preußen, that es nicht mit, zu fürdten,
daß die Freiheit Europas ohne es, vielleicht auf feine Koften
bergeftellt werde. Scharnhorft drang baher vor allem auf
ſchnelle Rüftung: fonft könnten die bisher gebrachten Opfer
leicht vergeblich fein, dann aber feien Nationalftolz, Gemein»
geift und Vertrauen zur Regierung unwiederbringlich dahin:
verleugne man auch jett die Grundfäge, die Preußen groß
gemacht, fo drohe dem König das Schickſal Georg Wilhelms.
Dieſer aber witterte Hinter fo mwagemutigem Patriotismus
demokratiſche Tendenzen, die er verabfcheute, und fo entfland
zwifchen ihm und dem NReorganifator feiner Armee eine Art
von perfönlihem Kampf, deſſen Ausgang zeitweife fo zweifel⸗
haft war, daß dieſer verzagend an ben Abſchied dachte. Wenn
am 12. Januar eine beträchtliche Vermehrung des Heeres ver⸗
fügt wurde, war das weber ein Sieg Scharnhorfls, noch eine
Gewähr für den Anflug Preußens an Rußland. Die Ent«
ſcheidung dafür fiel in Oftpreußen, wo man Scharnhorfts Ideen
aufnahm und auf eigene Hand verwirklichte.
Die Lage der Provinz war äußerft ſchwierig. Sollte man
die Ruſſen als Freunde, was fie fein wollten, behandeln, oder
als Feinde, was fie völferredhtlih waren? Scheinbar beugte
man fi ja ruffiihem Zwange. Als aber Paulucci in Memel
den Vertreter bes Landesheren jpielen wollte, drohte Schön
mit einer Vollserhebung. Auch die Vollmacht des Zaren, mit
der Stein erjhien, erregte Bedenken, fo ſehr feine Perfönlich-
feit und Vergangenheit Mißbrauch ausſchloſſen. Man traute
den Rufen nit und wollte fih und feine Mittel nur buch
die geſetzlichen preußiſchen Autoritäten der Sache ber Freiheit
bienftbar maden laſſen. So bethätigte die Bevölkerung bes
alten Koloniallandes auch jegt lebhaftes nationales Bewußt-
1. Die Erhebung von Heer und Bol. 13
fein und politifches Selbſtgefühl. Solange ihr König fie nicht
preisgab, dachte fie nicht daran, für die mittelbare franzöfifche
Herrſchaft bie unmittelbare ruſſiſche einzutaufhen. Das führte
zu Konflikten mit dem zu autokratiſchem Durchgreifen geneigten
Stein. Aber den Fortgang der großen Sache hielten fie doch
nur momentan auf: denn aud Stein wollte allein biefe.
Nur auf die Regierung durfte man dabei nicht rechnen.
Wohl hatte ber König, als er am 2. Januar 1813 durch Yorke
Bericht vom 26. Dezember von dem, was bevorftand, Kunde
erhielt, freudig die Möglichkeit erwogen, die bas bot: ent
ſprechend gehandelt hat er nicht, wie es heißt aus Nüdficht
auf feine perfönliche Sicherheit, die aber vor dem Einmarſch
ber vom Main heraneilenden Divifion Grenier (15. Februar)
nit ernftlih bedroht war. Und war denn, was man im
Februar 1812 Hatte wagen wollen (Bd. TIL, S.484), jegt uns
möglih? Daß ber König dem Machtbereich der Franzofen
ſchleunigſt entzogen werben müffe, war Mar. Die gegebene
Zuflucht war dann das thatfählih neutralifierte Schlefien.
Auch dort regte es ſich bereits. In Freiburg tagten im Ja—
nuar 1813 Vertreter der Stände. Wenn ein Teilnehmer an biefer
Verfammlung berichtet, „einige eraltierte Köpfe” hätten bort
„anfcheinend bloß den Vorſchlag“ gemacht, den König dringend
einzuladen, nad Schlefien zu fommen und dazu eine Depu-
tation von 40 bis 50 Ständen nad Berlin zu ſchicken, fo
möchte man faft der Vermutung Raum geben, bie Abſichten
der Leiter feien weiter gegangen und, wie eine mundliche
Meberlieferung wiflen will, auf etwas wie eine Entführung bes
Königs gerichtet gewejen. Die wohlbegründeten Bedenken ber
Gemäßigten brachten die Sahe zu Fall. Auch Hardenberg
fol verfucht haben, den König durch einen Fußfall zur Abreife
nad Breslau zu beftimmen. Vergeblich: biefer dachte anders
als früher. Einft vol Haß gegen Napoleon, ſprach er jet
mit Zurüdhaltung, ja, gelegentlich mit Anerkennung von ihm
und wünfchte ein ähnliches Neutralitätsverhältnis zu ihm, wie
Defterreich gewonnen hatte. Anbererfeits aber wollte er doch
aud die Möglichkeit nicht ganz von der Hand weiſen, bie ein
Gelingen jener Entwürfe bot. Wieder verfuchte er aljo ein-
14 Erſtes Bud. Der Freiheitäfampf und feine Enttäufgungen.
ander ausſchließende Wege gleichzeitig zu verfolgen. Er ver-
warf die ihm am 5. Januar buch Major v. Thile überbrachte
Konvention von Tauroggen, entſetzte York und Maſſenbach des
Kommandos, das Kleift übernehmen ſollte, und verwies fie vor
ein Kriegsgericht. Aber während der Ueberbringer diefer Orbre,
Major v. Nagmer, zunächſt Murat davon Meldung machen
follte, um dann im ruffifhen Hauptquartier ein Schug: und
Trugbünbnis anzubieten (S. 11), eilte Kapitän v. Schad gerades«
wegs zu York, um ihn von den Aufträgen Nagmers in Kennt⸗
nis zu fegen und anzuweifen, wenn berfelbe wider Erwarten
zu ihm durchdringe, folle er fi unter den Schug bes Zaren
ftellen und feine Truppen nahe ber Grenze halten.
Das aber hatte York bereits von fih aus gethan. Die
Wucht der Verhältniffe nötigte den eine Zeitlang Schwankenden
weiter vorwärts, und er wurbe nach einem Worte Schöns ein
berrliher Diamant, ber zum hellften Glanz kommen follte.
Ale feine Anordnungen trugen nun wieder das Gepräge von
hoher Einfiht und Kraft. Durch General v. Kleift übermittelte
er dem Zaren den Wunſch, unter ruffiichem Oberbefehl gegen
die Franzoſen zu fechten. Aber fo gut diefer ben Abgefandten
aufnahm und fo werfthätig Hilfbereit er ſich zeigte: zunächſt
wunſchte er York noch inaktiv zu laffen, nicht aus Sorge für
die Perfon des Königs, fondern wegen ber Schwähe feines
eigenen Heeres. Inzwiſchen war York nach Königsberg gelommen
(8. Januar), das die Franzofen in der Naht vom 4. zum
5. Januar verlaffen hatten, unmittelbar abgelöft von den Ruffen.
Des Zaren Adjutant, Fürft Dolgorudi, fand ihn (14. Januar)
trog beunruhigender Gerüchte aus Berlin wieder kühn ent⸗
ſchloſſen. Der Situation entiprehend wuchs er mit feinen
Hweden. Wie ein Infpirierter erſchien er Dolgorudi, als er
ihm barlegte, fein Ziel fei die Erhebung ber ganzen Nation,
Temporifieren fei jet unmöglich; noch hoffe er auf einen kräf⸗
tigen Entſchluß des Königs: aber jelbft wenn der in die Ge
walt der Franzofen falle, fei nichts verloren, ein Prinz könne
den Befehl übernehmen, und alle, jelbft Frauen und Kinder,
würden die Waffen ergreifen. Aehnlich dachten die anderen
Befehlshaber. Kleiſt follte gedroht haben, Nagmer zu vers
I. Die Erhebung von Heer und Boll. 15
haften. Trotz alten perfönliden Grols trat Bülow auf bie
erfte Aufforderung York bei, um im Notfall bie Bande des
Gehorfams zu zerreißen und auf eigene Hand ben Krieg zu
führen, den Armee und Volt wollten. Borftell freilich lehnte
Bulows Aufforderung zum Anſchluß ab und machte dem König
davon Mitteilung, erklärte ihm aber zugleich, er fei der eigenen
Soldaten nit fiher, falls bie erbitterte Bevölkerung ſich jenen
anſchlöſſe, und beſchwor ihn, nicht mehr burch Verhandlungen,
fondern mit den Waffen fein Recht von Frankreich zu fordern.
Die mobile Armee ging alfo ihren eigenen Weg. Und
ähnlich handelte das Volk, zunächft in Oftpreußen. Einft, in
ben Seiten ber vielgepriefenen Xibertät, erbitterte Gegner bes
erftarfenden Fürftentums, dann engherzige Borkämpfer ihrer
Stanbesprivilegien, waren die Stände bes Landes, neuerdings
teorganifiert und durch Vertreter auch des alten einheimijchen
freien Bauernftanbes der Kölmer ergänzt, wirkli ein Organ
für die Vertretung ber Landesintereffen geworben. Den Hohen.
zollern treu ergeben, bewahrten fie der Geſchichte ihres Landes
entſprechend doch auch ein lebhaftes Selbfigefühl und das Bes
wußtfein der eigenen Kraft. Mehrfach hatten fie in den legten
ſchweren Zeiten als „Vertreter der preußifchen Nation“ ber
Regierung Hilfreich zur Seite geftanden. Aus ihren Reihen er:
ging am 11. Januar an ben König bie Bitte, den Untergang
des ruhmmürbigen preußiihen Namens zu verhüten und durch
einen vettenben Entſchluß zu hindern, daß das an ber Grenze
fiehende fremde Heer, in der Hoffnung auf einen Alliierten
getäufät, fih an ihnen räde, Deutſchland feinem Schichſal
überlaffe oder gar nur eine militärifhe Grenze für ſich zu ge»
winnen ſuche. Kein Opfer fei ihnen zu groß, um Ehre und
Gläd, die fie von ihren Vätern überlommen, auf ihre Kinder
vererben zu fönnen. Als der Zar (19. Januar) zu Lyk preu⸗
ßiſches Gebiet betrat, ließen fie ihn bemilllommnen und um
Schonung bes Landes bitten. Daß er nicht als Feind Fam,
wußte mar. Auch waren bie leitenden Perſönlichkeiten bereits
darin einig, daß die Situation ein Zufammenwirken der Rufen
und Yorks gebieteriſch fordere, es baher gelte, des letzteren
Corps neu auszurüften und möglichft zu vervielfältigen. Wie
16 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufgungen.
das zu gefchehen habe, war fon Anfang Januar zwiſchen
York und Schön in Tilfit erwogen worden in Anlehnung an
das 1811 Geplante (S. 2. Des Zaren Bedenken beihwichtigte
die Mitteilung der dur v. Schad überbrachten Botſchaft des
Königs an York: am 20. Januar nahm er defien Anerbieten
zur Kooperation an. Am 21. befahl York feinem Corps, am
24. den Mari auf Elbing anzutreten. Als Parole, Loſung
und Feldgeſchrei gab er: Roßbach, Friedrich, frei!
Auch in Berlin famen bie Dinge nun endlih in Fluß:
nur blieb die einzufhlagende Richtung noch immer zweifelhaft.
Am 19. Januar hatten bie Zeitungen bie Dekrete gegen York
und Maſſenbach gebracht. In ber folgenden Nacht aber kehrte
Nagmer zurüd mit günftigen Erklärungen bes Zaren. Am
20. verfügte darauf ein Erlaß die Ausgabe von zehn Millionen
Thalern in Treforiheinen mit Zwangskurs. Am 23. verliek
der König Potsdam — indem er liftig den Schein einer Bes
drohung durch die Franzofen erregte, vermochte ihn Harden⸗
berg endlich dazu — und traf am 25. in Breslau ein. Bon
ihm gejandt, erſchien am 26. in Königsberg Major v. Thile:
er überbrachte die Genehmigung bes von York Gelhanen und
alles jonft Gefchehenen. Tags darauf erflärte York durch bie
Königsberger Zeitung, ein Befehl zur Abgabe des Kommandos
an Kleiſt, von dem die Rebe ging, fei ihm nicht zugelommen:
ex bleibe auf feinem Poften. Nur zum Kriege war ber König
doch trog alledem noch nicht entſchloſſen: durch Krufemarf und
Beguelin warb er vielmehr in Paris um fofortige Erftattung
der Hälfte der geleifteten Vorſchuſſe. Hätte Napoleon bieje
beſcheidene Forberung bewilligt: er wäre wohl neutral geblieben.
Er wäre fein Berbündeter geblieben, hätte er ihm großen
Sanberwerb geboten. Denn nur im Bunde mit Defterreidh
und Rußland ſchien ihm der Kampf mit dem Unüberwindlichen
nicht ganz ausſichtslos. In Wien aber hielt man Nnejebed
mit leeren Worten hin, und Rußland allein wollte er fi} erft
anſchließen, wenn deſſen Heere an der Ober fanden und ihm
feine Wahl mehr ließen. Dagegen hielt Hardenberg das ſchon
jest für geboten, weniger wegen ber Bweibeutigfeit Oeſterreichs
und der Unnachgiebigkeit Frankreichs, als wegen der wachſenden
I. Die Erhebung von Heer und Bolt. 17
Volfsbewegung. Auch fegte er es buch, daß Kneſebeck, von
Wien zurüdgerufen, zum Zaren geſchickt wurde. Doc wollte
der König damit nur ein Auskunftsmittel bereit ftellen, falle
das ihm Erwunſchtere nicht geſchah. Auch beauftragte er am
28. Januar den Staatslanzler, mit Scharnhorft und dem Kriegs-
minifter v. Hake eine möglichſt ſchnelle Vermehrung der Streit-
fräfte vorzubereiten.
Die Bildung einer Miliz, wie fie für einen ſolchen Fall
früher geplant war, verbot die Konvention vom 8. Sep-
tember 1808. Ohne Vollsaufgebot und mit möglihfter Scho-
nung ber fnappen finanziellen Mittel galt e8 den außerordent⸗
lien Bedarf an Mannſchaften zu deden, ſowie den an geeigneten
Berfonen, um fie einzuüben und zu führen. Letzteres bezwedte bie
Bekanntmachung in betreff ber zu errichtenden Jägerdetachements
vom 3. Februar. Indem fie diejenigen Klaſſen der Staatsbürger,
die bisher vom Dienfte befreit gewefen und wohlhabend genug
waren, um ſich felbft zu befleiden und beritten zu machen, zum
Eintritt einlud, um ohne peinlihen Drill und firengen Dienft
in freier Anlehnung an das Heer zu dienen, gewann fie für
die Armee ohne Koften nit bloß einen zahlreihen Stamm
fünftiger Offiziere, ſondern auch einen unfhägbaren Zuwachs
an Intelligenz und fittliher Tüchtigfeit, und verknüpfte die
Intereſſen bes gebildeten und vermögenden Bürgertums mit
dem Kriege. Ein Erlap vom 9. Februar hob dann, zunächſt
für ben bevorftehenden Krieg, bie bisherigen Eremtionen von
der Rantonpfliht auf. Damit geſchah ein erfter Schritt in
der Richtung auf die von Scharnhorft längft als Biel ins Auge
gefaßte allgemeine Wehrpflicht.
Nur, wem das alles gelte, war noch nicht gejagt. Für
unvermeibli hielt der König ben Kampf mit Frankreich auch
jegt noch nit und wünfchte ihn zu vermeiden. Aehnlich dachte
die Mehrzahl feiner Räte. Warnte doch der Minifter Golg
eben in jenen Tagen ben Oberpräfibenten v. Auerswald in
Königsberg vor den Umtrieben der Rufen! Nur Scharnhorft
mit den Seinen hatte den großen nationalen Kampf um bie
Freiheit im Auge. Und er riß ben fonft fo gern biplomati-
fierenden Hardenberg mit fi) fort: fie beide waren bie Seele
Prag, Preuijge Geläläte. IV.
18 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufchungen.
von allem und rangen dem noch immer zweifelnden und wider-
firebenden König Maßregeln ab von einer Energie, die manchem
gerabezu revolutionär erſchien. Und bie öffentlihe Meinung
deutete biefe verftändnisvoll in dem richtigen Sinn. Daher
ihr über alles Erwarten großartiger Erfolg! Ein herrlicher
Enthufiasmus trieb Söhne von Fürften und Kinder ber reichſten
Familien, Söhne des Adels und bes höheren Bürgerftandes
von ber feinften Bilbung als Gemeine in bie Jägercompagnien.
Thränenden Auges pries Gneifenau fih nachmals glüdlidh, dieſe
weltgejdhichtliche Zeit noch erlebt zu haben. Auch auf ben
König verfehlte das bes Eindruds nicht: er ahnte größere Kraft
und Opferfreubigfeit in feinem Volke, als er in feiner Bes
geifterungsfofigfeit ihm zugetraut hatte. Das fleigerte ben
Einfluß der Patrioten, und fo ſchlug die preußiſche Politik
immer entſchiedener eine Richtung ein, die nicht die vom Könige
urſprunglich gewollte war. Noch ehe das Lofungswort gefallen,
wuchs die Bewegung, bie jene Erlaſſe entfeflelt, zu folder
Stärke, daß ber König ihr folgen mußte, wollte er fie nicht
fi gegen ihn wenden und, wenn er fie aufzuhalten unternahm,
über ihn hinweggehen jehen.
Und gleichzeitig hatte nun in Oftpreußen bie Vollks—
bewaffnung begonnen. Zwar konnte York ala Gouverneur alles,
was im Rahmen ber Rantonverfaffung an Mannſchaften im
Lande aufzutreiben war, feinem durch Auerswalds und Schöne
Fürforge neu ausgerüfteten Corps einverleiben. Bei der Schwäche
der Ruſſen aber reichte das nicht aus. Auch war nach dem,
was man erlebt hatte, ber Drang zum Kampf gegen ben ver:
haften Feind hier befonders ſtark. Namentlih in Mafuren
und Litauen gärte es, und Schön und feine Freunde unter-
ließen nicht, das Feuer zu füren. Webereifrig brohten bereits
einzelne Gruppen bie Waffen zu ergreifen: die Regierung gebot
Einhalt, und aud die geheimen Leiter und Berater juchten
eine Verzettelung ber Kräfte zu hindern. Lange zu zügeln aber
war die Leidenſchaft nicht mehr. Zwar veranlaßte die Art,
wie Stein, der am 22. Januar nad Königsberg kam, nur
das legte Ziel im Auge, die preußiichen Behörden wie ihm
Gehorfam ſchuldige Organe behandeln wollte, Konflikte mit
I. Die Erhebung von Heer und Bolt. 19
York, Schön und Auerswald, doch wurden fie dank der gleichen
Hingabe aller an die heilige Sache und ber Selbftüberwindung
Steins durch Schöns Vermittelung beglien. Auf Steins An:
regung wurde Ende Januar eine Verfammlung fänbifcher
Deputierter aus Oftpreußen, Litauen und Weftpreußen rechts
von ber Weichſel ausgefehrieben, um die Befchaffung der Mittel
zur allgemeinen Verteidigung des Vaterlandes zu beraten. Am
5. Februar trat fie zufammen. Auf Einladung erſchien York
in ihrer Mitte und erbat von ihrer Treue und Anhänglichkeit
an König und Vaterland thatfräftige Unterfiügung feiner Bor:
[läge zur Bewaffnung des Landes und zur Berftärkung ber
Armee. Ein Ausfhuß follte dazu mit ihm in Verhandlung
treten. Wo er fie finde, fo ſchloß er, Hoffe er die Franzoſen
zu ſchlagen, anderenfals ruhmvoll zu fterben. Das ihm ant-
wortende Hoch bat er bis auf das Schlachtfeld zu fparen.
Einen Plan zur Errichtung einer Landwehr, der bie in
Defterreih 1808 gemachten Erfahrungen und das Vorbild ber
ruſſiſchen Druſchinen benußgte, hatte auf Steins Erſuchen der
mit Wittgenftein nad Königsberg gekommene Oberftleutnant
Slaufewig entworfen. Nach ihm rebigierte ala Vorfigender des
ſtändiſchen Ausſchuſſes Graf Alerander Dohna eine Verord-
nung, die Stein durchſah und York nachprufte. Sie lag den
ſtändiſchen Beratungen zu Grunde. Man beſchloß auf Koſten
der Provinz 20 000 Mann Landwehr und 10 000 Mann Referven
aufzuftellen. Mit Ausnahme allein der Geiftlihen und Lehrer‘
folten, unter Bulafung der Stellvertretung, ber Landwehr
ohne Rüdfit auf Stand und Religion alle bis zum 45. Jahre
angehören, um erft durch freiwillige Stellung, dann durch das
203 zum Dienft eingezogen zu werben. Die Ausführung wurde
einer ſtändiſchen Generaltommiffion übertragen, ber drei von
York ernannte und drei gewählte Mitglieder angehörten. Zum
Vorfigenden wählten die Stände ben ehemaligen Minifter
Grafen Dohna (Bd. II, S. 470). Zn den einzelnen Diftriften
arbeiteten fünf Speziallommiffionen, deren jede eine Landwehr-
brigade zu vier Bataillonen beſchaffen ſollte. Die Befehlshaber
der letzteren folte auf Vorſchlag der Spezialfommiffionen die
Generaltommiffion beftätigen, bie ihrerfeits die Brigadefomman-
20 Erſtes Bud. Der Freiheitöfampf und feine Enttäufgungen.
deure dem König ober deſſen Stellvertreter präfentierte. Mit
dem fertigen Entwurfe eilte am 13. Februar Graf Ludwig Dohna
nad) Breslau, um bes Königs Beftätigung einzuholen. An bie
Ausführung aber wurde fofort Hand angelegt.
In Breslau ftrömten inzwifchen begeiftert die Scharen der
Freiwilligen zufammen. So gewaltig war der Andrang, daß
die anfangs gejegten Altersgrenzen weiter hinausgerüdt und
bie belaffenen Eremtionen, namentlich ber Beamten, aufgehoben
werben mußten. Aber ber Bewegung des Volks zu folgen,
konnte der König ſich noch nicht entſchließen. Ein Glüd war
es daher für biefe, daß die Furt vor einem franzöfifchen
Gewaltftreih, zu dem fi das von den Ruſſen bei Kaliſch ge-
ſchlagene Reynierſche Corps mit denen Greniers und bes von
Polen heranziehenben Poniatowsti vereinigen zu wollen ſchien,
ihn beftimmte, am 12. Februar die Mobilmahung der in
Sälefien und Pommern ftehenden Truppen anzuorbnen und
für den Fall eines Angriffs unter lobender Gutheißung des
von ihm Gethanen York zum Oberbefehlshaber in Preußen
und Pommern zu befignieren, mit der Weifung, den Krieg
im Rüden ber Franzofen kraftvollſt zu führen. Aber noch nahm
au Hardenberg den ſchwächlichen Gedanken einer Vermittelung
wieder auf und bemühte fi um einen Waffenftillitend. Wie
ein klärendes Gewitter fuhr in dieſes Wirrfal die Kunde von
der Selbfthilfe Oftpreußens. Sie fprad den Franzofenfreunden
das Urteil. Was dort gethan war, ließ ſich nicht ungeſchehen
machen. Frankreich gegenüber gab es da fein Zurüd: ging
der König nicht mit, fo ging man ohne ihn weiter, und ſicher
folgten dann Brandenburg, Pommern und Schlefien, zumal,
wie Scharnhorft annahm, in diefem Falle England und Rup-
land alles thun würden, um Preußen feine Unterthanen ab-
fpenftig zu machen. Der Jubel, mit dem am 20. Februar
verwegen ftreifende Koſaken bei ihrem Erſcheinen in Berlin
begrüßt wurden, ſprach deutlich genug.
Thatfählih waren die Zügel der Regierung der Hand
des zaubernden Königs bereits entfallen. Eigenmächtig traten
Heer und Volk in den Freiheitsfampf ein. York brad aus
den Quartieren bei Elbing auf. Am 19. Februar ging er
1. Die Erhebung von Heer und Bolf, 21
über die Weichjel und war am 22. in Konitz. Erſt wenn er
fo weit vorgerüdt fein würde, ſchien den leitenden Perfönlich-
feiten in Breslau der Augenblid für die Schilderhebung ges
tommen, ba er dann mit den preußiſchen Truppen in Schlefien
tooperieren konnte. Dort verftändigte er fih denn auch mit
Bülow und Wittgenftein über den Vormarſch nad der Ober.
Acht Tage fpäter trat felbft Borſtell, fortgerifien von dem in
Kolberg gelandeten und jubelnd empfangenen Gneifenau, ben
Mari auf Berlin an. So gefpannt war die Lage, daß ein
wohlunterriäteter Diplomat vor dem Worte nicht zurüdichredte:
„Wenn der König zögert, bie ihm von ber Nation zur Ver—
fügung geftellten Mittel anzuwenden oder aud nur die An-
frengungen Rußlands zur Herftellung der Monarchie zu unter
Rügen, halte ich eine evolution für unvermeiblih, und
wahrſcheinlich wird dann die Armee mit ihrem Veifpiel voran=
gehen und das Signal geben.”
I. Der Freiheitekrieg von 1813.
Auszuhalten war die Bewegung nicht, die Preußen durch⸗
bebte. Es fragte ſich nur, ob der König ſich an ihre Spitze
ftellen oder fie ſich ſelbſt überlaffen und damit Staat und Krone
auf das Spiel jegen würde. An Vorftellungen und Mahnungen
bat es nicht gefehlt. Auch Stein, fo feheint es, hat ihm ernft
und eindringlich feine Pflicht vorgehalten. Wenigftens über-
fandte er am 28. Dezember dem Baren den Entwurf eines
Briefes der Art. Was ein Fürft vermöge, führte er darin aus,
ber feines Volles edle Gefühle zu erweden und zu leiten wiſſe,
lehre das Beiſpiel Aleranders. Viel Unglüd gelte es gut zu
maden, die nationale Unabhängigkeit, den Glanz und bie
Majeftät des Thrones herzuftelen und eine tiefgebeugte Nation
aufzurichten. Eingedenk feiner Vorfahren möge der König bie
Ketten fprengen und den vom Zaren erhobenen Bannern ber
nationalen Ehre und Unabhängigkeit folgen. Er beſchwört ihn,
feinem Volke einen Krieg zu eriparen, der e durch die Fort:
dauer der Knechtſchaft mit fortfchreitender „moraliſcher Degra-
dation“ bebrohe. Ober wolle er ſich nachſagen laſſen, fremder
Tyrannei als Werkzeug gedient zu haben, um in feinem Volke
jedes hochherzige Gefühl zu erftiden und es zu erniebrigen, flatt
den Fürften nadzuftreben, die einen Staat aufzurichten oder
fi unter feinen Trümmern begraben zu laſſen wüßten?
Die gehoffte Wirkung hat der Brief jedenfals nicht ge—
habt. Der König teilte im weſentlichen ben Standpunkt, den
der leifetretende und glatte Ancillon in einer Denkſchrift vom
4. Februar entwidelte. Er empfahl das ruſſiſche Bündnis, doch
nur, um bie Ruffen erſt die Franzofen über die Elbe nötigen,
dann aber felbft über die Weichjel zurüdgehen zu laſſen, darauf
zu vermitteln und erft, wenn das mißlänge, zu den Waffen
U. Der Freiheitskrieg von 1813. 23
zu greifen. Daher entſprach auch der Bünbnisentwurf, mit dem
Kneſebeck endlih am 9. Februar zu Alerander aufbrach, deſſen
Erwartungen gar nit: er nahm allein bie Befreiung von
Norddeutſchland in Ausfiht und lehnte jede Verpflihtung dar:
über hinaus ab, verlangte aber bie Zufiherung der politifchen
und militärifhen Hegemonie über diefen Teil Deutfchlands und
zur Herftellung Preußens in dem Befigftand von 1805 bie
Nüdgabe feiner alten Befigungen in Deutſchland — unter
Ausflug Hannovers — und in Polen, wo höchſtens Bialyftod
ruſſiſch bleiben folte. Ob, wie Boyen meint, der König zu
dieſer Miffion Kneſebeck wählte, weil deſſen „verwidelte Ver⸗
fahrungsart“ Zeitgewinn verhieß, bleibe dahingeftellt. Jeden:
falls ging koſtbare Zeit verloren. Des Zaren Mißtrauen gegen
den Bevollmädtigten, der in feinem dem Könige ſympathiſchen
Kleinmut Preußen die Aufbringung von nit mehr als
30000 Mann zutraute, erwies fi als begründet: gegen feine
Inſtruktion ſtellte diefer ſelbſt Bialyftod für Rußland in Frage.
Auch berührte es den Zaren peinli, daß Hardenberg gleich
zeitig in Paris erklärte, Kneſebed ſolle nur die Neutralität
Schleſiens bei Rußland zur Anerkennung bringen, zugleid aber
auf Erjag der geleifteten Vorfhüffe drang und dabei ſchmei—
chelnd die Hoffnung ausfprehen ließ, da Napoleon Defterreichs
Friedensvorſchläge nicht einfach abgemiefen, werde ber König
als Vermittler an dem Ruhm teilnehmen dürfen, den jener
durch Herftellung des Friedens zu erwerben ſich anfchide. Wollte
Hardenberg danach wirklich mit Frankreich breden und nur
Preußen nicht zu früh Tompromittieren? Ober hoffte er noch
immer, Napoleon werde ihn durch Bugeftändbniffe der Not:
wenbigfeit des Kriegs überheben? Hielt er den König für fo
ganz unfähig, den fonft gebotenen Entſchluß wirklich zu faflen?
Noch verfiherte diefer St. Marfan, er wolle in dem Bündnis
mit Frankreich bleiben, erklärte freilich gleichzeitig dem Zaren,
nichts wünfche er fehnlicher, als fein politiſches Syſtem wechſeln ·
zu können, doch fei das erft möglich, wenn Napoleon buch
Ablehnung feiner Anträge fih auch vor dem franzöfifchen Volfe
ins Unrecht gefegt habe und ihm felbft Treulofigfeit nicht vor -
geworfen werben könne.
24 Erſtes Bud. Der Freibeitälampf und feine Enttäuſchungen.
Nun war die Allianz mit Rußland, die Borausfegung
jeber preußifhen Aktion, durch Kneſebeck eben fo gut wie ge-
ſcheitert. Das Hatte Stein gefürdtet: er kannte bes Königs
Neigung, ſich gar nicht, und die Hardenbergs, ſich möglichft
fpät zu entfceiden. Daher erbot er fi ſchon am 10. Februar
gegen ben Zaren, jelbft in Breslau auf ben Abfchluß zu dringen.
In dem Schreiben an den König, das er ihm mitgab, befannte
der ar, durch die von Preußen in Paris gemadten Bor:
{läge um fo fehmerzlicher überrafcht zu fein, als er deſſen
Herftellung, ja Vergrößerung flets im Auge gehabt und auch
glei nach der Vernichtung des Feindes, alles Vergangene ver-
gefiend, dem Könige — dur Boyen (S. 11) — angetragen
babe. Jet fei jeder Moment des Zögerns Gewinn für den
Feind. Von Treulofigkeit könne bei ihm nicht die Rede fein,
nachdem Napoleon jeden Artikel des Tilfiter Friedens verlegt
babe. „Freundſchaft, Vertrauen, Ausdauer und Mut, und die
Vorſehung wird das übrige thun,“ rief er dem Kleinmütigen
zu. Mit warmen Worten rühmte er Steins Verdienſte und
empfahl ihn dem König als einen feiner treuften und fähigiten
Unterthanen.
Am 25. Februar kam diefer in Breslau an. Seine Auf-
nahme war 'verlegend kalt. Unbeachtet ließ man ihn in einer
befcheidenen Herberge. Hardenberg jah ihn zunächft nicht, und
auch als er ernftlich erkrankte, nahm der König feine Notiz von
ihm. Aber er fand bie Lage doch endlich geklärt: auch ber
König hatte das franzöfifche Bündnis als unmöglich erkannt.
Diefe Entſcheidung war, fo bezeugt Scharnhorft, am 23. er=
folgt. Aber ohne Begeifterung und ohne Glauben an den
Erfolg, nur um Schlimmeres abzuwenden, fügte fi der König
dem Willen von Heer und Voll. Trat doch mit dem Vor—⸗
marf der Ruſſen nad der Ober die Lage ein, bie au ihm
den Anflug an Rußland geboten erſcheinen ließ. Hatte er
aber einmal einen Entſchluß gefaßt, fo tröfteten fih die
Batrioten, fo pflegte er an ihm feftzuhalten. Unverändert nahm
er den Vertrag an, ben ihm ber Zar durch ben mit Stein
gekommenen Staatsrat v. Anftett vorlegen ließ. Er entipredhe,
ſchrieb er, ganz den ihn erfüllenden Gefühlen der Freundſchaft
U. Der Freiheitskrieg von 1818. 25
für den Zaren, mit dem er bald unlöslich verbunden zu fein
wünjde. Am 27. erfolgte in Breslau, am 28. in Kaliſch die
Unterzeihnung. Der Vertrag ſprach nicht mehr von Waffen-
ſtillſtand und Vermittelung, fondern proffamierte ben Frei-
beitöfrieg, und zwar ben europäifchen. Denn, fo hieß es darin,
die ruſſiſchen Erfolge hätten die Epoche der Unabhängigkeit
beraufgeführt für alle Völker, die das Joch Frankreichs ab:
ſchuütteln wollten. Preußen und Rußland verbanden fih zu
Schutz und Trug für diefen Krieg, der Preußen in ber für
beider Ruhe nötigen Geftalt herſtellen und für die Zukunft
ſichern follte, indem er Frankreich nicht bloß jede militärische
Stellung, fondern auch jeden Einfluß in Norbbeutfchland nahm.
Dazu fielt Rußland 150000 Mann, Preußen fo viel es auf-
bringen Kann, aud eine Landwehr. Ein Geheimartifel be—
flimmte zu Preußens Ausftattung die Eroberungen in Nord»
deutſchland außer Hannover. Schon bei den erften Eröffnungen
an Boyen Hatte ber Zar dafür befonders auf Sachſen hin:
gewiefen. Bon Polen dagegen follte es nur erhalten, was zur
Verbindung Altpreußens mit Schlefien nötig war.
Man hat an dem Vertrage von Kalifch ausgeſetzt, daß er
Preußen weber feine territoriale Rekonſtruktion, noch die
leitende Stellung in Deutſchland fierte. Aber es hatte weber
das eine noch das andere verlangt. Hatte doch Kneſebeck noch
in Wien vorgefhlagen, die Unabhängigkeit Deutſchlands von
Frankreich vorausgejegt, die Könige und Fürften des Nhein-
bundes mit Ausnahme des Königs von MWeftfalen in dem
gegenwärtigen Zuftande zu erhalten, und ganz im Einflange
mit Hardenbergs dualiſtiſchem Syftem für Preußen nur im
Norden des Mains militäriſch ausfchlaggebenden Einfluß ge
fordert. Hatte Preußen denn feinen Beruf zu einer leitenden
Stellung in Deutſchland bereits erwiefen? Wurde diefe Frage
nit vielmehr durch feine NKraftentfaltung in den nächſten
Monaten und die Aenderung, die fie in feinem Verhältnis zu
Defterreih und den übrigen deutſchen Staaten bewirkte, über:
haupt erft aufgeworfen? Gab ihm nicht erft ber Kaliſcher
Vertrag die Möglichkeit, ftatt einer einfeitig preußiſchen eine
beutfche Politik zu verfolgen? Er war ein Sieg nicht bloß
26 GErftes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufgungen.
der preußifchen, fondern der deutfchen Patrioten. Zum zweiten»
mal griff Stein rettend in die Geſchicke Preußens ein. Erft
das Gewicht, das er als Vertrauensmann des Zaren in bie
Wagſchale legte, beftimmte den König zum Handeln, bradte
zum Abſchluß, was York und Oftpreußen begonnen, und half
Scharnhorft endlich zum Siege. Der König freilih empfand
das als eine Niederlage, die er nicht verzieh. Denn er dachte
im Grunde wie die, welde meinten, unter der Maske des
Patriotismus hätten fi die „Häupter der Selten“ und bie
Militärs der Regierung bemächtigt, und die von dem Volks—
frieg eine Revolution befürchteten — eine Gefahr, die nad
Scharnhorſt allerdings beftand, wenn die Völker, von ihren
Regierungen verraten und verlaffen, zur Selbſthilfe genötigt
würden, bei der dann die Regenten, die Gut und Leben dem
Feinde Hingegeben, leicht über glüdlihe Anführer vergefien
werben könnten. Wirklich war bie Regierung augenblidlich
fo wenig Herrin ber Lage, daß der Staatskanzler Scharnhorft
bat, er möge bie allzu hitzig vorwärtsdrängenden Patrioten
in Berlin beſchwichtigen. Auch fanden deſſen Worte dort fofort
Gehorfam. Auch Steins Auftreten in Königsberg war als
tevolutionär verſchrieen, und befondere Weifungen folten ähn-
liches anderwärts hindern. Bor allen beargwöhnt wurde
E. M. Arndt, der Stein begleitete und in volfstümlichen Schriften
begeiftert zum Freiheitskampfe aufrief. Ganz fiher alfo war
man nad) allevem bes Königs doch noch nicht. Auch der Zar
fürdtete feine Unbeftändigfeit. Stein Magt über feine Kälte
und Unentſchloſſenheit: er bejorge, durch Rußland ins Ver-
berben geftürzt zu werben und bie Franzoſen bald wieder an
der Weichfel zu fehen. Auch blieb trog bes Herbeiftrömens
von Taufenden jubelnder Freimiliger die nationale Bewegung
in Breslau und Schlefien hinter der in Oftpreußen umb ber
Mark zurüd. Der ſchleſiſche Adel haßte in Hardenberg und
Scharnhorſt die Reformer und verzieh die Bauernbefteiung nicht.
In ben bürgerli—hen Kreifen aber ſah mander mit Bebauern
bie Vorteile gefährbet, welche die Neutralität Schlefien ge—
währt hatte.
So fand felbft nah dem Kaliſcher Vertrage die Ent-
I. Der Freiheitäfrieg von 1813. 27
ſcheidung eigentlih doch noch aus. Die fofort losſchlagen
wollten, drangen nicht durch, obgleich die Mafregeln, die dank
der organifatorifchen Thätigkeit Scharnhorfis feit dem 12. Ja—
nuar (S. 12) ergriffen waren, das Heer gegen den Stand vom
1. Dezember 1812 verdreifacht und auf faft 120 000 Mann ge
bracht Hatten. Mit den Rufen und dem bewaffneten Volt
hätten fie, was an Franzoſen noch in Preußen vorhanden war,
wohl unſchädlich gemacht. Aber das Volk zu infurgieren ſchien
dem König nun einmal zu „poetiih“, troß bes Erfolges, den
der Aufruf vom 3. Februar gehabt hatte. So groß war dauernd
der Andrang von Freiwilligen, daß man die anfangs aus—
geſchloſſenen Beamten zulafien. und den dienftunfähigen Wohl-
habenden geftatten mußte, Unbemittelte gemeinfam auszurüften.
Um auch die zuftrömenden Nichtpreußen der guten Sache bienft-
bar machen zu fünnen, beſchloß man bie Bildung von Freis
corps nad dem Vorbild des 1809 von dem Herzog von Braun
ſchweig geführten. Bedeutung erlangte nur das bes Majors
v. Lutzow. Ohne militärifh Großes zu leiften, gewann es
höchſte Popularität durch fein von Theodor Körner poetiſch
verklärtes Heldentum. Auch nahm man das Anerbieten der
Stände einzelner Provinzen an, aus ihren Mitteln eine freie
willige Reiterei, fogenannte Nationalkavallerieregimenter, zu
bilden, wie in Scählefien, Pommern und namentlih in Oft
preußen. Weitere Formationen der Art unterblieben, um bie
Kräfte nicht zu zerfplittern. Auch haben fi dieſe Truppen
zunächſt wenig bewährt.
Hätte Königin Luiſe diefe Tage noch erlebt! Wie würde
ihr edler Eifer die Vegeifterung genährt und ben zweifelnden
Gemahl zu mutigem Mit und Vorangehen beſchwingt haben!
Hatte Napoleon einft gemeint, in ihr habe dieſer feinen beften
Minifter verloren: die höhere, geiftige und fittlihe Wahrheit
dieſes Wortes wurde gerade jegt vielfach empfunden. Auch der
König ſcheint, wie er fi endlich dem Vollswillen fügte, fi
gleichſam von ihr umſchwebt gefühlt zu haben. Vom 10. März,
ihrem Geburtstage, datiert der Erlaß, der ala Lohn befonderer
Tapferkeit in diefem Kriege das Eiferne Kreuz ſtiftete — ein
glüdlicger Gedanke, angemefien dem großen Augenblid und
28 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen.
finnig aud) infofern, als das dafür benugte Deutſchordenskreuz
nächſten Bezug hatte auf die Provinz, die mit der Erhebung
vorangegangen war. ine pietätvolle Huldigung rief in ber
verflärten Königin gleihfam den Schußgeift Preußens herbei.
Noch fehlte die Antwort auf die (15. Februar) nach Paris
gerichteten Vorſchläge (S. 16). Länger warten räumte dem
Gegner immer größere Vorteile ein. So kamen bie Dinge
endli in Fluß. Am 15. März zog der Zar, jubelnd begrüßt,
in Breslau ein. Vom 16. datiert die ber Kriegserflärung
gleich zu achtende Note Harbenbergs. Bezeichnenderweiſe aber
wurde von zwei dafür vorliegenden Entwürfen wieder ber
milber gefaßte gewählt. Am 17. wurde fie St. Marfan übers
geben, ehe er bie eben eingegangene Nachricht mitteilen konnte,
daß Napoleon den empfohlenen Wafjenftilftand in Erwägung
ziehen und finanzielle Zugeftändniffe machen wolle. Was würden
die Friebensfreunde etwas früher daraufhin erreicht haben!
Und auch jegt noch beftand die Gefahr, daß ber Bruch in einer
Form erfolgte, die den Wunſch nad baldiger Heilung allzu
deutlich verriet. Wirklich Hang fo das von Ancillon entworfene
mattherzige Kriegsmanifeſt. Gneifenau (S. 21), der eben in
Breslau ankam, ſetzte durch, daß es verworfen wurde. Nach
feinen Angaben redigierte Staatsrat v. Hippel den am 17. März
vom König vollgogenen Aufruf „An Mein Bolt” — ein Meifter-
ftüd volfstümlicher Beredſamkeit, ebenfo überzeugend durch die
Kraft der [lichten Sprache, wie erfhütternd durch die wuchtige
Bufammenfafjung ber Thatſachen und erhebend durch den daraus
fprecdenden Glauben an das gute Recht und feinen endlichen
Sieg. Militärifh Fürzer, aber nicht minder padend waren
die Worte des von bemfelben Tage herrührenden Aufrufe „An
Mein Kriegsheer“. Beide erfhienen zugleih mit dem Erlaß
über die Stiftung des Eifernen Kreuzes am 20. März, wo
au der Abſchluß des Schutz- und Trugbündniffes mit Rufe
land befannt gemacht und die Aufhebung der Kontinentaliperre
angeorbnet wurbe.
Diefe Sprade fand denn auch den Weg zum Herzen bes
Volkes: fie gab ihm den Glauben an feinen König wieber.
Nicht Teichten Herzens, nur einem unwiderſtehlichen moralifchen
II. Der Freiheitätrieg von 1813. 29
Zwange nachgebend, würde es, verfagte er fi ihm endgültig,
von feinem König gelaffen haben, um auf eigene Hand feine
nationale Selbftändigfeit zu retten. Nie würde der König,
zwang er es zu fernerer Dienftbarkeit unter Frankreich, ber
Herrſchaft mehr froh geworben fein. Nun fanden fich ihre
Wege wieder zufammen. Die Gefahr ber inneren Zwietracht,
die au den ſchönſten Sieg zu entwerten drohte, war ab⸗
gewandt: einig mit feinem Heere und Volk trat der König
ein in den Kampf für Freiheit und Ehre. Und nun regte es
fi auch in den 1807 abgeriffenen Gebieten: eine Deputation
von Halle und dem Saalekreiſe erfhien in Breslau, um dem
Könige zu huldigen.
Von demjelben Tage wie ber Aufruf an Volf und Heer
(17. März) datierte die „Verordnung über die Organifation
der Landwehr”. Die Konvention vom 8. September 1808 war
zerriffen. Der Kaliſcher Vertrag hatte — wohl auf Steins
Veranlaſſung — Scharnhorft die Verwirklichung feines großen
Gedankens gefidert (S. 25). Ob man fie ohne bies dem König
abgerungen haben würde, ber den Grafen Ludwig Dohna, als er
die oftpreußifche Landwehrorbnung zur Beftätigung überbrachte
(S. 20), mit der Frage empfing, ob York ſchon eine Bürger-
krone trage? Erleichtert wird ihm die Zuftimmung nicht geworben
fein durch die von ber Lage geforderte Erflärung, er bebauere,
durch den Drang ber Umftände verhindert geweien zu fein, bie
Sache vorher mit feinen getreuen Ständen zu beraten. Ber-
fügt wurde die Aufbringung von 110000 Mann zu Fuß und
10000 Reitern durch die Provinzen nad dem Verhältnis ihrer
Bevölkerung. Befreit von der Landwehrpflicht blieben nur die
aktiven Präfidenten und Direktoren, Geiftlihe und Schullehrer,
dann die unablömmlichen Beamten und endlich Verfonen, deren
Einziehung landwirtſchaftliche oder gewerbliche Betriebe zum
Stillſtand gebradt haben würde. Die Ausführung wurbe in
bie Hände der Stände gelegt, und zwar ber Kreife unter einem
Kreisausſchuß. Das Prinzip der Selbfiverwaltung ift alfo in
Preußen zuerft auf militäriſchem Gebiete durchgeführt worden.
Bas jeder Kreis an Wehrmännern aufzubringen hatte, follte
moglichſt durch Freiwillige, der Reit duch Auslofung gebedt
30 Erſtes Bud. Der Freiheitöfampf und feine Enttäufgungen.
werben. Für Kleidung forgte jeder felbft, für bie Ausrüftung
der Kreis; nur bie koftfpieligeren Waffen lieferte der Staat.
Die Offiziere der unteren Ehargen, die vor allem durch Bildung,
Nehtlichfeit und Anfehen bei ihren Mitbürgern empfohlen fein
follten, präfentierte ber Kreisausfhuß zur Beftätigung ‚dem
Könige. Die höheren ernannte biefer, der felbft an der Spige
der Landwehr fland, die fo eins war mit dem ftehenden Heere.
Zweimal wöchentlich wurden die Wehrmänner in den nötigften
Bewegungen und im Gebrauch des Gewehrs und ber Pile
geübt. Die Inſtrukteure lieferte anfangs die Gendarmerie;
fpäter befam jeder Kreis dazu einen Offizier und zwei Unter
offiziere von einem Garnifonbataillon.
Manchem mochten die Forderungen, die bamit an das
preußifche Volk geftelt wurden, unerfüllbar fcheinen. Dennoch
find fie nicht bloß erfüllt, fondern überholt worden. Weit
hinaus über das wehrpflichtige Alter vom 17. bis zum 40. Jahre
drängten ſich auch aus den gebildeten und vermögenben Klaſſen
die Wehrmänner herzu. Etwa 4’ Millionen ftelten ihrer
135000, davon etwa ein Zehntel Reiterei. Der Anteil der
einzelnen Provinzen war natürlich verſchieden. Das meifte
thaten aud bier Litauen und Dftpreußen, denen, um bie be
gonnene Organifation nicht zu flören, ihre befondere ſtändiſche
Landwehrordnung (S. 19) beftätigt wurde (17. März), unter
Streichung allerdings der Stellvertretung als unvereinbar mit
dem Prinzip des Ganzen. Bei etma 486300 Einwohnern
ſtellte das eigentlihe Dftpreußen 34802 und Litauen bei
362.000 Einwohnern etwa 24000 Mann Landwehr, das heißt
es griff dort jeder dreizehnte Mann ober mehr ala fieben
Prozent zu den Waffen. Und damit nit genug! Den großen
Gedanken der allgemeinen Wehrpflicht bis in die legte Konſe—
quenz verfolgend, rang Scharnhorft dem König endlich
(21. April) auch den Landfturm ab, ber ohne eigentlich mili-
täriſche Organifation die in Heer und Landwehr nit ver«-
wendete männlie Bevölkerung vom 15. bis zum 60. Jahre
enthalten follte, um unter Anwendung jedes Mittels zur Ver-
nichtung des Feindes Haus und Hof zu verteidigen. Er ftellte
die Voltsleidenshaft in den Dienft des Vaterlandes, Auf
II. Der Freiheitstrieg von 1813. 31
Soldatenfünfte fam es da nit an: fein Weſen lag in ber
Wirkung auf das Gemüt. Ins Leben trat er nad der Ver—
Öffentlihung des Erlaſſes am 8. Mai nur vereinzelt, wo ein
feindlicher Einfall zu fürdten war, wie in der Mark zum Schuß
gegen die Streifzüge der Magdeburger Beſatzung. Ueberall
aber erfüllte das mit feiner Formation verbundene kriegeriſche
Treiben auch die bürgerlichen Kreife mit lebhafterem militärifchem
Geift und Intereffe. Die von ängftlihen Gemütern befürdteten
Exceſſe blieben aus,
Eine zuverläffige Schägung des fo in Waffen Gebrachten
iſt unmögli. Davon abgejehen aber hatte Preußen, als bie
Feindfeligfeiten begannen, über 271.000 Mann auf den Beinen,
nämlich den alten Armeebeftand von 46 000 Mann, neu aus-
gehoben 95000 Mann, die Landwehr mit 120000 Mann und
die freiwilligen Jäger. Es trug damals alfo immer von
18 Seelen ein Mann die Waffen. Und nod war reicher Nach—
ſchub zu erwarten. Dieſen ungeheuren militäriſchen Apparat
im Gange zu erhalten, wurde das ganze Land in vier Militär:
gouvernements geteilt, jedes unter einem Militär: und einem
Zivilgouverneur, die unmittelbar unter dem König und dem
Staatöfanzler alle das flehende Heer, die Landwehr und ben
Landſturm betreffenden Angelegenheiten erlebigten.
Trogdem ließ ſowohl die militärifde wie die politifche
Lage viel zu wunſchen übrig. Zwar waren Ruffen und Preußen
im Vormarſch. Am 2. März ging Wittgenftein über die Ober.
Am 4. früh zogen die Franzoſen aus der bedrohlich gärenden
Hauptftabt nad) Magdeburg. Unter dem Jubel der- Bürger
ſchaft rüdten die ruffiihen Vortruppen ein. Wittgenftein ſelbſt
mit dem Gros feines Corps erfhien am 11. Ein nationaler
Feiertag wurde ber 17. März, wo York mit 18000 Mann
in Berlin einzog. Der lange bange Drud war enblih von
ihm genommen. Denn obgleih er ihn zur Zeit brohender
franzöfifcher Vergewaltigung unter Billigung feiner Handlungs:
weife zum Befehlshaber der Truppen in Pommern und Preußen
auserfehen hatte (S. 20), forderte der König doch für das
kriegsgerichtliche Verfahren von ihm eine militärifhe Recht:
fertigung der Tauroggener Konvention. Das erregte in ben
32 Erſtes Bud. Der Freiheitälampf und feine Enttäufgungen.
leitenden ruffifhen Kreifen ernfte Beforgniffe. Won der dazu
nötigen Reife Yorks nad Breslau fürdtete der Zar einen
üblen Eindrud auf Armee und Volk: er riet, York folle dem
Befehl dazu nicht folgen, und verſprach für ihn zu intervenieren.
Andere fürdteten gar, die Uebelgefinnten wollten fo die Perfon
Yorks in ihre Gewalt bringen, um bie Erhebung Dftpreußens
niederzuhalten. Erſt der Abſchluß bes Kaliſcher Vertrages
klärte die Lage einigermaßen. Am 6. März erfuhr York, daß
alles nad) Wunfc gehen werde: mit dem ihm nun unterſtellten
Bulowſchen Corps follte er den Ruffen folgen. Am 12. März
erhielt er die amtliche Mitteilung, eine Rommiffion habe ihn
für völig gerechtfertigt erflärt. Ein Armeebefehl des Königs
that das fund. Sobald der Kaliſcher Vertrag veröffentlicht war,
ſollte er die Feindfeligfeiten nad dem mit ben Ruſſen ver:
einbarten Plane eröffnen. Vergeſſen aber hat ber König York
die Eigenmädtigfeit von Tauroggen nie, und fein geheimer
Groll wurde durch Einflüfterungen genährt. Sole veranlaßten
ihn bald nad dem Einmarſch Yorks zu einer Reife nad) Berlin
(21. März), um die Soldaten, die der General ihm „abwendig
gemacht“ haben follte, wieberzugewinnen. Weitere koſtbare
Zeit ging dann durch einen Gegenbefuh bei dem Haren in
Kaliſch (Anfang April) verloren.
Am 19. März war in Breslau eine Konvention gefchloffen
zur Regelung des Vorgehens ber Verbündeten gegen bie Rhein⸗
bundftaaten und bie Frankreich einverleibten norbbeutfchen Ge:
biete. Dur eine Proflamation follten fie als ihre Abficht
verfünden, Deutſchland der Herrihaft und dem Einfluß Frank⸗
reiche zu entreißen und Fürften und Völker zur Mitwirkung
aufrufen. Jeder deutſche Fürft, der ſich nicht binnen einer bes
fimmten Frift anfchliegen würde, ſollte mit Verluft der Herr
ſchaft bedroht, das occupierte Gebiet durch eine Bentralfom-
miffion mit unumſchränkter Vollmacht abminiftriert werben,
um feine Mittel dem Freiheitsfampfe bienftbar zu maden.
Indem man aber dazu Deutfchland von Sachſen bis zur hollän-
difchen Grenze mit Ausſchluß Hannovers und ber ehemals
preußiſchen Sande in fünf Sektionen teilte, beſchränkte man
diefe Mafregel doch alsbald auf Norddeutſchland. Dagegen
II. Der Freiheitskrieg von 1813. 33
erflärte die Proffamation, wie Rutufom fie am 25. März er-
ließ, die Auflöfung des Rheinbundes für geboten und bedrohte
ale Fürften, die der Fahne des Landesfeindes folgen würden,
mit Vernihtung durch bie öffentliche Meinung und die Macht
gerechter Waffen. Unter des Zaren Schuß ſollten Deutſchlands
Fürften und Völker diefes für die Zukunft „aus feinem ur-
eigenen Geift“ Iebensfähig geftalten. Als Frucht aber der zu
beftehenden Kämpfe wurben freie Verfafjungen verheißen.
Aber die ſolchen Worten entſprechenden Thaten blieben
aus. Erft am 7. April brach Kutufom von Kalifch auf. Doch
auch jegt noch hatten die Ruffen in Deutfchland nur 48 000 Mann,
während Blücher, dem Scharnhorft den Befehl über das in
Schleſien gefammelte Heer ausgewirkt hatte, 26000 Mann,
Hort, Bülow und Borftell aber 28 000 Mann führten. Dennoch
leiteten die Operationen jene: ihre hochbetitelten Generale ftanden
über den mit beſcheidenem Range größere Abteilungen führenden
preußifchen, blieben aber an Begabung und Unternehmungaluft
weit hinter ihnen zurüd. Daher blieb Norddeutſchland weſtlich
der Elbe, das die Breslauer Konvention und Kutufoms Auf:
ruf zunächſt im Aug* gehabt hatten, in der Gewalt der Franzoſen,
obgleich es, wie Tettenborns Zug nad) Hamburg lehrte, leicht
hätte infurgiert werden können, und Sübbeutfchland, wo Bayern
in der Hoffnung auf Erhaltung von Rang und Befig Preußens
Werben anfangs entgegengefommen war, leiftete Napoleon
weiter Heeresfolge. Selbft Sachſen konnte fi der Knechtſchaft
nicht entwinden,
Zwar regten fih auch dort Nationalgefühl und Freiheits⸗
finn, mochte aud König Friedrih Auguf an dem Schöpfer
feines Glüds fefthalten wollen, zu dem aud der herunter:
gefommene Adel nad wie vor bewundernd aufblidte. Bei
ſchnellem Einmarſch der Verbündeten wäre dort eingetreten,
was in Preußen die anfänglide Haltung des Königs hatte
befürdten laſſen. Nur fehlte in Sachſen ein York. General
v. Thielmann, der die in Torgau liegende ſächſiſche Armee be
fehligte, leiteten mehr Ehrgeiz und Eitelkeit als opferfreudiger
Patriotismus: er war nicht bereit, auf dem Sandhaufen zu
fterben, blieb auch unthätig, bis es zu fpät war. Der König
Brad, Preaktige Geihläte. IV. 8
34 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäuſchungen.
aber fpielte im Ringen um eine unmögliche Neutralität eine
tägliche Role. Er barg ſich erft im Voigtland, dann in Regens-⸗
burg und enblih in Prag, um fi ben Anerbietungen der
Alliierten fomohl wie ben Drohungen Napoleons zu entziehen.
Er rechnete dabei auf den Rüdhalt, den ihm bie gleiche Politik
Oeſterreichs verhieß.
Dort hatte Metternich ſchon Kneſebeck gegenüber (S. 23)
zwar fein Hehl daraus gemadt, daß Preußens Uebertritt zu
Rußland nicht unerwünſcht fei und ihr Verhältnis nicht ändern
werde, aber aud darauf hingewiefen, daß Napoleon dadurch
veranlaßt werben könne, Defterreih näher an fi heranzu⸗
nötigen. Er fürdtete Rußlands polnifhe Pläne. Als dann
die Lage bes öfterreichifchen Corps bei der Großen Armee bes
forglid wurde, war Schwarzenberg angemwiefen worden, auf
Krakau zurüdzugehen und (28. Januar) mit den Rufen einen
Waffenſtillſtand zu fließen, ber ähnlich wie die Tauroggener
Konvention die zur Sicherung ber Defterreiher führenden Be—
wegungen vereinbarte. Darin und in ber Verſtärkung ber
mobilen Armee auf 100000 Mann ſah Napoleon ben erften
Schritt Defterreihs zum Abfall: bewaffnete Vermittlung wollte
ex ſich von diefem nicht gefallen laffen. Zum Kriege aber fühlte
man fi in Wien nicht ftark genug: ihn widerriet namentlich
bie finanzielle Lage. So ſchien Zuwarten das Vorteilhaftefte,
zumal man von Preußen ſowohl wie von Rußland bie bündigften
Zuſagen für die Herftellung feiner Macht erhalten hatte. Eiegte
aber Napoleon, fo hätte man ſich durch Unthätigkeit ein An:
recht auf feinen Dank erworben.
Ueberraſchender als die Unthätigfeit Deſterreichs war für
die preußifhen Patrioten die Englands. Seit Jahren von
ihnen ummorben und fie feinerjeits anfeuernd, war es jegt auf
eine Landung in Norbbeutfchland nicht vorbereitet. Daß da
Schweden eintrat, war für Deutſchland bedenklich. Schon im
Frühjahr 1812 war diefem dafür von Rußland Norwegen zu⸗
gelagt. Dänemark folte durch deutſches Gebiet entſchädigt
werben. Dennoch war Schweden 1812 unthätig geblieben,
weniger aus ben vorgefhügten militärifhen und finanziellen
Gründen, als weil der Kronprinz Bernadotte mit Frankreich
II. Der Freiheitstrieg von 1818. 35
nicht brechen wollte, ehe er des Erfolges fiher war. Erft
Rußlands Sieg beftimmte ihn zum Handeln, zumal Dänemark,
obgleich ber Zar ihm bafür die drei Hanfaftäbte bot, Norwegens
Abtretung verweigerte. Nach einem nun am 3. März in Stod-
holm gefclofienen Vertrage follte Schweden gegen engliſche
Subſidien und Erwerbung Norwegens in Norddeutſchland
30 000 Mann landen, um unter Bernadotte mit Ruſſen und
Preußen zu operieren. Die Stärke der letzteren wurde ſpäter
auf 23000 Mann normiert.
Drei Monate waren feit dem Tage von Tauroggen ver-
gangen. Bon den militärifchen Vorteilen, bie durch raſches
Handeln zu gewinnen gemwejen wären, war feiner gewonnen:
ftatt am Rhein mußte man Napoleon an der Elbe treffen. Auch
die Stärkeverhältnifie Hatten ſich zu ungunften ber Verbündeten
verfhoben. Dem mit 135000 Mann nahenben Kaifer führte
der Bizelönig von Jtalien immer noch 62000 Mann entgegen,
während in ben Ober: und Weichſelfeſtungen noch 60 000 Mann
lagen. Dem ftellten die Ruflen 47 000 und Preußen 43 000 Mann
entgegen, leßteres 25000 Mann unter Blücher, 10000 unter
York und je 4000 unter Kleift und Bülow. Die Einſchließung
von Stettin, Spandau und Glogau, dann von Wittenberg,
wo Franzofen, und von Torgau, mo die Sachſen lagen, band
30 000 Mann, während die heimifchen Feftungen 15 000 Mann
Befagung brauchten. Dazu kam bei den Franzofen bie Ein-
heitlichleit ber Oberleitung, während bie preußifchen Führer
durch Rutufow aufgehalten wurben, den neben nationalen und
politiſchen Vorurteilen ſchweres körperliches Leiden hinberte.
&o drang Scharnhorft mit feinen Entwürfen zu einer Krieg-
führung großen Stils nicht dur, auch nicht, als Kutufom
(29. April) farb und dur) den bewegliheren und weniger ruf-
fiſchen Wittgenftein erfegt wurde.
Ende März begann der Einmarſch in Sachſen. Bon
Sölefien her richtete Blucher am 23., von ber Mark aus
BWittgenftein am 30. März einen Aufruf an die Bevölkerung.
Im Gegenſatz zu der herzlichen Wärme bes erfteren verftimmte
der drohende Ton des legteren. Ungünftig wirkte es auch,
daß Preußen den 1807 verlorenen Kreis Kottbus (3b. II,
36 Erſtes Bud. Der Freifeitsfampf und feine Enttäufgungen.
©. 422) fofort (22. März) reunierte. Doch wunſchte die Bes
völferung ben Anſchluß an die Verbündeten; auch die den ges
flüchteten König vertretende Immediatkommiſſion erwartete ihn:
der König aber ſchloß am 21. April eine Konvention mit Defter-
rei, die Sachſen gegen Teilnahme an ber gewaffneten Ber
mittelung feine Integrität garantierte und Entfhäbigung für
den Verluft von Warſchau verhieß. Auch den Erlaß ber von
den Verbündeten ausgefchriebenen Auflagen verſprach ihm Defter-
reich auszuwirken. Die fo entftandenen Schwierigfeiten nötigten
Blucher, der, am 30. März in Dresden eingerüdt, gehofft
hatte, das Volt für die heilige Sache der Unabhängigkeit zu
gewinnen und baber, um ber öffentlichen Meinung zum Dur»
bruch zu verhelfen, Preßfreiheit verkündet hatte, zu firengem
Auftreten. Dem ihm zuziehenden Wittgenſteinſchen Corps ver»
fuchte von Magdeburg aus der Vizefönig den Weg zu verlegen:
bei Mödern von York am 5. April angegriffen, mußte er troß
feiner 37000 Mann vor dem unmiderftehlihen Anfturm ber
12000 Preußen weichen.
Dem glüdlichen Beginn blieb aber der entipredhende Fort»
gang verfagt. Zwar ging York bei Roßlau über die Elbe,
und Blücher ftieß bis Altenburg vor. Das Hauptheer aber
rüdte fo langfam nad, daß die Monarchen erft am 24. April
in Dresden einzogen. Inzwiſchen kam Napoleon heran: am
29. vereinigte er fich bei Merfeburg mit dem Bizefönig. Den
Feind bei Leipzig fuchend, wurde er nah Scharnhorfis Plan
von den Verbündeten auf dem Marſch am 2. Mai überrajchend
in ber Flanke angegriffen und zu ber Schlacht bei Großgörſchen
genötigt. Trotz feiner Uebermacht blieb fie unentſchieden; fie
würde ganz anders ausgegangen fein, hätte Wittgenftein recht⸗
zeitig eingegriffen, ftatt die ruſſiſchen Garden zu ſchonen. Auch
gewährte fie Napoleon nichts von den üblichen Trophäen. Aber
den Kampf am nächſten Tage zu erneuern, verbot den Ver-
bünbeten feine inzwiſchen auf mehr als das Doppelte gewachſene
Meberlegenheit. Nachts traten fie den Rüdzug an, ber König
mit banger Sorge vor einem neuen Auerfläbt, Blücher mit
begeiftertem Dank an feine tapferen Truppen und ber Er
klärung, fi in Dresden nur neue Munition holen zu wollen:
II. Der Freißeitäfrieg von 1813. 37
„wer bas Retirieren nenne, fei ein Hundsfott“. Glänzenb hatte
die Armee bie erfte Feuerprobe beftanden, ja bie Fühnften Er-
wartungen ihrer Schöpfer und Führer übertroffen. Noch nie
hatte man eine fo folge Hingebung für die Sache des Vater—
landes gefehen. In edelſtem Wetteifer ſuchten die Freiwilligen
ihre höhere Bildung aud im Gefecht zu bethätigen und bie
Linienſoldaten nicht hinter ben neuen Waffengenofien zurüd-
äubleiben, unter denen alle Stände vertreten waren, fo baß
fie ihre durch die Steinſchen Reformen begründete Einigung
dur das gemeinfam für das Vaterland vergofjene Blut be
fiegelten. Schwer freilich waren die Verlufte. Der ſchwerſte
trat erſt nachträglich ein, ala Scharnhorft der erhaltenen leichten
Wunde, die fi infolge mangelnder Ruhe verilimmerte, er
lag, ohne den erjehnten Tag ber Freiheit gejehen zu haben.
In feinen Wirkungen aber kam ber Tag von Großgörfchen
doch einer Niederlage gleih. Die Verbündeten gingen Hinter
die Elbe zurüd, Napoleon z0g in Dresben ein. König Frieb-
rich Auguſt, von ihm mit einer Frift von wenig Stunden
vor bie Wahl geftelt zwiſchen Entthronung und fernerer Knecht:
ſchaft, beugte fi diefer. Das fähfifche Heer z30g in ben Kampf
gegen feine deutſchen Brüber. Die nationalen Regungen in
den übrigen Rheinbundftaaten verftummten: ihre Fürften folgten
aud ferner dem wieder aufleudtenden Stern ihres Protektors.
Das machte auch in Preußen Eindrud auf Volt und Heer.
Sollte & ihm gehen wie Defterreih 1808? Eine gebrüdte
Stimmung griff um fih. Jeden Zweifel an dem Ernft ihres
Willens zu befeitigen und bie bisher fo herrlich bewährte opfer-
freudige Begeifterung rege zu erhalten, beſchloſſen daher bie
verbünbeten Fürften eine zweite Schlacht. Nach ber Laufig
weichend, nahmen fie auf den Höhen, bie bei Baugen fteil zum
Spreethal abfallen, eine ftarfe Stellung, in ber fie mit
80000 Mann dem über das Doppelte verfügenden Kaiſer die
Spige boten. Zwei Tage (20. und 21. Mai) wurde heiß ge
zungen: aber infolge ber Fehler der ruffifden Oberleitung
mußten die Verbündeten ſchließlich wiederum weichen. Auch
ber tobesmutige Widerftand der fhon arg zuſammengeſchmolzenen
Preußen wog die Weberlegenheit der napoleonifchen Kriegskunft
38 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufchungen.
nit auf. Die größeren Verlufte freilich” waren auf ber Seite
bes Siegers; aud hatte er von Gefangenen und genommenen
Fahnen und Kanonen nichts zu vermelden. In ungebrochener
Kraft und befter Orbnung zurüdgehend, wehrten auch die Ge
ſchlagenen fein Nachdringen blutig ab, und am 26. Mai brachte
ihm Blüchers Reiterei in einem glänzenden Gefechte bei Haynau
neue ſchwere Verluſte bei.
So wirkte diefer Ruckzug weniger beſorglich als ber nad
der Großgörſchener Schlacht. Auch wurde die Kampfluft und
Zuverfiht gefteigert durch feine Richtung. Statt daß, wie
Napoleon gehofft, die preußifhe Armee Berlin zu deden eilte,
wichen die Verbündeten vereinigt nad) Schlefien, dem Zentrum
der preußiſchen Rüftungen, von dem aus ihnen zugleidh auf
jeden Fall die Verbindung mit Defterreih offen fland. Daß
Friedrich Wilhelm feine Hauptftabt preisgab, befeitigte jeden
Zweifel an feinen Abfihten: fo ſchwer ihm der Entſchluß ges
worden war: nachdem er einmal den von feinem Heer unb
Volt gewollten Weg betreten hatte, wollte er ihn bis zu Ende
verfolgen. Wäre er nur gleicher Beharrlihfeit bei feinem
Bunbesgenoffen ſicher geweſen! Dieſem aber empfahl Barclay
de Tolly, ber nad den Baugener Tagen Wittgenftein erfegt
hatte, den Rückzug nad) Polen, um bie erſchütterte Armee
dort zu reorganifieren. Wer die in des Zaren Umgebung fi
kreuzenden Einflüffe und feine Abhängigkeit von Stimmungen
Tannte, hatte Grund zu der Befürchtung, er werde bann über-
haupt nicht wieder vorwärts zu bringen fein. Damit wäre
das Schidfal Preußens um fo mehr befiegelt gemejen, ale,
wie Blücher geltend machte, fteter Rüdzug, durch den man fi
nebenbei immer weiter von feinen Hilfsquellen entfernte, nicht
geeignet war, Defterreih zum Anfchluß zu gewinnen. Auf die
ruſſiſchen Führer aber machten dieſe politiiden und mili—
täriſchen Argumente feinen Eindrud. Noch hoffte Gneifenau
ihnen eine neue Schlacht abzuringen: ein Sieg konnte alles
wenden, die Niederlage erlaubte dem preußifchen Heere wenig-
ftens, fein Gelübde zu erfüllen und ben legten Blutstropfen
für das Vaterland zu verjprigen. Selbfthilfe oder Untergang,
fo formulierte York die Alternative, vor die man geftellt war.
I. Der Freiheitätrieg von 1813. 39
Da kam der Feind felbft den bebrängten preußifchen
Batrioten zu Hilfe, indem er einen Waffenftillftand vorſchlug.
Vergebli hatte Napoleon den Zaren zu Sonderverhanblungen
zu gewinnen verfuht: das Spiel von Tilfit gelang biesmal
nit. Inzwiſchen aber bot Defterreich feine Bermittelung immer
dringender an. Sie wollte Napoleon um feinen Preis über
ſich ergehen laſſen, fo günftig die Vorfchläge lauteten, die Graf
Bubna Ende Mai überbrachte. Sie anzunehmen ſchien immer
noch Zeit, wenn die Trennung ber Verbündeten nicht gelang.
Jedenfalls gewann er Zeit, feine Nüftungen fo zu vollenden,
daß er auch noch Defterreich zu beftehen hoffen durfte. Beit-
gewinn aber war augenblidlih auch den fampfluftigen Preußen
erwünſcht. Die gefährlie Krifis, melde die Rüdzugspläne
der Ruſſen heraufbeſchworen, wurde jo hinausgefhoben und
eine glimpflichere Löfung ermöglicht, als augenblidlih irgend
zu erwarten fland. Zudem Inüpften die gemeinfam geführten
Verhandlungen das Band zwifchen Rußland und Preußen wieder
fefter, zogen auch Defterreih näher heran, da für etwaige
Friedensverhandlungen ausdrücklich deilen Vermittelung aus-
bebungen wurde. Das rüdte bie gehofften politifhen Erfolge
für Napoleon glei; wieder in weite Ferne und verminderte
feine militärifhen Ausſichten; aud die Verbündeten waren
fiher, in den Wochen des Stillſtandes ihre Kräfte beträchtlich
zu vermehren. Denn nad; Weberwindung des mühfamen An-
fangsftabiums bethätigte ſich die Scharnhorfifhe Organifation
der preußiſchen Wehrfraft nun erft in voller Wirkfamkeit,
namentlich durch die fortſchreitende Ausrüftung der Landwehr
und das Aufgebot des Landfturms in ben bebrohten Provinzen.
Zubem bewahrheitet ſich auch hier der alte Spruch, nad dem
das Schidjal den mit Blindheit ſchlägt, den es verderben will.
Nichts Nachteiligeres hätte für die Verbündeten gefchehen können,
als daß Napoleon Defterreihs ihm weit entgegentommenbe
Anträge annahm. Bei dem Stillſtande waren fie die Ge-
winnenden. Am 4. Juni zu Poiſchwitz bei Jauer unterzeichnet,
follte derſelbe bis zum 20. Juli dauern und dann nad; ſechs—
tägiger Kündigungsfrift ablaufen. Zwei von Norbweft nad
Süboft vor der beiderfeitigen Gefamtftellung quer durch Deutſch⸗
40 Erſtes Buch. Der Freiheitskampf und feine Enttäuſchungen.
land gezogene Demarkationslinien grenzten einen breiten neu:
tralen Streifen ab: entgegen dem Stande der Heere beim
Abflug blieb Schlefien mit Breslau den Verbündeten, bie
dagegen im Nordweſten Hamburg feinem Schidjal überlaffen
mußten. Die franzöfiichen Befagungen in den Feſtungen wurben
nad) Bedürfnis verpflegt, die über die Elbe und nad Sachſen vor⸗
geſchobenen Abteilungen ber Alliierten bis dahin zurüdgezogen.
Zwei Ringern vergleihbar, die nach heftigem Kampf ein-
halten, um zu dem entſcheidenden Gange Atem zu fchöpfen,
ftanden bie beiden Gegner einander gegenüber. Die preußiſchen
Patrioten waren nicht entmutigt: im Gegenteil hatte ber bis-
berige Verlauf des Kampfes ihre Zuverſicht auf einen fhließ-
lichen glüdlichen Ausgang befeftigt. Seinen Kopf wollte Gneifenau
dafür nad der Baugener Schlacht zum Pfande fegen, daß man
mit ber nötigen Beharrlichkeit das Ziel erreichen werde, und
Ende Mai faßte er das bisher Gefchehene ftolz und hoffnungs-
freudig dahin zufammen: „Der neu eröffnete Feldzug flellt einen
Krieg dar, wie er, ſoweit id} mich der Geſchichte erinnern kann,
noch nicht mit gleicher Heftigkeit geführt wurde. In vier
Wochen haben wir mehr als zwanzig heftige Gefechte und drei
Schlachttage gehabt. Der Tod hat gewaltig unter unferen Offi—
zieren aufgeräumt. Mehrere Bataillone haben nur noch zwei
Offiziere übrig, fowie ein Regiment Kavallerie ebenfalls. Letztere
bat überhaupt mehr als ein volles Drittel verloren. Und
dennoch ftelt diefer Krieg auf der anderen Seite die fonder-
barften Refultate dar. Wir haben nun einige und fünfzig
Gefüge erobert und Dagegen fein einziges verloren. Die Armee
iſt ohnerachtet ihrer fteten Rüdzüge gefchlofien und ungebrochen
in ihrem Mute, obgleich unzufrieden mit ben rüdgängigen
Bewegungen, und in jedem Augenblid ift fie in Bereitichaft,
eine neue Schlaht anzunehmen.” Und am Schluß bemerkt er:
„Das fhlimmfte Element nur ift der Kleinmut der leitenden
Perſonen. Gerade in dem Momente, wo Energie ihnen den
größten Nugen ſchaffen würde, entbehren fie ſelbiger. Wir
find wirkli in einer viel befieren Verfaſſung als am Schlacht:
tage von Lügen, und wir können mit Zuverfiht — in eine
neue Schlacht, ebenſowohl als der Soldat gehen.“
II. Preußen im Moalifionskrieg gegen Frankreich.
1813—1814.
Den Waffenſtillftand verwünſchte mander Patriot als
WMeiſterſtuck troftlofer Gejellen“, und aud wer ihn billigte,
weil er Zeit gewährte für die Ruſtungen und den Anſchluß
Defterreiche, fürchtete doch für den Charakter bes Krieges.
Nicht bloß dem flüchtigen ſächſiſchen Hofe galt der Aufruf von
Kaliſch (S. 33) für würdig eines Wohlfahrtsausfhufles und
antimonarchiſch: ähnlich Dachte man in Wien, und wenn Blücher
und Wittgenftein zum Kampf für Freiheit, Ehre und Unab-
bhängigfeit aufriefen (S. 35), fo überfam dabei nad} einem ruſ⸗
fiſchen Diplomaten die deutſchen Fürften ein Schauer.
Schwarzenberg erklärte in Paris, der Kaiſer mißbillige eine
Wendung, welche bie geheiligten Bande zwifchen Fürften und
Völkern Iodere und, wie jegt in Preußen, „ben Souverän
nur an die Seite des Volkes ftelle”. In Berlin aber verlangte
Metternich, der König folle ale geheimen Geſellſchaften auf⸗
löjen. Kaiſer Franz nämlich führte Yorks That auf eine ſolche
zurüd. DVergebli wandte man ein, das würbe nicht bloß die
Erhebung gefährden, deren Leiter fi) vor den Franzoſen ver:
bergen müßten, ſondern aud den König in Verdacht bringen.
Dennoch verſprach dieſer ſchließlich zu erklären, da durch bie
jüngfte Wendung feiner Politik ihr Zwed erreicht fei, ſollten
bie geheimen Verbindungen entweder ihre Mittel ihm über-
laſſen und fi feinen Befehlen fügen oder ſich auflöfen. Auch
er hielt es für einen Eingriff in bie Rechte des Souveräns
und für unvereinbar mit ber öffentlichen Ordnung, wenn im
Staate Geſellſchaften beftänden, bie in einem der Regierung
unbefannten Sinne wirkten. War bamit nicht das Prinzip
der Demagogenverfolgungen verkündet? Praktifch freilich wurde:
42 Erſtes Buch. Der Freiheitsfampf und feine Enttäufungen.
es nod nit. Denn jene Erklärung unterblieb, teils weil der
Krieg alles Geheimnis unnötig machte, teils weil ber Zar
widerſprach. Ruhmten doch gerade die Führer der ruſſiſchen
Streifcorps die Dienfte, welde die Patrioten ihnen geleiftet
Hatten. Immerhin erwedte jene öfterreihiiche Anregung bei
dem König den kaum beiehwichtigten Verdacht gegen fein Volt
von neuem und entfremdete ihn der nationalen Bewegung.
No andere Umftände trugen während des Stilfftandes dazu
dei, ben Charakter des Krieges zu ändern. Der Freiheitslampf
der Völker wurde ein Krieg der Kabinette, in dem diplo—
matiſche Geſichtspunkte gegen die großen nationalen Interefien
überwogen.
Noch ſchwankte Defterreih, und nur Napoleons verblendete
Hartnädigfeit trieb es ſchließlich vom Bündnis mit ihm zu bes
waffneter Vermittelung. Doch wollte der Zar diefe nur zu:
laſſen (11. März), wenn es fi für den Fall des Scheiterns
gleich jegt zum Anſchluß an die Verbündeten verpflichtete. Das
lehnte Metternich aus militärifhen und finanziellen Gründen
ab, bewilligte aber den Rufen eine geheime militäriſche Konz
vention (29. März), die das von den Defterreihern ohne Hilfe
gelaſſene Heer Poniatowskis ernftlich gefährdete. Sonft be
ſchränkte er fi (2. April) auf die Erklärung, Iehne Frankreich
die durch das Interefie Oefterreihs und die Wohlfahrt Europas
‚gebotenen Vorſchläge ab, fo werde ber Kaifer bie gewollte
Drdnung gemeinfam mit den Verbündeten herbeiführen. Das
Programm eines Freiheitsfrieges war das freilich nicht.
Aber auch Napoleon warb in Wien. Bon feinen fünf
Milionen Einwohnern, fo flug er dort vor, follte Preußen
nur eine rechts von der Weichfel behalten und je eine an
Sachſen und Weftfalen, der Reft aber mit Schlefien an Defter-
reich fommen, wenn dieſes ihm 100000 Mann ftellte. Das
machte natürlich feinen Eindrud. Denn Oeſterreich wollte den
Frieden und war entfcloffen, ihn zu erzwingen. Damit war
fein Anſchluß an die Verbündeten im Prinzip bereits (Ende
April) entſchieden. Der Tag von Großgörſchen änderte daran
nichts. Doc eignete fi Metternich die Kalifcher Forderungen
der Verbündeten nur teilmeife an. Als unerläßlich bezeichnete
III. Preußen im Roalitiondkriege gegen Frankreich. 43
er allein die Herftellung Preußens und Defterreihs in dem
Stand von 1805 und die Auflöfung des Herzogtums Warſchau,
die des NRheinbundes aber und die Herausgabe ber nordweſt⸗
deutſchen Annerionen nur als wunſchenswert. Aber auch darin
fah Napoleon einen Angriff auf feine Ehre und drängte durch
die Ablehnung Defterreich vollends zu den Gegnern. Nach den
Erklärungen, die Stadion (13. Mai) diefen abgab, wollte Deſter⸗
reih num nötigenfalls erzwingen bie Herftellung Preußens in
den ihm von Rußland zugefagten Grenzen, bie Befreiung
Deutſchlands vom franzöfiihen Einfluß durch Auflöfung des
Rheinbundes und Rudgabe ber annektierten Gebiete und bie
Auflöfung des Herzogtums Warſchau, für fich felbft den Beſitz
von 1805 und in Italien den Mincio und die Pomündungen
als Grenzen. Anderenfalls wollte es am 1. Juni in Aktion
treten und dann die Unabhängigkeit aud Spaniens und Hol:
lands und eine beſſere Organifation Jtaliens durchſetzen. Zur
gleich empfahl Stadion den Verbündeten eine zweite Schlacht.
Schon flanden die Heere bei Baugen dazu bereit, als Napoleon
den Haren zu einem Sonderfrieden zu gewinnen verfuchte,
Der Rheinbund follte beſchränkt, Weftfalen um 1’. Millionen
Einwohner auf Koften Preußens vergrößert und biefes durch
polnifhes Land entſchädigt und „dem ruffiichen Syftem ein»
gefügt”, bas heißt aus der Reihe der deutſchen Staaten ge:
Rriden werden. Aber Coulaincourt, der Ueberbringer diejer
Vorſchläge, wurde nicht vorgelaffen. Der Verlauf der Baugener
Schlacht konnte Defterreichs Vertrauen zu den Verbündeten nur
fleigern. Im Einverftändnis mit ihm gingen fie nad) Schlefien
zurück (S. 38). Seine ſchließliche Entſcheidung ſchien danach
taum noch zweifelhaft. Nur blieb feine für den 1. Juni ver-
heißene Aktion darauf beſchränkt, daß Kaifer Franz und Metter-
nid fih am 31. Mai nad Gitſchin begaben, um leichter mit
den Verbündeten verkehren zu können. Ja, Graf Neſſelrode
mußte bei ber Ankunft bajelbft vernehmen, vor dem 20. Juli
ſei Deſterreich nicht kriegsbereit, erlangte aber (7. Juni) wenig:
ſtens bie beflimmte Formulierung der öſterreichiſcherſeits an
Napoleon zu ſtellenden Aniprüde. Auch mahnte Metternich
zur Verſtärkung der Heere, empfahl, ſich rechtzeitig über die
44 Erſtes Bud. Der Freiheitälampf und feine Enttäufhungen.
tünftigen Operationen zu einigen und erklärte fi endlich zu
einer befonderen Konvention für ben Krieg bereit.
Daraufhin wurde zu Reichenbach unterhandelt. Was babei
für Preußen herausfam, krankte wie 1790 an einem unerfreu:
lichen Widerſpruch zwiſchen ſcheinbarem und wirklidem Erfolge.
Insbeſondere machte Hardenberg in dem Vertrag mit England
vom 14. Juni der Ländergier der Welfen verhängnisvolle Zu-
geſtändniſſe. Zwar war es bei Preußens Geldnot fein Ge:
vinges, daß England ihm zur Rüftung von 80 000 Mann für
die zweite Hälfte des Jahres 666 666 Pfund Sterling zahlte,
doch war das zu teuer erfauft durch die Herftellung Hannovers
in einem um 250 000—300 000 Einwohner vergrößerten Um⸗
fang, zumal Preußen dazu, wenn auch gegen Entſchädigung,
das Stift Hildesheim hergeben follte und man, troß ber Ent»
rüftung des Königs über eine ſolche Zumutung, dafür aud Oft-
friesland in Ausfiht nahm. Wie der Zar Preußen von Polen,
fo ſuchte England es von dem Norbweiten Deutichlands aus:
zuſchließen, ſchon um feine Hegemonie über Norddeutſchland zu
hindern, und hier wie dort wid es ohne jebe Gewähr für
anderweitige Entſchädigung. Aud die ihm gemaditen finan-
ziellen Konzeſſionen entſprachen nicht dem, mas es leiftete,
zumal auf bie Hilfsgelder die gelieferten Waffen und Uni-
formen angerechnet wurden. Gleichzeitig fonferierten Harden—
berg und Nefielrode mit Stadion. Der erſte brachte babei
auch Preußens künftige Grenze zur Sprade: feſtgeſetzt jedoch
wurde nichts. Mit Napoleon folte Defterreih allein unter
handeln, doch wollten die Verbündeten dafür Bevollmächtigte
bei ihm beglaubigen. So wurde am 27. Juni abgeſchloſſen.
Für Preußen blieb es bei der Vergrößerung aus ben durch die
Auflöfung des Herzogtums Warſchau frei werdenden polniſchen
Landen nebit Danzig und jeinem Territorium. Lehnte Napoleon
die ihm durch Defterreih übermittelten Bedingungen ber Ber-
bündeten ab, fo begannen die drei Mächte gemeinſam den Krieg,
Defterreih und Rußland mit mindeftens je 150 000 Mann,
Preußen mit 80000 Mann, und verlangten weiter Auflöfung
des Rheinbundes, Abtretung ber nordweſtdeutſchen Annerionen
und Rüdgabe Hannovers an England.
II. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 45
Volle Sicherheit in betreff Deſterreichs aber gab diefer
Vertrag noch nit, einen fo großen Schritt vorwärts er be—
deutete. Scharnhorft erlebte audh ihn nicht mehr. Damit
diefe wichtige Milfion nicht in die ungeeigneten Hände Kneſe—
beds falle, war er auf Gneifenaus und Humbolbts Andringen
troß der bei Großgörſchen erhaltenen Wunde nad Wien auf:
gebrochen, Deſterreichs Rüftungen zu betreiben und ben Ver-
bünbeten bie Erlaubnis auszuwirken, im Notfalle Böhmen zu
betreten. Faſt am Ziel, wurde er von Metternid, der ben
feurigen Batrioten nicht gern in Wien fab, erſucht, mit Schwarzens
berg in Prag zu Eonferieren. Diefe Reife verihlimmerte feinen
Zuſtand. Schwer frank fam er am 31. Mai in Prag an. Die
Sorge um die Zukunft und die Sehnfucht nach ſchneller Ges
nefung, um rechtzeitig im Felde zu ftehen, zehrten an ihm:
am 28. Juni ſtarb der Schöpfer ber preußiſchen Wehrkraft,
als unerfeglih betrauert von allen Patrioten.
An demſelben Tage hatte Metternich in Dresden eine
Unterrebung mit Napoleon. Er erkannte dabei den Krieg ale
unvermeidlich, weil jener ihn wollte. Aber in dem Wunſche,
Zeit zu gewinnen, trafen fie zufammen. So nahm der Raifer
die öfterreihifhe Vermittelung an: ein Vertrag vom 30. Juni
regelte ihre Formalitäten. Dafür bemilligte Metternich die
Verlängerung ber Waffenruhe bis zum 10. Auguft, nebft fechs-
tägiger Frift bis zum Beginn ber Feindſeligkeiten. An ben
Erfolg des Rongrefies, der am 5. Juli in Prag beginnen follte,
glaubte Feiner. Wielleicht gelang es Napoleon doch noch, bie
Gegner zu teilen. Den Verbündeten aber konnte nichts Uebleres
begegnen, als daß Napoleon Deſterreichs Vorſchläge annahm,
und aud) dieſes mußte wunſchen, den Kampf, ber demnächſt
doch ausgefochten werben mußte, jet auszufechten. Ernſilich
für den Frieden waren daher nur die einfichtigften unter ben
franzöſiſchen Diplomaten: fie beſchworen ihren Herrn, fi mit
der immer noch gebietenben Stellung zu begnügen, bie Defter:
reich ihm laſſen wollte. Daß er dies thue, war die Sorge ber
preußifhen Patrioten: ſtatt des erfehnten Krieges wäre dann
ein fauler Friede das Ergebnis des Kongrefies geweien. Ab:
gewandt hat das nächſt dem Starrfinn Napoleons bie Feſtig⸗
46 Erſtes Bud. Der Freiheitälampf und feine Enttäufcungen.
teit, mit der Wilhelm v. Humboldt, der preußiſche Geſandte
in Wien, in Prag jede Verſchleppung der Entſcheidung über
den 10. Auguft hinaus hinderte. Auf eine folde hatte es
Napoleon abgejehen, während man anfangs vielmehr befürchtete,
er werde bie Feindfeligkeiten vor Ablauf der Waffenruhe aufs
nehmen. Der Ueberfal des Lügomfchen Corps auf bem vers
fpäteten Marſche Hinter die Demarlationglinie bei Kitzen
(17. Juni) ließ derartiges beforgen und veranlaßte gereizte Er: -
örterungen. Daher wurde über die Verlängerung bes Still»
ſtandes auch noch direkt zwiſchen ben kriegführenden Teilen
unterhandelt und erſt am 26. Juli abgeſchloſſen.
In Prag trafen Humboldt und Anſtett zunächſt nur Nar⸗
bonne und zwar ohne Inſtruktion: Goulaincourt ließ auf fih
warten. So hoffte Napoleon eine Verlängerung ber Waffen-
tube zu erreichen. Bot Metternich dazu die Hand, fo wurde
er für die Verbündeten ala Vermittler unmöglid. Damit ftand
die Ergebnislofigfeit bes Kongreſſes, der eigentlich gar fein
Kongreß war, zum voraus fe. Auch drehten fi bie Ver-
handlungen nur um Formalien, da die Vorſchläge, bie der am
26. Zuli eintreffende Coulaincourt überbrachte, unannehmbar
waren. Ein nochmaliger Verſuch Napoleons, Defterreih durch
Gewährung befonderer Vorteile von ben Verbündeten zu trennen,
blieb erfolglos: bis zum 10. Auguft verlangte man auf bie
geſtellten Bedingungen ein Mares Ja oder Nein. Als bie lepte
Stunde besfelben flug, ohne daß die Antwort erfolgt war,
erklärten Humboldt und Anftett ihre Vollmacht für erloſchen
und rüfteten zur Abreiſe. Feuerzeichen trugen die frohe Bot:
ſchaft zu den Armeen nad Schlefien. Die Patrioten jubelten.
Doch konnte man noch immer zweifeln, ob Defterreih bie
Konfequenzen ziehen würde, die es in Reichenbach für den nun
eingetretenen Fall verheißen hatte. Denn als Napoleon nad
träglich Zugeſtändniſſe im Sinne ber öſterreichiſchen Vorſchläge
anbot, wies Metternich ſie nicht einfach ab, ſondern brachte
fie an ben eben angekommenen Zaren. Dieſer verwarf fie
und machte einen neuen Friedenskongreß überflüffig. Europa
trat gegen Frankreich in Waffen.
Die Waffenruhe hatte die Gebuld ber Patrioten auf eine
II. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 47
barte Probe geftellt. Aber fie war nicht verloren worden.
Jetzt erſt Hand Preußen in voller Rüftung. Die Organifation
und Bewaffnung ber Landwehr war beendet. Die allgemeine
Opferfreubigfeit war ſich glei) geblieben. Stabt und Land
wetteiferten darin. Auch bie fühnften Erwartungen übertraf,
was bas ſeit Jahren fo ſchwer belaftete Land für ben Frei-
heitsfampf leiftete. An Landwehr ftelte es im ganzen 132 Ba-
taillone Infanterie und faft 100 Eskadrons Kavallerie. An
Lieferungen brachte die Kurmark allein für 30 Millionen Mark
auf. Noch nie war das preußiiche Volk jo durchdrungen ges
wefen von dem Gefühl der Zufammengehörigkeit, der Einheit
mit dem Staat und dem König. Jetzt erft erftarkte fein bis—
ber mäßig entwideltes Staatsbewußtfein zu lebendigem Nationale
gefühl. In ihm wies es auch dem Königtum in ber fittlichen
Drdnung eine andere Stellung an. Auf dem fo gefeftigten
Grunde ber Monarchie aber erlebte es eine Wiedergeburt, wie
das franzöfifhe Volk fie einft unter dem Zwange der Revo:
lution und des europäifchen Krieges durchgemacht hatte. Zu
dem bamals bort Geſchehenen bot, was jet bier vorging,
Parallelen, die von preußiſchem Jakobinertum zu ſprechen er⸗
laubten. War die allgemeine Wehrpflicht, wie fie jegt in
Preußen thatfählich galt, jo fehr verſchieden von ber fran-
zöfifhen Konſkription? War der Landfturm nicht mehr als bie
fabelhafte Maſſenerhebung? Entſprachen nicht dem Terroris-
mus, der dort alles zu den Waffen genötigt hatte, die firengen
Strafen, die hier dem drohten, ber ſich feiner Pflicht gegen
das Baterland zu entziehen verſuchte? Der Tod ftand auf dem
Verſuch, den Landſturm gegen die foziale oder ſtaatliche Ord⸗
nung zu brauden, auf Dejertion, Mißachtung des Aufgebots
und Inſubordination Minderung der bürgerlichen Ehrenrechte,
auf Feigheit Verluft des Waffenrechts, Verdoppelung der Ab»
gaben und Leiftungen, ja körperliche Zuchtigung. Wie 1789
in Frankreich, fand die neue Einheit ihr Abzeichen in der preu=
ßiſchen Nationalkokarde.
Doch nicht bloß als Preußen fühlten ſich die Freiheits-
kämpfer: wider die Fremdherrſchaft gewaffnet, wurben fie fi
auch ihres durch diefe bedrohten Deutſchtums bewußt. Räums
48 Erſtes Bud. Der Freiheitäfampf und feine Enttäufhungen.
lich beſchränkt, erwuchs die preußifche Bewegung ihrem Weſen
nad) zur deutſchen. In der lange mißachteten beutfchen Art,
die man nun vornehmlich in dem Waffenrecht und ber Waffen-
pflicht ſah, entdedte man eine Duelle nationaler Berjüngung.
E. M. Arndt verfündete den Gedanken der allgemeinen Wehr:
pflicht als altgermaniſch und feine Verwirklichung als den beften
Schuß deutſcher Art und Freiheit. Auch das Königtum erhielt
damit einen neuen Inhalt. Dem fridericianifchen „Alles für,
nichts durch das Volk“ fegte die Nation den Wahlſpruch ent«
gegen „Alles durch das Volk für den König“. Man brach
mit ber franzöffchen Vorftelung von dem Königtum als einer
Würde, die, göttlihen Urfprungs, unumfchränkt und unver
antwortlich, feine Lebensgemeinihaft mit dem Volle haben
tönne. Als Friedrich Wilhelm duch den Aufruf vom 17. März
den Entſchuß zum Kriege. vor feinem Volke rechtfertigte, riß
er felbft die Schranken nieder, die König und Bolt bisher ge
trennt hatten. Und wie er zum Volke geſprochen, wollte auch
diefes nun zu ihm ſprechen können. Dazu hatten angefihts
der Erbaärmlichkeit der beftehenden Zeitungen im Einverftänd-
nis mit Scharnhorft Schleiermacher und Niebuhr dem Staate-"
kanzler die Erlaubnis zur Gründung bes „Preußifhen Korreſpon ⸗
denten“ abgerungen. Mit der Freiheit bes Handelns ſollte
Preußen auch die der Rede und der Schrift wiedergegeben fein.
Bol Dankgefühls gegen die Feldherren, die unerſchüttert und
vol Gottvertrauen die Befreiung vorbereitet, wurden da bie
Gerichte Gottes gepriefen, die in der Nation den Inftinkt der
Rettung erwedten, ber bem Willen des Königs entgegenfam
und feine Gefege wie einmütige Beſchluſſe einer Vollsverfamm-
lung erſcheinen ließ. Verſtändlicher noch und eindringlicer
entwidelte denſelben Gedanken von der neuen Lebensgemein⸗
ſchaft zwifhen König und Volk die fi herrlich entfaltende
patriotifche Dichtung.
Nur dedten fi) die Wunſche des preußifchen Volkes nicht
mit denen ber leitenden Staatsmänner, Namentli Metternich
kam es weniger auf bie Vernichtung bes Gegners an als
darauf, daß die Verbündeten nicht Erfolge gewannen, bie
Defterreih fhädigten, daß vor allem Rußlands Abfichten auf
II. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 49
Polen und die Hegemonie Preußens in Norbdeutihland ges
bindert würden. Dieſe Gegenjäge traten auch im betzeff der
Kriegführung zu Tage. Noch trieb den Zaren neben der Bes
gierde nach Polen auch ber perfönlihe Haß gegen Napoleon
vorwärts: das unentbehrliche Preußen dachte er möglichſt billig
abzulohnen. Gegen Defterreih aber war er von tiefem Miß-
trauen erfüllt. Diefes wieder wünjchte den Krieg möglichft
bald zu beendigen: er follte Napoleon nur zur Nachgiebigkeit
zwingen. Daher feine vorfihtig zuwartende Kriegführung, die
mit großen Wagniſſen auch die Machtverhältnifie gründlich
wanbelnder Erfolge ausſchloß und die Entſcheidung zwiſchen ben
Varteien bei ihm ließ. Trotzdem bildeten innerhalb der Koalition
diefe drei Mächte einen engeren Bund. Am 9. September er-
festen fie die vorläufigen Reichenbacher Abmachungen (S. 44)
zu Teplig durch definitive Verträge. Das durch Frankreich
geftörte Gleichgewicht herzuftellen, ſollten Defterreih und Preußen
in den Stand von 1805 gebracht, der Rheinbund aufgelöft,
Hannover reftauriert und über das Herzogtum Warſchau eine
friedliche Verftändigung erfirebt werden. Das entband Rus
land von der anfänglichen Zuſage der Herftellung Preußens in
den Stand von 1803. Indem ferner im Einklang mit dem Kaliſcher
Vertrag erklärt wurde, die deutſchen Staaten zwiſchen Defter-
zeih und Preußen und dem Rhein und ben Alpen follten volle
und unbedingte Unabhängigkeit genießen, entſchied man mit
Preußens Einverftändnis bereits über Deutſchlands und Preußens
Zukunft. Nah den beiden Richtungen, in denen ihm bisher
Vergrößerung verheißen war, wurde Preußen dadurch ſchon jegt
der Weg verlegt.
Milttärif hatte die Waffenruhe die Lage der Verbündeten
verbefiert. Mit etwa 470000 Mann im Felde waren fie
Napoleon um 30000 überlegen. Das wog freilich den Vor⸗
teil nit auf, den jenem bie Einheit der Leitung gewährte
gegenüber der Vielheit der Willen bei ihnen. Denn nur ges
wifle leitende Gefihtspunfte waren in den im Juli zu Traden-
berg gehaltenen Konferenzen vereinbart, ein ungefährer Durch⸗
ſchnitt aus den miteinander ftreitenden Meinungen. Hatte
man auch bei der Bildung ber drei Armeen, in bie ſamtliche
Prut, Dreubiiche Geſchichte. IV.
50 Erſtes Bud. Der Freiheitätampf und feine Enttäufungen.
Streitkräfte geteilt wurden, die Einheit im Rampfe gegen Franke
reich zum Ausbrud zu bringen geſucht: die Einheitlichfeit des
Handelns hinderten alle möglichen Sonberintereffen. Namentlich
geihah das bei der in Böhmen ſtehenden Kauptarmee, bie
unter dem Oberbefehl des Fürften Schwarzenberg jämtliche,
etwa 110.000 Defterreiher und 33 000 Ruſſen unter Wittgen«
fein mit 42000 Preußen unter Kleift vereinigte. Bei ihre
weilten die Monarchen mit ihren militärifcgen und diplomatiſchen
Beratern. Das Zentrum bildete die Schlefifche Armee, drei
zuffiiche Corps und 38000 Preußen unter York, im ganzen
99 000 Mann unter Blücher mit Gneifenau, der während bes
Stilftandes in Schlefien als Generalgouverneur die Landwehr
organifiert hatte, als Stabschef. Auf dem rechten Flügel bes
fehligte Bernadotte die Nordarmee, über 150 000 Mann, dar⸗
unter 78000 Preußen unter Bülow und Tauenzien, dann
Rufen, Schweden, Engländer und Deutfhe. Als ein über
Prag, Breslau und Berlin gefpannter Bogen umfaßte bie
Stellung der Verbündeten die Napoleons, deren Zentrum
Dresden bildete. Den Hauptftoß gegen bieje follte die Böh—
miſche Armee führen. Aber man wollte nur fehlagen, wenn
der Erfolg ſicher fehlen: deshalb folte die Armee, bie von
Napoleon jelbft bedroht mwurbe, zurüdweihen, während bie
beiden anderen vorgingen. Ungefähr ift diefer Plan auch ein⸗
gehalten worden. Nur machte die Vielköpfigfeit ihrer Leitung
die Böhmifche Armee zu der ihr zugedachten Rolle untauglic.
Die Nordarmee lähmte Bernadottes zweibeutige Lauheit, und
ſelbſt Blücher wurde gelegentlih duch die ruſſiſchen Generale
und Yorks Eigenfinn behindert. Doc bielt man den Grund»
gedanken des Planes feit, indem immer die von Napoleon mit
feiner Hauptmacht bebrohte Armee auswich, die beiden anderen
aber vorrüdten und fo die Durchbrechung ihrer Stellung hin⸗
derten, bis der Keil, den Blücher in Napoleons Linie trieb,
diefen zur Defenfive, die Böhmifche und die Nordarmee aber
zu entſchloſſenem Vorgehen nötigte.
Seine gefährlichſten Gegner zur Teilung ihrer Kräfte zu
zwingen, ließ Napoleon Berlin bebrohen. Aber den Vorftoß,
den Dubinot von Magdeburg aus unternahm, wies troß Berna⸗
IH. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 51
dottes Gegenwirfen Bülow am 23. Auguft bei Großbeeren zurüd.
Dem Dubinot zu Hilfe eilenden Girard brachte General v. Hirſch⸗
feld am 27. bei Hagelberg eine blutige Niederlage bei. Herr⸗
lich wie bort die pommerſchen bewährten fi hier bie kur—⸗
maͤrkiſchen Landwehren, obgleich der Kolben dabei nit bie
Node fpielte, welche die Legende ihm zufchreibt (Bd. I, S. 30).
Inzwiſchen war Blücher, erft gegen Ney vorbringend, vor
Napoleon gewichen und die Große Armee auf Dresden gerüdt,
wo fie von dem zurüdeilenden Kaiſer am 26. und 27. Auguft
geſchlagen wurde, während Blücher den unvorfihtig andrängen-
den Machonald mit Hilfe der Ruſſen unter Saden am 26.
an ber Katzbach vernichtend ſchlug. Auf dem Rüdzuge von
Dresben hielt auf Friedrich Wilhelms Veranlaflung Oftermann
bei Kulm (29. Auguft) den andrängenden Vandamme helben-
mütig auf, dem bei Nollendorf ein glüdliches Ungefähr den
einen Ausweg aus den Bergen ſuchenden Kleift in den Rüden
führte, fo daß er ſich nach verzweifelter Gegenwehr am 30. Auguft
Triegögefangen geben mußte. Auch ben neuen Angriff Neys
auf Berlin vereitelte Bülow, indem er in Auflehnung gegen
Bernabotte bem bei Jüterbog bebrängten Tauenzien zu Hilfe
eilte, am 26. September durch den Sieg bei Dennewitz.
Angefichts diefer Erfolge ignorierte Blücher den ihm nad
der Dresdener Schlaht zugegangenen Befehl zum Rüdzug und
zur Ueberlaſſung eines Teils feines Heeres an das Böhmiſche: er
marfdjierte nad der Elbe. Dorthin wandten fih, unbefümmert
um Bernabdotte, auch Bülow und Tauenzien, und als York
am 3. Oktober die Elbe überfhritt und ſich in blutigem Kampfe
bei Wartenburg behauptete, mußte auch Bernabotte vorgehen:
die Schleſiſche und die Nordarmee fanden im Rüden Napoleons,
der vergeblich erft Blücher und dann die Böhmiſche Armee, die
durch die ruſſiſchen Referven um 57000 Mann verftärkt war,
zum Schlagen zu bringen fuchte. Schon ftreiften die Koſaken
bis Kaſſel, Bayern unterhandelte mit Defterreih und die Böh-
miſche Armee zog auf Leipzig. Nun räumte Napoleon am
7. Oktober Dresden. Als aber Blücher und die Nordarmee
vor ihm hinter die Saale wihen, wollte er über die Elbe geben,
Berlin nehmen, die Befagungen von Magdeburg, Hamburg,
52 Erſtes Bud. Der Freiheitälampf und feine Enttäuſchungen.
Stettin und Danzig an fich ziehen und fo weiter kämpfen: die
NKriegsmüdigkeit feines Heeres machte den verwegenen Plan
unausführbar. Am 8. Dftober ſchloß Bayern mit Defterreich
den Bertrag zu Rieb, der es gemäß dem Tepliger Abkommen
feines Befiges und feiner Souveränetät verſicherte. Nur eine
fiegreihe Schlacht konnte Napoleons Stellung in Deutſchland
nun nod retten. So zog er ber Großen Armee nach Leipzig
entgegen. Die Völkerſchlacht (16., 18. und 19. Oktober) ent:
ſchied gegen ihn. Vergeblich ſuchte er nad dem erſten Tage
(16.), an dem er im Süben bei Wachau in der Abwehr glüdli
war, im Norden aber Marmont von York bei Mödern ges
ſchlagen wurde, auf Grund ber in Prag abgelehnten Zugeftänds
niffe zu unterhandeln. Er blieb ohne Antwort. Die dadurch
veranlafte Waffenruhe (17.) ermöglichte den übrigen Truppen
der Verbündeten beranzulommen. Nun in der Minderzabl,
hielt Napoleon mit äußerfter Anftvengung Probftheida, das
Zentrum feiner Leipzig in weitem Bogen bedenden Stellung,
bis zum Abend des 18. Die Niederlage der auf Leipzig weis
chenden Flügel nötigte ihn endlich zum Nüdzug. Noch ehe die
Beſiegten die Stadt paffiert hatten, drangen am 19. bie oft
preußifchen Landwehren unter Major Friccius am Grimmaiſchen
Thor ein: der Ruchzug wurbe zur Flucht. Mittags zog Fried»
rich Wilhelm mit dem Zaren ein. König Friedrich Auguft von
Sachſen, der in der Stabt weilte, wurde kriegsgefangen nad
Berlin geführt. Völlig ausgenugt aber wurbe ber teuer er⸗
Taufte Sieg nicht. Nur York blieb am Feinde, holte ihn ein,
Tonnte ihn aber nit zum Stehen bringen. Mit immer nod
90000 Mann entlam Napoleon über den Rhein, nachdem er
fih bei Hanau (30.31. Oktober) duch die Bayern durch—⸗
geſchlagen hatte.
Stärker ala bisher bethätigte ſich alsbald die Verſchieden⸗
beit der Intereffen der Mächte. Während fie durch die Leipziger
Konvention vom 21. Oktober die ſchon früher vorgefehene
Sentralbehörbe zur Verwaltung ber eroberten deutſchen Lande
unter Stein ins Leben riefen, bewilligte Defterreih am 2. No—
vember zu Fulda Württemberg für den Mebertritt die gleichen
Bebingungen wie Bayern. Kaifer Franz und Metternich ſahen
II. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 53
den Zwed des Krieges als erreicht an. Der Zar wollte ihn
jenfeits des Rheins fortfegen. So trat in den legten Wochen
des Jahres, als die Monarhen in Frankfurt weilten, eine
Krifis ein. Als ob er nod immer Vermittler wäre, bot Metter
nic) durch den franzöfiihen Gefanbten in Weimar, St. Aignan,
Napoleon Frieden an auf Grund der Unabhängigkeit Deutfch-
lands, Hollande, Italiens und Spaniens und ber Beſchränkung
Frankreichs auf feine natürlichen Grenzen, den Rhein, bie
Pyrenäen und die Alpen. Das nannte er zur Entrüftung der
Patrioten einen vorteilhaften Frieden. Napoleon aber wollte
wohl unterhandeln, aber nicht diefe Bafis annehmen. So
mußten auch die Diplomaten auf weiteren Krieg denken, nur
feinen nationalen Freiheitskrieg, ber Frankreich erbittern konnte.
Wie eine Entſchuldigung bei diefem Mang das Manife, in
dem die Monarchen am 1. Dezember ihren Entfhluß zur Forts
fegung des Kampfes kundgaben: nicht Frankreich gelte er, folle
vielmehr nur die Uebermacht Napoleons brechen, dem ritter⸗
lichen, zulegt freilich unglücklichen franzöfifhen Volke aber ein
größeres Gebiet laflen, als es unter feinen Königen beherricht
habe. Denn als eine der Grundfäulen in dem Bau der Ge-
ſellſchaftsordnung unentbehrlih für bie europäifhe Kultur —
diefe Theorie Fam der jüngften Vergangenheit zum Hohn da⸗
mals auf — dürfe Frankreich nicht geſchwächt werden. Suchte
Metternich doch in ihm bereits den Verbündeten, deſſen er ſich
bei der Neugeftaltung Europas nad) feiner Gleihgewichtstheorie
ſowohl gegen Rußland wie gegen Preußen bedienen Fönnte,
Mit diefem Frankreich ſchmeichelnden Manifefte verleugneten
die Monarchen völlig die Motive, die ihre Völker in den Krieg
getrieben, und Friedrich Wilhelm ſetzte fi in einen unaus—
gleihbaren Widerſpruch mit alledem, wozu er fi in dem Auf⸗
ruf „An Mein Bolt“ befannt hatte.
Inzwiſchen hatte zwar Bülow Weſtfalen erobert, Minden,
Münfterland und Oftfriesland gewonnen und Holland befreit;
bie von den Franzoſen noch befegten Feftungen mwurben be-
lagert: was aber weiter geſchehen follte, war in Frankfurt no
völig unklar. Vom Aheinübergang wollte der König mit
KAnefebed nichts wiſſen: man follte ftehen bleiben, ſich ver-
54 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen.
ſtärken und den Feind erwarten. Der Bar, Stein, Blücher,
Gneifenau drängten vorwärts. Aber die einen wollten über
den Unterrhein und durch Flandern, die anderen über ben
Oberrhein und duch die Schweiz nad Franfreih einbrechen.
Schließlich kam ein Kompromiß zu ftande: den Weg nad) dem
als angeblich herrſchende Stellung zum Sammelplag befiimmten
Plateau von Langres ſollten die Defterreiher duch die Schweiz,
die unter Blücher vereinigten Preußen und Rufen vom Mittel:
thein her nehmen. Darüber aber war das Jahr fait zu Ende
gegangen. Erſt in der Neujahrsnacht 1814 ſetzte Blücher bei
Raub über ben Nhein: mit freudigem Hurra ftürmten feine
Beute das jenfeitige Ufer, und patriotifche Lieber fingend zogen
fie in das neugewonnene deutſche Land hinein.
Ohne Schwierigkeiten erreichten die Verbündeten die Gegend
von Langres (21. Januar). Da veranlaßten Differenzen zwifchen
Diplomaten und Militärs einen Stilftand. Der Zar drängte
nad Paris. Friedrich Wilhelm wünfhte aus Gumanitätsrüd:
fihten den Krieg zu beenden. Metternid, militäriſch von
Kneſebeck unterftügt, erklärte alles Erreihbare für erreicht und
wollte unterhandeln. Das eröffnete Napoleon unverhoffte Aus—
fihten und verfchärfte die Gegenfäge zwiſchen den Verbündeten.
Ein folder beftand auch in Preußen zwiſchen der Thatenluft
der Patrioten in Armee und Volt, die in ihrem Haß gegen
den Tyrannen Blücher als nationalen Helden feierten, und der
jeder gewagten Entſcheidung abgeneigten Schwäche des Königs,
der froh war, den unheimlichen Volfstrieg los zu fein. So
bedingten Blüchers Erfolge oder Mißerfolge die Schwankungen
der preußiſchen Politit. Muhſam hatte er fih am 29. Januar
bei Brienne Napoleons erwehrt, brachte ihm aber fon am
1. Februar, von Defterreihern, Rufen und Württembergern
unterftägt und ausbrüdlich zum Oberbefehlshaber beftellt, bei
La Rothiere eine Niederlage bei, die er zu ſchnellem Vormarſch
auf Paris benugen wollte. Aber das Hauptheer blieb zurüd:
ja am 3. Februar trat in Chatillon ein Friedenskongreß zu⸗
fammen.
Die Bevollmächtigten ber Verbündeten — für Preußen
W. v. Humboldt — follten im Namen Europas die Beſchrän⸗
IH. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 55
tung Frankreichs auf einen Umfang fordern, in dem es bas
Gleichgewicht und die Unabhängigkeit der übrigen Mächte nicht
gefährden könne, aber gewiſſe Grenzregulierungen und bie teils
weife Rüdgabe ber Kolonien zugeftehen dürfen: man wollte
Frankreich im wefentliden bie Grenzen von 1792 laſſen. Doch
nahm Goulaincourt diefe Bafis nicht ohne weiteres an, ſondern
hielt fi wieder an Formfragen und Nebendinge. Er rechnete
auf bie Uneinigfeit der Verbündeten, rang ihnen auch, als fie
mit Abbruch der Verhandlungen brohten, die Vertagung bis
zum 17. Februar ab. Inzwiſchen aber kam es über den von
ihm bei Metternich beantragten Waffenftillftand in dem ver-
bundeten Hauptquartier zu Troyes zu peinlihen Erörterungen.
Der Zar verwarf ihn, Preußen war dafür, ebenfo England
und Defterreih, das Schwarzenberg anwies, die Seine nicht
zu überſchreiten. Man ließ ben vorbringenden Blücher im
Stich. Am 10. warf fih daher Napoleon bei Champaubert
zwiſchen ihn und Saden, ſchlug legteren am 11. ſamt dem
ihm zu Hilfe ziehenden York bei Montmirail und fiegte am 14.
bei Etoges abermals über Blücher. Das fteigerte bie Ver-
wirrung bei ben Verbündeten. "
Defterreih drohte bei Ablehnung des Stillftandes aus der
Roalition auszutreten. Zuſammen mit ben Unglüdsbotfhaften
von Blucher machte das auf den Zaren Eindrud. So vers
fändigte man fi nochmals. Defterreih verzichtete auf den
Stilftend und nahm an dem Vormarſch auf Paris teil; dafür
aber jolte in Chatillon weiter unterhandelt und auf Grund
der gemachten Vorſchläge ſchleunigſt abgeſchloſſen werben;
weigerte Napoleon das, fo wollte man glei nad der Ein-
nahme der Hauptftabt dem alsdann einzufegenden Ludwig XVII.
die gleichen Bedingungen bewilligen. Damit es dazu nicht
Tomme, wurben bie Bevollmächtigten Defterreichs und Preußens
in Chatillon angewiefen, den Vorfrieden thunlicft zu be—
ſchleunigen. So ſchienen die Gegner des Krieges am Ziele,
als ein unerwarteter Zwiſchenfall eintrat. Wohl infolge eines
Mißverſtändniſſes der ihm gemachten Mitteilungen über bie
nah Chatillon gefehidte Inftruftion bot Schwarzenberg mit
Buftimmung des plöglich wieder einmal Mleinmütigen Haren,
56 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufchungen.
dem nad dem Siege über Blücher auf ihn andringenden
Napoleon am 17. Februar einen Waffenſtillſtand an und ftellte
die Feindfeligkeiten ein, während an demſelben Tage bei der
Aufnahme der Verhandlungen in Chatillon Goulaincourts An⸗
trag auf einen ſolchen abgelehnt wurde. Natürlich fühlte ſich
Napoleon fofort wieder ala Herrn der Lage: er machte die
Waffenruhe abhängig von der Bewilligung ber ihm in Frank⸗
furt geftellten Bedingungen (S. 53), und die Vorteile, die er
am 18, bei Montereau über die Hauptarmee der Verbündeten
erfoht, ließen feine Drohung nicht ganz grunblos erſcheinen,
ohne Stilftand feien die in Frankreich eingebrungenen Heere
verloren, zumal er, den weichenden Gegnern folgend, auf Troyes
vorbrang.
Die Lage der Verbündeten wurde kritifh. Zuſehends
verfchlechterte der beprimierende Nüdzug die Stimmung ber
Heere. Schwarzenbergs Verhältnis zu dem nun wieder vor⸗
wärts firebenden Zaren, dem König und bem kriegsluſtigen
Teil des Hauptquartiers wurde immer übler. Man ftand vor
einer folgenſchweren Entſcheidung, als am 25. Februar in
Bar fur Aube ein großer Kriegsrat zufammentrat. Wieder
kam es zu einem Kompromiß, bas aber wenigftens der preu-
ßiſchen Thatenluft Rechnung trug, Um nicht durd eine ans
geblich bei Lyon gebilbete franzöfifhe Armee von ber Schweiz
und Italien abgeſchnitten zu werben, follte, jo wurbe ver⸗
einbart, das Hauptheer fi zunädft noch auf die Defenfive
beſchränken, das Schlefiihe aber den Vormarſch wieder aufs
nehmen. Blücher befam alfo freie Hand. Daß dieſer Beſchluß
fofort wirkſam wurde, war des Königs Verdienſt, der wieder
einmal fein nüchternes militärifhes Urteil bewährte. Bei der
Nachhut weilend, die vor Napoleon auch aus Bar jur Aube
weichen mußte, erkannte er bie Gefahren, bie ein weiterer
Nüdzug drohte. Es war einer von ben jeltenen Momenten,
wo er der Zweifel an dem eigenen Können Herr wurbe unb
mit inftinftiver Sicherheit handelnd, gleichſam über fich felbft
erhoben erſcheint. Perſönlich beftimmte er am 26. Februar
Schwarzenberg, fofort Halt zu machen und den Vormarſch am
nächſten Tage zu beginnen. Unter feinen Augen wurde am
III. Preußen im Noalitiondfriege gegen Frankreich. 57
27. Bar fur Aube zurüderobert. Wie richtig er den Augen-
blick erfaßte, bezeugt das Schreiben, das er nad; jenem Kriegs⸗
rat an Blüher richtete: in feiner Hand Tiege der Ausgang
bes Felbzuges; mit ben verbündeten Monarchen fei er ber Zu⸗
verfiht, er werde das auf ihn gefete Vertrauen rechtfertigen
und bei ber ihm eigenen Entſchlußkraft doch nie vergeflen, daß
von der Sicherheit feiner Erfolge das Wohl aller Staaten
abhänge. Auch der König bekannte fi damit zu dem greifen
nationalen Helden und gewann wieder Anſchluß an die Patrioten,
die mit jenem den Kampf gegen Napoleon als eine Pflicht
nationaler Vergeltung anfahen.
Auch auf die politifhe Lage wirkte diefer Fräftige Ent»
ſchluß Märend ein. Die Koalition ſchloß fich fefter denn je.
Im Hauptquartier der Verbündeten zu Chaumont wurde am
1. März ein Vertrag unterzeichnet, ber die früheren beftätigte
und auf zwanzig Jahre verlängerte, während deren bei einem An-
griff auf eine ber verbünbeten Mächte die übrigen 150 000 Mann
zu ſtellen hatten. Wie erft die Niederwerfung, fo wurde nun
die Rieberhaltung Frankreichs als europäiſches Intereſſe pro⸗
Hamiert und Napoleon als Feind Europas bezeichnet. Ein
Scheinfrieden ſollte nicht geduldet werden: man ftellte fofort
die Mittel bereit, um Frankreich zur Erfühung der ihm aufs
zuerlegenden Verpflihtungen zu zwingen. Daher follten im
Frieden Spanien, Italien, die Schweiz und die Niederlande
unabhängige Staaten, die beutfchen Fürften aber durch einen
Bund geeinigt werden, ber die Unabhängigleit Deutſchlands
fiherte.
Trotzdem aber wurde in Chatilon au mit Napoleon noch
weiter unterhandelt, ja Goulaincourt die für die definitive
Antwort geftellte Frift wiederholt verlängert. Doch wurde auch
der Krieg nun mit Nahdrud geführt. Mit 100000 Mann
drang Blucher auf Paris vor. Langfamer zog auch das Haupts
beer dorthin. Am 10. März flug Blucher Napoleon bei Laon:
ben Sieg völlig auszunugen, hinderten ben alten Helden Krank:
heit und eine gewiffe Scheu vor dem Kampfe mit Napoleon
perfönlih. Darüber leivenfhaftlic entrüftet, wollte York die
Armee verlaffen und wurde nur mit Mühe zum Bleiben ver-
58 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen.
modt. Trogdem gewährte man in Chatillon Coulaincourt noch
einmal bis zum 15. März Aufſchub. Der da endlich eingereichte
Gegenvorſchlag war natürlich unannehmbar. Auch dem Fried»
fertigften ſchwand nun jeder Zweifel: nur die Fraftvolle Fort-
fegung bes Krieges konnte zum Ziele führen, Am 18. März
ging der Kongreß auseinander.
So waren die Patrioten endlich Herren der Lage. Auch
Napoleons Energie und Genie konnten die Nemefis num nicht
mehr abwenden. Einzelne Vorteile, bie er überrafchend gewonnen,
machte die Niederlage wett, die er am 20. März bei Arcis fur
Aube duch das Hauptheer erlitt. Auch daß er fih nun nad
Dften wandte, um im Rüden ber Verbündeten eine Volks—
erhebung zu veranlafjen, änderte nichts mehr. Die Verbündeten
blieben im Marſch auf Paris. Am 25. März befiegten fie
Mortier und Marmont bei La Före Champenoife, am 30. unter
den Mauern von Paris, das zu retten Napoleon zu ſpät Fam.
Die die Hauptftadt beherrſchenden Höhen des Montmartre waren
genommen, die Sieger hie und da ſchon in die Vorſtädte ein
gedrungen, ala am Abend des 30. ein Waffenftilftand eintrat,
dem im Laufe der Naht die Kapitulation folgte, nad ber
Paris am nächſten Morgen geräumt fein mußte. Den 31.
erfolgte der Einzug der Monarchen.
IV. Die Entfäufchungen des Hriedene und des
Wiener Hongreffes. 1814—1815.
Den Freiheitsfampf umfirahlt in ber Erinnerung des preu⸗
Bifhen Volkes ein Glorienſchein, den auch fpätere Großthaten
nit mindern konnten. Nur verteilt die Tradition den An—
teil daran unrihtig. Aus eigenem Antrieb und (auf eigene
Verantwortung ſetzte das Bolt alle feine phyſiſchen und morali⸗
ſchen Kräfte ein: der König ließ gefchehen, was er nicht hin⸗
dern konnte, und ſchloß fi der Bewegung an, weil fie ſonſt
über ihn hinwegzugehen drohte. Aber bie entfefjelten Kräfte
des Volle blieben ihm unheimlih, und er war froh, ala der
Anſchluß Oeſterreichs den Volkskrieg zum Kabinettskrieg wandelte,
Nur war er den jetzt geſtellten politiſchen Aufgaben nicht ges
wachſen, jedoch fich ſelbſt darüber nicht ar genug, um ihnen
fern zu bleiben. So ift zum guten Teil er perfönlich ſchuld
daran, daß Preußen faum eine feiner berechtigten Erwartungen
erfült ſah, fondern ſchmerzliche Enttäuſchungen erlebte.
Auch font wurde die geſchichtliche Wahrheit gleich ver:
dunkelt. Beim Einzug in Paris trat in dem König Preußen
völlig zurüd gegen ben Zaren, der den Befreier Europas fpielte
und zur Befriedigung ber eigenen Eitelfeit den Franzoſen
ſchmeichelte. Die Helden Yorks und Bülows, welche die Haupt»
arbeit gethan — „ſehen aus wie Räuber, nicht wie preußiſche
Soldaten“, hatte der pebantifche König ſchon auf dem Marſch
nad Paris tadelnd von ihnen bemerft —, mußten um Paris
herum in ihre Stellungen marſchieren: als Sieger zeigte man
den Parifern die ftets möglichft geſchonten Garden. Für diefe
wurde reichlich geforgt: die übrigen Truppen, obgleih arg mit:
genommen, ließ ber Zar die wohlgefülten franzöſiſchen Magazine
nicht anrühren. Denn der Krieg follte nicht Frankreich, fon:
60 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen.
dern nur dem Ufurpator gegolten haben. Gleih das Mani:
fet, das der Zar am 31. März im Namen ber Verbündeten
erließ, nahm die Phrafen der Frankfurter Proflamation (S. 53)
auf: der Sturz Napoleons erlaube mildere Bedingungen,
daher jolle die Integrität Frankreichs, wie es unter den legi-
timen Königen beftanden, gewahrt bleiben, zumal das Glüd
Europas ein großes und ſtarkes Frankreich erforbere. Völlig
abhängig von bem ruffifden Freunde, ſchwieg Friedrich Wil-
helm zu diefem verkehrten Kultus des Befiegten, obgleich feine
üblen Folgen zumeift Preußen trafen.
Bereits der Vorvertrag, den man am 23. April dem Grafen
v. Artois als Vertreter Ludwigs XVII. bewilligte, ſicherte
Frankreich für den Frieden die Grenzen vom 1. Januar 1792.
Der Bar fpielte auf Koſten namentli Preußens den Beſchützer
Frankreichs und vereitelte die territorialen Veränderungen,
welche die Patrioten zu gunften Deutfchlands hofften. Mit
dem Parifer Frieden (30. Mai 1814) Ionnte allein Frankreich
zufrieden fein: über bie Grenzen von 1792 hinaus behielt es
Saarlouis und Landau, zahlte feine Kriegsfteuer und gab von
den geraubten Kunftihägen nur einige zurüd. Namentlich
Preußen büßte fo dafür, daß feine Staatsmänner fi mit
allgemeinen Zufagen begnügt, aber nichts vertragsmäßig feft-
gelegt hatten. Vor allem blieben die für feine Zukunft wich⸗
tigften Fragen offen. Zur Neuordnung Europas das Gebiet ber
einzelnen Staaten abzugrenzen und die Macht unter fie zu
verteilen, follte in zwei Monaten in Wien ein Kongreß zus
fammentreten. Ihm blieb auch die Verfügung über die linke:
theinifchen deuten Lande vorbehalten, die einftweilen ber
gemeinfamen Obhut der Verbündeten befohlen wurden, und
damit der Neubau Preußens. Nur das Großherzogtum Berg
und das Land zwiſchen Maas und Mofel wurden gleich jegt
preußifcher Verwaltung unterftelt. Mainz befegten Deſterreich
und Preußen gemeinfam. Sachſen verblieb unter der Zentral:
verwaltung, die der Ruſſe Fürft Repnin vortreffli leitete.
Daß endlich die in Langres getroffene und in Chaumont (©. 57)
erneute Beftimmung, die deutſchen Staaten follten unabhängig
und durch ein föberatives Band geeinigt fein, in dem Barifer
IV. Die Enttäufgungen des Friedens und bed Wiener Kongreſſes. 61
Frieden wieberholt war, erſchwerte eine günftige Geftaltung
der Zukunft Preußens.
Ein Gefühl tiefer Enttäufung ging durch die patriotifchen
Nreife. Nicht bloß Gneifenau beklagte, daß flatt einer edlen
Politit, wie fie der Beginn der Bewegung verheiken, wieder
die alten argliftigen Künfte herrſchten. Aus gegenfeitigem Mip-
trauen biltierten die Verbündeten nicht dem befiegten Frankreich
den Frieden, fondern verftändigten ſich mit ihm als der fünften
Großmacht, als ob es Fein Unrecht gegen Europa begangen
hätte. Daraus entnahmen die Franzoſen ein ganz falſches
Bild von ihrer Stellung in Europa, und bei feiner Neuordnung
beanſpruchten fie mitzuwirken. Waren fie vornehmlich durch
Preußen niebergelämpft, fo galt auch ihre Feindſchaft befonders
biefem. Nur wenn Preußen nicht aufkam, durften fie hoffen,
trotz ihrer Niederlagen ihre europäiſche Stellung zu behaupten.
Zunäãchſt freilich traten biefe Sorgen zurüd gegen bie
Siegefeiern. Anfang Juni verließen die Monarchen Baris.
Mit dem Zaren folgte Friedrich Wilhelm der Einladung des
Prinzregenten nach England, wo namentlih Blücher als Held
des Krieges enthufiaftifch gefeiert wurde. Am 5. Auguft war
ber König in Berlin. Am 7. zog er mit den Truppen feſtlich
ein. Der Garde und ber Linie folgte die Landwehr. Als
diefe durch das wieber mit feiner Viktoria geſchmüdte Branden-
burger Thor rüdte, waren bie jubelnden Maſſen nicht mehr
zu halten: die Bataillone brachen auseinander, die Frauen
flürzten den Gatten in die Arme, die Jungen trugen dem
Bater das Gewehr, und fo wogte der ganze Zug dahin, die
Wehrmänner mit Krängen bebedt, Männer und Frauen durch-⸗
einander, das Bild eines Volkes in Waffen. Und darin lag
die befte Burgſchaft für Preußens Zukunft.
Roch war Preußen mehr eine moraliſche als eine terri-
torial konſtituierte Potenz. Die politifche Realifierung jener
durch Zumweifung eines entfprechenden Gebietes ftand noch aus.
Wohl Hatte Preußen von feinem alten Befi einzelnes, wie
Magdeburg, Kottbus (S. 35) und anderes mehr, ohne weiteres
eingezogen. Anderes, wie Weitfalen, Berg und das Land
zwiſchen Maas und Moſel, unterftand bereits feiner Verwaltung.
62 Erſtes Buch. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen.
Je mehr demnach für Preußen noch erft zu gewinnen war, um
fo mehr mußte es fi zur Verfechtung feines Rechts bereit
halten, alfo bie Wehrkraft des noch unfertigen Staates fleigern.
Das geſchah durch bie Einführung ber allgemeinen Wehrpflicht,
die zum voraus das Band ſchuf, das ben gebliebenen mit dem
wiebererlangten und dem neuen Beſitz zufammenfaflen und
shalten und nad; außen ſichern ſollte. Denn an die Spige ber
drei Brimate, durch die allein Preußen ſich zwiſchen ven mäch-
tigen Nachbarn werde aufrecht halten können, vor den ber
Konftitution und der Wiffenfhaft, ftellte Gneifenau den ber
Waffen. Praktifh politiſche und ideelle Momente floſſen in
ihm zufammen. Waren für die Einführung der allgemeinen
Wehrpflicht erftere entſcheidend, fo haben doch aud letztere
mitgewirkt und find ihrerfeits durch jene geftärkt worben.
Preußen hatte zu Ende des Krieges über 300 000 Mann
auf den Beinen. Davon waren beim Friedensſchluß noch
179000 mobil. Ermöglicht hatte das die Inſtitution ber
Militärgouvernements (S. 31). Die Dezentralifation, die fie
in die nah Scharnhorfis Tod verfallende Kriegsverwaltung
brachten, wurde dadurch reichlich aufgewogen, daß fie dank der
großen Verantwortung und Machtbefugnis ihrer Inhaber die
erihöpfende Ausnugung der militärifhen Hilfsmittel des bes
treffenden Gebietes ermöglichten. Aber fie waren doch nur auf
außerordentliche Verhältnifie berechnet: der Frieden forderte eine
andere Organifation. Schon in Paris waren dieſe Fragen
erwogen. Auf Hardenbergs Vorſchlag wurde am 3. Juni
Generalmajor v. Boyen (geb. 1771) zum Staats: und Kriegs:
minifter ernannt. An feine Verfügungen jollten in den Fällen,
wo der König nicht felbft befahl, alle Militärperfonen und
sbehörden und in Sachen feines Reſſorts auch die Zivilbeamten
gebunden fein. Dazu wurde das Kriegsminifterium in fünf
Departements mit ſcharf gefonderten Reſſorts geteilt — das
allgemeine Kriegsdepartement und die des Generalftabes, der
Perfonalien und der Militäröfonomie und des Generalkriegs—
tommiffariates. Zu ihren Direktoren, die zwar die ihnen zu=
gewiefenen Gefchäfte verantwortlich leiten, aber alle allgemeinen
Fragen dem Minifter in regelmäßigen Konferenzen vortragen
IV. Die Enttäufgungen bed Friedens und des Wiener Kongreſſes. 63
folten, wurden nur Männer aus Scharnhorſts Schule berufen,
der bebeutendfte, Grolman, im Krieg Kleiſts Staböchef, an bie
Spige des Generalftabes. So Fam der Geift Scharnhorfts in
ber Armeeleitung jegt reiner zur Geltung als zu feinen Leb⸗
zeiten und bethätigte fi in freudigem, fruchtbarem Schaffen,
das feine ber Erfahrungen aus der großen Zeit unbeaditet ließ.
Bei aller Strenge in den Prinzipien ging doch ein Hauch der Frei:
heit durch das erneute Heerweien, da innerhalb des unverrüdbar
feften Rahmens der Individualität Spielraum gewährt wurde
zu ſelbſtändiger und daher doppelt erfolgreicher Bethätigung.
Das bewährte namentlih die Ernennung Tommandierender
Generale in den Provinzen rechts von ber Elbe. Die Aus
bilbung und innere Ordnung der Truppenkörper blieb ben
Diviſions⸗ und Brigabebefehlshabern : allen militärifchen Autori⸗
täten der Provinz übergeorbnet, follte der kommandierende
General das gefamte Militärwefen derſelben im großen leiten
und überwachen, um bie vorhandenen Kampfmittel zu höchfter
Leiftungsfähigkeit zu entwideln und aud die Beziehungen
zu ben bürgerlien Behörden pflegen. So wurde er für bie
Militärverwaltung, was ber Oberpräfident für die bürgerliche
Verwaltung war, inmitten bes Mechanismus der Zentrale und
der unteren Behörden das felbftändig lebende und belebenbe
Amt, darauf berechnet, von wirklich ſtaatsmänniſchen Charakteren
ausgefüllt zu werben.
Zu voller Wirkſamkeit aber beburften ſolche Neuerungen
in den höchſten Stellen der dauernden Sicherung ihrer breiten
Grundlage in den unterften Schichten, welche die thatfächliche
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für den Freiheitskampf
vorläufig gefchaffen hatte. Meber die Reformbebürftigfeit ber
Rantonverfaffung war man längft einig. Die Bildung einer
Miliz, welche die Konvention vom 8. September 1808 ver:
boten hatte, war Preußen durch ben Kaliſcher Vertrag aus:
drüdli auferlegt (S. 25). So war 1813 Scharnhorft mit
feinen Lieblingsgedanten durchgedrungen. Dem Aufruf zur Bil:
dung freiwilliger Jägerbetahements war am 9. Februar 1813
die Aufhebung ber bisherigen Befreiungen von ber Ranton-
pflicht für die Dauer bes Krieges gefolgt (S. 17). Sie vor-
64 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen.
nehmlich hatte das preußiſche Volk zu einem Bolt in Waffen
gemadt. Doch brachte fie auch wirtſchaftliche Nachteile mit
fi, die man nah dem Frieden abzuftellen eilte. Die freis
willigen Jäger, die ihren Beruf wieder aufnehmen wollten,
durften Ende April 1814 Heimfehren, und die Landwehr der
alten Provinzen wurde reduziert, um dem Lande die entzogenen
Arbeitskräfte und den Familien ihre Ernährer zurüdzugeben.
In ber gleichen Abſicht hob der König am 27. Mai 1814 den
Erlaß vom 9. Februar 1813 wieder auf, jo daß. die früheren
Befreiungen von der Kantonpflicht wieder galten. Eine prins
sipielle Verwerfung der allgemeinen Wehrpflicht enthielt das
nit. War doch Hardenberg dur ben Krieg ganz für Scharn-
horſts Gedanken gewonnen und wollte die Landwehr jedenfalls
erhalten, was nur durch ein Geſetz über die Wehrpflicht möglich
war. Wenn er (2. Juni) Boyen zum Kriegsminifter vorſchlug,
geſchah das wohl, weil er ihn für geeignet hielt, die neue
Drganifation ohne verlegende Schärfe und doch mit der nötigen
Energie durchzuführen. Denn da fie doch auf eine Volle:
bewaffnung binauslief, mußte man auf Widerftand vom König
gefaßt fein. Diefem gegenüber ftellte Boyen daher in ben
Vordergrund, was als bereits üblih und bewährt der Be—
ftätigung gewiß war, und fiherte die Neuerungen gegen Anz
fehtung, indem er fie als ſelbſtverſtändliche Konfequenzen aus
jenem darftellte.
Bereits am 31. Juli ſchrieb er Gneifenau, daß die Mini-
ferien fih mit den Hauptzügen feines Gejegentwurfs einver-
fanden erklärt hätten. Als ſolche führt er an: „Alles ift
waffenpfliätig, die ftehende Armee nicht groß, etwa 10000
auf die Million, mit drei Jahren DVienftzeit, mit Ausnahme
der befjer befoldeten Gefreiten. Die Landwehr zerfällt in zwei
Aufgebote, jedes mit jehsjähriaer Dienftzeit. Mit dem 35. oder
36. Jahre Hört aljo der Dienftcyllus auf. Das erfte Auf:
gebot, etwa 20000 Mann auf die Million, wird fo Disponibel
gemacht, daß es jeden Augenblid das ftehende Heer verftärken
kann, das zweite ift in der Regel zu Beſatzungszwecken beftimmt.
Der Landfturm bleibt gefeglihe Einrichtung.” Die Unbedingt:
beit ber Verpflichtung und die kurze Dienftzeit im flehenden
IV. Die Enttäufäungen bed Friedens und des Wiener Kongreſſes. 65
Heere, fowie die Gefamtbauer der Dienftverpflihtung vom
20. bis zum 35. Jahre waren früheren Entwürfen entlehnt.
Die Beibehaltung der Landwehr empfahlen die Rüdficht auf
die kunftige politiide Lage Preußens und finanzielle Er—
wãgungen. Neu war die ihr infolge ihrer Bewährung im Frei:
heitsfampfe eingeräumte hervorragende Stellung und die Teis
lung in zwei Aufgebote nad dem Vorbilde der englifhen und
der Schweizer Miligen und den Erfahrungen bes legten Krieges.
Ferner überwies Boyen, das Krümperſyſtem weiterbildend,
die beiden jüngften Jahrgänge der nad drei Dienftjahren in
der Linie Entlaffenen nicht glei) der Landwehr, fondern als
Neferve dem ftehenden Heer, um daraus im Kriegsfall deſſen
Cadres zu vermehren oder auch Linienregimenter zu bilden.
Die Härten zu mildern, zu denen die breijährige Dienftzeit
gelegentlich führen konnte, nahm er die Idee Scharnhorfts auf,
die wirtſchaftliche Leiftungsfähigfeit ber Wohlhabenden im Heer⸗
dienft für die Staatskaſſe dadurch auszunugen, daß ſowohl bie,
welche ſich ſelbſt kleideten, bewaffneten und unterhielten, als
auch die, welche fi den Wiſſenſchaften und ſchönen Künften
widmeten, nur ein Jahr dienen folten.
So ftellt ſich Boyens Wehrgeſetz, obgleich e8 einzelne ältere
Gedanken aufnahm, doch im ganzen als neu und einheitlich
dar. Daß es in mwefentlihen Punkten bereits beftehende Ein-
richtungen nur fortbilbe, betonte Boyen namentlich dem König
gegenüber. In feiner Begründung ging er davon aus, bie
Erhaltung des Friedens hänge mehr ab von dem Heeresein-
richtungen ber einzelnen Nationen als ber Friebensliebe der
Regierungen und der Völker; ihre Grenze aber finde die Heeres⸗
rüftung in der Bevölkerung und den Finanzmitteln des Staates;
auch muſſe fie die Erhaltung der Gewerbe und der Wiffen-
ſchaften ebenfo wie bie Friegerifche Bildung berüdfigtigen —,
Säge, die der Zuflimmung des Königs gewiß waren. Defien
Abneigung gegen gründlicdere Neuerungen entwaffnete die Aus:
führung, die Aufgabe jei ja ſchon gelöft: man habe bereits
eine Heeresverfaflung, die nit allein Preußen und Deutfch-
land befreit habe, fondern auch alle Keime und Grundlagen
für eine zwedmäßige Erweiterung enthalte. So wurde denn
Beus, Preubiige Gefäläte. IV. 5
66 Erſtes Buch. Der Freiheitskampf und feine Enttäufgungen,
aud die allgemeine Wehrpflicht nicht ausdrücklich verkündigt,
ſondern als ſelbſtverſtändliche Borausfegung indirekt eingeflodhten.
Um die Dienftzeit im wirtſchaftlichen Intereſſe verkürzen zu
können, müfje man moöglichſt viele Dienftpflichtige zur Verfügung
haben, daneben einen Heinen Stamm alter Soldaten länger
an die Fahnen feſſeln durch Gehaltszulage, Zivilverforgung
und äußere Auszeichnung. Den viel umitrittenen Landfturm,
der auch dem König faft für ftantsgefährlich galt, ließ Boyen
vorfihtig für jegt aus bem Spiele, um ihn fpäter mit mög«
lichſter Schonung des einzelnen zwedmäßig auszubilden, denn
aud er hielt ihn für unentbehrlich.
Die Aenderungen, bie der Entwurf auf Anlaß anderer
Minifterien erfuhr, waren gering. Wirtfchaftlihen Erwägungen
entiprang bie Erftredung der Wehrpflicht im zweiten Aufgebot
bis zum 39. Jahre: man mollte die Zahl derer vermehren,
aus denen bie Einzuziehenden zu wählen waren. Dann wurde
das Recht des einjährigen Dienftes nicht bloß den Studierenden,
fondern auch denen zugeftanden, die fi den Künften, dem
Großhandel und den höheren Gewerben widmeten. So wurde
das Gejeg dem König kurz vor der Abreife nad Wien vor-
gelegt. Am 3. September volljog er es: fo weit Hatten bie
Erfolge von 1813 feine Vorurteile gegen die Volksbewaffnung
doch überwunden. Indem er geſchickt das Beftehende und Bes
währte voranftelte und unter feiner Hülle ein Prinzip eins
führte, das, ausdrücklich verkundigt, auf Widerſtand geftoßen
fein würde, brachte Boyen fein Werk in Sicherheit. Denn
nad wie vor haftete der Erhebung von 1813 in ben Augen
des Königs etwas Revolutionäre an, und nicht er allein bes
forgte, ber altpreußiſche Militärgeift Fönne in dem Geift des
Volkskrieges untergehen und die Abfehaffung der ftehenden Heere
anbahnen. Boyen dagegen bewahrte die großen Errungen-
ſchaften der fridericianiſchen Zeit und fteigerte ihre Wirk-
ſamkeit durch die Verbindung mit der neuen fittliden unb
geiftigen Entfaltung des Individuums und dem Volfsgeift.
Das Wehrgefeg vom 3. September 1814 ſchuf aber doch
nur den Rahmen für die militäriſche Organifation des künftigen
Preußen. Wie diefes geftaltet fein und was von dem deutſchen
IV. Die Enttäufhungen bed Friebend und des Wiener Kongrefid. 67
Volle es in die heilfame Zucht der allgemeinen Dienftpflicht
nehmen würde, follte erft der Wiener Kongreß beftimmen.
Belanntlich bereitete er den Patrioten arge Enttäufchung. Was
die Militärs gut gemacht, verbarben die Diplomaten. Au
die preußifchen trugen das Ihrige dazu bei. Ein übriges that
des Königs Abhängigkeit von dem Zaren. Wohl hatte diefer
Preußen zunähft auf Sachen hingewiefen (S. 25), aber doch
nur, um nicht Polen mit ihm teilen zu müflen. Dazu hatte
der Tepliger Vertrag (S. 49) über Warfchau eine gütliche
Verſtändigung der drei Mächte in Ausfiht genommen. Preußen
mußte demnach entweder durch Unterftügung feiner polnifchen
Pläne den Zaren vermögen, ihm felbft zu Sachſen zu verhelfen,
ober biefes Defterreih abgewinnen, indem es mit ihm bem
Zaren in Polen entgegentrat. Dazwiſchen galt es fofort zu
wählen. Statt deſſen verfiel die preußiſche Politit in den
alten Fehler: fie faßte zwei einander ausſchließende Ziele gleiche
zeitig ins Auge, ſchwankend, an welches fie ihre ganze Kraft
fegen folte. Und als die Verhältnifje ihre Vertreter in die
Richtung gegen Rußland drängten, griff der König perfönlich
ein und verbot ausbrüdlich die Benugung ber günftigen Um—
fände.
So ftand in Polen mit dem Schidjal Sachſens die Zu«
kunft Preußens zur Entfheibung: ſpät noch rächten fi die
Sünden ber preußiſchen Politif von 1792—95. Wie weit
für feinen Neubau Preußens früherer polnifcher Befig in Be—
trat käme, war noch unter ben preußiſchen Staatsmännern
ſelbſt ſtreitig. Boyen wuünſchte zur militäriihen Sicherung
Dfipreußens wenigftens einen Teil ber Naremlinie: dann könne
von Sachſen ein Stüd fo groß wie bie ſächſiſchen Herzog⸗
tümer jelbftändig bleiben. Auch Hardenberg und Humboldt
dachten auf Dedung gegen Rußland, dem der König blind
vertraute. Daber fuchten fie eine Verftändigung mit Defter«
reih. Denn um feiner eigenen polnifhen Unterthanen willen
konnte diefes die vom Zaren geplante Herftellung Polens in der
Geſtalt eines mit Rußland nur durch Perfonalunion verbundenen
Tonftitutionellen Staates nicht zulafien. Sie zu hindern, brauchte
& Preußens Hilfe, für die Sachſen Fein zu hoher Preis ſchien.
68 Erſtes Bud. Der Freiheitslampf und feine Enttäufhungen.
Anfang bes Jahres 1814 war Metternich bereit ihm zu bes
willigen, jobald Preußen fi gegen jene ruſſiſchen Pläne ver⸗
pflihtete. Der Zar hielt mit diefen noch zurüd. Auch in Paris
entzog er fi) jeber Erörterung, was Metternichs Mißtrauen
und feinen Wunfh nad PVerftändigung mit Preußen nur
fteigerte.
Dort hatte Ende April Hardenberg Preußens Forderungen
endlich formuliert. Feſthaltend an feinem dualiſtiſchen Syftem,
nad) bem der Norden Deutſchlands Preußens, der Süden Defter-
reichs Einfluß unterftehen follte, forderte er Pofen bis zur
Warthe mit Thorn, Weftfalen und Berg, ganz Sachſen und
die Rheinlande von Mainz bis Wefel. Aber der Bar äußerte
ſich nicht darüber, um nicht feine polnifhen Pläne zu offen-
baren. Defterreih war geneigt, Sachſen preiszugeben, wenn
Bayern Mainz befam. Die preußiichen Militärs freilich erklärten
dieſes für umentbehrlih: man hoffte es mit Hilfe Rußlands,
das Preußens in Polen beburfte, Defterreidh abzubringen. So
geriet man glei in einen bedenklichen Widerſpruch: Defterreih
follte Preußen als Preis der Hilfe gegen Rußland Sachſen
bemilligen, und dabei wollte man ihm durch Unterftügung Ruß⸗
lands in Polen Mainz abnötigen. Freili rechnete man noch
immer mit einer unbefannten Größe: auch in London ließ fi
der Zar nicht zur Erörterung der polnifchen Frage beftimmen.
Sie blieb bis zum Kongreß vertagt, wo ber Wiberftreit ber
Sonderinterefien Rußland im Trüben zu filchen erlaubte.
Inmitten rauſchender Feftlichkeiten in Wien von einem
Heinen Kreife Eingeweihter gethan, war die diplomatiſche Arbeit
an bem europätfchen Friedenswerk bald auf dem Wege, einen
neuen Krieg zu entfefleln, als Talleyrand, der Vertreter des
fih in den Kongreß eindrängenden Franfreih, mit Hilfe ber
ſãchſiſch⸗polniſchen Frage die Allianz der Großmächte fprengte,
um Preußen nit auffommen zu laſſen. Gelingen freilich
konnte ihm das nur, weil trog ihrer fonftigen Gegnerfchaft
Defterreih und das den welfiſchen Interefien dienſtbare Eng-
land in dieſem Punkte mit Frankreich zufammengingen.
Nicht bloß die Erinnerungen an die ſchweren Gefahren,
die es ihm wieberholt bereitet hatte, und die Erwägung ber
IV. Die Enttäufäungen des Friedens und des Wiener Kongrefſes. 69
firategifchen Vorteile, die fein Beſitz verhieß, ließ bie Erwerbung
Sachſens für Preußen unerläßlich erſcheinen. Durch fie hofften
die Patrioten die Entwidelung bes ihnen ala Ideal vors
ſchwebenden innerlich einheitlihen und eigenartigen National-
lebens gefidert zu fehen. Nicht der Drang nad; Vergeltung
oder gar weiterer Eroberung trieb fie: fie erhofften davon eine
Kräftigung ihres Vaterlandes, die ihm aud in Deutfhland die
leitende Stellung fiherte. Weniger die preußifche ala die deutſche
Zukunft hatten fie im Auge. Und deshalb kam, fo fehr es
Preußen gegen Rußland braudte, Deſterreichs Gegenſatz zu
Preußen bier fofort zur Geltung. Preußen von Rußland zu
trennen, dachte Metternih Sachſen zu opfern: beſchwor er da-
durch nicht vielleicht eine größere Gefahr in Deutichland felbft
herauf? Würde eines fo vergrößerten Preußen Einfluß fi
auf Norddeutſchland beſchränken lafien? Würde nit die Er-
werbung gerade dieſes Landes die Kraft bes deutſchen Weſens
in Preußen jo ſtärken, daß es eine entfpredhend größere An⸗
ziehungskraft auf das übrige Deutſchland ausübte? Die euro-
päifhen Intereſſen Deſterreichs kollidierten in ber ſäachſiſch⸗
polniſchen Frage mit ſeinen deutſchen. Aus dem Auf- und
Gegeneinanberwirken diejer Strömungen entfprangen bie Wan
belungen, welde die ſächſiſche Frage in Wien durchmachte.
Lange vor Eröffnung bes Kongrefies waren bie Diplo-
maten eifrigft thätig. Da Preußens Anrechte auf feine ehe-
maligen polnifhen Lande nur durch bie Weberlaffung Sachſens
zu befeitigen waren, erflärte fi auf wieberholten Antrag
Steins ber Zar am 28. September zu biefer bereit. Doch
ſollte Sachſen nicht Provinz werden, fondern mit Erhaltung
feiner Verfaffung als ein eigenes Königreih mit Preußen durch
Berfonalunion verbunden werben. Das jebod wollte England
(11. Oktober) nur zulafien, wenn es nicht eine Entſchädigung
Preußens bedeutete für zu gunften Rußlands in Polen gemachte
Zugeftändniffe. Dagegen wollte Talleyrand auch in Sachſen
das von ihm verfodhtene Prinzip der Legitimität anerkannt
fehen. Wenn er den Aufſchub der Eröffnung des Kongreſſes
bis zum 1. November durchfegte, damit die zu entſcheidenden
Fragen fo ausreiften, daß fie gemäß den Grundfägen des
70 Erſtes Bud. Der Freipeitäfampf und feine Enttäufhungen.
Volkerrechts, den Beftimmungen des Parifer Friedens und ben
gerechten Erwartungen der Zeitgenofien gelöft würben, fo lag
darin eine bitterböfe Kritik der ruffifch-preußifchen Beftrebungen.
Nun änderte auch Metternich feine Haltung. War Preußen
durch Sachſen nicht zu unbedingter Heeresfolge gegen Rußland
zu gewinnen, fo wählte er in ber teilweiſen Realifierung der
polnishen Pläne des Zaren von zwei Mebeln das Eleinere, um
das feiner Konfequenzen wegen größere, die Erwerbung Sachſens
durch Preußen, abzuwenden. So erlärte er zunächſt, der Ueber:
gabe Sachſens an Preußen nur zuftimmen zu können, wenn
dieſes Suddeutſchland bis zum Main famt Mainz ausdrüclich
dem Einfluſſe Deſterreichs überlafle, ſich auch nicht auf das
rechte Moſelufer ausdehne, wo er Bayern für das Oeſterreich
abzutretende Innviertel entſchädigen wollte. Zugleich aber ent⸗
widelte er die politifchen, diplomatiſchen und perjönlichen Mo-
mente, bie feinem Kaifer die Zuftimmung zur Depofiebierung
des Albertiners unmöglih machten, und flug eine Teilung
Sachſens vor. Dennoch wäre Preußen wohl durchgedrungen,
hätte e8 entfchlofien zugegriffen, indem es, wie Stein empfahl,
des Königs Bruder, Prinz Wilhelm, der Verwaltung Sachſens
vorjegte und fo eine nicht leicht rücgängig zu madende That-
ſache ſchuf, zugleich aber, wie Boyen riet, eine Truppenmadt
dorthin ſchickte, die an feinem Entſchluß keinen Zweifel Tieß,
das Land unter allen Umftänden zu behaupten. Dem aber
wiberftrebte des Königs Iegitimiftifhes Gefühl. So übernahmen
am 8. November der Staatsminifter v. d. Ned und General:
major v. Gaudi vom Fürften Repnin (S. 60) die Verwaltung
Sachſens, bei der fie vergeblih durch Milde und Schonung
die Bevölkerung zu gewinnen fuchten.
Es war gewiß fein Zufall, daß in denfelben Tagen (5. No-
vember) der Zar durch eine jener Scenen, bie er fo wirkſam
zu arrangieren verftand, dem König als altem Freund und
Waffenbruder die Zufage entriß, für feine polnifhen Pläne
einzutreten. Damit durchkreuzte Friedrich Wilhelm die Politik,
die Hardenberg in Anlehnung an England und Defterreih bis-
ber verfolgt hatte. Seinen Widerſpruch wies er ungnädig ab:
er befahl ihm, in ber polnifhen Frage binfort jede Gemein:
IV. Die Enttäufhungen bes Friedens und ded Wiener Kongreſſes. 71
ſchaft mit jenen beiden Mächten zu meiden. So wurde Preußen
duch den König perfönlih an Rußland gefeffelt, ohne durch
dieſes Sachſens wirklich verfichert zu fein. Jeder andere Staats:
mann wäre barauf zurüdgetreten, Hardenberg nahm es ruhig
bin, doch wohl nicht bloß, weil er einft ber ſterbenden Königin
Zuife verſprochen hatte, ihren Gemahl nicht zu verlaflen. Auch
Humboldts Bemühungen, die unheilvolle Entſcheidung des Königs
rüdgängig zu machen, blieben erfolglos. Das bisher ſchwankende
Defterreih ſchloß fih nun vollends Franfreih an, das die
Führung der werdenden Koalition gegen Preußen und Ruß⸗
land übernahm. Die ehemaligen Rheinbundftaaten ſekundierten
in fittlicher Entrüftung über die Gewaltpolitit jener beiden.
In Sachſen entfaltete fih die Heftigfte Agitation. Mit den
bedenklichſten Mitteln wurde gegen bie drohende preußiſche
Herrſchaft gewühlt. Der gefangene König proteftierte laut gegen
jede ihm zugedachte anderweitige Verforgung als unvereinbar
mit dem Prinzip der Legitimität. Als nun im Widerſpruch
mit feiner früheren Haltung neben Defterreih gar auch Eng-
land für bie Erhaltung Sachſens eintrat, ſchien nur die Ent-
ſcheidung duch die Waffen zu bleiben. Im preußiſchen Kriegs:
minifterium erwog man bereits den Feldzugsplan. Unter Blücher
mit Grolmann als Stabschef folte eine Armee in Sachſen,
eine zweite unter Gneifenau am Rhein gebildet werden. Gegen
Defterreih und Frankreich defenfiv, wollte man den Haupts
ſtoß gegen Bayern führen, während Gneifenau fi mit ganzer
Kraft auf Defterreich werfen zu können wünfchte. ebenfalls
plante man eine raſche und kraftvolle Offenfive, ſchon weil
Preußen einen längeren Krieg nicht zu ertragen vermöge.
Doch wurde weiter unterhandelt. Wenn aber Metternich
dabei Preußen (10. Dezember) etwa ein Fünftel von Sachſen
anbot — die Niederlaufig, den Wittenberger Kreis mit Barby
und Gommern, Querfurt und Jüterbog, Mansfeld und bie
thüringifchen Aemter mit etwa 432 000 Einwohnern —, fo war
auch das nicht ehrlich gemeint. Wußte er doch, daß eine Teis
lung in Sachſen auf den leidenſchaftlichſten Wiberftand ftoßen
würde. Er bielt den Vorſchlag daher felbft nicht für aus⸗
führbar oder tröftete fi) mit der auch anderwärts gehegten Er⸗
72 Erftes Bud. Der Freiheitötampf und feine Enttäufgungen.
wartung, das mwibermillig Geteilte werde auch leicht wieder zu=
ſammenkommen. Unter ſolchen Umftänden mußte denn auch
Preußens Verſuch zu direkter Verſtändigung mit Friedrich
Auguft erfolglos bleiben, obgleich es ihm für die Annahme
einer Entſchädigung auf dem linken Rheinufer die Verforgung
der jähfifhen Staatsdiener, die Erhaltung der katholiſchen
Smftitute und eine befondere Dotation für ben katholiſchen
Kultus in Dresden anbot. Schließlid wurde in bie Kom:
miffton ber vier Großmächte für die ſächſiſche Frage, weil es
ſich um eine europäifche Angelegenheit handele, Frankreich aus:
drüdlih aufgenommen und fo den Gegnern Preußens bie
Mehrheit gefihert. Ja, man wollte die Verbindlichkeit ihrer
Entſcheidung von der Zuftimmung des ſächſiſchen Königs ab-
hängig machen. Doc drohte Preußen dann die Verhandlungen
abzubrechen, und aud England wollte davon nichts willen.
Um aber Preußen im Notfall ihre Entſcheidung aufzuzwingen,
ſchloſſen Defterreih, Frankreich und England am 3. Januar 1815
ein Geheimbündnis, „um neuerdings fundgegebenen Ansprüchen
gegenüber Mittel der Abwehr vorzubereiten”. Der Beitritt
der ſüddeutſchen Staaten, Hannovers und der Niederlande ftand
in Ausfiht. In Wien beriet man den Feldzugsplan. Ein
öfterreichifches Heer jolte aus dem nörblihen Böhmen mit den
Bayern vereinigt in Sachſen eindringen, wo man eine Er:
hebung unter des Königs Bruder, Prinz Anton, plante, während
die Franzojen die Nheinlande und Weftfalen erobern, Han-
noveraner, Engländer und Niederländer aber bie Mark an-
greifen ſollten.
So ſchien das große europäifche Friedenswerk einen neuen
europäifcfen Krieg zu gebären. Da erklärte England, bie
Teilung Sachſens müfle jedenfalls burd die Mächte völlig un-
abhängig von dem Belieben des ſächſiſchen Königs vereinbart
werben, da nur unter dieſer Bedingung Rußland und Preußen
Talleyrand an den Verhandlungen teilnehmen laſſen wollten.
Beide Teile Ienften damit ein. Da ber Bar, nachdem bie
polnifche Angelegenheit im wefentlihen in feinem Sinn er:
lebigt war, feinen Grund mehr hatte, beſonders energiſch für
Preußen einzutreten, nahm auch diefes die Teilung im Prinzip
IV. Die Enttäufungen bed Friedens und bed Wiener Kongrefſes. 73
an, bie nun auch der ftürmifche Unmille der durch diefe Wen-
dung völlig überraſchten Sachſen nicht mehr abwenden Eonnte.
Freilich war die Abgrenzung der beiden Teile noch ſchwierig ger
nug. Einen von Metternich vorgelegten Plan (28. Januar), ber
dem König von Sachſen 271 Duabratmeilen mit 1300 000 Ein-
wohnern, Preußen 360 Duadratmeilen mit 782250 Einwoh⸗
nern zumies, lehnte Harbenberg ab, da er fait alle Stäbte mit
über 4000 Einwohnern bei Sachſen ließ. Num wurden noch
Görlig, Weißenfels und Naumburg Preußen zugeteilt, ſowie
einiges von den Hannover und ben Niederlanden zugedachten
Gebieten. Leipzig zu gewinnen aber bemühte fi jelbft der
König vergeblid. Schließlich vermittelte der Zar einen Aus—
gleih, indem er Preußen als Erſatz für Leipzig Thorn über:
ließ. So wurde endlih am 10. Februar abgeſchloſſen. Die
Mächte garantierten Preußen die Erwerbung bes abgegrenzten
Teils von Sachſen ohne Rüdfiht auf den König von Sachſen,
der fih nun, der Haft entlaflen, nad) Defterreih begab und
in Preßburg Aufenthalt nahm. Noch aber bemühten ſich die
Mächte vergeblich, ihn zu einem Vergleich zu beftimmen, als
die Nachricht (7. März) von Napoleons Rüdkehr alles in Frage
ſtellte. Auch in Sachſen flieg die Aufregung aufs höchſte.
Während der wagemutige Gneifenau, angeefelt von dem elenden
Gange der biplomatifhen Verhandlungen, alles Ernftes den
Gedanken erwog, ob Preußen fein Recht auf Sachſen jet nit
mit Hilfe des zurüdgefehrten Imperators durdfegen follte,
gründete man dort auf dieſe plöglihe Wendung Pläne, die
das preußifche Generalgouvernement zu ernten Maßnahmen
nötigten. Wider Erwarten aber blieben die Mächte einig und
entſchloſſen, das mühſam Vereinbarte auch ohne bes ſächſiſchen
Königs Zuftimmung zu vollfireden. So fügte ſich dieſer endlich
und machte am 18. Mai zu Wien mit Preußen und Rußland
feinen Frieden. Er trat 367 Duadratmeilen mit 864 400 Ein-
wohnern an Preußen ab, nämlich alles außerhalb einer von
Wieſe in der Gegend von Seibenberg an ber böhmifchen Grenze
bis zur altenburgifchen Grenze bei Lucka gezogenen Linie, den
Neuftädter Kreis und die voigtländifchen Enklaven im Reußiſchen.
Das ſchwierige Geſchäft der Auseinanberjegung im einzelnen
74 Erſtes Bud. Der Freiheitöfampf und feine Enttäuſchungen.
wurbe bejonderen Kommiſſionen vorbehalten. Bon der Armee
follten ale Gemeinen und Unteroffiziere in Zukunft dem Staate
zugehören, dem ihr Geburtsort zufiel, Offiziere, Aerzte und
Militärgeiftlihe wählen dürfen, welchem fie dienen wollten.
Als infolgebefien bei den mit Blücher in Belgien im Felde
ftehenden fähfijhen Truppen diefe Sonderung vorgenommen
werben follte, meuterten fie und bebrohten ben greifen Feld⸗
bern an Leib und Leben, wurben dann aber bejchwichtigt.
Sieben Rädelsführer wurden füfliert, die Fahnen zum Teil
verbrannt und einige Bataillone aufgelöft und ben Englänbern
zum Dienft in Oftindien übergeben — ein Zwiſchenfall, ber
natürlih auch in Sachſen auf das gehäffigfte gegen Preußen
außgebeutet wurde, während die Verantwortung dod vielmehr
diejenigen traf, die durch ihr planmäßiges Hegen die Soldaten
zum Bruch der Disziplin verleitet hatten.
Inzwiſchen hatte Friedrich Wilhelm III. am 15. Mai von
dem ihm als Großherzogtum Pofen zugefallenen Teil von
Warſchau Beſitz ergriffen, wie er fi darüber am 3. Mai mit
Rußland und Defterreich geeinigt hatte. Der Vertrag legte
ben drei Herrichern bie durch Englands Polenfreundlichkeit ver-
anlaßte vage und deutbare Verpflihtung auf, ihren polnifchen
Unterthanen in Gemäßheit der ihnen zu gewährenden Staats:
formen Inſtitutionen zu verleihen, die ihnen bie Bewahrung
ihres Volfstums ſicherten. Mit der Erledigung der polniſchen
und der fähfiihen Frage war das Haupthindernis der Rekon⸗
ftruftion Preußens befeitigt. Aber der Eigennug und bie
Großmannsſucht Hannovers, Dänemarks Bemühen, für Nor:
wegen in Deutſchland entſchädigt zu werben, und ber eng-
berzige Krämergeift der Dranier forgten dafür, daß Preußen
auch jegt mit feinem feiner berechtigten Anſprüche völlig durch»
drang. Auch bier bewirkte erft die Notwendigfeit, angefichts
des neuen Krieges die Einigkeit zu fihern, den endlichen Abs
ſchluß, der Preußen namentlih Hannover gegenüber ſchwere
und von dem König perfönlich ſchmerzlichſt empfundene Opfer
auferlegte. Erſt am 29. Mai wurde der Vertrag mit Hannover
unterzeichnet, nach dem Preußen den zu ber Auseinanderfegung
mit Dänemark nötigen hannöverſchen Teil von Lauenburg und
IV. Die Enttäufhungen des Friedens und bes Wiener Kongrefſes. 75
einige Aemter nebft zwei Militärftraßen durch Hannover erwarb
gegen das Bistum Hildesheim, Goslar, Oftfriesland und einen
Teil von Lingen und Münfter. Am 4. Juni cedierte Dänemark
gegen das Herzogtum Lauenburg und 2 Millionen Preußen
feine Rechte auf das ihm als Erfag für Norwegen verheißene
Schwediſch⸗ Pommern. Am 7. verzichtete Schweden gegen
3Y Millionen auf feine pommerfhen Befigungen. Bon dem
dur die Hertrümmerung ber franzöfifchen Herrſchaft freis
gewordenen weſtdeutſchen Landen aber erhielt Preußen durch
die Wiener Schlußafte vom 9. Juni den größten Teil feiner
alten linkselbifhen Lande, dann Weftfalen nebft der Haupt:
mafje des ehemaligen Kurfürftentums Köln, die nafjauifchen
Fürftentümer Diez, Siegen, Hadamar und Dillenburg, Fulda
und Weplar und etliche Trierer Stüde zwiſchen Mofel und
Maas.
Sich diefes Ausganges der Wiener Verhandlungen zu
freuen, hatte Preußen wahrlich nit Grund. Nirgends, weder
am Rhein, noch in Polen, noch in Sachſen, war es mit feinen
berechtigten Forderungen durchgedrungen. Den Beſitzſtand von
1805 hatte es nicht erreicht. An Einwohnern hatte es zwar
eine halbe Million mehr als damals, an Flächeninhalt aber
noch immer 600 Duadratmeilen weniger. Seine territoriale
Geftaltung war um nichts gebeflert. Noch zerfiel es in zwei
völlig voneinander getrennte Gebietsfomplere, die es in jedem
Kriege, namentlich bei jedem innerdeutſchen Konflikt, vor bie
Eriftenzfrage ftellten. Denn mitten inne lagen Staaten, die
nur in ausgeſprochener Gegnerfchaft zu ihm eine Zukunft hatten,
das vergrößerte Hannover, doppelt gefährlih als Anhängjel
der engliſchen Großmadt und Stützpunkt ihres Strebens nad
Hinberung der merfantilen und maritimen Entwidelung
Preußens und Deutihlands, und das auf die Mleinere, aber
reichere Hälfte feines Umfangs reduzierte Sachſen, wo alles
in dem Gedanken an Vergeltung des angeblich erlittenen Un-
rechts lebte und den baldigen Zerfall bes kunſtlichen preu=
Bifhen Staatengebildes erhoffte. Und wo hätte man nicht ähn⸗
liche Wünfche gehegt! So unbefriedigend Preußens Erfolge
fein mochten: fie waren zu groß, um nit Neid, zu Hein, um
76 Crftes Bud. Der Freiheitstampf und feine Enttäuſchungen.
mit dem Glauben an feine Zukunft Furt vor ihm und den
guten Willen, mit ihm Frieden und Freundſchaft zu halten,
zu erzeugen. Alles hing davon ab, wie Preußen die Fülle ber
Aufgaben Töfte, die ihm nun geftelt waren mit der Pflicht,
dieſe zunächſt rechter Lebensgemeinſchaft entbehrende Länder-
maſſe zu innerer Einheit zu erheben und zum Staate zu ent-
wideln. Dabei war es ausſchließlich auf fich felbft angemwiefen.
Ningsum Hatte es nur Kinderung und Anfeindung zu ges
wärtigen, vor allem da, wo es jeinen beiten Rüdhalt hätte
finden müſſen — in Deutfchland felbft.
Den Tag vor der Wiener Schlußalte, am 8. Juni, war
die Akte unterzeichnet, die entiprehend dem zu Reichenbach,
Langres und Chaumont für die künftige Geftaltung Deutich-
lands aufgeftellten föberativen Prinzip die fouveränen deutſchen
Staaten zu dem Deutichen Bunde Eonftituierte. Trotz des
Scheins nationaler Einigung war dieſer locker gefügte Staaten=
bund vielmehr förmlich darauf angelegt, die Einigung zu hin»
dern, das Auffteigen Preußens zur Hegemonie auch nur in
Norddeutſchland unmöglih zu machen, ben Mittelftaaten bie
Befriedigung ihrer Selbſtſucht auf Koſten der Gefamtwohlfahrt
zu ermöglichen, das damit über bie Nation verhängte Elend
der Rleinftaaterei zu verewigen und fo Deutſchland Oeſterreich
bienftbar zu machen, um deſſen europäifche Machtſtellung zu er-
weitern und zu befeftigen. Es war ein Stüd verfehrter Welt,
wenn in dem Bunbestage unter Oeſterreichs Vorfig dieſes famt
Preußen, den vier anderen Königreichen und Baden, das heißt
fünf Sechsteile des deutſchen Volles, im ganzen über nur
27 Stimmen verfügten, während die 32 Kleinftaaten, das ſechſte
Sechsteil, deren 42 hatten, obenein aber Einftimmigfeit er
fordert wurde zu allen Beihlüffen über bie Grundgejege und
die organiſchen Einrihtungen des Bundes, die Rechte feiner
einzelnen Glieder und Religionsangelegenheiten. Und dieſe
Beftimmungen wurden für Preußen dadurch nicht weniger hin⸗
derlih und demütigend, daß Humboldt wenigftens die Bufage
durchſetzte, es folle nichts ohne vorherige Verftändigung zwifchen
Preußen und Defterreih an den Bundestag gebracht werben.
Sie mußte doch verfagen, ſobald es die Entſcheidung des prin-
IV. Die Enttäufgungen bes Friedens und des Wiener Kongreſſes. 77
zipiellen Gegenfages galt, in dem Defterreih und Preußen in
betreff der deutſchen Zukunft zu einander ftanden.
Und biefes Machwerk wurbe dem beutfchen Wolfe und
Preußen in den Tagen auferlegt, wo wieber die preußifchen
Waffen in ſchöner Gemeinſchaft mit den englifhen den als
Störer des Weltfriedens und Feind ber Menſchheit geächteten
Napoleon endgültig nieberwarfen und fo von neuem zeigten,
wer Deutſchland nad außen zu vertreten befähigt und daher
auch berechtigt ſei. Am 16. von Napoleon bei Ligny gefchlagen,
rettete Blücher mit einer aufopfernden Treue, bie ſich leuchtend
abhob gegen bie Preußen von allen Seiten bewieſene Untreue,
den im Glauben an ihn ausbarrenden Wellington und ver-
wandelte bie ihm drohende Niederlage in den herrlichſten Sieg.
Der Tag von Belles-Alliance (18. Juni) enthielt die ver-
nichtendfte Kritif des deutſchen Verfaſſungswerkes. Was Preußen,
wenn es nicht von feinen Verbündeten gehindert wurde, auch
militäriſch zu leiften vermochte, bewies die Ausnugung bes
Sieges durch Gneifenau. Bereit? am 3. Juli ergab fi Paris.
Zum zweitenmal zog Friedrich Wilhelm mit feinen Verbündeten
als Sieger dort ein. Aber der zweite Parifer Friede (20. No—
vember 1815) machte die Fehler des erften nicht gut, wenn
auch Frankreih nun auf die Grenzen von 1790 beſchränkt
wurde, die Kunſtſchätze zurüdgeben und eine Kontribution von
700 Millionen zahlen mußte, bis zu deren Grlegung
150000 Mann der Verbündeten in feinen öftlihen Provinzen
blieben. Indem es von ben nun zurüdgenommenen Gebieten
Saarlouis und Saarbrüden erhielt, wurde Preußen als Grenz
büter Deutſchlands im Weften anerkannt.
Zweiles Bud).
Der Bau des Einheitsſtaates trotz
Reflaurafion und Reakfim
1815—1834.
I. Per Sieg der Meakfion. 1815—1819.
Scmerzlihere Enttäuſchungen, als fie in Paris und Wien
betroffen hatten, bereitete den Patrioten die Entwidelung
Preußens ſelbſt. Sie beherrfchte der Widerſpruch, an dem ber
Freiheitskampf gefrankt hatte. Nur gezwungen war Friedrich
Wilhelm II. feinem Volke in diefen gefolgt: jetzt hieß es, er
jei ihm vorangegangen, habe es zur Erhebung begeiftert und
mit fi fortgerifien. Er, dem nad Stägemann „beutiche
Sprade und Dichtung fremde Götter waren wie die Heiligen
ber katholiſchen Kirche“, wurde von einer pfeubopatriotif—hen
Geſchichtſchreibung zum Träger gemadt der ideal nationalen
Momente, die troß ihm eben Preußens Geſchicke rettend bes
ſtimmt hatten. Dem lag politifhe Abficht zu Grunde.
Das abfolute Königtum hatte 1806 aud in Preußen
Bankerott gemacht, 1812 fi ſelbſt aufgegeben: jegt ſollte 1813
fein Werk gemefen fein. Darin fanden ſich die Verehrer bes
Abfolutismus und die Gegner der Reformen zufammen mit all
denen, die zunächft Ruhe wünſchten. Und noch erfüllte weite
Kreife des Bürgertums jener Duietismus, der bed Königs poli«
tifches Prinzip ausmachte. Nach fo viel Anftrengung und Auf:
regung wollte man den Frieden genießen. Für die Entwürfe
der Patrioten, die dem Volke einen Anteil am Staate, wie
es ihn 1813 fi genommen hatte, als Recht fihern wollten,
I. Der Sieg ber Reaktion. 79
hatte man wohl theoretiihe Sympathien, fand aber für bie
politifhe Praris den alten halbpatriarchaliſchen Zuſtand be—
quemer. Den weiter Strebenben blieb nur bumpfe Refignation.
So konnte es geſchehen, daß das aus ber Erhebung er-
wachſene Volksheer, das Deutſchland befreit Hatte, als Sig
tevolutionärer Beftrebungen verſchrieen wurde. Für ihren Träger
galt namentlich Gneifenau, dem man fogar Staatsftreichgelüfte
andichtete. Als „Wallenfteins Lager“ verbädtigte man ben
glänzenden, lebensfrohen militärifhen Haushalt, den er feit
Ende 1815 als fommanbierender General in Koblenz führte.
Bei dem Zaren wühlte man gegen bie „Sekte“ der preußifchen
Militärs, die mit der allgemeinen Wehrpfliht den Aufruhr
organifiert haben follte. In Wien, Petersburg und London
beforgte man, Preußen durch fein Heer in eine Revolution
geftürzt zu fehen. Der Mangel an jeber Autorität trieb es
nad) Wellington einer folhen entgegen, und der Zar war darauf
gefaßt, dem König demnächſt zu Hilfe eilen zu müffen. Ganz
richtig aber erkannten bie Reaktionäre in Gneifenau ihren
genialften Gegner. Wie Scharnhorft begriff er Heer, Volk und
Staat als eine lebendige Einheit und wollte hier wie dort
aud die Konſequenzen aus ber allgemeinen Wehrpflicht gezogen
fehen. Dem Volksheer ſollte ber hohe Stand der Volkabildung
und die Teilnahme bes Volkes am Staate geiftig und politiſch
den rechten Inhalt geben. Denn um fi inmitten feiner Nach⸗
barn aufrecht zu erhalten, bebürfe Preußen bes dreifachen
Primates der Waffen, der Wiſſenſchaft und ber Verfafjung.
So ftießen glei nad dem Frieden die Gegenfäge wieber
heftig zufammen, die im Frühjahr 1813 miteinander gerungen
Hatten. Profeſſor Schmalz (geb. 1760, geft. 1831), der in
Göttingen, Königsberg und Halle gelehrt hatte und ber erfte
Rektor der Berliner Univerfität gewejen war, behauptete in
einer Flugſchrift, die er, angeblih um eine irrige biographiſche
Notiz über ihn zu berichtigen, 1815 veröffentlichte, ohne jeden
Beweis das Beſtehen angeblih vom Tugendbund (Bd. ILL,
©. 418) herſtammender geheimer Verbindungen in Preußen und
verftieg fi im Fortgange der darüber entbrannten litterariſchen
Fehde zu ber unerhörten Beſchuldigung, die fi mit ihrer
80 Zweites Bud. Der Bau bes Einheitsftaates.
„Teutſchheit“ brüftenden Geheimbündler ſeien ſchlimmer als bie
Jakobiner, denn fie wollten „durch Krieg ber Teutſchen gegen
Teutſche Eintraht in Teutſchland bringen und dur Mord,
Plünderung und Nothzucht altdeutſche Redlichkeit und Zucht
vermehren” — was er aus einem altertümelnd biblifch gefärbten
Ausdrud herausbeutete, den E. M. Arndt in dem „Katechismus
für den beutfehen Landwehrmann” (1814—15) gebraucht hatte.
Daß die Erhebung von 1813 der Begeifterung des Volles ent:
fprungen ſei, ſchalt er eine revolutionäre Fälſchung: das Volt
habe nur feine Unterthanenpflicht erfüllt, wie jeder gute Bürger
bei Feuerlärm zum Löfchen eile. Dieſe Verunglimpfungen
wiejen die Patrioten eifrig zurüd. Der Kampf in ber Prefie
erzeugte jo ftürmifche Erregung, daß der König am 6. Januar 1816
feine Fortfegung verbot. Vergeblich hatten von ben fo ſchwer
verleumbeten Patrioten Männer wie Stägemann, Niebubr,
Süvern, Nicolovius, Schleiermacher, Marheinede, v. Savigny,
Rüde, I. Bekker und andere in einer Immebiateingabe vom
15. Dezember 1815 eine Unterfuhung erbeten, bamit der von
Schmalz und anderen Schriftftellern verbreitete Wahn wider-
legt und ihre Ehre gereinigt werde. Eine folde, wurben fie
beſchieden, fei weder nötig noch rätlih, da die meiften von
ihnen ja gar nicht beſchuldigt feien, zubem jeber ben Der:
leumber verklagen könne, eine Unterfuchung aber den Parteie
geift nur fleigern werde. Am fiherften werde die Beruhigung
aller wohlgefinnten Bürger das Verbot weiteren Streites be:
wirfen.
Wie hatte fi alles gewandelt! Eben die Männer, bie
Preußens Rettung ermöglicht hatten, ſahen ſich nichtswürdig
verleumbdet und vom König ftatt gefchügt zur Ruhe verwiefen.
Rechte Gemeinfhaft hatte er nie mit ihmen gehabt: nur bie
dringende Gefahr hatte ihn vermocht, ſich ihnen zu verbünden.
Als fie ſchwand, entzog er ſich ihnen wieder und ſchloß ſich
um fo eifriger ihren Gegnern an. Seine böfifhe Umgebung
gewann wieber Einfluß, indem fie feinen nie ganz beſchwich⸗
tigten Verdacht gegen die revolutionären Beftrebungen ber
Patrioten nährte. Bon biefer Seite erhielt bie praftifch völlig
wertlofe Heilige Allianz, zu ber unter dem Einfluß ber eitel
I. Der Sieg ber Reaftion. 81
frommen Frau v. Krüdener der Zar ſeine Verbündeten am
26. September 1815 gewonnen hatte, für Preußen einen In—
halt, der zwar dem in ber Aufllärung bes 18. Jahrhunderts
wurzelnden Denken bes Königs fremb war, aber feinem mon-
archiſchen Selbfigefühl ſchmeichelte. Beruhte doch diefer Drei-
bund, der nach innen und außen die Vorſchriften der Religion
des Heilandes, der Gerechtigkeit, Liebe und Friedfertigkeit zur
Richtſchnur nehmen wollte, in der Ueberzeugung von der Gott⸗
loſigkeit der Revolution und ſchlug daher auch in dem Könige
eine verwandte Saite an. Das Jahr 1813 Hatte feine Ab⸗
neigung gegen bie felbfithätige Teilnahme des Volkes am
Staate nicht überwunden: er mißtraute ber Volkskraft, die jo
leicht zu entfeffeln und fo ſchwer wieder zu bändigen war.
Ihre ſpontane Erhebung hatte ihn in dem von Metternich an⸗
geregten Glauben an das Vorhandenfein geheimer Geſellſchaften
(S. 41) beftärkt: er fühlte ſich verpflichtet, ſolchem Treiben
mit unnachſichtiger Strenge entgegenzutreten. Auch traf diefe
Steigerung feines autofratifchen Selbftgefühls mit einer Reaktion
zufammen, bie fi in der ſtaatsrechtlichen Litteratur gegen bie
fo lange herrſchende revolutionäre Doktrin erhob und zufehends
erſtarkte. Was er fi in feiner nüchternen Art als Recht und
Pflicht des Herrſchers zurechtlegte, das entwidelte feit 1816
8.2. v. Haller (geb. 1768, geft. 1854), ein Enkel jenes Albrecht
dv. Haller, dem fein Chriftentum verboten hatte, als Akademiker
in Friedrichs II. Dienfte zu treten (Bd. I, ©. 58), in feiner
„Reftauration des Staatsrehtes“, indem er bie Lehre vom
Urfprung bes Staates aus einem Vertrag als Chimäre ver-
warf und ihn auf das Naturgejeg zurüdführte, das ben Stärs
teren zum Herrihen und ben Unmächtigen zum Dienen be—
fimmt habe. Haller entwidelte fyfematifh, was dem König
als felbfiverftändlich galt, und ließ den Widerftand der Höf-
linge gegen bie Neuerungsluft der Patrioten als ein Eintreten
für die von Gott gefegte Ordnung erſcheinen.
In bitterem Spott erging fi Stein über bie „Inſekten
und Pygmäen“, die wieber Iuftig trieben und grünten. Denn
in ber Umgebung des Königs war niemand bem erſtarkenden
reaktionären Einfluß gewachſen. Der treffliche Joh. v. Witz⸗
Brug, Preußiige Geihiäte. IV. 6
82 Zweite Bud. Der Bau bes Einheitäftantes.
leben (geb. 1783, geft. 1837), ber Leiter des Militärkabinetts
und Generalabjutant, ein Mann von feltenen Gaben bes
Geiftes und des Herzens, äußerte zwar feinem königlichen
Freunde gegenüber freimütig auch feine politiſchen Anſichten,
konnte und wollte aber body eigentlich politiſchen Einfluß nicht
ausüben, wenn er auch bie SteinsHarbenbergifhen Reformen
und bie neue Heeresverfaſſung gegen die höfiſche Minierarbeit
fügte und vor allem die Einflüfterungen befämpfte, die den
König gegen fein Volt einnehmen und an befien Treue irre
machen folten. Nur hatte er dabei außer Boyen feinen zu-
verläffigen Verbündeten, mochte auch feine mafellofe Perfönlich-
keit Neibern und Gegnern feine Blöße bieten.
Das war leider nur allzu fehr der Fall bei dem Manne,
der nad) innen und außen die Staatsautorität vornehmlich zu
vertreten berufen war. Harbenbergs Verhältnis zum König war
ſeit dem Wiener Kongreß erfaltet. Daß er ſelbſt deſſen Politik
durchkreuzt hatte (S. 70), ließ ber König dabei völlig außer
acht. Auch war ber num fünfundfechzigjährige Hardenberg troß
aller Unermüdlichkeit und Vielgewandtheit, Lebhaftigkeit und
geiftigen Friſche doch in der Arbeit nicht mehr pünktlich genug,
um bei ber Konzentration aller Staatsangelegenheiten in feiner
Hand Verfchleppungen und Reibungen, Eingriffe von oben und
Mebergriffe von unten zu hindern. Denn außer ihm hatte nur
Boyen bei dem König unmittelbar regelmäßig Vortrag, alle
übrigen Minifter waren, obgleid für ihr Reſſort verantwort⸗
lich, auf ihn als Vermittler angewiefen. Trotz ihrer äußer-
lien Konzentration fehlte es ber Regierung daher an Eins
heitlichkeit bes Entſchluſſes und des Handelns. Dann forderten
Hardenbergs anſtößige Privatverhältnifie die Kritik heraus und
lieferten ſeinen politiſchen Gegnern, auch den außerpreußiſchen,
Waffen gegen ihn ſowohl wie gegen die von ihm vertretene
liberale Richtung. Denn an ihr hielt er feſt und verband ſich
dadurch die Patrioten, ſo oft auch ſie mit ihm unzufrieden
waren. Schön nennt ihn deshalb den Chef des Departements
des guten Geiftee. Darin waren alle einig, daß die reichs—
ſtändiſche Verfaffung nur von ihm durchgeſetzt werben könne.
Denn was fie gemeinfam durchlebt hatten, gab ihm beim Könige
I. Der Sieg der Reaktion. 83
trog aller Entfremdung noch immer eine unvergleichlihe
Autorität.
Von den Miniftern war der bes Innern, Schudmann, zwar
tüchtig in feinem Reſſort, aber ein Gegner weiterer Reformen.
Ihren ſchlimmſten Widerſacher jedoch hatten biefe in dem Polizeis
minifter Fürften Wittgenftein. Ein glatter Höfling von ſchein⸗
barer Zurüdhaltung, war er ein Verehrer und Bertrauensmann
und ſchließlich der Agent Metternihs am Berliner Hof. Er
machte fih dem König unentbehrlih als „Spudnapf feiner
üblen Laune” und flößte ihm auf Grund ber Berichte feiner
Geheimagenten Mißtrauen gegen fein Boll ein. Der Finanz⸗
minifter v. Bülow, Harbenbergs Vetter, und ber Juftizminifter
Kircheiſen beſchränkten ſich auf ihre Reſſorts. Doch ftieß erfterer,
als ehmaliger weftfälifcher Beamter ohnehin unbeliebt, durch
bureaukratiſche Rückſichtsloſigkeit an. Außerhalb bes Minis
Reriums zählte zu Boyens und Hardenbergs Gegnern der ſchön⸗
tebnerifhe und füßlih kraftloſe Ancillon, den die Königin
Zuife in - einer unglüdlihen Stunde zum Erzieher bes Kron⸗
prinzen berufen hatte: er blieb der zweibeutigen Rolle treu,
die er 1813 gefpielt hatte, während des Königs Schwager,
Luiſens Bruder, der flattlihe und ſchöne Herzog Karl von
Medlenburg, als anerkanntes Haupt der Hofgefelihaft offen
teaftionäre Tendenzen verfolgte und namentlid die Scharnhorfts
Boyenſche Heeresorganifation befämpfte. Geflifientlih nährte
er ben Gegenfag zwiſchen Garde und Linie und erbitterte bas
durch ſelbſt Offizierskreiſe. Schon zeigten fi in ber Armee
Nüdfälle in die alte Willkur und Tyrannei, indem die Dffis
ziere die Mannſchaften wieder als Ganaille behandelten und
beſchimpften.
Durfte die patriotiſche Oppoſition demgegenüber auf einen
Erfolg hoffen? Auch der Zuverfihtlichfte verzagte daran, als
in ben erften Tagen bes Jahres 1816 der von Görres rebigierte
„Rheinische Merkur“ verboten wurbe. Ohne eigentliches Parteis
programm hatte er unter Mitwirfung ber beften Männer voll
Begeifterung, wenn auch gelegentlich in ſcharfen Worten, den
deutfchnationalen Gedanken vertreten. Eine freimütige Kritik
der Regierung war alſo nicht mehr erlaubt: die Reaftionäre
84 Zweite Buch. Der Bau bes Einheitäftantes.
aber durften fehreiben, was fie wollten. Ihren Verleumdungen
ein Ende zu machen, forderte Gneifenau im Frühjahr 1816
den Abſchied. Zunächſt erhielt er nur längeren Urlaub. Vier
Wochen fpäter gab man ihm ohne weiteres einen Nachfolger.
Es ſcheint dem König eingerebet zu fein, er fei zum Führer
des von der Armee geplanten Pronunciamentos beftimmt.
Sein Rüdtritt war auch infofern ein Verluft, als feine ebenſo
glänzende wie gewinnende Perſönlichkeit bei den Rheinländern
für Preußen wirkſam Propaganda gemacht hatte. Auch der
allgemein beliebte Oberpräfident Sad wurde nad) Stettin ver
fegt, weil er das Mißfallen des rheinifchen Adels erregt hatte.
Zuftus Gruner (geb. 1777, geft. 1820) aber, der einft in
Berlin das franzöfifde Spionagefyftem durch die von ihm er-
richtete geheime Polizei bekämpft, fi 1812 nad Oeſterreich
gewandt und dort fein patriotifches Streben mit redhtlofer Haft
in Peterwarbein gebüßt, dann aber ala Gouverneur von Berg
ſich durch feinen Feuereifer für den neuen Kampf gegen Frank⸗
reich hervorgethan und dabei die Einheit Deutſchlands unter
Preußen gefordert Hatte, wurde zwar in ben Staatsdienſt
wieber aufgenommen, jebod als Gefandter in Bern beifeite
geſchoben.
Schöpferiſch zu wirken war eine ſolche Regierung unfähig.
Bon entſchloſſener Wiederaufnahme der Reformen war nicht
die Rede. Vielmehr legte man Hand an eine Rüdwärtsrevis
dierung der neuen Ordnung, namentlich im Gebiet bes Agrar⸗
weſens. Schon die Beftimmungen ber interimiftiihen National»
vertretung (Bd. II, S. 489) von 1811 über bie Ablöfung ber
bäuerlichen Dienfte hatten einfeitig die Gutsherren begünftigt,
waren aber trogdem als für diefe nadjteilig im September 1815
außer Wirkſamkeit gefegt worden. Nun erging am 29. Mai
1816 eine Deklaration des Ediktes von 1811, die das Recht
auf Regulierung des Eigentumsrechts den Grundherren gegen-
über bloß den fpannfähigen Bauern ließ, die einen dagegen
als angefiebeltes Gefinde behandelte. Für biefe wurde die Be—
freiung damit überhaupt illuforifh, da die Grundherren nun
die Möglichkeit hatten, ihr Obereigentum allmählich zu Eigen-
tum zu erweitern und die Bauern abhängig zu machen. Piel:
I. Der Sieg ber Reattion. 85
fah wurde altbäuerlicher Beſitz als ehemaliges Gutsland be=
handelt, das der Gutsherr wieder einzuziehen berechtigt jein
folte. Die Verarmung vieler Bauern infolge bes Krieges er-
leichterte dies Verfahren, das manchen urſprünglich freien Klein-
bauern um fein Eigentum bradte und mit Weib und Kind
ins Elend trieb.
Zu um fo höherer Ehre gereicht es dem preußiſchen Be:
amtentum, baß es troß allebem die große organiſatoriſche Auf⸗
gabe, vor die es der Friebe ftellte, in einer Weife löfte, die
den Stillftand ber nächſten Jahre jo gut wie die Stürme der
fpäteren beftand. Seine neuen Erwerbungen brachten Preußen
von 5 auf 10% Millionen Einwohner. Sie beftanden aus über
hundert verſchiedenen Territorien mit entjprechend verſchiedenen
Rehtsverhältnifien und Verwaltungen: bie endgültige Aus:
einanderjegung mit ben bisherigen Herren erforderte ein Jahr-
zehnt mühjeliger Arbeit. Doc ftelte ſchon am 30. April 1815
ein Erlaß die Grundzüge der künftigen Orbnung feſt. Er
teilte das gefamte Staatögebiet in 10 Provinzen und 28 Regie⸗
rungsbezirke. Erſtere wurden jpäter durch Bufammenlegung
Julich⸗Kleve⸗Bergs mit Niederrhein und Weftpreußens mit Oft-
preußen auf acht reduziert. Sie ftanden unter Oberpräfidenten,
die bereits Stein in Ausfiht genommen (Bd. II, ©. 449),
Hardenberg aber feiner Neigung für das Präfektenfyitem ge-
opfert hatte. Die Inftruftion vom 23. Oftober 1817 gab ihnen
freien Spielraum zu felbftändiger ſegensreicher Thätigfeit: nicht
auf tote Berichterſtattung Bin, fondern auf Grund eigener
Anſchauung und örtlier Unterfuhung follten fie die obere
Leitung der gefamten Provinzialverwaltung führen. Bei ber
Abgrenzung der Provinzen nahm man möglicft Rüdficht auf
die alten Biftorif en und landſchaftlichen Verbände und machte
ihnen zuliebe dem Partikularismus gelegentlich große Zugeftänd-
niſſe: er follte mit ben Intereffen bes Staatsganzen durch bie
geplante Nationalrepräfentation ins Gleichgewicht gebracht
werben.
Bis dahin fand der Staat das bie verſchiedenen Intereſſen
zu verföhnen beftimmte Zentralorgan in dem am 20. März 1817
ins Leben gerufenen Staatsrat. In ihm ſaßen bie Prinzen,
86 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates.
die Minifter und die Chefs ber anderen jelbftändigen Zentral⸗
behörden, die Feldmarſchälle und die fommandierenden Generale,
ſowie bie Oberpräfidenten und endlich 34 durch das Vertrauen
bes Königs berufene Männer aus allen Zweigen bes öffent lichen
Dienftes, die Elite des Beamtentums in Staat, Heer und
Kirche, die eine Fülle von Erfahrung, Kenntnis und Snitiative
in fich vereinigte und eine moralifhe Autorität darftellte, wie
fie faum je einer monarchiſchen Regierung zur Seite geftanden
bat. Diefe beeinträchtigte freilich einigermaßen bie Nichtöffent-
lichkeit der Verhandlungen. Sie betrafen alle Geſetze, bie
Formulierung allgemeiner Verwaltungsgrundfäge, die Ent:
ſcheidung von Streitigkeiten zwifhen den Minifterien und die
Abfegung von Beamten. Auch Beſchwerden ber Unterthanen
ſollten vor den Staatsrat gebradit werden. Was bereits Stein
durch eine ſolche Körperjchaft hatte erreihen wollen (3b. II,
©. 433), konnte diefe vollauf leiften. Ihre Aufgabe faßte
Hardenberg in ber Rebe, mit ber er ihre Sigungen am
30. März 1817 eröffnete, dahin zufammen: fie folle „das Be—
ftandene in bie gegenwärtigen Verhältniffe des Staates, in bie
Bildung bes Volkes und die Forderungen ber Zeit verftändig
einfügen. Denn ber preußiſche Staat folle ber Welt zeigen,
daß wahre Freiheit und gejeglihe Orbnung, Gleichheit vor dem
Geſetz und perfönliche Sicherheit, Wohlftand des Einzelnen und
des Ganzen, Wiſſenſchaft und Kunft, daß enblih, wenn es
unvermeiblid if, Tapferkeit und Ausdauer zum Kampfe für
das Vaterland am beften und fiherften gedeihen unter einem
gerechten Monarchen“ — was freilich beinahe Hang, als wolle
er fi von dem Verdachte republikaniſcher Reigungen reinigen!
Diefe höhere Beftimmung freilid erfüllte ber Staatsrat
fo wenig, wie er die nächſte und bringenbfte Aufgabe Töfte,
bie Orbnung ber Finanzen. Gerabe babei gerieten bie in ber
Regierung vorhandenen Gegenfäge zuerft heftig aneinander,
offenbarten bie an leitender Stelle herrſchende Zerfahrenheit
und veranlaßten neue ſchädliche Reibungen. Die vom König
befohlene Prüfung der Finanzen durch Bülow (S. 83) hatte
ein traurige Ergebnis. Obgleich die Koften bes Krieges noch
lange nicht aufgerechnet waren, wies fie eine Staatsſchuld von
I. Der Sieg ber Realtion. 87
über 200 Millionen Thalern nad und den völligen Verfall bes
Staatskredits. Die Höhe des jährlichen Fehlbetrages war noch
gar nicht zu ermitteln. Deshalb wurde Bülom fhon in ber
vorberatenden Kommiſſion des Staatsrates heftig angegriffen,
namentlih durch Humboldt, der damals Gefandter in London
war. Wenn er die Schuld auf Boyen ſchieben wollte, deſſen
Heeresorganifation fo viel koſte, fo wurde er zwar von dieſem
widerlegt durch den Nachweis, daß Preußen noch nie ein jo
ftarfes und dabei jo wohlfeiles Heer befefien habe, leiftete aber
doch der Militärpartei unter Karl von Medienburg Vorſchub
in ihrem Streben nad} Herftellung ber fridericianiſchen Heeres-
verfaffung. Jedenfalls war eine Entlaftung bes Volles unter
ſolchen Umftänden nicht möglich. Als aber Bülow neue Ein-
nahmen aus indireften Steuern ziehen wollte, ftieß er auf
Widerftand, und nad) lebhaften Debatten beantragte der Staats:
rat (20. Juni) beim König die Verwerfung feines Steuer-
planes, empfahl aber zugleich die Neuordnung bes geſamten
Steuerwejens, namentlich die gleihmäßigere Verteilung ber in
den einzelnen Provinzen fehr verſchiedenen Grumdfteuer. Da-
gegen fand Bülows Entwurf zur Reform des Zollweſens Bei:
fall. Doch wurde erfterer auf Befehl des Königs noch in allen
Provinzen Notabelnverfammlungen zur Begutachtung vorgelegt :
fie lehnten ihn ebenfalls ab und empfahlen in der Mehrzahl
bie Einführung einer abgeftuften Perfonenfteuer, bie denn au
vorbereitet wurde und nachmals als Klafienfteuer ins Leben trat.
So große Gegenfäge dieſe Verhandlungen in ber Regie-
zung offenbart hatten: Hardenberg konnte, weſentlich aus per»
fönlihen Rüdfihten, zu gründlichen Aenderungen ſich nicht ent-
fliegen. Humboldt, der Führer der Oppofition, lehnte den
Eintritt in das Minifterium ab. Wie in Ungnade kehrte er
auf feinen Poften nad London zurüd. Erſt gegen Ende bes
Jahres wurde Blow auf das von ihm mit Geſchick und Glüd
vertretene Gebiet des Handels beſchränkt. Die Finanzen über:
nahm Klewiz, ein tüchtiger Fachmann und befonnener Reform-
freund, nachdem Hardenberg noch eine Generallontrolle zur
Prüfung aller Staatsausgaben und ein Schagminifterium für
den Schat, die Schuld und bie außerordentlihen Ausgaben
88 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsftaates.
abgezweigt hatte, die er felbft übernahm. Bon dem Innern
mußte Schudmann die geiftlihen und Unterrichtsangelegen⸗
heiten, die er arg vernadhläffigt hatte, an den trefflichen Alten-
ftein abgeben, der im Sinn der Patrioten für Preußen ben
Primat der Wiſſenſchaft erftrebte. Aehnlich wurde das Juftiz-
minifterium geteilt, indem Kircheiſen die Revifion der Geſetze
und die Yuftigorganifation der neuen Provinzen, fo verdient
er fih um fie gemacht hatte, dem Kanzler Beyme überließ,
ber troß feiner Belehrung zum Liberalismus nach wie vor das
Vertrauen bes Königs beſaß. Nur die Stellung Boyens und
Wittgenfteins blieb unverändert.
Gebefjert war damit nichts. Vielmehr erſchwerte die Ver-
mehrung ber Köpfe im Minifterium dem Staatsfanzler bie
Meberfiht der Geſchäfte und die Geltendmahung feines aus:
gleihenden Einfluffes erft recht, vervielfältigte dagegen und
verf&ärfte die vorhandenen Reibungen. Denn die Entſcheidung
der prinzipiellen Frage hatte der Minifterwechjel nicht gebracht,
von der die Zukunft Preußens abhing, je nachdem fie von ben
Patrioten oder den Vertretern ber Reaktion in Heerweſen und
Verwaltung beftimmt wurde. Auf die Dauer freilih war das
Zufammenwirken eines Hardenberg und Boyen mit einem
Schudmann und Wittgenftein unmöglid. Der in ihnen ver-
körperte politifhe Gegenfag konnte höchſtens Gebiete unbeein-
flußt laflen, wo es fi um ber politifchen Kontroverſe entrüdte
rein techniſche und wirtſchaftliche Probleme handelte. Auch
nahm Preußen wirklich während ber nächſten Jahre in unfchein-
barer Arbeit eine folgenreihe Neugeftaltung der wirtſchaftlichen
Grundlagen feines Dafeins vor, obgleich ein jäher politischer
Umſchlag der Reaktion im Innern wie nad außen zur Herr⸗
ſchaft verhalf. Daß und wie das geihah, war aber mwieber
weniger das Ergebnis allgemeiner, gewiſſermaßen geſchichtlich
notwendiger Verhältnifjie ala das perfönliche Werk des Königs,
ber, ein unbelehrbarer Autofrat, fein Volt von ber Weiter:
verfolgung bes 1813 eingefchlagenen Weges zurüdhalten wollte
und dabei gar nicht merkte, wie er einem fremden Willen und
fremden Interefien dienſtbar wurde.
Aus dem Geifte, der im Frühjahr 1813 die zu den Waffen
1. Der Sieg ber Reattion. 89
ftrömende preußiche Jugend erfüllt hatte, war nach dem Frieden
zu Jena die deutſche Burſchenſchaft entiprungen. Eine von
ſchönem Jdealismus getragene Reaktion gegen die Berrohung
bes afademifchen Lebens, bebeutete fie für bie Stubentenfhaft
etwa basfelbe, wie die Einführung einer menſchenwürdigen
Behandlung der Soldaten 18078 für das preußifche Heer:
aud fie wollte den höheren geiftigen und fittlihen Momenten
zu ihrem Necht verhelfen. Zu ben Stubien zurüdgefehrt,
ſchwärmten die Zünglinge für Vaterland, Freiheit und Ehre,
für bie fie gefodhten hatten. Ganz befonders ſchmerzlich em⸗
pfanden daher gerade fie ben enttäuſchenden Ausgang bes Frei⸗
heitsfampfes. Wenigftens in ihrem Kreife fuchten fie die Ein-
heit zu ſchaffen und baburd ber Nation ein Vorbild zu geben.
Prabktiſch politifhe Abfihten, etwa auf Erzwingung ber von
ihnen gewunſchten Orbnung, haben fie im allgemeinen nicht
gehegt: kaum von einem Fleinen Kreife ift derartiges nad:
weisbar. Aber fie hätten nicht deutſche Stubenten fein müffen,
wenn fie nicht an der den nationalen Hoffnungen fo ganz zu⸗
wiberlaufenden Entwidelung der Dinge und deren Trägern ge:
legentli ihren Spott ausgelaffen hätten. Das thaten denn
auch am Schluß des wahrhaft erbaulich verlaufenen Wartburg-
feftes (18. Oftober 1817) zum Gedächtnis ber Reformation
und ber Schladt bei Leipzig, das von heilig bewegtem Patriotis-
mus getragen war, improvifiertermeife einige kede Burfchen,
indem fie die Werke übelberufener reaktionärer Autoren finn-
bildlich den Flammen übergaben jamt Korporalftod, Haarzopf
und Schnürleib als Symbolen altmodifhen Zwanges. Natür-
lich wurde der Vorgang tendenzids ausgebeutet als Beweis
dafür, daß bie akademiſche Jugend von revolutionären Be:
ſtrebungen erfüllt fei. Das machte auch auf Unbeteiligte Ein:
drud. Eine leidenfhaftlice litterarifche Diskuffion entbrannte
und verleitete auch bie Verteidiger der Burſchenſchaft zu un:
befonnenen und mißbeutbaren Worten, bie ihren Gegnern zur
Waffe wurden. Daß Karl Auguft von Weimar bie Sache nicht
tragiſch nahm und ber geharniſchten Beſchwerde des preußifchen
Geheimerats v. Kamptz, deſſen „Genbarmeriefoder" mit ver:
brannt worben war, Feine Folge gab, fteigerte die Entrüftung
90 Zweites Bud. Der Bau bed Einheitäftaates.
ber Reaftionäre: war er doch obenein ber einzige Fürft, welcher
ber Verheißung der Bundesakte gemäß feinem Lande eine ftän-
diſche Verfaffung gegeben Hatte.
Des Königs Verhältnis zu ben Univerfitäten hatte das
„Prügelmandat” von 1798 (8b. II, ©. 355) hinreichend ges
kennzeichnet. Weber die Verjüngung der Königsberger und die
Gründung der Berliner Univerfität, noch die Neubelebung von
Wittenberg in Halle und von Frankfurt in Breslau (1811)
und bie bevorftehende Eröffnung von Bonn hatten es geändert.
Die Schmwärmerei ber gelegentlid unbändigen alademiſchen
Jugend war ihm gründlich zuwider. Jegt ließ er überall nad
der Beteiligung am Wartburgfefte Umfrage halten. Königs:
bergs „guter Geift“ wurbe belobt, weil von bort niemand babei
geweſen war. Altenftein mußte alle ſtudentiſchen Verbindungen
bei Strafe der Relegation verbieten: die Univerfitäten, mo
der „Geift der Zügellofigkeit“ nicht zu vertilgen fein würde,
erklärte ber König auflöfen zu wollen. So übertriebene Strenge
gab der Sade eine üÜbergroße Bedeutung und verleitete die
akademiſche Jugend zu falſchen Borftellungen von ihrer Wichtig:
feit. Die Entlarvung Kogebues als eines ruffiiden Spions
trug die Erregung in alle national fühlenden Kreife. Sie fleigerte
der Streit über die Deutſchtümelei der um Jahn (geb. 1778,
get. 1852) gefammelten Turner. In alledem fahen die Regie:
tungen nur Bethätigungen bes herrſchenden revolutionären
Geiftes. Für ihn machte der König kurzweg die Profefioren
verantwortlich. Weil fie, mußten bie Königsberger (18. Auguft
1818) fi belehren laſſen, es an aufmerfjamer und weifer
Leitung fehlen ließen, drohe die durch den Krieg aufgeregte
akademiſche Jugend, ftatt dem heranwachſenden Geſchlecht Ehre
und dem Baterlande Segen zu bringen, vielmehr beiben ver:
derblich zu werben, und nötige bie Staatsgewalt, fie durch
wilden Ausbruch zu vernichten. Vergeblich fuchte Altenflein
mäßigend einzumirfen, während Karbenberg, verblenbet, dem
König nachgab, um in ihm nur ja feinen Zweifel an feiner
eigenen Gefinnung auflommen zu laflen und dadurch feinen
eben ernſtlich in Angriff genommenen Verfafiungsplänen Hinder⸗
niffe zu bereiten. Schwer jolte er diefe Schwäche büßen.
I. Der Sieg der Realtion. 9
Im Oktober 1818 fonftituierte fih in Jena bie allgemeine
deutſche Burſchenſchaft, eine freie Vereinigung der geſamten
deutſchen Burſchenſchaft zu einem Ganzen, „gegründet auf bas
Verhältnis der deutſchen Jugend zu der werdenden Einheit bes
deutſchen Vaterlandes“. Es war nah bem Gefchehenen kaum
zu verwundern, daß in ihr mande radikaler daten und in
jugendlicher Hige mit Plänen zu revolutionären Thaten fpielten.
Weil fie die Regierungen fi} vor ihnen fürdten fahen, glaubten
biefe Jünglinge wer weiß was zu fein, und verftiegen fi) zu
ihnen font fremder Verwegenheit. Teilte doch auf dem Aachener
Kongreß, der die Räumung Frankreichs durch die verbündete
Decupationsarmee einleitete, ber Zar den Monarden eine
Denkirift „Ueber den gegenwärtigen Zuftand Deutſchlands“
mit, durch die der Staatsrat Stourbza ihn überzeugen wollte,
daß Deutſchland feine Univerfitäten mit einer Revolution be-
drohten, die zu beſchwören biefe mittelalterlihen Staaten im
Staate befeitigt, die Studierenden als unmündige Staats:
bürger behandelt und an fefte Lehrfurfe gebunben werben
müßten. Mochte der Denunziant, ein walachiſcher Bojar, nad
dem Urteil feiner Minifter von diefen Dingen auch ſprechen
wie ber Blinde von ben Farben: ber König fanb hier Ge
danken wieder, bie ihn jelbft befchäftigt hatten. Bei feiner
Unfähigkeit, fi zu allgemeinen Anfhauungen zu erheben und
ben inneren Zuſammenhang ber Dinge zu erfaflen, brachte er
mit ben bier gerügten Erſcheinungen in Verbindung, was ihm
fonft an feines Staates dermaligem Zuftande nicht behagte.
Ihn beftärkte darin Wittgenftein, dem Metternich ebenfalls in
Aachen eine Denkſchrift zuftellte über das Erizehungsweien,
worin er unter Hinweis auf bie Univerfitäten und die Turnerei
zu ſchleunigſter Ausrottung des Unfugs mahnte. So entftand
die umfangreiche Rabinettsordre vom 11. Januar 1819. Auf
die bewährte Treue und Hingebung feines Volkes, erflärte der
König darin, könne er ſich nicht mehr unbedingt verlaflen; er
fühle ſich verpflichtet, dem durch bie langen Kriegsjahre er
zeugten Geift der Unruhe Fräftig entgegenzutreten, um bie
Unzufriedenen von der leidenſchaftlichen Verfolgung unbejtimmter
Biele abzuhalten. Auch das Minifterium fehle: es verfchleppe
.
92 Zweites Bud. Der Bau des Einheitäftantes,
die Geſchäfte und fei uneinig. Die Hauptſchuld aber trage
die Erziehung, welche die Jugend zu verfrühter Teilnahme am
öffentlichen Leben verleite. Deshalb fordert er firenge Ueber⸗
wachung bes Unterrichtes und Vorſicht bei ber Auswahl ber
Univerfitätslehrer. Der Turnunterriht fol an die Schulen
gebunden und auf körperliche Abhärtung beſchränkt werben.
Den Mißbrauch der Preffe fol ein Preßgeſetz abftellen, ohne
jebod die Anregung von Verbefferungen unmöglich zu maden.
Ueber die Ausführung im einzelnen erwartet er die Vorſchläge
der Minifter.
Das Mang ja ruhig und maßvol, wohl bank dem Ein»
fluß Hardenbergs. Aber dahinter bargen ſich ftrenge Abfichten.
Zwar wolle, ließ fi Altenftein, bie Kabinettsordre erläutern,
am 16. Januar in Bezug auf die Univerfitäten vernehmen, ber
König die freie Diskuſſion nicht beſchränken, könne aber nicht
Lehrer dulden, die ſolche Grundfäge aufftellen und jo unnüge
und unfhidlihe Dinge vortragen, wie bas unlängft einer ges
than — ber Jenenſer Dfen ift gemeint —; geichehe es, fei
fofort Anzeige zu machen. Dann werben bie Profefjoren be:
lehrt, die Würde des ihnen anvertrauten Lehramtes würden
fie am ſicherſten wahren, wenn fie fih nicht den nichtigen
Scriftftellern des Tages gleichitellen, ſondern durch gelehrte
Forſchungen und wiſſenſchaftlichen Vortrag tiefe Einfiht und
ernfte Gefinnung darthun und verbreiten, die Wiſſenſchaft
wahrhaft fördern und ihre Zuhörer durch Lehre und Schrift
zu Männern bilden, die fern von ber feichtem Wifjen ent:
fpringenden Anmaßung als gereifte Ratgeber an der Staats-
verwaltung teilzunehmen verdienen. Abſonderlich illuftrierten
freilich des Minifters Worte die Handlungen des Königs.
Gleih am 11. Januar ließ er E. M. Arndt in Bonn einen
Verweis erteilen wegen einiger Yeußerungen in dem 4. Teil
bes „Geift der Zeit”. Die Turnpläge befahl er zu fliehen.
Um diefelbe Zeit aber wurde auf Witlebens Empfehlung
Humboldt in das Minifterium berufen, troß feines Sträubens:
Hardenberg meinte ihn fo wohl am fidherften unſchädlich zu
maden. Er ſollte namentlih den erfaflungsentwurf bes
arbeiten. Noch durfte Arndt demnach hoffen, es werbe „ben
I. Der Sieg ber Reaktion. 93
Kit: und Rechtſcheuen nicht gelingen, dem guten und mutigen
Sinn des Königs bange zu machen und zu hindern, was ganz
Europa und befonders Deutſchland von Preußen erwarte“.
Da gab die That Sands (23. März 1819) der Reaktion eine
furchtbare Waffe in die Hand. Beftätigte fie nicht alles, was
die Schmalz, Stourdza, Kampf u. |. w. über die Verwilderung
der alademifhen Jugend gefabelt? Metternich wußte die Gunft
des Augenblids zu benugen. Preußen aber ging ihm babei nicht
bloß willig zur Hand: es eilte ihm voraus. Den Preußen
wurde ber Beſuch Jenas verboten, bie Senate ber Landes-
univerfitäten mußten hinfort monatlich über alle disziplinariſchen
Vorkommniſſe Bericht erftatten, befonbere jofort melden. Aber
die Kampg und Wittgenftein wollten aud die Häupter ber
Batrioten treffen. Eine rechtloſe Hausfuhung brachte Arndt
um feine Papiere. Gleiches geſchah dem Philologen Friedrich
und dem Juriſten Karl Welder in Bonn: ihr litterarifches
Eintreten für landſtändiſche Verfafiungen hatte fie in den Ges
ruch der Demagogie gebracht. Aehnli ging es dem Arndt
befreundeten Buchhändler ©. A. Reimer in Berlin. Jahn wurde
(13./14. Juli) nächtlicherweile verhaftet und in Ketten nad
Spandau geführt. Der Theologe de Wette in Halle büßte
einen Trofbrief an Sands Mutter, feine Gaftfreundin, mit
Verluft des Amtes. Beſchwerde, Proteft, rihterlihe Einfprade:
alles blieb wirkungslos. Görres, der für Sands blutige That
diejenigen verantwortlich machte, welche die deutſche Jugend
um ihre nationalen Hoffnungen betrogen hatten, entzog ſich ber
drohenden Verhaftung durch bie Flucht nah dem von ihm fo
bitter gehaßten Frankreich. Wie bebauerten bie Urheber folder
Gewaltthaten, nit auch gleich an Stein und Hardenberg
kommen zu lönnen! Metternich war bereits auf dem Wege dazu.
In Karlabab beſprach er mit den Miniftern Hannovers,
Bayerns und Sachſens, was zu gefchehen Habe. Dann eilte er
zu Friedrich Wilhelm nad Teplig. In Gegenwart Wittgen-
ſteins hatte er mit ihm eine zweiftündige Unterrebung und
erhielt die Zufage, der König werbe „ben gemagteften aller
Schritte”, die Einführung einer Verfaflung, nicht thun, ohne
fich zuvor mit ihm verftändigt zu haben. Er ſcheint ihn über:
94 Zweites Bud. Der Bau bes Einheitsſtaates.
zeugt zu haben, daß Hardenberg von der Demokratie abhänge:
niemand finde fi in feiner Umgebung, der nicht entweder im
Sinn der reinften Demokratie wirfe oder aftiver Teilnehmer
an ber Verſchwörung gegen den preußifhen Thron wäre. Und
derfelbe Hardenberg fette unter Aſſiſtenz Wittgenfteins mit
Metternih am 1. Auguft die Punktation auf „über die Grund⸗
füge, nad welchen die Höfe von Defterreih und Preußen in
den inneren Angelegenheiten bes Deutſchen Bundes zu verfahren
entfehlofien find“, und nahm an ben Konferenzen teil, auf benen
in den Tagen vom 6. Auguft bis zum 1. September mit Ver-
tretern allein von Baden, Württemberg, Nafau und Medien:
burg die den deutſchen Staaten aufzuzwingenden Maßregeln
ärgfter Reaktion vereinbart wurden. Am 20. September nahın
der Bundestag die „Rarlsbaber Beihlüffe” an, angeblich ein-
ftimmig — denn ablehnende Boten wurben einfach verheimlicht.
Ihrer Entftehung entiprad ihr Inhalt.
Den Kern machte die Erklärung aus, bie in Artikel 13
ber Bundesakte verheißenen Verfaflungen dürften nur bie in
Deutſchland ſchon früher üblichen landſtändiſchen fein, nicht
fremden Muftern nachgebildet. Des weiteren wurden bie Uni-
verfitäten genau nad) dem Plane, den Adam Müller, ber öfter:
reichiſche Generalfonful in Leipzig und Agent an mehreren
einen deutſchen Höfen, feinem Freunde Gens an die Hand
gegeben hatte, unter Polizeiaufficht geftelt, indem an jeder
ein befonderer Regierungsbevollmäditigter den Geift beobachten
follte, in dem die alademifchen Lehrer wirkten, um ihm eine
auf bie kunftige Beftimmung der fubierenden Jugend bes
rechnete heilfame Richtung zu geben. Wer bie Staatsorbnung
untergrabende Lehren vorträgt, ift abzufegen und darf innerhalb
bes Deutfchen Bundes ein öffentliches Lehramt nicht mehr bes
kleiden. Die ſtudentiſchen Verbindungen, namentli die Bur-
ſchenſchaften, werden verboten. Die wegen Teilnahme daran von
einer Univerfität Entfernten bürfen auf feiner anderen zu=
gelafien werben, auch nie ein Stantsamt befleiven. Endlich
wird für ale Drudiäriften unter zwanzig Bogen die Zenſur
zunächſt auf fünf Jahre eingeführt und jeder Bundesſtaat für
bie in feinem Gebiet gegen einen anderen begangenen Preb-
I. Der Eieg der Reattion. 95
delikte gegenüber ber Geſamtheit bes Bundes für verantwortlich
erklärt. Zur Unterfuhung der demagogiſchen Umtriebe wurde
in Mainz eine Bentralunterfuhungstommifion errichtet.
Befonbers eifrig, hart und gewaltthätig wurben biefe Be-
ſchluſſe in Preußen vollfiredt. Wittgenftein und Kamptz waren
Herren der Situation. Die von Kamptz unter Beihilfe Granos
und Tafchappes geleitete Immebiatunterfuhungsfommiffion, die,
jebes gejeglichen Bodens entbehrend, jeit dem 1. Oftober 1819
für alle hierher zu zählenden Fälle einfah an bie Stelle ber
ordentlichen Gerichte trat, entfaltete, durch eine ihr angeblich
übergeorbnete Minifteriallommiffion völlig ungehindert, auf
Grund des ihr von den Mainzer Kollegen reichlich gelieferten
Materials bald eine fieberhafte Thätigfeit, und der König,
in dem Wahn, daß bie beftehenbe Orbnung bedroht fei, wandte
ben fie zu retten beftimmten Repreffiomaßregeln lebhafte per-
Tönlice Teilnahme zu. Er war ganz einverftanden mit der neuen
Lehre vom Hochverrat, die Kamptz zur Anleitung ber preußi-
ſchen Richter zu einer feinen Abfihten entſprechenden Rechts
fprehung entwidelte, wonach folder aud ohne alle gewaltfame
ober ſonſtige gefegwidrige Handlung begangen werde durch die
Vertretung ober Ausbreitung von Theorien, welche bie bes
ſtehende Verfaſſungs- oder Staatsform ganz ober teilmeife
ändern, untergraben ober auflöfen konnten, wenn fie all
mählih Wurzel faßten. Hardenberg aber ſah ruhig zu: in
unbegreifliher Schwäde ließ er bie Reaktion gewähren und
meinte doch noch die Verfafjung zu ftande bringen zu können.
Beging er damit nicht eine Art von moralifhem und zus
gleich politiſchem Selbſtmord? Auch in Norddeutſchland ver-
sihtete damit Preußen auf die führende Stellung Mit
Recht durfte Metternich behaupten, Preußen habe Deſterreich
einen Pla überlafien, den ein Teil bes deutſchen Volles ihm
zugedacht Habe. Hardenberg wurbe fein übertriebener Opti-
mismus zum Verhängnis. Daß er die bisher vertretene Ueber-
zeugung innerlich bereits aufgegeben, nur zum Schein noch feſt⸗
gehalten habe, kann nicht behauptet werden. Schließlich hoffte
er fie doch noch irgendwie durchfegen zu können. Perſönliche
Momente wirkten mit. Zwifchen ihm und Humboldt hatte fih
100 Zweites Bud. Der Bau des Einheitäftantes.
umftänblihen und fchleppenden Verfahrens lag, erhielten die
Unbeteiligten feine Kenntnis. Und felbft jene nichtsfagenden
Protokolle wurden feit 1824 nicht mehr veröffentlicht.
Am meiften lag Preußen natürlich die Entwidelung der
deutſchen Wehrkraft am Herzen durch zwedimäßige Ausgeftaltung
ber Bundeskriegsverfaſſung. Eine ſolche erforderte fein eigenes
Intereſſe. Aber auch da hatte es zunächſt nur Enttäuſchungen
und Niederlagen zu verzeichnen. Gewann durch die Zugehörig⸗
keit Preußens mit ſeiner bewährten Kriegsmacht der Bund
außerordentlich an Sicherheit, ſo geſchah das Gleiche für Preußen
doch nur dann, wenn es mit ſeinem ganzen Gebiete in den
Bund eintrat und dieſer dadurch verpflichtet wurde, ihm gegen
jeden Angriff auf einen Teil ſeines Gebietes Hilfe zu leiſten.
Die Bundesakte aber nahm den Eintritt ber beiden Groß—
mächte nur mit denjenigen ihrer Länder in Ausfiht, die ehe-
mals zum deutſchen Reiche gehört hatten, ſchloß aljo die Pro-
vinzen Preußen und Pofen aus. Für ben Fall eines Konflikts
mit Rußland war Preußen daher der Bundeshilfe nicht ver-
ſichert. Ein folder ſchien ja nun freilich vollends nicht zu be—
fürdten, feit im Sommer 1817 die Vermählung der Prin-
zeffin Charlotte mit dem Großfürften Nikolaus, des Zaren
zweitem Bruber, die Allianz ber beiden Oſtmächte von neuem
befiegelt hatte — nicht ohne lebhafte Erregung der öffentlichen
Meinung darüber, da die Hohenzollern im Sätularjahr ber
Reformation dem ruffiihen Hochmut und der Unduldſamkeit
der griechiſchen Kirche den Webertritt der Braut zu dem orthos
doren Glauben zugeftanden. Aber trogdem meinte ber König,
in dem die Erfahrungen von 1807 unverwijchbar fortlebten,
wenigftens die Möglichkeit nicht außer Berechnung lafien zu
bürfen, daß er einmal von feinem öftlihen Nachbarn bebroht
werde. Regte doch des letzteren phantaſtiſche Polenpolitif bie
nationalen Aſpirationen auch der Preußen unterthänigen Polen
in bedenklicher Weiſe an. Deshalb forderte der König, mit
dem geſamten preußiſchen Staatsgebiet in den Bund aufs
genommen zu werben. Davon aber fürdteten Defterreih und
die übrigen Bundesſtaaten eine gefährliche Steigerung des
preußiſchen Einflufies im Bunde. Auch wurden von Preußen
I. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 101
wirklich außer feinen alten Reichslanden nur Geldern, Schlefien
und die Laufig aufgenommen. Mit Pofen, wo es ber energi-
ſchen Vertretung der deutſchen Kulturinterefien bedurfte, blieb
dem Bunbe das Land fern, das einft ein foftbarer kolonialer Ge—
meinbefit bes deutſchen Volkes gewejen war, von bem auß ber
Große Kurfürft die Zukunft feines Haufes gerettet, das weiter:
Bin bie junge Königswürbe getragen und zulegt ben Anftoß
zur Abſchuttelung ber Fremdherrſchaft gegeben hatte. Aber ber
König ftand mit feiner Forderung allein. Auch Hardenberg
und Humboldt billigten fie nicht, beide aus Sorge, Preußen
tönne, wenn es bloß nod ein beutfcher Staat jei, an feiner
Bedeutung als europäiſche Macht Einbuße erleiden. Dennoch
mußte die Sache auf des Königs Befehl in Wien zur Sprade
gebracht werben: natürlich ohne Erfolg. Denn Metternich
befürchtete angeblich von ber alsdann eintretenden Aenderung
ber bisher zwifchen den beiden deutſchen Großmächten im Bunde
beftehenden Gleichheit eine Erſchutterung ihres guten Verhält:
niſſes. Auch fei es ja doch jelbftverftändlih, daß, wenn ein
Bundesſtaat in feinem außerdeutſchen Gebiete angegriffen würde,
ber Bund für ihn eintrete, abgejehen davon, daß ein ruſſiſcher
Angriff auf eine ber beiden deutſchen Mächte allein doch kaum
denkbar ſei. Aber auch nach diefer Abweifung ließ ber König
feine Forderung erft fallen, als ein Gutachten der auswärtigen
Abteilung des Staatsrates fie für zur Zeit undurchſetzbar er
Härte im Hinblid auf bie ablehnende Haltung der Bundess
flaaten (April 1818).
Damit war eigentlich auch bereits das Schidfal der Bundes«
kriegsverfaſſung entſchieden. Die Eiferſucht Defterreihs und
die geheime Furt der Mittels und Kleinftanten vor Preußens
militärifchem Uebergewicht hinderte auf biefem Gebiete jede
lebensfähige Organifation. Weber bie Einleitungen zur Her
ftellung einer Matrifel für die Bemefiung der Stärke ber ein-
zelnen Kontingente Fam man nicht hinaus. Sollte etwas ge
leiftet, das Bundesgebiet glei jegt an ben ſchwachen Stellen
wirkſam gefhügt werben, fo mußte bas allein wirklich leiſtungs⸗
fähige Preußen eintreten und Laften auf ſich nehmen, die eigent-
li die Gefamtheit zu tragen gehabt hätte. Und jelbft babei
102 Zweites Bud. Der Bau des Cinheitäftantes.
noch ſah es fi gehindert und verdächtigt. Doch einigte &
fi) mit Defterreih wenigftens über die Bunbesfeftung Mainz:
jeber Teil jolte die Hälfte der Befagung ftelen, die Ernennung
bes Gouverneurs ober Kommandanten alle fünf Jahre zwiſchen
ihnen alternieren. Dafür aber mußte Preußen fich verpflichten,
im Intereſſe Oeſterreichs, das bie Donauftraße gefichert zu jehen
wünfhte, für Ulm als Bunbesfeftung einzutreten, während bie
ſuddeutſchen Staaten eine ſolche am Oberrhein errichtet haben
wollten. Für die Bundesfeftung Luremburg übernahm es nach
einem mit dem Königreih ber Niederlande geichlofienen Ver:
trag gar vier Fünftel der Befagung, ſowie den Gouverneur
und den Kommandanten zu fielen. Das Befte aber zur Sicherung
Deutſchlands gegen Weiten Ieiftete e8 bo auf eigene Hand,
indem es mit einem Aufwand von Millionen feine rheinifchen
Feſtungen durch General After ausbauen ließ. Koblenz mit
dem Ehrenbreitftein gegenüber, Köln, Wejel, Julich und Saar:
louis bildeten bald einen eifernen Gürtel gegen alle franzöſiſchen
Gelüfte nach dem linken Rheinufer.
Schwieriger noch als der wirkſame Schuß der deutſchen
Grenzen dur ben Bund erwies fi bie Aufftellung eines
Bundesheeres. Dazu empfahl der geniale Präfident des Erfurter
Regierungsbezirks, v. Motz (1770—1835), ein geborener Kur⸗
heſſe, einen ähnlichen Weg, wie Humboldt zur wirffamen För-
derung gemeinnügiger Zwecke vorgeſchlagen hatte (S. 99).
In einer dem Staatskanzler im September 1817 überfandten
Denkſchrift ſchlug er den Abſchluß von Militärkonventionen
zwifchen Preußen und den Fleineren norbbeutfchen Staaten vor,
angeregt wohl durch den ihm befannt gewordenen Plan Karl
Augufts von Weimar zu einer gemeinfamen militärifchen Organi⸗
fation ber thüringifhen Staaten. Weimars und Sonders⸗
hauſens glaubte er ſicher zu fein, rechnete auch auf Kurheſſen
und die Anhaltiner und erwartete den almählihen Anſchluß
fämtlicher größeren und kleineren Fürften Norddeutſchlands.
Da aber auch fo nur ein Teil der Webelftänbe, die feine un-
glüdliche territoriale Geftaltung und bie Leiftungsunfähigfeit
bes Bundes für Preußen mit fi braten, befeitigt wurde,
empfahl Motz durch den Taufch verſchiedener Gebiete mit ben
II. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 103
füdlihen Nachbarn Preußen bis zum Main vorzuidieben und
feine Zerreißyng in zwei getrennte Stüde abzuftellen durch bie
Retrozeſſion Fuldas und bie Erwerbung von Hanau und einem
Teil von Oberheflen, woburd alle norddeutſchen Bundesftaaten
zu preußifchen Enflaven gemacht worden wären.
Und derfelbe Staat, der fo das Bewußtfein feiner Pflicht
gegen und feines Rechtes auf Deutſchland bethätigte, erniebrigte
fich zum Handlanger Metternichs bei den Karlsbader Beſchlüſſen.
Greller denn je bethätigte ſich darin der Widerſpruch, an dem
ſein ganzes Dafein ſeit den großen Tagen des Jahres 1818
krankte. „Es iſt eine Erbärmlichkeit,“ ſchrieb E. M. Arndt
(19. Juni 1819) noch vor den unheilvollen Karlsbader Tagen,
„wie die Heine Polizeijagb, worin bie deutſchen Regierungen
fi ebenfo wie die unglüdlihe franzöfifde unter Ludwig XIV.
und XV. verlieren, endlich die unfhäblihen Würmer ber Un-
zufriedenheit zu Schlangen ber giftigften Bosheit erziehen
werben.” Auch ift das thatſächlich das Kauptergebnis ber
Demagogenverfolgungen gewefen, bie jahrelang wie ein Fluch
auf Deutſchland und vor allem auf Preußen laſteten. Metter-
nich freilich machte vor fih und feinen Mitauguren Fein Hehl
daraus, daß fie auf einer Fiktion berubten. An eine von ber
Burſchenſchaft drohende Gefahr Hat er nie geglaubt: er ver-
lachte fie als unpraktiſches Puppenfpiel. Aber fie diente ihm
als Vorwand, um die Profefioren zu treffen, auf bie fein
ganzes Augenmerf gerichtet war, obgleich er auch ihnen wegen
ihrer Unfähigkeit zur That Konfpirationen nit zutraute. Daß
die Revolution auf den Univerfitäten erzeugt werbe, glaubte
er nicht, wohl aber, daß ganze Generationen von Revolutionären
dort gebildet würden. Ganz ähnlich dachte Friedrich Wilhelm.
Ihm war die Schwärmerei der Burſchenſchaft nicht bloß un-
verſtändlich, fondern verdächtig. Mit perfönlicher Erbitterung,
mit einer Art von Ingrimm trat er ihr entgegen. Das gab
der Demagogenverfolgung in Preußen einen befonbers ab»
ſchreckenden Charakter. Selbſt Kaifer Franz verbat ſich bie
Unterfuhung feiner Univerfitäten durch die Mainzer Zentral:
kommiſſion, die fie erft recht in Unruhe und Verwirrung bringen
würde. Preußen that, dank dem perfönlichen Eifer des Könige,
104 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates.
mehr, als Metternich verlangte. Arndt (S. 93) wurde auf
Erfordern der Mainzer Kommiffion vom Amte. fufpenbiert.
Eine Berichtigung der entftellten Auszüge aus feinen beſchlag⸗
nahmten Papieren, welche die Staatszeitung brachte, zu ver-
anlafjen, erklärte fi auf des Mifhandelten Beſchwerde Karben:
berg für außer ftande, da die Kommiſſion ihm nicht unterftellt
fei. Ohne einer Schuld überführt zu fein und trog ber richter-
li anerkannten Rehtswibrigfeit des Verfahrens wurde Jahn
(S. 93) jahrelang in Haft gehalten. Juſtus Gruner, deſſen
flürmifher Patriotismus den Reaktionären Tängft verbädtig
war (S. 84), wurbe, als er im Spätfommer 1819 in einem
Bade Gefundheit ſuchen wollte, aufgefordert, in die Nähe von
Mainz zu fommen, um vor der Rommiffion vernommen zu
werben, während die Berliner Staatszeitung ihn bereits ſchnöde
verbädtigte: das verfhlimmerte feinen leidenden Zuftand fo,
daß er im Februar 1820 ftarb, ohne daß bekannt geworben
wäre, wie weit er ſchließlich in bie Unterfuhung verwidelt
wurde.
Und nit genug damit! Wahrhaft blutigen Hohn ſchleu⸗
berte bie fiegreiche Reaktion bem mißhandelten preußiſchen Volke
ins Angefiht. Am Jahrestage ber Leipziger Schlacht wurden
die Karlsbader Beſchluſſe für Preußen publiziert und zugleich
willkürlich verſchärft, indem nicht bloß die weniger als zwanzig
Bogen flarken, fondern überhaupt alle Drudiäriften ber Zenſur
unterworfen wurden. Das als Appellationsinftanz eingefegte
Oberzenfurfollegium gab natürlih nicht die geringfte Gewähr
gegen Ungerechtigfeiten jeber Art. In der Nheinprovinz wurben
die politifcden Prozefie ben Geſchworenengerichten entzogen,
vor bie fie nad dem in Geltung gebliebenen Code Napoleon
gehörten ; da es nach der Kriminalordnung vom 11. Dezember 1805
gegenüber frevelhaften Angriffen und Umtrieben wider die innere
Ruhe des Staates in der Monarchie nur Ein inneres Staats⸗
echt gebe, follten alle Vergehen der Art vor der dazu ein-
geſetzten außerorbentlihen Kommiſſion abgeurteilt werben. Am
5. September wurbe biefe Beftimmung auf alle Provinzen des
Allgemeinen Landrehts ausgedehnt. Bei der Anftelung von
Lehrern und Geiftliden ſprach überall die Polizei ein ent⸗
1. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 105
ſcheidendes Wort mit. Inzwiſchen war das in Karlsbad be-
gonnene Werk auf Konferenzen, die feit dem 15. November 1819
in Wien ftattfanden, weitergeführt und wurde durch die Wiener
Schlußakte vom 15. Mai 1820 vollendet, die ein Beſchluß des
Bundestages am 8. Juni der Bundesakte ſelbſt gleichftellte.
Hinfort fielen die möglicherweife günftiger deutbaren Beftim-
mungen ber legteren unter ihre ſtreng realtionären Inter
pretationen und Ergänzungen. Die Unterwerfung bes Bundes
und mit ihm Preußens unter das Gebot Metternichs war er:
reiht, mochte auch der Schein diesmal befier als in Karlsbad
gewahrt fein, da wenigftens an ber formellen Beſchlußfafſung
ale Bundesftaaten teilnahmen, allerdings nachdem bie fachlichen
Abmachungen wieder zum voraus in dem um Metternich ver-
jammelten vertrauten Kreife getroffen waren. Man gab in
der Form nad, um in der Sade um fo ftrenger vorzugehen.
Die preußifhe Regierung aber, die zu Wien ihre neue
Zollordnung von 1818 gegen alle Einſprache entſchloſſen auf-
recht erhielt, ſchien das auf ber. anderen Seite wieder gut
machen zu wollen durch den Eifer, mit dem fie Die Demagogen-
verfolgung betrieb. Rechtloſer Vergewaltigung ſah ſich jeder
preisgegeben, ber dem Spürfinn ber von dem haßerfülten
Kamptz (S. 89) geleiteten Inquifitoren Dambach, Tzſchoppe
und Grano irgend verdãchtig erſchien, oft nur weil er in einem
beſchlagnahmten Briefe genannt oder mit einem Inkulpaten per
fönlih befannt war. Niemand war vor ihnen ſicher: die
nichtigfte Aeußerlichkeit, der unverfänglichſte Ausdrud konnte
einem zum DVerberben werben, namentli akademiſchen Kreifen
Angehörigen. Was jegt auf bes Königs Befehl geſchah, ließ
bas berüdtigte Prügelebift von 1798 (Bb. II, &. 355) weit
hinter fi: es ftellte die Profefioren unter eine Art von
moralifhem Knutenregiment. In Berlin wurden Schleier:
machers Predigten poligeilid überwaht. In Königsberg, auf
das die Karlsbader Beihlüffe angewandt wurben, obgleich es
ja garnicht innerhalb des Bundesgebietes lag, kam ber hoch⸗
konſervative Hiftorifer Johannes Voigt in Unterfuhung, weil
er in einem Privatgeipräd einem Studierenden gegenüber
Sands That gelobt und fih auch im Kolleg ähnlich geäußert
106 Zweite Bud. Der Bau des Einheitsſtaates.
haben follte. In dieſem wie in faft allen Fällen ber Art lag Ueber-
treibung ober Mißverftändnis vor. Denn, aufgeregt burch bie
ſich überftürzenden Polizgeimaßregeln, braten die Studierenden
oft die einfachſten fahliden Darlegungen mit ber Angelegen-
beit in Verbindung, bie augenblidli für fie im Mittelpunkt
des Intereſſes ftand. Auch hatte fi die Burſchenſchaft gleich
nad ihrer Auflöfung (26. November 1819) neu Fonftituiert, und
zwar nun wirklich als Geheimbund, wodurd fie für mande
erft recht an Anziehungskraft gewann. Erſchien doch, was man
ihr früher an revolutionären Plänen angebichtet hatte, jetzt
faft als berechtigte Notwehr gegenüber unerhörter Vergewalti⸗
gung. Anbererfeits aber fühlte die Reaktion fi dadurch nun
auch erft recht herausgeforbert, hielt jede Forreftionelle poli-
zeiliche Repreffiomaßregel für erlaubt und proffamierte jchließ-
lich überhaupt rechtloſe Willkür. Cine Kabinettsordre vom
27. Juli 1821 gab den außerorbentlihen Regierungsbevoll⸗
mädhtigten bei den Univerfitäten die Befugnis, die nach ihrer
Weberzeugung der Teilnahme an geheimen Verbindungen ver-
dächtigen Studierenden ohne gerichtliche Unterſuchung und ohne
Mitwirkung der akademiſchen Behörben von ber Univerfität zu
entfernen. Eine Rabinettsordre vom 8. September verfügte gar,
daß in allen den Fällen, wo die Strafgefege nur Feitungs-
arreft erwähnten, auf Feftungsarbeit und Zuchthaus zu erfennen
ſei, und nur Altenfteins entſchloſſener Widerftand Hinderte die
Ausführung des entfeglihen Gedankens, die Teilnehmer an
geheimen Verbindungen zeitweife bei der Strafklaſſe des Milie
tärs einzuftellen.
Erwieſen aber war von ben gegen bie fogenannten Dema=
gogen erhobenen Anklagen eigentlich nichts. In ihrem 1822
rebigierten Bericht gab die Mainzer Kommiffion zu, daß fie
Schuldbeweiſe nicht Habe ermitteln können, und ftatt beftimmter
Thathandlungen nur Berfuche, Vorbereitungen und Einleitungen
gefunden habe, deren hiſtoriſche Gewißheit fie nur nach ber
eigenen fubjektiven Ueberzeugung zu bemefien vermöge. Wohl
aber verſuchte fie durch tendenziöfe Gruppierung bes völlig uns
zureichenden Materials zu zeigen, alle fpäteren Umtriebe und
geheimen Verbindungen feien aus benen hervorgegangen, bie
I. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 107
gegen bie franzöfifche Herrihaft und den Nheinbund gerichtet
geweſen waren. Es war wenigftens Syſtem in der Sade:
was Metternih im Februar 1813 eingeleitet hatte, als er
von Preußen die Auflöfung der geheimen Geſellſchaften for:
derte (S. 41), wurde jegt zu Ende geführt. Der Denunziant
Schmalz (S. 79) war hoch übertrumpft. Denn bie bebenf:
lichſten Umtriebe wollten die Mainzer Inquifitoren bei ben
Regierungen felbft entdedt haben, namentlich in ber preußifchen
und befonbers im Bureau bes Staatskanzlers. So ſchien das
ganze Verfahren nur in Scene geſetzt zu fein, um bie von
Metternich gegen Hardenberg erhobenen Beſchuldigungen (S. 94)
als begründet zu erweifen und fo deſſen Verfafjungapläne zum
Scheitern zu bringen. Aber obgleich dieſer Zwed bereits er-
reiht war, begannen bie preußifchen Gerichte nun erft das
Verfahren gegen die ihnen von ber Mainzer Kommiſſion über:
wiefenen Verdächtigen. Doch reichte das Material nirgends
aus. So blieb Arndts Sache bei dem Breslauer Oberlanbes-
gericht liegen, aber auch er vom Amt fufpendiert. Aehnlich
erging es Jahn: er erlangte Feine Freifprehung und wurde
durch einen polizeilichen Gewaltakt wie gefährlich für bie bürger-
liche Gefelihaft in Freiburg an ber Unftrut interniert. Und
dabei konnten biefe beiden ſich fait glücklich preifen im Ver:
glei mit den zahlreichen jugendlichen Opfern biejer Gemwalt-
thaten, die an Leib und Seele elend zu Grunde gingen.
Denn nachdem 1823 Karl von Medlenburg feinen könig⸗
lien Schwager duch eine Denkſchrift mit revolutionären
Schredbildern und angeblih drohenden Aufftandsverfuhen von
neuem angefeuert hatte und bald banad in dem Jünglings:
bunde aud) wirklich eine ala Verſchwörung deutbare Vereinigung
entbedt worden war, wuchs ber auf bie Univerfitäten ausgeübte
Drud nun vollends ins Ungemefiene. Am 21. Mai 1824 ver:
fügte eine Kabinettsordre, hinfort folten alle nad Art ber
Burſchenſchaften organifierten Stubentenverbindungen nicht als
ſolche, ſondern als verbotene geheime Verbindungen angeſehen
und bie Teilnehmer friminalgefeglich beftraft werben, daneben
aber auch mit Relegation und Unfähigkeit zu einem öffentlichen
Amt, wozu auch die ärztliche Praxis zu rechnen fei. In allen
108 Zweites Bud. Der Bau bes Einheitsftantes.
biefen Fällen, die der gefeglih für fie geltenden akademiſchen
Gerichtsbarkeit zu Unrecht entzogen wurden, follten „ber erfte
Angriff und die Unterſuchung“ binfort der allgemeinen Polizei
zuftehen und danach das Polizeiminifterium die Sache nach
Befinden entweber an bie Juſtiz abgeben ober weitere Beftim-
mung treffen. Ihm wurden dazu die außerorbentlicden Regie-
rungsbevollmäctigten und bie Univerfitätsrichter unterftellt,
Univerfitäten aber, deren Behörden ben nötigen Eifer vermiffen
laffen würden, wurben mit dem Verluſt des Rechts zur Wahl
bes Rektors bedroht. Den Schreden zu fleigern, wurben gleich-
zeitig (2. Juni) die furchtbaren Strafurteile befannt gemacht,
die das Berliner Kammergericht eben gegen eine Anzahl von
Burſchenſchaftern gefält Hatte. Schudmann aber, ber ſeit
Januar 1819 das Minifterium ber Polizei unter Kamptz als
Direktor mit dem des Innern vereinigte, — Wittgenftein hatte
das des Föniglichen Hauſes übernommen — erklärte in einem
Erlaß vom 4. Juni, die fih immer ftärfer entwidelnde Renitenz,
Geſetzwidrigkeit und Staatsgefährlicfeit der Burſchenſchaft
muſſe endlich ausgerottet werben; bie bisher ergriffenen Maß:
regeln hätten nichts genügt; noch ftehe bie deutſche afademifche
Jugend in Bezug auf Gefinnung und Anhänglichkeit an Fürft,
Vaterland und Verfaffung und in Rüdfiht auf Haß gegen alles
Beſtehende und auf ben thörichten Irrwahn, zu deſſen Ver—
beſſerung berufen zu ſein, unter dem unmittelbaren Einfluß
eines ben vollen Thatbeſtand des Hochverrats in fi ver:
einigenden und bie gewaltfamften Mittel zulafienden geheimen
revolutionären Bundes. Als Burſchenſchafter Verurteilte jollten,
fo wurde am 4. Auguft beftimmt, niemals mehr begnabigt
werben, fondern immer mindeftens jechs bis acht Jahre Kriminal:
feftungshaft zu verbüßen haben. Unb das geſchah alles, ehe die
Karlsbader Beichlüfle, deren auf fünf Jahre berechnete Gültig:
keit demnächſt ablief, am 16. Auguft 1824 auf unbeftimmte
Zeit verlängert waren! Wieder ging Preußen Defterreih und
den übrigen Bundesftaaten voran in unbarmberziger Verfolgung
nur vermuteter Verbrechen! Metternich war entzüdt. Er ſah
feine fühnften Erwartungen übertroffen. Wie mit Keulen ſchlage
der König brein, rühmte er; Fürft Hatzfeld, der ultrareaftionäre
IL. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 109
preußiſche Gefandte in Wien, der aber viel mehr als dort
feiner Regierung Stanbpunft in Berlin die Anfihten und ben
Willen Metternichs vertrat, erſchien ihm wie ein moraliſcher
Herkules und von feinem Vertrauensmann in Berlin, bem
empfindfamen Wittgenftein, wollte er willen, er zittere ob bes
zu Guten, berjelbe Wittgenftein, ber zunächſt etwas Preßfrei-
heit zu gewähren empfahl, um auf Grund ber daraufhin ge
thanen offeneren Aeußerungen nachher um fo firenger einzus
ſchreiten. Friedrich v. Gent aber pries ben König als ben
Retter von Deutihland und Europa und bewunderte bie un:
geheuren Fortferitte, die Preußen unter ihm in ben letzten
Jahren gemacht: wenn es nun noch katholiſch wurde, würbe
es bie kräftigſte Stüge ber Welt jein.
Wohl nahmen fi die Profefjoren mit Freimut und Ent-
ſchloſſenheit ihrer außerhalb alles Rechts geftellten Studierenden
an, und ganz vereinzelt blieb Herbart, damals auf Kants Lehr⸗
ſtuhl, mit feinem entfegten Glauben an bie buchſtäbliche Wahr:
beit der gegen bie Burſchenſchaft vorgebrachten Anſchuldigungen
und mit dem knechtiſchen Wunfche, der Regierung für die Ent-
bülung und Hinderung fo furchtbarer Anſchläge beſonders zu
danken. Deshalb wurde das Syftem Hleinlicher Beauffichtigung
und hilandfer Benormundung allmählih auch auf fie und ben
afademifchen Unterricht ausgedehnt. Die Vorlefungaverzeichnifie
unterlagen einer ſchulmeiſterlichen Kritik, um daraufhin an die
Dozenten Lob und Tadel zu verteilen. Völlig veraltete und
längft nit mehr befolgte Statutenparagraphen follten mit
einemmal wieder buchftäblich erfüllt werden; die fi Weigernden
wurden mit Gehaltsiperre bedroht. Von Lehr- und Lernfreiheit
blieb nichts übrig.” Durch Strafmandate hielt man die Pro-
fefioren zu beftimmten Vorlefungen an und plante bie Einfegung
von Studienlommiffionen, welche die Studierenden bei der Aus-
wahl der zu belegenden Kollegien überwachen follten. Auch
die Zenfurfreiheit der Univerfitäten wurde 1825 aufgehoben:
alle von ihnen zu veröffentlihenden Schriften, auch die Doftor-
diplome, follten vorher dem Regierungsbevollmächtigten vorgelegt
werben. In Königsberg dachte die philofophifche Fakultät des-
halb daran, letztere nur noch ſchriftlich auszufertigen. Und
110 Zweites Bud. Der Bau bed Einheitäftantes,
mit allebem meinte man auf den Geift ber Univerfitäten zu
wirken! Die zu ahndenden Verbrechen aber waren das Tragen
von bunten Mügen, langem Haar und altdeutjcher Kleibung.
Die fo Betroffenen wurden von ber Univerfität ausgeſchloſſen,
während denen, bie fich ſolch „unfittlihen Richtungen“ fern:
hielten, beſondere Fürforge, Teilnahme und Förderung verheißen
wurbe!
Ein Einhalten auf diefer abjchüffigen Bahn war kaum
noch möglich: felbft die Vergangenheit vergewaltigte man. Den
Neubrud von Fichtes Reden an die deutſche Nation verbot die
Zenſur 1824, ebenfo von Huttens Dialogen: fo freche Reben
gegen die katholiſche Kirche feien nicht zu dulden. Die Berufung
an das Oberzenfurfollegium (S. 104) blieb natürlich erfolglos.
Die Zenfurbehörden anderer Bunbesftaaten wurben von ben
preußiſchen als nicht fireng genug reftifiziert: der ganze um⸗
fangreide Brodhausfche Verlag, der doch bereits die ſächſiſche
Zenſur paffiert hatte, mußte vor der Zulaffung auch noch die
preußiſche paffieren. Den demagogiſchen Umtrieben im Kreife
der befonbers beargwöhnten höheren Beamten auf die Spur zu
kommen und Beweife für die Schuld ber Verdächtigten zu er:
langen, nahm man unbebenflich feine Zuflucht zur Verlegung
bes Briefgeheimnifjes: Stein, Niebuhr, Humboldt Hatten bas
zu erfahren. In mander Leute Augen lag auf diefem Gebiet
das Hauptverdienft des feit 1821 dem Poſtweſen vorgefegten
Staatsrates Nagler.
Daß Preußen unter biefen Umftänden feine Sympathien
in Deutſchland gewann, war nur natürlih. Der alten rhein:
bundleriſchen Abneigung der Süddeutſchen verhalf feine Haltung
vielmehr zu dem bequemen Schein voller Berechtigung und
moraliſcher Verbienftlichkeit. Es galt bald für außerdeutſch und
ſchließlich fur undeutfh, und die Meinung gewann immer mehr
Anhänger, eine befriedigende Geftaltung feiner nationalen Zu:
Zunft habe Deutſchland nur zu hoffen, wenn es ſich ebenfo wie
von Oeſterreich auch von Preußen löfe. In diefem Sage gipfelten
die Debuftionen bed 1821 erfchienenen „Manuffripts aus Süd-
deutſchland“, in dem unter dem Pſeudonym Guſtav Erichſon
ein Kurländer, F. 2. Lindner, weniger feine eigenen Gedanken
U. Im Dienfte der Metternichſchen Reattion. 111
als die politiſche Weisheit König Wilhelms von Württemberg
entwidelte. Er forberte Die Konftituierung eines reinen Deutſch⸗
lands mit Bayern und Württemberg als Kern, nahm alfo eine
endgültige Zerreißung in Ausfiht und fuchte das zu recht:
fertigen, indem er nachträglich die Rheinbundpolitik als bie
eigentli nationale verherrlihte.e Wenn Gruners einftige
Parole „Deutfchlands Einheit unter Preußen“ (S. 84) aus
dem Süben jegt diefe Antwort erhielt, fo lag darin eine zwar
ſcharfe, aber doch nur allzu bereditigte Kritik ber Politik
Preußens, feiner deutſchen ſowohl wie feiner europäifchen, bie,
zunächſt noch unfelbftändiger als jene, blind die von Metternich
gewiefenen Wege verfolgte.
Das Repreffivfyftem, deſſen eiferner Drud in Deutſchland
jede nationale und liberale Regung nieberhalten follte, fand
fein Seitenftüd in der Polizeiauffiht großen Stils, zu ber
ſich die gegen Frankreich verbündeten Mächte durch den Parifer
Vertrag vom 20. November 1815 geeinigt hatten, indem fie
fi) aus eigener Machtvollkommenheit als Tribunal Eonftituierten,
das auf regelmäßig wieberkehrenden Kongreſſen eine europäifche
Diktatur übte. Dem Aachener Kongreß (S. 91) folgte im
Herbſt 1820 der Troppauer, dem ber König mit ben beiden
Kaifern beimohnte. Es galt, den fübeuropäiichen Revolutionen,
namentlich der in Neapel, entgegenzutreten. Die näheren Ber:
einbarungen wurden bann im Januar und Februar 1821 in
Laibach getroffen. Während Defterreih in Neapel Orbnung
machte, jollte ein ruffifches Heer die Erhebung Sardinien nieber-
werfen. Auch auf Preußens Mitwirkung wurde gerechnet, und
nur bes Minifters VBernftorff Befonnenheit — Hardenberg
war bereits abgereift — bewahrte es vor einem Abenteuer
von unüberfehbaren Folgen, indem er den Kongreß ebenfalls
vorzeitig verließ. Aber ben Theorien ftimmte Preußen zu,
welche das Laibaher Manifet vom 12. Mai entwidelte, in-
dem bie Oſtmächte das Scheitern ber ſardiniſchen Erhebung als
dur ihre unmiberftehliche Autorität bewirkt darftellten und
ihr Recht und ihren Willen zur Intervention in allen ähnlichen
Fällen verfündeten. Die hochtönenden Phrajen besfelben rebu-
zierte damals Kamp in feiner „Völkerrechtlichen Erörterung“
112 Zweites Bud. Der Bau des Einheitäftantes.
auf die einfachere Formel, in der Staatengejelihaft fei das
Net der Intervention ebenfo unentbehrlih wie die Polizei
für den einzelnen Staat.
Nach diefer Schablone ließen ſich die ſpaniſche Revolution
und die Erhebung der Griechen jedoch nicht abthun. Weber
fie begann auf dem Kongreß von Verona (Herbft 1822) ber
Zerfall des Polizeibundes der Großmächte. England trat für
die Unabhängigkeit der fpanifhen Kolonien in Südamerika
ein, und felhft Kaifer Alerander mußte bejorgen, fi dem
moralifhen Drud nit auf die Dauer entziehen zu können,
den bie nationalen und religiöfen Sympathien feines Volks
zu Gunften ber Griechen auf ihn ausübten. Sein Tod (1. Des
zember 1825) umd die inneren Gefahren, von denen fein Nach-⸗
folger Nikolaus fi mit dem Dekabriftenaufftand bedroht ſah,
beſchleunigten den Umſchwung, ber nach vergeblihem Bemühen
Metternich um Erhaltung des Friedens 1828 zu dem rufs
fiſch⸗türkiſchen Kriege führte und die dem Erliegen nahen
Griechen rettete. Da England an ber Erhaltung ber ſchwer
bebrohten Türkei das größte Interefie hatte, Defterreih aber
durch jeden Machtzuwachs für Rußland ſich jelbft gefährdet ſah,
ſtand ihr Einſchreiten bevor und damit der Ausbruch eines
europäiſchen Krieges. Er drohte vor allem Preußen zwiſchen
Defterreih und Rußland hart ins Gedränge zu bringen. Um
fo mehr bemühte ſich diefes um Herbeiführung eines Vergleiches.
Dazu eilte General v. Müffling nah Konftantinopel. Aber
erſt als die Ruſſen durch Diebitſchs verwegenen Marſch über
den Balkan, der ihnen ſelbſt freilich leicht Hätte verhängnisvoll
werben können, Konftantinopel zu bedrohen ſchienen, lenkte bie
Pforte ein und ſchloß unter Vermittelung des preußifchen Be-
vollmäctigten im September 1829 den Frieden von Adrianopel.
Die europäifhe Stellung Preußens erfuhr durch dieſe
Vorgänge eine weſentliche Beflerung. Aber indem es fich Dabei
der Gefolgſchaft Defterreichs allmählich entzog, lief es Gefahr,
unter dem Einfluß des intimen perfönlihen Verhältniſſes
wwiſchen dem König und dem Zaren und durch ben pietätvollen
Kultus der traditionellen Freundſchaft ber beiden Oftmächte in
ähnlihe Abhängigkeit von Rußland zu geraten. Da bewirkte
U. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 118
die Julirevolution eine weitere Wandlung. Dem revolutionären
Königtum ber Orleans gegenüber jo wenig wie ber nationalen
Erhebung in Belgien ließ ſich König Friedrich Wilhelms nüchterne
Belonnenheit duch den Eifer feines heißblutigen ruffifchen
Schwiegerſohnes zur Anwendung des in Laibach proflamierten
Rechts der Intervention verleiten. Deſſen prinzipielle Beftreitung
durch die neue franzöfifche Regierung, die das geplante Ein:
ſchreiten der Oſtmächte in Belgien alsbald durch eine Kriegs-
ertlärung zu beantworten drohte, fteigerte die Gefahr eines
europäifchen Konflikts, als der polniſche Aufſtand Rußlands
Kräfte im Oſten band, und ber gleichzeitig erſte Einbruch ber
Cholera in Europa Heimfuchungen herbeiführte, die den Wunſch
nad Erhaltung des Friedens überall nur fteigern fonnten.
So fand die belgifhe Frage dur das gemeinfame ver-
mittelnde Eingreifen Europas eine friedliche Loͤſung. Den
polnifhen Aufftand befämpfte Preußen zwar nicht unmittelbar,
hinderte ihm aber doch in der Abwehr des ruſſiſchen Angriffs,
indem es feine Grenze militärifch befegte — Gneifenau, ber den
Oberbefehl führte, ſtarb dabei in Pofen an ber Cholera am
23. Auguft 1831 — und beſchleunigte durch Vegünftigung ber
Ruſſen bei Vorbereitung des legten vernichtenden Schlages
gegen Warſchau fein endgültiges Erliegen. Diefer Erfolg fteigerte
das Selbfigefühl des Zaren, der fi als Bändiger der Revo:
lution fühlte, in einem Maße, das Preußens Selbftänbigfeit
in ähnlicher Weife in Frage flellte, wie es Defterreihs Ein-
fluß fo lange gethan hatte. Doc wußte man ſich bier befier
zu wahren und hütete ſich troß ber perfönlichen Intimität der
beiden Herricher, fih auf die Pläne bes Zaren tiefer einzu:
laſſen, die Preußen in feinen Intereflen ganz fremde Verwide-
ungen bineinzuziehen drohten. Auch des Zaren Verſuch, bei
einer perfönlien Zuſammenkunft in Schwebt (Herbft 1833)
feinen Schwiegervater für fein politifhes Syftem zu gewinnen,
blieb erfolglos. Friedrich Wilhelm war dur die Erfahrungen
der legten Jahre doch zu der Erkenntnis gelommen, daß Preußen
nur in der Beſchränkung auf feine eigene Interefieniphäre und
deren dann um fo fräftigere Vertretung politiſch in Europa
etwas zu bebeuten habe. Allein durch bie Geltendm achung
V rud. Preußtige Geſcichie. IV.
114 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates.
eines gejunden Egoismms konnte es ſich davor behüten, wie
biaber fo oft, von den anderen Großmächten benugt und bann
unbelsgnt beifeite geſchoben zu werben. Dem äußeren An-
ſchein nad in der alten innigen Verbindung mit Deſterreich
ſowohl wie Rußland, fing Preußen doch bereits an, fi innere
li von beiden zu löfen und durch die geflifientlih minder
ſtarke Betonung des alten Gegenfages zu Frankreich, das jenen
beiden als Träger einer neuen fiegreihen Revolution boppelt
verhaßt war und gefährlich erſchien, zwiſchen ben beiden gleich
reaktionaͤren Kaiferreihen und ben überall die nationalen und
liberalen Bewegungen begünftigenden Weftmächten eine Stellung
zu gewinnen, die ihm eine größere Geltung im Rat der euro-
päifhen Mächte verhieß. Noch Inüpfte e8 an jene die gemein-
jame Sorge für die Behauptung ihrer polniihen Lande; auf
diefe wies es die fortſchreitende Erkaltımg feines Verhältnifies
zu Defterreih bin, das in bem Zollverein ben erften Schritt zu
der Bredung jeiner Vorherrſchaft in Deutſchland befämpfte.
Auch in Deutfchland erfuhr Preußens Stellung von bier
aus eine Beflerung. Die Gefahr eines europätfhen Krieges,
welche die Julirevolution heraufbeſchwor, brachte mit feiner
militäriſchen Leiſtungsfähigkeit auch feine Unentbehrlichkeit wei—
teren Kreiſen lebendiger zum Bewußtſein. In bewußtem Wider⸗
ſpruch gegen beide waren die 1821 getroffenen Beſtimmungen
über die Bundeskriegsverfaſſung auf die Filtion gegründet, die
Träger ber beutichen Wehrkraft feien eigentlich die Mittel:
flaaten, und daher war ihnen die Stellung von vier Armee:
corps von insgefamt 120000 Mann zugewieien, während
Defterreih 97 000 und Preußen 80 000 Mann aufbringen, ben
Feldherrn aber der Bundestag wählen follte. Zur Ausführung
dieſes papiernen Programms war natürlich feither nichts ge
ſchehen. Um fo größeren Eindrud machte nun die Erkenntnis
von der thatfächlich Hilflofen Lage des Bundes im Falle eines
Krieges, namentli in Süddeutſchland. Obenein traute man
vielfach auch den eigenen Untertfanen nit. Es wäre freilich
nicht zu verwundern geweſen, wenn biefe nach der Behandlung,
die fie feit Jahren erfuhren, mit Frankreich fympathifiert hätten.
Auch Frievrih Wilhelm drüdte diefe Sorge: er verlangte von
II. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 115
dem Minifter Vernſtorff geradezu ein Gutachten barliber, wie
im Fall eines Nrieges die Ruhe im Innern aufrecht erhalten
werben Inne. Der Minifter war ehrlich genug, als das beite
Mittel die Abftelung der herrſchenden Mißbräuche zu bezeichnen,
die zufammen mit dem Schmerz über bie Zerriffenheit Deutſch⸗
Ianbs ben gerechten Unmillen ber Unterthanen erregten. Gin
Krieg dürfe daher nicht als im Dienfte der Legitimität geführt
dargeſtellt werden, ſondern ala geboten zum Schu bes vater-
landiſchen Gebietes. In diefem Sinne müffe das Volk wie 1813
durch patriotiſche Schriften beichet werben. Die Wehrkraft
zu Reigern, ſchien ihm ber ficherfte Weg der Abſchluß von Spezial
verträgen mit einzelnen Regierungen. Alfo auch er riet, dabei
son bem Bunde abzuſehen, empfahl das von Humboldt vertretene
Prinzip (S. 99) und traf im weſentlichen mit Rotz' Vorſchlag
zufammen (März 1822). Aber ber König wollte nicht ohne
Deſterreich vorgehen. Durch General Röder lieh er zunachſt
¶ Dezember 1830) in Wien den Vorſchlag madjen, im Fall bes
Krieges drei Heere aufzuftellen, zwei preußtfche, das eine, durch
die Eleineren norddeutſchen Rontingente verftärkt, an ber Mofel,
das andere mit ben ſuddeutſchen Kontingenten zufammen am
Der: und Mittelrhein, und ein öſterreichiſches in Schwaben.
& war ſchon ein Erfolg und lehrte, wie bie Zeiten fi wan-
delten, daß man in Wien einen folden Gedanken nicht einfach
urudwies. Das verbot die Unficherheit der Lage und namentlich
die Rüdfigt auf die Revolution in Italien. Doch zögerte marı
die Entſcheidung moglichſt Hin. Deshalb Inüpfte Preußen durch
General Rüble v. Liltenftern auch direkt mit den fuddeutſchen
Staaten am, Seine Borfchläge fanden dort die befte Aufnahme.
Die von ihm empfohlene Wahl eines ſuddeutſchen Bundesfeld⸗
berem fiel auf den Feldmarſchall Wrede. Nun proponierte Defters
reich die Bildung zweier Heere, von denen eins, bie nord⸗
deutſchen Truppen, Preußen, das andere, bie ſuddeutſchen, es
ſelbſt befehligen follte. Aber die von ihm durch General Elam
in Berlin geführten Unterkanblungen blieben ohne Ergebnis.
Dagegen traten ebendert im Mai 1832 militärifche Vevoll⸗
machtigte der fuddeutſchen Staaten, Sachſens und Hannevers
zufonmen und nahmen bie preußiſchen Vorſchläge unverändert
116 Zweites Bud. Der Bau de Einheitsſtaates.
an. Es blieb für den Kriegsfall mit Zuftimmung Defterreichs
bei ber Aufftelung von brei Heeren, zwei aus Preußen und
Bundestruppen gemiſchten am Mittel- und Niederrhein und
einem öfterreihifhen am Oberrhein.
Nun kam der Krieg ja nicht zum Ausbruch, und biefe
Vereinbarungen blieben ohne praftifhen Wert. Aber daß ſolche
Verabrebungen hatten getroffen werden können, lehrte, daß
man in Deutſchland zur Einfiht kam und zu begreifen anfing,
wo wirklich militärifhes Wollen und Können vorhanden war.
Und der darin bethätigte Stimmungswechſel Preußen gegen»
über blieb nicht auf die militäriſchen Kreife beſchränkt. Eben
um jene Zeit erihien bes Württembergers Paul Pfizer „Brief-
wechfel zweier Deutſchen“, der überrajchend Fühn und folgerichtig
für die Einigung Deutſchlanda unter Preußen eintrat, freilich
unter ber Borausfegung, daß biefes in Fonftitutionelle Bahnen
einlenkte. Pfizer nimmt einen aus Abgeordneten ber einzelnen
Ständeverfammlungen beftehenden deutſchen Bundestag in Berlin
in Ausfiht, dem der König von Preußen als alleiniger Ver:
treter ſämtlicher deutſcher Fürften gegenüberftehen fol. Das
Ausſcheiden Defterreihs aus Deutſchland war dafür felbftver-
ſtändliche Vorausfegung.
In Preußen felbft aber dachte man in dieſen Stüden über
das militäriih Notwendige noch nicht hinaus. Der eben ges
nommene vielverheißende Anlauf blieb ohne Fortſetzung. Mit
dem Rüdtritt und Tod Bernftorffs und feiner Erfegung durch
Ancilon befam die reaftionäre Partei wieder entſcheidenden
Einfluß aud auf die Leitung des Auswärtigen. Erfterbend
in bewundernder Hulbigung vor Metternid, war der neue
Minifter nichts als ein gefügiges Werkzeug in deſſen Hand, unter
feiner Leitung eifrigft bemüht, das durch die Yulirevolution
erfütterte Syſtem ber Reaktion zu erneuen und zu feftigen.
Die dur franzöſiſchen Einfluß gefteigerte liberale Agitation,
in der die rabifalen Parteien vorzumalten anfingen, leiſtete
dem unbeilvoll Vorſchub. Das Hambacher Feſt (27. Mai 1832)
und das durch die erbitternde Steigerung bes Drudes provo⸗
zierte Frankfurter Attentat (3. April 1833) wurden ausgenutzt
wie einft die That Sands. Schon in Vorbereitung befindliche
1. Im Dienfte der Metternihfchen Reaktion. 117
neue Zwangsmaßregeln wurden als ſittlich gebotene flaats-
rettende Alte in Scene gefegt. Ancillon fonnte fi dabei in
dem Glanze, als Gehilfe Metternichs mitwirken zu dürfen und
Preußen in Bezug auf Preſſe, Verfammlungen, Univerfitäten
u. ſ. w. einem Polizeifgftem zu unterwerfen, zu dem fein Volk,
durch die Julirevolution zu feiner Ausſchreitung verleitet, nach
feines eigenen mißtrauiſchen Königs Urteil eigentlich nicht ben
geringften Anlaß gegeben hatte. Die Zentralunterſuchungs⸗
kommiſſion lebte in etwas abgeſchwächter Geftalt wieber auf,
hauſte aber viel ſchlimmer noch als ihre mit größeren Macht:
befugniffen ausgeftattet gewefene Vorgängerin. Das Kammer⸗
gericht entfaltete eine furdtbare Thätigfeit und wütete nament-
li unter der afabemifchen Jugend. Neue Minifterialfonferenzen
in Wien (Januar bis Juni 1834), deren Seele neben Metter-
nich wieder Ancillon war, ſchmiedeten durch eine lange Reihe
geheim zu haltender Beſchluſſe dem deutfchen und bem preußis
ſchen Volle neue Feſſeln und erflärten das Syftem ber Dema-
gogenverfolgungen eigentlich in Permanenz.
II. Die Schwankungen der Berfaffungsfrage.
1815—1823,
„Da dreifache Primat der Waffen, der Konftitution, der
Wiſſenſchaft ift es allein, der uns aufrecht zwiſchen den mäch⸗
tigen Nachbarn erhalten Tann,” hatte Gneifenau einft erklärt.
Der Primat der Waffen war durch die allgemeine Wehrpflicht
begründet, aber bereit# wieder bedroht dur die namentlich
von Karl von Medienburg (S. 83) vertretene realtionäre Strör
mung aud im Gebiete des Heerweſens, welhe den Beſtand ber
Landwehr in Frage ftellte. War ein Primat der Wiſſenſchaft
für Preußen noch möglig, wenn es, die Rarlabader Beichlüfie
no übertrumpfend, feinen Univerfitäten die elementarften Be-
dingungen bes Gebeihens entzog und Lehrer und Jünger ber
Wiſſenſchaft auf die nihtigften Vorwände hin nahezu für vogel-
frei erflärte? Die politiſche Richtung, die damit in Preußen
zur Herrſchaft kam, wollte von einem Primat der Konftitution
nichts wiſſen, fegte vielmehr alles daran, feine Gewinnung zu
bintertreiben. Planmäßig und mit wachſender Crbitterung
ſtemmte fie ſich dazu ber Richtung entgegen, in melde bie
Entwidelung Preußens naturgemäß einzulenken im Begriff ftand,
wenn man fie dem Walten ber feit Jahren in ihr herrſchenden
Logik der Thatſachen überließ.
Bereits in ber Denkicrift, die er im Mai 1806, beim
Nahen der großen Krifis, aufgefett hatte, um dem König frei-
mütig die im Staate herrſchenden gefährlichen Uebelftände dar-
zuthun und in der Rabinettsregierung deren vornehmfte Quelle
zu befeitigen (9b. III, S. 390), hatte Stein den Sat aufgeftellt,
Preußen habe überhaupt Feine Staatsverfaflung, weil die oberfte
Gewalt nicht zwifchen dem Oberhaupt und ben Stellvertretern
der Nation geteilt jei. Er fah in ihm nur ein verhältnis.
II. Die Schwankungen der Verfaffungsfrage. 119
mäßig junges Aggreget von vielen einzelnen, durch Erbſchaft,
Kauf und Eroberung zufammengebradhten Provinzen. Die in
einigen von diefen vorhandenen Stände kamen nur als örtliche
Korporationen in Betracht. Sie waren wohl geeignet, an ber
BProsinzialverwaltung teilzunehmen, Tonnten dagegen auf bie
allgemeinen Angelegenheiten nur lähmend und flörenb ein»
wirten. Fir Stein war alfo das Ziel, auf das die politiſche
Entwidelung Preußens gerichtet werden mußte, ſchon damals
der Webergang von dem abjoluten Königtum zum Repräfentativs
ſyſtem: er war ber intellektuelle Urheber desfelben für Preußen.
Wie er ſich die Ausführung gedacht Kat, iſt nicht ſicher
estennbar. In der Denkſchrift über die zwedmäßige Bildung
der oberfien und Provinzialbehörben, die er zu Naffen 1807
ausarbeitete und als Programm mit nad Memel brachte
(3. II, 6.433), ſprach er zwar nicht ausdrüdlih von der
Notwendigkeit einer Repräfentativverfaffung, empfahl aber
doch im allgemeinen, die Regierung möge ſich durch bie Kennts
niſſe und das Anjehen aller gebildeten Klaffen verftärken, in«
dem fie diefe durch Weberzeugung, Teilnahme und Mitwirkung
bei den Rationalangelegenheiten an den Staat knupfe. Das
wird um jo mehr auf eine Nationalrepräfentation gebeutet
werben dürfen, ala er felbft bezeugt, damals fei der König ber
Bildung von Reihsftänden geneigt geweien. Auch hatte biefer
in einem zur Beröffentlihung beftimmten Auffag, den ber
Freiherr ihm im September 1808 zur Billigung vorlegte, feinen
Anſtoß an den Worten genommen, bei ber Entwerfung bes
Planes für die NReugeftaltung der Zivilverwaltung fei man „von
einem repräfentativen Syſtem ausgegangen“, bas der Nation
wirffamen Anteil an ber Gefeggebung fihern und fo Gemein-
finn und Liebe zum Baterlande dauerhaft begründen fole. Und
als Stein im November 1808 dem Zuſammenwirken jeiner
einheimiſchen Gegner mit ben fremden Gemalthabern weichen
mußte, fand in jeinem von Schön aufgeſetzten politiſchen
Teſtament (Bd. II, ©. 468), das er feinen bisherigen Mit-
arbeitern als Programm für die Zukunft Binterließ, auch bie
Forderung einer allgemeinen Nationalrepräfentation ihren Platz.
Wie er fi deren Einrichtung dachte, bleibt freilich unklar,
120 Zweite Bud. Der Bau bed Einheitäftaates.
wenn er bemerkt, jeber aktive Staatsbürger, er befige hundert
Hufen oder eine, er treibe Landwirtſchaft oder Fabrikation
ober Handel, er habe ein bürgerlihes Gewerbe oder fei durch
geiftige Bande an den Staat gefnüpft, folle ein Recht auf
Repräfentation haben. Bon ber Ausführung diefes Planes
wird Wohl und Wehe bes Staates für abhängig erflärt, da
nur auf dieſem Wege der Nationalgeift pofitiv erwedt und belebt
werben könne.
Auch hatte Stein die Verwirklihung feiner Abfichten be
reits eingeleitet, indem er bie Ausarbeitung von Plänen für
eine allgemeine Nationalrepräfentation anregte. Einen folden
überreiähte ihm am 20. September der treffliche Binde (geb. 1774,
get. 1844), einft fein Nachfolger in Münfter, dann an dem
Neformmerk hervorragend beteiligt. Ein anderer rührte von
dem aus Schlefien gebürtigen Staatsrat v. Rhediger her. Be—
fonders beteiligt war an biejen Arbeiten Stägemann, deſſen
prinzipielle Stellung dadurch genügend gefennzeichnet wird, daß
er von ber durch Auerswald angeregten Reform bes oſt⸗
preußiſchen Provinziallandtages fo lange nichts wiſſen wollte,
als „das fihere Fundament einer Einwirkung des Volkes auf
die höchſte Gewalt” fehle. Auch Boyen hatte bereits im Sep-
tember 1808 dem König eine Denkſchrift überreicht, welche die
Entſcheidung über Krieg und Frieden einem aus Volksvertretern
der ganzen Monarchie berufenen Landtage überweifen wollte,
und Mitte Oktober hatten Scharnhorft, Gneifenau, Grolmann,
Nicolovius, Süvern und andere über Annahme oder Verwerfung
der Konvention vom 8. September durch Vertreter des Volles
befohließen laffen wollen. Die Idee der Nationalrepräfentation
war aljo bereits lebendig, das heißt allen politifch denkenden
Preußen geläufig.
Mit dem Sturze Steins ftarb fie wieder ab, gefliſſentlich
zurücgedrängt zu Gunften einer Reform ber Provinztalftände.
Diefer aber wiberftrebten die Privilegierten um fo hartnädiger,
als fie dadurch noch mehr belaftet zu werben fürdteten. Auch
Harbenberg dachte urfprünglid nicht an eine wirkliche Volks—
vertretung, ſondern wollte nur ben einzelnen Verwaltungs:
zweigen fachkundige Repräfentanten beiordnen. Aber ala er
II. Die Schwankungen der Berfaffungsfrage. 121
1810 an die Spige der Geſchäfte trat, Inüpfte er auch in
diefem Punkte an die Steinen Anfänge an und nahm von
den bisher entftandenen Arbeiten darüber Kenntnis, obgleich
der Minifter Graf Dohna die Nation für eine Konftitution
nod für nicht reif erklärte und meinte, in der gegenwärtigen
unglüdliden Lage des Staates könne ein Experiment ber Art
verhängnisvoll werben, da die durch fie gebotenen harten Maßs
nahmen nur um fo beftigeren Widerftand finden würden.
Selbft eine Berufung von Notabeln hielt er für gewagt, da
fie entweber erfolglos bleiben oder ebenſo nachteilig wie ein
Reichstag wirken werde.
Da aber fein Finanzplan, von deſſen Realifierung zunächſt
alles abhing, ohne die in irgend einer Form eintretende Mit-
wirkung ber Nation nicht durchführbar war, befeftigte ſich Harden⸗
berg immer mehr in ber Weberzeugung von der Unumgänglic-
teit des Repräfentativfuftens. Bereits in dem Ebift über bie
Finanzen bes Staates vom 27. Oktober 1810 ließ er ben
König erklären, er beabfihtige „ver Nation eine zwedmäßig"
eingerichtete Repräfentation ſowohl in den Provinzen als für
das Ganze zu geben, deren Rat er gern benugen merbe”.
Das Prinzip alfo ſtand bereits feſt. Für die Ausführung fehlte
noch ein beftimmter Plan, und die Meinungen der Beteiligten
gingen weit auseinander. Hardenberg beabſichtigte eine bloß
beratenbe Verfammlung, die „nad ben brei Grundlagen von
Belt, Einfiht und Sitten“ gewählt werden, aber „ber Ver-
waltung völlig fremd bleiben“ follte.
Eine abfonderlihe Einleitung zur Verwirklichung folder
Pläne war es freilich, wenn auf den 23. Februar 1811 durch
bie Regierung ernannte Landesdeputierte ala Notabeln einberufen
wurden, darunter fo wenig Städter und Bauern, daß die Ver:
fammlung gerabezu zur Verteidigung der Abelsprivilegien be
fimmt fehien. Auch bereitete fie dem Staatsfanzler große
Schwierigkeiten, die auch fein gewaltfames Durchgreifen nicht
befeitigte. Gerade dieſe abligen Herren lärmten gegen ben
leeren Schein einer folden Repräfentation und forderten eine
allgemeine ftändifhe zentrale Ratsverfammlung, deren Mit:
glieder teils aus den Hauptklaſſen bes Volks erwählt werben,
122 Zweites Bud. Der Bau bed Cinheitöftaates.
teils durch die Geburt berufen fein follten. So wurde Harden⸗
berg weiter vorwärts gebrängt. Noch waren bie Rotabeln nit
entlaflen, als am 7. September bas „Fernerweite Edikt über
die Finanzen des Staates und bas Abgabenfyftem” die Zufage
einer „zwedmäßig eingerichteten Repräfentation ber Nation”
wieberholte, zugleich aber unter Hinweis auf die dazu nötigen
längeren Vorbereitungen anorbnete, es follten zu ber fofort
einzuberufenben Generalkommiſſion zur Regelung der Provinzials
und Kommunalkriegsſchulden außer den vom König ernannten
von jeber Provinz noch vier Mitglieder gewählt werben, zwei
aus den Rittergutsbefigern, eines für bie großen und eines für
die Heinen Städte und das flache Land, und aud die brei
Hauptftäbte Königsberg, Berlin und Breslau je eines ent-
jenden. Sie jollten „vorerft die Nationalrepräfentation kon⸗
ftituieren und bemgemäß von ihren Wählern Vollmacht er:
halten“. Denn es liege bem König daran, in ber gegenwärtigen
Epoche, wo wechſelſeitiges Vertrauen und patriotifhes Zus
ſammenwirken notthun, fi mit achtbaren Männern aus allen
Ständen zu umgeben, die das Vertrauen ihrer Mitbürger bes
fäßen und bas feine verdienten.
Diefe „interimiftifde Nationalrepräfentation” hat bis in
den Sommer 1815 beftanden, obgleich aud ihre Verhandlungen
nicht ganz nad) Wunj der Regierung verliefen. Denn ihrem
Nomen entſprechend, wollte fie aud) wirklich ein Organ der Nation
fein und ergriff als ſolches wiederholt energiſch bie Jnitiative.
Vor allem verlangte fie dringend eine Konftitution, das heißt
eine Geſchäftsordnung und die Feiftellung ihrer Kompetenz.
Dabei aber kamen Punkte zur Sprade, bie für alles Ber-
fafjungsleben prinzipiell wichtig find. Ja, zu foldem Preußen
hinüberzuleiten hielt die Mehrheit eigentlich für den Beruf ber
Verfammlung. Am 4. Juni 1812 ſchrieb fie dem Staats
tanzler, als „von ber Nation gewählt” und beftimmt, „bas
Band zwiſchen der Monarchie und der Nation, jowie zwiſchen
den einzelnen Provinzen fefter zu Inüpfen“, wünſche fie mit einem
königlichen Kommiſſar die der Nationalrepräfentation zu gebende
Konftitution, ihre Wahl, ihre Organifation und ihre Befugniſſe
au vereinbaren und nad) erfolgter Löniglicher Betätigung be
UI. Die Schwankungen der Berfafjungäfrage. 123
kannt gemacht zu fehen. Das lag nun freilich nicht in Harben-
bergs Abfiht. Daher verſchärfte fi) ber Gegenfag zwiſchen
ihm und ber Verfammlung. Ihrer Autorität thue es Abbruch,
Hagte diefe, wenn fie, heute gefragt, morgen übergangen, Feine
beftimmt umgrenzte Verantwortung habe. Alle zu erlaſſenden
Edikte folten ihr zur Begutachtung vorgelegt und zur Ver:
handlung darüber Rommiflare bes Stantsfanzlers geſchickt werden.
Die Vorteile eines ſolchen repräfentativen Syftems zu rühmen,
ſei unnüg, da die Völker der preußiſchen Monarchie durch bes
Königs Verheißung zu der Hoffnung erhoben feien, jenes Reſul⸗
tat einer gebilveten Zivilifation befigen zu dürfen.
Von alledem geſchah nichts. Ja, das Gendarmeriegejeh
vom 30. Juli 1812 (8b. II, S. 480) erſchien, ohne ber Ver
fammlung vorgelegt zu fein. Mit ihrer Entrüftung fliegen "
deren Anſprüche. Man forderte für fie vollen Einblid in bie
Finanzlage, Mitteilung des ganzen Inhalts der gegen Frank—
reich übernommenen Verpflichtungen und die Aufficht über die
mit der Befriedigung der franzöfiihen Requifitionen betrauten
Beamten. Ja, am 28. Dftober erbat fie von dem König ben
Erlaß einer Verordnung, nad) ber bie zur Ergänzung ber
Armee nötigen Mannſchaften aus allen Klafien ber Staats-
bürger genommen werben jollten, im weſentlichen alſo die all-
gemeine Wehrpflicht. Das Verlangen nad einer Konftitution
im Sinne von Geſchäftsordnung dedte wirklich Tonftitutionelle
Forderungen: man wollte den Etat vorgelegt haben, Erinne⸗
rungen dazu machen und dem Monarchen bie Beſchwerden ber
Nation vortragen und neue Gefege verwerfen können. Doch
wear das nur als Proviforium gedacht: nad Vollendung ber
Verfaſſung follte die Nationalrepräfentation definitiv Fon=
ftitwiert werden. Die Verfammlung ging eben darauf aus,
gewiſſe grundlegende Verfafiungabeftimmungen gleich jest für
ſich durchzuſetzen und dann auf die endgültige Nationalvertretung
zu Übertragen. Auch arbeitete Hardenberg mit Hilfe ber
Staatsräte Hippel und Scharnweber einen Entwurf der Art aus,
Als Nationaltepräfentation zu handeln, fehien bie Ver—
fammlung mit dem Beginn der großen Krifis von 1813 vielen
erſt recht befugt, ja verpflichtet. Als der ganzen Monardie
124 Zweite Bud. Der Bau bed Einheitsſtaates.
zugehörig, meinte man, müſſe fie bei dem König fein, ihm
daher nad Breslau folgen. Obgleich die unruhigen Zeitver⸗
bältniffe, das Ausbleiben der Diäten, der Eintritt in bie Frei-
willigencorpg und anderes mehr die Zahl der Mitglieder ber
denklich verminderten, erklärte fie doch als Vertreterin aller
Provinzen und aller Stände am 13. Februar dem König in
einer Adreſſe, die Nation fei für die Ehre und Selbftändigfeit
bes Thrones zu jedem Opfer bereit, forderte auch alle Märker
und Sclefier, Pommern und Preußen, bie nicht ſelbſt als
Freiwillige eintreten Fönnten, auf, nad) Kräften zur Ausrüftung
anderer beizufteuern, da fo jeder Staatsbürger zur Rettung
bes Vaterlandes mitwirken könne. Der Krieg machte ihren
Verhandlungen ein Ende. Doc wurde fie, dur Neuwahlen
ergänzt, im Februar 1814 nochmals berufen, um unter Leitung
einer Föniglihen Immediatlommiffion an den Beratungen teil«
zunehmen über zwedmäßige Ausgleihung ber Kriegslaften, die
Erhaltung des Grunbbefiges, die Eigentumsverleihung an bie
Bauern und anderes mehr. Es kam dabei zu ähnlichen Kon—
flikten wie in der erften Seffion. Ueber den ihr angemwiejenen
BWirkungsfreis hinausgreifend, richtete die Verfammlung, auch
unter Berufung auf des Königs Verſprechen, an Hardenberg
die Bitte, den Erlaß der Verfafjung möglicäft zu beſchleunigen.
Gewiß haben die Beratungen der interimiſtiſchen National-
tepräfentation dazu beigetragen, bie Fonftitutionelle Idee in
Preußen einzubürgern. Auch den König kannte man als ihren
Anhänger. In der Kabinettsordre vom 3. Juni 1814 über die
Neuordnung ber Minifterien und die Kreierung bes Staats:
rates ſprach er bie Abſicht aus, „über die Anorbnung ber
ſtändiſchen Verfaflung und Repräfentation nach feiner Rüd-
kehr Beſchluß zu faflen“. Auch waren auf dem Wiener Kon:
greß die Vertreter der deutſchen Staaten zunächſt darin einig,
daß dieſe repräfentative Verfaffungen erhalten follten, und zwar
nad) Preußens Anſicht mindeftens mit dem Recht ber Steuer:
bemilligung. Bon Württemberg, Baden und Hannover lagen
die Entwürfe dazu bereits Anfang 1815 vor. Auch hatte fi
Preußen mit Defterreih, Bayern, Hannover und Württemberg
über gewiſſe Grundfäge geeinigt. Die Ausarbeitung des Ver-
II. Die Schwankungen ber Berfafjungsfrage. 125
fafjungsentwurfs wurde Stägemann aufgetragen. Anfang März
ſcheint diefer dem Abſchluß nahe geweſen zu fein. Ob er aber
mit den von ihm befolgten Prinzipien durchdringen würde,
zweifelt er ernftlih. Auch Eichhorn erklärte, diefer Regierung
nichts Ordentliches zutrauen zu fönnen. Die Meinungen gingen
zudem über die wichtigſten Punkte noch weit auseinander.
Während Stägemann allen Staatsbürgern Wahlrecht geben
wollte, entwarf Zerboni di Spofetti, nachmals erfter Ober:
präfident von Pofen, eine Verfafjung mit einem „Reichstag“,
der aus ben Provinziallandtagen hervorgehen follte, in benen
nur die großen Grunbbefiger in Stadt und Land wahlberechtigt
waren. Die prinzipielle Entſcheidung aber ftand fo feſt, daß
in den Patenten, durch die der König von ben ihm zugefallenen
Gebieten Befig ergriff, die Einführung einer Verfaſſung in
verfehiedenen Wendungen zwar, aber doch beſtimmt zugeſagt
wurde. Den Nieberrheinländern und Pofenern (5. April) wurde
die Bildung einer Nepräfentation verheißen, den Danzigern
(15. Mai) die Teilnahme an der Konftitution, die der König
allen feinen getreuen Unterthanen zu geben beabfichtige, ben
Sachſen (22. Mai) neben der Erhaltung ihrer ſtändiſchen Ver:
faſſung Anflug an die allgemeine, die der König feinen ge—
famten Staaten gewähren wolle. Und das Gleiche gefhah mit
faft denfelben Worten am 15. Juni für die Preußen wieder
gewonnenen Gebiete, die Altmark, Magdeburg, den Saalekreis,
Halberftabt u. f. w., den 21. für Weflfalen einer und bie
oranifchen Lande andererjeit# und endlih am 19. September
für Pommern und Rügen. In dem Aufruf an die Bewohner
der Nieberrheinlanbe, der bie Befigergreifung begleitete, wurde
zwar bie Verfaflung nicht erwähnt — wie Stägemann befennt,
um ben Schein einer aus Furcht gemachten Konzeſſion zu vers
meiden —, wohl aber die Zufage gegeben, daß die Steuern
mit Zuziehung ber Unterthanen reguliert werben follten nach
einem allgemeinen, aud für die übrigen Provinzen feitzus
fRellenden Plane. Ein Glied in diefer Kette ift nun auch bie
nachmals fo heiß umftrittene Verordnung vom 22. Mai 1815
über die zu bildende Repräfentation des Volle. Sie darf
daher nicht aus dieſem Zufammenhange gelöft und allein ber
126 Zweites Bud. Der Bau des Einheitöftaates.
trachtet und jedenfalls auch nicht auf eine etwa durch Karben»
berg veranlaßte plöglihe Entſchlleßung des Königs zurüdgeführt
werden. Vielmehr beftand offenbar urſprünglich die Abſicht,
bereits in Wien eine vollſtändige Berfaffungsurkunde für Preußen
berzuftellen unb entweder von dort aus oder gleich nach ber
Nüdtehr des Königs in bie Heimat zu verkünden. Erft bie
Schwierigkeiten, die fi bei ber Ausarbeitung ergaben und
bie in Muße zu begleichen ber Wieberausbrud bes Krieges
vollends nicht Hoffen ließ, bewirkten, dag man ſich darauf bes
ſchränkte, jegt nur die Grundzüge ber Verfaflung gefeglich feft-
zulegen, die Ausarbeitung im übrigen aber einer Kommiſſion
überließ, die möglichſt bald in Berlin zufammentreten follte.
Das Ergebnis dieſer Erwägungen und ber auf Grund ber-
felben geänderten Dispofitionen ift der Erlaß vom 22. Mai 1815.
Man beeilte ihn jo, um angefichts der erneuten Gefahr bem
Volke ein Verſprechen zu geben, das es kampfesfroh und opfers
freudig fiimmte und den dur die Enttäuf_ungen des Frei—
heitsfrieges entfiandenen Unmut befeitigte. Der Erlaß ſtammt
aus ber Feber Stägemanns. KHarbenberg billigte ihn und legte
ihn dem König vor. Sachlich damit einverftanden, nahm biefer
nur an dem Ausbrud „Reichsſtände“ Anftoß, und zwar, weil er
ihn an bie ehemaligen deutſchen Neicheftände erinnere, mit
denen ſich ihm die kläglichſten Vorftelungen verfnüpften; daher
wurbe er durch „Landesrepräſentation“ erjeßt.
Obgleich — jo führt anfnüpfend an die Verorbnung über
die verbefferte Einrichtung der Provinzialbehörden vom 30. April
ber Erlaß aus — in Preußen bisher die bürgerliche Freiheit
und eine gerechte und geordnete Verwaltung in den Eigen-
ſchaften ber Regenten und ihrer Eintracht mit dem Volk bie
bei ber Unvollkommenheit und dem Unbeftande menschlicher
Einrichtungen erreihbare Sicherheit gefunden habe, beabſichtige
der König doch, fie dadurch noch fefter zu begründen, daß er
zum Beweife feines Vertrauens in bie preußifche Nation und
um ber Nachkommenſchaft die für die Regierung fo lange maß«
gebenden Grimbfäge treu zu überliefern, fie vermittelft einer
ſchriftlichen Urkunde als Verfaffung des preußiſchen Reiches
dauerhaft bewahren laſſe. Dazu verfügt er die Bildung einer
1. Die Schwankungen ber Berfaffungsfrage. 127
nRepräfentation des Volles“. Die vorhandenen Provinzials
fände jollen daher zeitgemäß erneuert, wo fie fehlen, ſolche
eingerichtet werben. Aus ihnen fol die Verfammlmg ber
Lanbesrepräfentanten gewählt werben, bie in Berlin alle bie
perfönligen und Eigentumsrechte ber Staatsbürger mit Ein-
ſchluß der Befteuerung betreffenden Gefegentwärfe beraten
ſollen. Sur Organifation ber Provinzialftände und der Landes»
tepräjentation, ſowie zur Ausarbeitung der Verfaſſungsurkunde
nad) den aufgeftellten Grundſätzen follte, durch den aud zum
Berfig berufenen Staatsfanzler ernannt, eine Kommiffion von
einſichtsvollen Staatsbeamten und Eingejeflenen ber Provinzen
am 1. September in Berlin zufammentreten.
So gewiß biefer Erlaß vom 22. Mai 1815 nicht aus einer
plöglien, durch Hardenberg bewirkten Aufwallung des Königs
hervorging, jondern das Ergebnis jahrelanger Erwägungen
war, ſo entſchieden war es doch ein Fehler, daß der Bau des
Ionftitutionellen Einheitsftaates begonnen werben follte von den
partifulariftiich zerfahrenen Provinzen, in denen bie neuerdings
zufammengelegten Landſchaften nod nit miteinander ver-
wachen waren. Einer Landesrepräfentation gegenüber konnten
die alten ftändifchen Körperfaften nur verlieren, etwa nen
formierte niit auffommen: beide waren daher ihre gef hmorenen
Gegner. Auch ımter den hohen Beamten fehlte es nit an
ſolchen, die wohl die Rechte der Stände erweitert fehen, aber
von einem das ganze Land vertretenden Landtage nichts wiſſen
wollten, weil ein folder die Selbftändigfeit des Lanbesheren
bedrohe. Auch militärifcge Bedenken wurden laut. Man war
der Kriegalaften müde und erfehnte Erleigterung: wirben nicht
auch die Landesrepräfentanten ſolche Wünfche vertreten, fi
vieleicht gar Karl v. Notted anſchließen, der bereits 1816 bie
Parole ausgegeben hatte, jedes guten Bürgers Loſung fei bie
Auflöfung der flehenden Heere und die Schaffung einer natio-
nalen Wehrkraft? Trogdem beftimmte ber König bei ber
Einrichtung des Staatsrats (20. März 1817) eine 22 Mitglieder
zählende Kommiffion desfelben ausbrädlih für das Studium
der BVerfafiungsfrage und die Vorbereitung bes Erlaffes ber
Verfaſſung. Am 7. Zuli 1817 beſchloß biefe, zunächſt bie in
128 Zweites Bud. Der Bau des Einheitöftaates.
den Provinzen beftehenden und bie früheren ſtändiſchen Ber-
hältniffe durch drei Kommiſſare an Ort und Stelle fubieren
zu laſſen. Klewitz bereifte Brandenburg, Sachſen, Schleſien
und Poſen, Beyme Pommern und Preußen, Altenſtein die
weſtlichen Provinzen. Aber ihre Berichte ſteigerten die Ber-
wirrung nur. Die Wunſche der Provinzen gingen nad) den
entgegengefegteften Richtungen auseinander: Nur an Mangel
an Gemeinfinn und Unluft, dem Ganzen Opfer zu bringen,
waren fie alle gleih. Cs verminderte die Schwierigkeiten
nit, daß ber König der Kommiffion feine Willensmeinung
dahin Hatte kundthun laſſen, die fünftigen Stände dürften
nur eine beratende Stimme haben und fi nie in bie Ber
waltung miſchen.
Bald danach fteigerte das Wartburgfeft bie Schwierigkeiten,
die fi Harbenbergs Bemühen um Erfüllung jener Zufage ent»
gegenftellten. Die Kämpfe, welche die ſuddeutſchen Verfafjungen
veranlaßten, die Warnungen ber fremden Mächte vor ber
Heraufbeſchwörung ähnlicher Gefahren und bie eifrige Minier:
arbeit der Reaftionäre am Hof und im Staatsdienſt nährten
des Königs autofratifhe Abneigung gegen jede Verkürzung
feiner Macht und fein Mißtrauen gegen liberale Maßnahmen.
Daß von den Vorkämpfern der Verfaſſung die einen nur eine
Erweiterung bes alten Ständeweſens auf das Staatsganze,
die anderen eine wirkliche Volksvertretung erftrebten, Tähmte
ihre Aktion natürlich einigermaßen. Je ernfler man die Sache
nahm, um fo ſchärfer wurden die Gegenfäge. Je offener von
ber einen Seite die Erfüllung der gemachten Zufagen hinaus
gehoben werben follte und bald in Frage geftellt war, um
fo lauter erhob man auf der anderen Forderungen, welde bie
Warnungen der Reaftionäre zu betätigen ſchienen. Namentlich
im Rheinland wuchs die Ungebuld bes liberalen Bürgertums,
während der Adel entſchieden gegen eine Verfaflung war. Aus
den Kreifen des erfteren wurbe Harbenberg bei einem Beſuch
in der Provinz im Januar 1818 auf Anlaß von Görres eine
Adreſſe überreicht, die um endliche Ausführung des 13. Artikels
der Bundesakte mahnte, wozu bie Bittfteler gebrungen fein
wollten, nicht bloß als Bürger ber preußifhen Monarchie, ſon⸗
I. Die Schwankungen der Berfaffungäfrage, 129
dern als „Teutſche“ durch Die Sorge um das Heil des gefamten
Baterlandes. Das nahm der König ungnädig auf: er zürnte,
daß man „freventlih“ an der Unverbrüclichkeit feiner Zufage
geqweifelt habe, erklärte aber zugleich in einer Kabinettsordre
vom 21. März 1818, den Zeitpunkt für die Gewährung ber
verheißenen Verfaffung zu beftimmen, fei ausſchließlich feine
Sache.
Hardenberg verlor in dieſer ihm befonders. am Herzen
liegenden Sache beim König beforglih an Terrain. Um fid
ihr ganz wibmen zu fönnen, entlaftete er fi, indem er bie
Generalfontrolle dem Grafen Lottum überliek, das Auswärtige
aber dem bisherigen däniſchen Gefandten in Berlin, Grafen
Bernſtorff, der, weniger optimiftif, ihn an Konſequenz und
Widerftandöfraft übertraf und dadurch die Stellung Preußens
einigermaßen befierte (S. 111). Eben deshalb erftanden ber
Verfaſſung jegt neue Gegner, die fie im Intereſſe der unter
fo großen Opfern hergeftellten europäiſchen Ordnung bekämpfen
zu müſſen vorgaben. Schon in Nahen hatte Metternich dur
Wittgenftein eine Denkſchrift an den König gelangen laffen,
welche in grellen Farben die Gefahren ſchilderte, die Preußen
aus dem Repräfentativfgftem erwachſen würden. Die Zentrals
tepräfentation durch Volfsbeputierte bedeute die Auflöfung bes
preußifhen Staates, ba fie entweber mit einer Revolution ein.
treten ober zu ihr führen werde. Auch könne bie freie, ge:
diegene militärifhe Kraft, die Preußen braude, neben bem
Repräfentativfgftem nicht beftehen. Höchſtens Provinzialftände
mit ftändifcher Gliederung feien zuläffig, wie fie die königliche
Erklärung verheißen habe. Doc; bebürfe es da ebenfalls forg-
famer Prüfung, weil auch diefe leicht zur Revolution führen
tönnten; angefihts der augenfälligen Mifftände im Staate, für
die der König nächſt der Uneinigkeit der Minifter namentlich
die vorzeitige Teilnahme ber Jugend an den Staatsangelegen:
heiten verantwortlih machte. Solde Vorftellungen machten
auf Friedrih Wilhelm Eindrud: ihm entfprang die Kabinetts⸗
ordre vom 11. Januar 1819 mit ihrem peflimiftifhen Reforms
programm (S. 91). Aber auch fie hielt feft daran, daß eine
ſtändiſche Verfaſſung gegeben werben folle: ob biefe Begeichnung
Prug, Preubiſche Geihiäte. IV.
130 Zweite Bud. Der Bau des Einheitäftantes.
gefliffentlih an die Stelle der verheißenen „Zandesrepräfen-
tation“ (S. 126) gefegt wurde, mag bahingeftellt bleiben. Un-
wahrſcheinlich ift es nicht nach dem, was vorhergegangen war,
und dem, was folgte.
In jenen Tagen wurde Humboldt in das Minifterium
mehr genötigt" als berufen (S. 92). Auedrücklich erhielt er
die Bearbeitung der Verfafjungsfrage zugeteilt. Ein entſchie⸗
dener Gegner Harbenbergs, follte er da mit ihm zufammen
wirken. Ober folte er nur beifeite gehoben und unſchädlich
gemacht werben? Denn ohne ſich mit ihm genauer ins Ein-
vernehmen zu ſetzen, eilte ber Staatsfanzler, die Verfaſſung
in feinem Sinne in Sicherheit zu bringen. Ober wollte er
der hereinbrehenden Reaktion, die abzuwenden bei bes Königs
Eigenart und dem fteigenden Einfluß der Wittgenftein u. |. w.
feine Ausfiht war, rechtzeitig menigftens einen Damm ent⸗
gegenwerfen? Wenn man ihm nachſagte, auf die Runde von
Sands That habe er Hagend die Verfafjung für unmöglich
erklärt, fo war bei denen, die ſolches Gerede in Umlauf fegten,
wohl der Wunſch ber Vater bes Gedankens. Vielmehr legte
Hardenberg etwa vier Wochen danach, am 3. Mai, dem’ König
den Entwurf der Verfaffung vor. Ihn teilte er in Teplig,
wo fie die die Karlsbader Beſchluſſe anbahnende Punktation
unterzeichneten (S. 94), Metternich mit, der fi) damit ein=
verftanden erklärte. Er konnte das thun, da Preußen fi durch
jene Punktation eben verpflichtet Hatte, als Repräfentation ber
Nation nicht eine allgemeine, mit der geographiſchen und inneren
Geftaltung feines Reiches unverträglie Volfsvertretung ein
zuführen, fondern — und zwar erft nad) völliger Regulierung
feiner inneren und Finanzverhältnifie — feinen Provinzen
landſtändiſche Vertretungen zu erteilen und aus biefen einen
Zentralausſchuß von Lanbesrepräfentanten zu bilden — Worte,
denen bie beiden Staatsmänner zweifellos ganz verſchiedene
Deutungen gaben. Während Metternich meinte, den Wortlaut
der unbequemen Zufage vom 22. Mai 1815 mit feinen ver-
faffungsfreundlichen Tendenzen in einen dem Könige vermutlich
erwünfchten Einflang gebracht zu haben, hoffte Hardenberg in
diefer dehn- und deutbaren Fafjung Raum zu gewinnen, um
II. Die Schwankungen ber Berfafjungsfrage. 131
feine konſtitutionellen Abfichten ehrlich zu verwirklichen. Schwer
begreifli allerdings bleibt es felbft von einem fo unverbeffer-
lien Optimiften, wie er die in Preußen bereit begonnene und
in Karlsbad für Deutſchland organifierte Reaktion mit ben
Demagogenverfolgungen, der Mißhandlung ber Profefloren und
Stubierenden und ber Knebelung ber Preſſe gewähren laſſen
und babei der Zuverfiht leben konnte, mit ber Verfaflung fein
Werk zu frönen. Wollte er damit den perfünlichen Neigungen
und Vorurteilen des Königs ein Zugeftänbnis machen, das diefen
in ber für ihn wichtigften Frage zum Nachgeben beftimmen follte?
Wollte er dem mißtrauiſchen Herrn eine Bürgfchaft dafür geben,
daß Ausfchreitungen, wie fie jegt vorgelommen fein follten
und fo unnachſichtig geftraft wurden, mit ber Verfaflung als
folder nichts zu thun hätten und den Warnungen ihrer Gegner
zum Trog nicht gefürchtet zu werben brauchten? Welch eigens
tümliche, ſicher überfeine Berechnung diefem ſcheinbar wider⸗
ſpruchsvollen Verhalten zu Grunde gelegen haben mag: jeben-
falls traf fie nicht zu und konnte nicht zutreffen. Denn fie
berubte auf völliger Verfennung ber geiftigen und fittlichen
Eigenart Friedrih Wilhelms und feiner höfiſchen Umgebung.
Daß Hardenberg aber mit dem Eintreten für die Verfaſſung,
wie man wohl gemeint, nur eine Komöbie gefpielt, den Ges
banken daran aber in Wahrheit längft aufgegeben gehabt habe,
ift eine umerweisbare Verdächtigung. Nur der Vorwurf trifft
ihn, daß er in ber ihm eigenen Art, die Dinge leicht zu nehmen,
und in dem Glauben an fein fo oft bewährtes Glüd auch aus
diefem Wirrfal einen Ausweg nad) dem feft im Auge behaltenen
Biel zu finden überzeugt blieb und daß er bei den weiterhin
eintretenden neuen Verwidelungen, aus perjönlicher Feindſchaft
gegen Humboldt, verblenbet eben der Partei Vorſchub leiſtete,
welde die Verfaſſung Hintertreiben wollte und in der Be:
feitigung Humboldts, Boyens und Beymes (S. 96) den erften
Schritt zu feinem eigenen Sturze gethan zu haben meinte.
Nachdem er feinen Entwurf entſprechend den in Teplig
mit Metternich getroffenen Verabrebungen in einigen Punkten
umgeftaltet hatte, legte er ihn am 11. Auguft abermals dem
König vor. Zu feiner Beratung beftellte diefer einen Ausſchuß
132 Zweites Bud. Der Bau bes Einheitöftantes.
aus dem Staatsrate, dem unter bes Staatskanzlers Vorſitz
mit Humboldt und Eichhorn auch Schudmann, Ancillon und
der Präfident des Kölner Oberappellationsgerichts, Daniels, an⸗
gehörten. An das Edikt vom 22. Mai 1815 anknüpfend, ſuchte
der Entwurf das Fundament der Verfafjung in einer auf dem
Prinzip der Selbftverwaltung beruhenden Munizipal- und
Kommunalordnung. Jedes Landkirchſpiel folte einen Depu⸗
tierten wählen, ber Chrift, Grunbbefiger, mündig und un-
befolten fein follte. Dieſe Kirchipieldeputierten wählen bie
Kreistagsdeputierten. Ebenſo verfahren die Meinen Städte.
Dagegen follten die Rittergutsbefiger des Kreifes direkt eine
Anzahl von Deputierten zum Kreistage wählen, während bie
Stanbesherren das Recht der Teilnahme oder der Vertretung
auch ohne Wahl haben. Die fo zufammengejegten Kreistage
verwalten bie Kreisangelegenheiten und wählen bie Abgeord⸗
neten zu ben Provinziallandtagen. Diefe, denen ber Ober-
präfident der Provinz präfibiert, und die Standesherren und
eventuell ber Erzbiſchof und Biſchof der Provinz, dann bie
Deputierten der großen Städte, ber Gutöbefiger, ber einen
Stäbte und der Landkirchſpiele, möglicherweife aud Vertreter
ber Univerfitäten angehören follen, haben alle Provinzial
angelegenheiten unter fih, namentli das Provinzialſchulden⸗
und Krebitwefen, repartieren die quotifierten Abgaben und vers
walten die Provinzialinftitute für Armen: und Krankenpflege.
Ihre Einrichtung im einzelnen fol den befonderen Verhält⸗
niffen jeder Provinz angepaßt werden. Ueber Gejege und
Einrichtungen, welche die ganze Monardie betreffen, können
fie gutahtlih gehört werden. In ihnen wählt dann jeder
Stand aus fi Deputierte zum allgemeinen Landtage. Der
Verwaltung ganz fremd, beſchäftigt dieſe fi mit den die ganze
Monarchie betreffenden Angelegenheiten. Die Zahl der Mit-
glieder wünfchte Hardenberg möglichſt zu beſchränken und neigte
daher auch mehr zu dem Ginfammerfyftem. Die Dauer ber
Deputiertenmandate und die Häufigkeit der Landtagafeffionen
ließ er ebenfo wie die Art der Abftimmung noch unbeftimmt.
Wähldar follten innerhalb der genannten drei Kategorien alle
Staatsbürger fein ohne Unterfchied des Standes und Gewerbes.
II. Die Schwankungen der Berfafjungsfrage. 133
Dffen blieb die Frage, ob die Beantragung neuer Gefege dem
König vorbehalten bleiben ober aud dem Landtage zuftehen
follte, ebenfo, was zu geſchehen habe, wenn ber Landtag einen
Geſetzvorſchlag verwerfen follte. Auswärtige Verhältnifie, Polis
zeiverordnungen und militärifche Angelegenheiten follte er jeden:
falls nicht behandeln, feine Kompetenz alfo auf das in dem
Erlaß vom 22. Mai 1815 bezeichnete Gebiet beſchränkt bleiben.
Dann aber greift Hardenberg wieder weit darüber hinaus,
wenn er ala Punkte, bie in die Verfafiung aufgenommen werben
müffen, bezeichnet: Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Ges
ſetz, Gleichheit ber chriſtlichen Konfeffionen und Duldung und
Freiheit aller Religionsübungen, gleiche Pflichten gegen den
König und den Staat, das Recht eines jeden, ein uns
parteiifches richterlihes Urteil zu provozieren und binnen be-
ſtimmter Seit verhört und jenem Urteil unterworfen zu werben
— ein Prinzip, defien Anerkennung den Demagogenverfolgungen
alsbald ein Ende gemacht hätte —, die in Preußen längft gel
tende Unabhängigkeit der Gerite in ihren Urteilen und das
Recht eines jeden, feine Bitten und Beſchwerden in geziemender
Form an den Thron zu bringen. Schließlich regt er auch bie
Fragen an nad) der Berantwortlichkeit der Minifter und Staates
beamten, nad) der Prefreiheit und ihren Mißbräuchen, nad
der öffentlichen Erziehung, der Deffentlichkeit der Gerichte und
der fländifchen Verfammlungen. „Alles,“ fließt er, „muß
darauf gerichtet fein, daß das monarchiſche Prinzip recht be-
feftigt werde, mit dem wahre Freiheit und Sicherheit ber Perfon
und des Eigentums ganz vereinbar find, und durch foldes am
beften und bauerhafteften mit Ordnung und Kraft beftehen.
Und der Grundfag werde aufrecht erhalten: Salus publica
suprema lex esto!”
Nach alledem ift es zu bedauern, daß der Konflikt, der
Ende des Jahres 1819 innerhalb der Regierung ausbrach und
zu einem erbitterten Ringen zwiſchen Hardenberg und Hum⸗
boldt führte, dieſen Entwurf verurteilt hat, hiſtoriſches Material
zu bleiben. Es liegt doch etwas Tragifches darin, daß die
beiden Männer, die im Grunde das Gleiche für das Wohl des
Baterlandes erfirebten, eigentlih um Nebendinge und perfön-
134 Zweites Bud. Der Bau des Einheitzftantes.
licher Differenzen willen jo völig miteinander zerfielen, daß
beide dem Staatsbienfte zu erhalten unmöglih wurde. Wenn
Humboldt gegen bie übergroße Macht bes Staatskanzlers Sturm
lief, um die Minifter felbftändig zu machen, fo überjah er,
daß dadurch Hardenberg gerade in dem entſcheidenden Augen«
blid der Autorität beraubt wurde, ohne melde er, wie bie
Dinge lagen, die Verfaſſung nie durchſetzen konnte. Und wenn
Hardenberg in der Abwehr dagegen zum Berteibiger der von
jenem befämpften Karlsbader Beſchlüſſe wurde, fo vergaß er,
daß er damit eben die liberalen Grundfäge vermarf, zu benen
er fi) in feinem Verfaſſungsplan bekannte. Die Gegner biefer
und bie Lobrebner jener waren ed, bie von ihrem Streite Ge—
winn zogen. Der äußere Sieg Harbenbergs wurde dadurch
innerlich mehr als aufgemogen.
Dennoch meinte er nad) Humbolbts Nüdtritt völlig Herr
der Situation zu fein. Trug der König doch Fein Bedenken,
in der am 17. Januar 1820 ergangenen Verordnung wegen
der künftigen Behandlung des geſamten Staateſchuldenweſens
die Abſicht auszuſprechen, durch Unterordnung besfelben unter
die Reichsſtände — er hat den früher beanftandeten Ausbrud
(S. 126) bier durchgelafien — das Vertrauen zum Staate und
zu feiner Verwaltung zu befeftigen und neue Anleihen nur mit
Zuziehung und unter Mitgarantie ber künftigen reichsſtändiſchen
Verfammlung aufnehmen zu laſſen, der die Schuldenverwaltung
jährlich Rechnung legen follte, wie einftweilen dem Staatsrate.
An demfelben 17. Januar verfügte er die Ausarbeitung der
Kommunalordnung und am 12. Februar die Einjegung einer
Kommiffion zur Entwerfung ber Gemeinde: und Kreisorbnung.
Damit wäre die Bafis für die von Hardenberg geplante Ver-
faffung gewonnen worden. Diefer Entwurf aber, der am
7. Auguft eingereicht wurde, ftieß auf allgemeinen Widerftand,
da er ben Gegenjag, ber in den ländlichen und kommunalen
Verhältnifien zwiſchen dem Often und dem Weiten ber Mon-
archie beftand, nicht auszugleichen vermochte, alte Rechte kränkte
und neue Anſpruche unbefriedigt ließ. Namentlich den ftür-
miſchen Unmillen der Vertreter der erfteren rief er hervor. Das
feigerte des Königs Bedenken gegen Harbenbergs Plan. Ein
II, Die Schwankungen ber Berfaffungsfrage, 185
übriges that zu Troppau Metternich: noch nachträglich ließ er
duch Wittgenftein eine Denkſchrift an Friebrih Wilhelm ge:
langen, bie den Gebanten an eine wirkliche Repräjentation ber
Ration zu Gunften allein von Provinzialftänden befämpfte.
€r fand damals einen Verbündeten in dem Kronprinzen, ber
vol romantifcher Vorliebe für alles Mittelalterlide und als
Verehrer von Hallers Reftauration des Staatsrechts (S. 81)
nur landſtändiſche Einrichtungen zulafien wollte. Daher wurden
in die Kommiffion, bie der König Ende des Jahres 1820 zur
Prufung und Umarbeitung bes fo heftig angegriffenen Ent⸗
wurfs ber Kreis: und Kommunalordnung ernannte, fah nur
Gegner desfelben berufen. Den übelften Dienft aber leiftete dem
Staatskanzler, der die Hoffnung auf einen Erfolg noch immer
nicht aufgab, der Webereifer feiner Freunde. Im Jahre 1821
veröffentlichte 3. 3. Benzenberg, einer ber eifrigften Vorlämpfer
der neuen preußifhen Herrſchaft in den Aheinlanden, in ben
bei Brodhaus erfcheinenden „Beitgenofien“ anonym einen nach ⸗
ber auch als Buch ausgegebenen Auffag „Weber bie Staats-
verwaltung des Fürften Hardenberg” und ftellte darin deſſen
ganze politiſche Wirkſamkeit dar als gerichtet auf bie Ein-
führung eines Repräfentativfgftems, deſſen Sieg in Deutſch-
land fier fei. Natürlich ließen des Staatsfanzlers Gegner
fich nicht ausreden, er felbft habe biefen Panegyrilus ver:
anlaßt. Befonbers auf den König machte das den ungünftigften
Eindrud und verſchlechterte die Ausfihten für die Verfaſſung.
Die Rommiffion empfahl dem König, nicht bloß die Kommunal
ordnung zu verwerfen, fondern von dem Erlaß einer Ber:
faffung für den Geſamtſtaat überhaupt abzufehen und bloß
Provinzialftände einzuführen und die mit beren Vorbereitung
zu betrauende Kommiſſion aus den einzelnen Provinzen Notabeln
zu Rate ziehen zu lafien. Vergeblich widerſprach Hardenberg.
Auch in dieſe neue Kommiſſion wurden biefelben Gegner feines
Entwurfs berufen.
Hardenbergs Niederlage war vollftändig. Sie befiegelte
die Ernennung bes ehemaligen Minifters v. Voß (S. 77) zum
Vizepräſidenten des Minifteriums und bes Staatsrats (16. Sep⸗
tember 1822): nicht bloß ein erbitterter perfönlicher Feind,
1836 Zweites Bud. Der Bau bes Einheitäftaates.
ein überzeugter Gegner der gefamten Reformgefeggebung wurde
deren Schöpfer zum Vertreter gegeben, während dieſer von ben
Arbeiten der Verfaſſungskommiſſion ausgefchlofien blieb. Die
neuen revolutionären Bewegungen im Süben Europas fteigerten
mit dem Eifer der durch Metternich noch leidlih zufammen-
gehaltenen europäifchen Reaktion bie Zuverſicht der Vorkämpfer
des altftändifchen Weſens in Preußen. Hardenberg war eigent-
lich ſchon ein toter Mann, als er auf der Rüdreife von dem
Veronefer Kongreß, zu dem er den König begleitet hatte, am
26. November 1822 in Genua ftarb — zu fpät, um bie außer
ordentlichen Verbienfte nicht ſchon halb vergefien zu fehen, die
er fi weniger durch die Stärke bes Charakters als durch ge
ſchicktes Sichanpaſſen, mehr durch ſelbſtgewiſſe Erfindungsgabe
als durch in fittlidem Pathos wurzelnde ernfte ſtaatamänniſche
Arbeit um Preußen und Deutſchland, ja um Europa erworben
hatte. An feine Stelle trat Voß, der aber fon am 30. Ja⸗
nuar 1823 ſtarb. Kumboldts Berufung, die felbft dem Kron⸗
prinzen genehm war, unterblieb aus Ruckſicht auf die Kabinette
von Wien und Petersburg. In biefer Verlegenheit nahm ber
König den hochbetagten Feldmarſchall Kleift v. Nollendorf in
Ausſicht: er ſtarb noch vor Antritt des Amts (17. Februar 1823).
So blieb der Plag eines leitenden Minifters unbefegt: ber
König wollte es nach alter Art felbft fein. Die Vermittelung
zwiſchen ihm und ben Miniftern, in beren Kreis Aenderungen
nit eintraten, obgleich ſchon Hardenberg ſolche empfohlen
hatte, übernahm der bisherige Minifter des Schages, Graf
Kottum (S. 87). Damit war eigentlich die Kabinettsregierung
hergeſtellt. Wenn die ihr früher anhaftenden Mifftände jegt
weniger bemerkt wurden, fo war das teils bie Folge ber ges
wandelten Verhältnifle, teils das Verbienft der Pünktlichkeit,
Ehrlichkeit und Selbftlofigkeit, mit der Lottum die Funktion
eines Kabinettsminifters ohne den Titel eines ſolchen wahr:
nahm. Das aber darf ihm als ein um fo höheres Verbienft
angerechnet werben, als mit bem König nur ſchwer umzugehen
war, ba berfelbe mit ber ihm ftets eigenen Neigung zu So—
phiftereien, auch wo er im Unrecht war, es durchſetzen wollte,
recht zu behalten. .
II. Die Schwankungen der Berfaffungsfrage. 137
Diefem Wandel entſprach ber Ausgang der Verfafiungs-
frage. Das Ergebnis der eiligen und oberflächlichen Verhand⸗
lungen, welde die Rommiffion mit ben zur Auskunftserteilung
geladenen Notabeln der einzelnen Provinzen führte, und bes
dann in ihrem Schoße folgenden mühjamen Ringens um einen
Ausgleich der da vertretenen ſchroffen Gegenjäge war das am
3. Auguft, dem Geburtstage des Königs, verkündete Gefeg vom
5. Juni 1823 über bie Einführung von Provinzialftänden. Es
ſtellt fi dar als ein recht dürftiger Ausfchnitt aus Harbens
bergs einftigem Entwurf (S. 132). In den acht Provinzen follten
alle drei Jahre Provinziallandtage gehalten und deren Mit:
glieder zu einer Hälfte aus den Rittergutäbefigern, zur anderen
aus den ſtädtiſchen und bäuerlichen Grunbbefigern gewählt
werben. Ihre Kompetenz blieb beſchränkt auf die gutachtliche
Aeußerung über die Provinz betreffende Gefegentwürfe und die
Beſchlußfaſſung über Provinzialangelegenheiten unter Vorbehalt
der föniglihen Beftätigung. Die Verhandlungen waren nicht
Öffentlich. Bon einer Nationalvertretung, die man interimiftifch
ſchon einmal gehabt hatte, war nicht die Rede. Der Fonftir
tutionelle Gebanfe, dem Stein einft in Preußen fo vielver:
ſprechendes Leben gegeben hatte, war tot gemacht und damit
die Entwidelung des preußiihen Staates im Sinne feines
Berufes für Deutſchland auf ein Menfchenalter zum Stillſtand
verurteilt. ’
IV. Die neue Boll-, Finanz und Sfeuerordnung
und die Anfänge des Bollvereine. 1817—1834.
Das Scheitern bes Verfaffungswerkes und bie Fortdauer
des abfoluten Regiments galten ehemals allgemein für die vor:
nehmfte Urſache des unerfreulihen Ganges, den bie Dinge in
Preußen weiterhin nahmen. Erſt neuerdings ift aud die An-
ſicht laut geworben, im Gegenteil fei erft duch die Nichtein-
löfung der Zufage vom 22. Mai 1815 ermöglicht worben,
was in Preußen während der nächften zwanzig Jahre organis
ſatoriſch geleiftet wurde und feine wirtſchaftliche und politiſche
Erneuerung anbahnte. Nach H. v. Treitſchke wären die admini⸗
ſtrativen Großthaten nicht vollführt, hätte die Regierung dabei
mit einer Volkavertretung zu rechnen gehabt, weil dieſe ben
ſchopferiſchen Zug wenn nicht gelähmt, fo doch beeinträchtigt
haben würde.
Dieſe Auffaſſung geht von ber unzutrefienden Annahme
aus, bie Zufage vom 22, Mai 1815 fei dem König angefihts
des neuen Krieges durch Hardenberg gewiflermaßen abgebrungen
ober aufgerebet worden, um das Volk zu neuen Opfern mwilliger
zu flimmen. Ihre Vorgeſchichte widerlegt das: fie war nicht
ber Anfang einer neuen, fondern der vorläufige Abſchluß einer
feit lange im Gange befindlichen Entwickelung. Auch ent:
fpricht es nit den Thatſachen, wenn die glüdliche finanzielle
und wirtfhaftliche Neuordnung Preußens jo jehr als das Wert
ausfhließlih feines Beamtentums bargeftellt wird, daß man
meint, bie Mitarbeit einer Nationalrepräfentation daran würde
fie unmöglich gemadt haben. Als ob das Zufammenmwirken
jener trefflihen Beamten mit patriotiſch denkenden Volksver⸗
tretern das Reformwerk hätte zum Scheitern bringen müſſen!
Vielmehr darf behauptet werben, jene großen, für bie Zufunft
IV, Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerorbnung. 139
Preußens entſcheidenden organifatoriiden Maßnahmen feien
durchgeführt vielmehr trog bes Ausfchluffes des Bürgertums
von jeder Teilnahme daran. Und doch hatte ſich diefes 1813
einer folden ebenfo fähig wie würdig gezeigt. Aber auch jegt
nod war bie Zahl der Beamten nur Mein, die fi dem Bürger
nit überlegen gewähnt und ihn von ber Teilnahme an den
Öffentlichen Angelegenheiten ausgeſchloſſen zu fehen gewünſcht
hätten, Vielen von ihnen gingen bie Reformen von 1808 darin
ſchon zu weit, und fie machten fein Hehl aus dem Wunfche
nad einer Revifion derſelben im reaktionären Sinne, Aber
biefe Herren haben wohl bie Bauernbefreiung verfümmern und
den vollen Ausbau ber Landwehr Hinhalten, aud die Einführung
der feierlich zugejagten Volfsrepräfentation hindern können:
die duch die Verhältniffe gebotenen Neuerungen jedoch, von
denen bie Lebensfähigkeit des Staates abhing, zu bintertreiben,
haben fie doch nicht vermocht. Zu deren Träger erwuchs in
Preußen eben in jenen Jahren ein neues Beamtentum, voll
Verftändnis für die Bebürfniffe der Zeit und Anerfennung für
die Fähigfeit des Bürgertums, und durch die Erfahrungen ber
legten Jahre belehrt von der Notwendigkeit einer deutſchen
Richtung der preußiſchen Politit. Wie viel leichter würbe feine
Arbeit, wie viel größer fein Erfolg geweſen fein, wenn es ſich
dabei der Mitwirkung der Nation hätte erfreuen fönnen! Ges
wiß wäre dann mit ben feubalen Reften, die ſich gegen bie
Stein-Harbenbergfhen Reformen bisher behauptet hatten,
ſchneller und gründlicher aufgeräumt worden und bie politifche
Entwidelung Preußens würbe nicht um ein volles Menfchenalter
hinter der Süddeutſchlands zurüdgeblieben fein.
Aud haben an dem von jenen trefflihen Männern voll:
braten Neubau des Staates, freilih ohne äußerlich erfenn-
bare Bethätigung, die erftarfenden geiftigen und ſittlichen Kräfte
des zum Bewußtjein feines politifhen Berufs erwachenden
Bürgertums hervorragenden Anteil gehabt. Ohne fie wären
‘jene Erfolge unmöglich geblieben. Gerade hier erwies ſich troß
der andauernden Verfaſſungsloſigkeit und des Mangels an freier
öffentlicher Diskuffion politiſcher Fragen, troß der Zenſur und
trog der Knechtung der Univerfitäten ber Geift no immer
140 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates.
i&öpferif, der, in den Jahren der nationalen Wiedergeburt
gewedt, im Freiheitsfampfe geftählt worden war. Mehr denn
je hat er ſich gerade unter dem Drud der Reaktion bethätigt
und in ftiller Arbeit eine befjere Zeit vorbereitet. Aud bie
Regierung hat ihren Anteil daran gehabt. Reich erblühte das
höhere Unterrichtoweſen unter der trog feiner bureaukratiſchen
Neigungen weitherzigen Leitung des Minifters v. Altenftein,
der bie mißhandelten Univerfitäten wenigftens vor dem wifjen-
ſchaftlichen Ruin bemwahrte, mit dem bie Karlabader Beichlüffe
fie bedrohten, und des von Humboldtſchem Geifte erfüllten Ge-
heimrats Johannes Schulze (1786—1869), der ihnen in den
Gymnaſien die humaniſtiſche Grundlage gab, aus ber alle gei-
figen Großthaten des nächſten Menſchenalters emporgewachſen
find und die man zum Dank dafür in unferen Tagen plan=
mäßig zerflört. Auch die gleich nach ber Kataſtrophe von 1806/7
in Angriff genommene Erneuerung bes Volksſchulweſens im
Anſchluß an Peftalozzi wurde weitergeführt. Später erwarb
fi da Adolf Diefterweg (1790—1866) große Verdienfte um
die Lehrerbildung. So gewann Preußen im Gebiete der Volfe-
bildung und der Wiſſenſchaft damals thatfählih den von
Gneifenau geforderten Primat (S. 118). Berlin wurbe durch
feine junge Univerfität das geiftige Zentrum Preußens, ohne
daß babei das fpezififche Preußentum vorgeherrfät hätte. Dur
den Frankfurter v. Savigny (1779—1861), den Babenfer
Auguft Boedh (1785—1867), den Thüringer Leopold Ranke
(1795—1886) und den Oberſachſen Karl Ritter (1779—1859)
wurde es bie vornehmfte Pflegftätte für die neuen Wiſſenſchaften
der hiſtoriſchen Rechts» und der Altertumskunde, der Geſchichte und
der Erdbeſchreibung, während der Weltruf Aleranders v. Hum⸗
bolbt (1769—1859) es mit allen Fortſchritten der mächtig auf:
firebenden Naturwiſſenſchaften verknüpfte. So ſchwand allmäh-
lich die Vorherrſchaft, welche die den Realien allzu abgewandte
philoſophiſche Spekulation bisher über das Denken ber Seit:
genoffen ausgeübt hatte, mochte es aud auf einem Mifver-
ſtändnis beruhen, wenn man den in Berlin lehrenden Hegel
(1770—1831) auf Grund des von ihm aufgeftellten Satzes
„Alles, was ift, ift vernünftig“ zum philoſophiſchen Vorkämpfer
IV. Die neue Zoll, Finanz⸗ und Steuerorbnung. 141
des preußiſchen Abfolutismus und zum Verteidiger ber Reaktion
in den zwanziger Jahren hat ftempeln wollen.
Auch die Künfte hatten ihren Anteil an diefem Aufſchwung.
In der Plaftit fand J. Schadow (1764—1850) in Chriftian
Rauch (1777—1857) den größeren Nachfolger, während Schinkel
(1781—1841) dem erneuten preußifhen Staate architektoniſch
imponierenden Ausbrud gab. Die Art aber, wie die bürger«
lichen Kreife der Hauptftadt, und bald nicht diefer allein, friſch
zugreifend zwar, aber doch auch recht kritiſch und gelegentlich
nicht ohne ſtarkes Selbftgefühl an dieſer Entwidelung teilnahmen,
zeitigte eine hohe geiftige Regſamkeit, die freilich bei dem
Ueberwiegen der fünftlerifden und litterarifhen Intereflen den
ftaatlihen Dingen nod ferner blieb, ala für die politiſche
Entwidelung gut war. Zudem drehte ſich diefe Damals weniger
um allgemeine Fragen von prinzipieller Bebeutung als um
ehr beftimmte Probleme der politifhen Praxis, die ſich ihrer
Natur nach der Erörterung in Laienkreifen entzogen und füg-
li nur von den ſachlich daran beteiligten und techniſch darin
Tompetenten Beamten gelöft werben konnten. In ihrem Zentrum
fanden die Finanzen, deren Retabliffement die fernere Ent-
widelung Preußens in erfter Linie bedingte.
Bulows Verſuch zu einem folhen war mißlungen: er hatte
die in der Regierung vorhandenen Gegenfäge erſt recht offen«
bart und zur Beſchränkung Bülows auf den Reſſort des Han«
dels geführt (S. 87). Dagegen hatte fein Zollgefegentwurf
im Staatsrate Beifall gefunden und war dem Könige zur An-
nahme empfohlen worden. Seine Durchführung fiel dem neuen
Finanzminifter Klewig zu. Des Königs praktifher Sinn ftimmte
den darin leitenden Gefihtspunften um fo mehr zu, als fein
Rechtsgefuhl an dem entfittlichenden Schmuggel Anſtoß nahm,
ber unter ber geltenden Zollorbnung großgezogen war. In
Preußens wirtfaftlihem Leben begann damit ein neues Zeit⸗
alter. Daß das neue Zollgefeg daheim ſowohl wie in ben
übrigen deutſchen Staaten heftig angefeindet wurde, ſich aber
glänzend bewährte, begründete alabald feft Preußens Anfehen
auf einem Gebiete, deſſen Bedeutung dem deutſchen Volke eben
erſt recht empfindlich nahe gerüdt worden war durch ben Not:
142 Zweites Bud, Der Bau des Einheitsſtaates.
fand, den 1815 die Ueberſchwemmung bes Feftlandes mit eng«
liſchen Manufakturen erzeugt hatte, durch die Mißernte von
1816 und das Qungerjahr 1817. Dennod war Württembergs
Antrag auf Ausführung des Artikels 19 der Bundesafte, der
die Regelung des Handels durch den Bund in Ausfiht nahm,
entgegen dem Ausfhußantrag ‘auf Aufhebung aller Beſchrän⸗
tungen bes inländifchen Getreidehandels an dem Widerſpruch
Bayerns und Medienburgs gejcheitert. Preußen mußte außer
dem zur endlichen Ordnung feiner Finanzen ſchleunigſt reichlich
fließende Einnahmequellen erſchließen. Das war es, mas es
veranlaßte, auf. diefem Gebiete allein und unter Berüdfichtigung
ausſchließlich feines eigenen Vorteils vorzugehen.
Vorbereitende Schritte waren bereits 1816 gefchehen durch
Aufhebung des Derbots ber Gelbausfuhr und gleihmäßige
Ordnung des Salzregals für alle Provinzen. Eine Verordnung
vom 11. Juni verfügte die Aufhebung der Wafler-, Binnen-
und Provinzialzöle und verhieß ein einheitliches und einfaches
Kollfyftem für den ganzen Staat. Gegen ven fo eingeleiteten
Uebergang von dem Prohibitivfyftem zu gemäßigtem Freihandel
erhoben die Anhänger des erfteren, welde bie Hauptaufgabe
ber Handelspolitik noch immer darin fahen, das Geld im Lande
zu halten, lebhaften Widerſpruch, ala ob dadurch bie einheimische
Produktion der ausländifhen Konkurrenz geopfert werben follte.
Von einer zur Prüfung diefer Einwände beftelten Kommiſſion
teilte die Mehrheit jolhe Befürchtungen und empfahl daher
die Beibehaltung ber bisherigen Ordnung, während die Minder⸗
heit für die Neuerung eintrat als eine notwendige Ergänzung
der Reformen von 1808. Diefe fiegte im Staatsrat. Am
1. Auguft billigte der König das Prinzip der freien Einfuhr
für ale Zukunft. Doch blieben noch beträchtliche Schwierig⸗
teiten zu überwinden. Namentlich ſchien die Verſchiedenheit,
die rüdfihtlih der wirtſchaftlichen Verhältniffe zwifchen dem
Weiten und dem Often der Monarchie obwaltete, die gleiche
Behandlung beider in Bezug auf das Zollweſen auszuſchließen.
Aber am 26. Mai 1818 wurde das einheitliche Zollgeſetz voll»
endet.
Es ftammte aus ber Feder des Generalfteuerbireftors Karl
IV. Die neue Zoll:, Finanz und Steuerordnung. 143
Georg Maafen (1769—1834), eines Klevers von Geburt, ber,
vom Niederrhein her mit ben Verhältniffen der Preußen fonft
noch fremden Großinduftrie vertraut, doch auch Die ganz anders
gearteten Buftände ber öftlicden Provinzen kannte und fo, ohne
fih an eine beftimmte nationalökonomiſche Doktrin zu binden,
die Tonkurrierenden Interefien beider auszugleichen verftand.
Zu dieſem Zwede gab er den Verkehr innerhalb ber preußifchen
Grenzen ganz frei: es ſollte eine Intereſſengemeinſchaft ent«
ftehen, bie bei feinem Gebeihen alle gewinnen ließ. Weiter
galt es, die einheimifche Induſtrie zu fügen vor ber Er-
drüdung dur die engliſche Konkurrenz, der fie nad Auf⸗
bebung ber Rontinentaliperre faft erlegen war, aber doch nicht
in dem Maße, daß fie, fi völlig fiher wähnend, ben Antrieb
verloren hätte, es jener gleich oder zuvorzuthun. Das war
damals viel gewagt. Statt hohe Prohibitivzölle einzuführen,
durch deren Kerabfegung beim Abſchluß von Handelsverträgen
dem anderen Teil Zugeftändnifle abzugemwinnen waren, und fo
kunftige Verfehrserleihterungen anzubahnen, wählte Maaßen
glei niebrigere Zollfäge, in ber Zuverſicht, die Macht ber
Verhältniffe werde die Nachbarn zu dem gleichen Verfahren
nötigen, zumal hohe Schugzölle zur Beſchränkung ber Einfuhr
und daher au der Einnahmen daraus zu führen brobten,
währen bei fteigenber Einfuhr auch mäßige Zollſätze der Staats-
taffe reiche Einnahmen verhießen. Verboten blieb nur die Ein-
fuhr von Salz und Spielfarten. Die Rohſtoffe waren im
allgemeinen zollfrei. Die Manufalturen traf ein Schutzzoll
bis höchſtens zehn Prozent, während Kolonialwaren, bie über
bie leicht kontrollierbare Seegrenze eingingen, einen Zoll bis
zu zwanzig Prozent zu tragen hatten.
Auch war Maaßen beftreht, die Erhebung ber Hölle zu
vereinfachen, durch Verminderung ber dazu nötigen Beamten
billiger zu machen und dem Handel unnötige Beläftigung zu
exfparen. Daher erjegte er einmal die bisher geltenden nicht
weniger als 67 verſchiedenen Tarife mit ihren 2776 Waren»
Hafen durch einen einfachen überfihtlihen Tarif mit einigen
wenigen Warenflaffen und berechnete den Zoll nicht nach dem
Wert, fondern nah dem Gewicht. Das führte freilich zu
144 . Zweited Bud. Der Bau des Einheitsftantes.
Härten. Bei der Buntheit der deutſchen Landkarte machte von
der Gefamteinfuhr Preußens die Durchfuhr nad ihm benad-
barten oder von ihm enflavierten anderen Staaten einen bes
trächtlichen Teil aus: etwa die Hälfte der über die eine Grenze
kommenden Waren ging über die andere wieber hinaus. Diefen
Durchgangsverkehr unverzollt zu laſſen, konnte theoretiſch billig
erſcheinen, war in der Praxis jedoch unmöglich, weil der daraus
entſtehende Schmuggel den Staat finanziell ſchwer geſchädigt
haben würde. Deshalb wurde von jedem Zentner Durchfuhrs⸗
gut etwa ein halber Thaler Durchgangszoll erhoben. Das bes
laftete freilich die Nachbarn Preußens ſchwer, gab aber dieſem
Mittel an die Hand, fie mürbe zu machen, fo daß fie durch
Konzeffionen ihrerfeits eine Erleichterung zu erfaufen fuchten.
Am 1. September 1818 veröffentlicht, trat das Geſetz
„über den Zoll und die Verbrauchsſteuern von ausländiſchen
Waren und über den Verkehr zwifchen den Provinzen bes
Staates” am 1. Januar 1819 in Kraft, ergänzt buch ein
Geje vom 8. Februar, nach dem von inländischen Erzeugnifien
nur noch Wein, Bier, Branntwein und Tabak eine von dem
Produzenten an den Staat zu entrichtende Steuer trugen.
Seine Wirkungen übertrafen die gehegten Erwartungen weit:
die Zollerträge wuchſen ſchnell. Damit war nad) einer Seite
hin der Boden frei gemacht für die Ordnung der Finanzen.
Nach der anderen mußten dazu bie Staateſchulden reguliert,
ihr Betrag genau feftgeftellt und bie Verzinfung und Tilgung
geordnet werben. Ein Erlaß vom 17. Januar 1820 ſetzte dazu
ihre Gefamtfumme auf 180 091 720 Thaler feft und beftimmte,
daß, falls ber Staat zu feiner Erhaltung ober zur Förderung
des allgemeinen Beften zur Aufnahme eines neuen Darlehens
ſchreiten müffe, das nur mit Zuziehung und unter Mitgarantie
der Tünftigen reicheftändifchen Verſammlung geſchehen dürfe
(S. 77). Für diefe Schuld, ſoweit fie nicht Durch Spezial:
hypothelen gefichert war, bürgte Das gefamte Vermögen bes
Staates, insbefondere die Domänen, Forften und fälularifierten
Kirhengüter, mit Ausſchluß jedoch derjenigen, die zur Aufs
bringung von 2! Millionen Thalern für den Unterhalt der
königlichen Familie, des königlichen Hofftantes und ber ſämt⸗
IV. Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerorbnung. 145
lien prinzlichen Hofftaaten beftiimmt wurden. Das war flaate-
rechtlich eine wichtige Neuerung. Während bisher für den Unter-
halt des Töniglichen Hauſes aus ben Erträgen ber Domänen
genommen werben konnte, fo viel gebraudt wurbe, galt dafür
binfort ein beftimmter Sat, der im Verhältnis zu dem davon
zu Leiftenden fehr befcheiden genannt werben durfte und das
Töniglihe Haus aud für die Zukunft zu fparfamer Wirtſchaft
nötigte. Daß dies freiwillig geſchah, erhöhte die moralifche
Bedeutung des Schrittes. Ohne in die feinem autofratifchen
Sinn gewiß befonders unerträglicde Abhängigkeit zu geraten,
in ber bie Fürften fi in den Fonftitutionellen Staaten be-
fanden, wo die Voltsvertretung die Zivilliſte zu bemilligen
hatte, verzichtete der König doch darauf, größeren Aufwand
aus dem bem Staate zugewiejenen übrigen Ertrag bes Domanial-
vermögens beden zu Fünnen.
Zur Verzinfung und Tilgung ber Staatsfuld wurden
beftimmt ſämtliche Domänen» und Forftrevenuen, der Erlös
aus ben gegen bares Geld verkauften Staatögütern und Ab-
löfungen aller Art und die Salzrevenuen. Einem Wunſch des
Staatsrates gemäß wurde dafür bie Hauptverwaltung ber
Staatsihulden als bejondere, vom Finanzminifterium völlig
unabhängige Behörde eingefegt. Rechenſchaft ſollte fie vor-
läufig dem Staatsrate, kunftig den Reichsſtänden legen. Bu
ihren fünf Mitgliedern zählte auch der ſchlicht bürgerliche
Bankier Schidler, defien ſachkundiger kaufmänniſcher Beirat
großen Nutzen ftiftete. Die neue Behörde bewährte fih dur»
aus. Die vorfihtigen und geſchickten Operationen ihres Prä-
fidenten Rother hoben troß gelegentlider Schwankungen ben
tiefgefunfenen Krebit des Staates wieber: bereits 1825 ftanden
die preußiſchen Staatsfhuldfcheine auf 90—91, 1829 erreichten
fie den Pariftand. So blieb au die Verheimlihung ohne
üble Folgen, deren die Regierung ſich im Anfang ſchuldig machte,
indem fie über ben amtlich angegebenen Betrag hinaus zur
Dedung ber dringendſten Bebürfniffe 60 Millionen Staatsfhulds
feine zurüdbehtelt und damit, um ben Krebit nicht völlig zu
ruinieren, bie Finanzlage weſentlich beſſer barftellte, als fie
war. Aber auch ohne das war die Belaftung bes Dolkes ſehr
Preuß, Preubiſche Geſchichte. IV.
146 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates.
ſchwer. Im Jahr 1822 famen bei einer Bevölkerung von 12 Mil»
lionen von ber Staatsfhuld auf den Kopf 20 Thaler und
25 Silbergrofgen. Unterftügt wurde Rother bei feinem er-
folgreihen Wirken namentlich durch die ihm ebenfalls unter
ftellte Seehandlung, feit ihrer Neuorganifation ein unabhängiges,
aber ſtaatlich garantiertes Bankhaus, das bie Geldgeſchäfte des
Staates bejorgte und feine Krebitoperationen unterflügte. Doch
trieb fie ihrer urfprünglichen Beftimmung gemäß auch gewinn-
reihen überfeeifhen Handel mit eigenen Schiffen. Gleichzeitig
war auch die Bank, die Napoleons Räubereien völlig ruiniert
hatten, vom Finanzminifterium gelöft: indem fie gegen jede
Benutzung für die Staatsfinanzen dadurch gefihert war und
binfort nur faufmännifche Gefchäfte trieb, arbeitete fie fih all»
mählich wieder in die Höhe.
Erſt nach folhen Vorbereitungen konnte man an die Ord-
nung bes Staatshaushaltes gehen. Gleichzeitig mit der Schließung
der Staatsfhuld (S. 144) am 17. Januar 1820 verfügte eine
Rabinettsorbre, der Etat für 1820, den Hardenberg auf
56 Millionen beftimmt hatte, was ein Defizit von I—12 Mil
lionen bebeutete, dürfe die Summe von 50863150 Thalern
nicht überfchreiten. Der Wirklichkeit freilich entſprach auch dieſe
Zahl nit, da mit den für die Staatsfhuldenverwaltung jähr-
lich nötigen 10 Millionen, den 2Ye ber Bivillifte und den zum
voraus abgezogenen Sporteln und Erhebungsfoften, bie nicht
in Rechnung geftelt waren, der Bedarf thatfählih 70 Millionen
betrug. Alle drei Jahre follte der Etat neu aufgeftellt und
veröffentlicht werden. Wie die zur Dedung des Bedarfs noch
nötigen etwa 10 Millionen durch Steuern beſchafft werben follten,
wurbe der Gegenftand heftigen Kampfes, in bem noch einmal
bie ganze reformfeinblicde Gegnerſchaft des Staatskanzlers ſich
dufammenfand. Unter Führung Ancillons verfocht fie im Staats:
rat die Anfiht, der Staat müſſe feine Ausgaben unter allen
Umftänden nad) feinen Einnahmen bemefien, alfo nie mehr
audgeben, als er einnehme. Für den Haushalt eines Privat:
mannes zutreffend, war biefes Prinzip unannehmbar für einen
Staat, der im Hinblid auf feine Vergangenheit trog ber
drüdenden Gegenwart für die Zukunft große Pläne hegen durfte
IV. Die neue Zolls, Finanz: und Gteuerordnung. 147
und dem feine Stellung daher Pflichten auferlegte, die er nicht
ohne Schaden unerfült laſſen konnte. Von biefem Stand»
punkt aus erflärte auch ber König nach erneuter Prüfung bes
Staatshaushaltes weitere Abftrihe für unmöglich und hieß die
ihm vorgelegten Steuergefege gut. Am 30. Mai abgejchloffen,
wurben fie am 7. Auguft von ihm vollzogen.
Sie waren das Werk des im Gebiete der Finanzwiſſen⸗
{haft und der Statiftif hochangefehenen Stantsrates 3. ©. Hoff-
mann (1765—1847), einft des Nachfolgers von Kraus (Bd. III,
©. 437) auf dem Königsberger Lehrftuhl. Die fon früher
geforderte und aud in Ausficht geftellte Revifion der Grund:
feuer in den einzelnen Provinzen unterblieb wegen ber bamit
verbundenen Schwierigkeiten. Doch ſollte die Steuer nie mehr
als ein Fünftel von dem Reinertrag bes verpflichteten Grund»
ads betragen, anberenfalls jo weit herabgefegt werben. Neu
eingeführt wurbe eine Klaffenfteuer, die vom fünfzehnten Jahre
ab alle Einwohner zu zahlen Hatten, mit Ausnahme berjenigen
der Mahl: und Schlachtfteuer zahlenden Städte, der im aktiven
Militärbienft befindlichen und ber Empfänger von Almofen und
Staatsunterflügungen. Sie flieg durch fünf Klaffen von
monatlid) einem Groſchen in der unterften bis zu vier Thalern
monatlich in der oberften. Weiter wurde den größeren Städten
— im ganzen 132 — eine Mahl» und Schlachtſteuer auferlegt,
erftere von allem zu vermablenden Getreide, letztere von allem
geſchlachteten Vieh zu entrichten. Das dritte Geſetz führte eine
Gewerbefteuer ein, für deren Bemeſſung die Städte insgefamt
nad Wohlhabenheit und gewerblicher Betriebfamfeit in vier
Gruppen unterfhieben wurden. Bei ihrer Verteilung folten
die Verpflichteten in ber Weife mitwirken, daß bie Angehörigen
der einzelnen Taufmännifchen und Gewerbebetriebe zu Gefell-
ſchaften zufammentraten, und von diefen gewählte Abgeordnete
die Einfhägung vornahmen. In Ausficht geftelt wurde endlich
eine Stempelfteuer.
Diejes Syftem von Gefegen bebeutete eine außerordentliche
Anfpannung der Steuerfraft des Volles. Sie zu verfügen
wurde dem König nicht leicht. Doch ließ fi eben ohne Ge⸗
fährbung höherer Stantszwede nicht weniger fordern. Beſonders
148 Zweites Buch. Der Bau des Einheitsſtaates.
belaftet wurde das Bürgertum, da ben Gemeinden zur Be-
ftreitung ihrer eigenen VBebürfnifie erlaubt war, zur Klaſſen⸗
fteuer fowohl wie zur Mahle und Schlachtfteuer Zufchläge zu
erheben. Trotzdem fah ſich der Staat auch jeßt noch zu größter
Sparfamkeit genötigt. Doch wurde bald eine auffleigende
wirtſchaftliche Entwidelung erkennbar, namentlich feit 1825
v. Motz (S. 102) Klewig erfegte und nügliche Reformen ein-
führte, zumeift in der Steuer- und Domänenverwaltung. Im
Jahr 1828 ergab ber Staatshaushalt zum erfienmal einen
Ueberſchuß von 44: Millionen.
Damit wurden größere Aufwendungen für gemeinnügige
Zwecke möglih, die fi wiederum reich lohnten. Das Poſt⸗
wejen gedieh unter Nagler zu ungeahnter Bedeutung. Neue
Landftrafen vervielfältigten ben Verkehr. Auf Rhein und Oder
begann die Dampfidiffahrt, der auch die Oftfeehäfen fichtliches
Erbluhen verbankten. Die Bevölkerung nahm raſcher zu:
1816-31 wuchs ihre Dichtigkeit auf die Duadratmeile um
25 Prozent, von etwa 2000 auf 2520. Der Konſum ftieg
entfprehend, und damit wuchſen die Zolleinnahmen und Steuer
erträge. Die Gewerbe gediehen; für fie vorbereitende Schulen
feigerten ihre Leiftungsfähigfeit. Schon machte fi die In»
duftrie die Kraft des Dampfes dienftbar. Der Handel wurbe
unternehmender und begann fi auf dem Meere heimifch zu
maden. Ihm kam ber Schiffahrtsvertrag zu gute, ber 1824
auf der Bafis der Gleichberechtigung mit England geſchloſſen
wurde. Nah langen Verhandlungen, melde die Ohnmacht
Preußens und die Hilflofigkeit des deutſchen Bundes draſtiſch
iluftriert hatten, machte endlich die mit Holland gefchlofiene
Rheinſchiffahrtsakte vom 31. März 1831 die Rheinſchiffahrt
bis hinaus auf das Meer von ber chikandſen holändifchen Sperre
frei und löſte damit nicht bloß ben preußifchen, fondern ben
deutſchen Handel von einer Feſſel, die wirtſchaftlich ebenſo nach⸗
teilig wie politiſch unwurdig und national demutigend ge—
weſen war.
Der wirtſchaftliche Aufſchwung Preußens kam namentlich
in dem Steigen des Geſamtwertes der verzollten Waren zum
Ausdruck. Im Jahr 1828 berechnete man die Ausfuhr auf
IV. Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerordnung. 149
85, die Durchfuhr auf 104 und die Einfuhr auf 106 Millionen
Thaler. Alfo hatten die Kaufleute der Londoner City bie
epochemachende Bedeutung des Zollgefeges vom 26. Mai 1818
richtig eingeſchätzt, als fie 1820 bei dem Unterhaufe eine ähn-
liche Ordnung bes engliſchen Zollweſens erbaten. Der Deutiche
freilich urteilte vielfach noch anders. Er eiferte gegen ben
preußifchen Eigennug und beffen rüdfichtslofe Befriebigung auf
Koften der Nahbarn. Während des Aachener Kongreſſes drang
daher Metternich auf Die Abfchaffung der preußiſchen Zollorbnung,
erreichte aber natürlich nichts. Zum Teil waren bie Klagen,
die laut wurden, fachlich begründet. Nur war daran do
eigentlich nicht Preußen ſchuld, fondern bie unglüdfelige Zer—
riffenheit feines Gebietes, die auch ihm den von dem neuen
Syftem gehofften Gewinn weſentlich fürzte. Hatte es doch mit
nicht weniger ala 227 Duadratmeilen Entlaven und Exklaven
zu rechnen. Die von ihm umſchloſſenen Heinftaatlihen Gebiets-
teile, namentlich bie 41 Duadratmeilen ber thüringifchen Herzog⸗
tümer litten ſchwer unter dem hohen Durchfuhrzoll. Da bie
verlangte freie Durchfuhr unmöglich zugeftanden werden fonnte,
bot Preußen jenen Landftüden den Einfluß in fein Zollſyſtem
unter Gewährung eines ihrer Einwohnerzahl entſprechenden
Anteils an dem Ertrage feiner Grenzzölle. Doch blieben An-
fang 1819 darüber in Berlin gehaltene Konferenzen noch ohne
Ergebnis. Aber mit Schmwarzburg-Sondershaufen wurde —
aus Scheu vor Defterreih nicht in Berlin, fondern im tiefften
Geheimnis durch v. Mo (S. 102), damals Oberpräfidenten
der Provinz Sachſen, weiter unterhanbelt, und am 25. Df-
tober 1819 trat dasſelbe für einen Teil feines Gebietes dem
preußifhen Zollſyſtem bei und partizipierte dafür an der Ge-
famteinnahme nad) ber Ropfzahl der Bevölkerung der betreffenden
Enklave. Diefer Verlauf war typifch für den Fortgang. Der
Trieb der Selbfterhaltung nötigte von den erft fo zuverficht:
lien Gegnern Preußens einen nad bem anderen zum An-
ſchluß an dieſes, und fie ale befanden fi, nachdem ber erſte
Unmut verraudht war, ſehr wohl dabei.
Zunädft freilih war alles noch eitel Entrüftung. Die
Ärenge preußifhe Grenzhut binderte den bisher fo lohnenden
150 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates.
Schmuggel. Hier und ba witterte man zudem — fehr mit
Unrecht — in Preußens Vorgehen etwas von dem gefährlichen
Einheitöftreben. Auf den Wiener Konferenzen (S. 105) drang
man nochmals auf Aufhebung einer Ordnung, die, wie man
nun entbedt haben wollte, dem Artilel 19 der Bundesakte
zuwiberlief (S. 142). Preußen beharrte auf feinem guten Recht,
feine inneren Angelegenheiten ausſchließlich nach ſeinem Be:
lieben zu orbnen. Auch befand es fih bei feinem Vorgehen
entſchieden im Einklange mit dem Buge der Zeit. Schon
wirkte der ehemalige Tübinger Profefior Friedrich Lift (1789
bis 1846) agitatoriſch für eine deutſchnationale Wirtſchafts-
politif, als deren Träger er freilich Turzfichtig den Bundestag
in Ausfiht nahm, und in Wien legte der badiſche Staatsrat
Nebenius den Plan vor zu einem allgemeinen beutichen Zoll⸗
ſyſtem, dem freilich die Ungleichheit der inneren Verbraude-
feuern in ben deutſchen Staaten und bas Erfordernis ber
Einftimmigfeit in Franffurt unüberwindlihe Hinderniſſe ent-
gegenfegten. Was beide in dem richtigen Gefühl für das
Wünfchenswerte, aber auf unfihere Theorien hin und ohne den
gegebenen Verhältnifien gehörig Rechnung zu tragen, planten,
war Preußen mit richtigem praftifchem Takt bereits auszuführen
beſchäftigt.
Seinen Gegnern blieb daher ſchließlich nichts übrig, als
ſich der von ihm ſo erfolgreich angewandten Mittel auch ihrer⸗
ſeits zu bedienen. Nur mußte dazu, was dort über die aus—
einandergehenden Wunſche der Provinzen hinweg die Staats:
autorität einheitlich dekretierte, hier durch Verhandlungen von
Staat zu Staat vereinbart werden. Daran fheiterten die Ber
ratungen, bie im Herbft 1820 zwifchen ben thüringifchen Staaten,
den beiden Heflen, Naffau, Bayern, Württemberg und Baben
in Darmftadt geführt wurden — jehr nad dem Wunfche
Metternichs, dem ein wirtſchaftlicher Zuſammenſchluß ber Fon
fitutionellen ſuddeutſchen Staaten zum minbeften jo bedenklich
erfchien, wie die Steigerung des Anfehens von Preußen. Denn
biefes gewann mit feinem Bollfyftiem allmählich immer mehr
Terrain, indem eine ganze Reihe von Aleinftaaten für ihre in
ihm enflavierten Stüde demſelben beitraten, jo Bernburg,
IV. Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerordnung. 151
Rudolſtadt, Weimar, Lippe und Schwerin. Anhalt-Röthen
freilich verfuchte einen anderen Weg. Beraten von dem öftere
reichiſchen Generalfonful in Leipzig, dem Konvertiten Adam
Müler, Gens’ Freund (S. 94), der fi) 1809 mit Hilfe Stäge:
manns als Redakteur eines auf feinen Vorſchlag zu gründenden
Negierungsblattes unter dem Titel „Preußiſche Chronik oder
Preußiſche Hof: und Nationalzeitung” in Preußen eine Stellung
zu ſchaffen verfucht hatte, führte ber Herzog durch ſtaatliche
Begünftigung des Schmuggels einen erbitterten Zollfrieg gegen
Preußen, deſſen golftätten an feinen Grenzen er als ein
Attentat auf feine Souveränität anfah. Auf feine Klage gab
ihm der Bundestag auch recht: gegen Preußen demgemäß vor=
zugehen wagte er jebod nicht. Als aber biefes endlich uns
barmberzig Ernſt machte und bie Elbe ſowohl beim Eintritt
nad Anhalt-Röthen wie beim Austritt fperrte, gab auch er
knirſchend nah und trat am 17. Juli 1828 dem preußischen
Zollſyſtem bei.
Inzwiſchen hatten am 18. Januar 1828 Bayern und
Württemberg einen ähnlichen ZoMbund geſchloſſen, dem auch
bie beiden hohenzollernſchen Fürftentümer beitraten. So zwiſchen
zwei Zollvereine geftelt, geriet Heflen-Darmftadt in harte
Bedrängnis. In diefer warb es bei Preußen um einen Handels⸗
vertrag. Dagegen erhob Maaßen ſchwere Bedenken. Ein An-
ſchluß Darmftadts bradte die Zollgrenze, die für Preußen
glüdlih auf 1073 Meilen reduziert war, wieder auf 1108,
vergrößerte aber das Hollgebiet nur um 152 Duabratmeilen.
So fand eine Verminderung der Einnahmen zu befürdten.
Im Gegenjag dazu wies ber Direltor im auswärtigen Mini
ſterium, Eichhorn, nachdrüdlich auf den politifchen Gewinn hin,
den bie Verbindung mit Sübbeutfhland und namentlich die
Feſtſetzung in dem wichtigen Mainz in Ausſicht flellte. Diele
Erwägungen trugen den Sieg davon. Nicht den erbetenen
Handelsvertrag gewährte Preußen Hefien-Darmftadt, fondern
bot ihm ben Eintritt an in feinen Zollverein, und zwar unter
Annahme des preußiſchen Zollfyftems, mit Beibehaltung jedoch
der eigenen Hollverwaltung und Gewährung gleichberechtigter
Anteilnahme bei etwaigen Aenderungen bes Zollgefeges von
152 Zweites Buch. Der Bau bes Einheitsſtaates.
1818. Daraufhin wurde am 14. Februar 1828 auf ſechs Jahre
abgeſchloſſen.
Dieſer Erfolg Preußens ſteigerte den Eifer ſeiner Gegner.
Beſorgt um feine Ausfuhr, die ſich bei dem Erblühen feines
Fabrikweſens unter dem Schuge feiner bisherigen Handelsfrei«
beit glänzend entwidelt hatte, trat Sachſen im Herbft 1828
mit Nurheffen, Hannover, den thüringifchen Staaten, Bremen
und Frankfurt zu einem mitteldeutſchen Handelsverein zufammen,
deſſen Glieder fid verpflichteten, bis Ende 1834 feinem anderen
Bollverein anzugehören. Doch leiftete ber Handelsverein das
Gehoffte nicht. Es fehlte ihm nicht bloß an dem nötigen Gelbe,
um bie zur Umgehung Preußens nötigen neuen Straßen zu
bauen, fondern infolge der auseinandergehenden Intereſſen der
Teilnehmer auch an Einigkeit. Das meifte aber, um ihn um
den Erfolg zu bringen, that die geſchidte Gegenwirkung Preußens.
Dur einen überraſchenden Schachzug fnüpfte dieſes nämlich
einerfeit mit dem württembergiſch-bayriſchen Zollverein an,
von deſſen Ohnmacht man fi in Stuttgart und Münden au)
bereits überzeugt hatte. Den geheimen Vermittler machte der
Buchhändler Cotta bei einem Beſuche in Berlin 1828. Das
Ergebnis war der Vertrag vom 27. Mai 1829, durch den ber
preußiſch⸗darmſtädtiſche und der württembergiſch-bayriſche Zoll⸗
verein ſich gegenſeitig verpflichteten, bis 1841 alle Zölle auf
Erzeugniſſe der Natur, des Gewerbefleißes und der Kunſt auf⸗
zuheben, einander gleich jetzt für gewiſſe Artikel gZollermäßigung
zu gewähren und ihre Zollſyſteme einander möglichſt anzunähern.
Zur Weiterführung der Zolleinigung follten jährlih Zoll:
konferenzen Rattfinden, Sollverträge mit Nachbarſtaaten aber
nur gemeinfam geſchloſſen werben. Den direkten Verkehr zwifchen
den beiden Sollgebieten zu ermöglichen, ſetzte Preußen Mei-
ningen und Gotha finanziell in den Stand, eine große Straße
zu bauen, die, ohne das Gebiet des mitteldeutſchen Handels»
vereins zu berühren, Hamburg mit Nürnberg verband und ben
bisher über Frankfurt und Kaſſel geleiteten ſüd-norddeutſchen
Verkehr aufnahm. Der Handelsverein war damit thatfählih
bereits gejprengt. Als 1829 die Zeit ablief, für die er zumächit
geſchloſſen war, verweigerten Meiningen und Gotha die Er-
IV. Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerordnung. 153
neuerung. Weimar tatifizierte fie nur unter Vorbehalt, und
ſelbſt Sachſen, Naffau und Frankfurt machten Schwierigkeiten.
Während num Hannover und Kurhefien mit Oldenburg und
Braunfchweig einen neuen Bollverband vorbereiteten, brachte die
Erſchutterung auch ber beutfchen Staaten buch die Julie
revolution 1830 ihr Projekt gleich wieder zu Fall. Der Sieg
der liberalen Sache in Kurheſſen hatte deſſen bisher bloß durch
des Nurfürften Laune verhinderten Anflug an den preußiſch⸗
darmſtädtiſchen Zollverein zur Folge (25. Auguft 1831). Er
gewährte Preußen endlich die volle wirtſchaftliche Verbindung
feiner alten Provinzen mit den Rheinlanden.
Die Erweiterung feines Syftems auf ganz Deutſchland
war nur noch eine Frage ber eit: es konnte hinfort abwarten
und fi ummerben laſſen. Daher blieben die Verhandlungen,
die auf Antrag Bayerns und Württembergs über den Anſchluß
bes fübdeutfchen Vereins begonnen wurben, vorläufig erfolg:
108, weniger wegen ber ſachlichen Schwierigkeiten, welche bie
Ungleichheit der Verbrauchsſteuern in den einzelnen Staaten
veranlaßte, als weil Preußen den ſuddeutſchen Königreichen
doch unmöglich ben verlangten Anteil an ber Leitung bes Ver-
bandea einräumen konnte und namentlich kein gleichherechtigtes
Mitwirken bei dem Abſchluß von Handelsverträgen. Schließlich
gaben dieſe den anfangs erhobenen Anſpruch denn auch auf.
Wieder aufgenommen, führten die Verhandlungen am
22. März 1833 zu einem Vertrage, nad bem Bayern und
Württemberg vom 1. Januar 1834 ab zunächſt auf acht Jahre
dem preußiſchen Hollverein beitraten. Wenige Tage fpäter,
am 30. März, kam die Einigung aud mit Sachſen zu ſtande,
das bereit im Auguft 1830 vergeblich den Anſchluß nachgeſucht
hatte. Der hohe Stand der ſächſiſchen Induftrie und das Ver-
langen nad) deren befonberer Berüdfihtigung, ſowie die Sorge
vor ſchwerer finanzieller Schädigung durch den Schmuggel an
der böhmifchen Grenze ſprachen in Berlin entſchieden dagegen.
Nun warben aud ſchon bie thüringifhen Staaten um Auf»
nahme. Mit ihnen einzeln zu verhandeln, lehnte Preußen ab:
erſt wenn fie fi) untereinander geeinigt hätten, fei ein Ver-
trag mit ihrer Gefamtheit möglid. So bildeten fie am
154 Zweites Bug. Der Bau bes Einheitöftantes.
10. Mai 1833 einen thüringiihen Zoll: und Gandelaverein,
der am 11. Mai dem Verbande der mit Preußen bereits ge-
einten Staaten beitrat. Damit wurde diefer nun ein deutſcher
Zollverein. Am 1. Januar 1834 fielen bemgemäß bie Boll-
ſchranken, und ber Handelsverkehr hatte freie Bahn durch ganz
Deutſchland. Auch der Steuerverein, zu dem am 1. Mai 1834
Hannover fi mit Braunſchweig, Oldenburg und Büdeburg
verband, beruhte im wefentlichen auf den gleichen Grundfägen
wie der Zollverein und hielt mit diefem freundnachbarlich zu⸗
fammen. Der Zollverein jelbft wuchs 1835 um Baden und
Naflau, 1836 um Frankfurt.
Das Werk, das Motz begonnen und nad feinem Tobe
fein Nachfolger Maaßen mit Unterflügung namentlih Eich
borns (S. 151) und des Geheimrats L. Kühne weitergeführt
hatte, übertraf in feinen Wirkungen auf die wirtſchaftliche
Entwidelung Deutſchlands die Erwartungen feiner Urheber. In
den nädften zehn Jahren wuchs die Ein- und Ausfuhr bes
Zollvereina um nicht weniger als etwa 136, die gemeinfamen
Einnahmen daraus um 9 Millionen Thaler, von 12 auf 21.
Das brachte die Oppofition, die anfangs namentlih in den
fübbeutf hen Kammern ſchon aus Antipathie gegen Preußen
heftig geweſen war, bald zum Schweigen. In Preußen ba-
gegen fehlte es nicht an Stimmen, welche die Benachteiligung
Preußens durch die allzu felbftlofe Art der Abrechnung beflagten
und dem Bollverein deshalb eine andere Drganifation gegeben
zu fehen wünſchten. Doch drangen fie damit nicht durch.
Andererjeits mar bort die Zahl auch derjenigen noch gering,
welche die politifche Tragweite des Zollvereins richtig erfaßten.
Sicherlich Hatte Preußen dabei nichts ferner gelegen als bie
Abfiht, einen Schritt vorwärts zu thun in der Richtung auf
die nationale Einigung Deutſchlands unter feiner Führung.
Ya, es hatte auch nicht durch die Beſſerung ihrer wirtfchaft-
lien Lage bie ihm im Zollweſen angeſchloſſenen Staaten
fi gewiſſermaßen moralifc verbinden wollen. Vielmehr war
es urſprünglich nur auf feinen eigenen Vorteil bedacht geweſen.
Wie fehr aber dieſer mit dem ber übrigen deutſchen Staaten
aufammenfiel, wurde ihm erft in ber Ausführung recht Mar.
IV. Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerordnung. 155
Andererfeits ftieg feine Geltung bei den übrigen deutſchen
Staaten, weil biefe fi) überzeugen mußten, daß doch eigentlich
allein Preußen den Gejamtvorteil Deutſchlands recht wirkjam
zu fördern im ftande fei.
Weiter fahen und dachten nur wenige bevorzugte Geifter.
Mot hatte das von Anfang an gethan. Bereits im Juni 1829
batte er in einer Denkfchrift dargelegt, daß die kommerzielle
Einheit der zum Zollverein zufammengetretenen beutfchen Staaten
notwendig zu einer Ausgleihung und fehließlih zur Einheit
des politifhen Syſtems führen müfje, daß die Verbindung
Preußens namentlich mit ben ſuddeutſchen Staaten die mili-
täriſche Sicherheit des deutſchen Sübens vollenden und ben
Gegenſatz zwiſchen Süb und Nord bejeitigen werde, und daß
fo erft ein in Wahrheit verbürgtes, im Innern und nad außen
feftes und freies Deutſchland unter dem Schirm und Schug
Preußens entftehen könne,
Prittes Bud.
An der Wende der Zeiten.
1834—1847.
I. Reaktivnäres Sfillleben. 18301840.
Tr äußeren Behagens unerquidlichere und innerlich un-
gefundere Zeiten hat der preußiſche Staat kaum durchlebt als
das legte Jahrzehnt der langen, an Ereigniffen und Wechſel⸗
fällen reichen Regierung Friedrich Wilhelms III. Der fieberhaften
Erregung des Freiheitsfampfes mit ihrer Ueberfpannung aller
Kräfte war bei ber Mehrheit naturgemäß eine zuweilen an
Apathie ftreifende Erſchlaffung gefolgt, gepaart mit leichtlebiger
Genußſucht. Die ernfter Denkenden und weiter Strebenden
mußten fi überzeugen, daß auf eine Erfüllung ber während
der Erhebung gehegten Hoffnungen in abfehbarer Zeit nicht ge—
rechnet werben durfte. Ein erbitterndes Gefühl der Enttäuſchung
laftete auf dem Denken und Fühlen der Beten, zerriß und
lähmte ihre Kräfte entweder oder forderte fie zum Ankämpfen
gegen die beftehende Orbnung heraus.
Was wußte die neue Generation noch von dem thatſäch—
lihen Verlauf der Erhebung von 1813? Nur fehattenhaft
und verblaßt jah fie durch einen ſich immer mehr verbichtenden
Schleier Umriffe und Farben. Bon ben Männern, die damals
kuhn handelnd vorangegangen, war Feiner mehr unter ben
Lebenden. Zurüdgefegt, verfannt, verbittert waren die einen
dahingegangen: ſchweigend hatten fie zufehen müſſen, wie die
I. Reattionäres Stillleben. 157
Geſchichte faſt planmäßig umgedichtet und durch eine tendenziös
zurechtgemachte dynaſtiſche und politiſche Legende erfegt wurde
— York (4. Oktober 1830), Niebuhr (2. Januar 1831),
Stein (29. Juni 1831) und Gneifenau (31. Auguft 1831).
Andere, wie ja zulegt auch Niebuhr, Stägemann und andere,
hatten enttäufcht ober vefigniert ihre Ideale aufgegeben oder
begraben und fih dem Zwange der nun einmal gegebenen
Lage gefügt. Nur Schön waltete in unvermäftliher Jugend»
lipleit und vol idealen Feuereifers noch feines Amtes als
Oberprãſident der wieber vereinigten Provinz Preußen (S. 85),
nit ohne einen gewiſſen Unmut barüber, daß trog ber
Armut biefes Epigonenzeitalters an ftaatsmännifchen Ta—
Ienten zu ber erfehnten wirklich leitenden Stelle aufzufteigen
ihm doch verfagt blieb, um fo mehr fi fonnend in ber
Erinnerung an bie von ihm handelnd mit durchlebte große
Zeit und babei in wachſender Vereinfamung leicht geneigt,
feinen Anteil daran zu überfhägen und in naiver Selbft-
täufhung auf Koften anderer zu vergrößern.
Wie einft Gneifenau es ruhig hatte geſchehen laffen, daß
Schill zum Helden der Verteidigung von Kolberg gemacht
wurde, und Scharnhorft den Ruhm des Tages von Preußiich-
Eylau (Bd. II, S. 413) dem völlig unbeteiligten Leftocq ge
gönnt hatte, fo waren die Helden des Freiheitslampfes, völlig
der großen Sache Hingegeben, am menigften darauf bedacht
geweſen, ihr perſönliches Verbienft vor Mit: und Nachwelt
in das rechte Licht zu fegen. Selbfilos ließen fie dem
Könige, der doch nur widerſtrebend und zweifelnd mitgegangen
war, den ihm binterher offizids und offiziell angedichteten
Ruhm, er fei ala begeifterter und begeifternder Führer in
ber Richtung auf das von ihm gemwiefene Ziel vorangegangen
und habe Heer und Volk zu tobesmutiger Erhebung gegen
das frembe Joch mit ſich fortgerifien. Sollte Friedrich Wil-
helm fi nicht zuweilen bewußt geworben fein, daß man
ihn da mit Lorbeeren jhmüdte, die er in diefem Sinne jeden-
falls nicht verdiente? Sollte in dem fheuen, ungelenten Wefen,
das ihm troß feiner Volkabeliebtheit auch im Alter eigen blieb,
nicht auch ein gewifjes daraus entiprungenes Unbehagen zum
158 Dritte Bud. An der Wende ber Zeiten.
Ausdrud gefommen fein? Wurzelte doch ein guter Teil ber
Verehrung, deren er troß feiner bespotifchen Härte und troß
feiner Unzugänglichfeit für bie Regungen ber heraufbämmernden
neuen Zeit bei feinem Volke genoß, eben in biefer falfchen
Vorſtellung von feinem Anteil an den großen Tagen bes
Jahres 1813. Angefihts feiner gewinnenden, ſchlicht bürger-
lichen, einfachen Art und feiner im Meinen fo augenfälligen,
ehrlich beſchränkten Pflichttreue erlegte dem gegenüber eine
begreiflicde Pietät denen Schweigen auf, die den wahren Sadjs
verhalt kannten, zumal ber ſich einniftenden Legende mit wirk⸗
famen Waffen entgegenzutreten bamals nod nicht möglich war.
An der richtigen Einfiht aber hat es doch nicht überall gefehlt.
Ein Barnhagen (Tagebücher Bd. I, S. 61) war ſich ganz Mar
darüber, daß bie Herftellung 1813 nur gefchehen fei, weil ber
König nit einwirkte, ſondern überwunden und befeitigt war,
überwunden durch die Franzofen, befeitigt durch York, Harbens
berg, Scharnhorft, Blucher, und meinte, Preußen fei damals
ein Gemeinmwefen geweſen ohne König, doch fei deſſen Namen
geehrt und benugt worden. Und aud darin wird man dem
trotz aller perfönlihen Verſtimmung fharfblidenden und ein-
fihtigen Beobachter recht geben müfjen, wenn er urteilt: „Nach
dem Siege ift der König wieder bervorgetreten, unb feitbem
iſt auch alles wieder negativ in Preußen, und wenn gleihwohl
fortwährend die größten Entwidelungen vorgehen und gedeihen,
fo geſchieht es in Bahnen, wo die Hemmung nod) nicht hat ein:
bringen können.” Dabei ift es vom völkerpſychologiſchen Stand»
punkte aus interefiant, zu beobachten, wie in bemfelben Maße
wie jenes unhiftorifhe Bild der Erhebung von 1813 die Herr-
ſchaft gewann, die an den Greignifien gar nicht mehr beteiligte
Königin Luiſe als bie eigentliche geiftige und fittliche Urheberin,
als die ideelle Trägerin des von ihrem Gemahl angeblich Ge:
thanen mit immer lichterem Glorienfheine umgeben wurde.
Wie die Völker auch ſelbſtverſchuldetes Unheil einem als bem
allein ober body vorzugsmweife dafür Verantwortlichen zuzu:
ſchreiben pflegen, fo wurde hier eine nationale Großthat faft
gewaltfam mit ber verbliddenen Königin in Verbindung ges
bracht, bie, ohne eigentlich ſtaatliche Verbienfte, doch durch den
1. Reaftionäres Stillleben. 159
Zauber ihrer Perfönlicfeit und den verflärenden Glanz bes
mit würbiger Faffung getragenen Unglüds und eines biefem
ſchuldgegebenen frühen Tobes dem Herzen des Volkes jo un-
endlich viel näher geftanden hatte und mehr gewefen war als
ihr Gemahl, dem ſolche Gefühle erwedende Eigenſchaften ab-
gingen.
Politiſch wurde diefe Verfennung des geſchichtlichen Ver:
laufs der größten Krifis, die Preußen und bie Hohenzollern bis-
ber durchgemacht, infofern wichtig, ala von ihr aus dem höchſt
ſchãätzbaren Privatharafter des Königs warme Anerkennung
entgegengebradjt wurde und dieſer dadurch auf das Staata-
ganze einen ſegensreichen Einfluß ausüben konnte. Dem ent⸗
fprang ein größerer Glaube an die volfsfreundlihen Abſichten
des Königs, als fachlich gerechtfertigt war: er half weiten
Kreiſen über anfangs ſchmerzlich empfundene Enttäuſchungen
hinweg und ließ die Hoffnung auf künftigen Wandel zum
Befleren nicht ganz erfterben. Politiſch tiefer angelegte und
weiter blidende Männer freilih empfanden ſchmerzlich ben
Gegenſatz zwifchen dem in großer Zeit erhofften und dem that-
fächlih eingetretenen Zuftande. Während man im allgemeinen
Ruhe erfehnte, Ruhe nach außen und im Innern, um fi un=
geftört dem glücklich begonnenen wirtfhaftlihen Neubau bes
ſtaatlichen fo gut wie des privaten Dafeins widmen zu können
und befien Früchte behaglich zu genießen, litten dieje um jo
mehr unter dem Gefühl der Enttäuſchung, als fie fih außer
ſtande fahen, die erfehnte Beſſerung herbeizuführen. Des Königs
zweiter Sohn, Prinz Wilhelm, der, durchdrungen von feiner
politifhen und nationalen Bedeutung, dem militärifhen Beruf
mit begeiflerter Pflichttreue Iebte, ftand keineswegs allein, wenn
er (1824) einem Vertrauten gegenüber bie unmutige Yeußerung
that: „Hätte bie Nation Anno 1813 gewußt, daß nah elf
Jahren von einer damals zu erlangenden und wirklich erreichten
Stufe bes Glanzes, Ruhmes und Anfehens nichts als die Er:
innerung und feine Realität übrig bleiben würde: wer hätte
damals wohl alles aufgeopfert ſolchen Refultates halber?“
Traf das Wort aud) zunächſt Preußens Stellung in Deutfch-
land und Europa, fo galt e8 doch nicht minder von feinen inneren
160 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten.
Verhältnifien. Trogdem hatte die Julirevolution, bie felbft in
Norddeutſchland hier und da die politifhen Wogen höher gehen
ließ, Preußen nur oberflächlich berührt. Doc traute bie herr:
ſchende Partei dem Minifter bes Innern, v. Schudmann, nicht
die Thatkraft zu, die Ruhe unter allen Umftänden aufrecht zu
erhalten, und nahm ihm deshalb mit einigen anderen Reſſorts
namentlich bie eigentlie Polizei ab, die als Minifter des
Innern und der Polizei der Regierungspräfident v. Brenn er-
hielt, fo daß jener auf die Handels- und Gewerbeangelegen:
heiten befchränft wurde. Aber ſelbſt die Beforgnifie erwieſen
fih als unbegründet, die hier und da wegen ber Nheinprovinz
laut wurden. Ein [nel unterbrüdter Arbeiterfrawall in Aachen,
den ähnliche Vorgänge in dem benachbarten Verviers veran-
laßten, entbehrte politifcher Bedeutung. Sole konnten jelbft
ſchwarz zu fehen Geneigte auch den Zufammenrottungen nament=
lich von Schneidergefellen nicht beimeffen, die etliche Abende
in Berlin um das Schloß ftattfanden, obgleih das Militär
verhöhnt und hier und da angegriffen wurbe, fo baß gewaffnetes
Einfhreiten nötig wurde. „Es find eine ganze Mafle Menſchen
arretiert,“ meldete (19. September) General v. Rochow dem
beforgten Nagler: „eine Partie wird heute auf der Polizei
ausgepeitſcht.“ Freilich hätten die Vorkämpfer ber Reaktion
dieſe Gelegenheit gern benußt, um gewaltſam durchgreifend
allgemeine Repreffivmaßregeln zu verhängen. Namentlich der
die Truppen befehligende Herzog Karl von Medlenburg war
darauf aus: ber mäßigende Einfluß des ruhigen v. Witzleben
aber, ber wachſam während der Unruhen nicht von bes
Königs Seite wich, ließ es nicht dazu kommen. Um fo mehr
gab man von jener Seite bem Chef des Militärkabinetts liberale
Neigungen ſchuld. Er follte um die Gunft des Volkes buhlen
und Wilhelm v. Humboldt den Schwarzen Ablerorden und Sitz
und Stimme im Staatsrat ausgewirkt haben, deſſen Bruber
Alerander jene Kreife ala Vertreter liberaler Ideen befonders
haßten und als die „encyklopäbifche Rage“ verfpotteten. Aber
ſelbſt der leicht erregbare Kronprinz belachte jene September»
tumulte: wie eine Reboute waren fie ihm vorgelommen und
hätten nad) feiner Meinung mit einer Rute oder Peitſche bes
I. Reattionäres Stillleben. 161
ruhigt werben können. Auch er fah nichts von dem „gräßlichen
ſchwarzen Genius“, der nad) General v. Rohom „feine Fittihe
über Europa ausbreitete”.
Aber mit fo ſchweren Sorgen ſich jene Herren auf der
einen Seite trugen, von fo ungeftlümer Kampfluft waren fie
auf der anderen erfüllt. Während fie den beiten Schug vor
dem deutſchen Liberalismus in 180 000 Auffen an der Grenze
fahen, jubelten fie dem momentan brohenden Krieg mit Frank⸗
reich als einem Kreuzzuge für die Legitimität entgegen und
machten mit den königlichen Prinzen beim Champagner bem
orleansſchen Königtum und feinen belgifhen Schäglingen groß:
fprecherifch den Garaus. Und doch fahen fie dem Kriege nicht
ohne geheime Befürchtungen entgegen. Der Zuſtand der rhei-
niſchen Feftungen war nicht volllommen. Den rheinischen Regi—⸗
mentern trauten fie nit. Von ben deutſchen Liberalen er-
warteten fie Uebles: nicht allein auf Frankreich müfle man
aufmerffam fein, fondern auf alles, was liberal heiße. Und
doc blidten die Herren mit Beratung auf das Bürgertum
herab. Was biefes 1813 geleiftet, hatten fie längſt vergeſſen
ober fie baten darüber wie Schmalz (S. 79). Sie verhöhnten
&, als die Kriegsgefahr einen Kursſturz bewirkte: paniſcher
Schrecken babe die Börfe in einen Kirchhof verwandelt. In
ſeichten Witzen ergingen fie fih über die herrſchende „Ge:
finnungscholera”. Wie erleichtert aber atmeten fie dann auf,
als die Kriegsgefahr ſchwand, und nur die ehrlichen Fanatiker
unter ihnen fahen in dem Verzicht auf gewaffnetes Einfchreiten
einen Abfall von den für Preußen maßgebenden politiſchen
Prinzipien und beflagten den Leichtfinn und die Genußſucht
ihrer Standesgenoſſen, die im Jubel über das Wieberauftreten
der Tänzerin Taglioni alsbald ale Sorgen vergafen. Als
europäiſche Macht zu handeln, fo tröftete man fi in dieſen
Kreifen, ſei Preußen ja leider nicht im ſtande, weil es — bie
Landwehr habe! Diefe galt ihnen für ein größeres Uebel als
eine Konftitution, weil man mit ihr nur einen Volks⸗, einen
Meinungskrieg führen könne, — das heißt nicht einen Kabinetts-
krieg aus nur dynaſtiſchen Gründen.
Daß es in Wahrheit der Ausbruch bes polnifden Auf
Brus, Preußilße Geitiäte. IV.
162 Drittes Buch. An der Wende der Zeiten.
ftandes und die dadurch veranlaßte anderweitige Beihäftigung
des verbündeten Rußland war, was den Krieg im Weften ab:
wandte, traf die Herren um fo. fehmerzlicher, als fie damit
auch das als den Hort ber beftehenden Ordnung betrachtete
Zarenreich von der Revolution unterwühlt fahen. Daß Preußen
ihm wenigftens mittelbar zur Nieberwerfung des Aufftandes
belfe (S. 113), war ihnen — zumal ber Zar den an der Grenze
ftehenden Truppen eine Soldzulage zahlte — nur recht, weniger
wohl bie völferrechtlich peinlich korrekte und menſchenfreundliche
Behandlung, die es ben in fein Gebiet übergetretenen Polen
gewährte, indem es fie, foweit fie Feine Gnabe zu erwarten
hatten, nicht an Rußland auslieferte, fondern nad Amerika
und Frankreich überführte. Auch das ſchließliche Erliegen des
Rarliftenaufftandes in Spanien empfand die preußifche Reaktion
als eine Enttäuſchung.
Leidenſchaftlich war daher die Entrüftung diejer Kreife,
als Preußen infolge der Loderung feiner Freundſchaft mit
Rußland und ber Verſchärfung feines Gegenfages zu Oeſterreich
ſich zu Louis Philipp beſſer ftellte und der Hof gar 1835
ben Befuch ber beiden orleansſchen Prinzen empfing, die nicht
bloß freundlich aufgenommen wurden, fondern durch ihre an=
genehme Perjönlichkeit, ausgezeichnete Erziehung, Verftand und
Takt allgemeine Sympathien gewannen. Der König jelbft
unterftügte in der Folge die Werbung des franzöſiſchen
Thronerben um Helene von Medlenburg. Das konnten die
Leute nicht verwinden, die noch unlängft im Kriege gegen
Frankreich Lorbeeren zu gewinnen gehofft und von einem neuen
Einzug in Paris geträumt hatten. Namentlich Herzog Karl
von Medienburg geriet darüber in „eine fo merkwürdige, un
verfländige Wut“, daß er, wie ein Berichterftatter ſich derb aus-
drüdt, „bald zum Teufel gefahren wäre“, und benahm fi dem
König gegenüber „unter aller Kritik“. Ja, felbft defien Söhne
Wilhelm und Karl begegneten ber Prinzeſſin, als fie auf der
Neife nad Frankreih in Berlin weilte, mit demonftrativer
Schroffheit.
Im übrigen aber behauptete die reaktionäre Partei die
Herrſchaft. Obgleich im Grunde ein beſchränkter Kopf und
I. Realtionäres Stillleben. 163
vol prinzlier und militärifher Hoffahrt, dabei Heinlich ehr-
geizig und nicht one Bosheit, ftand ihr Führer, Herzog Karl
von Medlenburg, am Hofe und im Heere do in hohem An:
ſehen. Dazu halfen ihm auch feine von Schmeichlern über:
trieben gepriefenen gejelligen Talente — er war ein gewandter
Verſemacher und Schaufpieler. Um ihn fammelte fid feit ger
ſchloſſen ein Kreis gleihgefinnter Hoher Militärs und Hof- und
Staatsbeamten mit Rußland und Defterreih als Schutzmächten
binter fih. Im Intereſſe des letzteren hatte bereits 1824
General Steigentefh an einem Mann wie Savigny Anftoß ge-
nommen, weil „ihm das Gejeg alles war“. Weil er einmal
gemeint hatte, die Völfer müßten zuweilen aufgerüttelt werben,
um ihre Kraft zu üben, galt der geniale Jurift für einen ver:
kappten Revolutionär und fein Einfluß auf den Kronprinzen
für gefährlih. Männern wie Gneifenau, Grolmann, Kraufened
und anderen fprad General Diebitfh, der 1830 wegen ber
belgif den Sade in Berlin unterhandelte, royaliſtiſche Gefin-
nung ab.
Das Ohr des Königs befaken denn auch neben dem mäch—
tigen Wittgenftein, dem Hausminifter und Vertrauten Metter-
nis, ber alte gallige Tauengien, die Generale v. Müffling,
der, ein tüdhtiger Offizier und verdient um die Entwidelung
bes Generaljtabes, doch als Politiker das Lob Ernft Augufts
verfünbigte, und v. Rochow, deſſen Bruder ©. A. v. Room
jeit 1834 dem Minifterium bes Innern und der Polizei (S. 160)
vorſtand und der bei aller Straffheit doch bemüht war, un:
nötige Härten zu vermeiden. Zu ihnen gejellte fi als der
politiſch zwar unbebeutendften, dafür aber betriebfamften einer
Ancilon, der „Hofpfaffe und Hofſchranze“, wie ihn Scharn-
horſt genannt, ber in Vollendung einer für einen ehemaligen
Prediger feit Wöllners Zeiten (Bd. III, ©. 258) in Preußen
beifpiellofen Laufbahn 1832 nad) dem Tode Bernſtorffs Minifter
bes Auswärtigen geworden war. Auch als folder geſchmeidig
unb leifetretenb, paftoral wortreich und ein Meifter in ber Kunft,
feine Anſichten denen ber Mächtigen anzupafien, erftarb er in
Verehrung für Metternich und erbat es ſich von ihm als be—
fondere Gunft, das Protokoll der Wiener Konferenzen von 1834,
164 Dritte Bud. An ber Wende ber Zeiten.
das die Geltung der Karlabader Beſchlüſſe verlängerte und
diefelben zum Teil verfchärfte, unterzeichnen zu dürfen, ob:
glei er der Schlußfigung nicht beigewohnt hatte — er, ber
durch fein Hamäleonhaftes Schillern in allen Farben Hier und
da ben Glauben erwedt hatte, er, ber einen Hauptanteil hatte
an ber Einführung der Provinzialftände von 1823 (S. 137),
werde Preußen zu Eonftitutionellem Leben hinüberleiten. Obs
gleich fie ihn in der Stille für praktiſch unbrauchbar erklärten,
ließen die Reaktionäre den bürgerlihen Minifter ſich doch ge-
fallen, weil er, was fie bie Wahrheit nannten, vertrug und mit
" Wittgenftein gut ftand. Aber während ber König Ancillon bei
feinem Tode 1837 als unerfeglich beflagte, hatte bie Partei,
der er fo befliffen gedient, alsbald fein anderes Intereſſe, als
daß ja ein Adliger an feine Stelle trete. Weberhaupt kenn⸗
zeichnet Talentlofigkeit das höhere preußiihe Beamtentum jener
Zeit, wo 1835 an die Stelle eines v. Mog und Maaßen ein
Alvensleben (geb. 1794, geft. 1858) trat, ber zwar bie alten
Tugenden ber Ordnung und Sparjamkeit im Finanzminifterium
herrſchend erhielt, aber fonft den wachſenden Anforderungen
der neuen Zeit ohne jedes ſchöpferiſche Vermögen gegenüber
ftand. Als Maffiihe Vertreter der prinzipiellen und jedes Mittel
anzuwenden entſchloſſenen Reaktion reihen fi biefem Kreife
° ber Juftigminifter v. Kamptz und ber Generalpoftmeifter und
Staatsminifter v. Nagler an.
Kamptz (geb. 1769, geft. 1849), ein hartköpfiger Mediens
burger, bedeutend und verdient als gelehrter Jurift, als Ver:
waltungsbeamter aber gemaltthätig und beherrſcht von ber
Leidenſchaft des Inquifitors, hat als Leiter der höheren Sicher:
beitspolizei und ſeit 1824 zugleih an Stelle bes trefflihen
Nicolovius Direktor im Kultusminifterium feinen Namen un«
trennbar mit der Schmach ber Demagogenverfolgungen ver:
Inüpft. Unter Beibehaltung der Mitgliebfehaft in der Mainzer
Zentralunterſuchungskommiſſion zum Direktor im Juftizminiz
fterium und Vorfigenden ber Juftizabteilung des Staatsrates
ernannt, übernahm er 1832 proviforiih und 1834 endgültig
das Juftizminifterium. Er war wohl ber verhaßtefte Mann
feiner Zeit, den felbft feine Gefinnungsgenofien preisgaben und
ostzeso, Google
180 Dritted Bud. An der Wende der Zeiten.
Menſchheit unter einem Hirten und in einem Glauben fi} zu:
fammenfinden zu ſehen, jo daß bie „Reftauration ber Ge-
finnung in politifher Hinſicht“ vollendet fein follte durd eine
ſolche auch in religiöfer, den Triumph der katholiſchen Kirche
über den Proteftantismus. Auch fonft waren die Vorkämpfer
bes Abfolutismus und bes Junkertums oft zugleich ſolche des
Ultramontanismus. Selbft der Hallenfer Hiftorifer Heinrich Leo
(geb. 1799, geft. 1878), der in feinen Schriften für das gute
Recht des Proteftantismus eintrat, verleugnete doch nicht die
tiefinnerlide Verwandtſchaft beider. Indem er das Recht der
Reaktion zu Gunften des Gottesgnadenfönigtums geſchichtlich
und theoretifh zu erweiſen ſuchte, kam er für bie politiſchen
Probleme der Gegenwart im weſentlichen zu ben gleichen Er-
gebnifien wie der Konvertit Jarde.
Wie völig hatte das offizielle Preußentum fich gewandelt,
als deſſen philofophiicher Repräfentant und Panegyrifer einft
Hegel (geft. 1831) von den einen gefeiert, von ben anderen ver-
tegert worden war! So erftanden denn auch gerabe aus feinen
jüngeren Schülern dieſem neuen preußifhen Syitem befonders
eifrige Gegner. Namentlich die „Halifhen Jahrbücher“, die
Arnold Ruge (geb. 1802, gef. 1880) feit 1838 herausgab,
übten, ausgehend von dem Hegelihen Prinzip der Entwidelung,
eine ſcharfe Kritif an den Zuftänden in Staat und Kirche ala
unvereinbar mit ben natürlichen Bebingungen menſchlichen Da-
feins und Wirkens. In anderer Weife thaten das Gleiche
die als das junge Deutſchland bezeichneten Schriftfteler, die
namentlich gegen die Romantik anfämpften, Karl Gutzkow
(1811—78), Theodor Mundt (1808—61), Georg Kühne
(180688) und Heinrich Laube (1806-1884), bie erften
Vertreter bes modernen Litteratentums, von benen nament:
li Gutzkow bereits in den dreißiger Jahren eine bebeutende
Wirkfamfeit entfaltete, vielfah in Konflift mit der Zenfur
und wegen Verhöhnung des Chriftentums mit Gefängnis be
ftraft, aber wegen bes ihm eigenen ftarfen preußifchen Zuges
doch aud gelegentlich in den herrſchenden Kreifen anerkannt.
Der Bundestag freilich verbot infolge einer Denunziation bes
Gutzkow einft befreundeten Wolfgang Menzel (1798—1373)
I, Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 181
am 10. Dezember 1835 bie Schriften des jungen Deutſchland
jamt dem ganzen fonftigen Verlag der Hamburger Firma Hoff-
mann und Compagnie. Aufzuhalten jebod war bie freiheitliche
litterarifde Bewegung durch jolde Maßregeln nicht mehr.
Machten ihr doch felbft die reaftionären höfiſchen Kreife all-
mählich Zugeftändnifie. Es war ein Zeichen der Zeit, daß 1840
Mundt, Laube und Gutzkow in Berlin leben und fchriftftellern
durften und bes legteren Tragödie „Richard Savage” trotz
aller Gegenbemühungen bes Minifters v. Rochow im Schau:
fpielgaufe gegeben wurde mit einem Erfolge, ber einen noch
vor kurzem für unmöglich gehaltenen Sieg des jungen Deutich-
land bebeutete.
Beſchãftigten diefe Vorgänge zunächſt nur bie Litterarifch
intereffierten Kreife, fo veranlaßten eine allgemeinere und zu-
gleich tiefere Bewegung die das kirchliche Leben erfüllenden
Gegenfäge. Aud fie waren durch den Freiheitsfampf gezeitigt
morben. Der flahe Nationalismus des 18. Jahrhunderts war
für Preußen mit dem Fridericianiſchen Staate zu Fall gelommen.
Wie das nationale Leben unter dem Drud der Fremdherrſchaft
fi) überhaupt verinnerlichte und vertiefte, nahm darin auch
die Religion wieder eine andere Stellung ein. Mit dem Könige
hatte das preußifche Volk in den Jahren der Trübfal fie wieder
hochhalten gelernt, Evangelifche jo gut wie Katholiken. Während
aber bei jenen bie bogmatifchen Unterſchiede an Bedeutung ver-
Ioren und das Gefühl der Gemeinfhaft in den wefentlihen
Punkten des Glaubens erftarkte, in dem Mafe fogar, daß es
mande glei in den Schoß ber katholiſchen Kirche trieb und
Konverfionen Mode wurden, ſchärfte die Steigerung bes reli-
giöfen Lebens in ber katholiſchen Kirche den dogmatiſchen Eifer
und bewirkte eine ftärkere Bethätigung der hierarchiſchen Ten-
denzen. Die fo lange herrſchende aufgellärte Duldſamkeit in
der eigenen Kirche hörte auf; eine aggreffive Stimmung gegen
Andersgläubige und Eroberungsluft gegen den Staat wurben
herrſchend. So geſchah es, dag in Preußen die Staatsautori-
tät, die der König für die Einführung einheitlichen Brauches
in ber Landeskirche einfegte, von katholiſcher Seite ihre funda—
mentalften Rechte in Frage geftelt ſah und das Mittelalter,
182 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten.
für das die Romantiker geſchwärmt, wirklich auflebte in der
Geftalt eines neuen Kampfes zwiſchen Staat und Kirche.
An die beften Traditionen hohenzollernſcher Kirchenpolitik
hatte Friedrich Wilhelm III. angelnüpft, als er, tief ergriffen
von dem 1806—13 Erlebten, gleih nad dem Frieden die
ähnlich bewegte Stimmung feines Volkes benupte, um bie Ver-
einigung ber lutheriſchen und ber reformierten Kirche in Preußen
herbeizuführen. Beraten von feinem einftigen- Lehrer, dem
teformierten Oberhofprebiger und Bifhof S. G. Sad und dem
noch mit Kant befreundeten Iutherifhen Biſchof L. E. Borowski
(1740—1831), ber ihm in ber ſchweren Königsberger Zeit nahe
getreten war, und unterftügt von dem höfiſch gewandten Biſchof
R. 3. Eylert (1770—1852), wanbte er fih an die freudige Er-
regung bes proteftantifchen Gefühle durch die dritte Säkular-
feier der Reformation und verlündete am 27. September 1817
in ſchlichten, zu aller Herzen gehenden Worten feine Abficht,
das Gedächtnis ber befreienden That Luthers dadurch zu be-
gehen, daß er gemeinfam mit ben Lutheranern das Abenbmahl
genöfle. Auf den damit eingefchlagenen Weg hoffte er fein
Volt nachfolgen und fo die beiden Kirhen unter Wahrung
ihrer VBejonderheiten von buldfamem Nebeneinander allmählich
zu geiftiger Einheit auffteigen zu fehen. Cr hatte fi nicht
getäufht. Denn die Union, die er als fein perfönliches
Werk ins Leben rief, indem er am 30. Oktober fein Vorhaben
in der Potsdamer Garnifonfiche ausführte, fand weithin das
rechte Verftändnis und freubiges Entgegenfommen. Auf be
fondere Bethätigung durch einheitlihe Kultformen verzichten,
ftellte fie zunächft nichts dar als eine geiſtige Gemeinſchaft, ge
gründet auf Duldung und VBruberliebe, und damit eigentlich
den natärlihen Abſchluß der Entwidelung, welche das Ver-
bältnis beider Konfeffionen unter den Hohenzollern feit dem
Großen Kurfürften durchgemacht hatte. Wurbe fie auch hier
und da von dogmatiſchen Eiferern, wie nachmals Leopold
v. Gerlad, als „auswendig, auf Unwahrheit und Indifferentis-
mus“ beruhend, bekämpft, fo fand fie doch auch in anderen
deutſchen Landen Nahahmung. Nur in den Gebieten des auf
die Reinheit feines Glaubens folgen firengen Luthertums, in
II. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 183
Sachſen, Medlenburg und Holftein wurde fie abgelehnt. In
Preußen ſelbſt wiberfegten fih namentlih die reformierten
Gemeinden der Rheinlande: die Einfügung in die neue preußifche
Landeskirche bedrohte ihre alte republifanifche Selbftregierung mit
ber Unterordnung unter bie oberftbifchöfliche Gewalt des Königs.
Dem gab die Synode von Jülich: Rleves-Berg unter Betonung
aud ber politiſchen Momente jharfen Ausdrud: fie wurde auf:
gelöft, obgleich der König fi) mit dem Plan zu einer ähnlichen
Verfaſſung der Landeskirche trug. Auch wurden 1819 Provinzial:
fynoden als Vorftufen der künftigen Generalfynode einberufen.
Es lag überhaupt in dem autokratiſchen Charakter bes
Könige, gerade dieſe Seite feiner Iandesherrlihen Rechte und
Pflichten befonders hochzuhalten und energiich geltend zu machen.
Aus DOrbnungsliebe überall auf Herftellung moglichſter Uni-
formität bedacht, nahm er an ber Ungleichheit ber kirchlichen
Bräuche um fo mehr Anftoß, als manche willfürlicher Neuerung
oder rationaliftifher Verflahung ehrwürbigen Herkommens ent-
fprungen waren. Einheit auf biefem Gebiete verhieß aud bie
Union zu Zräftigen. Wieder nahm ber König die Sade felbft
in die Hand. Cr beteiligte fi fogar perjönlih an den um-
ſtändlichen Vorarbeiten, durch bie zunädft eine ſichere Grunb-
lage gewonnen, nämlich einmal feftgeftellt werden ſollte, was
urfprüngli Brauch geweſen, und dann, was bermalen über
haupt in Uebung ſei. Danach erft wurde im Anſchluß an bie
Liturgie, die er für die Garnifonfichen in Berlin und Pots-
dam vorgefehrieben hatte, unter Mitwirkung Wiglebens und
Beirat Bunfens in Rom, 1821 eine Agende entworfen unb
allen Gemeinden ber Landeskirche zur Annahme empfohlen.
Aber während die Union, weil fie von befonderen äußeren
Formen abfah, willig aufgenommen war, ftieß ber Verfuch zu
einheitlicher Ordnung bes Gottesbienftes auf ernften Wider
Rand. Der König und feine Berater hatten die Anhänglichkeit
der Gemeinden an bie überflommenen Bräude völlig unter-
ſchätzt. Eine heftige litterarifche Fehde entbrannte. Selbft
die Union ſchien gefährbet. Verftimmt gab ber König bie
Verfaffungspläne auf, mit denen er fih für die Landeskirche
getragen hatte. Denn eine Generalfynobe wäre jegt bas wirk⸗
184 Dritte® Bud. An der Wende ber Zeiten.
famfte Organ ber allgemeinen Oppofition geworben. Aber die
Agende follte eingeführt werben. Der König griff dazu felbft
. in ben litterarifchen Kampf um fie ein. In einem Büchlein
„guther in Beziehung auf die preußifche Kirchenagende“ juchte
er nachzuweiſen, es handle fi bloß um Herftellung des evan-
geliſchen Gottesdienftes in feiner urfprünglihen reinen Geftalt.
Eindrud machte er damit natürlich nicht. Erhielt doch für
mande Gemeinde ber bisherige Brauch erft Wert, weil er be
droht war. Jenem Schriftchen bes Königs trat, ſcheinbar ohne
zu wiflen, wer es verfaßt, Schleiermader in einem platonifchen
Dialoge ſcharf entgegen. Am heftigiten aber widerſtrebten der
Agende die kleinen Gemeinden von Erwedten, die es in allen
Provinzen gab. Als Altenftein beshalb 1825 in einer Ver
fügung gegen die „verkehrten und unflatthaften“ Richtungen
des „Pietiemus, Myſtizismus und Separatismus” eiferte,
nahmen daran aud bie kirchlich freier Denkenden Anftoß.
Zudem ſuchte die Regierung die wiberftrebenden Geiftlihen ber
Landeskirche durch allerhand Chikanen fügfam zu machen, während
fie die gehorjamen belohnte und auszeichnete. Nur dachte der
König ſelbſt in diefen Dingen doch zu ernft, als daß Die Oppo-
fition hätte ohne Eindrud auf ihn bleiben ſollen. Er Ientte
ein: durch Neander (1789—1830), ben milden Geifteserben
Schleiermachers, ließ er einen Nachtrag zu der Agende aus—
arbeiten, der die Beibehaltung der in einzelnen Gegenden üb-
lichen befonderen Bräuche geftattete. So kehrte 1830 der Friede
wieder. Allgemein angenommen freilih war bie Agende nur
theoretifch, in der Praxis blieb vielfach alles beim Alten. Am
fpäteften und in eigentümlihen Formen erfolgte der Ausgleich
in dem proteftantijden Teile der Nheinprovinz, Kleve, Berg
und Marl. Um des Friebens willen ftelte der König die
Synoden wieber ber und ließ fie über die Annahme ber vers
befierten Agende entſcheiden. Seitdem entwidelte ſich in ber
evangeliſchen Kirche Nheinlands und Weftfalens ein friiches,
träftiges Leben, das nicht bloß für die Union ein glänzendes
Zeugnis ablegte, fondern auch hoffen ließ, es werde durch die
Uebertragung der bort bewährten Verfaflung auf die Landes-
tirhe dieſe ähnlich verjüngt werben.
U. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 185
Unbeugjam in ihrem Widerftand gegen die Agende blieben
nur bie Altlutheraner Schlefiens. Geleitet von übereifrigen,
am Buchftaben hängenden Geiftlihen, meinten fie durch ihre
Annahme ihre Seelenheil zu gefährden. Als die Regierung
ihren Eigenmächtigfeiten mit ernften, aber gefeglihen Mitteln
entgegentrat, klagten fie über Gewalt und Glaubensverfolgung.
Im Kampf für ihre Autorität begingen dann freilich auch die
Behörden unnötige Härten, die unvereinbar waren mit bes
Königs feierliher Erklärung, die Union folle niemandem auf-
gezwungen werben. So wanderte jhließlid ein Teil der Alt-
lutheraner aus, nicht ohne daß von jeiten der Regierung ver-
fucht worden wäre, ihnen die Erklärung abzubringen, daß fie
auswanberten, um ihre wirtſchaftliche Lage zu verbefiern, nicht
um freie Neligionsübung zu haben. Der üble Eindrud wurde
dadurd nicht aufgehoben, daß um biejelbe Zeit 400 evangelifche
Zillertaler, die um ihres Glaubens willen ihre Tiroler Berge
verlaflen hatten, in Schlefien gaftlid aufgenommen und bei
Schmiebeberg angefiebelt wurben.
Zeigten ſchon dieſe Vorgänge ſchwache Eeiten der Union,
fo mußten andere, die fi innerhalb der auf ihr beruhenden
Landeskirche abfpielten, ernite Sorge erweden wegen bes In—
balts, welcher der in ihr geichaffenen Form gegeben werben
würde. Denn gerade da ftießen die Gegenfäge heftig zufammen.
In dem Kampfe gegen den überlebten Nationalismus ſowohl
wie gegen bie, welche dank ber von der Union gelafjenen Frei-
beit auf ihre Art jelig werben wollten, gewann jeit dem Enbe
der zwanziger Jahre der aus ber Grafihaft Mark ftammende
€. W. Hengftenberg (1802—61) eine führende Stellung. Seine
„Evangeliſche Kirchenzeitung“ verfocht die unbedingte Autorität
der Bibel, die wörtliche Verbindlichkeit des Dogmas und das
Recht und die Pflicht des Kirchenregiments, beiden Anerkennung
zu erzwingen. Dabei verfhmähte er nicht die unfauberen Mittel
des Horchens und Denunzierens, wie bie auf feine Veranlaffung
in ihren Kollegien belauſchten und daraufhin verbädtigten
Hallenjer Profeffjoren Wegfcheider und Gefenius zu erfahren
hatten. Doch lag das ja im Geifte ber Zeit, und Hengitenberg
gewann in den höheren Kreifen um jo mehr Anhang, als ber
186 Drittes Bud. An der Wende ber Zeiten.
Kronprinz und feine gläubigen Freunde ähnlich baten, dieſe
Richtung alfo bald die Staatsautorität hinter fi zu haben
gewiß war. Schon ſahen fi} gefeierte Gelehrte von der pofi-
tiven Richtung eines Marheinede und Neander an Einfluß
dur Hengftenberg überflügelt, ber, trotz litterariſcher Frucht:
barkeit bei der dogmatijchen Gebundenheit feines Denkens zu
wirklich wiſſenſchaftlichem Schaffen unfähig, eigentlih als
Bamppletift in die Höhe kam, von den einen geprieien als
auserwähltes Werkzeug Gottes, von den anderen gehaßt als
unverföhnliher Feind modernen Geifteslebens. Noch freilich
drang er in dem Kampfe, zu dem 1835 das Erſcheinen von
D. Strauß’ „Leben Jeſu“ den Anftoß gab, nicht völig durch
gegenüber der altpreußiſchen Toleranz und Achtung vor der
Wiſſenſchaft: das von ihm geforderte Verbot des Buches für
Preußen unterblieb auf ein Gutachten Neanders. Aber bie
Zukunft gehörte ihm. Mit wachſendem Befremden fah man,
wie das äußerlihe Zurfhautragen ber Frömmigkeit Mode wurde,
ohne daß in den fi damit brüftenden Kreifen bie Sittlichkeit
geftiegen ober die frivole Luft am Ballett gefunfen wäre,
Auch im Katholizismus hatten die Freiheitskriege bas
teligiöfe Gefühl neu belebt, zumal Napoleon durch feine Ver-
folgungen ber Kirche Sympathien gewonnen hatte. Zudem war
mit ber Reaktion gegen den einftigen Franzoſenkultus und der
Verherrlihung des altdeutihen Weſens durch die Romantik
ein förmlicher Kultus des Mittelalters eingeführt. Er kam
auch dem hergeftellten Papfttum zu gute und leiftete den wieber-
auflebenden hierardifgen Tendenzen wirkſam Vorf hub. Der
höhere deutſche Klerus freilich teilte diefe Richtung zunächſt
nit. In den Anfhauungen der Aufklärung aufgewachſen,
rationaliftiih angehaucht und gelehrte Theologen, waren die
deutſchen Prälaten duldfam in dogmatifhen Dingen, fried-
fertig gegen Andersgläubige und gute Staatsbürger, ſahen fi
aber deshalb bald von jener neurömiſchen Richtung unkirch—
licher Lauheit bezichtigt.
Auch Preußen hatte 1815 fein Verhältnis zur Tatholifchen
Kirche neu zu orbnen, zumal bie Neuerwerbungen bie Zahl
feiner katholiſchen Unterthanen beträchtlich vermehrt hatten.
II. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 187
Bei den deshalb in Rom geführten Verhandlungen fam es buch
feinen Gefandten Niebuhr der Kurie in allem bereitwilligft ent-
gegen. Dennod enthielt die Bulle „De salute animarum“
(1821), durch die Pius VII. die Erzbistümer Köln und Poſen
und die Bistümer Trier, Münfter, Paderborn, Breslau, Kulm
und Ermeland errichtete, nicht die ausbrüdliche Anerkennung
der Rechte des Staates, obgleich diefer für die Ausflattung
der Bistümer und Kapitel und die Unterhaltung zahlreicher
Pfarreien bedeutende Leiftungen auf fih nahm. Nur in einem
pãpſtlichen Breve wurde fie in unbeftimmten, beutbaren Worten
ausgefproden. Dennoch ging alles, die Bejegung der Bis-
tümer, die Ordnung ihres Verkehrs mit Rom und wo fonft
Kirche und Staat zufammenzumirken hatten, ganz nad) Wunſch
und in befter Eintracht vor fih. Ja, der Staat Half fird-
liche Neuerungen, die Rom verwarf, unterbrüden. Befonders
verdient machte fih um dieſe erfreuliche Entwidelung Graf
Spiegel, der als Erzbiſchof Ferdinand Auguft feit Ende 1824
den Kölner Stuhl inne hatte, ein aufgeklärter Theologe und
deutſcher Patriot, der durch feinen gelehrten Freund Georg
Hermes in Bonn feinen Klerus philoſophiſchen Studien und
dadurch einer freieren und milderen Denfweife zuzuführen
firebte — im Gegenjag zu dem eifernden Münfterer General-
vifar und Weihbiſchof Drofte-Vifhering, der den Beſuch ber
Vorlefungen Hermes’, als diefer no in Münfter las, ver
boten hatte. Auch bewirkte Spiegel, was vom Stanbpunfte der
Kirche kein Kleines war, die Anerkennung des ſtaatlich ver-
ordneten Buß und Bettages als eines Fatholifchen Feiertages.
Diefes friedliche Verhältnis trübte feit 1825 die Frage
nad) den gemiſchten Ehen. Ihre Einfegnung, die das Tridenter
Konzil ſchlechtweg verboten hatte, war 1741 durch Benedikt XIV.
geflattet worden für die Fälle, in denen die künftigen Gatten
zum voraus gelobten, ihre Kinder katholiſch zu erziehen. Wo
das nicht geſchah, bot ber Brauch der paifiven Aſſiſtenz der
katholiſchen Geiftlihen einen Ausweg, die Gemüter zu beruhigen.
Die preußifche Regierung aber hatte fi mit einem berartigen
Notbehelf nicht begnügt, fondern für ihre öftlichen Provinzen
die Sache 1803 duch eine urfprünglih für Schlefien er
188 Drittes Bud. An der Wende ber Seiten.
gangene Deklaration zum Landrecht dahin geordnet, daß bie
Kinder aus gemifchten Ehen dem Belenntnis des Vaters folgen
follten. Da Schwierigkeiten daraus bisher nit entftanden
waren, führte bie Regierung 1825 biefe Ordnung auch in den
Rheinlanden ein für alle Die Fälle, wo der Ehevertrag nicht aus—
drüdlich anderes vereinbarte. Zugleich wurde den Geiftlihen
unterfagt, das Verſprechen ber katholiſchen Kindererziehung zu
verlangen. Da nun am Rhein Mifchehen damals befonbers
häufig waren, weil von ben borthin gefommenen preußiſchen
Beamten und Offizieren viele Töchter bes Landes heirateten,
erwedte bie Bejeitigung bes bisherigen Brauches den thörichten
Verdacht, das Land folle auf diefem Wege allmählich prote-
ſtantiſch gemacht werben, und ftieß daher fofort auf plan-
mäßigen Wiberftand. Ohne vorherige — angeblih natürlich
ftets freiwillige — Zuſage der katholiſchen Kindererziehung
fegnete fein Geiftlicher mehr eine gemischte Ehe ein. Mahnungen
blieben vergeblih: man müfle Gott mehr gehorchen als den
Menſchen, hieß es, als ob das Wort den Ungehorjam gegen
die Staatsgeſetze legalifiere. Die rheiniſchen Biſchöfe wunſchten
den Frieden und bemühten ſich bei dem Papſte um einen für
den Staat annehmbaren Ausgleih, allen voran der treffliche
Spiegel. Das that au) der in Rom 1824 an Niebuhrs Stelle
"getretene Karl Joſias Bunſen (S. 183), ein hochbegabter und
kenntnisreicher, aber phantaftifch veranlagter Mann, der, mehr
nad dem Gefühl als verftandesmäßiger Erwägung handelnd,
den vatifanifhen Diplomaten nicht gewachſen war, zumal er,
wie faft alle proteftantiichen Staatsmänner, das wahre Weſen
der fatholifchen Kirche nicht Tannte. Das gilt namentlich auch
von dem Minifter v. Altenftein, der bie Sade mit faft un=
begreiflicher Sorglofigfeit und bureaukratiſcher Verblendung
behandelte, ohne eine Ahnung von dem zu haben, was ſich
damals in der katholiſchen Kirche vorbereitete. Bunſen wähnte
den Frieden geſichert, als Pius VIII. 1830 an die rheiniſchen
Biſchöfe ein Breve erließ, das zwar die Einſegnung gemiſchter
Ehen von dem Verſprechen der katholiſchen Kindererziehung
abhängig machte, aber durch eine gefliſſentlich unklare Wort⸗
faſſung zweifelhaft ließ, ob die alte Aushilfe der paſſiven Aſſiſtenz
I. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 189
in gewiſſen Fällen nicht auch in Zukunft noch Platz greifen
dürfe. Crreiht war damit thatſächlich gar nichts. Dennoch
machte die preußiihe Regierung das für fie unannehmbare
Breve zur Bafis weiterer Verhandlungen, während bei ber
Unausgleihbarfeit der obwaltenden prinzipiellen Gegenfäge eine
wirkliche Verftändigung doch überhaupt ausgefchlofen war.
Sich dieſer Erfenntnis in feiner Friebensliebe verſchließend,
vereinbarte Spiegel mit Bunjen eine Deutung des Breve, die
eine ben bejcheidenen Anfprüchen bes Staates entſprechende
Praris ermöglichte, und erteilte im Einverftändnis mit feinen
Suffraganen von Trier, Münfter und Paderborn 1835 den
Pfarren eine entiprehende geheime Inftruftion. Man begnügte
fh alfo mit einem Privatablommen, das ben Nachfolger
Spiegels nicht band und das bie Pfarrer als den Firchlichen
Geboten entgegen um fo weniger zu befolgen braudten, als
ſchon fein geheimer Charakter Zweifel an feiner Rechtsver⸗
binblidfeit erweden mußte. Diesmal hatte v. Rochow nur zu
recht, wenn er meinte, Spiegel und Bunfen hätten eine Kon—
vention gemacht darüber, wie das geiftlihe Breve zu um—
gehen fei.
So entbrannte der Kampf nur heftiger. In ihrem Ge-
wiſſen bebrängte Pfarrer vermeigerten der biihöflihen In—
ſtruktion den Gehorfam. Die Prefie nahm fih der Sade
eifrig an. Auch politifch wurde fie ausgebeutet, um von neuem
die Unvereinbarfeit preußifden und rheiniſchen, proteſtantiſchen
und katholiſchen Weſens zu erweiſen. Hatten die nicht recht
gehabt, die 1830 gemeint Hatten, die Rheinländer follten das
Beifpiel der Belgier nahahmen und fi ber Herrichaft bes
Ketzerſtaates entziehen? Bisher kaum beachtete Dinge, wie
die Kommandierung katholiſcher Soldaten zu dem proteftantifchen
Militärgottesdienft und anderes mehr erhielten num Bedeutung
und wurden agitatorifch ausgenugt. Der Einfluß der ertremen
Elemente wuchs. Um nicht für unfirhlich zu gelten, mußten
aud die ruhigeren und verſöhnlicheren mitgehen, zumal jene
der Zukunft ſicher zu fein glaubten, da der Kronprinz bei einem
Beſuche in der Rheinprovinz deutlich zu erkennen gab, daß er
den Standpunkt ber Regierung nicht teile. Inmitten biefer
190 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten.
Krifis ſtarb am 2. Auguft 1835 Spiegel, deſſen Autorität das
Aeußerfte bisher abgewandt Hatte. Cs bleibt eine der un=
begreiflichften Verirrungen Bunfens, daß er, noch ehe er ben Tod
Spiegels erfahren hatte, zu feinem Nachfolger den ehemaligen
Generalvikar des Bistums Münfter, Clemens Auguft v. Drofte:
Viſchering, empfahl. Ein bis zu mittelalterlicher Askeſe frommer
Eiferer, ein erbitterter Gegner der Hermesſchen Theologie
(S. 187) und rüdfihtslofer Vertreter hierarchiſcher Prinzipien,
war er ſchon in feiner früheren Stellung mit ber Regierung
mehrfach in Konflift geraten und Hatte feine kirchlichen Wurden
niebergelegt und, faft wie ein Heiliger verehrt, als ſchlichter
Priefter gelebt. Selbft der Kardinalſtaatsſekretär bezeichnete
diefe Kandidatur derb als eine Tollheit der Regierung Wie
Bunſen auf fie verfallen, bleibt ein Rätjel. Hatte der Kron-
prinz den Mann empfohlen, befien Frömmigkeit auch dem König
imponierte? Hat der von Altenftein mit diefer Sache betraute
ultramontane Geheimerat Schmebbing fi dadurch ein be-
fonderes Verdienſt um feine Kirche erwerben wollen? Doch
verlangte die Regierung von Drofte die Anerkennung der zwifchen
Spiegel und Bunfen vereinbarten Deutung bes Breves
Pius’ VIII, begnügte fi aber mit einer fragmürbigen Er-
klärung, er wolle den in betreff der gemifchten Ehen zur Zeit
geltenden Zuftand aufrecht erhalten „gemäß der auf Grund
jenes Breves getroffenen Uebereinkunft“. So wurde er im
Dezember 1835 zum Erzbiſchof gewählt und am 29. Mai 1836
inthronifiert.
Inzwifchen aber hatte die römiſche Kirche den einft von
ihm eröffneten Kampf gegen den Hermefianismus aufgenommen.
Eine Bulle Gregors XVI. vom 26. September 1835 verdammte
etliche Säge bes bei dem rheinischen Klerus einft hochgefeierten
und einflußreihen Lehrers, und der Erzbiſchof unterfagte ben
Klerikern feiner Diözefe den Beſuch der Vorlefungen der jene
Vhilofophie vertretenden Bonner Profeſſoren. Sahli hatte
die Regierung nichts dagegen einzuwenden: nur bag er ohne
ihre Genehmigung gegen vom Staat beftellte Lehrer vorging,
tabelte fie, verpflichtete aber doch die betreffenden Profefloren
amtlich, über die verworfenen Hermesihen Schriften nicht mehr
II. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 191
zu handeln. Das genügte aber Clemens Auguft nit mehr:
er verlangte von ben theologifhen Lehrern und den zu weihenben
jungen Klerifern die Unterzeichnung von ihm aufgeftellter Thefen,
die jene Lehren ausdrüdlich verwarfen und von benen eine fie
verpflichtete, in allen Fragen der Lehre und Disziplin bem
Erzbiſchof zu gehorchen und von ihm nur an ben Papft zu
appellieren, die Staatsautorität alſo für fie einfach ausfchaltete.
Offenbar wollte er fi) des Klerus für den Kampf verſichern,
ben er, durch bie bisherigen Erfolge ermutigt, in Saden ber
gemiſchten Ehen eröffnen wollte.
Eine belgiſche Zeitung veröffentlichte die geheime In—
ſtruktion, die Spiegel und feine Suffragane ihren Pfarrern
wegen ber paffiven Affiftenz bei ber Eingehung von gemifchten
Ehen erteilt hatten (S. 189). Als dem Breve Pius’ VIIL
widerſprechend wurbe fie von der Kurie verworfen; der Erz-
biſchof erflärte fih für nicht daran gebunden, ba er fie an-
gebli nicht gefannt habe, und zerriß fo die vor ber Wahl
eingegangene Verpflichtung. Damit entbrannte in dem Rhein-
lande der Kampf zwiſchen Kirche und Staat. Aus Friebene-
liebe aber und Scheu vor ber wachſenden Erregung ber
Bevölkerung trat die Regierung zuerſt milber auf, als ihrer
Autorität dienlid war. Statt Gehorfam zu fordern und zu
erzwingen, unterhandelte fie durch den Minifter v. Room,
durch den von Rom herbeigerufenen Bunfen, durch den Regie
rungspräfidenten Grafen Stolberg mit dem Erzbiſchof und bot
ihm ſchließlich Straflofigkeit an, wenn er abdanken wollte.
Natürlich beharrte er nun erft recht. Die Kurie flug einen
berausforbernben und drohenden Ton gegen Preußen an. Die
ultramontane Prefie, voran der ehemalige deutſche Patriot
Görres (S. 83), fiel wie eine wilde Meute über Preußen
ber. Sie ſchien wirflih aus den Nheinlanden ein zweites
Belgien machen zu wollen.
Das zwang bie Regierung endlich zu fräftigerem Handeln.
Da er fich der Abdanfung hartnädig weigerte, wurde der Erz—
biſchof am 20. November 1837 jamt feinem Sekretär und
Rapları Micelis, ber aber vorher feinen Briefwechfel noch hatte
vernichten Fönnen, verhaftet und nad Minden abgeführt, wo
192 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten.
er unter leichter Auffiht in einem Privathaufe wohnend, fpa-
zieren gehend, Billard fpielend und Pfeife rauchend ein be-
quemes Martyrium durchmachte. Der Eindrud war ein mädj-
tiger. Im allgemeinen freute man fi) ber Strenge gegen den
Erzbiſchof, während feine eifrigften Anhänger gar eine Erhebung
der Rheinprovinz erhofften. Eine päpftlihe Allokution vom
10. Dezember 1837 aber beſchuldigte Preußen eines Attentates
auf bie Freiheit der Kirche und ber Verachtung ber biſchöf⸗
lihen Würde: die Rechte der Kirche und des heiligen Stuhles
trete es mit Füßen. Dennod war die Stellung der preußiſchen
Regierung nit ungünftig. Das Kölner Domkapitel dachte
verſöhnlich, wollte auch, wie die Regierung, den erzbiſchöflichen
Stuhl als erledigt anjehen und demnach handeln, doch ließ die
Kurie den deshalb gewählten Kapitelvifar nur als Stellvertreter
des angeblid nur zeitweife an ber Uebung feines Amtes ver-
binderten Erzbifchofs gelten. Trogdem wollte der König (28. Ja-
nuar 1838) den Geiftlihen, wenn fie auf das Verſprechen ber
tatholifchen Kindererziehung verziteten, Erkundigungen über
die Abfihten der Eheleute geftatten und in zweifelhaften Fällen
die Entſcheidung dem Biſchof überlaflen, gab damit alfo ben
von der Regierung bisher eingenommenen Standpunkt that-
ſächlich preis und verzichtete auf die 1803 eingeführte und
bisher auch kirchlicherſeits anerkannte Ordnung. _ Nod weiter
ging in Rom auf eigene Verantwortung Bunfen, indem er bie
Wegführung Droftes als eine nur vorübergehende Mafregel
darftellte und den König als klagenden Teil dem Schiedaſpruch
des Papftes unterwerfen wollte. Natürlich fteigerte ſolche
Schwäche die Anſprüche der Kurie: fie lehnte es ab, weiter zu
unterhandeln, bevor der Erzbiſchof nicht Hergeftellt fei. So
mußte Bunfen im April 1838 abberufen und damit der Bruch)
in aller Form erflärt werben,
Nur z0g man in Berlin daraus auch jegt nicht die richtigen
Ronfequenzen. Wohl erwog man bie Neuordnung ber firliden
Angelegenheiten in ben Rheinlanden allein durch Staatsgeſetz.
Die Oberpräfidenten berieten Darüber, eine befondere Kommiffion
begann die Vorarbeiten. Weiter aber fam man nit. In
den Kreifen der Regierung felbft gingen bie Meinungen ſehr
II. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 193
auseinander. Die Erregung in ben Rheinlanden wuchs. Alle
Katholiken Deutſchlands fympathifierten mit ihnen, beſonders
demonftrativ ber bayrifhe Hof. Bon Münden aus verherrlichte
Görres Drofte als einen neuen Athanafius und ſchmähte Preußens
Beharren und fi) Verfioden im Unrecht, das, nad) allen Seiten
nad ſophiſtiſcher Beſchönigung greifend, die ſchuldige Genug-
thuung weigere und dadurch das verlegte Rechtsgefuhl immer
aufs neue reize und verlege; höhnte über die „rohen und un-
geſchlachten Ausbruche des ftarren Knochenmannes“, dem man
zu viel Ehre anthue, wenn man ihn einen Geift nenne; den
Ungeift, das böfe Gefpenft, das im preußifhen Staate umgehe
und Unheil anrichte, zur Gewalt, zum Niedertreten alter Rechts-
anfprüde, zur Befeitigung aller Konfordate aufforbere und
fi dabei als vernünftig, freifinnig und verſöhnlich rühme.
Wie wenig aber begriff man auf evangelifcher Seite die Be-
deutung des Kölner Kirchenftreites für die Zukunft des modernen
Staates und ber modernen Kultur! Eigentlich allein Karl
Gutzkow vertrat diefe großen Gefihtspunkte: mit ſtürmiſcher
Berevfamteit befämpfte er Görres in ber Flugſchrift „Die
zote Müte und die Kapuze” (1838). Weniger dem Geift bes
Proteftantismus und der norddeutſchen Eigentümlichkeit gelte
jener Angriff als allen den durch ſchwere hiſtoriſche Geburten
gezeitigten Nefultaten der Gewiſſens-, Denk: und Redefreiheit,
ber bürgerlihen Rechtsgleichſtellung, ſtaatsrechtlichen Verpflich-⸗
tungen und Gewährleiſtungen, der Wiſſenſchaft, der Kunſt und
ber Litteratur.
Sole Gefihtspuntte waren ber Regierung freilich fremd,
zumal die Rüdfiht auf einen baldigen Thronwechſel mandem
Burüchaltung auferlegte. Machte der Kronprinz doch fein Hehl
daraus, daß er das Geſchehene mißbillige. So hatte die Kurie
gewonnenes Spiel. Nach Droftes billigen Lorbeeren lüftern,
fagten ſich aud die Biſchöfe von Münfter und Paderborn von
der Vereinbarung wegen der gemifchten Ehen los. Erzbiſchof
Dunin von Pofen verbot feinem Klerus in einem Hirtenbrief
die Einjegnung von folden ohne das Verſprechen katholiſcher
Kindererziehung und bedrohte bie Geiftlichen, die denfelben dem
Verbot der Regierung gemäß von der Kanzel zu verlefen fich
Vrud, Preubiſche Geihiäte. IV.
194 Drittes Bud. An der Wende der Beiten.
weigerten, mit firhlihen Benfuren. Deshalb vor einen Staats-
gerichtshof geftellt, verweigerte er jede Antwort und wurde
abgejest und zu ſechsmonatlicher Haft verurteilt. Unter der
Bedingung bes Verbleibens in Berlin begnabigt, kehrte er doch
nad Pofen zurüd und. wurde nun in Kolberg feſtgeſetzt. Die
preußifchen Bifchöfe, mit alleiniger Ausnahme bes Fürftbifchofs
Sedlnitzky von Breslau, erklärten herausfordernd ihr Einver-
ſtändnis mit den beiden Erzbifhöfen. Dem gegenüber wollte
es denn freilich wenig bedeuten, daß Dunin in Haft blieb und
Drofte wenigftens nicht hergefielt wurbe, mochte ihm ber König
aud mit Rüdfiht auf feine Kränklichkeit im April 1839 er-
lauben, nad; dem Droftefhen Familiengut Darfeld bei Münfter
zu überfieveln gegen das Verſprechen, nicht gegen den Willen
der Regierung nad Köln zurüdzufehren. Thatſächlich behauptete
alfo die Hierardjie die durch keden Angriff dem Staat ab-
gewonnene Pofition, der Staat verzichtete auf ihre Wieber-
eroberung und beſchränkte fi auf eine matte Defenfive. So
fonnte die Kurie warten: des greifen Königs Tage waren ge-
zählt, der Thronwechjel aber eröffnete ihr die günftigften Aus-
fihten.
II. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV.
1840—1844.
Um 14. Mai 1840 ftarb Altenftein, ein Geift von feltener
Tiefe und freiem und eigentümlihem Gedankengange, einer
der legten Vertreter der großen Reformzeit. Freilich hatte auch
er ber Reaktion Zugeftänbnifie machen, ja fie den Univerfitäten
gegenüber vertreten müflen. Aber indem er fie vor ber geiftigen
Nacht bewahrte, die fie bebrohte, rettete er Preußens Zukunft.
Der König war feit Ende April ernftlih leidend, und das
Vollk hielt feft an dem fataliſtiſchen Glauben, aud im 19. Jahr⸗
hundert müfle das Ende des vierten Jahrzehnts einen Thron-
wechſel bringen. Darüber vergaß es bie ſchwebenden Irrungen
und umgab des Königs Krankenlager ehrerbietig mit liebender
Teilnahme, zumal bie Gefahr eines Krieges mit Frankreich,
welche die ägyptiſch⸗türkiſchen Wirren heraufbeſchworen, eine
hochgehende patriotifche Erregung entfeflelte. Man freute fi,
im Gegenfag zu dem demonftrativ erneuten Napoleonfultus
an ber Seine, auch des großen Königs Andenken wieder mehr
zu Ehren gebracht zu fehen. Die Akademie wurbe mit ber
Herausgabe feiner Werke beauftragt, und am 1. Juli legte
der Kronprinz in Vertretung bes Vaters den Grundftein zu
dem von Rauch zu ſchaffenden Friedrichsdenkmal. Wenige
Tage danach verfehlimmerte fi des Königs Zuftand. Am
Nachmittag des erften Pfingftfeiertages (7. Juni) trat der Tod
ein. In dem Charlottenburger Maufoleum an der Seite der
Königin Luife wurde Friedrih Wilhelm III. zur legten Ruhe
beftattet. "
Anders als hundert Jahre früher die Regierung des großen
Königs (Bd. II, ©. 234) fand diefe einen verföhnenden Ab-
ſchluß in der aufrichtigen Trauer bes Volkes. Indem es vor
196 Drittes Bud. An ber Wende ber Zeiten.
allem des Außerordentlichen gedachte, das es unter ihm erlebt
hatte, fette feine Erinnerung den Verftorbenen am liebſten mit
dem Jahre 1813 in Verbindung und gemöhnte fich vollends,
in ihm feinen Urheber und Träger zu fehen, während er ſelbſt
noch eine ganz befondere Heimfuhung darin gejehen, daß er
damals den Jakobiner hatte fpielen müflen. Diefe legendare
Anfhauung wurde dann gleihfam fanktioniert, indem fein
Nachfolger den Heimgegangenen enthufiaftiih als den „Helden⸗
könig“ feierte, während doch das Unheil zumeift dadurch über
Preußen gebracht war, daß er, ohne fefte Prinzipien und Kon—
flikte möglichft zu vermeiden beftrebt, immer wieber verfuchte,
einander ausfchließende Richtungen zu vereinigen. Das war
feine moralifhe Schuld: er wollte das Gute und glaubte es
zu thun. Es war eine intellektuelle: ihm fehlte die Erkenntnis.
Das beftätigte die Art, wie er Preußens Entwidelung
auch für die Zukunft in den von ihm verfolgten Weg bannen
wollte. Dazu hatte er 1838 als Inſtruktion für feinen Nadj-
folger ein politijches Teftament entworfen. Jede Minderung
der Fönigliden Macht abzuwenden, wollte er den Webergang
Preußens zu der einft von ihm ſelbſt verheißenen Eonftitutionellen
Staatsform dauernd unmöglih machen, wie einft Joachim I.,
aud ein Frembdling in feiner Zeit, Haus und Land an die alte
Kirche zu binden gedacht hatte (Bd. I, S. 194). Freiwillig,
fo führte er aus, Habe er durch Regelung der Staatsverwaltung,
Schaffung des Staatsrates und der Provinzialftände und Ein-
führung der Städteorbnung feinen Unterthanen ungeftörte Orb-
nung und Geredhtigkeit verbürgt, ohne die Gewalt des Thrones
zu mindern. Denn auf dem unumfchränkten Königtum beruhe
Preußens Stellung in Europa. Deshalb joe auch Feiner feiner
Nachfolger ohne Zuziehung fämtliher Agnaten die beftehende
Staatsverfafiung ändern, namentli nicht die föniglide Macht
dur Umgeftaltung der ftändifhen Verhältniſſe beſchränken
dürfen. Durch die Ordnung des Staatsſchuldenweſens von 1820
(S. 134) fei ein Weg geöffnet zu gefeglicher Befriedigung etwa
eintretender außerorbentliher Geldbebürfnifie durch Aufnahme
einer von den Neiheftänden garantierten Anleihe. Wie aber
er felbft biefe reicheftändifche Verfammlung nur aus den Pro-
IH. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 197
vinzialftänden habe entnehmen wollen, ſolle auch fein Nachfolger
fie nicht anders ins Leben rufen bürfen, als indem er aus
jedem der vier Stände ber Provinziallandtage je einen Ab-
georbneten wählen und biefe, mit einer von ihm zu beftim-
menden Anzahl von Mitgliedern des Staatsrates vereinigt,
nad deſſen Gefhäftsorbnung als Reiheftände über eine etwa
aufzunehmende Anleihe und über nichts anderes beraten laſſen.
Dieſe Beftimmung hatte er zum Hausgefeg erheben wollen, war
aber geftorben, ehe Wittgenftein die nötigen Schriftftüde hatte
berftellen laffen können. Doch ſcheint verſucht worden zu fein,
der Aufzeichnung noch im legten Augenblid durch feine Unter-
ſchrift Gefegeskraft zu geben, die Fürftin von Liegnig aber fi
geweigert zu haben, dazu die Hand zu bieten. Es lag für ben
Nachfolger alfo nur ein Wunfch des Vaters vor, nicht eine
rechtliche oder auch nur moralifche Verpflichtung.
Aber Frievrih Wilhelm IV. dachte nicht bloß ebenfo
abſolutiſtiſch, ſondern feine auf Hallers Lehren (S. 81) fußende
politifhe Ueberzeugung murzelte zudem in feinem befonberen
teligiöen Denken. Diefes brachte ihn in um fo fchrofferen
Gegenfag zu den günfligen Strömungen ber Seit, als bei ihm
nicht der Verftand den Ausſchlag gab, jondern das Gefühl,
defien außerorbentliche Erregbarkeit ihn über die Berechtigung
der es beftimmenden Impulſe nur allzu leicht täuſchte und doch
mit dem Glauben an feine überlegene eigene Einfiht erfüllte.
So dachte er die öffentlide Meinung durch Zugeftändnifie in
Nebendingen über die Verſagung deſſen hinwegzutäuſchen, was
fie in Konfequenz der Entwidelung Preußens forderte. Diefer
ftemmte er ſich entgegen und traute fih damit, wie Metter-
nich treffend urteilte, eine Kraft zu, bie er nicht hatte und
die fein Menſch haben kann, die Kraft, die Dinge aufzuhalten.
Er werde, befürchtete der öfterreihifhe Staatsmann bereits
damals, alles in Verwirrung bringen, fein Land und Deutic-
land, zumal er in ihm ein eigentümliches Gemiſch hervor-
ragender Eigenfchaften und gewiſſer Fehler erfannte, unter
legteren namentlich die Neigung, alles aufzurühren und feine
Gaben möglihft ins Licht zu fegen. Dieje Worte gingen in
Erfülung. Unmogliches unternehmend, fah der König das für
198 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten.
unerfchütterlid Gehaltene zufammenftürzen und ging barüber
ſelbſt piyhiih zu Grunde. So ummeht feine Biftorifche Er-
ſcheinung ein erſchütternder Hauch der Tragif, und feinem
faum völlig ergründbaren, an Widerſprüchen reihen, zugleich
anziehenden und abftoßenden Weſen gerecht zu werben, wird
man fon bei der Beurteilung feiner Anfänge den Ausgang
nit unbeachtet laſſen dürfen, der mit einer Fülle der Hoff⸗
nungen unvergleihlihe Gaben bes Herzens und bes Geiftes in
Nacht begrub. Hat do von allen fhönen und guten Eigen:
ſchaften, die den Menſchen zieren können, Friedrich Wilhelm IV.
feine gefehlt, außer der eines ftarfen und bemußten Willens.
Ihn gibt nit die Natur allein: er muß entwidelt, geſchult
und durch Selbſtzucht geftählt werben. Hier liegt die tragiiche
Schuld des Königs.
Auch zwiſchen ihm und feinem Water wiederholte ſich der
in ber Reihe der hohenzolernfchen Herrſcher gewöhnliche Gegen-
fag. Faſt nichts hatte er äußerlich und innerlih mit jenem
gemein. Was er von der Mutter mitbefommen Hatte, ver-
mögen wir nicht zu jagen. Dazu kennen wir das geichichtliche
Bild der letzteren noch nicht genau genug. Dagegen gemahnt
mander Zug in ihm an den reihbegabten und temperament-
vollen, aber der Seldftzucht entbehrenden Großvater. Gegen-
über dem nüchternen, aber tüchtigen Vater, der, ohne Selbft-
vertrauen, ein bejcheidenes Mittelmaß nirgends überragte und
auch andere nicht gern überragen ſah, kennzeichnete ihn geniale
Ueberſchwenglichkeit, die, das eigene Können überſchätzend, fi
von ähnlich veranlagten Naturen mächtig angezogen fühlte und
auf nüchternere, aber praktiſch veranlagte leicht herabjah. War
bei dem Vater alles firenge Regel und bis zur Pebanterie
ſtrenge Orbnung geweſen, fo ließ fi der Sohn gern gehen
und liebte es nicht bloß als Anabe, der ihn umgebenden kon—
ventionelen Schranken gelegentlich zu fpotten. Plöglihe Um-
ſchläge und jähe Stimmungswechfel waren bei ihm gewöhnlich.
Den ſchweigſamen, abgeriffen redenden Vater erkannte niemand
wieder in biefem geborenen Redner, dem die zuftrömende Ges
danfenfüle fi ungejucht in ſchwungvolle Worte und wohl:
gerumbete Perioden fügte. Dagegen war er im Zuftand ber
I. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 199
Erregung in ben Worten nichts weniger als wähleriſch. Doch
gingen ſolche Ausbrüche j nel vorüber und wirkten nicht weiter
nad. Denn äußerft fenfitiv und impulfin, wurde er zumeift
von den Wallungen feines Herzens und einer raftlofen Phan-
tafie geleitet, — was ihn ala Menſch liebenswert und intereffant
maden, dem Herriher aber die Erfüllung feiner ſchweren
Pflihten unendlich erſchweren mußte.
Vielfeitig gebildet, empfänglich für alles Gute und Schöne,
voll jeltenen Verftändniffes für die Wiſſenſchaft und künſtleriſch
hoch veranlagt, entbehrte Friedrich Wilhelm doch des uns
befangenen offenen Blids für die gegebenen Verhältniffe, daher
des guten Willens und der Fähigkeit, fi in fie zu ſchiden und
der firengem Pflictgefühl entipringenden Gewiſſenhaftigkeit.
Erfült von dem folgen Bewußtſein der mit der Krone über-
tommenen Rechte, gewann er der Alltagsarbeit des Regierens
feinen Gefhmad ab: man Magte bald über Unordnung in
den Papieren und Verwirrung in ben Geſchäften. Selbft
wichtige Dinge blieben liegen. Ueberhaupt war er zum Handeln
ſchwer zu bringen. Wohl befahl er das Nächſte und ordnete
auch Ferneres an, änderte aber leicht den Entſchluß, vergaß,
was er verfügt hatte, und befahl erhobener Einfprade uner-
achtet das Gegenteil. Er kannte weder Folgerichtigfeit noch
Nachhaltigkeit des Handelns. Diefes entiprang bei ihm der
Laune des Augenblide, nicht feften, der wechfelnden Lage gegen-
über gleihmäßig beobachteten Grundfägen.
Diefe ungünftige Entwidelung einer fo rei veranlagten
Natur wird fi zum Teil aus den auf fie einwirkenden Ver—
bältniffen erflären. Ancillon, den die Königin Luife in einer
unglüdlihen Stunde zum Erzieher ihres Erfigeborenen be-
rufen hatte, war mit feiner Ueberſchwenglichkeit und feinem
Wortreihtum, die oft Unentſchiedenheit, zuweilen Zmeideutigfeit
verbargen, wahrlih nicht der Mann geweſen, um in feinem
Högling ftrenges Pflichtgefuhl und entichlofiene Feſtigkeit zu
entwideln. Auch waren die Eindrüde, die diefer in der Jugend
empfing, geeignet, viel mehr als die Verftanbesthätigleit das
Gefühlsleben zu entwideln. Das Jahr 1813 beftärkte ihn in
dem Glauben an ben bejonderen Schuß, den Gott dem von
200 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten.
ihm gejegten Rönigtum gewähre. In biefer Vorftellung von
dem Königtum von Gottes Gnaben murzelte fein politifches
Denken. Was er aber fo, hochgehenden Gefühle, ala Glaubens-
gewißheit empfand, fah er erft politiſch wirkſam in Alexanders I.
beiliger Allianz, welche die Politit den Geboten bes Heilands
anpaſſen wollte, und in der ftaatsrettenden Thätigfeit Metter-
nichs und dann durch Haller zu einem Syftem ausgebaut
(S. 81), das ihm durch den Schein logiſcher Folgerichtigkeit
imponierte. Auf diefem Grunde weiter zu bauen, bie Revo»
Iution auch ferner nieberzuhalten, den Triumph ber in dem
erneuten Glauben wurzelnden Reftauration zu vollenden und
fo in Preußen den riftlihen Staat zu verwirklihen — das
war bie Miffion, zu ber er ſich berufen glaubte.
Wohl bezeugt bie ideale Höhe dieſes Stanbpunftes ben
Schwung feines fittlihen Pathos. Mit den ihm zunächſt ge-
ſtellten Aufgaben hatte er nichts gemein, nichts mit der fo
ganz anders gearteten Wirklichkeit, unter deren Zwang es zu
handeln galt. Erhaben über fie, wollte der König ein fein
Volk erwedender Prophet, ein die Welt belehrender und be-
kehrender Apoftel fein und überfah oder vergaß darüber das
Niedrigere, aber Nähere und Dringenbere. Daraus entfprangen
für ihn immer neue Kollifionen zwiſchen Ideal und Wirklid-
teit, die ihn ſchmerzten und entmutigten, dann demütigten und
exbitterten und ſchließlich feine Kraft brachen und feinen Glauben
an die Menſchheit vernidhteten, bis fein Gemüt ſich verbüfterte
und er von Gott der fündigen Welt zur Zuchtrute gefegt zu
fein waähnte.
Heute pflegt man folde Vorgänge aus einer ererbten un-
glüdlichen Veranlagung herzuleiten und hebt jo die moralifche
Verantwortlicfeit des einzelnen auf. Dafür fehlt hier jeder
Anhalt. Wohl aber tritt in dem König früh ein Zug hervor,
der zu ber verhängnisnollen Entwidelung den Schlüffel geben
Tann. Sein Wefen krankte an innerer Unmwahrheit, deren er
ſich teils aus Unluft, teile aus Unfähigkeit, die Dinge zu
fehen, wie fie waren, zunächſt gegen ſich ſelbſt, dann gegen
andere ſchuldig machte. Aus Scheu vor unliebfamen Konflikten,
die feine Ideale bedrohten, täufchte er ſich über die ihnen feinb-
III. Die Anfänge Friedrih Wilhelms IV. 201
lie Wirklichkeit hinweg, indem er fi und anderen bie Mög-
lichkeit einer Verftändigung zwifchen der realen und feiner
Phantaſiewelt vorfpiegelte in der Hoffnung, ſchließlich doch
durchzudringen. Dadurch machte er den zum Zufammenwirken
mit ihm Berufenen diefes bald ſehr ſchwierig, oft unmöglich:
ähnlich wie der Vater wollte er ftets recht haben und nahm,
das zu erreichen, wie jener zu argen Sophiftereien feine Zuflucht.
So erſchien er nit bloß widerſpruchsvoll, fondern zweideutig,
und das erjchütterte und untergrub allmählich feine Stellung,
denn es brachte ihn au um das Vertrauen feines Volkes.
Je verfhiedenartigere Hoffnungen er bei der Vielſeitigkeit feines
Weſens erwedt hatte, um fo mehr und fehmerzlihere Ent:
tãuſchungen bereitete er. Bewußt aber war er ſich wenigftens
anfangs biefer Unwahrheit kaum, fpäter aber dürfte auch an
feiner jubjeftiven Wahrhaftigkeit zumeilen zu zweifeln fein.
Wenn man ihn ala einen Romantifer auf dem Throne be
zeichnet hat, fo trifft au das fein Weſen nit. In eine
Seit geftellt, deren Tendenzen feiner auf mittelalterliche Ideale
gerichteten Denkweiſe durchaus wiberftritien, hatte er fo wenig
des Vaters politiihen Mut umd derb zugreifende Art, deren
Bethätigung nieberzuhalten, wie den größeren moraliſchen Mut,
der geſchichtlichen Notwendigkeit ins Auge zu fehen und buch
ihre Anerkennung feine perfönlichen Liebhabereien dem Gebeihen
des Staats unterzuorbnen. Indem er jenes nicht konnte und
dieſes nicht wollte, zu jenem als Fürft zu ſchwach, zu dieſem
im Glauben an fein von Gott ftammendes Konigsrecht zu ſtark
war, geriet er, wo es Mare Entjheidung und entſchloſſenes
Handeln galt, in widerſpruchsvolles Schwanken, das die Freunde
irre machte und die Feinde reizte, ihn felbft aber des Friedens
beraubte und den Staat fhließlih einer Krifis entgegentrieb,
deren ihm ungünftigen Ausgang er niemals verwand.
Mit größerem Jubel war nie ein König auf dem Thron
begrüßt worden. Alle Herzen flogen ihm zu. Jeder erwartete
für das, was ihn drüdte, von ihm das erlöfende Wort. Die
neue Seit, ber jein Vorgänger fih hart verfagt hatte, ſchien
in ihm ihren Vertreter zu finden. Die Leutfeligfeit, mit der
er fich fo ungegwungen und herzlich gab, bie Fülle von Geift
202 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten,
und Gemüt, die er entwidelte, indem er für jebe ber ihn
huldigend umdrängenden Deputationen eine beziehungsreiche
Antwort hatte, der Freimut, mit dem er bei aller Pietät gegen
des Vaters Andenken doch dem Fortſchritt huldigte, und die
weiten, wenn aud unbeftimmten Perfpeftiven, die er dafür
eröffnete, gewannen ihm begeifterten Beifall. Sobald es aber
zu handeln galt, war er ben einen zu liberal, den anderen
nicht liberal genug. Jene vermerkten es übel, daß er bisher
geübtes Unrecht als ſolches anerkannte und abftellte. Eine
Amneftie gab den auf den Zeitungen ſchmachtenden Burſchen⸗
ſchaftern die Freiheit. Jahns Internierung und Arndts Su:
ſpenſion (S. 107) wurden aufgehoben, Die außerordentliche Unter-
fuhungsfommiffion befeitigt. Preußen ſchickte fih an, wieder
den Plag an ber Spige des geiftigen Lebens von Deutſchland
einzunehmen. Rüdert und die Gebrüder Grimm wurden nad
Berlin berufen. Der legteren Zugehörigkeit zu den Göttinger
Sieben gab diefem Schritt befondere Bedeutung. Auch Dahl:
mann fam 1842 als Profeflor nah Bonn. Der Pflege der
Kunft eröffnete die Berufung von Cornelius (1783—1867)
und Felix Mendelsfohn-Bartholdy (1809 —47) frohe Ausſichten.
Stein, Hardenberg, Gneijenau und York follten Statuen er:
richtet werden. Der Orden pour le mörite wurde durch eine
Friedensklaſſe für Kunft und Wiffenfhaft erweitert. Daß bei
alledem Alerander v. Humboldt als Berater und Vermittler
thätig war, verflimmte freilich die reaftionären Kreiſe. Um
fo mehr billigten fie die damit kaum vereinbare Berufung des
Erlanger Profefiors F. 3. Stahl (1802—61) an die Berliner
Univerfität. In ihm gewann ihre Geiftesarmut einen fharf-
finnigen und ftreitbaren Verbündeten. Denn in feiner „Redhts-
und Staatslehre” Hatte Stahl eine neue ſtaatsrechtliche Theorie
entwidelt, die, gegründet auf den perjönlichen Gottes: und
den chriſtlichen Offenbarungsglauben, den Staat darftellte ala
beruhend in göttlider Vollmacht und daher verpflichtet, feine
Ordnungen in allem dem göttlichen Gebot anzupaffen und auch
die dieſem entfremdete Wiſſenſchaft zur Umkehr anzuhalten.
Sie traf mit des Königs innerfien Gedanken und Wünfchen
zufammen und gewann auf feine Stellung zu den politiſchen
II. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 203
Fragen der Zeit großen Einfluß. Bedenken erregte aud bie
Berufung Schellings (1775—1854), deſſen unklare Offen-
barungsphilofophie, die Geltung Hegels zu brechen beflimmt,
nit bloß ernfte Kritik, fondern auch bitteren Spott heraus-
forderte. Helle Entrüftung aber erregte es, als der übel-
berufene Haflenpflug, des heſſiſchen Kurfürften ſkrupelloſer
Handlanger bei Bejeitigung der Verfaflung von 1830, als Rat
beim Obertribunal verforgt wurde. Selbſt den Toleranteften
war ein folder Eklekticismus denn doch zu weitherzig.
Auch jonft offenbarte die neue Regierung beſorglichen Mangel
an feften Grunbfägen und feßte gleichzeitig Kräfte in Bewegung,
die gegeneinander wirken mußten. Während zum Entjegen
des Minifters v. Room Schön bejondere Gunft genoß, der
Rammergerichtspräfident v. Grolmann (1781—1856), Alerander
v. Humboldt und General v. Boyen (Juli 1840) in den Staate-
rat berufen wurden, der legtere im Februar 1841 fogar das
Kriegaminifterium wieder übernahm, bei alem Verdienſte, Talent
und Eifer dod den gewandelten Verhältniffen nicht völlig ge-
wachſen, zumal die Reaktionäre in der Armee und aud des
Königs Bruder, der Prinz von Preußen, an feinem Liberalis-
mus Anftoß nahmen und ihn ala Demokraten verfchrieen, wurde
in dem Kabinettsminifterium Graf Lottum (S. 136) durch
General v. Thile erfegt, einen myſtiſch ſchwärmenden Frömmler,
der in Friebrih dem Großen einen fo argen Heiben ſah, daß
er höchſtens feine hiſtoriſchen Schriften gedrudt jehen wollte.
Obgleich er fih rühmte, die Menſchen als Kunſtwerk zu be
traten und zu beurteilen, vergriff fi der König bei der
Belegung der wichtigften Aemter. Als Gelehrter eine Leuchte
feiner Wiſſenſchaft, fpielte Savigny feit dem März 1842 als
Minifter der Geſetzgebung eine üble Role. Geradezu unheil-
voll aber wurde die Berufung des bisherigen Direktors im
Auswärtigen Amte 3. A. F. Eichhorn (1779—1850) an die
Spitze des Kultus und Unterrichts. Einft als Patriot bewährt,
ein Gehilfe Harbenberge und verdient um den Zollverein
(S. 154), und als deshalb in Wien mißliebig von Friedrich
Wilhelm II. zurüdgefegt, erhielt er im Auguft den Reflort,
ber, ihm bisher völig fremd, jegt befondere Schwierigeiten
204 Dritte Bud. An ber Wende der Zeiten.
bot, weil gerade er ben König lebhaft intereffierte und zu
perfönliher Einmifhung befonders reizte. „Schaffen Sie mir
das Altenſteinſche Pad weg: es find ja doch nur Hegelianer und
Rationaliften,“ follte er Eichhorn bei der Ernennung vor-
geihhrieben haben. Und wirklich wurde der Freund Niebuhrs
und Schleiermachers der Träger eines Syftems, das Preußen
ſchweren Schaden that und namentlih die Univerfitäten um
die ſelbſt zur Zeit der Demagogenverfolgungen gewahrte geiftige
Freiheit zu bringen drohte.
Was Altenftein damals forgfamft gehütet und Liebevoll
gepflegt hatte, follte jegt ausgerottet werden. Ein förmlider
Kriegszuſtand herrſchte bald zwiſchen Eichhorn und der Mehr:
beit der Univerfitätslehrer, die fih für die Vertretung ihrer
Anfihten und Rechte gelegentlich ſchulmeiſterlich zurechtgemiefen
fahen. Mipliebige Privatdozenten wurden befeitigt, fi neu
babilitierende follten nur auf eine beftimmte Zeit zugelaſſen
werben. Der alabemifche Unterricht follte ftatt in Vorträgen,
in dialogiſcher Form erteilt und fein Erfolg durch regelmäßige
Prüfungen fhulgemäß überwacht werben. Für die höheren
Säulen wollte Eihhorn von Staats wegen Lehrbücher aus
arbeiten laſſen, und zwar zunähft für die Geſchichte. Ent:
fremdete er fo ſchnell den geiftig führenden Teil der Nation
dem König, fo erregte bie Behandlung der Volksſchule, deren
geiftigen Vater Peſtalozzi durch ein Denkmal ehren zu helfen
ber König ablehnte, weil nicht der rechte Krifllide Sinn dabei
fei, nach ausſchließlich kirchlichen Geſichtspunkten nicht geringere
Bedenken. Alles drehte ſich da um dem Religionsunterridt.
Weil er das befämpfte, wurde ein Mann von dem BVerbienfte
Diefterwegs an ber Spite des Berliner Schulwefens unmög-
lid. Dem materiellen Elend aber, das auf den preußiſchen
Volkeſchullehrern laftete, wurde ebenjo wenig abgeholfen wie
dem Mangel an Schulen, bie nicht entfernt ausreichten, um
auch nur der Mehrzahl der ſchulpflichtigen Kinder den geſetz⸗
lichen Unterricht zu fihern. Den heftigften Wiberftand aber
fand Eichhorn, als er im Bunde mit Savigny in Webereins
fimmung mit den Anregungen, bie der König 1842 aus Eng⸗
land heimgebracht.hatte, und getragen von bem Beifall der Gerlach
I. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 205
und Thile auch die Grundlagen bes gejellihaftlihen Lebens
in bem gleichen frömmelnden Sinne zu ordnen unternahm durch
ein Eheſcheidungsgeſetz, das mit ben freien Grunbfägen bes
allgemeinen Landrechts bredien und Gottes Wort, wie jene
Srömmler es verftanden, zur Herrihaft bringen follte, aber
ſelbſt bei gut Kirchlichen auf fo entſchiedenen Widerftand ſtieß,
daß es wenigftens in ber urfprünglich beabfichtigten Faſſung
nit durchgeſetzt werden konnte, obgleih, wie der Prinz von
Preußen im Staatsrat enthüllte, die Gerlah und Genoffen
namentli in Pommern Zuftimmungserflärungen provozierten.
Zu alledem fiimmte die Behandlung der Preſſe. Wohl
hatte der König erklärt, eine verfländige und mohlmeinende
Beipredung von Gegenftänden auch ber Verwaltung folle nicht
gehindert werden. Nur veranlaßten bie Zenforen, deren Lage
freilich recht peinlich war, durch Willkur und Chifane immer
neue Klagen. „Die Zenfur ift eine Sauerei von einem Ende
bis zum anderen,“ ſchalt ber König. Denn für jener Ver:
fehen machte die öffentlide Meinung ihn verantwortlid, da in
feinem Namen Verbote erlafien, Unterfuhungen geführt und
Strafen verhängt wurden. Es wollte aber doch nichts be:
deuten, wenn er im Oftober 1842 die Preßbeſchränkungen auf
das durch die Karlsbader Beſchlüſſe urfprünglich feftgefegte Maß
zurüdführte. Drudigriften von. über zwanzig Bogen blieben
zenfurfrei, wenn Verfaſſer und Verleger auf dem Titelblatt
genannt waren. Für die Tagesprefle mar damit aber jo wenig
gewonnen wie dur die Einjegung eines Oberzenfurgerihts,
in dem wenigſtens einige Richter Pla fanden, wirklih in
gerichtlichen Formen verhandelt und eine Begründung der ver:
Öffentlichten Erfenntnifie gegeben wurde. Won Freiheit ‘der
Preſſe aber wollte der König nichts mehr wiſſen, feit fie ihn
vielfach perſönlich angriff.. Veſonders kränkte es ihn, daß die
junge politiſche Dichtung, die ihn erft auch gefeiert hatte, bald
nur noch Hohn und Spott für ihn hatte. Freilich verſchuldete
er das zum Teil felbft durch die unbedachte Art, wie er den
damals hochgefeierten Georg Herwegh zum Vertreter einer ge
finnungstüdtigen Oppofition zu ftempeln ſuchte, dann aber,
als dieſer ihm derb abjagte, polizeilich verfolgen ließ. Aehn-
206 Dritted Bud. An der Wende der Zeiten.
lich erging es F. Zreiligrath. Hoffmann von Fallersleben büßte
feine „Unpolitifhen Lieber” mit dem Verluft feiner Profeſſur
in Breslau, während die giftigen Pfeile, die Heine von Paris
aus abſchoß, die Hamburger Buchhändler Hoffmann und Kampe
entgalten, beren gefamter Verlag in Preußen verboten wurde.
Der König fühlte fi nicht verftanden und fing an eine Zeit
zu haſſen, die feine Fürftenliebe mehr kannte. Denn die Schuld
an ben beflagten Uebeln ſah er nur bei ben Gegnern und ihrer
Agitation in der Preſſe. Ihr wollte er Einhalt thun, indem
er auf diefem Gebiete ohne Ruckſicht auf die gegebenen Ber-
bältniffe mit ber ihm eigenen fubjeltiven Willkur die ihm
gutdünfende Ordnung als die allein berechtigte proflamierte.
Nah wie vor wolle er, erklärte er am 4. Februar 1843, die
Wiſſenſchaft und ihre Mitteilung von jeder Feflel frei jehen,
um ihr den gebührenden Einfluß auf das geiftige Leben ber
Nation zu ſichern. Auch der Tagesprefle wolle er da, wo fie,
ihres wahren Berufs eingedenk, ſegensreich wirken könne, alle
zuläffige Freiheit geftatten. Aber er wolle nicht die Auflöfung
der Wiſſenſchaft und Kitteratur in Zeitungsfchreiberei, nicht
die Gleihftellung beider in Würde und Anfprühen und nicht
die ſchrankenloſe Verbreitung verführerifher Irrtümer und ver
derblicher Theorien über die heiligften Angelegenheiten der Ges
ſellſchaft in Kreifen, die leichter Zeitungsleftüre zugänglicher
feien ald Produkten ernfter Wiſſenſchaft. Wieder war hier eine
richtig erfannte Wahrheit entwertet duch unduldfamen Ueber:
eifer in ihrer Geltendmadhung.
Dafür mahte man vielfah bes Königs Umgebung und
insbefondere ben Einfluß gemiffer Vertrauensmänner verant:
wortlih. Das waren lauter Gegner der liberalen Beitrichtung.
Zwar ſah fi) die alte Beamtenhierardie zurüdgebrängt. Auch
Ariftofraten und Militärs kamen nad ihrer Meinung nicht
gebührend zur Geltung. Denn am wirkjamften empfohlen wurbe
man jegt bei Hofe durch Frömmigkeit. Ihr verdankte der Oberft,
nadmalige General Leopold v. Gerlah (1790—1861), der
Chef des Militärfabinetts, feinen Einfluß, ein Betbruber in
Uniform, ber fi berufen glaubte, fein aus Haller und Stahl
kombinierte chriſtliches Staatsideal durch den von ihm beein
HI. Die Anfänge Friedrih Wilhelms IV. 207
flußten König verwirklichen zu laffen. Fromm jein oder wenig:
ftens fi vor den Augen der maßgebenden Kreife fromm zeigen
wurde Mode. Es dauerte nicht lange, jo waren für bie vor«
nehme Welt Betflunden, was ehemals eine partie fine, wo
Heiraten geftiftet, Beförderungen gemacht und Geſchäfte eins
geleitet wurden. Die Beamtenfhaft folgte dem Beifpiel des
Hofes, denn der König fand vollends Gefallen daran, feit
er 1842 bei feinem Beſuche in England zur Taufe bes
Prinzen von Wales die halb römiſchen Kultformen der eng-
liſchen Hochkirche mit ihrer jelbftgefälligen Schauftellung ber
Frömmigkeit Tennen gelernt hatte. Preußen follte mit der
engliſchen Sonntagsheiligung beglüdt werben. Die Theater
mußten an den Vorabenden ber hohen Kirchenfeſte geſchloſſen
bleiben. Beraten von Bunſen, ſchien der König die Anglifierung
der preußiſchen Lanbesfirhe zu erfireben. Dadurd gewann
ber hochgebilbete, geiftig erjtaunlich bewegliche und formgewandte
Mann, der trog feiner Gefühlsfchwelgerei und feinem bes
geifterten Optimismus in allen Sätteln gerecht ſchien, auf den
ihm geiftesverwanbten König einen geradezu verhängnisvollen
Einfluß, und es lag nicht an ihnen beiden, wenn er nicht zu
einer politifc leitenden Stellung berufen wurde. Neben ihm
trat dem König Oberft v. Radowitz nahe, der den kurheſſiſchen
Dienft hatte verlaffen müfjen, weil er fich der Rurfürftin gegen
ihren rohen Gatten ritterlih angenommen hatte, aud ein
Mann von vieljeitiger Bildung und auf den verſchiedenſten Ge
bieten bilettierend, ein guter Katholik und als folder ebenfalls
romantiſch ſchwärmend für die Herrlichkeit des Mittelalters,
doch auch ein warmherziger Patriot und als Staatsmann nicht
ohne eine gewiſſe Genialität, aber aud da nur Dilettant.
Gleich fein erftes diplomatiſches Auftreten verſprach nicht eben
viel. Angefihts des drohenden Krieges mit Frankreich, wurbe
er im Oktober 1840 mit General v. Grolmann nad Wien
geihidt, um eine Verbefierung der Bundesfriegsverfaflung zu
betreiben. In betreff berjelben blieb es freilich bei dem 1832
Zereinbarten, doch nahm man endlich ben Ausbau Raftatts
und Ulms zu Bunbesfeftungen in Angriff und erftrebte Die gleich"
mäßigere Ausbildung der Bundesarmeecorps durch bie Ein.
208 Drittes Bud. An der Wende ber Zeiten.
führung von Militärinfpektionen. Gern vergalt Defterreich durch
diefe wertlofen Zugeſtändniſſe das überſtürzte Entgegenkommen
Preußens, das unaufgefordert erklärte, jeden Angriff auf das
öfterreichifche Jtalien als gegen ſich ſelbſt gerichtet anfehen und
dem Bunde für diefen Fall die vollommenfte Solidarität vor⸗
ſchlagen zu wollen. Nun fam es ja infolge von Thiers’ Sturz
nicht zum Kriege, und das Erwachen des deutſchen National
gefühls, dem Nikolaus Beders: „Sie follen ihn nicht haben ben
freien deutſchen Rhein,“ glüdlihen Ausdruck gab, kam nicht
Preußen und nicht feinem hochgemuten König zu gute.
Denn undeutſch war die Politit, melde diefer in der
wichtigften der von ihm zunächft zu löfenden Fragen, dem Kölner
Kirchenftreite, verfolgte. Auch widerſprach fie den Vorftellungen
von dem gottgefegten Recht des Königtums, bie er font fo
emphatiſch bekannte. Daß er des Vaters Standpunkt nicht
teile, hatte ſchon der Kronprinz allzu deutlich zu erfennen ges
geben (S. 193). Aber was er jest that, übertraf doch alle
Befürchtungen. Daß er dem leidenden Drofle noch größere
Freiheit geftattete, war nur zu loben. Aber mit Staunen ſah
man, daß Dunin ohne befonbere Verpflichtung nad Poſen
zurüdkehren durfte. Wie ein Triumphator empfangen, nahm
er in betreff ber gemijchten Ehen alabald wieder den alten
Standpunkt ein. Der Konflikt erneute fi) fofort, nur daß der
Staat die Vertreter feiner Gerechtſame jegt nicht mehr fügte.
Der Biſchof von Breslau, Sedlnitzky, dankte ab; er trat jpäter
zum Proteftantiemus über. Auch in der Kölner Sahe war
der König bereit, der römischen Kurie ben geforderten Preis
für den Frieden zu zahlen, nur wollte er dabei die Genug»
thuung haben, daß das als fein perfönliches Werk erfchien.
Dur) einen perſönlichen Vertrauensmann, Graf Brühl, unter:
handelte er jeit dem Sommer 1840 in Rom. In Sachen ber
gemifchten Ehen hatte ja bereits Friedrich Wilhelm III. prin-
zipiell nachgegeben (S. 192). Sie fpielten feine Rolle mehr
in dem Ausgleih, den im September 1841 Brühl und der
Rarbinalitaatsfekretär Lambruschini durch den Austaufch ſchrift⸗
licher Erklärungen vereinbarten. Der Staat verzichtete nun
aud auf das Königliche Placet, gewährte freie Biſchofswahlen
IN. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 209
nad den Vereinbarungen von 1821 (©. 187) und ftellte bie
Entſcheidung aller theologiſchen Fragen, aljo auch das Schidjal
ber Hermefianer, der Kirche anheim. In betreff Droftes einigte
man fi dahin, daß er, in ehrenvoller Weife aus Köln ent»
fernt und von den einft gegen ihn erhobenen Anſchuldigungen
ausbrüdlic losgeſprochen, auf Koſten der preußifchen Regierung
anderweitig verforgt, die Erzbiözefe aber mit feiner Zuftimmung
bis zu feinem Tode von einem Koadjutor mit dem Rechte der
Nachfolge verwaltet werden follte. Für diefe wichtige Stellung
wurde der derzeitige Biſchof von Speier, Johannes Geiffel,
außerjehen, ein Mann von allgemeiner Bildung, mannigfacher
litterarifcher Bewährung und großen adminiftrativen Talenten
und dabei troß feiner ftreng römiſchen Denkweiſe von gewinnenden
Formen, vor allem aber ein geborener Diplomat. Das bewies
er durch die Art, wie er zwifchen ben widerftreitenden Faltoren,
der Kurie, der Regierung und dem ftarren Drofte, vermittelte,
die nötige Uebereinftimmung berbeiführte und babei doch feinen
Diözefanen gegenüber der Vertreter der von Drofte bekannten
Prinzipien blieb. Wirkli gab der König Drofte die verheißene
Ehrenerflärung, die bei Geiſſels Amtsantritt im Januar 1842
im Staatsanzeiger veröffentlicht wurde. Indem er befannte,
er babe den Erzbifchof revolutionärer Umtriebe nie für ſchuldig
gehalten, erflärte er feine Verhaftung geradezu für ungeſetzlich.
So vollendete die Mebernahme der Verwaltung der Kölner
Diözefe durch Geiffel am 4. März 1842 die Nieberlage der
preußifchen Regierung, zumal berfelbe nicht bloß durch einen
feinem Wortlaut nah mit Eichhorn vereinbarten Hirtenbrief
Droftes eingeführt wurde, fondern feinerfeits erklärte, ganz
nad deſſen Grundfägen verfahren zu wollen. Diefer erhielt
den Karbinalspurpur — die Hälfte des Gehaltes zahlte die
preußiſche Regierung — und zog fi in das Privatleben zurüd,
in den Augen ber Kirche nad wie vor rechtmäßiger Erzbiſchof
von Köln (geft. 19. Dftober 1845). Und dennod bejubelten
die Gerlach und Genofien biefen Ausgleih als „glänzend“.
Weit überlegen hatte fi die kuriale Diplomatie den
preußifchen Staatsmännern gezeigt. In der Frage der ger
miſchten Chen bereits Siegerin, hatte fie die Fatholifierenden
Prus, Preubiſche Geſchichte IV. 14
210 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten.
Neigungen bes Königs benugt, um auch in anderen weit-
gehende Zugeftänbnifie zu erlangen. Die Leitung der Klerikal«
jeminarien, welde die theoretiſch vorgebildeten Alerifer für die
Seelforge praktiſch ſchulen, gab der Staat völlig aus der Hand.
Die die Hermesſche Philofophie vertretenden Bonner Profefioren
blieben zwar im Amt, doch wurden neben ihnen Firdhlich recht⸗
gläubige beftellt und dieſe wie alle katholiſchen Religionglehrer
in ber Ausübung ihres ftaatlihen Lehrauftrages abhängig ges
macht von der Erteilung ber Erlaubnis dazu aud dur bie
Kirche (missio canonica). Die bifhöflihe Disziplin über den
Klerus wurde thatſächlich von jeder ſtaatlichen Kontrolle be-
freit, da Eichhorn das theoretifch feftgeftellte Recht des Staates,
als Rekursinftanz angerufen zu werben, ſelbſt als eine praktiſch
wertlofe juriſtiſche Fiktion bezeichnete. Und noch nicht genug
mit alledem! Unter dem Schuß dieſes Friedens ſetzte bie
katholiſche Kirche den in offener Auflehnung begonnenen Er:
oberungszug gegen den Staat fort, vom Staat ſelbſt geförbert,
der ihr verblendet in feinem Verwaltungsapparat das Organ
dazu ſchuf, indem er einer früheren Anregung bes Königs von
Württemberg ‚gemäß in dem KRultusminifterium eine beſondere
Abteilung für katholiſche Angelegenheiten errichtete.
Selbft ein Nagler hatte zu Beginn bes Kirchenſtreites ger
meint, ein Triumph der Hierarchie fei faft unmöglich: es ger
nüge, ihr durch Seftigfeit das Spiel zu verderben. Der Abfolutift
und Reaktionär hatte genau fo wie die liberalen Gegner ber
aufftrebenden Hierarchie das perfönliche Moment nicht in Rech»
nung gezogen, vermöge deſſen jeßt in Preußen bie prinzipiell
Harften Dinge unberedenbar verwirrt wurden. Als er, bes
Vaters Politik verleugnend, Ehre und Recht des Staates Rom
gegenüber preisgab, war bas nicht des Königs Abſicht und er
fich deffen, was er damit that, nicht bewußt, fondern er meinte
nur der Kirche als folder zu erweiſen, was er ihr als Chrift
und Fürft ſchuldig war. Denn in feinen Augen war es Pflicht
bes Staates, feine Ordnungen in allem dem Gebote Gottes
anzupafien. Er gewährte der katholiſchen Kirche, was er als
Recht auch feiner Kirche anfah und ihr durch Eichhorn zu ges
währen auf dem Wege war, beachtete nur nicht, daß in der
I. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 211
Landeskirche der oberfte Bifhof und der Träger der Staats-
autorität eine Perfon waren. So war es denn au nicht bloß
tünftlerifhes Intereſſe, was ihn für den Kölner Dom und
deſſen Vollendung begeifterte. Vielmehr brachte er dadurch dem
mittelalterlihen SKirhentum eine Qulbigung bar, bie ben
Proteftanten mit gutem Grunde Anftoß gab. Der Unterſchied
der Konfeffionen wurde in unklarer Gefühlsfhwärmerei ver:
büft, als ob er in einer höheren Einheit ausgleihbar wäre.
Schon trauten mande dem phantaftifhen Sinn bes Königs
einen Plan der Art zu. Die Errichtung eines evangeliſchen
Bistums in Jerufalem in Gemeinihaft mit England ſchien die
Vorſtufe dazu. Diejelben Saiten ſchlug das Kölner Dom:
baufeit (2. September 1842) an, zumal es zugleich den Frieben
mit Rom feiern follte, mochte daneben auch in Erinnerung
an bie unlängit beftandene Gefahr eines Krieges mit Franf-
reich der beutjchnationale Ton ſtark mitklingen. Die Hod-
romantifche katholiſierende Geiftesrihtung des Königs bethätigte
fih auch in der Erneuerung des Schwanenordens Kurfürft
Friedrihe IL (8b. I, S. 154), in dem bie Proteftanten
Tatholifhen Mariendienft, die Katholiken proteftantiihe Ent⸗
artung jahen. Man bedauerte, den König fi in Altertümeleien
verlieren zu fehen in einer Zeit, die andere Dinge verlange
als ein Lieblofen der Vergangenheit. Der Gegenjat der Kon-
feffionen, den er verhüllen wollte, verfhärfte und verbitterte
fi. Die herausfordernde Haltung des katholiſchen Klerus trieb
alle Gebildeten zur Abwehr des mittelalterlihen Dunkels, das
unter dem Schuß der Föniglichen Romantik hereinzubrechen drohte.
Als eine Herausforderung an die Kultur des Jahrhunderts wurde
es empfunden, daß Bifhof Arnold 1844 die in Trier aufs
bewahrten Heiligtümer, zumal den ungenähten Rod Chrifti,
ausftellte und ungezäblte Mafjen fie zu verehren dorthin pil-
gerten, au die üblihen Wunder nicht ausblieben. Selbft in
der katholiſchen Kirche erhob ſich Widerſpruch. Johannes Ronge,
ein ſchleſiſcher Priefter (1813—87) ſchrieb „Gegen das Gögen-
feft zu Trier an den daſigen Biſchof als an ben Tetzel bes
19. Jahrhunderts“ und fammelte in Breslau eine Heine Ge-
meinde Gleichdenkender um fid. Cine ähnliche Bewegung ver-
212 Drittes Bud. An der Wende ber Zeiten.
anlaßte ein junger Priefter Johann Czersfi in Schneidemühl.
Ihre Vereinigung führte zu dem Verſuche einer Erneuerung ber
katholiſchen Kirche auf nationaler Grundlage und unter An:
lehnung an bie Iutherif he Reformation in deutſch-katholiſchen
Gemeinden. An innerer Halbheit und Inkonſequenz krankend,
hatten fie in Preußen zudem die Regierung entſchieden gegen
fih. Sie verbot die VBenugung der von duldſamen prote-
ſtantiſchen Gemeinden ihnen eingeräumten Kirchen, geftand den
Amtshandlungen ihrer Geiftlichen Feine rechtlichen Wirkungen zu
und behandelte ihre Glieder als bürgerlich nicht vollberechtigt.
Und babei ftanden fie der päpftlichen Kirche gegenüber doch
nit weſentlich anders als die Altlutheraner der Union gegen-
über, denen der König nad ber Thronbefteigung Glaubens-
freiheit gewährt hatte. Aber diefe waren Vorfämpfer bes
Buchſtabens, dem bie Deutih-Katholiten ebenfo wie die auf
dem Boden bes Proteftantismus entftandenen Vereine ber Licht⸗
freunde und Proteftantifhen Freunde ben Geift des Chriften-
tums entgegenfegten. Für fie war daher in dem Preußen
Friedrich Wilhelms IV., Eichhorns und Gerlachs fein Platz.
Diefe religiöfen Kämpfe und kirchlichen Gegenfäge aber wirkten
auf das Bol um fo verflimmender und aufreizender, als ihm
die fo heiß erfehnte thätige Teilnahme an dem Staate nad
wie vor verfagt blieb.
IV. Berfalfungsexperimente. 1840—1847.
Friedrich Wilhelm III. Hatte bie Verfafungsfrage zum
Schweigen gebradt, fein Volk ſich einftweilen in Geduld be-
ſchieden. Bon feinem Nachfolger aber als dem Träger einer
neuen Zeit erwartete es das erlöfende Wort, während er doch
als Verehrer mittelalterlihen Ständeweſens bereits Harben-
bergs Entwürfe erfolgreich belämpft hatte, bie Bufage vom
22. Mai 1815 für unverbindlich erklärte und nur den Erlaß
vom 17. Januar 1820 gelten ließ, ber für fünftige Anleihen
die Mitgarantie der Reichsſtände forderte. Wie dieſe zu ge-
falten feien, wußte er freilich felbft no nit. Um fo ent»
ſchiedener erfaßte die öffentliche Meinung das Ziel, mußte fi
aber trog aller Gutgläubigleit bald überzeugen, daß man noch
weit bavon entfernt fei. Wohl hätte fi dur ein Kompromiß
ein Webergang anbahnen laſſen, der menigftens aus ber bis-
herigen Stagnation wieder zur Bewegung hinübergeleitet und
den Glauben an weiteren Fortſchritt geftärkt hätte. Wie leicht
wäre damals die noch fo genügfame öffentlihe Meinung zu
gewinnen geweſen, hätte fie fi einem Willen gegenüber ge⸗
ſehen, der ſich durch irgend eine, wenn auch beſcheidene pofitive
Leiſtung bethätigte! Daß bies nicht geihah, daß ber König
fein Volk ohne Lofungswort ließ, wurbe verhängnisvoll. Statt
als Führer voranzugehen, wurbe er vielmehr ber Gegenftand
des Ringens zwiſchen der Reaktion, bie ihn durch die Ber-
quidung von Politit und Religion an ber empfindlichſten Stelle
faßte, und den Liberalen, bie ungebuldiger andrangen. Beide
wollten feine Autorität benugen, um Siele zu erreichen, die
nit bie feinen waren. So fah er fi bald nad) biefer, bald
nad) jener Seite zur Abwehr genötigt, verftand fi mit feinem
feiner Minifter recht und beflagte ihre Uneinigfeit. Von einer
214 Drittes Buch. An der Wende der Zeiten.
Verfaſſung wollten die einen überhaupt nichts wiflen, bie
anderen höchſtens die Provinzialftlände ausbauen, und nur
einzelne hielten das Einlenfen in Tonftitutionelle Bahnen für
geboten, weil bloß dann Preußen eine leitende Stellung in
Deutichland gewinnen könne. So hing aud) hier alles von
dem König perſönlich ab, und das führte bei feiner unberechen-
baren Impulfivität zu Konflikten ſelbſt da, wo folde ſachlich
nit begründet waren.
Der König wollte zunächſt gemäß dem legten Willen des
Vaters (S. 196) die Stände der einzelnen Provinzen zur
Huldigung verfammeln und babei befiimmen, daß fie je vier
Deputierte wählten und dieſe mit 32 von ihm zu ernennenben
Staatsratsmitgliedern als Reichsſtände anerkannten. Dann
werde er freier und mächtiger baftehen als vorher. Daß die
Provinzialftände zu einem ſolchen Anerkenntnis nicht legitimiert
waren, überfah er. Nachmals hat er geklagt, fein Vorhaben
fei gefcheitert an dem Widerfprud der Minifter und den fonft
von ihm um Rat Gefragten: nur Boyen habe e& gebilligt. Auf
diefelbe Art hat er alle Zeit die Verantwortung für begangene
Fehler von fi abzumwälzen geſucht: den Königlichen Mut des
eigenen Willens bat er nie befefien. Zunächſt geichah daher
überhaupt nichts. Doc wurden die Stände ber beiden nit
dem deutſchen Bunde angehörigen Provinzen Preußen und Poſen
auf Anfang September zur Erbhuldigung nad) Königsberg ge:
laden. Indem er fie aufforderte, altem Braud gemäß anzu:
geben, welche Privilegien fie beftätigt zu fehen wünſchten, und
zwölf Mitglieder ber Ritterſchaft als Vertreter bes Herren-
flandes zu wählen, fingierte er zwiſchen den 1823 auf neuer
Grundlage und zu neuen Sweden gejdaffenen und den alten
preußifchen Ständen einen Bufammenhang, der thatſächlich
nit beftand, und mutete daraufhin jenen einen Schritt zu,
der durch Schaffung einer vollendeten Thatſache jeine mittel-
alterlich ftändifhen Ideale der Verwirklihung näherte.
Wieder lag die Entſcheidung über das Schidfal Preußens
in der alten Oſtmark, und wieder bewährte deren Bevölferung
zum Heil des Ganzen richtigen politifhen Takt und tapferen
Freimut. Jubelnd empfangen, zog das Herrſcherpaar am
IV. Berfoffungserperimente. 215
29. Auguft in Königsberg ein. Gewann bie Liebenswürbigkeit
des Königs aller Herzen, jo ermedte die Art, wie er ben Ober«
präfidenten v. Schön auszeichnete, politiſche Hoffnungen, die
gelegentliche Aeußerungen zu einzelnen Landſtänden fteigerten.
Auf dem preußiſchen Provinziallandtage hatte flets regeres
Leben geherrſcht; die parlamentarifhen Formen hatten da leicht
Eingang gefunden, und ohne den Widerfprug der Regierung
wäre auch die vorgefchriebene Sonderung ber Stände in dem
Sigungsfaale längft bejeitigt gemeien. So überrajchte es kaum,
daß am 5. September Schön in ber Eröffnungsrebe bie ver-
heißene Aſſekuration der ftändifchen Privilegien ala Weberbleibfel
aus ber Zeit bezeichnete, wo Klöfter und Zünfte für Kultur-
träger gegolten hätten, und ſich auch gegen die Wahl von
Vertretern eines Herrenftandes ausſprach. Diefe wurde ein
fimmig abgelehnt, in betreff der Aſſekuration aber auf An-
trag des Königsberger Kaufmanns Heinrich, den auch der Adel
lebhaft unterftügte, am 6. September mit 89 gegen 5 Stimmen
beſchloſſen, den König zu bitten, er möge gemäß ber Ver:
ordnung vom 22. Mai 1815 einer in Berlin zu ernennenden
Kommiſſion mit Zuziehung der Provinzialftände die Ausarbeitung
einer ſchriftlichen Urkunde als Verfafjung des preußifchen Reichs
nad) den in befagter Verordnung feftgeftellten Grundſätzen aufs
tragen und dieſe Verfafjung der preußifhen Nation verleihen.
Die Tragweite des Beſchluſſes, der fih genau dem Wort-
laut der angezogenen Erlaſſe anfchloß, wurde erft allmählich
offenbar. Auch entbehrte die wohl von Schön infpirierte Hals
tung der Stände nicht einer gewiflen überlegenen Feinheit gegen-
über dem wohlberechneten Vorgehen bes Königs. Wollte biefer
den Landtag durd die Fiktion, die Stände von 1823 feien
eins mit den alten preußiſchen, zu einem ihn für bie Zukunft
bindenden Schritte vermögen, fo acceptierte derjelbe dieje, ins
dem er bie übliche Hulbigungsgabe von 100000 Gulden bar
brachte, aber auf die Erneuerung der veralteten flänbifhen
Privilegien verzichtete, weil fie nur dem Teil, nicht dem Ganzen
zu gut kämen, wohl aber aud in Zukunft beredhtigt fein wollte,
vor jeder Erbhuldigung die Wünfche des Landes an den Thron
zu bringen, und nur die Erfüllung der Zufage vom 22. Mai 1815
216 Dritte Bud. An der Wende der Zeiten.
erbat. Die den Beſchluß begründende Denkſchrift führte dies
jelbe maßvolle, loyale und vertrauensvolle Sprache, die auf
dem Landtage gehört war.
Dem entſprach auch ihre Aufnahme. Zunächft zwar braufte
der König auf, wurbe aber durch Schön beſchwichtigt und be-
kannte, eigentlich dasſelbe zu wollen wie die Stände, ja deutete
an, auch er plane einen allgemeinen Landtag, wie ihn jene
als das befte Mittel bezeichnet hatten, um den aus jo ver-
ſchiedenartigen Teilen beftehenden Staat innerlich feit zufammen-
zufügen. Entzüdt meinte Schön, der König fei liberaler als
er. Dagegen fuchten die Reaftionäre, obenan der Prinz von
Preußen, ber das Vorgehen der Stände iloyal ſchalt, und
- Rohow den König zu fchroffer Ablehnung zu beftiimmen. In
dieſem Wiberftreit der Meinungen erließ der König auf bie
Denkſchrift am 9. September einen Landtagsabſchied, deſſen
befliſſen milde Faſſung ſeine wahre Geſinnung nicht erkennen
ließ und fo Mißverſtändniſſe, die ſie ausſchließen ſollte, erſt
recht veranlaßte. Bereits fein Vater, jo führte er aus, habe
nad reiflicher Prüfung beſchloſſen, zum Heil feines Volks fi
„von ben herrſchenden Begriffen einer jogenannten allgemeinen
Volfsvertretung fern zu halten“ und „ben auf geſchichtlicher
Entwidelung beruhenden und ber deutſchen Volkseigentümlich-
keit entſprechenden Weg einzufhlagen“, und deshalb die pro⸗
vinzialftändifche Verfaflung geſchaffen. Dieſen Weg wolle er
weiter verfolgen, das begonnene Werk getreulich pflegen und
einer für das Vaterland und jeden Landesteil eriprießlichen
Entwidelung entgegenführen. So könnten die Stände feinen
Abſichten für die Inftitution des Landtages voll vertrauen.
Danach durften dieſe fi im mwefentlihen mit dem König
einig glauben, zumal Schön durch die Verleihung des Ranges
eines Staatsminifters und des Schwarzen Ablerorbens bemonz
ſtrativ ausgezeichnet wurde. Der Verlauf der Huldigung am
10. September beftärkte fie darin. Dicht gedrängt erfüllte eine
feierlich bewegte Menge den altertümlihen Schloßhof. Allen
ſichtbar, thronte der König auf hohem Altane. Nach Anſprachen
des Kanzlers und ber Landtagsmarfhäle für Preußen und
Poſen, von denen ber legtere die nationalen Wünfche der Polen
IV. Berfaffungserperimente. 217
berührte, wurde bie Huldigungsformel verlefen und von den
Berfammelten nachgeſprochen, als fi der König erhob und
eine jener Anſprachen hielt, wie fie nur von ben Lippen eines
gottbegnadeten Redners fließen. Die Rechte wie zum Schwur
erhoben, gelobte er, ein hriftliher König zu fein, bat Gott
um den Fürftenfegen, der dem Gefegneten bie Herzen ber
Menfchen zueignet und aus ihm einen Mann nad) dem gött:
lien Willen macht, ein Wohlgefallen den Guten, ein Schreden
den Frevlern, pries die oft beneibeten Vorzüge Preußens, bie
Einheit von Fürft und Volk und aller Stände im Dienft bes
gemeinen Wohls und feine unvergleihlihe Wehrkraft und ſchloß:
„So wolle Gott unfer preußifches Vaterland ſich felbft, Deutich-
land und der Welt erhalten, mannigfach und doch eins, wie das
edle Erz, das, aus vielen Metallen zufammengejhmolzen, nur
ein einziges ebles ift, feinem anderen Roft unterworfen als
allein dem verfhönenden der Jahrhunderte.” Toſend entlud
fich die allgemeine Begeifterung. So viel konnte man ſich bei
diefen Worten denken, daß jeder der Erfüllung feiner Wünfche
ficher zu fein glaubte. Auch die preußifchen Stände legten
fi) den Landtagsabſchied demgemäß aus, zumal einer Depus
tation gegenüber ber König am 11. September ausbrüdlich ihr
Recht anerkannte, die an ihn gerichtete Bitte auszuſprechen,
auch das Geſetz vom 22. Mai 1815 als gültig bezeichnete, die
Gründe entwidelte, die feinen Bater beftimmt, fein urjprüng-
liches Vorhaben aufzugeben, dann barthat, was bie in Eng-
land geſchichtlich entftandene Verfaſſung nah Deutfchland zu
übertragen unmöglich madje, und fi gegen alle auf Pergament
geſchriebene Staatsgrundgefege ausſprach, aber mit der Er-
klärung ſchloß, er wolle gar nicht ohne Stände regieren, viel
mehr fei die zweddienliche weitere Entwidelung und Ausführung
bes ftändifchen Lebens das innigfte Streben feines Herzens.
Zu ähnlichen Scenen wie in Königsberg fteigerte ſich auch
die Huldigung ber übrigen ſechs Provinzen in Berlin am
15. Oktober. Zwar verftimmte es, daß — freilich nur aus
Raummangel — die Vertreter des Herrenitandes, der Ritter
ſchaft und der Geiftlicleit in ben Gemädern bes Schlofies
empfangen wurden, bie ber Stäbte und des Bauernftandes
218 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten,
aber draußen im Luftgarten im Regen ftehen mußten. In ber
Anfprahe an jene verhieß der König wieber eine einfache,
väterlihe, deutſche und chriſtliche Regierung, nicht eine ſo—
genannte glorreihe mit Geſchutzesdonner und Pojaunenton, in
der an legtere wiederholte er das Königsberger Gelöbnis, for:
derte dann die Verfammelten auf, ihm beizuftehen in ber
Entfaltung der Eigenſchaften, die Preußen groß gemacht, Ehre,
Treue, Streben nad Licht, Recht und Wahrheit, Vorwärts:
ſchreiten in Altersweisheit und heldenmltiger Jugendkraft und
zu ihm zu ftehen in guten und böfen Tagen, und ihn deſſen
mit einem ehrenfeften Ja zu verfihern. Danach fuhr er fort:
„Dies Ja war für mich, das ift mein eigen, das laſſ' ich nicht,
das verbindet uns unauflöslih in gegenfeitiger Liebe und
Treue, das gibt Mut, Kraft, Getroftheit, das werbe ih in
meiner Sterbeftunde nicht vergeflen. Der Huldigungseib, ber
dann folgte, ſchien faſt überflüffig.
Solche Reden bejubelten vor allem die Abfolutiften. Bei
den Liberalen begann bereits bie Ernüchterung. Denn am
4. Oftober hatte der König Rochow befohlen, die ben preußifchen
Landtagsabſchied betreffenden Aktenſtücke zu veröffentlichen, damit
ſich nicht die Anſicht feftfege, er habe fi für eine Entwidelung
der Landesverfaffung im Sinn der Verordnung vom 22. Mai 1815
erklärt. Das machte allen Zlufionen ein Ende, und bie gut⸗
gläubigen Enthufiaften, die bisher in feinen Worten gefunden,
was fie wunſchten, fahen ſich enttäuſcht. Damit wandelte fi
die Stimmung. Nod zwar glaubte man fo fehr an den guten
Willen des Königs, fein hiſtoriſches Verftänbnis und fein Rechts:
gefühl, daß man ihn durch Gründe zu überzeugen hoffte. Daß
aber die Regierung diefe Erörterungen in der Preſſe möglichft
hinderte, fteigerte die Erregung und zog immer weitere Kreife
in den fi erhigenden publiziftiichen Kampf.
In biefen trat ſogar Schön ein. Bon dem Driginalent-
wurf zu Steins politifhem Teftament (Bd. II, ©. 468), das
eine allgemeine Nationalvertretung vorfah, um dem unums
ſchränkt bleibenden Königtum die Vollswünfhe zu vermitteln
und fo fegensreicheres Wirken zu ermöglichen, ließ er ein
Fakſimile anfertigen und überfandte es (14. Dezember) dem
IV. Berfaffungserperimente. 219
Könige. Die Abfiht war unverkennbar. Jener aber wollte
fie nicht verftehen. Schön ſcheint damals gehofft zu haben,
endlich zu einer leitenden Stellung aufzufteigen. Bereits Ende
Dftober hatte er unter dem Titel „Woher und wohin?“ eine
Betrachtung ber politifchen Lage verfaßt. Ohne fi als Autor
zu nennen, ließ er fie jeßt in einer beſchränkten Anzahl von
Exemplaren bruden und einigen vertrauten Freunden zugehen.
Natürlich wurde fie bald befannt, und da aud ihr Urfprung
nicht geheim blieb, erregte fie gewaltiges Auffehen. Auf Ro:
chows entrüftete Anfrage wollte Schön fie als ein Denkmal ber
Zeit verfaßt und zur Deponierung im Archiv beftimmt haben,
um fie erft ber Nachwelt bekannt werben zu laſſen. Darüber
gab es ſcharfe Auseinanderfegungen. Auch der König war tief
gekränkt, nahm aber Schöns Entlaſſungsgeſuch nit an, fon=
dern erhielt ihm gutmütig feine Hulb.
Dabei gab der Schrift mehr als ihr Inhalt der Verfaſſer
Bedeutung. Denn in feiner doftrinär formelhaften Weife
leitete biefer die herrichende Unzufriedenheit davon her, daß das
Volt, durch fortgeihrittene Bildung zur Teilnahme an ben
Staatsangelegenheiten befähigt, dod davon ausgefchlofien fei.
Das habe der preußiiche Landtag auf bes Königs Anfrage
pflichtgemãß erflärt: nicht gegen den König, nur gegen feine
Beamten richte fi feine Bitte. Wohin ihre Erfülung führen
werde, zu zeigen, fehildert er das Eonftitutionelle Syftem. Die
Generalftände werben bie Verwaltung aller National» und
KRommunalangelegenheiten an fi) nehmen, die Finanzen beauf-
fihtigen und an der Juftiz Anteil haben, fo daß weniger Beamte
nötig find. Die bewaffnete Macht wird mit dem Volke in
Verbindung gefegt und das Volk jelbft wehrhaft gemacht werben
Tonnen. Das wird ben Geift der Gefeggebung fegensreich be
einfluffen und auch das Beamtentum beffern, da es, dem Könige
genau befannt, gegen die Stände weder mit Uebermut nod)
mit Frivolität wird auflommen können. „Die Zeit der väter:
lichen, der Patrimonialregierung,“ fo ſchließt Schön, „iſt vor⸗
bei. Wenn man bie Zeit nit nimmt, wie fie ilt, und das
Gute daraus ergreift, fo ftraft Die Zeit.“
Viel größer war die Wirkung der „Vier Fragen, beant⸗
220 Drittes Bud. An der Wende ber Zeiten.
wortet von einem Oftpreußen“ von dem jübifchen Arzt Dr. Jos
dann Jakoby in Königsberg. Eine Angelegenheit, bei ber bis-
ber das Gefühl eine allzu große Rolle geipielt, behandelte
diefer mit der feinem Stamme eigenen Verſtandesſchärfe nur
nad juriftifhen und hiſtoriſchen Gefihtspunften und fiellte fie
fo in ihrer Einfachheit üuberraſchend Elar. Auch ſtach fein offenes
Vorgehen vorteilhaft ab von dem doch nicht ganz unzweideutigen
Schöns. Beſtimmt, den für das Frühjahr 1841 einberufenen
preußifchen Ständen überreicht zu werden und daher zunächft
nur lithographiert ala Handſchrift verbreitet, war die Schrift
unter ſächſiſcher Zenfur zu Leipzig in ſchwacher Auflage ger
drudt, auf Reklamation Preußens aber beihlagnahmt und nun
ohne Zuthun des Autors neu gebrudt und verbreitet worben.
Auch dem Könige hatte fie Zakoby, ſich als Verfaſſer nennend,
überfandt und gegen falfhe Deutung feinem Ehug empfohlen
(23. Februar 1841). Aber bereits am 21. März verfügte dieſer
auf Rochows Bericht gegen Schöne dringende Einſprache die
gerichtliche Verfolgung.
Jakobys Vorbild war Sieyds’ Schrift für den dritten
Stand. Die That des preußiſchen Huldigungslandtages in
ihrer Bedeutung darzulegen, behandelte er vier Fragen. Was
wünfchen die Stände? Die Antwort: „Selbfländige Teilnahme
der felbftändigen Bürger an den Angelegenheiten des Staates“
begründete er durch den Nachweis, daß von einer folgen faum
der Schein vorhanden fei. Berechtigt aber find die Stände zu
dieſem Wunſch im Bewußtſein ihrer Mündigfeit und der Mündig-
ſprechung vom 22. Mai 1815. Als Antwort jedoch wurbe ihnen
Anerkennung ihrer Treue, Abweifung ihrer Anträge und Ver:
tröftung auf einen fünftigen unbeftimmten Erſatz trog der
Rechtsverbindlichkeit des Gefeges vom 22. Mai 1815. Die vierte
Frage, was bie Ständeverfammlung nun zu thun habe, be—
antwortet Jakoby dahin, fie müffe, was fie bisher als Gunft
erbeten, num als erwiejenes Recht in Anſpruch nehmen.
Je mehr in dieſer Sache bisher die Phraje geherrſcht
batte, Hinter der fi Unklarheit und Unentſchloſſenheit ver-
bargen, um fo überzeugenber wirkte biefe unbarmberzige Logik.
Den Eindrud fteigerte der Ausgang des Prozeffes gegen Jakoby.
IV. Berfaffungderperimente. 221
Von der Anklage auf Hodverrat, den man in der Antwort
auf die vierte Frage ſah, ſprach ihn der Kriminalfenat des
Kammergerichts am 5. April 1842 frei, verurteilte ihn aber
wegen fredden, unehrerbietigen Tadels, Verfpottung der Landes⸗
gefege und Majeftätsbeleidigung zu zweieinhalb Jahren Feſtung
und Verluft der Nationalkofarde. Auf feine Berufung wurde
er im Januar 1843 von dem Überappellationsjenat bes
Kammergerichts unter v. Grolmanns Vorfig überhaupt frei-
geſprochen. Das Erkenntnis, defien Wortlaut damals Jakoby
bezeichnenderweiſe nicht erhielt, übte nicht nur an dem erflen
Urteil eine vernichtende Kritik, ſondern ftellte auch muftergültig
die Grundfäge feſt, die in politifhen und Prefprozefien den
Richter leiten ſollen.
„Eine kurze Inſtruktion und ein Zeughaus für bie Eonftis
tutionelle Oppofition“ nannte Varnhagen die „Vier Fragen”.
Selbft die im Frühjahr 1841 zufammentretenden Provinzial-
landtage belebten fie. Wenn zudem das Berufungspatent vom
3. Februar deren Wiederkehr für jedes zweite Jahr zuficherte,
beichräntte Deffentlihfeit der Verhandlungen gewährte und bie
Bildung von Ausihüffen anordnete, um die Regierung ges
gebenen Falls zu beraten, fo fam das Zugeftändnis zwar zu ſpät
und war dürftig, ließ aber doch weiteres Nachgeben hoffen,
zumal in eben jenen Tagen Boyen, der als Hauptvertreter bes
Konftitutionalismus galt, Kriegsminifter wurde. Trogdem ent-
309 fi) ber preußifhe Landtag einem Antrag auf Erneuerung
der Bitte um eine Verfafjung durch die Erklärung, er vertraue,
daß ber König aus eigenem Antrieb das Nötige anorbnen werde.
Aehnlich ging es anderwärts. Auf die Klagen über den Zenſur⸗
zwang erfolgten leere Vertröftungen. Anträge auf Ausdehnung
der Wählbarkeit für die ftäbtifchen Abgeordneten blieben ohne
Erfolg. Selbft den auf ihre Vorlagen ergangenen Landtags:
gutachten ſchenkte die Regierung feine Beachtung. Die Bres:
lauer Bürgerfhaft aber, die bei dem fchlefifhen Landtag um
Neicheftände petitionierte, wurde barſch zurechtgewieſen.
Dabei ſchien der König doch an ber Haltbarkeit feiner
bisherigen Stellung zu zweifeln, wenn er am 21. Juni 1842
die Bildung eines Ausfhufles der Stände mit dem Wunſche
222 Dritted Bud. An der Wende der Zeiten.
motivierte, auch während die Provinzialftände nicht tagten,
ſtändiſche Gutachten hören zu fönnen. Derfelbe folte in Funktion
treten, wenn bie Anfihten der Provinziallandtage über Geſetz⸗
entwürfe weit auseinandergingen ober bei deren Beratung in
den höheren Inftanzen neue Momente hervorträten und eine
Ausgleihung wunſchen ließen. Bedenklich war feine Zufammen-
fegung durch die Bevorzugung des Grundbefiges. Bon 98 Mit-
glievern waren 46 Vertreter des Herren- und Ritterftandes,
32 der Städte und 20 der Landgemeinden. Ständeweiſe ge-
wählt, bedurften fie zudem der königlichen Beſtätigung. So
war biefe Schöpfung wenig geeignet, bie Volksſtimmung an-
gefihts des nahen Dombaufefies zu heben. Und doch ſchien
das ihr einziger Zwed. Denn ein fahliher Grund für die
Berufung der „Vereinigten Ausfchüffe“ auf den 18. Oftober 1842
lag nit vor, zumal die Regierung erklärte, in ben beiden
zur Beratung geftellten Fragen, einem Steuererlaß von 123 Mil-
lionen Thalern und der Mebernahme der Zinsgarantie für
geplante Eifenbahnbauten, habe fie fich bereits fchlüffig gemacht.
So verlief die Seffion matt und unbehaglid. Dean fiimmte
den Vorlagen verflaufuliert zu, weil man nicht anders konnte,
wurde dabei aber das Bewußtfein nicht los, etwas zu thun,
was zu thun man eigentlich nicht beredhtigt war, fonbern den
Reichsſtänden hätte überlafien müflen, konnte jedod; unter dem
Zwange ber vorgefchriebenen Gejchäftsorbnung das nicht zur
Sprade bringen, was ale erfülte. Einzelne Anläufe dazu
blieben vergeblich. Alle Welt erging ſich in abfälligfter Kritik
über das neue zwed- und zielloje Experiment.
Nur der König war zufrieden. Mit Worten des Dantes
entließ er am 10. November die Ausihüffe, in denen er ben
bisher fehlenden Zentralpunkt geſchaffen zu haben glaubte. In
dunkler Rede rühmte er ihre im biefer Art einzige Unab:
hängigfeit, da fie — nad Haller — fowohl Vertreter eigener
wohlerworbener Rechte und ber Rechte der fie aborbnenden
Stände, als auch Ratgeber der Krone feien. Und auf biefem
Grunditein wollte er aufbauen, was er Verfafjung nannte. Am
8. November legte er den Plan dazu feinen Miniftern vor.
In den konftitutionellen Weg einzulenfen, führte er dabei aus,
IV. Berfafjungserperimente. 223
fei für Preußen unmöglid. Was es brauche, habe es in den
Provinzialftänden und den Dereinigten Ausſchüſſen. Wenn
aber auferorbentlihe Umftände eine Anleihe oder Erhöhung
ber direften Steuern nötig machen würben, ſollten ſämtliche
Provinziallandtage als Dereinigter Landtag berufen werben
und das Recht der Steuerbewilligung haben. Nur angefichts
eines Krieges wollte er dies nicht zugeftehen, vielmehr follte
dann der Staatsfhuldenverwaltung nur eine ſtändiſche Depu=
tation beigegeben werben. Auch die regelmäßige Berufung bes
Landtages lehnte er ab, obgleich das Gejeg vom 17. Januar
1820 der Staatsfhulbenverwaltung jährlide Rechenſchafts—
legung vorſchrieb. Freilich zweifelte er ſelbſt, ob die Stände
auf ein foldes Abkommen eingehen würden. Die Minifter
waren überzeugt, auf das Net der Mitwirkung bei Kriegs-
anleihen würben fie nicht verzichten, da das ein Eingriff in
die Rechte der Fünftigen Reichsſtände fei. Auch hier land der
König alfo allein, nur daß er, anders als ſonſt, auf die Aus-
führung deshalb nicht verzichtete.
So geftaltete fih das Verhältnis zu den Provinzialland-
tagen von 1843 noch umerquidlicer. In Pofen wuchs mit ber
politifhen die nationale Erregung. Die Bitte um Reichsſtände
wies ber König ab, da der Erlaß vom 22. Mai 1815 ihn nicht
binde. Aud mit der Benfur blieb e& beim Alten. Ja, den
Poſenſchen Ständen wurde gedroht, wenn fie ferner fo ſchlechten
Geift zeigten, werde man fie nicht wieder berufen. Auch der
preußifche Provinziallandtag fam vergeblich auf feine frühere
Bitte zuruck. Einen Regierungsantrag, der bie Beleidigung
verftorbener Mitglieder der Föniglihen Familie unter harte
Strafe ftellte, lehnte er ab, weil damit jede Geſchichtsforſchung
aufhören würde. Am Rhein ermog man auf die Kunde von
der nad) Pofen ergangenen Drohung den Antrag auf Errichtung
eines Bundesgerihts zum Schug gegen königliche Willkür, und
als der zur Begutachtung vorgelegte Strafgefegentwurf ein=
ftimmig abgelehnt war, kamen 1500 Kölner nah Düffeldorf,
um dem Landtage eine Dankadreſſe zu überreihen und einen
Fadelzug zu bringen. Gegen ben ungnäbigen Landtagsabfchieb
wollte man durch Verzicht auf den Karneval demonfirieren.
224 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten.
Der König aber blieb dabei, nichts werde ihn vermögen, den
Gang feiner Regierung zu übereilen ober eine andere Richtung
einzufchlagen als bie bei der Huldigung bezeichnete: Verſuche,
ihn dazu zu drängen, werde er mit Nahdrud zurüdweilen.
Die Stimmung verbüfterte fi immer mehr. Die Fröm⸗
melei, die in den Verhandlungen über den Savigny-Eihhorn-
ſchen Entwurf eines Eheſcheidungsgeſetzes (S. 205) fi ab»
ſchredend breit machte, und die Begünftigung bes Adels, die
bei einzelnen Konflikten herausforbernd zu Tage trat, fleigerten
die Unzufriedenheit. Das bebrüdte das Gemüt bes Königs,
reizte ihn aber auch zu ſchärferen Repreffiomaßregeln, nament:
lic feit für das Attentat, das am 26. Juli 1844 ber che
malige Bürgermeifter bes Städtchens Storkow, Tſchech, er
bittert durch die Verfagung der Verwendung im Staatsdienft,
gegen ihn ausführte, von ber Reaktion ber verberbten Geiftes-
richtung der Zeit fchuld gegeben wurde. Cher hätte man bie
bis zum Hohn gleihgültige Haltung des Volkes und das fentis
mentale Bedauern ber Gebilbeten über die Vollftredung bes
Tobezurteils ber Art zuichreiben können, wie der König des
Volkes Herzen faft geflifientlich von ſich ftieß. Und noch Schlim-
meres drohte, ſeit infolge ihrer Niederlagen in dem Jacobyſchen
und anderen Prozeffen die Regierung die Unabhängigkeit des
rRichterſtandes antaftete. Das Geſetz „von dem gerichtlichen
und bdisziplinelen Verfahren gegen Beamte” vom 29. März
1844 ſtellte die Richter unter einen Disziplinarhof, fo daß
das vom Landrecht für jedes Einſchreiten gegen einen Richter
vorgeſchriebene gerichtliche Verfahren nur noch für gemeine und
eigentliche Amtsverbreden galt. So ſchuf der Juſtizminiſter
v. Mühler, der auch den preußifchen Anwälten die Teilnahme
an dem nah Mainz ausgefchriebenen deutſchen Advofatentage
verbot, die Handhabe, um nicht gefügige Richter auf dem
Disziplinarwege zu befeitigen — eines der dunkelſten Blätter
in der trüben preußifchen Geſchichte jener Jahre.
Der Mißſtimmung gaben die Provinzialftände von 1845
neue Nahrung. Namentlich in den weſtlichen Provinzen ſchlug
die Oppofition bereits einen f&härferen Ton an, und Männer
wie Harkort, Hanfemann und v. Vinde gewannen raſch an
IV. Berfafjungsegperimente. 225
Popularität. Man wußte, daß der König an einer Verfaflung
arbeitete, und traute ihm zu, daß er feine Stellung zu ver-
beſſern verfuchen würde, indem er die Welt durch beren Ver:
kundigung bei Eröffnung der Provinzialftände überrafchte. Es
geſchah nichts. Wohl aber zeigte Johann Jacoby in einer
Flugſchrift „Das Löniglide Wort Friedrih Wilhelms II“,
daß dieſer eine auf Volfsvertretung gegründete Verfaſſungs⸗
urkunde verſprochen, fein Verſprechen aber nicht erfüllt habe,
diefes daher feinen Nachfolger rechtlich und moraliſch binde
und die Provinzialftände verpflichtet jeien, feine Erfüllung zu
beantragen. Auf dem ſchleſiſchen Landtage forderte Graf Renard
Reichsſtände mit zwei Kammern, der rheinifche ließ die Bitte
darum zwar nicht förmlich als Petition, doch als Wunſch an
den König gelangen. Seine Umgebung riet diefem zum Ein-
ſchreiten gegen die Provinzialftände. Doc fand fein Entſchluß
zum Erlaß einer Verfaſſung bereits fe. Mit einer folgen
Verfammlung in Berlin hoffte er befier zu fahren ala mit den
acht Landtagen, die lauter Oppofition wären und die Rolle
von Reihsftänden fpielen wollten. Auf Unfinn, Frevel, Ueber:
treibung war er gefaßt, rechnete aber auf den guten Geift ber
Nation. Seine Verfaſſung follte echt deutſch werben: mit
franzöfifchen Einrichtungen könne er nicht regieren. Wieber
alfo ftand bei ihm nur die Negative feit. Sie formulierte er
Ende November 1844 in einem Schreiben an Metterni da»
bin, er wolle feine Nationalrepräfentation, feine Charte, feine
periodiſchen Reichstage und keine Reichstagswahlen. So hoffte
ex, „jedes fernere Begehren des Fortihritts nach ben Theorien
des Tages nahdrüdlih und wohlgemut zurüdzumeifen”.
Nur überfah er, dab die finanziellen Verhältniſſe jeder
Repräfentation ein Schwergewicht geben konnten, das ihn doch
auf bie gefürdtete fehiefe Ebene drängte. Auch die Zufage
einer regelmäßigen Belanntmahung des Etat? (S. 146) war
nicht gehalten: unter der neuen Regierung war fie nur 1841
erfolgt, mit 55867000 Thalern abſchließend. Die Ausgaben
wuchſen, obgleih man gegenüber der Verſchwendung im biplo-
matiſchen Dienfte vielfah über Knauſerei, namentlih beim
Militär, klagte, mochte auch Boyen den Sold der Offiziere
Brup, Breubiige Gefäiäte. IV. 15
226 Drittes Bud. An ber Wende ber Zeiten.
und Unteroffiziere erhöht, die Brotrationen der Mannſchaften
vergrößert und bie Infanterie mit Perkuffionsgewehren bes
waffnet haben. Bor alem forderten die Eifenbahnen wachſenden
Aufwand. Die Luft zu ihrem Bau flieg bei der Regierung,
jeit die 1840 vollendete Bahn von Magdeburg nach Leipzig
fich glänzend rentierte. Auch militäriſche Gefihtspunfte hatte
bie Kriegsgefahr 1340 dafür nahe gelegt. So war nicht nur eine
ganze Anzahl neuer Bahnen konzeſſioniert worden, ſondern bie
Regierung plante bereits 1842 ein Eifenbahnneg von 220 Meilen,
vor allem die Verbindung Berlins mit Königsberg. Die Er-
neuerung bes 1841 ablaufenden (S. 153) Zollvereins, dem
jegt Lippe, Walded und Braunſchweig beitraten, auf zwölf
Jahre (8. Mai 1841) verhieß weiteres Steigen des Verkehrs.
Aber die Mittel, namentlich für die Oftbahn, waren nur durch
eine Anleihe zu ſchaffen: der in dem Erlaß vom 17. Januar 1820
vorgejehene Fall trat ein. Um fo mehr wunſchte der König
die Verfaffung na feinem Willen fertig zu flellen, ohne die
gelbbewilligenden Körperſchaften.
Die Beiprehung mit den Miniftern im November 1842
(S. 222) war ohne praktiſche Folgen geblieben. In Fluß kam
die Sache erft 1844, wo, niemandem zur Freude, Bunfen nad
Berlin berufen wurde, um fi) in einer Reihe von Denkſchriften
über die Verfaflungsfrage zu äußern. Ihre Bearbeitung hatte
im übrigen Graf von Arnim-Boigenburg (1803—68), der 1842
Rochow im Minifterium des Innern erfegt, als diefer den mit
ihm unzufriedenen Frömmlern hatte weichen müfjen. Doch
konnten er und ber König fih in prinzipiellen Fragen nicht
einigen. Arnim hielt die regelmäßige Einberufung ber Reichs—
fände alle vier Jahre für unerläßlih, der König wollte fie nur
für den flänbifchen Ausſchuß zugeftehen, der als Vertretung
der nad feinem Belieben zu verfammelnden Reichsſtände bei
der Staatsfhulbenverwaltung mitwirken follte. Denn er firebte
alles zu vermeiden, was nad wirklich Eonftitutioneller Be—
ſchränkung des Königtums ausfah. Dem diente au bie von
ihm geplante gefünftelte Abftimmung in den aus ber DVer-
einigung der acht Provinziallandtage hervorgehenden Reichs—
fländen. Sie follte nad den drei Kurien der Ritterſchaft,
IV. Berfaffungserperimente. 227
des Bürger: und des Bauernftandes gefchehen, die durch bie
Mehrheit von zwei Kuriatfiimmen gegebene Entſcheidung aber
erſt rechtsgultig fein, wenn fie durch bie neu zu bildende vierte,
die Herrenkurie, beftätigt war. Diefe follte die Elite bes
abligen Großgrundbefiges mit ben Mebiatifierten vereinigen,
um das ben legteren nad bes Königs Meinung einft wiber-
fahrene Unrecht einigermaßen gut zu machen. Beraten jedoch
folten bie vier Kurien gemeinfam und fi außer über bie
Finanzen gutachtlich über allgemeine Landesgefege äußern, auch
in allgemeinen Angelegenheiten Petitionen und Beſchwerden
vorbringen dürfen, dazu aber nit in Berlin tagen, fondern
etwa in Brandenburg, um nicht dem Einfluß ber hauptftäbtifchen
Menge ausgefegt zu fein.
Ein äußerft funftreiher Apparat erzeugte alſo doch nur
einen fonftitutionellen Schein. Die den ganzen Bau krönende
vierte oder Herrenkurie aber galt es gar erft zu ſchaffen, und
felbft die Elemente dazu waren nur in drei Provinzen vor=
handen. Das ganze fogenannte Verfaſſungswerk begann alfo
mit einem Rückſchritt in das mittelalterlihe Ständeweſen.
Dennod that der Zar, dem ber König fein Vorhaben mit«
teilte, als ob Preußen dadurch zum Herbe der deutjchen Revo:
Iution werben müßte. Arnim dagegen mollte ber öffentlichen
Meinung weitere Zugeftänbnifie machen und ſchlug Periodicität
der Reiheftände und ein Zweikammerſyſtem vor, wozu aus
dem anerkannten Herrenftande und Mitgliedern der Ritter⸗
ſchaft ein Oberhaus gebildet werben folte. Da diefe Differenzen
unausgleihbar waren, trat er im Mai 1845 zurüd. Gein
Plan war damit befeitigt. Zur Beratung bes feinigen aber
ernannte ber König eine Kommiſſion, der neben Arnims Nas
folger v. Bodelſchwingh, dem bisherigen Finanzminifter, die
Minifter der Juſtiz, Savigny und Uhden, der Mühler erſetzt
hatte, des Auswärtigen v. Ranig und der brandenburgiſche
Landtagsmarſchall v. Rochow angehörten und fpäter der Fürft
von Solms:Lih, der Hausminifter v. Thile (S. 203) und der
neue Finanzminifter Rother (S. 145) zugefelt wurden. In
ihrem gegen Ende 1845 erftatteten Bericht widerriet fie die
Bereinigung der Provinziallandtage zum Reichstage, ber ſicher
228 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten.
größere Rechte erfireben werde, und empfahl als Reichsſtände
bie entſprechend zu verftärfenden Vereinigten Ausihüfle zu
Eonftituieren. Aber fie verwarf auch den Herrenftand, das
reichsſtändiſche Bewilligungsrecht, den ftändifhen Ausſchuß und
die Entfernung der Verfammlung aus der Hauptftabt. Was
blieb da von des Königs Entwurf noch übrig?
Nach neuen Verhandlungen fand endlich am 11. März 1846
eine gemeinfame Sigung ber Kommiſſion und bes Staats-
minifteriums ftatt, welcher der an des letzteren Spitze ſtehende
Prinz von Preußen präfibierte. Er war ein Gegner ber Ber:
fafjungspläne feines Bruders. Schon im Januar 1845 hatte
er feine Bedenken freimütig dargelegt. Der König, dadurch
fehr verftimmt, fürdhtete, er werde auf Grund von bes Vaters
letztem Willen (©. 196) eine förmliche Rechtsverwahrung eine
legen, und ließ vorbeugend die Unzuläffigkeit einer ſolchen
juriftifh erweifen. An den folgenden Beratungen hatte ber
Prinz nicht teilgenommen, jebodh im November dem Könige
Mobifitationen feiner Pläne vorgeſchlagen, um jebe Minderung
der königlichen Macht abzuwenden. Anders jedoch als fein
koniglicher Bruber ließ er fih belehren. Als am 11. März 1846
die von ihm geftellte Frage, ob eine ſtändiſche Zentralver-
waltung notwendig fei, alle Stimmen bis auf zwei bejahten,
erklärte er, bie ihm bisher nicht völlig Kar geworbene Note
wenbigfeit nun auch anzuerkennen. Auch fonft wurde des Königs
Entwurf angenommen, von den meiften freilih nur, weil
Widerfland gegen den Willen des abjoluten Königs hier vollends
ausfichtslos war. Nah Schluß der Beratungen, Mitte Dezember,
machte der Prinz, der fi durchweg in der Minderheit befunden
hatte, feine Bedenken nochmals geltend. Er verlangte aus-
brüdliche Anerkennung bes Rechts des Könige, den Vereinigten
Landtag aufzulöfen, und Schaffung eines Oberhauſes. Auch
von dem Steuerbewilligungs- und dem Petitionsrecht bejorgte
er Schwierigkeiten, namentli wenn fie militärijhe Dinge be—
teäfen, und empfahl wiederholt bie Befragung der Agnaten.
Jedenfalls hielt er feinen Bruder für bie Meberleitung in ben
neuen Zuftand nicht für geeignet und hätte es am liebſten
gefehen, wenn biefer die Verfafiung zwar fertiggeftellt, die
IV. Berfafungserperimente. 229
Ausführung aber feinem Sohne überlaffen hätte. Denn daß
er jelbft dem Bruder folgen würde, hielt er nad menſch⸗
licher Berechnung für ausgeſchloſſen.
Der König meinte recht finnvoll zu handeln, als er bie
Verfaſſung am 3. Februar 1847, dem Jahrestage des Aufrufs
„An mein Volt”, veröffentlihte: die Parallele wirkte jedoch
nit günftig. Dem Patent fehlte die minifterielle Gegen:
zeihnung. Der König nahm es als fein perjönliches Werk in
Anſpruch: was er gewährte, follte die freie Gabe feiner Gnade
fein. Bezugnehmend auf das Staatsfhulbengejeg vom 17. Ja
nuar 1820 und das über die Provinzialftände vom 5. Juni 1823
erklärte er bei Einführung neuer und Erhöhung beftehenber
Steuern und bei Anleihen die Provinziallandtage als Ver:
einigten Landtag verfammeln, die Vereinigten Ausſchüſſe aber
alle vier Jahre berufen zu wollen, und räumte beiden für
innere allgemeine Angelegenheiten Petitionsrecht ein und wollte
fie auch über Gefegentwürfe der Art gutachtlich Hören. Näheres
beftimmten drei von dem Staatsminifterium gegengezeichnete
Verordnungen. Die erfte glieberte ben Dereinigten Landtag,
deſſen Berufung durchaus im Belieben des Königs fland, in
zwei Rurien, die umgeteilt gelafjene Dreiftänbefurie und bie
Herrenturie der Fürften und Stanbesherren. Nach ber zweiten
folte der ben Landtag vertretende Ausſchuß alle vier Jahre
zuſammenkommen, nad ber dritten außerdem eine Deputation
von fünf Mitgliedern jährlih die Rechenſchaft der Staats:
ſchuldenverwaltung entgegennehmen. Indem er bie Steuer:
erhöhung „an die im Weſen deutſcher Verfaſſung begründete
Zuftimmung der Stände” band, meinte ber König über bes
Vaters Zufagen hinaus dem Volk einen Beweis des Vertrauens
zu geben, und verfah fi von feiner bewährten Treue und
Ehrenhaftigkeit fräftiger Unterftügung für feine auf des Vater
lanbes Wohl gerichteten Beitrebungen.
Das Patent fand nirgends Zuftimmung. Abfolutiften und
Reaktionäre beklagten die Minderung ber fönigliden Macht.
Der ritterſchaftliche Adel war in höchſter Aufregung. In feinem
Sinn übte v. Bulow-Cummerow eine vernichtende Kritik an
Preußens dermaligem Zuſtand und dem Patent. Der König
230 Dritte Bud. An der Wende ber Zeiten.
ſchidte ihm das Buch ungelefen und mit dem Ausbrud feiner
Ungnade zurüd: er habe jeinem Volk ein Gefchent gegeben,
das rein als ſolches anzunehmen und nit zu Eritifieren fei.
Die Liberalen, die namentlih an bem neuen Hertenftand als
einem unglüdlihen Zwittergeihöpf Anſtoß nahmen, fanden
die in dem Patent enthaltenen Vorftellungen des Königs ge:
miſcht aus neueren Begriffen, mittelalterlien Bildern, fälſch⸗
lich hiſtoriſch genannten Formen, feinem Zeitalter entſprechend
und feinen höheren Grundſatz folgerichtig darſtellend, Phan-
tafien, nicht Gedanken. Andere wandten darauf das Wort an:
„Wir baten dich um Brot und du gabft uns einen Stein,“
mit dem der Stabtgerichtsrat a. D. Heinrih Simon zu Bres:
lau, befannt als einer der fcharffinnigften preußiichen Juriften,
feine Schrift „Annehmen ober Ablehnen?” begann. Sie zeigte,
wie das feit einem Menſchenalter erfehnte Verfaſſungswerk jegt
begonnen werde gegen beftehendes Recht und gegen beftehende
Verfaffung, da das Patent dem Volke feine wenigen ftändifchen
Rechte nehme und der Krone neue Rechte beilege, erfterem aber
nichts von dem gewähre, was es zu fordern habe, und deshalb
abgelehnt werden müfle. In feinem Falle aber feien die ſtän⸗
diſchen Deputierten ohne ausbrüdliche Vollmacht ihrer Wähler
befugt, eine bindende Erklärung abzugeben. Denn nad) feier:
lichem königlichen Verfprehen habe das preußiſche Volt das
Recht auf eine in ſchriftlicher Verfaſſungsurkunde niebergelegte
Konftitution mit jährlich zu verfammelnder Voltsvertretung zur
Beratung aller die perſonlichen und Eigentumsredhte der Staats:
bürger berührenden Gefege, alleiniger Bewilligung von Staats»
anleihen und Ueberwahung des Schuldenweiens. Doch wies
die Schrift zugleich aud) den Weg zur Verftändigung. Denn
„Liebe ift mehr als ftarre Geſetzlichkeit, jofern erftere beftehen
kann mit Recht und Gewiſſen“. Daher — fo riet er —
ſollten die Stände zwar der Ladung nad) Berlin folgen, aber
jeder einzelne ausdrüdlih erklären, er komme nicht ald Depu-
tierter im Sinn bes Patents vom 3. Februar, fondern nur
als Glied feines Provinziallandtages, befien Rat der König
begehrte. Auch die Gefamtheit follte eine bindende Aeußerung
über den Verfaffungsentwurf als dazu infompetent ablehnen,
IV. Berfaffungsegperimente. 231
aber von fi aus Vorſchläge zu einer wirklich reichsſtändiſchen
Verfaflung machen.
Des Königs Sache war jo gut wie verloren, nod ehe er
am 11. April 1847 den Vereinigten Landtag eröffnete. Die
Nebe, mit ber er das that, verbarb vollends alles. Sie Hang
berausforbernd und fpielte den Kampf auf bas perfönliche
Gebiet hinüber. Indem er die liberalen Forderungen gleichſam
ala fittlich anftößig brandmarkte, erklärte er, keine Macht ber
Erbe werde ihn bewegen, das natürliche Verhältnis zwiſchen
Fürft und Volt in ein Eonventionelles, Eonftitutionelles zu
wandeln und zuzugeben, daß fi zwiſchen Gott im Himmel
und fein Land ein beſchriebenes Blatt gleihfam als zweite
Vorſehung eindränge, um mit feinen Paragraphen zu regieren.
Die ſchlechte Prefie untergrabe die alte heilige Treue, und der
Liberalismus bedrohe das Beftehende in Staat und Kirche.
„Ich und mein Haus,” fo befannte er dem gegenüber, „wollen
dem Herrn dienen.” Hoffentlich) werde auch fein Volt von
dem Mitregieren von Repräfentanten nichts willen wollen.
Die Verfammelten ermahnte er, nicht Meinungen zu repräfen-
tieren, fondern als Vertreter und Wahrer der eigenen Rechte,
der Rechte der Stände, mit dem Geifte diefer uralten Ein-
richtungen ſich zu durchdringen und ihm gewiſſenhaft zu raten
und Petitionen einzureihen. Sonft drohten Konflikte mit der
Krone, „die nad dem Geſetze Gottes und des Landes und nad
eigener freier Beftimmung herrſchen, nicht aber nach dem Willen
von Majoritäten” regieren könne und dürfe. Ließen die Stände,
ſtatt Männer in die Ausſchüſſe zu wählen, die vor allem Feinde
des ſchmachvollen Joches feien, das, den Namen ber Freifinnig-
teit brandmarlend, eine irreleitende Meinung ihnen auflegen
wolle, fi nad der Rolle jogenannter Volfsrepräfentanten ge:
lüften, würde er fie nie berufen haben.
Wer die Rebe, die das von ben Beften bes Volkes Gewollte
als umftürzlerii, ja gottlos bezeichnete, verftanden hatte, war
von ber Ausfichtslofigkeit weiterer Verhandlungen überzeugt und
riet zu fofortiger Heimkehr. Denn troß ber Verherrlichung
des glüdlihen England und feiner Verfaſſung als des Werkes
einer Erbweisheit ohne gleichen öffnete fie eine unüberbrüd-
232 Dritted Bud. An der Wende der Zeiten.
bare Kluft zwiſchen dem fich ſelbſt vergötternden abfoluten
Königtum und allem modernen Verfafiungsweien. Dem Ein-
fluß der politifch erfahrenen und beweglichen Nheinländer, wie
Hanfemann, Bederath und Camphaufen, die fi mit den Oft
preußen verftändigten, denen fi bie Pofener anfchloffen, war
es zu banken, daß man fehließli doch eine Verftändigung zu
verfuchen, eine Adreſſe an den König zu richten beſchloß. Ihr
Bortlaut wurde der Gegenftand heftiger Debatten, in benen
ſich eine ungeahnte Fülle von politifchen und rebnerifhen Gaben
offenbarte. Allen voran ftand der weftfälifhe Landrat Georg
dv. Binde, dem Hanfemann, Bederath und Mevifien vom Rhein,
der Oftpreuße Auerswald, ber Pommer v. Schwerin und der
Sälefier Milde fih anſchloſſen. Wie die Adreſſe ſchließlich mit
484 gegen 107 Stimmen angenommen mwurbe, ftellte fie ein
Kompromiß dar zwiſchen anfänglih unvereinbar fcheinenden
Meinungen. Sie forderte zwar nicht die Periodizität der Land⸗
tage, wahrte jedoch entſchieden den durch die Erlaffe von 1815
und 1820 gefchaffenen Rechtsboden, ſprach zugleih aber das
Vertrauen aus, bes Königs Weisheit werde eine befriedigende
Löfung zu finden wiſſen. Aber deſſen Antwort vom 22. April
lautete fchroff ablehnend und verlegte durch den ſchulmeiſternden
Ton. Beftehende Rechte zu wahren, fei allein feine Sade;
ein anderes Patent als das vom 3. Februar gebe es nicht;
es räume ben Ständen größere Rechte ein, als fein Vater ver-
beißen, und fei entwidelungsfähig. Die auf dem vorgejchriebenen
Wege ihm überreichten Anträge werbe er prüfen und genehmigen,
joweit fie nit die Rechte der Krone und die Landeswohlfahrt
ſchädigten. Aber er machte dod ein wichtiges Zugeftänbnis:
der Vereinigte Landtag ſollte alle vier Jahre berufen werben.
Durfte man danach nicht hoffen, noch mehr zu erreichen?
Denn, wie Hanſemann gemeint hatte, man konnte doch nicht
immer weiter von Gnabe und Vertrauen leben, ſondern wollte
endlich fein Recht. Als aber 142 oppofitionelle Deputierte eine
förmlihe Rechtsverwahrung einzulegen verjuchten, wurde fie
aus formellen Gründen niit angenommen. Doch konnte bie
Negierung die Erörterung ber ihr unbequemen prinzipiellen
Fragen nicht hindern. Nach langer Stille erfülte Preußen jo
IV. Berfafjungserperimente. 233
ein ſtürmiſch bewegtes politiiches Xeben, in bem bie alten
Parteiunterſchiede fih auflöften und neue Gemeinſchaften bie
fo lange wirkſamen ftändifden und landſchaftlichen Sonderungen
befeitigten. Schulter an Schulter ftritten Adlige und Bürger
für die freiheitlihe Entwidelung Preußens. Man ftaunte über
die Gewanbtheit im parlamentarifchen Kampfe, welche fie ent⸗
widelten, und in der fie weniger in ben Vertretern der Regie-
tung ebenbürtige Gegner fanden, als in ben ähnlich begabten
tapferen Vorlämpfern des altpreußiſchen abfoluten Königtums,
obenan dem Deihhauptmann Dtto v. Bismard-Schönhaufen.
So ſprach fi) der Landtag aus für feine zweijährige Berufung,
Beſeitigung ber ihn zu vertreten beftimmten Ausfhüffe, Un-
erläßlichkeit feiner Zuftimmung zur Kontrahierung von Staats:
ſchulden und zur Uebernahme von Sinsgarantien feitens bes
Staates, bie ſcharfe Beſtimmung feines Rechts bei ber Be-
fleuerung, Anerkennung feines Auffichtsrechts über die Ver—
waltung der Domänen und Regalien und Abhängigkeit aller
Verfaffungsänderungen von feiner Zuftimmung. Che ihm damit
nicht die Rechte wirklicher Reichsſtände eingeräumt feien, weigerte
er fi, irgend welde dieſen zuftehende Befugniffe auszuüben,
und lehnte daher ſowohl die beantragte Staatögarantie für
die zu errichtenden Landrentenbanken, wie bie Anleihe zum
Bau ber Oftbahn ab. Da anbererfeits der König, der bie
bereits begonnenen Arbeiten an ber Oftbahn zornig fofort ein-
äuftellen befahl, am 2. Juni erflärte, auf die fonftigen Be-
ſchluſſe nicht eher befinden zu können, als bis allen Beftim-
mungen bes Februarpatentes nachgekommen, alfo auch die Wahl
für die Ausſchuſſe und die Staatsfhulbendeputation vorgenom-
men fei, jo ſchien man an einen toten Punkt gefommen, wo
weder ein Vorwärts noch ein Ruckwärts möglih war. Doch
drang bier ſchließlich der König durch. Während alle, welche
biefen Landtag für nicht berechtigt hielten, die ihm durch das
Patent zugeſprochenen reichsſtändiſchen Funktionen zu üben,
Tonfequenterweife die eine Anerkennung bes Patents enthalten-
den Wahlen, die provinzweife gefchehen follten, hätten ver
weigern müfjen, thaten das am 25. Juni nur 58: 157 wählten
unter Vorbehalten, die Mehrheit, 284 wählten ohne ſolche und
234 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten.
ſtellten ſich Damit auf den Rechtsboden des Patents. Die erfteren
tadelte der König ſcharf, die Vorbehalte erklärte er für hin-
fälig und verfügte, daß bie Staatsfhuldendeputation und bie
ſtändiſchen Ausſchüſſe die ihnen zugeteilten Befugniſſe ausüben
follten, bis es ihm beliebe, das Patent vom 3. Februar zu
ändern. Er hielt fi für den Sieger: thatfähli war das
Verfafjungserperiment, an das er feine ganze gottbegnabete
Autorität gejegt hatte, im mefentlihen mißlungen. Dumpf
gärende Verftimmung griff im Lande um fid. Denn ohne
bie gejeglich geficherte Periobicität des Landtages blieb alles
weſen⸗ und wertlojer Schein. Selbft in gut königstreuen Kreifen
tãuſchte man ſich darüber nicht, mochte auch Kanitz in einer
Hirfularnote an bie preußifhen Gejandten den Verlauf bes
Landtages als höchft befriedigend und allen Wunſchen des
Königs entſprechend barftellen. Wie die Dinge in Wahrheit
lagen, lehrte der jubelnde Empfang, ber trog aller polizeilichen
Hinderungen dem Hauptrebner der Oppofition, Hanfemann, bei
feiner Heimkehr in Aachen bereitet wurde.
Am 17. Januar 1848 traten bie Vereinigten Ausſchüſſe
jufammen, um ben Entwurf eines neuen Strafgefeges zu be-
gutachten. Obgleih Graf Schwerin, Camphaufen und Auers-
wald unter Zufimmung von mehr als dreißig Abgeordneten
fofort erklärten, irgend eine weitere Arbeit dürfe ihnen nicht
zugemutet werben, da das ein Eingriff in die Rechte bes Land-
tages fein würde, und Gamphaufen eindrudsvoll nahwies, da
bie Regierung vergeblich den Schein zu erweden ſuche, ala ob
über die Verfafjung ein Einverftänbnis erzielt worden fei,
nahmen die Verhandlungen bei fteigenber Lebhaftigfeit doch
einen ſachlichen Verlauf, der freilich zu vielfachen Aenderungen
des außerorbentlih harten Entwurfs führte: die barbarifche
Verſchärfung der Todesſtrafe durch Handabhauen, das Auf-
ſtecken des abgehauenen Kopfes, die Prügelftrafe und die Ver—
mögenseinziehung murben verworfen. Auch die Beftimmung
fiel, die das bloße Beraten einer Nenderung der preußifchen
Verfaflung ſowie der des deutſchen Bundes mit Arbeitshaft
von einem halben bis ſechs Jahren bedrohte. Schwieriger aber
wurde die Lage, als auch ber Ausfhuß zur Kontrolle bes
IV. Berfaffungserperimente. 235
Staatshaushalts zufammentreten follte. Als Lohn der Fügiam-
feit in dieſem Punkt, womit ihm dann in allem Gehorfam
geleitet jein würde, ftellte der König die Gewährung der
Periobicität des Landtages in Ausfiht. Nachher ſchien aber
davon nicht weiter die Rebe fein zu follen. Da traf die Mel-
bung ein von ber fiegreichen Revolution in Paris. Eine un-
geheure Gärung machte fi alsbald bemerkbar, melde bie
Kunde von dem Eindrud der Parifer Ereigniffe auf Suddeutſch-
land noch fleigerte. In der Erkenntnis, dag nun das Ein-
Ienten in Fonftitutionelle Bahnen unvermeidlich fei, allein
ſchwerere Konflikte abwenden könne, erklärte der König beim
Schluß der Ausfhußfigung am 7. März, daß er den Landtag
binfort jedes vierte Jahr berufen und die Vollmacht der ihn
bisher vertretenden Ausſchuſſe entſprechend einschränken werbe.
Das Zugeftändnis kam zu fpät. Einige Monate früher
wäre es mit hellem Jubel begrüßt worden und hätte ben größten
Eindrud gemadt: jegt erichien es als ein Ausflug der Furcht
und beftimmt, die weitergehenden Forderungen abzumenben,
die alsbald laut wurden.
Viertes Bud.
Revolution und Reaktion.
1848—1858,
I. Die MWärzlage 1848.
m Februar 1848 ſchien Friedrich Wilhelm IV. mit feinen
Verfafiungsplänen am Ziel zu fein. So urteilten bedauernd
auch liberale Kreife. Dann trat ein Umfchlag ein, aber nicht,
wie man gemeint hat, duch bie ftörende Einwirkung ber dur
bie Revolution plögli in den Vordergrund gerüdten deutſchen
Frage. Den Ausfhlag gaben vielmehr auch Hier individuelle
Momente. Der König wollte immer nur ben Schein einer
Verfaffung, und auch die von ihm bereits gemachten Zugeftänd-
niſſe ſollten nicht eine wirklich Tonftitutionelle Staatsorbnung
anbahnen, fondern nur bie fie Erftrebenden beſchwichtigen und
zum Verzicht auf weitergehende Forderungen gewinnen. Das
gelang nicht, vielmehr entfrembete und erbitterte er jo bie
Eonfequenten Vorkämpfer der Sache bes Abjolutismus, die auch
er im geheimen fefthielt. Den Zeitgeift, den er verabjcheute,
gewiſſermaßen abzufinden, wollte er das Königtum von Gottes⸗
gnaben mit Eonftitutionellen Sieraten verbrämen, im Weſen aber
unverändert beibehalten. Wieber offenbart ſich hier feine innere
Unwahrheit. Ihr entiprang auch die Art, wie er, Fein Freund
mühjamer politiſcher Arbeit und ftets bereit, fie mit bem ge:
nußreicheren Sichergehen in lockenden Phantafien zu vertaufchen,
neuen Impulſen bereitwillig nachgab, fi) unbequemer Sorgen
entſchlug und über das Scheitern bes einen Entwurfs tröftete,
indem er enthufiaftifch einen anderen aufgriff. Als er jah, daß
I. Die Märztage 1848. 237
er in ber preußifchen Verfaflungsfrage fein Ziel nicht erreihen
konnte und durch die Macht der Thatſachen zu einem nicht
gewollten Ausgang gedrängt zu werden fürdten mußte, lieh
er plöglih von jenem ab, um auf ein noch viel ferneres zu⸗
ueilen. Neue Enttäufhungen, neues erbitterndes Mißlingen,
neue bemitigenbe Niederlagen konnten nicht außbleiben.
Die Unflarheit und Unfertigfeit der preußifhen Zuſtände
war boppelt bedenklich bei dem Steigen ber nationalen Er-
regung in Deutſchland. Im Norden gab die Bedrohung Schleswig»
Holfteins durch die Dänen allen nationalen Beftrebungen einen
feften Mittelpunft. Bereits im September 1846 war zugleich
mit biefer Frage auf der erfien Germaniftenverfammlung in
Frankfurt am Main die nah ber Schaffung eines deutſchen
Parlaments erörtert worden. Im Often erhob ſich das Polen-
tum feindlich gegen alles Deutſche. Als Herd gemeingefährlicher
nationaler Agitation wurde die Nepublif Krakau durch ein
Abkommen der Oſtmächte Defterreich einverleibt. Die geplante
Infurgierung des preußifchen Polen vereitelte die Wachſamkeit
ber Behörden. Die Schuldigen, obenan Mieroslawsti, mehr
Franzofe als Pole, harrten der Aburteilung durch das Kammer-
gericht, getröftet Durch die jentimentalen Sympathien bes liberalen
Bürgertums. Es war juriſtiſch anfechtbar, aber politifch richtig,
daß die Regierung das längft vorbereitete Geſetz über bie
Deffentlichleit des Strafverfahrens am 7. Juli 1846 zunächſt
für Berlin ergehen ließ und auf den Polenprogeß anmanbte,
So konnte die Verlogenheit der nationalen polnifhen Agitation
und Preußens gutes Recht in monatelangen Verhandlungen
(2. Auguft bis 17. November 1847) vor aller Welt ar gelegt
werben. Bon 251 Angellagten wurben 18 freigeſprochen,
116 gingen wegen mangelnden Beweifes leer aus, gegen 109
wurde auf Zuchthaus und Feſtung, gegen 8 auf den Tob
erkannt.
Derjelbe König aber, in deſſen Namen bier die Staates
autorität ausländiſchem Verf hwörertum gegenüber fo energiſch
wahrgenommen wurbe, trat ihr anderwärts aus politifhen und
kirchlichen Vorurteilen jelbft entgegen. In dem die Schweiz
zerreißenden Vürgerfriege waren feine Sympathien bei bem
238 Viertes Buch. Revolution und Reaktion.
reaftionären und ultramontanen Sonderbunde. In feinem
Intereſſe wollte er Neuenburg, das feit 1815 wieder durch
Berfonalunion mit Preußen verbunden, zugleich aber Kanton
der Eidgenoffenichaft war, als neutral anerkannt fehen, anberen-
falls zu den Waffen greifen. Nach ihrem Siege aber, den man
in Berlin wie eine Nieverlage empfand, ignorierte die Eid-
genoſſenſchaft ſolche Anſpruche einfach, zumal Radowitz, Preußens
Geſandter in Karlsruhe und Militärbevollmächtigter in Frank—
furt, ſich, wie es ſcheint, mit den jeſuitiſchen Leitern des
Sonderbundes ziemlich tief eingelaſſen hatte. Neuenburg zahlte
ruhig die ihm wegen Unterlaſſung der ſchuldigen Hilfe von der
Eidgenoſſenſchaft auferlegte Buße. Auch daß ein Handſtreich
die auf Löſung von Preußen hinarbeitende radikale Partei ans
Nuder brachte, mußte der König ruhig Hinnehmen, da ihn
Metternih im Stich ließ und fein Werben bei dem von ihm
nun plöglih als Hort der europäiſchen Ordnung gepriefenen
Louis Philipp vergeblich blieb. "
Aber auch wo es beredhtigte preußifche Interefien zu ver-
treten galt, verfagte feine Politik. Vertrauensſelig hatte fie
Krakau Defterreich überantwortet, ehe eine von ben Bedingungen
erfüllt war, die fie zur Sicherung namentlich des fhlefifhen
Handels geftellt hatte. Nachher mahnte fie vergeblih darum.
Die Einfügung Krafaus in das öſterreichiſche Mautfyftem kam
für Schlefien einer Handelsſperre ziemlich glei. Dem Wiener
Kabinett wirklich ernft entgegenzutreten, Tonnte man fi in
Berlin jedoch nicht entſchließen, um nicht vor ber Welt bie
Erſchutterung einer Freundſchaft einzugeftehen, bie man für
den Frieden Europas und zum Schuß gegen bie Revolution
für unentbehrlich hielt. Als man dann aber endlich doch un=
geduldig wurde, wandte Metternich zur Beſchwichtigung einen
geihidt auf des Königs Eigenart berechneten Kunſtgriff an,
indem er im März 1847 eine deutſch-öſterreichiſche Kanbela-
vereinigung vorſchlug, die auch bie Krakauer Frage erledigen
follte, natürlich aber von ihm weder ernftlich betrieben, noch
auch nur beabiitigt wurde. Die Sache geriet in Stilftand,
fobald Preußen in der Hoffnung auf größeren Gewinn feine
bisherigen Forderungen fallen ließ, und wurde auch in Berlin
1. Die Märztage 1848. 239
bald über den Sorgen vergefien, die ber Vereinigte Landtag
mit ſich brachte.
Inzwiſchen war die Frage nad) der Neugeftaltung Deutſch-
lands in dem von friſchem politiſchen Leben erfüllten Süben
nahbrüdli aufgenommen. Im Mittelpunkt ftand der Ge-
danfe eines deutſchen Parlamente. Daß da ohne Preußen
nichts gelingen konnte, war Mar. Konnte biefes aber erfolg-
reich mitwirken, folange es felbft einer Ronftitution entbehrte?
Daß er von einer folden nichts willen wollte, hatte der König
dem Vereinigten Landtage gegenüber unzweideutig zu erkennen
gegeben. Vielleicht aber Eonnte er der aller Denken erfüllenden
deutſchen Frage eine Wendung geben, welche die Leitung der
Bewegung an die Regierungen brachte und durch fehnelle Be-
friebigung ber bringendften Forderungen die weitergehenben
beſchwichtigte und fo wirklich prinzipielle Zugeftänbniffe ab-
wandte. Ein folder Erfolg konnte auch auf die Entwidelung
Preußens günftig einwirken, indem er des Königs Autorität
dem eigenen Volke gegenüber fleigerte. Hierin wurzelte Radowitz
Programm. Danach jollte der König, was er durch das Miß-
lingen feiner Pläne in Preußen verloren hatte, in und durch
Deutſchland wieder gewinnen. Denn mehr als ein anderer
Regent bebürfe er bes Vertrauens, der Sympathie, ja ber
Begeifterung feines Volles. Sie zu gewinnen, müſſe er fi
mit dem befjeren Geifte der Nation verbinden und fi zum
Vorkämpfer ihrer teuetiten Güter und Wünfche aufmerfen.
Es follte alfo die beim preußifchen Volke erzeugte Verftimmung
wett gemacht werben buch bei dem deutſchen erwedte Be-
geifterung. Als ob diefe denſelben Idealen gegolten hätte wie
bie des Könige! Es galt, das Volk mit fi fortzureißen,
damit es nicht den von ihm gewollten, fondern ben vom König
vorgejchriebenen Weg gehe!
Sm einer „Denkſchrift über die vom Deutſchen Bunde zu
ergreifenden Maßregeln“ legte Radowitz bie Einzelheiten diejes
gewagten Planes am 20. November 1847 dem König vor.
Eine Fülle der Gaben ſchüttete der phantafiereihe Mann dem
deutſchen Volke in ben Schoß — ein Bundesgericht, gemein-
ſchaftliches Straf, Handels, Wechſel- und Heimatrecht, Frei-
240 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
zügigfeit, Einheit von Münze, Maß und Gewicht, des Poft:
und Eifenbahnwejens und anderes mehr, während er Preußens
verheißungsvollſte Schöpfung, den Zollverein, dem Bundestag
unterordnen, bie Forderung nad) Teilnahme des Volkes an den
Bundesgeſchäften aber realifieren wollte durch Zuziehung von
Sachverſtändigen aus allen Teilen Deutſchlands zu ben Arbeiten
der Bunbestagafommiffionen, welde bie Ausführung der Re—
formen vorbereiten folten. Diefe wollte er, wenn nötig,
ohne und gegen Defterreih durchſetzen und gegen Klein: und
mittelftaatlihe Oppofition fihern dur Bildung von Sonder⸗
vereinen — ein dem König unfaßbarer Gedanke. Dagegen
meinten beide, Preußens Verhältnis zu ben Bundesſtaaten und
zur Zufunft Deutſchlands fei vor allem abhängig von ber
Geftaltung des Verhältniſſes zwiſchen Krone und Ständen in
Preußen ſelbſt: der Brechung ber Königsmacht werde der Um-
ſturz der Bundesverfaſſung folgen, fo daß der Bund um feiner
ſelbſt willen jene gegen die Eonftitutionelen Sumutungen ihrer
Stände fügen, alfo dur Annahme der Reformvorſchläge ihre
moralifhe Autorität ſtärken müſſe.
Der König war am wenigften fähig, den Trugſchluß zu
erfennen, auf dem ber fünftlide Bau der Radowitzſchen Politik
beruhte. Ein übriges zu ihrem Mißlingen that die Langfam-
keit des Handelns. Im November 1847 ging Radowig zwar
nad Wien, aber nicht um fein Programm durchzuſetzen, fondern
um eine internationale Vermittelung in dem Schweizer Bürger-
triege zu betreiben. Man Eonnte es in Berlin nicht über das
Herz bringen, Oeſterreichs augenblidliche Verlegenheit zur Er-
jwingung von Zugeftändnifien in Deutjchland zu benugen,
Was an Radowitz' Plan weſentlich war, ber Gebante,
die Leitung der nicht mehr aufzuhaltenden deutfchen Bes
wegung ben Regierungen zu fihern, war damit aufgegeben,
und es geſchah eben das, was er hatte vermeiden wollen.
Indem die zweite babifche Kammer im Februar 1848 die Er-
richtung einer Vertretung der deutſchen Ständelammern beim
Bundestage anregte, gab fie die Parole aus, die man von
Preußen erwartet hatte. Nun von der Bewegung, bie er hatte
führen wollen, bedroht, dachte Friedrich Wilhelm auf Abwehr
I. Die Märztage 1848. 241
und trat damit in einen Gegenfag zu der eben vorbereiteten
Wendung. Die revolutionären Erhebungen in Sizilien, Sar-
dinien und Toskana beftärkten ihn barin und gaben feinem
Streben nad) Bundesreform einen entſchieden antitonfiitutionellen
Charakter. Am 21. Februar wies er feinen Gefandten an, in
Bien den Erlaß einer gemeinfamen Aufforderung an ſämtliche
Mitglieder des Deutſchen Bundes vorzuſchlagen zur Verein-
barung gegenfeitiger Hilfe zum Zmwed der Aufrediterhaltung
ber öffentlichen Ordnung, wobei fämtlihe Bunbesregierungen
fi verpflichten follten, fi Feine die zu Recht beftehenben
Verfafjungen verlegenden Konzeffionen abbringen zu laſſen.
Am 22. Februar wurden die Minifter angewieſen, die dur
das Radowitzſche Reformprogramm bedingten Aenderungen ber
geltenden Gejege vorzubereiten. Der König meinte auf dem
Boden einer ausgefprohen antifonftitutionellen Politik bie
Bundesreform durchführen und das deutſche Volk zu bes
geiftertem Anſchluß gewinnen zu können, um fo die in Preußen
entftandenen Schwierigkeiten zu löſen.
In Wien gefiel der Gedanke an einen ſolchen deutſchen
Fürftenbund: ehe man jedoh an die Ausführung ging, war
er durch die Ereigniſſe überholt. Am 27. Februar Fam bie
Nachricht vom Sturz Louis Philipps und der Verkündigung
der Republif in Paris. Am 28. hielt der König einen Krons
rat. Enger Zufammenfhluß der Regierungen ſchien ihm nun
vollends geboten. Vor allem aber wollte er die gefährliche und
verhängnisvolle Waffe der deutjchen Nationalität ben deutſchen
Demagogen entreißen. So formulierte er bie Aufgabe gegen-
über feinem um bie Ruhe in Deutſchland ſchwer beforgten ruf-
ſiſchen Schwager, als er am 2. März Rabowig mit feinem
Neformprogramm nah Wien ſchickte. Unter dem Drud ber
Lage war es bort bereit? am 10. März angenommen. Am
15. einigte man fi über die in Wien und Berlin zu ver-
öffentlihende Erklärung und bie Berufung eines Fürftenkon-
grefies nach Dresden auf den 25. März, um den wohlbegrün-
beten nationalen Entwürfen zu entſprechen.
Mitte März war man da angelangt, wo man vier Monate
früher hätte fein können, und daher wieder von den Greignifen
Prus, Preußiſche Geſchichte. IV.
242 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
überholt. Während der König, ohne Verftändnis für die im
Süden fiegreihe nationale Bewegung, ein Großes zu thun
wähnte, indem er ben Vereinigten Ausſchüſſen bei ihrer Ent«
laflung die Zufage ber regelmäßigen Berufung des Vereinigten
Landtages mit auf den Weg gab (S. 235), hatte jein Gefandter
am Bunbestage, Graf Dönhoff, die Führung der nationalen
und Eonftitutionellen Sade übernommen, weil wenn je, fo
jest Preußen fi) unter allgemeinem Beifall der Leitung Deutſch⸗
lands bemächtigen und eine kraftvolle Reformpolitif durch⸗
führen könne. Als Vertreter des abweſenden Präfidialgefandten
veranlaßte Dönhoff am 29. Februar die Einfegung eines Aus—
ſchuſſes, um über die Lage des Bundes zu berichten und Vor-
ſchläge zu ihrer Beſſerung zu maden, und am 1. März die
Veröffentlihung einer von ihm verfaßten Anſprache an bie
Nation, die alle um das Wohl des Vaterlandes beforgten
Deutſchen zur Wahrung der Eintracht und der gefeglihen Ord⸗
nung einlud, da der Bundestag wie für Deutſchlands Sicherheit
nad außen auch für die Förderung feines nationalen Lebens
im Innern forgen wolle. Ohne rechtzeitige Leitung fürchtete
er Sübbeutfhland der Republik verfallen zu fehen: nur durch
das konſtitutionelle Syftem, meinte er, könne das verhindert
werden. Ein deutſches Parlament freilich, wie es in jenen Tagen
(5. März) die in Heidelberg verfammelten füb- und weſtdeutſchen
Abgeordneten forderten, plante er nicht, fondern nur eine
Nationalvertretung beim Bunde, wie fie am 9. März Baden
in Frankfurt beantragte. Bon dem Fürftentage erwartete er
eine Verſchärfung der Gegenfäge, von Preußens offener Feind-
ſchaft gegen bie Tonftitutionelle Richtung aber ben völligen
Bruch.
Die Entſcheidung lag alſo in Berlin. Das hatte Bobdel-
ſchwingh längft erfannt, und es war nicht feine Schuld, wenn
fie nicht ſchon in der gebotenen Richtung erfolgt war. Bon
der Notwenbigleit einer Verfaſſung für Preußen war er durch⸗
drungen. Seit dem Vereinigten Landtag eigentlid Premier:
minifter, fuchte er au den König davon zu überzeugen. Aber
trog alles Bemühens würde er kaum durchgedrungen fein,
wären ihm nicht die Parifer Ereigniffe zu Hilfe gefommen.
1. Die Märztage 1848. 243
Sie gewannen ihm in Preußen jelbft zahlreiche Bundesgenoflen.
Wie leicht bisher felbft die vorgejchritteneren Liberalen zu
befriedigen gewejen wären, lehrte die Adreſſe der Oſtpreußen
vom 7. März, in ber dem Dank für bie Bewilligung der
Periodizität des Landtages nur die Bitte um feine möglichft
baldige Berufung beigefügt war. Dagegen verlangten Adreſſen
aus Köln, Elberfeld, Wefel, Dortmund, Trier und anderen Orten
bereits eine nad) einem neuen Wahlgefeg zu wählende Volke—
vertretung mit entſcheidendem Stimmrecht. Auch ber an ben
Heidelberger Verhandlungen beteiligte Aachener Daniel Hanſe⸗
mann (S. 234) riet Bodelſchwingh, den Zufammentritt des
Landtages zu befchleunigen und die ihm zur feiten Begründung
politiſcher, bürgerlicher und kirchlicher Freiheit vorzulegenden
Gefege rechtzeitig durch eine Rommiffion vorbereiten zu laflen.
Auch empfahl er die Berufung von Deputierten der beutjchen
Bundesſtaaten nach Frankfurt zu bewirken, um mit ben deutſchen
Fürften die Reform des Bundes einzuleiten. Sicherlih waren
& demnach nicht dieſe rheinländifhen Kreife, von denen
damals die Rede gehen und geglaubt werben konnte, fie
hätten Anſchluß an Defterreich geplant und bei erfter Ge—
legenheit abfallen wollen, um Erzherzog Johann an ihre Spige
zu ftellen.
In Berlin herrſchte bereits bebenklihe Erregung. Seit
dem 6. März wurden Bolfsverfammlungen in ben Selten
Mode, einem dem Tiergarten benachbarten Gartenlofal vor
dem Brandenburger Thor. Schon wurden weitergehende For
derungen laut. In einer Adrefie wollte man Preß- und Rede-
freiheit, die Berufung bes Vereinigten Landtages und eines
deutſchen Parlaments vom König erbitten. Da ihre Annahme
nit zu erwarten ftand, ſchwoll die Maſſe der Teilnehmer
immer mächtiger an. Bereits am 9. März wurden militärifche
Vorfihtsmaßregeln nötig. Sie verfiimmten und reisten. Am
9. berieten au die Stabtverorbneten unter gemaltigem Zu—
lauf eine Adreſſe an den König, die Maßregeln für bie
arbeitenden Klaſſen und die Bildung bürgerliher Schutzwachen
erbat. Am 11. wurbe fie beſchloſſen. Das Hervortreten der
Arbeiterbevölterung zeigte die Verſchlimmerung der Lage. Das
244 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
dadurch vollends gebotene vertrauensvolle Zufammengehen von
Regierung und Bürgertum hätte ſich von felbft ergeben, wäre
die Entſcheidung, die jegt an leitender Stelle fiel, fofort
kundgethan und geſchidt benugt worden. Aber auch das ge
ſchah nicht.
In jenen Tagen überzeugte fih ber König, daß feine
deutfchen Pläne ohne eine Verfaffung in Preußen unmöglich
feien. Nicht das Intereffe Preußens, die Rüdficht auf Deutich-
land gab darin bei ihm ben Ausſchlag. In ber beutichen
Frage wollte er die preußiſche löfen und meinte dabei gegen-
über den revolutionären Staaten und der freien Preffe fih
nur mittels einer Verfafjung halten zu fünnen. So ging er
endlich — am 8. oder 9. März — auf Bodelſchwinghs Wünſche
ein. Eine Prollamation „An mein Bolt“, beihloß er am
11., ſollte all die in legter Zeit eingegangenen Adreſſen und
Petitionen beantworten. Auch eine Anſprache an das deutſche
Volk follte vorbereitet werden. Am 12. wurde die Berufung
bes Allgemeinen Landtages beſchloſſen, um eine Verfaſſung zu
beraten, welde die Gefeßgebungsgewalt und das Befteuerungs-
recht zwiſchen König und Volk teilen, die Vollziehungsgewalt
aber dem König überlafien folte, um fie durch ein der Krone
und den Ständen verantwortlies Minifterium auszuüben.
Zur Abwehr der revolutionären Erhebung in Süd: und Mittel-
deutſchland ſollte bei Kreuznach und in Thüringen je ein
Armeecorps aufgeftellt werden, angeſichts der Spannung mit
Frankreich aber am Rhein der Prinz von Preußen das Kom⸗
manbo übernehmen.
Aber ehe am 14. März das Patent über die Einberufung
des Landtages auf den 27. April erſchien, hatte ih die Lage
wieber verfhlimmert. Eine neue tumultuierende Volfaver-
fammlung in ben Selten führte am 13. zu mehrfachen blutigen
Yufammenftößen, deren Opfer nit gerade bie Schuldigen
waren. Denn ſchon verriet das planmäßigere Vorgehen ber
Maflen eine geheime Leitung, wohl durch Fremde, die im
Intereſſe der internationalen Revolutionspartei Preußen durch
einen Aufruhr in der Hauptſtadt an jeder Aktion nad außen
hindern wollten. Unter der Hand erhielt die Regierung Runde
1. Die Märztage 1848. 245
von deren Plänen und konnte jo wenigftens das bereits am
Nachmittag des 15. von einem Pöbeleinbruch bedrohte Schloß
noch rechtzeitig fügen. Am Gebrauh der Waffen hinderte
der Gouverneur General v. Pfuel die Truppen. Die in ber
Nachbarſchaft errichteten Barrikaden zu jäubern, genügten einige
Schuſſe.
Die Stimmung war alſo bereits fieberhaft erregt, als
am 16. März der Sieg der Revolution in Wien bekannt wurde.
Die Unbändigkeit der Menge wuchs. Sie im Zaum zu halten,
mußte ſchließlich Militär aufgeboten werden. Da das nicht
ohne Blutvergießen abging, ſtieg die Erbitterung gegen die
Truppen. Noch aber waren alle Beſonnenen und Gemäßigten
zu gewinnen durch ein offenes Wort, das jeden Zweifel an
der Ehrlichkeit der Abſichten des Königs ausſchloß und kräftiges
Handeln verbürgte, wenn zu Trägern bes neuen Syſtems Männer
berufen wurden, bie das Vertrauen bes Volkes befaßen. Auch
das erkannte Bodelſchwingh. Schon am 12. Hatte er dem
König erklärt, die neue Bahn, die Preußen jetzt gehen müſſe,
wenn es ſich ſelbſt erhalten und Deutihland zum Stügpunft
werben folle, brauche friihe, auf anderen Wegen noch nicht
abgenugte Kräfte. Zur Durchführung des konſtitutionellen
Prinzips, deſſen Anerkennung er mit Hilfe der Ereignifie dem
König abgerungen hatte, meinte er in ben Augen bes Volles
nicht der rechte Mann zu fein: fie müfle in eine Hand gelegt
werben, welche bie öffentliche Meinung in diefem Punkte nicht
gegen fi habe. Am 17. erbat er daher förmlich feine Ent-
laſſung. Gleichzeitig aber erfuhr die Regierung, das am 15.
wie zur Probe im Meinen Verſuchte jolle am 18. im großen
und ernftlih ausgeführt, mittels einer Mafjendeputation an
den König das Schloß genommen und bie Erfüllung aller For-
derungen erzwungen werben. Die Revolution follte beginnen.
Was vernünftigerweife gefordert werben konnte, war ber
König ja bereits entfchloffen, zu bemilligen. Durch fofortige
Belanntgebung dieſer Thatſache wollte Bodelſchwingh die Krone
vor dem Schein eines auf fie ausgeübten Zwanges fügen:
vielleicht war der drohende Sturm jo abzuwenden. Dem ftimmte
ein nächtlicher Minifterrat bei. Sofort entwarf Bodelſchwingh
246 Biertes Bud. Revolution und Reaktion.
das Patent, nad) bem ber Landtag bereits am 2. April zus
jammentreten follte zur Beratung über die preußifche Ver—
fafjung, da die geplante Bundesrepräfentation aus ben Ständen
aller deutſchen Länder in allen deutſchen Staaten KRonftitutionen
notwendig made. Deutſchland verhieß es eine bundesſtaatliche
DOrganifation, eine Wehrverfaffung nach preußiſchem Mufter,
dann Flotte, Bundesgericht, Aufhebung aller Zollſchranken und
Vreßfreiheit, die für Preußen ein Gefeh vom 17. März fofort
einführte. Durch Gegenzeihnung diefes Patents folten nad
Bodelſchwinghs Abſicht die neuen Minifter fih dem Volke em«
pfehlen. Nur waren noch feine zur Stelle. Der frühere Finanz:
minifter v. Alvensleben (S. 164) Iehnte den Auftrag zur Bil-
dung eines Minifteriums ab. Graf Arnim-Boigenburg (©. 226)
erbat ſich Bedenkzeit. So geſchah, da Gefahr im Verzuge war,
eben das, mas Bodelſchwingh hatte vermeiden wollen: am
18, früh erſchien das Patent mit den Unterfchriften der alten
Minifter, obenan des Prinzen von Preußen.
Sein Belanntwerden fetzte die Stadt in freudige Be:
wegung. Deputationen, obenan eine rheiniſche unter des Ober:
präfidenten Eihmann Führung, melde die befannten for:
derungen vorzutragen gefhikt waren, hatten bem König nun
für die bereits erfolgte Gewährung zu banken. Bei Herrlidem
Better ſtrömte alles nach dem Schloßplag, den eine wogende
Menge erfülte, während bürgerlide Schutzmannſchaften das
Schloß abfperrten, in deſſen Höfen und Portalen Truppen
bereit ftanden. Allmählich änderte fih das anfangs friedliche
Bild. Hier und da wurden Zweifel laut an der Chrlichfeit
der Regierung. Jedenfalls, meinten andere, fei ben Proletariern
damit nicht geholfen. Nach Mittag begann, von unfichtbarer
Hand geleitet, ein Drängen gegen die Schloßportale. Man
forderte den Abzug der dort ftehenden Truppen. Dabei erhigte
die Menge fih ſchnell. Im Einverftändnis mit ihr wichen
die bürgerlihen Schutzmannſchaften zurüd. Volksredner traten
auf. Bodelſchwingh, der Ruhe ftiften wollte, ſah fich bebroht.
Schon drang das Tofen der Maſſe bis in die Gemächer des
Schloſſes. Man mußte auf defien Sicherung denken. General
v. Pfuel war nicht zur Stelle. So befahl der König gegen
I. Die Märztage 1848. 247
zwei Uhr dem kommandierenden General des Garbecorps,
Generalleutnant v. Prittwig, den Schloßplag zu fäubern. Im
Schritt und ohne das Gewehr aufnehmen zu lafien, führte
biefer felbft eine Schwadron Garbebragoner über den Luftgarten
und die Schloßfreiheit nad dem Plag, geriet mit ihr aber
durch das Volk ins Gebränge und wurde felbft umringt. Da
tam aus ben anderen Schloßportalen unter Trommelwirbel
Infanterie. Gewehr auf Schulter, drängte fie bie Menge nad
der Rurfürftenbrüde. Gegen dieſe ging, um den Pla vollends
zu fäubern, ein Zug von ber Breitenfiraße her ſchußfertig vor.
Aus ihm fielen zwei unſchädliche Schüffe, der eine, indem ein
Stochſchlag aus der Menge das Zündhütchen auf dem Gewehr
eines Unteroffiziers traf, der andere durch die Ungeſchidlichkeit
eines Gemeinen.
Schon bei früheren Tumulten hatten bie Truppen die
Waffen gebraucht. Auch jest wi die Menge zurüd. Nur
waren ihre geheimen Leiter, mögen es nun polnifche oder inter-
nationale Emiſſäre geweſen fein, jegt fo weit gerüftet, daß
fie den willkommenen Zwiſchenfall benugen Eonnten. Für den
Fall des Gelingens follen fie auch ſchon eine proviforifche
Regierung in Bereitſchaft gehabt haben. Man ſchrie Verrat,
that, als hätten die Truppen die durch die Proflamation in
Sicherheit gewiegte Bürgerihaft meuchleriſch überfallen. Die
Züge fand Glauben. Nach Race rufend, eilten Arbeiter, Bürger,
Studenten zu den Waffen. An offenbar zum voraus befiimmten
Plägen erhoben fi Barrikaden und fperrten die Stabt vom
Schloß ab. Dennoch rang man nur mit Mühe dem König
um vier Uhr den Befehl zum Angriff ab. Seinem Traum
von ber Treue der Berliner, in dem er fi trog ber legten
Ereigniſſe gewiegt hatte, folgte ein furchtbares Erwachen. Für
das Gefeht in Straßen und Häufern ungefchult, waren die
Truppen anfangs im Nachteil. Allmählich kamen fie vorwärts.
Gegen Abend trat eine Paufe ein: auf Bitten bes Biſchofs
Neander, der vermitteln zu können hoffte, gebot ber König
Halt. Es war für die Offiziere nicht leicht, dem Befehl Ge:
horſam zu ſchaffen. Befonders bemühte fi darum der Prinz
von Preußen. Den eben durch Radowiz brieflich angeregten
248 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
Gedanken, der König jollte mit den Truppen, etwa 14 000 Mann,
die Stadt räumen und draußen Stellung nehmen, ließ man
wieber fallen. Um neun Uhr wurde der Kampf aufgenommen.
Bald waren die Truppen, obgleich fie viel Verwundete hatten,
überall im Vorbringen. Erft um Mitternacht hielten fie ein.
Im Schloſſe fpielten inzwifchen unbeſchreibliche Scenen.
Hofleute, Militärs, Beamte, Deputationen drängten ſich durch⸗
einander, auch ungerufen zu Rat und Hilfe Herbeieilende:
wie in einer Wachtſtube oder auf der Börfe ging e8 zu. Der
König war faffungslos. Bald meinte und Elagte er, bald brütete
er apathiſch vor fi Hin. Dem Heulen der Sturmgloden, dem
Donner der Kanonen, dem Knattern ber Gewehre hielten feine
Nerven nicht ftand. Da erſchien, von Bodelſchwingh berufen,
der weftfälifhe Landrat v. Vinde, der beredte Führer der Oppo-
fition auf dem Xereinigten Landtage (©. 232). Eben an-
gelommen, wollte er auf dem Wege zum Schloſſe die Truppen
in trauriger Verfaffung, die Burgerſchaft zum äußerften ent»
ſchloſſen gefunden Haben: er riet, fie durch Zurüdziehung ber
Truppen zu beſchwichtigen. Generale fanden das lächerlich.
Aber Vindes Antwort, morgen würden die Herren nicht mehr
laden, ging anders in Erfüllung, als er dachte. Um Mitter⸗
nacht berichtete Prittwig über die Lage. Er war ſicher, das
bisher gewonnene Gebiet zu behaupten, im Notfall etliche Tage.
Auch blieb immer der Ruckzug aus der Stadt und deren Ber
lagerung. Eine beftimmte Weifung erhielt er nit. So dachte
er am anderen Morgen den Angriff zu erneuern und ben Sieg
zu vollenden.
Auf den König aber hatte Vindes Rebe Eindrud gemadt,
befonders die von ihm aufgeworfene Frage, was werben follte,
wenn das Volk fiegte? Er begriff nicht, wie bie Berliner,
bie er fo zärtlich zu lieben behauptete, gegen ihn fechten könnten.
Da mußte ein unfeliger Irrtum obwalten, den aufzuklären
genügen werde, um alles ins Gleiche zu bringen. Aus dieſen
Gedanken heraus entwarf er alsbald einen Aufruf „An meine
lieben Berliner”. Einem furzen, feine furchtbare Erregung
wieberfpiegelnden Bericht über die legten Ereignifle folgte ein
berebter Appell an die Einwohner feiner geliebten Vaterſtadt.
1. Die Märztage 1848. 249
Er beſchwor fie, zum Frieden zurüdzufehren und die Barrikaden
zu befeitigen: dann follten bei feinem föniglihen Wort bie
Straßen und Pläge von den Truppen geräumt und nur das
Schloß, das Zeughaus und einige andere Gebäude noch furze
Zeit bejegt gehalten werben. „Hört,“ fo ſchloß er, „Die Stimme
Eures Königs und vergefiet das Geſchehene, wie ich es ver-
geſſen will und werbe in meinem Herzen, um ber großen Zur
kunft willen, die unter dem Friedensfegen Gottes für Preußen
und duch Preußen für Deutfhland anbreden wird.” Vom
militärifhen Standpunkt ſchien gegen die Proflamation wenig
einzuwenden, da fie den Rüdzug ber Truppen davon abhängig
machte, daß die Barrifaden befeitigt würden. Auch das war
korrekt, daß der König den Entwurf an Bodelſchwingh fandte
und ihm vor ber Publikation jede Aenderung daran freigab.
Der Minifter ließ ihn einfach abdruden und am nähften Morgen
befannt machen. Bei den Militärs erregte der Aufruf ernfte
Bedenken: gewiſſe Punkte, erklärten diefe, müßten von ben
Truppen gehalten, diefe Überhaupt um das Schloß Fonzentriert
werben, während eine bereits früh acht Uhr erfchienene Bürger:
beputation unter dem Oberbürgermeifter Krausnid die Erſetzung
der Truppen durch bewaffnete Bürger forderte. Ueber dieſe
Frage gerieten bei einem vom König gehaltenen engeren Rat
Bodelſchwingh und fein befignierter Nachfolger Arnim-Boigen-
burg heftig aneinander, da Arnim die Truppen fofort, Bodel⸗
ſchwingh erft nad Entfernung der Barriladen zurüdziehen
wollte. Schlieglih wurde die Deputation im legteren Sinn
beſchieden und angewiefen, demgemäß auf ihre Mitbürger ein-
zuwirken. Jedenfalls befierte dieſe Unentſchiedenheit die Stellung
der Truppen nit.
Bald danach aber erſchien unter Führung des Bürger-
meifters Naunyn eine neue Deputation. Sie meldete, in ber
Königaftabt jeien bereits drei Barrifaden abgetragen, und fors
derte als Gegenleiftung die Zurüdziehung der Truppen. Der
Prinz von Preußen wollte zunächſt die Richtigkeit jener An⸗
gabe feftftellen laſſen — fie war thatfächlich unbegründet. Aber
froh über das vermeintlihe Entgegenommmen feiner lieben
Berliner bielt der König das nicht für nötig. Er zog fi mit
250 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
Bodelſchwingh und Arnim in fein Kabinett zurüd. Was dort
in der nächften Viertelftunde geſchehen ift, wiſſen wir nicht.
Jedenfalls wurde ber bisher eingenommene Standpunkt aufs
gegeben. Heraustretend teilte Bodelſchwingh den Verſam⸗
melten als Willen des Königs mit, es follten, da mit ber
Wegräumung der Barrifaden begonnen und das Ende aller
Widerfeglichleit zu erwarten fei, die Truppen die Straßen und
Pläge räumen und nur das Schloß, das Zeughaus und andere
Öffentliche Gebäude ſtark bejegt halten. Das hieß, mie bie
Dinge lagen, freilich den fiegreihen Truppen die Schmad des
Nüdzuges vor den fo gut wie niebergeworfenen Rebellen aufs
erlegen, entſprach auch nit dem Wortlaut der Proflamation.
Außer fi warf der Prinz von Preußen feinen Degen auf den
Tiſch: er könne ihm nicht mehr mit Ehren tragen. Mit ihm
erklärte Prittwig die Ausführung des Befehls für militäriſch
unmöglih: fo verzettelt und ohne Verbindung miteinander
feien die Truppen verloren; dann müfle er fie fhon in ihre
Quartiere abrüden laſſen. Diefe Einwände fertigte Bobel-
ſchwingh, froh, der fo lange getragenen minifteriellen Bürde
endlich entlebigt zu werden, mit dem Rufe ab, an des Königs
Worten dürfe nicht gebreht und gedeutelt werben. Ja, über
feine Amtabefugnifle Hinausgreifend, forderte er die anweſenden
Dffigiere auf, fhleunigft den Befehl den Truppen zu über
bringen.
Wurde er befolgt, fo war ber König nad) einer fiegreichen
Straßenſchlacht wehrlos der Revolution überantwortet. Des:
halb änderte Prittwig den Befehl auf eigene Verantwortung:
nur die vorgeſchobenen Poſten ſollten die Truppen zurüdnehmen,
fonft ihre Stellungen behaupten, bis die Barrifaden wirklich
befeitigt wären. Dann eilte er mit dem Prinzen von Preußen
zum König, der mit Arnim die Zufammenjegung des neuen
Minifteriums beriet. Außer fi, das Gefiht mit den Händen
dedend, erklärte diefer, den Befehl zum Rüchzug nicht gegeben,
fondern an dem in ber Proffamation getroffenen Abkommen
feftgehalten zu haben. Nun war es zu fpät. Auf jene erregte
Weiſung Bodelſchwinghs Hin waren die Offiziere zu den Truppen
geeilt, und diefe hatten mit Elingendem Spiel, gefolgt von der
I. Die Märztage 1848. 251
ob diefer unerwarteten Wendung jubelnden Menge, den Rüd-
zug angetreten, auf bes Prinzen von Preußen und Prittwig’
Anordnung zunähft nad dem Schloffe. Ihres Bleibens war
dort freilich nicht. Sie konnten dort weder verpflegt, noch
bei ihrer erbitterten Stimmung von Zufammenftößen mit der
Menge abgehalten werden. Gegen zwölf ließ Prittwig fie
daher in ihre Kafernen und Quartiere abrüden. Nur im
Schloß blieben fieben und im Zeughaus eine Compagnie zurüd.
Vielfah wurden die Abziehenden verhöhnt, mußten die Mufit
einftellen und wurden gedrängt und geflogen. Aber auch biefe
harte Probe beftanden fie mit tadellofer Mannszucht. Diefe
zu erhalten ließ fi} aber bei der erzwungenen Unthätigfeit
inmitten ber Verführungen der Hauptftabt nicht hoffen. Des-
halb ftellte Prittwig den Regimentskommandeuren frei, unter
Umftänden ihre Truppen auf eigene Verantwortung aus Berlin
zu führen. Infolgedeſſen war diefes am Morgen des 21. jo
gut wie entblößt von folden. Die Revolution war janktioniert.
Jetzt kam der König auf den Plan ber Flucht aus Berlin
zurüd. Sie wurde befhloffen. Schon fand im Schloßhof ein
unſcheinbarer Wagen am Fuß der zu den Tönigliden Ge—
mädjern führenden Wendeltreppe bereit, als durch die Menge,
die nun wieder freudig bewegt den Schloßplag erfüllte, eine
Schar bedenklicher Erſcheinungen fi) Bahn brad, in der Mitte
ein Möbelmagen mit Leihen von Barrikadenkämpfern. Auf
Andringen des Polizeipräfidenten v. Minutoli, dem Arnim und
der für das Kultusminiflerium befignierte Graf Schwerin:
Putzar zuflimmten, trat das Königspaar auf ben Balkon, um
den Volkshelden eine öffentliche Anerkennung zu geben. Schmäh:
reben tönten ihm von unten entgegen. „Die Müge ab!“ rief
man dem Könige zu, und er entblößte fein Haupt. Eben wollte
er dann zum Wagen Hinabfteigen, als gemeldet wurde, von
der anderen Seite, den Linden und über den Lufigarten her
nahe ein ähnlicher Kondukt, ein leichengefülter Möbelmagen
von einer tobenden Menge begleitet. Da man die Zu: und
Durchgänge freigegeben und bie im Schloß gebliebenen Sol:
daten in die Treppenhäufer und Korridore zurüdgezogen hatte,
fand derjelbe bald im Schloßhof, auf der Wendeltreppe und
252 Viertes Bud. Revolution und Reattion.
am Eingange der königlichen Gemächer. Da erft hielt man
die Eindringlinge auf, denen wohlorganifiert von verſchiedenen
Seiten ähnliche Leichenzüge gefolgt waren. Schauerliher und
demütigender wiederholte fi) die Scene, die eben auf dem
Ballon nah dem Schloßplag Hin geipielt hatte. König und
Königin mußten auf die in den Hof führende Galerie treten
und inmitten ber bebenden Hofgefellihaft barhäuptig die Leichen
der Freiheitsfämpfer grüßen, die unter den Klängen bes
Chorals „Zeus meine Zuverſicht“ vorbeigeführt wurben. Erft
das Herbeieilen von Scharen gemwaffneter Bürger vom Luſt⸗
garten her machte der Schredensfcene ein Ende: von Grauen
vor folhen Bundesgenoffen erfaßt, fäuberten diefe den Schloß-
hof und fiherten den König vor weiteren Gemwaltthaten.
Frei aber war dieſer darum doch nicht. Erſchöpft durch
die furchtbaren Erlebnifje der legten Zeit, ſchwankend zwiſchen
knirſchender Wut und bebender Furt, aber noch immer ohne
Mare Einfiht in die Lage, in dem Wahn befangen, das Opfer
einer ſataniſchen Verfhwörung der „europäiſchen Schuftenſchaft“
geworben zu fein, blieb er ein Spielball der auf ihn ein-
flürmenden Eindrüde und ein Werkzeug in den Händen feiner
Umgebung. Es rächte fih furdtbar, daß er die durch die
Verhältniffe gebotene Entfernung aus der Hauptſtadt unter
lafien hatte, erft aus Unentjchlofenheit, dann auf Andringen
Arnims. Getrennt von ben tapferen Männern, deren Rat er
am 18. März Lleinmütig verjhmäht hatte, mußte er eine
Demütigung nad der anderen über fich ergehen laſſen. Ob—
gleich überzeugt, damit einen ſchweren Fehler zu begehen, ließ
er fi am 20. März die Begnadigung der acht zum Tode ver:
urteilten polniſchen Kocverräter, obenan Mieroslamstlis
(S. 237), abbringen. Und am nächſten Tag ließ er fih durch
den bisherigen Gejandten in Paris, Heinrich v. Arnim, ber das
Auswärtige übernommen hatte, gegen feine beſſere Einficht zu
jenem unmürdigen Umritt durch die Straßen beftimmen, durch
ben er, mit ben deutſchen Farben geſchmückt, begleitet von
Miniftern, Generalen, Bürgern und Studenten, die Profla-
mation befräftigen follte, durch die er, angeblich eine längft
gehegte Abſicht ausführend, unbelehrt durch die damit bisher
1. Die Märztage 1848. 253
gemachten Erfahrungen, in unverbefierliher Selbſttäuſchung in
dem Augenblid, da ihm die Zügel der Regierung in Preußen
entfallen waren, die Hand nad) der Leitung Deutſchlands aus-
firedte, indem er von der Vereinigung ber deutſchen Fürften und
Völker unter ihm Rettung aus den eigenen Gefahren erhoffte.
„Preußen,“ jo ſchloß er, „geht binfort in Deutfchland auf.”
Aehnlich überſchwenglich Hang die Anſprache, durch die feine
Minifter der deutſchen Nation kundthaten, er habe fih an bie
Spige bes Geſamtvaterlandes geftellt als konſtitutioneller Fürft,
als der König bes neuen, wiedergeborenen Deutſchland.
Diefe Erklärungen zogen ihm Oeſterreichs bittere Feind:
ſchaft zu. Wider befieres Wiffen höhnte man in Wien offizids,
erſt das Röcheln ermorbeter Bürger habe ihn an das beutjche
Volt erinnert, und am 24. März proteftierte Oeſterreich aus⸗
drüdlich gegen jede einfeitige Nenderung ber Bundesverfaffung.
Und auch mit Rußland verdarb es der König in feiner Schwäche.
Obgleich er am 23. März eine Polendeputation — mit dem
Dichter Kraſchewoki und dem Erzbiſchof Przyluski wagte Mieros:
lawski ihm unter die Augen zu treten — von der Ausfichts-
lofigfeit ihres Unabhängigfeitsftrebens zu überzeugen verfucht
hatte, ftellte er doch dur einen Erlaß vom 24. dem Groß-
herzogtum Poſen eine den nationalen Wunſchen der Polen
entiprechende Reorganifation in Auaficht, deren Koften mit dem
Deutſchtum die preußifche Staatseinheit zu tragen haben,
die außerdem aber von Rußland als eine direkte Bedrohung
empfunden werben mußte.
Das Schlimmfte aber war doch bie tiefe, fo nie dageweſene
Verfiimmung, die fi infolge ber Märztage ber Armee be:
mädtigt hatte. Auch kam fie in umerhörter Weife zum Aus-
drud, Es hatte die Erbitterung noch gefteigert, daß der Prinz
von Preußen, der am 18. und 19. März Recht und Ehre der
Armee mannhaft vertreten und ſich ebenſo als echten Soldaten
wie als befonnenen Menſchenfreund bewährt hatte, weil bie
Menge ihn für den Urheber des Blutbades auf dem Schloß⸗
plag anfah undihre Leiter in ihm ihren gefährlichen Gegner
befeitigen wollten, um das Wolf nicht herauszuforbern, auf Be—
fehl des Königs das Land zunächſt verlaffen mußte und nad
254 Viertes Buch. Revolution und Reaktion.
London ging, angeblich, um ber englifhen Regierung über ben
Stand der Dinge vertraulich Bericht zu erflatten. Am Tage
feiner Abreife, die bei der gebotenen Heimlichkeit von Unein-
geweihten und Uebelwollenden natürlih als Flucht gebeutet
wurde, den 22. März, fand, wie eine nationale Trauerfeierlich-
teit hergerichtet, das Begräbnis der 183 auf den Barrifaden
Gefallenen ftatt. Wieder nahm ber Zug feinen Weg am Schloß
vorbei: freiwillig erihien der König, feine Gemahlin neben
fih, auf dem Balkon und entblößte das Haupt vor dem Leichen»
zuge. In aller Stille dagegen wurden am 24. die im Straßen-
kampf getöteten 18 Soldaten beftattet. Den Tag darauf be—
gab fi) der König nach Potsdam, wo ihn Bodelſchwingh und
der in heißem Kampfeseifer als getreuer Mann feines Königs
für die Erhaltung der altpreußifhen Monarchie eintretende
Bismard bereit? am 21. vergeblich erwartet hatten. Wie ein
armer Sünder, befangen, gebeugt, ſchleichend trat er unter
die im Marmorfaal des Schloffes verfammelten Offiziere, mit
eifigem Schweigen empfangen. Verlegen und unzufammen=
hängend ſprach er zu ihnen. Gr wiberlegte das Gerücht, daß
er unfrei jei: auch die Truppen möchten der erfahrenen Unbill
vergeflen. Er lobte ihre Haltung, aber au Berlin und ben
DOrbnungsfinn feiner Bürger: von deren Wunſch wollte er bie
Rückkehr der Truppen in die Hauptſtadt abhängig machen.
Er that, als ob er nicht dem Todesmut feiner Soldaten, fon-
dern der Aufopferung ber Berliner feine leiblihe und feine
politiſche Eriftenz, die Erhaltung des Thrones verdankte. Ein
Murten ging durch die Reihen, man ftieß unmutig die Säbel-
ſcheiden auf. Daß der König nachher auf eine leife Bemerkung
des Rriegaminifters, General v. Rohr, um ein Mißverfländnis
auszuſchließen, feine Worte dahin richtig ftellte, daß er natür-
lich erft nach dem Abzug der Truppen den Bürgern zu Dank
verpflichtet fei und der Armee die geleifteten Dienfte nie vers
geflen werde, verſchlimmerte die Sache höchſtens. Auch jegt noch
wollte er die Wahrheit nicht anerkennen, fondern ſuchte fi
und andere über fie zu täufchen und bie furdtbare Wirklich:
keit zu eigener Beruhigung dur freundliche Phantafiegebilde
unſchädlich zu machen.
OD. Die konflitwierende Bafionalverfammlung und die
Berfaflungsokfroyierung.
April 1848 bie Januar 1849,
Wie bat ein König ſich tiefer gebemütigt gefühlt als
Friedrih Wilhelm IV. nad den Märztagen, aber auch nie
vereinfamter und ratlofer. NKlagend um die verlorene Liebe
feines Volkes und unfähig, fi in die neue Zeit zu ſchicken,
ſah er ale feine Ideale zertrümmert und konnte ſich doch nicht
jagen, vol feine Pfliht gethan zu haben. Vielmehr wußte
er, daß er gerade die eifrigften Vorkämpfer des Königtums
ſich entfrembdet hatte. Damals forderte Bismard den Prinzen
Karl auf, gegen des Königs erzwungene Einräumungen ein
preußifches Banner aufzumerfen. Es wurde abgelehnt, weil
fie ja vor dem Aufruhr freiwillig gemacht feien. Der Prinz
von Preußen erklärte, ſollten nod einmal die Truppen im
Stich gelaffen und alles preiögegeben werben, fo werde auch
er alles daran jegen. Bon ben Miniftern verftand fi ber
König mit feinem. Seine Vertrauten beftürmten ihn mit ben
entgegengejeßteften Ratſchlägen. Rabowig empfahl, er möge fih
„effazieren“, alles den Miniftern überlaflen, gegen die Bourgeoifie
aber einen Rüdhalt ſuchen im Proletariat. Andere wollten
zuffifhe Hilfe anrufen, während die Minifter des Auswärtigen
und bes Krieges, 9. v. Arnim und General v. Reyher, mit
Bunfen und anderen Polenfreunden von einem Krieg mit Ruß-
land die Löfung aller Schwierigkeiten hofften. Die preußifche
Frage hatte der König in der deutſchen löfen wollen: nun
brachte ihn diefe auch in jener zum Scheitern. Beider Ver-
quidung aber ergab immer neue Rollifionen zwiſchen Preußens
hiſtoriſchem Recht und angebliher Pflicht gegen das künftige
256 Bierted Bud. Revolution und Reaktion.
Deutſchland, das ohne eigene Machtmittel nah innen und
außen doch allein von Preußen vertreten werben konnte.
Am 31. März trat in Frankfurt das Parlament zufammen.
Indem es für die Wahlen zu der Eonftituierenden beutfchen
Naotionalverfammlung Oft: und MWeftpreußen dem Deutichen
Bunde einfügte, machte es Preußen aus einer europätjchen
Macht zu einer bloß deutſchen. Es bedrohte feinen Befigftand,
indem es die Entſcheidung über Pofen zwar aufſchob, aber
die Teilung Polens für ſchmähliches Unreht und feine Her-
ftelung für eine heilige Pflicht des deutſchen Volkes erklärte.
Am 2. April wurde in Berlin der zweite Vereinigte Landtag
eröffnet. Zwar hatte Heinrich Simon nit allein die Anſicht
vertreten, jegt gelte e8 vielmehr die Berufung einer Eonftituieren-
den Verfammlung auf Grund eines befonderen Wahlgefeges.
Dod hatte der König bereits am 22. März Deputationen aus
Breslau und Liegnig erklärt, dem Landtage folle ein Wahl-
gefeg mit Urmahlen vorgelegt werden, um eine bie Intereſſen
bes Volles ohne Unterſchied der religiöfen Bekenntniſſe um-
fafiende Vertretung auf breitefter Grundlage herbeizuführen,
und das Minifterium die Umgehung des Landtages ala Alt
des Abfolutismus verworfen. Die öffentlihe Meinung billigte
das, zumal ber Erjag Arnim-Boigenburgs (29. März) durch
Camphaufen und die Webernahme der Finanzen durch Hanſe—
mann das Minifterium liberaler geftaltete. Auch veröffentlichte
es am 6. April einige mit dem Landtage vereinbarte Grund-
lagen ber fünftigen Verfaſſung: Aufhebung aller Ausnahme-
gerihte und der Disziplinierbarkeit der Richter, Verfammlungs:
und Vereinsrecht und für die Volfsvertretung Mitwirkung bei
allen Gefegen und Feftftellung des Staatshaushalts, ſowie das
Recht der Bewilligung von Steuern und Anleihen. Auch das
Geſetz vom 8. April über die Wahl der zur Vereinbarung der
Verfaffung zu berufenden Berfammlung war liberal. Aktives
Wahlrecht gab es jedem unbefcholtenen Preußen, ber 24 Jahre
alt und feit ſechs Monaten ortsangehörig war, das paffive
jedem 30 Jahre alten. Am 6. April wählte der Landtag auf
Wunſch der Regierung die nach dem Bundestagsbeſchluß vom
30. März auf Preußen treffenden 113 Abgeordneten für das
I. Die Tonftituierende Nationalverfammlung. 257
deutſche Parlament. Doch wurde biefe Wahl am 10. wieber
annulliert und eine neue angeorbnet nad) den vom Vorparlament
getroffenen Beſtimmungen. So ganz ſchien ber Liberalismus
der Zukunft Preußens Herr zu fein, daß ber eifrigfte Bor-
tämpfer des altpreußifchen Königtums, VBismard, gegen bie
Dankadreſſe an den König ſtimmte, weil zu einer foldhen kein
Grund fei, wenn bie Krone felbft Erde auf ihren Sarg werfe,
und er damit warten wolle, bis man auf bem neuen Wege
wirklich zu einem einigen deutſchen Vaterland und geſetzlich
geordneten Zuftänden gelangt fein werde.
Die Ausfiht dazu war damals freilich gering. An zwei
Stellen war Preußen bereits kriegeriſch beichäftigt, und zwar
an ber einen für und an ber anderen gegen eine nationale
Revolution. Denn eine folhe war die Erhebung Schleswigs
und Holfteins gegen Dänemark. Trogbem hatte der König
auf 9. v. Arnims Rat am 24. März dem Herzog von Auguften-
burg feinen Schuß zugefagt, weniger zu ernftem Handeln ent⸗
ſchloſſen, ala um die jener Sache ficheren nationalen Sympathien
für fi) zu gewinnen. Auf Wunſch des Bundestages, der bie
proviforifche Regierung in den Herzogtümern anerkannte, ſchickte
er Truppen nad) Holftein, wie er in Kopenhagen erklären ließ,
um die Republif abzuwenden. Aber der Ueberfall der ſchleswig⸗
holſteiniſchen Truppen durch die Dänen bei Flensburg am
9, April und ihr Rüdzug nad) der Eider machte den Krieg un=
vermeidlih. Wrangel eroberte Schleswig, drang in Jutland
ein, bejegte Fribericia und fehrieb zum Erſatz für ben ſchweren
Schaden, den die bänifhen Kaper dem preußiſchen Kandel
thaten, eine Kontribution aus. Dann trat ein Stilftand ein,
und bald ſtand Preußen vor der Frage, ob es völlig ifoliert
einen ausfihtslofen Kampf gegen eine erbrüdende Uebermacht
wagen wollte.
Schneller und glüdliher Töfte fi die Krifis in Pofen.
Infolge der königlichen Zufage vom 24. März (S. 252) war
zur Reorganifation der Provinz eine aus Deutfhen und Polen
gemischte Rommiffton unter General v. Willifen beftelt. Ges
tragen von ben Sympathien ber preußiihen Demokratie, bie
mit Heinrih Simon geradezu die Uebergabe der Provinz an
Drug, Perubiiäe Gejälätt. IV.
258 Biertes Bud. Revolution und Reattion.
die Polen forderte, obgleich damit eine halbe Million Deutſcher
700 000 Polen überantwortet worden wäre, erhoben bie Polen
ungemefiene Anfprüche, und Willifen gab ihnen nad. Wollten
doch manche das Polentum gleich möglihft national abgefondert
geſtellt ſehen, damit dereinft fein endgültiger Abfall ohne Er-
fchütterung geſchähe! Daß die Regierung die deutichen Be-
zirke Poſens deutſch erhalten wollte und dem Bunde einver-
leibte, hieß eine neue Teilung Polens. Unter Mieroslawsfi
erhob fi die Nationalpartei. Anfangs im Vorteil, bewies
der Aufruhr doch nur das unverbefierlihe Barbarentum der
Polen in greulihen Blutthaten gegen Deutfche und Juden,
hatte aber boch in den bie Bauern aufhetzenden Geiftlichen die
katholiſche Kirche wieder zur Bundesgenoſſin. Erſt General
v. Pfuel ftellte als Diktator die Ordnung her. Dennoch ver-
langte das Minifterium hinterher die Benfionierung des Generals
v. Colomb, der kraftvoll für die Deutſchen eingetreten war:
ber König verweigerte fie mit einer bei ihm feltenen Seftigfeit.
Inzwiſchen waren von den nah dem Wahlgefeg vom
8, April am 1. Mai gewählten Wahlmännern am 8. Mai bie
402 Abgeorbneten für die preußifche fonftituierende National
verfammlung gewählt, einer für jeden landrätlichen Kreis und
jede nit einem folden zugehörige Stadt, je zwei für die
Städte mit 60000 Einwohnern und ein weiterer für jede
40000 mehr. Da die befannteren Politiker meift nad Frank-
furt geſchictt waren, fehlte e8 Hier an Erfahrung, Blid für
das Wefentliche und politifhem Takt. Auch waren die gelehrten
Berufsarten mit 258 Abgeordneten allzu ſtark vertreten. Auf
den Großgrundbefig und das Kapital famen kaum 50, auf den
Bauernftand 100. Dann fehlte noch die zu raſcher parlamens
tarifcher Arbeit unentbehrliche Sonderung nad Parteien. Da
nun nicht gleich konkrete Aufgaben vorlagen, bildeten ſich bie
Parteien nicht nach fachlichen, realpolitiihen Gefihtspunften,
fondern nad politifhen Doktrinen. Die Linke, zeitweife über
100 Mitglieder ſtark, unter dem Obertribunalrat Walded
(1802—70), einem Mann von echt mwetfälifcher Kernkraft und
ibealem Radikaliomus, und Johann Jacoby, deſſen ftrenge
logiſche Konſequenz ber BVielgeftaltigfeit des politiiden Lebens
U. Die Eonftituierende Nationalverfammlung. 259
doch nicht gerecht wurde, beanſpruchte auf Grund der Volks—
fouveränität für die Verfammlung das Net, die Verfaſſung
von fi aus feſtzuſtellen. Die etwa um die Hälfte ftärkere
Rechte dagegen wollte die Verfaflung mit der Regierung ver-
einbaren, um ſowohl die Erbmonardie in Ehren und Würden
zu erhalten, als auch die großen Prinzipien politifher und
veligiöfer Freiheit zu verwirfliden und dem Volke durch Selbft-
verwaltung in der Gemeinde und eine gewählte Vertretung
Anteil am Staatsleben zu fihern. Dazwiſchen ftanden die
beiden Zentren. Während beide gegenüber den Befchlüffen der
Volfsvertretung der Krone nur ein fufpenfives Veto zugeftanden,
wollte das rechte unter dem um das Eiſenbahnweſen verdienten
H. v. Unruh (180688) nit vor Vollendung der Verfaffung
auseinandergehen und betonte das linke unter dem General:
landſchaftsrat Rodbertus überhaupt ſtärker die demokratiſchen
Prinzipien.
Nicht, wie die Linke als Anerkennung der Volksſouveräni—
tät verlangte, in der für die Sigungen zunächſt beftimmten
Singafademie, fondern im Schloffe wurde die Verfammlung
am 22. Mai vom König mit einer farblofen Rebe eröffnet, die
von der Vereinbarung ber Verfaſſung eine noch engere Ver—
bindung zwifhen Volt und Dynaftie, einen günftigen Einfluß
auf Deutfhland und die Hebung des arg banieberliegenden
wirtfhaftlichen Lebens erhoffte. Die erften Sigungen leitete
als Alterspräfident der 1842 aus dem Amte geſchiedene Schön
wenig glüdlih. Beſſer machte die Sache ber als erfter Präfi-
dent gewählte Schlefier Milde (S. 232). Da aber die Ge:
ihäftsordnung, die Hanſemann der in ber belgifhen Kammer
geltenden nachgebildet hatte, den Schwerpunkt der Verhand⸗
lungen in bie Abteilungen legte, blieb das Plenum lange ohne
rechte Beſchäftigung, und da es nachher jelbft die wichtigften
Fragen nur einmal erörterte, waren feine Abftimmungen ben
in folden Verfammlungen waltenden Aufälligleiten ausge—
fegt. Daher ohne rechtes Einheitsgefühl, wurde es von ber
Linken dur Anträge, die nah außen wirken follten, für
ihre Zwecke benutzt. So gab der Gang ber Verhandlungen
bald denen vet, die an einen Erfolg nicht hatten glauben
260 Bierted Buch. Revolution und Reaktion.
wollen, und leiftete denen Vorſchub, die einen ſolchen nicht
wünfcten.
Doch war daran zum Teil auch das Minifterium ſchuld.
Zwar hatten liberale Maßregeln feine Stellung befeftigt. Das
erſt am 28. Januar errichtete anftößige Oberfonfiftorium hatte
& am 15. April aufgehoben, am 19. zur Aufrechterhaltung
der öffentlihen Ordnung und Sicherheit der Bürgerwehr die
Befugnifie der bewaffneten Macht verliehen und am 6. Mai
bie körperliche Züchtigung als gerichtliche Strafe abgeſchafft,
fowie durch Errichtung eines befonderen Minifteriums für Handel,
Gewerbe und öffentlide Arbeiten für die arbeitenden und ges
werbetreibenden Klaſſen geforgt. Aber es that nichts, um fi
der Leitung der Eonitituierenden Verfammlung zu verſichern.
Mit Staunen vernahm v. Unruh bei der Ankunft in Berlin
von dem Minifter des Innern, Alfred v. Auerswald, daß noch
feine Vorlage fertig fei, felbft die Verfaſſung nicht. Das
bat fi ſchwer gerädt.
. Während das am 18, Mai eröffnete Frankfurter Parlament
dur die Veftimmung, in allen bie deutſche Verfafiung be-
rührenden Fragen ſollten feine Beſchluſſe denen aller Einzel-
Iandtage vorgehen, die Autorität der Berliner Verfammlung
einſchränkte, ſuchte ein Teil von deren Linken die für diefelbe
beanſpruchten größeren Rechte der eigenen Regierung gegen»
über durchzuſetzen, indem er die Maſſen aufbot. Das erzeugte
in Berlin eine Gärung, die jeden Augenblid mit gewaltfamem
Ausbrud drohte, die Freiheit der Beratung aufhob und bald
vielen eine Reaktion wünſchenswert machte. Der vorgelegte
Verfaffungsentwurf der Regierung ftieß, obgleich er durchaus
auf der belgiſchen Verfaſſung beruhte, bei den Liberalen auf
Widerftand, während der König ihn als ein „elendes belgifches,
ſchlecht ins Preußiſche überfegtes Machwerk“ verhöhnte und
dadurch ermutigt die Camarilla ſich organifierte, die unter
General Leopold v. Gerlad und feinem Bruder Ludwig, dem
Präfiventen des Appellationsgerichts zu Magdeburg, auf einen
gewaltfames Einſchreiten rechtfertigenden Konflift hinarbeitete,
in der Nationalverfammlung aber die Parteigegenfäge ſich über
Nebenfragen unheilvoll erbitterten.
I. Die tonftituierende Rationalverfammlung. 261
Die liberalen Minifter wünjchte der König loszuwerden und
ſuchte dauernd nah einem Erſatz. Dennoch jahen diefelben
ihre Stellung von der Linken planmäßig untergraben. Erft
verlangte dieje die Errichtung eines Nationaldenfmals für die
im Straßenfampf Gefallenen. Am 8. Juni beantragte ber
Abgeordnete Berends die Anerkennung der Revolution durch
die Erklärung, die Rämpfer vom 18. und 19. März hätten ſich
um das Vaterland wohl verdient gemadt. Kaum drang da—
gegen eine Tagesordnung durch, welche die Bedeutung der März-
ereignifle und das Verdienft der Kämpfer als unbeftreitbar
bezeichnete, aber Eonftatierte, Aufgabe der Verfammlung fei
nicht Urteile abzugeben, fonbern mit ber Regierung bie Ver⸗
faffung zu vereinbaren. Die Gärung der Maffen wuchs ſchon
bebenklich: fie hinderten die Wegführung von Waffen aus dem
Zeughaufe und bedrohten den Abgeorbneten Prediger Sydow
und den Minifter 9. v. Arnim an Leib und Leben, fo daß
ſchon am 9. Juni ber liberale Ahgeorbnete Harkort, ein Mann
hochverdient um bie wirtſchaftliche Entwidelung feiner rheinifchen
Heimat, bewährt auf dem dortigen Provinziallandtage und
nicht bloß allezeit maßvoll und befonnen, fondern auch voll fel-
tenen Mutes gegenüber der Menge und ben fie leitenden
Führern, den Antrag fellte, die Berfammlung, die in Berlin
nicht frei fei, in eine andere Stadt zu verlegen. Bu kraft⸗
vollem Einfhreiten gegen das wühlende Demagogentum hatten
die Minifter jo wenig wie der König den Mut. Die Bürger-
wehr war teils nicht fähig, teils nicht gewillt, die Orbnung
aufrecht zu erhalten. Die Agitatoren hatten freie Bahn. Am
14. Juni zerftörte der Pöbel die neu angebrachten Gitter an
den Schloßportalen, forderte von der Rommandantur Waffen
und brad nachts in das Zeughaus ein, das bie Befagung auf
die falfjche Meldung von bes Königs Flucht räumte. Als General
Aſchoff mit einem Bataillon herbeieilte und es wieder ein-
nahm, waren bereits beträchtliche Waffenmengen geraubt. Jetzt
endlich rief der König Truppen aus Magdeburg und Branden-
burg herbei: die Minifter aber erzwangen dur bie Drohung
mit Nüdtritt Gegenbefehl. Während die Rechte dringend
militäriſchen Schug für die Nationalverfammlung forderte,
262 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
beantragte wie zum Hohn gegen fie und bie Regierung der
Abgeordnete Uhlih die Erklärung, bie Nationalverfammlung
bebürfe feines Schuges, fondern ftelle fi unter den der Ber:
liner Bevölferung.
Infolge diefer Ereigniffe und ber Verweifung ber Ber-
faffung an eine von Walded präfidierte Rommiffion am 15. Juni,
bie ihre völlige Umarbeitung erwarten ließ, trat noch im Laufe
des Juni das Minifterium zurüd, außer Hanſemann und
Neyhers Nachfolger, General v. Schredenftein. Den Vorfig
übernahm der Oberpräfident Rudolf v. Auerswald, den Handel
Milde, den Kultus (4. Juli) v. Ladenberg, die Juftiz der bie-
berige Kriminalbireftor Märker und das neugeſchaffene Departe-
ment der Landwirtſchaft der Stettiner Syndikus Gierke. Die
augenfälligfte Leiſtung der neuen Regierung war die Errichtung
einer ftarfen, militäriſch organifierten Schutzmannſchaft dur
den Minifter-des Innern Kühlwetter, die zwar die Ordnung auf
Straßen und Plägen berftellte, aber durch ihr gemaltthätiges
Vorgehen vielfache Klagen veranlafte. Die Nationalverfamm-
lung fam dem Minifterium zunächſt entgegen, indem fie die
vorbereitete ſcharfe Adreſſe an den König fallen ließ und ſo—
wohl feine Haltung dem am 29. Juni gewählten Reichsverwejer
gegenüber wie die Räumung Jütlande und bie Anfnüpfung
von Unterhandlungen mit Dänemark billige. Auch erfolgten
liberale Reformen. Die geheimen Konduitenliften in der Zivil-
verwaltung und die erimierte Gerichtöbarkeit fielen. Es
entftanden bie Gefege zum Schuß ber perfönlichen Freiheit und
über die Errichtung der VBürgerwehr. Die Befreiung des bäuer-
lien Grundbefiges durch Ablöfung der gutsherrlichen Laften
und Einſchränkung des Jagdrechts und bie Heranziehung ber
adligen Güter zur Grundfteuer wurden eingeleitet. Die darin
enthaltene Bedrohung ihrer materiellen Interefien verfchärfte
die Oppofition der adligen Herren. Unter v. Bülow-Kummerow
(S. 223) bildeten fie einen „Verein zum Schuß bes Eigen-
tums“, der genau den von ihren Vätern 1808 den Steinſchen
Reformen gegenüber eingenommenen Standpunkt verfodt. Denn
mit Leopold v. Gerlach fahen die Herren in der damaligen
Agrargefepgebung eine kommuniſtiſche Revolution und bildeten,
II. Die tonftituierende Nationalverfammlung. 263
namentlih aus der Mark und Pommern in Berlin zufammen-
frömend, ein förmliches „Junkerparlament“, das in der feit
dem 1. Zuli erjheinenden „Neuen Preußiſchen“ oder „Kreuz
zeitung“ ein fehr geſchicktt geleitetes und höchſt wirffames Organ
erhielt, an dem auch Bismard fleißig mitarbeitete. So er-
neuerte fi) der Bund zwiſchen dem grumbbefigenden Abel, den
abſolutiſtiſch denkenden Hoffreifen und dem reaftionären Bes
amtentum und gewann und organifierte durch die über das
ganze Land verbreiteten Preußenvereine das Ruhe erfehnende
Bürgertum für die vorbereitete Reaktion.
Das gab auch dem Könige wieder mehr Halt. Mit dem
Verfafiungsentwurf erklärte er die äußerfte Grenze ber mög⸗
lichen Konzeſſionen erreicht zu haben. Auch dachte er bereits
auf Mittel, um diefelben unwirkſam zu maden. Deshalb
erſchien der Camarilla die in der Verfafjung vorgejehene Fort-
dauer aller bisher geltenden Gefege jo wichtig, Sie ficherte
die Erhaltung der Provinzial: und Kreisftände, fo daß nad
Gerlachs Ausdrud die neue Konftitution „wie ein Incubus auf
dem Lande tfoliert liegen blieb“. Schon erwog ber König ge
legentlich die Möglichkeit eines militärifhen Staatöftreiches:
er wollte die Nationalverfammlung auflöfen, eine neue be-
rufen, einen anderen Berfaffungsentwurf vorzulegen verheißen
und fo wieder in den Vollbefig der monarchiſchen Gewalt
tommen. In Stunden des Berzagens date er dann wieder
an Abdankung. Unausgefeßt aber ſuchte er nah neuen Mini«
ſtern: Schön, Alvensleben, Bodelſchwingh und Vincke wurden
in Betracht gezogen, zum Teil auch angegangen, aber fchließ-
lich doch nicht berufen. Anbererfeits wurde aber auch dem
Anerbieten der Katholiken, in der Nationalverfammlung in allen
Fragen für die Regierung zu flimmen, falls diefe der Fatholi«
fen Kirche zur Ausftattung mit Grundeigentum verhelfen
wollte, doch nicht mähergetreten. So wäre bie National
verfammlung Herrin der Lage geweſen, hätte fie ſchnell eine
annehmbare Verfaſſung zu ftande gebracht. Aber fie verlor
toftbare Zeit mit der Verhandlung von der Linken einge
brachter radifaler Anträge und arbeitete dadurch der Reaktion
in bie Hände.
264 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
Infolge eines blutigen Zufammenftoßes, der am 31. Juli
in Schweibnig zwiſchen Militär und Bürgerwehr ftattgefunden
hatte, beantragte am 9. Auguft der Abgeorbnete Stein, ber
Kriegsminifter folle an die Offiziere die bienftlihe Mahnung
richten, fi reaktionären Beftrebungen fern zu halten, Kon-
flitte mit dem Zivil zu vermeiden und durch Annäherung an
die Bürger zu beweifen, daß fie aufrichtig und ernſtlich zur
Verwirklichung eines konſtitutionellen Rechtszuſtandes beizu-
tragen bereit ſeien. Ein Zuſatzantrag Schultze verlangte gar,
den durch ihre politiſche Ueberzeugung daran Behinderten ſolle
der Austritt aus der Armee zur Ehrenpflicht gemacht werden.
Mit einer Stimme Mehrheit fiegte die Linke, da die Minifter
ihr unbegreiflicerweife mit feinem Wort entgegentraten. Aber
die Ausführung des Beſchluſſes erklärten fie für unmöglid:
fein Zwed fei im weſentlichen erreicht durch einen Wechſel der
Garnifon in Schweibnig und die Warnung der Offiziere vor
reaftionären, aber auch vor republifanifchen Beftrebungen. Das
genügte der Linken natürlich nit. Der Antrag Stein wurde
aufgenommen: ihn wie überhaupt die Beſchluſſe der Verſamm⸗
kung auszuführen, fo wollte Walded erflärt jehen, jei Pflicht
der Regierung. Man verlangte aljo ein Mitverfügungsredht
über die Armee. Es durchzuſetzen, ließ man ben üblichen
Apparat fpielen: das Volt wurde aufgeboten. Die Debatten
begannen am 4. September; auf den 6. vertagt, gingen fie
erſt am 7. abends zu Ende. Der „rebelifhe Antrag Walded“
wurde, vom Minifterium vergeblich befämpft, mit 210 gegen
143 Stimmen angenommen. Sein Urheber und Stein wurden
von der jubelnden Menge im Triumph nad Haufe geleitet.
Daß der Beſchluß rechtswidrig fei, darin waren bie
Minifter mit dem Könige einig. Aber fie verweigerten bie
Gegenzeichnung einer Botſchaft, die er deshalb erlaflen wollte,
und erbaten ihre Entlaffung. Es genüge, meinten fie, wenn
der König in dem dieſe ablehnenden Schreiben fein Einver-
ſtändnis mit ihnen zu erkennen gebe. Das verwarf jener als
eine Komödie: jebenfals hätte es die Lage nad; Feiner Rich⸗
tung geklärt. Damit war der Nücdtritt des Minifteriums
Auerswald entfgieden. Nur der Erfag machte Schwierigfeiten.
I. Die konftituierende Ratioralverfammlung. 265
Die widerſprechendſten Vorſchläge ſchwirrten durcheinander. Graf
Arnim, der Krefelder Bankier Hermann Bederath (1801—70)
wurde genannt. Während der König dieſem nicht bloß ben
Erlaß jener Botſchaſt, fondern au die Zurüdziehung der be—
reits angenommenen liberalen Gefege (S. 262) und bes Ver:
faflungsentwurfes und die Auflöfung der Nationalverfammlung
zumutete, empfahl Bülow-Kummerow ein Minifterium aus der
Mehrheit mit Grabom als Präfiventen und Waldeck als Zuftiz-
minifter. Wollte er ben Teufel mit Beelzebub austreiben?
An der Erwägung der verſchiedenen Möglichkeiten nahm auch
Bismard lebhaften Anteil. Der König verfiel ſchließlich auf
General v. Pfuel: der populäre General (S. 245) ſchien ihm
geeignet, die Menge durch einen liberalen Schein zu befhwich-
tigen und fo den Webergang zur Reaktion zu vermitteln. Endlich
am 21. September trat das neue Minifterium ins Leben: unter
Pfuels Vorfig übernahm der Oberpräfident der Nheinprovinz,
v. Eichmann, das Innere, der von Sachen, v. Bonin, die
Finanzen, Graf Dönhoff das Auswärtige. Den Kultus be-
hielt Ladenberg.
„So wären wir denn an bem erften praktiſchen Reftau-
rationsverſuch angekommen,“ ſchrieb Leopold v. Gerlach be
friedigt. War doch bereits am 16. September General Wrangel,
nach Abſchluß des Waffenſtillſtands mit Dänemark (6. Auguſt)
aus Holſtein zurüdgefehrt, zum Oberbefehlshaber in den Marken
ernannt und fammelte etwa 50000 Mann um Berlin. Die
Rede, mit der er fih am 17. in Potsdam den Offizieren vor-
ftellte, flug einen lange nicht gehörten zuverfihtlihen Ton
an. Er lobte die Truppen für das während der Märztage in
Berlin Geleiftete, mahnte aber auch zur Verföhnlichkeit: zu⸗
nächſt jedoch gelte es, den Gehorfam gegen das Geſetz herzu⸗
ftellen, ohne ben die vom König gewollte Freiheit nicht beftehen
Tonne. Aehnli ließ fi in Breslau General Graf Branden-
burg vernehmen, dem Schlefien die Erhaltung der Ruhe ver-
dankte. Andererfeits genügte Pfuel bem Steinſchen Antrag
einigermaßen durch einen auch die Offiziere nicht kränkenden
Erlaß, und der König beflätigte bie liberalen Gejege. Doch
zeitigte ber endliche Eintritt des Plenums in die Verfafjungs-
266 Bierted Bud. Revolution und Reattion.
beratung alsbald neue heftige Konflikte ſowohl mit der Regie—
rung wie mit dem Frankfurter Parlamente, vor denen die ver-
mittelnden Halbheiten Pfuels verfagten.
Als der am 26. Juli vollendete Verfaffungsentwurf ber
Kommiffion, der ganz den Stempel Waldeckſchen Geiftes trug,
am 12. Dftober im Plenum zur Verhandlung fam, war bie
Stimmung wieber ftarf erregt, da ber König dem Beſchluſſe,
die Todesſtrafe abzuſchaffen, die Zuftimmung verweigert hatte.
Daß man nun glei im Eingang aus dem Löniglichen Titel
das „von Gottes Gnaden“ ftrih, empfand er als ein Attentat
auf das Heiligfte und gab am 15. Oktober in ber Antwort
auf bes Präfidenten Grabow Geburtstagsglüdwunfd feiner Ent-
rüftung lebhaften Ausbrud: Fein Recht laſſe die Verfammlung
unangetaftet; aber das „von Gottes Gnaden“ ihm zu nehmen,
fei feine irdiſche Macht ſtark genug, vielmehr fühle er fi
durch Gottes Gnade fähig, den Aufruhr und die Aufrührer zu
zerſchmettern, wo er fie finde. Da bie Minifter ſich weigerten,
diefe Antwort zugleih mit der Rede Grabows befannt zu
machen und das Gottesgnadentum dem modernen Denken gegen-
über für unmöglich erklärten, war ihr Rüdtritt unvermeidlich,
zumal ber König auch bie Vereidigung des Heeres auf bie Ver:
faffung ablehnte, weil fie ihn um alle feine Offiziere bringen
würde. Dennoch befhwor er die Minifter, zu bleiben und ihm
in die Breſche zu folgen, die er mit jener Rebe in den Lug und
Trug ringsum gelegt zu haben glaubte, und in ihr eine breite
Gaſſe für Recht und Freiheit zu öffnen. Denn trog alles
Suchens verzweifelte er daran, Nachfolger für fie zu finden. Die
Nationalverfammlung aber erklärte am 31. Oktober auf einen
Antrag Berends den Adel und die Adelsprädikate für abgefchafft
und verbot die Verleihung von Orden — ein Beſchluß, deſſen
doftrinärer Radikalismus Preußens großer Vergangenheit Hohn
ſprach. Ihr auf diefem Wege weiter zu folgen, mußte jeber einiger-
maßen Befonnene Bedenken tragen. Und ſchon hatte fi auch
anderwärts ein ähnlicher Wandel vollzogen. In Paris und in
Frankfurt war die Reaktion eingeleitet, ihr Sieg in Oeſterreich,
wo eben in jenen Tagen Windifchgrä den Wiener Aufruhr
nieberwarf, verhieß dem preußiſchen Königtum ben lange ver-
II. Die Tonftituierende Rationalverfaommlung. 267
mißten Rüdhalt wiederzugeben, während die Linke es zum
Schutz ber Wiener Empörer einzugreifen nötigen wollte, zugleich
aber in einer Frage ber nationalen Politit zu dem Franf-
furter Parlament in einen ſcharfen Gegenfa geriet.
In Preußen waren viele unzufrieden mit der Art, wie
man in Frankfurt Preußen in Deutihland aufgehen laſſen
wollte. Daß feine Truppen die deutſche Kokarde tragen jollten,
bilfigten auch Liberale nit. Dagegen wollte man in Berlin
den Polen nationale Zugeſtändniſſe machen; in Frankfurt ver-
trat man ihnen gegenüber endlich Deutfchlands Recht. Des:
halb beantragte Walded, Erlafje der Zentralgewalt und des
Parlaments über innere Angelegenheiten einzelner Länder jollten
nit ohne Zuftimmung ber preußiſchen Volksvertreter Gefeges-
kraft haben. Seinen gefunden preußiſchen Partikularismus
ſetzte er gegen Preußens deutſches Interefie ein. Aber che
die Sade zum Austrag kam, erfolgte die Kataftrophe ber
Nationalverfammlung.
Auch fie veranlaßte ein Antrag Walded. Auf die Kunde
von der Bedrängnis Wiens wollte er die Regierung auffordern,
zum Schuß ber dort gefährdeten Volfsfreiheit ale dem Staate
zu Gebote fiehenden Mittel und Kräfte ſchleunigſt aufzubieten.
Man wußte noch nicht, daß das Schidfal der Kaiſerſtadt ſich
bereit? erfüllt hatte, ala am Abend des 31. Oktober der An-
trag zur Beratung fam. Cs herrſchte fieberhafte Erregung.
Dichte Volksmaſſen umlagerten da‘ Schaufpielfaus, wo die
Verfammlung jest tagte, die volfsfeindlichen Abgeordneten an
Leib und Leben bebrohend: einige hatten bereits Stride zur
Hand. In einer Mafienpetition erhob der Pöhel feine Stimme
für die Wiener Brüder. Endlich machte die Bürgermehr bie
Eingänge frei. Unter ihrem Schuß raffte fich Die Mehrheit auf.
Der Antrag Walde wurde mit 229 gegen 113 Stimmen ver-
worfen zu gunften eines Antrages Rodbertus, ber die betreffende
Aufforderung an die Zentralgewalt in Frankfurt richtete. Zum
Blutvergießen fam es nicht, obgleich, wie es hieß, Agenten
ber Reaktion die Menge zu Gewaltthaten zu verloden ſuchten,
um einen Vorwand zu gemaffnetem Einfchreiten zu ſchaffen.
Doch mußte Pfuel durch Jacoby und Jung vor der Volksawut
268 Biertes Bud. Revolution und Reaktion.
geihügt und bis in die Nacht in der Nachbarſchaft verborgen
gehalten werben.
Diefe Vorgänge beftimmten den König enblih, dem An-
drängen feiner Vertrauten gemäß nahbrüdlih Ordnung zu
ftiften. Als den Mann dazu hatte ſchon früher Gerlach den
in Schlefien kommandierenden General Grafen Brandenburg
(1792—1850) empfohlen. Auf ihn machte jegt namentlich
auch Bismard aufmerffam. Gerlach) vermittelte. Sein Bruder
Ludwig und der Hallenfer Profeflor Heinrich Leo nahmen an
den vertraulichen Beratungen teil. Ohne ſtaatsmänniſchen Chr-
geiz, aber auch ohne eigentlie ſtaatsmänniſche Begabung,
drängte fi ber Sohn Friedrich Wilhelms II. und der ſchönen
Sophie Dönhoff (Bb. II, S. 250) nicht zu der ihm angetragenen
Rolle: er übernahm fie, weil dem König und feinen Beratern
fonft niemand dazu geeignet ſchien. Aus militärifhem Pflicht:
gefühl folgte er dem Auf feines hartbedrängten Föniglichen
Neffen. Zudem empfand diefer vor einem Minifter Löniglichen
Geblüts Reſpekt und wagte nicht, ihm fo unmwürbig zu be-
gegnen wie ben ihm aufgendtigten Miniftern, und zeigte ihm
gegenüber eine von jenen nie erreichte Fügfamleit. Die herbe
Sachlichkeit und, wenn nötig, Rüdfichtslofigkeit Brandenburgs
imponierte ihm. Schlug diefer auch gelegentli einen herz»
lien Ton an, jo behandelte er den König doch meift wie ein
unmünbdiges Kind. Auch war er mit ben höfifchen Verhält-
niffen vertraut genug, um die Camarilla und ihr Haupt Leo-
pold v. Gerlach von vornherein in die gebührenden Schranken
zu verweilen. Das war um fo wichtiger, als er mit ihr feines»
wegs ganz übereinftimmte. Denn bie einfache Rückkehr zum
Abfolutismus, wie fie jene träumte, Fam für ihm nicht in
Frage: vielmehr folten die von der Krone bisher gemachten
Zugeſtändniſſe in der Hauptſache erhalten bleiben. Indem er
das burchießte, leitete er im Widerſpruch eigentlich mit ber
Abfiht, in der man ihn an bie Spige ber Geſchäfte berief,
Preußen hinüber in die vom König noch immer nicht ernftlich
gewollten Bahnen Tonftitutioneler Entwidelung. In einem
anderen Sinn, als ihn die Reaktion mit diefem Schlagwort
verband, wurde er der Minifter der rettenden That. Das
1. Die Eonftituierende Nationalverfammlung. 269
fol ihm auch die Nachwelt nicht vergefien, obgleich der von
ihm gewonnene Erfolg von feinen Nahfolgern kleinlich im
Intereſſe ihrer Partei ausgenugt und dadurch um ben rechten
Segen für das Ganze gebracht wurbe.
Am 1. November trat das Minifterium Pfuel zurüd und
Brandenburg übernahm die Bildung des neuen Rabinetts. Auf
die ihr am 2. gemachte Anzeige davon richtete die National:
verfammlung eine Adreſſe an den König, in ber fie ein Mini»
ſterium Brandenburg als ein Experiment bezeichnete, das un«
heilooll enden müfle. Widerfirebend empfing der König in
Potsdam die fie überreihende Deputation. Ohne fie einer
Antwort zu würdigen oder zu entlafen, wollte er fi zurüd-
ziehen, als Johann Jacoby, obgleich der König die erbetene
Erlaubnis zum Reben barſch verweigerte, ihm unziemli die
Bemerkung mit auf den Weg gab: „Das tft das Unglüd der
Könige, daß fie die Wahrheit nicht hören wollen.” Nun war
jebe Vermittelung ausgeſchloſſen. Auf beiden Seiten rüftete
man zu einem entſcheidenden Schlage. Aber erſt am 8. No-
vember war das Minifterium Brandenburg notbürftig bei ein:
ander, indem unter dem Borfit Brandenburgs Ladenberg das
Kultusminifterium, der Kommandant von Saarlouis, General-
major v. Strotha, das des Krieges und der bisherige Direktor
im Minifterium des Innern, Otto v. Manteuffel (1805—82),
biefes übernahm. Ein Schrei der Entrüftung antwortete auf
die Nachricht von biefer Kombination. Er galt befonders Mans
teuffel. Auf dem Vereinigten Landtage einer der Wortführer
der äußerflen Rechten, feit ihn Bodelſchwingh in das Minis
Rerium gezogen hatte, der Hauptträger des Rückſchritts, kenn⸗
zeichnete gerade er die neue Regierung als entſchieden reaktionär.
Obgleich ein wohlgefäulter, Tenntnisreiher Beamter, war er
doch durchaus Bureaufrat, ein Mann der niedrigen Gefihts-
punkte und ber kleinen Mittel, von glattem und Eonziliantem
Weſen, geſchidt in der Behandlung des unberehenbaren Könige
und voll Reſpekt gegen die Männer der Camarilla, denen er
feine Ernennung verdankte. Anfangs hatte er ſich gefträubt:
erſt Bismarcks eindringliches Zureden ſtimmte ihn um. Mit
ihm als „Kornak“, dem er traute und der ihm ſagte, was er
270 Viertes Bud. Revolution und Realtion.
thun könne, war Brandenburg, mit flantsredhtlien Fragen
unbefannt, bereit, feinen Kopf zu Markt zu tragen. Doch
rührte das Programm, nad dem nun gehandelt wurde, nicht
von Manteuffel her: es war im mejentliden von Gerlach
infpiriert und das Minifterium infofern wirflih das ber
Camarilla. Zu jeinen Gunften verzichtete der König auf die
von ihm geplante fofortige militärifhe Aktion. Deshalb wurde
auch Bismard nicht in die Regierung gezogen: er ſchien dem
König nur zu brauden, „wenn das Bajonett ſchrankenlos
waltete”. So fam Manteuffel auf den Plag, an dem er ein
Jahrzehnt die Entwidelung Preußens beherrſcht hat, nicht fo=
wohl der geiftige Träger als ber dienftwillige und geſchickte
Vollfiteder der von anderen gewollten Reaktion, und jehr mit
Unrecht hat man ihn neuerdings zu einem verfannten Genie
und gleihjam zum Vorläufer Bismards ftempeln wollen.
Am 9. November verlas Brandenburg in der National-
verfammlung eine königliche Orbre, welche dieſe, da fie bei
den wieberholten anardiftifhen Bewegungen in Berlin ber zur
Löfung ihrer Aufgabe nötigen Freiheit entbehre, vertagte und
ihre Beratungen am 27. in Brandenburg aufzunehmen aufs
forderte, jede frühere Sigung aber für ungeſetzlich erklärte.
Den der Verfammlung zugeteilten Bureaubeamten wurde jede
weitere Thätigfeit für fie verboten. Mit den Miniftern ent⸗
fernten fi die meiften Abgeordneten ber Rechten. Die übrigen
beſchloſſen noch in aller Eile, dod in Berlin weiter zu tagen,
da die Regierung nicht das Recht habe, die zur Vereinbarung
der Verfaffung berufene Verfammlung vor Erfülung ihres
Auftrages zu vertagen, zu verlegen ober aufzulöfen und bie
denno dazu ratenden Beamten die Befähigung zur ferneren
Bekleidung ihrer Stellungen verwirkt hätten. Auch am 10.
wurde noch eine Sigung gehalten. Ein da verlefenes Schreiben
Brandenburgs erklärte alle nad der Vertagung gefaßten Be:
THlüffe für ungültig und verfaffungswibrig. Die Antwort war
eine Proflamation an das preußifhe Volt, die aufforberte,
die Abgeordneten in der Verteidigung ber errungenen Freis
heiten zu unterftügen, ſich dabei aber fireng auf dem Boben
des Geſetzes zu halten. Da erfolgte die militärifche Befegung
II. Die konftituierende Nationalverfammlung. 271
des Schaufpielhaufes. Ohne Widerftand war Wrangel in die
Stadt eingerüdt. Die zum Schuß der Verfammlung beftimmten
Bürgerwehren daten erregt an Widerftand: Unruh hinderte
fie daran und wandte dadurch Blutvergießen ab. Unter Proteft
wid man ber Gewalt. Doch kam man jowohl am 11. wie
am 12. anberwärts zufammen. Die Bürgerwehr, deren Kom
manbant fie zur Auflöfung ber Verfammlung gebrauchen zu
lafien verweigert hatte, wurde am 11. aufgelöft. Gleichzeitig
erging eine königliche Proflamation, die kurz die Gründe für
diefe Maßregeln barlegte und in Erinnerung an die Geſchichte
des Töniglichen Haufes und feine Stellung zum Volt um Be:
währung bes alten Vertrauens bat, zugleich aber feierlich ver
fierte, an den Eonftitutionellen Freiheiten werde nichts ver:
fümmert werben, ber König fi} vielmehr beftreben, ein guter
Tonftitutioneller Fürft zu fein. Am 12. erfolgte die Berhängung
des Belagerungszuftandes über Berlin und ben Umfreis von
zwei Meilen. Nun wurben bie Situngen bes Reſtes ber
Nationalverfammlung militärifc verhindert. Aber die Ruhe
blieb gewahrt. Die gebotene Waffenablieferung volljog fi in
Drdnung. Denn ber Bürgerfland atmete erleichtert auf und
war froh, fi mit Leben und Eigentum in Sicherheit zu wiffen.
Den Pöbel hatten die Agitatoren ber Linken Hinter fi ges
habt: die befigenden Klaſſen dachten nicht daran, für die
Nationalverfammlung mit Gewalt einzutreten. Noch einmal
gelang es deren Neften, am 15. November eine kurze Sigung
zu halten: einftimmig wurde erklärt, das Minifterium fei
nicht berechtigt, über Staatsgelder zu verfügen und Steuern zu
erheben, folange die Nationalverfammlung nicht ungeftört in
Berlin weiter tagen fünne. Folge geleiftet aber wurbe biefer
Aufforderung zur Steuerverweigerung nur vereinzelt. Doc
fam es bier und da zu Tumulten und felbft zu Blutvergiehen,
wie in Breslau, Düffeldorf und Erfurt. Berlin nahm bald
das alte Ausfehen wieder an: die zweifelhaften Erſcheinungen
mit Kalabreſer und Hahnenfeder verfhwanden. Aus der Ber
amtenjhaft und dem Dffiziercorps wurden die als ſchwach ober
gar als unzuverläffig erfannten Elemente entfernt. Wie aber
die Reaktion fo erftarkte, wuchſen ihre Anfprühe und rüdte
272 Vierted Buch. Revolution und Reaktion.
fie ihr Biel weiter hinaus, und nur völlige Verfennung ber Lage
und unverbefierlihe Selbſttäuſchung konnte die Zentralgewalt
und das Parlament in Frankfurt veranlafien, in Berlin eine
Zermittelung zu Gunften der Linken zu verſuchen. Sie miß-
lang natürlid. .
Was nun aber weiter gefchehen follte, darüber war bie
Regierung felbft noch unfhlüffig, während im Einverftänbnis
mit ihrem Gemahl die Pringeffin von Preußen bereite am
24. November in einer Denkſchrift darlegte, daß, wenn, wie zu
fürdten ſcheine, eine Verftändigung mit der Nationalverfamm-
lung nicht gelinge, als äußerfter und gefährlichfter Schritt nur
die Auflöfung und bie Oftroyierung einer Verfaflung, vor
behältlih ihrer jpäteren Revifion dur) die darin verheißene
Nationalverfammlung in zwei Kammern übrig bleibe. Aehn-
lich dachte, von Leopold Ranke beraten, au Manteuffel, wäh-
rend die Camarilla nun von einer Verfallung überhaupt nicht
mehr geſprochen haben wollte. Daß es ſchließlich doch geſchah,
und zwar auf Grund des Entwurfs der Nationalverſammlung,
traf den König wie ein Blitz aus heiterer Höhe: er war außer
ſich, daß er diefen „Wii“, von dem er bie völlige Desorgani-
fation des Landes fürchtete, dann aud noch beſchwören follte.
Gerlach beklagte das als „ein elendes Refultat“ und war außer
fih, daß man nad allen Siegen do immer wieder mit der
Revolution unterhandle. Er riet, wenn die Verfammlung in
Brandenburg nicht befehlußfähig würbe und die Ausftoßung ber
hochverräteriſchen Mitglieder verweigerte, ein Wahlgeſetz für
zwei Kammern zu oltroyieren, nach dem für das Unterhaus
150 Mitglieder von den Bürgern der Stäbte, 150 von ben
Grundbefigern und 150 von den Urwählern gewählt würden,
das Oberhaus aber Standesherren, Oberbürgermeifter, Ber
treter ber Univerfitäten und acht Juriften bilden follten: nur
mit Urwahlen als einer lets wiederkehrenden Revolution möge
man Preußen verſchonen. Selbft die Aenderungen, welche die
Minifter auf fein Andringen an dem VBerfaflungsentwurf vor«
nahmen, machte ihn dem König nicht annehmbarer: dergleichen
zu unterſchreiben oder gar zu beihmwören, koönne er vor Gott
nicht verantworten, und aud Gerlach ſchien der urſprüngliche
II. Die tonftituierende Rationalverfammlung. 273
Entwurf noch annehmbarer ober leichter annehmbar zu machen.
Die papierenen Verfaflungen, meinte er, taugten überhaupt
nichts und ſollten alle befriegt und überwunden werben;
nur frage es fi, ob dazu bie Zeit ſchon gefommen fei. Die
Wege der Camarilla und des durch fie eingejegten Minifteriums
trennten fih. Jener zu folgen, waren Brandenburg und
feine Kollegen doch zu befonnen, namentli wollten bavon
Ladenberg und ber neue Juftizminifter Rinteln nichts wiflen.
Unabhängig voneinander wandten fi der erfle und Branden-
burg jelbft um Rat und Hilfe an den berühmten Romaniften
8. ©. Keller (1799—1860), einen geborenen Schweizer, ber
feit 1842 an ber Berliner Univerfität lehrte: indem er bie
„Sharte Walded“ oberflächlich bearbeitete, wurde diefer nad
8. v. Gerlach der eigentliche Vater der preußiſchen Verfaſſung,
während Brandenburg, ber fi) anfangs auch lebhaft gefträubt
hatte, durch Einfegung feiner Autorität und Manteuffel dur
beſchwichtigendes Zureden auf den König einwirkten, ber freilich
ſchließlich nur mitging, weil er, trat diefes Miniſterium zurüd,
ein anderes ihm annehmbares zu befchaffen als unmöglich er⸗
kannte. Wieder aber wandte der unfluge Mebereifer der Gegner
die Sache für ihn noch unverhofft günftig.
Die Nationalverfammlung war am 27. November in Bran⸗
denburg nicht beſchlußfähig und blieb es, da die Linke nur
vorübergehend erſchien, um bie Einberufung ber gleich mit ges
wählten Stellvertreter zu hindern, wie ſchon vorher 168 Ab:
georbnete gemeinfam öffentlih bie Minifter förmlich des Hoch⸗
verrats befhuldigt und von neuem für nicht berechtigt zur
Steuererhebung erflärt hatten, zumal ein Staatshaushalt für
1849 nicht vereinbart fei. Diefem nicht bloß unflugen, ſon⸗
bern auch unmwürbigen Spiel, das jebe ein Ergebnis verheißende
Verhandlung ausfhloß, machte die Regierung am 5. Dezember-
ein Ende. Eine konigliche Verordnung löfte die Nationalver-
fammlung auf, weil das Werk, zu bem fie berufen, ohne Ver:
legung der Würde der Krone und Nachteil für die Landes-
wohlfahrt mit ihr nicht länger fortgeführt werben könne.
Gleichzeitig oftroyierte ber König, mie er fagte, entſprechend
den dringenden Forderungen des öffentlichen Wohls u unter
Bruß, Preußtige Geidiäte, IV.
274 Bierted Bud. Revolution und Reaktion.
möglichfter Berüdfihtigung ber von den erwählten Vertretern
des Volks ausgegangenen Vorarbeiten eine Verfaflungsurfunde,
vorbehaltlich der kunftigen Revifion auf dem durch fie vor
geſchriebenen orbentlihen Wege der Gefeßgebung. Es war im
wejentlihen der Entwurf der Nationalverfammlung, wie ihn
Keller zurecht gemacht, noch ſchlechter alfo, als Gerlach ges
fürdtet, aber wenigitens ohne Zivillifte, ohne Volksſouveräni⸗
tät und ohne Verlegung ber Armee, für die freilich bie
Vereidigung auf die Verfaffung vorgefehen war, und mit
dem zu allem brauchbaren Artikel 105, wonach in Abwefenheit
der Kammern in dringenden Fällen unter Verantwortlichkeit
des gefamten Staatsminifteriums Verorbnungen mit Geſetzes⸗
kraft erlafien werben fönnten, jedod ben Kammern bei ihrem
nädften Zufammentritt zur Genehmigung vorgelegt werben
follten. Endlich brachte der 5. Dezember noch die Einberufung
der durch die oftroyierte Verfaflung eingeführten Kammern auf
den 21. Februar 1849 und bie Aufzählung einer langen Reihe
von Gejegentwürfen, bie zur Vorlage bereitgeftellt werben follten.
Am 6. erſchien dann noch ein interimiftifches Wahlgeſetz, nach
dem ſowohl die 180 Mitglieder der erfien wie die 350 ber
weiten Kammer durch inbirefte Wahlen ernannt werben follten.
Aber auch indem er all das gut hieß, war der König innerlich
leidenschaftlich dagegen und fügte fi) nur einem Zwange, den
bei erfter Gelegenheit abſchütteln zu [fönnen, fein heißefter
Wunſch war. Er haßte die liberale Oppofition, bie ihn fo
weit gedrängt hatte, und ſchalt auf die Liberalen, die Auerd«
wald, Schwerin, Camphaufen u, |. w., die alles verbarben, als
Hundsfotte.
II. Die Enlſtehung der Verfaſſung und das Scheitern
in der deuffchen Frage.
1848— 1852.
Waren die von dem Minifterium Brandenburg verfügten
Maßregeln ein Staataftreih, fo Tann diefer doch ähnlichen
Vorgängen früherer und fpäterer Zeit nicht ohne weiteres gleich⸗
geftelt werben. Sie vernihteten fein bisher anerkanntes Recht
bes Volles oder feiner Vertretung, verlegten fein feierlich ge⸗
gebenes Verfprechen, brachen feinen Eid. Die Kronrechte wurden
nicht willkurlich erweitert. Freiwillig fegte fi das abfolute
Königtum gewiſſe Schranken, teilte von feinen Hoheitsrechten
die einen mit der fünftigen Volfsvertretung und band die
Webung ber anderen an deren Zuflimmung. Die abſolutiſtiſch
dentenden Hoffreife hatten von dem Miniflerium ganz anderes
erwartet. Nachdem die Vereinbarung der Verfaffung mit ber
dazu berufenen Wolfsvertretung geſcheitert fei, meinten fie,
tönne von einer folden überhaupt nicht mehr die Rebe fein,
und der König fei jeder Verpflichtung entledigt, da man ihm
ihre Erfühung unmöglich gemacht habe. Die Camarilla ins-
befondere zürnte dem König wegen ber Oftroyierung: fie blidte
auf den Prinzen von Preußen, traute aber auch ihm nicht
recht. Die Armee war tief verfimmt: am liebften hätten die
Dffiziere den König, in dem fie das Unglüd bes Landes fahen,
und ben grüßen zu müffen fie gefliffentlich vermieden, abdanken
fehen. Aber auch die Liberalen wurden des Gewinnes nicht
froh, den Die oftroyierte Verfafiung trog aller Mängel für fie
bebeutete. Die legten Ereigniffe hatten das Vertrauen zu dem
König vollends vernichtet: ohne Glauben an feinen guten Willen
und feine Ehrlichkeit erwartete man eine rüdfihtslofe Reaktion.
276 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
Auch bildete Die Regierung das unter dem Schutz bes Be
Togerungszuftandes eingeführte Repreſſivſyſtem in einer Weife
aus, die allem Ronftitutionaliemus Hohn ſprach. Sein Träger
war vornehmlih Manteuffel, freilich nicht immer aus fi, ſon⸗
dern gebrängt durch ben Webereifer untergeorbneter Organe,
die ſich nad) oben empfehlen wollten. Nicht ſowohl ihr politifches
Prinzip als die ſittlich verwerflihe Art feiner Durchführung
brachte die Regierung zu ben Beften bes Volkes in einen
immer feindlicheren Gegenfag. .
Anfangs freilich ſchien eine friedlide Entwidelung zu
hoffen. In den nad dem Wahlgefet vom 6. Dezember 1848
gewählten und am 26. Februar 1849 eröffneten Kammern
übermwogen die Gemäßigten, welche die oftroyierte Verfaſſung
amendieren und zu einem brauchbaren Staatsgrundgeſetz aus-
geftalten wollten. Die Linke freilich beftritt ‚deren Nechts-
beftänbigkeit, und ihr Führer Walded warnte die Mehrheit
vor dem Sihdrängen zur Knechtſchaft. Dennoch war man auf
dem Wege zur Verftänbigung als alles wieder gefährdet wurbe
durch die Einwirkung eben ber deutſchen Frage, die der König
im Sinn Radowig’ (S. 239) und 9. v. Arnims (S. 252) aus
gefpielt hatte, um ſich in Preußen Luft zu machen: jegt ſollte
fie deſſen in geordnete Bahnen eingelentte Entwidelung neuen
Stürmen preisgeben.
Den Wiberfinn der Unterordnung Preußens unter den
Neihsverwefer und fein Minifterium mit bem preußiſchen
General Peuder als Kriegs: und dem Krefelder Kaufheren
Bederath als Finanzminifter hatten die Verhandlungen über den
Malmder Waffenftillftand erwiefen, den das Parlament erft
verworfen, dann anerkannt hatte, da es Preußen weber zum
Gehorfam zwingen, noch den Krieg fortjegen konnte, am
18. September aber felbft greulihem republifanifhem Aufruhr
faft erlag. So war foftbare Zeit verloren und Defterreih nach
der Unterwerfung Wiens bereits wieder aftionsfähig, als der
Kampf ber Groß: und Kleindeutſchen um das preußiſche Erb-
kaiſertum die deutſche Frage löfen ſollte. Er ergab den deutſchen
Bunbesftaat ohne Defterreih und die Wahl Friedrich Wil:
helms IV. zum beutfchen Kaifer am 28. März 1849. Wovon
III. Die Entftehung der Berfaffung. 277
biefer vor Jahresfrift in ſchwungvollen Phrafen fi und anderen
vorgeſchwärmt hatte, ſchien verwirklicht: er konnte der konſti⸗
tutionelle König bes neuen Deutſchland werden (S. 253). Bei
ihm lag die Entſcheidung über deſſen Zukunft.
Innerlich hatte er fie längft getroffen. Das Frankfurter
Verfaſſungswerk entbehrte für ihn jebes Rechtsbodens. Die
Krone, die man ihm bot, erklärte er für unannehmbar und
verglih fie ber von dem Straßenpflafter genommenen Louis
Philipps. Er halt fie einen „imaginären Reifen aus Dred
und Letten gebaden, verunehrt dur ben Qubergerud ber
Revolution von 1848°. Und doch reizte ihn ihr Glanz! Er
grübelte über die Art der Einigung Deutſchlands unter Preußen
und ließ mit Defterreih unterhandeln. Daß biefes dafür nicht
zu baben jei, fand für jeben Unbefangenen feſt: nur ber
König ließ auch darin nit von feinen Illuſionen. Jedenfalls
aber wollte er nichts ohne vorhergehende Buftimmung der beutfchen
Fürften thun, und es geſchah wohl deshalb, daß Radowitz mit
etlihen Anhängern des preußiſchen Erblaifertums dem Parla-
ment ausbrüdlich das Recht abſprach, ohne Zuflimmung ber
Regierungen die Verfafjung endgültig feftzufegen und bie Kaifer-
krone zu vergeben. Man pflegt dieſe Haltung des Königs heute
als ein Gluck für Preußen und Deutſchland zu preifen, benen
die Annahme der gebotenen Krone verhängnisvoll geworben
fein würde. Und dod hat damals ein Mann von bem ges
ſunden realpolitifen Blick unb ber friſchen Thatkraft des
Prinzen von Preußen die Sache ganz anders angejehen, ebenfo
feine hochherzige und geiftvolle Gemahlin, die durchaus national
benfende Enkelin Karl Augufts. Und wer vermöchte zu fagen,
welchen Gang die Dinge genommen haben würben, wenn ber
König fi anders entſchieden hättet Ob Preußen bann au
nad Warſchau und Olmüg geführt worden wäre? Und konnte
ihm noch Schlimmeres begegnen? Nicht die Verhältnifie, die
Individualität Friedrich Wilhelms wurde Preußens und Deutſch⸗
lands Verhängnis. Denn wie fo oft bei feiner inneren Uns
wahrhaftigkeit dedte fi auch jegt der Sinn feiner Worte
nicht mit feiner eigentlihen Meinung, und fein Rein follte
eigentlid ein bebingtes Ja fein. Und auch dabei geriet er noch
278 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
mit fich felbft in Widerſpruche. Denn eine nachträgliche Legali-
fierung der Revolution, auf bie fein Plan doch ſchließlich
binauslief, war unvereinbar mit dem Gottesgnabenfönigtum,
zu dem er ſich befannte: er hätte damit bie Ergebnifie jener
acceptiert und wäre felbft ein Revolutionär geworben, nur daß
er bie Verantwortung bafür anderen zuſchob und durch fie ge:
bedt fein wollte.
Am 3. April empfing er bie Kaiferdeputation des Parla-
mentes unter Führung des Präfidenten Eduard Simfon. Seine
Antwort, die vorher im Minifterrate feitgeftelt war, machte
die, wie man geglaubt hatte, glüdlich vollendete Neugeftaltung
Deutihlands nachträglich abhängig von der Zuftimmung ber
deutfchen Fürften, obenan der Könige, und dem Einverftänbnis
Oeſterreichs mit dem engeren Bunbe, der, vereinigte er Preußen
bloß mit den Kleinftaaten, nad) feiner Anficht nicht ein Bundes—
ſtaat fein, fondern auf ein Schugverhältnis binauslaufen würde.
Wenn er, fo erflärte er, anders handelte, würbe er heilige
Rechte verlegen und feierliche Zufagen breden. Die Regie:
rungen hätten jetzt zu prüfen, ob die Verfaſſung geeignet jei,
ihm die Löfung der durch einen jo ehrenvollen Antrag geftellten
Aufgabe zu ermöglichen. In jebem Falle aber fei er bereit,
Deutſchland nad innen und außen als Schwert und Schild
zu dienen.
Der Eindrud war tief niederfhlagend. Mit patriotiihem
Schmerz fahen die Deputierten das Werk ſcheitern, das fie in
faft einjähriger felbfiverleugnender und von Gefahren aller Art
umbrängter Arbeit vollendet hatten. Des Königs Forderungen
muteten dem Parlament die Selbftaufgabe zu. Daß es fie
über fi} verhängen würbe, ftand bei ber Lage ber Dinge und
der Stimmung in Frankfurt nicht zu erwarten. Ein verhängnis-
voller Konflikt drohte. Vieleiht war er abzuwenden, wenn
ber König, wie man vorfälug, auf Grund der Reichever-
faflung die Leitung Deutfchlands für feine eigenen Lande und
die den Frankfurter Beſchluſſen beitretenden Staaten übernahm.
Das aber hätte bie Anerkennung ber Reichsverfaſſung durch
ihn vorausgefegt: fie war ausgeſchloſſen. Mit vollem Recht
beutete die Deputation feine Antwort trog allem verhülenden
II. Die Entftehung der Verfaffung. 279
Beiwerk ale Nein, erklärte ihren Antrag für abgelehnt und
reiſte ab. Den deutſchen Kaifer hatte fie in Berlin nicht ges
funden, äußerte fie fih in Weimar, außer einem in Weiber:
röden. Daß man ihn fo beim Wort nehmen würde, hatte der
König nun aber doch nicht erwartet. Sofort ließ er feine
Antwort anders beuten. Eine Zirkulardepeihe aus Mans
teuffels Feder teilte fie nebft der Begründung ben preußifchen
Gefandten an den deutſchen Höfen mit, erklärte aber zugleich
des Königs Bereitwilligfeit, an bie Spige eines aus ber freien
Entſchließung ber Einzelftaaten hervorgehenden deutfchen Bundes⸗
ſtaates zu treten, zu beilen Vorbereitung er Bevollmächtigte
nad Frankfurt zu fhiden bat. Das Parlament freilich bes
ſchloß, an der Reichsverfaſſung und dem Reichswahlgeſetz feſtzu⸗
halten. Und in den nächſten Wochen nahmen nicht weniger
als 28 Bundesftaaten, das heißt außer ben Königreichen alle,
die Verfaffung an. Bayern und Gannover verhielten fi im
Einverftändnis mit Defterreih ablehnend. In Sachſen ftärkte
Preußen felbft den Widerftand und veripra im Notfall Hilfe.
In Württemberg dagegen mußte die Regierung dem Drud ber
Öffentlichen Meinung ſchließlich nachgeben. Der fo weſentlich
veränderten Lage Rechnung zu tragen, empfahl Friedrich Wils
helm mehr als ein Moment. Auch kam das Parlament ihm
weit entgegen. So j&hidte der König, den umzuſtimmen Bederath
nad Berlin geeilt war, Camphaufen nah Frankfurt: er ers
hielt die Zufage einer Revifion ber Reichsverfaſſung im konſer⸗
vativen Sinn. Anbererjeits aber ſuchte die zweite preußifche
Rammer die Regierung zur Erfülung der nationalen Wünfche
zu drängen, indem fie am 21. April, obgleih Brandenburg
jedem Gedanken an Nachgiebigkeit der Regierung fein „Nies
mals“ entgegenfegte, mit 175 gegen 159 Stimmen einen An-
trag Robbertus annahm, der die Anerkennung der Reichsver⸗
faffung befürwortete. Bei feinem Naturell konnte das den König
in feiner ablehnenden Haltung nur beſtärken. Daraus ent
fprangen neue Widerſpruche. Während feine Minifter auf das
Miptrauensvotum vom 21. April bie Auflöjung ber zweiten
Kammer planten, berief er den auf einem ganz anderen Boben
ſtehenden Rabowig zu fi und beauftragte ihn mit der Ber
280 Bierted Bud. Revolution und Reaktion.
arbeitung der deutſchen Angelegenheiten. Daraus entwidelte
fi zwiſchen Manteuffel und Rabowig eine Gegnerſchaft, welche
die Aktion des einen wie bes amberen lähmen mußte, zu-
mal erflerer dem Nebenbuhler durch allerlei fragmürbige Um⸗
triebe entgegenarbeitete. Die unerläßlihe Vorausfegung für
das Gelingen ber Pläne, die biefer verfolgte, vernichtete dann
obenein ber Bruch des Minifteriums mit ber zweiten Kammer
und fein neuer Staataftreih. Rüdfihtslofe Reaktion im Innern
und nationale Einheitspolitit nad außen waren damals vollends
nit miteinander zu verbinden. Am mwenigften war biefer
König geeignet, ſolche Gegenſätze auszugleichen.
Als am 26. April die zweite Kammer auf Antrag Walbeds
die wieberholt heftig angegriffene Verlängerung bes Belage-
rungszuftandes für ungejeglih erklärte und feine Aufhebung
verlangte, wurbe fie unter gleichzeitiger Vertagung ber erften
am 27. aufgelöt. Am 28. erging bie endgültige Abfage nad
Frankfurt. In einem Schreiben an Camphaufen erklärte Branben-
burg die Reichsverfaſſung für unannehmbar, weil das all»
gemeine und gleiche Wahlrecht für die Zukunft die Möglichkeit
biete, die oberfte Gewalt gefeglich zu befeitigen und die Republif
einzuführen. Zugleich aber wurden die deutſchen Regierungen
eingeladen zur Beihidung in Berlin zu haltender Konferenzen
über die Verfaffungsfrage. Damit war das Parlament bei—
feite geſchoben. Seine Zerfegung madte nun raſche Fort:
ſchritte. Der Einfluß der radikalen Partei wuchs. Sie wollte
die Reichsverfaſſung ohne Preußen durchſetzen und rief zum
Kampf für fie auf. So drohte ein Bürgerkrieg, eine neue,
in ihrem Verlauf unüberfehbare deutſche Revolution. Wirklich
kam es Anfang Mai in Dresden zum Aufftand, ben bie zu
Hilfe geſchidten preußiſchen Garden (6. und 7. Mai) blutig
nieberwarfen. Die Schmähungen gegen die Befiegten, in benen
fi) des Königs Dankerlaß an die heimkehrenden Truppen er-
ging, konnten die Erbitterung nur fleigern. Dem Bruch des
Reichsfriedens, defien Preußen fih durch das Einfchreiten in
Dresden ſchuldig gemacht haben follte, beſchloß das Parlament
unter dem Drud ber Radikalen am 10. Mai mit allen Mitteln
entgegenzutreten. Damit ſchwand jede Möglichkeit einer Ver⸗
IN. Die Entftehung ber Berfaffung. 281
ſtändigung. Am 14. erklärte Preußen die Mandate feiner
Vertreter für erlofhen, während die von Frankfurt aus ver»
anlaßte gewaffnete Erhebung für die Reichsverfaſſung auch
feinen inneren Frieden bereits gefährbete. An einzelnen Orten
weigerte die eingezogene Landwehr den Gehorfam, und wie
in Berlin und Königsberg, fam es aud in Elberfeld und
Iſerlohn, in Düfleldorf, Krefeld und anderwärts zu blutigen
Bufammenftögen. Aber die Ordnung wurde fehnell hergeftellt,
während in Heſſen⸗Darmſtadt, der Rheinpfalz und Baden ber
Abfall der Truppen den Sieg des Aufruhrs entſchied. Weberall
follte Preußen nun helfen. So wurbe es, wozu Friedrich Wil:
beim fi) in ber Antwort an die Raiferdeputation bereit erflärt
hatte (S. 273), zunächſt nad innen als Schild und Schwert
Deutſchlands bewährt und feine Unentbehrlichkeit aller Welt
erwiefen. Ihn dabei zu unterftügen, rief der König am 15. Mai
fein Volk in die Waffen, indem er zugleich bie Löfung der
deutfchen Frage von neuem in die Hand nahm. Daheim und
in den übrigen deutſchen Ländern, erflärte er nämlich, gelte
es, Drbnung und Geſetz herzuftellen, damit Deutſchland bald
der mit Recht verlangten und erwarteten Einheit und Freiheit
teilhaftig werbe, jener durch eine einheitliche Exekutivgewalt,
fähig, feinen Namen und feine Interefien nad außen würdig
und Fräftig zu vertreten, dieſe gefichert durch feine Volksver⸗
tretung mit legislativer Befugnis, wie er fie auf Grund bes
Neihsverfafjungsentwurfs mit den fi ihm anſchließenden
deutſchen Regierungen zu ſchaffen bemüht jei. In immer heil
Iofere Widerfprüche verftridte ſich feine Politik: in Holftein
fanden feine Truppen für eine nationale Erhebung im Felde,
anberwärts fochten fie gegen folche. Die Reichsverfaſſung hatte
er verworfen: jetzt erftrebte er doch nichts weſentlich anderes,
als fie hatte leiften jollen.
Konferenzen bazu begannen am 17. Mat in Berlin. Defter-
reich zog fi bald davon zurüd, ebenjo Bayern. Ihr Ergebnis
war (26. Mai) das Dreilönigabündnis Preußens mit Sachſen
und Hannover zur Errihtung eines deutſchen Bunbesftants auf
Grund einer vereinbarten neuen Reichsverfaſſung, welche bie
Leitung Preußen zumwies, mit einem Furſtenkollegium zur Seite
282 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
und einem in Staaten: und Volkshaus zerfallenden Reichstag,
der von den nach der Höhe ber Steuern in brei Klaſſen ge-
teilten Wählern indirelt ernannt werben ſollte. Die vorläufige
Leitung übernahm ein aus Bevollmächtigten ber Verbündeten
beftehenber Verwaltungsausfhuß in Erfurt. Beſcheiden und
nüchtern im Vergleih mit dem hohen Flug, den man in
Frankfurt genommen, hatte dieſes Radowitzſche Projekt, in den
gegebenen Berhältnifien wurzelnd, jedenfalls ben Vorzug der
Ausführbarkeit. Aber eben deshalb handen fi Sachſen und
Hannover nur für den Fal daran, daß außer Defterreich fämt-
lihe deutſche Staaten, namentlih Bayern, beiträten; fonft
wollten auch fie zu nichts verpflichtet fein. Die wirkfamfte
Propaganda für das neue Bunbesprojeft aber machten doch
die preußiſchen Truppen, die unter dem Prinzen von Preußen
den Aufftand in der Rheinpfalz und in Baden in blutigem
Kampfe niederſchlugen. Eine wertvolle moraliſche Unterflügung
gewährte ihm die Erklärung, melde die Mehrzahl der einft der
Frankfurter Erbfaiferpartei angehörigen Abgeordneten auf einer
Zufammenkunft in Gotha (26. Juni) zu gunften der neuen
Richtung der preußiſchen Politik abgaben. Diefem zwiefachen
Drud gab auch Bayern ſcheinbar nach. Doch ging ſein Miniſter
v. d. Pfordten bei ven Verhandlungen mit Radowitz und Bran«
denburg nur darauf aus, Defterreihs Aufnahme zu erwirken
und fo den engeren Bund zu vereiteln, indem er zugleich Preußen
eigennügigen Machtftrebens verdächtigte. Daß inzwiſchen Defter:
reich mit ruffiicher Hilfe den Aufftand Ungarns bemältigte, gab
allen Gegnern Preußens einen ſtärkeren Rüdhalt.
Vor allem aber ließ die fteigende Reaktion in Preußen
dort fo wenig wie auswärts rechten Glauben an ben Ernft
ſolcher Einheitsbeftrebungen auflommen. Am Tage nad dem
Erlaß der fie verfündenden Proflamation, am 16. Mai, war
Balded, der Führer der Linken, verhaftet worden. Die ehren:
rührige Zumutung feiner fervilen Kollegen am Obertribunal,
fein Amt als unvereinbar mit feiner politiiden Ueberzeugung
nieberzulegen, hatte er gebührend zurüdgewiefen. So follte
er auf andere Weife unſchädlich gemacht werden. Auf die Denun:
sation eines angeblichen Mitfehuldigen, des Ladendieners und
II. Die Entftehung der Berfafjung. 283
Spions Ohm, wurde er mittels gefälfchter Briefe hochverräteri-
fer Umtriebe begichtigt zur Herſtellung einer einigen unteil-
baren fozialdemofratifhen Republik in Deutſchland. Ihn auf
Grund des Belagerungszuftandes vor ein Kriegsgericht zu ftellen,
ging nicht an, da feine mit Beſchlag belegten Papiere auch
nit einen Schatten von Beweis für dieſe unfinnige Anklage
ergaben. Daher Fam er unter ber Anklage, um eine hochver⸗
räterifche Unternehmung gewußt und bavon nicht Anzeige ges
macht zu haben, nad fechsmonatliher Unterfuhungshaft vor
das Geſchworenengericht. Die Verhandlungen führten zu einer
furchtbaren Niederlage ber Regierung, da der Staatsanwalt
ſelbſt bekennen mußte, e& liege ein Bubenftüd vor, angezettelt,
um einen Mann zu verderben, dem Polizeipräfidenten Hinkel⸗
bey aber, ber demfelben wohl nicht ganz fremd war, von dem
würdigen Präfidenten Taddel fein unziemliches Auftreten ernfts
lich verwiefen wurde. Jubelnd geleitete das Volk den Frei:
geſprochenen am 3. Dezember nach Haufe. Die Handlanger der
Reaktion freilid waren außer fih und fanden mit Leopold
v. Gerlad das Betragen biefes Gerichtshofes „abſcheulich“.
Inzwiſchen aber war ein neuer Staatsſtreich erfolgt, in-
dem das Wahlgejeg vom 6. Dezember 1848 am 30. Mai durch
ein anderes oftroyiertes erfegt worden war. Diejes befeitigte
einmal bie geheime Abftimmung als unvereinbar „mit ber in
allen übrigen Zweigen bes Staatslebens laut und mit Recht
geforderten Oeffentlichkeit· und geeignet, ben fo „bebeutungs-
vollen Wahlakt mit einem Schleier zu verhülen, unter dem
alle die Beftrebungen, welche das Licht ſcheuen, fi verbergen
Tonnen“. In Wahrheit ftellte bie Deffentlichkeit der Wahl alle
von ber Regierung irgendwie Abhängigen mit ihrer Abftimmung
unter beren Kontrolle und gab dieſer die Möglichkeit, fie dabei
zu ihren Gunften zu beeinfluffen. Dann erfegte das oftroyierte
Wahlgeſetz, „um nicht den Fleiß, den Befig und die Intelligenz
dem Uebergewicht der Kopfzahl zu opfern,“ bas allgemeine gleiche
Wahlrecht dur das Dreillafienwahligftem, das den wenigen
Neihen, die das erfte Drittel des von ihrem Bezirke aufs
gebrachten Steuerbetrages entrichten, ebenfo viel Wahlmänner
zuteilt wie ber ſchon größeren Zahl derer, die das zweite, und
284 Viertes Buch. Revolution und Reaktion.
wie der Menge der Minberbegüterten, die das legte Drittel
aufbringen, jo daß die Stimme bes reihen und daher hoch⸗
befteuerten Urwählers hundert-, ja taufendmal fo viel wert war
wie bie des beſcheidener Situierten. Trog fo rückſichtsloſer
Begünftigung der Reihen und der Aufhebung der Wahlfreiheit
für weite Kreife ift diefes Wahlfyftem noch heute in Geltung.
Diesmal hatte die Regierung ein von ihr felbft erft ge:
fegtes Recht willtürlih aufgehoben, um die Wahl einer ges
fügigen zweiten Kammer und durch fie die ihr genehme Revifion
ber Verfaſſung zu erreigen. Dazu wurde am 10. Juni auch
die Preſſe noch mehr beſchränkt und am 29. das Berfammlungs«
recht gekürzt, vor allem aber am 10. Juli die Unabhängigkeit
der Gerichte aufgehoben durch die Beſtimmung, daß Richter,
bie, ohne kraft eines andermeitigen Berufes zu freimütiger
Aeußerung ihrer Meberzeugung berechtigt ober verpflichtet zu
fein, durch öffentliche Kundgebung ertremer Anfihten das Ver
trauen in bie unter ihrer Mitwirkung zu fällenden Urteile er
ſchutterten, bisziplinarifh abgeurteilt und auch unfreiwillig
verfegt werben follten, da fie ja auch dazu entjcheiden berufen
feien, wo es fid um die Frage handle, ob ein Staatsbürger
wegen einer von ben Organen ber Staatsregierung behaupteten
Verlegung der Gejege zu beftrafen fei. Die Verwaltungs:
beamten machte eine weitere Verordnung vom 11. Juli vollends
zu willenlofen Werkzeugen bes jebesmaligen Minifteriums.
Unter ſolchem Drud ergaben die Wahlen dann freilich eine
fihere Mehrheit für das Minifterium, zumal die bisherige Linke
ben Fehler beging, wegen ber Rechtswidrigkeit des oftroyierten
Wahlgefeges fih der Wahl zu enthalten. Die Oppofition in
ber zweiten Kammer, in der nicht weniger als 200 Beamte
faßen, bildete ein Meines Häuflein Altliberaler. Dennoch drang
die Regierung nicht in allen Stüden durch, fo ſchlagfertig
Manteuffel, um Argumente nie verlegen, fie auch vertrat, und
als fie dann unter vielfahem Streit mit dem launenhaften
König, der feinen Miniftern gegenüber zwiſchen Bezeugungen
zärtlichen Vertrauens und beleidigendem Schelten ſchwankte,
fo daß ein Miniftermechfel wiederholt nur mit genauer Not
vermieden wurde, gegen Ende bes Jahres trogbem ihrem
1. Die Entftehung der Verfafjung. 285
Biele ganz nahe war, wurden ihr unerwarteterweife von dem
Könige ſelbſt Schwierigkeiten bereitet, bie alles wieder in Frage
fellten.
Je näher ber Augenblid kam, wo er ben ihm in ben
Tod verhaßten Ronftitutionalismus durch den Eid auf die Ver-
faſſung als für alle Zeiten und unantaftbar gültig anerkennen
Tote, defto Frampfhafter rang Friedrich Wilhelm um einen
Ausweg, auf dem er fi diefer vermeintlichen äußerften
Demütigung entziehen könnte. Auch beftärkten ihn von feinen
Intimen mande in biefer Abfiht und wollten ihm zu ihrer
Verwirklihung verhelfen. Vielleicht gaben, meinte der durch
den Kämmerer Schöning an ihn gelommene Geheimerat Sägert,
der Leiter des Taubſtummenweſens, ben General v. Gerlach
als Abb& de l'épée verfpottete, die Kammern ihm ihrerfeits
die Handhabe zu einem Staatsftreih, der, alles feither Ges
ſchehene gleihfam auslöfchend, bireft auf den Vereinigten Land:
tag zurüdgreifen und jo feinen alten ſtändiſchen Verfafjungs-
plänen zur Verwirklichung verhelfen könnte. Zu feinem Bedauern
trat ein folder Zwiſchenfall aber nicht ein. Als daher um
Weihnachten die Revifion der Verfaflung, im weſentlichen ganz
nad dem Willen des Minifteriums — felbft der anftößige
Artikel 105 (S. 274) war, wenn aud in etwas veränderter
Faffung angenommen — beendet war, bezeichnete er plöglich
den Miniftern nicht weniger ala 17 Punkte, in denen fie noch
geändert werben müßte, wenn er fie beſchwören follte. Sie
betrafen unter anderen bie Bildung ber erfien Kammer, wo
er noch immer mit feiner erblichen Pairie durchzudringen hoffte,
die Fideifommiffe und andere Fragen, in denen feine mittelalters
lien Anſchauungen den modernen feindlich gegenüberftanden,
während andere ihn einig zeigten mit den realtionärften Genoffen
der Camarilla. Nicht genug, daß er für Aburteilung von
Hochverrat und Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates
einen befonderen Staats:, das Heißt alfo Ausnahmegerichts-
bof forderte: er wollte au, daß alle Beamten, auch die richter⸗
lien, wegen Ungehorfams gegen eine Verordnung follten fo-
fort abgefegt werben können. Der Artikel „die Wiſſenſchaft
und ihre Lehre ift frei“, ſollte geftrihen werben, weil fonft
286 Viertes Bud. Revolution und Reattion.
„jeber rote Profefior den Freibrief habe, Ludwigs XVI. Er:
morbung und anderes ala gut zu lehren“. Ferner ſollte
die Zuftimmung des Landtages nur für die Erhebung ber»
jenigen Abgaben unerläßlih fein, die in ber „Ehe zwiſchen
Staat und Landtag“ neu votiert werben würben, aber nicht für
die Forterhebung der bereits beftehenden, vor diefer „bigamen
Ehe“ erzeugten.
Sole Forderungen ftelten alles in Frage. Sie fämtlih
zu vertreten waren feldft diefe Minifter außer ftande, und auch
nur die witigften der Kammer abzuringen, war wenig Aus-
fit. Wer aber würbe, fehieven Brandenburg und Manteuffel
aus als Berater, dieſem unberechenbaren, unzuverläffigen König
an die Seite treten wollen? Selbſt fein Herzensfreund Rabo-
witz, den Brandenburg, jo wenig er mit ihm harmonierte,
doch nad dem Nüdtritt H. v. Arnims herbeigeholt hatte, weil
mit dem König nicht fertig zu werben war, urteilte bereits
ebenfo, es ſei mit ihm nicht auszufommen, nichts gerate in
feinen Händen, er könne eben niit regieren. Diesmal jedoch
ſchien jelbft die Scheu vor den peinvollen und immer bemütigen-
den Aufregungen einer Minifterfrifis auf denſelben feinen Ein:
drud zu machen, obgleich Leopold v. Gerlah die dann ein-
tretende Lage als das größte Unglüd anfah, das Preußen
treffen Tönne, weil fie die moraliſche Exiſtenz des Königs zu
vernichten drohe. Da riefen die Minifter Rabowig zu Hilfe,
oder, wie ber König es nachher ausdrückte, „ließen ihn wie
einen Kettenhund auf ihn los“. Und der Zauber feiner Per-
fönlichleit bewährte fi wieder: er rang dem König den Ver-
sicht mwenigftens auf einige feiner nachträglichen Forderungen
ab. Zmmerbin mutete die königliche Botſchaft, die unter Gegen-
zeihnung der Minifter am 7. Januar 1850 an die Kammer
erging, dieſer noch eine Reihe ſtarker Konzeffionen an das un:
bekehrbare Vorurteil des Königs zu, der nun einmal fein fou=
veräned Ich auch den beredhtigtften Intereſſen der Gefamtheit
als allein maßgebend entgegenzufegen beliebte. Und es gelang
Manteuffel, in mehrtägigen heißen Debatten bie Mehrzahl ber
töniglihen Wünfche durchzuſetzen. Das jest nit Erreichte
hoffte man fpäter nachzuholen. Denn von der Camarilla wurden
III. Die Entftehung der Berfaffung. 287
nicht nur weſentliche Verfaſſungsartikel, fondern die ganze
Verfaſſung als proviforiih angefehen. Und Proviforien ers
Härte General Gerlah in allen Konftitutionsfragen für bes
ſonders vorteilhaft. Trogdem fträubte fi) der König nach wie
vor gegen ben Eid, dur den er nad feiner Gemahlin Ans
ficht zum Präfidenten herabfanf. Er wollte nur mit Vorbehalt
ſchwören. Wieder fiimmte Rabowig ihn um. Am 31. Januar
erflärte er fein Einverftändnis mit der Verfaffung, wie fie nun
vorlag. Nun beforgten die Minifter aber, er möchte durch
feine Rede bei ber Eibesleiftung alles verderben: am liebften
hätten fie es geſehen, er hätte auf eine Anſprache überhaupt
verzichtet und ſich auf Leiftung des Eides beſchränkt. Brieflich
bat ihn daher Brandenburg „fußfällig“, was er da fagen
wolle, aufzufgreiben und wenigftens ihm und Manteuffel mits
zuteilen: bas Vertrauen zu ihnen habe er doch verloren und
behalte fie nur in Ermangelung eines Beflern bei. Er unter:
zeichnete ſich „mit der Treue eines fortgefloßenen Hundes Br.“
Seiner Bitte verhalf die erneute Einwirkung von Radowitz
denn auch ſchließlich zur Erfüllung.
Dennod war die Rebe, mit ber ber König am 6. Februar
1850 die feierlihe Handlung im Weißen Saal des Berliner
Schloſſes einleitete, in mancher Hinficht fehr bedenklich, fand
aber freilich eben deshalb den Beifall der offenen und ver-
Tappten Abfolutiften. Wenig glücklich betonte fie bie Ent-
ftehung ber Verfaflung in einem Jahre, das die Treue wer-
dender Geſchlechter vergebens mit Thränen aus der Geſchichte
Preußens zu tilgen wunſchen werde. Ein Werf des Augenblide,
trage fie an fi den breiten Stempel des Urfprungs in den
Tagen, da im buchſtäblichſten Sinn des Wortes das Dafein
des Vaterlandes bedroht war, und fei in bie jegige Form erft
gebracht durch die aufopfernde Treue von Männern, bie feinen
Thron gerettet. Indem auch fie die befiernde Hand daran
legten, haben, fo bemerkte der König weiter, die Kammern
ihm ein Pfand dafür gegeben, daß fie die vor der Sanktion
begonnene Arbeit der Vervollommnung auch nachher nicht
laſſen, fondern das Werk auf verfaflungsmäßigem Wege ben
Lebensbebingungen Preußens immer entſprechender geftalten
288 Biertes Bud. Revolution und Reattion.
helfen wollten. In biefer Hofinung könne er es beftätigen.
Auch künftig erwarte er von ber Treue feines Volles und
feiner Vertreter Hilfe gegen die, welche die von ihm verlichene
Freiheit zum Dedel der Bosheit mahen und gegen ihren Ur:
beber Fehren würden, indem fie die Verfaſſung betrachten
möchten gleihfam als Erſatz für die göttliche Vorfehung, die
Geſchichte und die alte heilige Treue. Der in alledem an
gedeutete Vorbehalt wurde aber auch noch ausbrüdlich gemacht,
indem der König es als Lebensbebingung bes neuen Schwurs
binftellte, daß ihm das Negieren mit biefem Gefeg möglich
gemacht werde. „Denn,“ fo fagte er, „in Preußen muß ber
König regieren, und Ich regiere nicht, weil es alfo mein
Wohlgefallen ift — Gott weiß es —, fondern weil es Gottes
Ordnung iſt, darum will ich auch regieren!” Und dann wieber-
holte er, es mit feierlihem „Ja, ja“ befräftigend, das bei
der Königsberger Hulbigung geleiftete Gelöbnis (S. 218) und
das vor dem Wereinigten Landtage abgelegte Belenntnis
(S. 231) und verpflichtete fi mit „Ja, ja, das will ich, fo
Gott mir helfe“ feierlich, wahrhaftig und ausbrüdlih, vor
Gott und Menſchen die Verfaffung des Landes feſt und uns
verbrühlich zu halten und in Wehereinftimmung mit ben Ge:
fegen zu regieren.
Jebenfalls war das ein ungemöhnlicher Eid. Aber er ent-
ſprach der ungewöhnlichen Eigenart des Schwörenden. Indem
er nicht die Geftalt, in ber die Verfaſſung vorlag, betonte,
fondern ihre urfprünglihe Mißgeftalt und ihre fpätere noch
fortzufegende Vervolllommnung, befhwor er fie nicht als etwas
Unveränderlides, fondern fein Eid galt vorgreifend jener Ver:
faſſung ber Zukunft. Auch bier tritt wieder jeine Unwahrs
baftigfeit gegen fih und andere zu Tage, bis zu einem ge:
wiſſen Jefuitismus gefteigert. Damit jein Eid beftehen könne,
fol die Verfaffung ihm angepaßt werben. Das beweift eine
arge Verwirrung ber Begriffe und die Unfähigkeit, die jüngfte
Entwidelung zu verftehen und ihren Ergebnifien Rechnung zu
tragen. Das Königtum von Gottes Gnaden fand für ihn
nad wie vor über der Verfaffung und über dem Verfaffungs-
eid. Was er am 6. Februar 1850 mit feinem Volke ſchloß,
IN. Die Entftehung der Berfafjung. 289
war nicht ein ehrlich gemeinter und als endgültig angefehener
Friede, fondern ein Waffenftillftand, den im rechten Augenblid
zu kundigen er ſich vorbehielt. In diefem Punkte war er mit
der Camarilla einig.
Dennoch war gerade in jenem Zeitpunkt felbft ein folder
Waffenſtillſtand ein Glüd für Preußen. Der Fortgang ber
mit dem Dreilönigsbündnis (S. 281) eingeleiteten Unions-
politit hatte zu Verwidelungen geführt, die eine kriegeriſche
Auseinanderfegung mit Defterreich zu gebieten ſchienen. Nur
war ber Gedanke daran dem König gerade fo unfaßbar wie der
eines wirklich verfaffungsmäßig beichränkten Regiments. Aber
aud bier drängte ihn die Wucht ber Thatſachen zunächft auf
einen Weg, den zu verfolgen durchaus gegen feine Weberzeugung
war und von dem er jhon, als er ihm betrat, möglichft bald
wieber loszulommen begehrte. Der Kampf der in feiner Um»
gebung ringenden Parteien entbrannte daher auf diefem Ge:
biete befonders heftig und warf den von fremdem Einfluß ab-
bängigen König zwiſchen jo unverföhnbaren Widerſprüchen hin
und ber, daf mit feiner Würde zugleich das Anfehen Preußens
ſchwer gefhädigt wurde und ihm endlich die Unterwerfung
unter einen fremden Willen als Rettung aus jeldftverfchuldeten
Gefahren erſchien, obgleid er die Verantwortung auch dafür
anderen zufchob.
Bayern und Württemberg waren dem Dreilönigsbunde
fern geblieben. Entſprechend dem von ihnen gemadten Vor—
behalt (S. 282), defien Bedeutung in Berlin völlig verfannt
war, hatten fi) infolgebeflen au; Hannover und Sachſen davon
zurüdgezogen und (21. Oftober 1849) ihre Bevollmächtigten
aus dem Erfurter Verwaltungsrate abberufen. Klarer und
konſequenter war biefe Politif freilih als die Preußens, das
inzwifchen, verblendet fich felbft entgegenarbeitend, zur Reftaus
ration bes Bundestages und damit bes ungebefierten Deutſchen
Bundes den erften Schritt thun half. Die zarten, aber Klug
geleiteten Hände ſehr zielbewußter fürftliher Frauen ſchurzten,
To feheint es, die Mafchen des Netzes, in benen es ſich fangen
follte. Einem Familientage, den Friedrich Wilhelm und feine
Gemahlin mit deren Schweftern und Schwägern, dem „eönige
Brug, Preufifge Geihicte. IV.
290 Viertes Buch. Revolution und Reaktion.
lichen und dem kronprinzlichen Paare von Sachſen, und ihrem
Neffen, dem jugendlichen Kaifer von Defterreih, Anfang Sep-
tember in Pillnig hielten, folgte am 30. der Abſchluß bes
Interim, nad dem zum Zweck ber Erhaltung des Deutſchen
Bundes Defterreih und Preußen im Einverftändnis mit dem
abtretenden Reichsverweſer die Ausübung der Zentralgewalt
für den Deutſchen Bund übernehmen und durch eine Kommif-
fion, zu der fie je zwei Mitglieder ftellten, bis zum 1. Mai
1850 führen follten, falls nit bie der freien Vereinbarung
der einzelnen Staaten überlafiene Verfaflungsfrage früher ge—
ordnet würde. Auch die dem Dreilönigsbund beigetretenen
Staaten ließen dieſes Vorgehen Preußens gutgläubig als mit
bemfelben vereinbar gelten. Als num aber der Erfurter Ver⸗
waltungsrat, dem Radowitz präfidierte — mas nicht hinderte,
daß er nachher Preußen zunächſt auch in der im Dezember auf
Grund des Interims gebildeten Rommiffion vertrat —, auf
Ende Januar 1850 die Wahlen für die Volfavertretung des
nun offiziell als Union bezeichneten engeren Bundes ausfchrieb,
weigerten fi Sachfen und Hannover, dem nadzulommen, und
Defterreich proteftierte Dagegen als eine Verlegung ber Pflichten
Preußens gegen den Deutfhen Bund. So war, beharrte Preußen
auf dem eingefchlagenen Wege und hielt die ihm zugefallenen
Staaten feft zufammen, der Moment ber Auseinanderjegung
mit Defterreih nahe gerüdt. Der Aufftände in Ungarn und
Stalien Herr geworden und der Hilfe des feines Schwager
Plänen feindliden Zaren gewiß, rüftete fich dieſes, die Vor-
herrſchaft in Deutſchland im Notfall mit Waffengewalt zu be⸗
baupten. Auf des großiprecheriihen Radowitz eigenmächtige
Drohung mit einer preußifhen Mobilmahung, begann es in
Böhmen Truppen zu Eonzentrieren. Auch ließ fi das Mini-
fterium Brandenburg-Manteuffel, ſcheinbar mit Radowig einig,
von den Kammern am 18. Februar 1850 eine Anleihe von
18 Millionen zu rechtzeitiger Waffnung gegen die Feinde der
Ordnung bewilligen. Die wiberftrebend und mit geheimem
Vorbehalt beſchworene Verfaffung bewährte ſich demnad als
wirffame Stüge für eine Fräftige auswärtige Politil. Eine
folde ließ die Haltung Preußens auch fonft erwarten. Der
II. Die Entftehung der Verfaffung. 291
Verwaltungsrat berief bie in dem Verfaffungsentwurf vorgefehene
NReihsverfammlung auf den 20. März ein. Hannovers end»
gültige Losfagung beantwortete er durch eine Klage bei dem
Bundesſchiedsgericht, Preußen durch den Abbruch ber diplo-
matifhen Beziehungen.
Um fo enger aber verbanden fih nun in Berlin aud alle
dem Gedanken ber nationalen Einheit als einer Frucht der
Revolution feindlihen Mächte zu gemeinfamem Gegenwirken.
Dachte doch der König troß zeitweiliger nationaler Anwand⸗
kungen im Grunde genau fo wie fie und erlag eigentlich gegen
feine politifhe Ueberzeugung dem Zauber, den die Perfönlidh-
teit feines Herzensfreundes Radowitz auf ihn ausübte, während
diefen im Minifterium in aller Heimlichkeit, aber mit fteigendem
Eifer Manteuffel, an der Spige der Camarilla mit wachjjender,
aud vor den bedenklichſten Mitteln nicht zurüdichredender Er⸗
bitterung General v. Gerlach, parlamentarifch aber namentlich
Bismard ebenfo heftig wie ſchlagfertig befämpfte. Dort freute
man fi jebes neuen Hinderniſſes, das ber Union bereitet
wurde, und fie durchzuſetzen, den Krieg unvermeidlich erfcheinen
ließ. Denn daß der König zu einem ſolchen nicht zu vermögen
fei, waren diefe Herren ſicher. Konnte er doch auch in biefer
Krifis ben einander ausſchließenden Möglichkeiten gegenüber
nit zur Entſcheidung fommen, ſchwankte zwiſchen halbem
Widerftand und halbem Nachgeben und verlegte ſich ſelbſt da⸗
dur alle anfangs noch möglichen Wege, bis ihm ſchließlich
nur noch ber von den triumphierenden Gegnern gewieſene blieb.
Der Abſchluß des von Bayern geleiteten Vierkönigsbund⸗
niffes am 17. Februar 1850, das nur ben Bwed hatte, bie
Leitung ber Bunbesreform Preußen zu entwinden, ſchien zu
nächſt zwar befien Energie zu fleigern. Aber ber Gedanke,
nun durch ſchleunige Annahme des Verfaffungsentwurfs feitens
des Erfurter Parlaments bie Union als vollendete Thatſache
binzuftellen, widerftrebte dem König, weil er einige liberale
Beftimmungen darin geändert haben wollte, wibrigenfalls auch
er ausſcheiden müfle. Nun wurde das zwar glüdlich abgewandt,
indem bie Mehrheit zu Erfurt beiden Forderungen gerecht
wurde, durch Annahme des von ben verbündeten Regierungen
292 Bierted Buch. Revolution und Reaktion.
vorgelegten Verfafiungsentwurfs im ganzen die Union konſti⸗
tuierte und dann durch eine feinen Wünfchen entſprechende
Reviſion dem König den Vorwand nahm, fi von Radowitz'
Werk Ioszufagen. Aber die Anerkennung ber Verfaſſung ſprach
er doch nicht aus: fie hätte zum Bruch mit Deſterreich geführt.
Angefihts des Ganges ber Dinge zu Erfurt nämlich hatte
biefes bereits am 19. April alle deutſchen Staaten außer
Preußen, das bei ihm bisher vergebli um eine Verlängerung
des am 1. Mai 1850 ablaufenden Interims geworben hatte,
zur Beſchickung einer von ihm als Präſidialmacht des Deutſchen
Bundes zu leitenden Konferenz eingeladen, an deren Bejchlüffe
aud die nicht vertretenen gebunden fein folten. Preußen er
bielt von diefer Perfidie zufällig Kenntnis, wies das Projekt
aber trogdem nicht einfach als Bedrohung mit bundeswidriger
Vergewaltigung zurüd, fondern erklärte fih (22. April) zur
Teilnahme bereit, wenn bie Einladung von ben beiden deutſchen
Großmächten gemeinſam erlaflen und die Zufammenkunft nicht
als Fortfegung des Bundestages behandelt, die Union aber
anerkannt und zu forporativem Handeln zugelaflen würde.
Durch dieſes ſchwächliche Entgegenkommen gab Preußen bie
Union eigentlich bereits auf: ihr gegenüber konnte Schwarzen⸗
berg des ſchließlichen Sieges gewiß fein und fi alles erlauben
zu dürfen glauben. Auch fonft arbeitete alles an der Auflöfung
der Union: hier fuchten die Regierungen von ihr loszukommen,
bort befämpften fie bie liberalen Volksvertretungen als gefähr-
lich für die Freiheit. Beſonderen Eifer entwidelte in Kur:
heſſen, an die Spite der Regierung zurüdgelehrt, der fo Tange
in Preußen verforgt gewejene (S. 203) Haffenpflug. So ficher
fühlte fih daher Schwarzenberg der Zukunft, daß er am
26. April im Namen des Bundespräſidiums bie deutſchen Staaten
aufforberte, zum Mai Bevollmächtigte nach Frankfurt zu ſchicken,
um auf Grund der Bundesafte von 1815 und der Schlußafte
von 1820 eine proviforifhe Zentralgewalt zu bilden und bie
Bundesverfaſſung zu revidieren. Daß legteres nicht zu ernit
gemeint war, verftand fi von felbft.
Aber au auf diefe Herausforderung blieb Preußen die
rechte Antwort ſchuldig. Wie an allem, was fi nur in muh⸗
IH. Die Entftehung der Berfaffung. " 293
feliger Arbeit fördern ließ, hatte der König auch an der Union
bereits die Zuft verloren, fand aber nod nit den Mut, fi
ihrer durch einen raſchen Entſchluß zu entlebigen, fondern hoffte
das durch andere gethan zu ſehen. Der Gerlachſche Kreis da-
gegen ſah mit unverhohlener Genugthuung Preußen „die Lappen
der Union einen nad) dem anderen vom Leibe gerifien” werben
und erging ſich in tugendhafter Entrüftung über die „Unreblid-
teit einer Politik“, welde die Dinge behandle, als ob man
fie wollte, und fie fid dann abſchlagen laſſe. In ber Kreuz:
zeitung eröffnete fie einen wütenden Kampf gegen ben „Slo-
vaken“ Radowitz, der Preußen durch das Bündnis mit ber
Revolution ins Verberben ftürzen wolle. Von den Miniftern
ließ Brandenburg den föniglihen Günftling gewähren, ber des
Auswärtigen, v. Schleinig, der befondere Vertrauensmann der
Prinzeffin von Preußen, bemühte fih um bie Durchſetzung des
Erfurter Programms, Manteuffel aber, der den König am
richtigſten beurteilte und für feine geheimen Abfichten die feinfte
Witterung hatte, ließ fi von feinem Beirat in biplomatifchen
Dingen, Legationsrat Küpfer, bereits bie Argumente dafür
vortragen, daß Preußen am beiten thue, die Union aufzugeben
und fih mit Defterreih zu verftändigen und zu verbünden.
Au die Rammermehrheit ſah bereits in der Herftellung bes
Bundestages die einfachfte Löſung aller Schwierigkeiten. Der
König aber, unfähig einer diefer Parteien rüdhaltlos beizu-
pflichten, ſchlug wieder einen Mittelweg ein, der in eine Sad-
gafle führte. Auf Anregung des liberal und national denkenden
Herzogs Ernſt II. von Koburg lud er die verbündeten Fürften
auf den 8. Mai nad Berlin. Nur der König von Sachſen,
der Herzog von Naflau und der Großherzog von Heflen er-
ſchienen nicht: letzterer ließ ſich herausfordernderweiſe durch feinen
kurfürſtlichen Vetter vertreten. Mit dieſem kam Haſſenpflug.
Stolz darauf, daß die Hefien hier die erfte Violine fpielten, da
von ihrer Haltung das Schidjal der Union abhing, trat er,
wie Gerlach, der ihn freilih ale „Staatsmann“ hochſchätzte,
klagt, „mit parvenuhafter Rüpelei” auf und verfuchte ſogar
Radowitz, weil er nicht Minifter war, von den Beratungen
auszufchließen. Weber über die Verfaffung noch über das Ver-
294 Bierted Bud. Revolution und Reaktion,
halten dem Frankfurter Kongreß gegenüber einigte man fi
völig und begnügte fih ſchließlich mit einem Proviforium bis
Mitte Juli. Aus den Worten, mit denen der König am
16. Mai den Fürftentag ſchloß, Hang bereits bie Ueberzeugung,
dag auch dieſes Experiment gefceitert und die Union aufs
gegeben fei. Wenn er dennoch gewillt ſchien, fie mit Gewalt
durchzufegen, fo war das nur ein Auffladern feines preußiſchen
Chrgefühls unter dem faszinierenden Einfluffe von Radowitz.
Sept begann zwifchen diefem und Manteuffel der Entſcheidungs⸗
kampf, in welchem legterer mit der Camarilla die dem König
imponierenbe Autorität des jeder Einigung Deutſchlanda feind⸗
lihen Zaren hinter ſich wußte,
An demjelben 16. Mai, an dem ber Fürftentag ausein-
anderging, Fonftituierten fih in Frankfurt unter Graf Thun
als Präfivialgefandten die Vertreter der vier Königreiche, Kur-
befiens, der Niederlande und Dänemarks (für Luremburg und
Holftein) als Bundestag. Verhandlungen, die unter Ver—
mittelung des Zaren, mit dem Ende Mai der Prinz von Preußen
in SHernowice bei Warſchau zufammentraf, geführt wurden,
blieben erfolglos, obgleich Defterreih unter dem Drud innerer
Schwierigkeiten und feines ruffiihen Beſchützers nicht bloß das
anfängliche Verlangen nad Aufgabe ſowohl der Union wie ber
oftroyierten Verfafiung, von ber es einen nachteiligen Einfluß
auf feine deutſchen Unterthanen fürdhtete, fallen ließ, fondern
Preußens Verzicht auf die Union fogar vergelten wollte durch
Preisgabe des reftaurierten Bundestages und Regelung ber
deutfhen Frage durch alle beteiligten Staaten auf freien Kon:
ferenzen. Denn noch überwog in Berlin der Einfluß Radowitz'.
Da entftanden neue Verwidelungen über Holftein. Nachdem
die auf Grund des Malmder Waffenftillftandes in London ger
führten Verhandlungen an dem Uebermut der Dänen gefcheitert
waren, hatte der Krieg im Frühjahr 1849 wieder begonnen,
ohne daß die unter General v. Prittwig in Zütland eingerüdten
Preußen, durch diplomatiſche Rüdfichten gehindert, etwas hätten
leiften fönnen. Ja, ihre Unthätigleit machte die öffentliche
Meinung verantwortlich für die Niederlage, welche die fchleswig-
holſteinſche Armee am 6. Juli 1849 bei Fridericia erlitt. Da
III. Die Entftehung der Berfafjung. 295
es eine deutſche Zentralgewalt nicht mehr gab, ſchloß Preußen
nun auf eigene Hand mit Dänemark Waffenſtillſtand. Lang-
wierige Verhandlungen in Berlin führten angeſichts des drohen⸗
den Konflifts mit Defterreich unter dem Drud Rußlands und
der möglichen Einmifhung Frankreichs endlich am 2. Juli 1850
zu einem Frieden, ber die Herzogtümer ihrem Schidfal über:
ließ. Befiegelt wurde dieſes durch das Londoner Protokoll vom
2. Auguft 1850, das die Einheit des däniſchen Geſamtſtaates
garantierte. Zwar trat Preußen ihm nicht bei, bemühte fi
aber doch der eingegangenen Verpflihtung gemäß um bie
Ratifilation des Friedens durch die übrigen deutſchen Staaten.
Zu biejer aber erflärten bie Mittelftaaten allein den Bundes»
tag für berechtigt, deſſen Eriftenz Preußen überhaupt nicht
anerfannte.
Auch die Spannung mit Defterreih wuchs. Diefes beftritt
Preußen nun fogar das Recht zum Abſchluß von Militärs
Tonventionen mit ben Kleinſtaaten, durch Die e8 wenigſtens einigen
Erſatz für die zerfalende Union zu ſchaffen fuchte, wollte feine
Mitwirkung nicht zulafen bei der Reorganifation der badiſchen
Armee und bereitete ihm auch fonft, wo es konnte, Hinder⸗
niſſe und Schwierigkeiten. Weil jedoch in der Sache bes
dänifchen Friedens Rußland zu Preußen ftand, es dieſe alfo
nicht wohl zum Bruch treiben konnte, kam Defterreich Preußen
unerwartet weit entgegen und wollte ihm nicht bloß gemein⸗
ſame Erekutive und Wechfel im Vorſitz des Bundes einräumen,
fondern auch die Bildung eines engeren norbbeutfhen Bundes
zulaſſen. Da aber inzwiſchen die Dänen Schleswig erobert
hatten, Holftein jedoch noch widerftand, gelang es Schwarzen«
berg, indem er biefes durch nachträglichen Beitritt zu dem
Londoner Protofoll preisgab, Rußland von Preußen zu trennen
und legteres vollends zu ifolieren. Von Bugeftändnifien war
nun nit mehr die Rede. Am 2. September wurde mit der
Eröffnung bes engeren Rats des Bundestages, von deſſen
17 Stimmen freilid zunähft nur 11 vertreten waren, bie
Reftauration des Bundes ins Werk gefegt, und eine glüdliche
Fügung bot Preußens Gegner Gelegenheit, feine Autorität
alsbald in einer Sache zur Geltung zu bringen, wo Preußen,
296 Viertes Buch. Revolution und Reaktion.
nachdem es den Moment zum Handeln verfäumt, fi vor die
Wahl geftellt ſah, ob es unter den ungünftigften Umftänden
einen Kampf um fein Dafein wagen oder fi ihnen beugen
wollte. Die Handhabe dazu bot der kurheſſiſche Verfaflungs-
ftreit. Um die Union allein wäre es trotz Radowitz fo weit
nie gelommen. Freilich meinte der König, durch ihre Preis-
gabe würbe fi) Preußen „avilieren”, ſchalt aber ihre Verfafjung
einen „Wiſch“ und kam zurüd auf fein phantaſtiſches Ideal
eines großen Mittelreiches unter dem gefrönten und gejalbten
Raifer von Defterreih als Römiſchem Kaifer, neben dem Preußen
bas „eigentliche Deutſchland“ mit einem Königskollegium neben
fi regieren müßte.
Als Haffenpflug, deſſen Treiben namentlih den Prinzen
von Preußen mit ber äußerften Entrüftung erfüllte, den Wider:
ſtand des Landes unter dem Zwange bes Kriegszuſtandes mili⸗
täriſch brechen wollte, weigerte fi die Armee ſolches Schergen-
dienftes. Mit dem Kurfürften nad Frankfurt entweichend, rief
der Minifter die Hilfe des eben aufgelebten Bundestages an,
der froh war, buch ihre Gewährung feine zweifelhafte Autoris
tät zur Anerfennung bringen zu können. Die beſchloſſene
Yundeserefution aber enthielt eine ſchwere Bebrohung Preußens,
da fie das feine öftlihen und weſtlichen Provinzen trennende
Land ihm feindliden Truppen ausantwortete. In Kurheſſen,
das zudem nominell noch der Union angehörte, follte Preußen
getroffen und dauernd unfähig gemacht werben, ſich ber Füh-
rung in Deutfchland zu bemächtigen, die es zu gewinnen eben
auf dem Wege gewejen war. Meinte doch felbft ber greife
Metternich, jegt fei der Augenblid gelommen, um Preußen
zu bemütigen, und wohin man ftrebte, verriet des Grafen
Thun Frage an einen naſſauiſchen Diplomaten: „Wie lange
glauben Sie denn, daß Preußen noch die Aheinlande befigen
wird?“ Alte Pläne hoffte man alfo jegt verwirklicht zu ſehen.
In Berlin rechnete man zwar bereits im Juli mit ber
Möglichkeit eines öſterreichiſchen Angriffs, erkannte aber doch
nit die ganze Größe ber Gefahr. In den leitenden Kreifen
herrſchte Heillofe Verwirrung. Die Camarilla wollte vor allem
von ber Union losfommen, „die reellen Dinge in ihr, bie
III. Die Entftehung ber Berfaffung. 297
wirklich Leben hätten, die Preußen allein Deutichland gewähren
tönne, retten, das heißt es aus den Wirren des Konftitutionalis-
mus erlöfen”. So dachten mit Gerlah von den Miniflern
jest nit bloß Manteuffel, fondern aud Brandenburg und
Schleinitz. Der König aber, im Grunde mit ihnen einig und
mit ber Union als einem Werk ber Revolution innerlich fertig,
erlag noch dem Einfluß von Radowitz und ſchien entſchloſſen,
den von ihm gewieſenen Weg energiſchen Handelns zu verfolgen,
ſo daß Brandenburg ſelbſt ſchließlich des Vielgehaßten Er—
nennung zum Miniſter des Auswärtigen veranlaßte (23. Sep⸗
tember). Als ſolcher wies dieſer die Einmiſchung des Bundes-
tages denn auch energiſch zurüd und gab feinen Erklärungen
durch militärifhe Maßnahmen Nahdrud. Die Gegner blieben
die Antwort nicht ſchuldig. Perfönlih ſchloſſen der Kaifer
von Defterreih und die Könige von Bayern und Württemberg
am 11. Oftober zu Bregenz ein Schuß: und Trugbünbnis,
das 20000 Mann gegen Preußen ins Feld ftellte.
Für diefes Bing alles von der Haltung ab, die Rußland
einnehmen würde. Es zu gewinnen, ging Graf Brandenburg
Mitte Oftober nah Warſchau, wo ber von Schwarzenberg be=
gleitete Raifer von Defterreih mit dem Zaren zufammentreffen
folte. Letzterer wollte vor allem das noch gegen bie Dänen
fechtende Holftein entwaffnen, demnädft in der kurheſſiſchen
die legte noch unbezwungene revolutionäre Bewegung in Deutfch-
land nieberwerfen. Beides hoffte er durch Defterreih mit Hilfe
des erneuten Bundestages zu erreichen und lehnte es baher ab,
auf diefes zu Gunften ber von Preußen gemachten Vergleiche:
vorſchlãäge einzuwirken, die wenigftens eine teilmeife Bundes:
reform und bie Orbnung der holſteiniſchen und kurheſſiſchen
Sade durch die beiden deutſchen Großmächte wollten. Seinem
Unmwillen über Preußens Widerftreben gab er im gefliffentlich
geringiägiger Behandlung Brandenburgs verlegenden Ausbrud.
Auch waren ſchon bayriſche und öfterreihif—he Truppen unter
Fürft von Thurn und Taris nah Heffen unterwegs. Die zur
Verbindung feiner beiden Gebietshälften unentbehrlichen Etappen⸗
fragen zu fihern, ließ Preußen den General v. d. Gröben
einrüden: er folte jene nötigenfalls gewaltfam hindern. Zum
298 Viertes Buch. Revolution und Reaktion.
Kriege jedoch wollte es der ar nicht kommen lafien, riet viel:
mehr Schwarzenberg dringend zur Verfländigung. Was aber
Brandenburg mit diefem am 28. Oftober vereinbarte, war ein
voller Sieg Deſterreichs, kaum verhült durch einige formelle
Zugeftändnifie an Preußen. Denn während er die Union
preisgab und fi mit fehe fragmwürbigen Vertröflungen auf
eine befjere Stellung Preußens im Bunde begnügte, die zu
regeln von beiden Mächten gemeinfam zu berufenden freien
Konferenzen der deutſchen Staaten vorbehalten blieb, Rimmte
er dem Fortgange ber vom Bundestage eingeleiteten Mafregeln
in Heſſen und gegen Holftein bei, verließ alfo den von Rado-
wig als auswärtigem Minifter eben eingeſchlagenen Weg.
In Berlin aber fand Brandenburg heimfehrend die Lage
vielmehr friegerifh gewandelt. Am 29. Oftober war beſchloſſen,
den Einmarſch der Bayern in Kurheſſen mit der Mobilmachung
der ganzen Armee zu beantworten. Radowitz ſchien Sieger,
die Camarilla, die mit den Geſandten Rußlands und Defters
reiche, Budberg und Profefh, im Einverfländnis war, dem
Srliegen nahe. Aber nod war nit mobil gemadt. Die
Friedenspartei im Minifterium, nun dur Brandenburg ver-
ſtärkt, fürchtete durch diefen Schritt dem Krieg unvermeidlich
zu maden. Der König rang in taufend Zweifeln. Er ſchalt
die unpreußifhe Art feiner Minifter, meinte aber dur bie
Mobilmachung den Erfolg einer völlig friedlichen Politik erft
recht zu ſichern. Er wollte „fh nur den Helm auffegen und
das Schwert umgürten, aber Worte bes Friedens ſprechen“.
Gegen weitere Unterhandlungen auf Grund der Warſchauer
Abmahungen aber erhob Radomig mit Ladenberg und dem
Handelsminifter v. d. Heydt Einſprache: er drang auf gewaffneten
Widerftand gegen bie Bayern, volle Kriegsbereitihaft und Bes
rufung der Kammern, um den Krieg zur Volksſache zu machen:
ſonſt müſſe er zurüdtreten. Aber auch Brandenburg und Mans
teuffel machten ihr Verbleiben im Amte von der Annahme ihres
Programms abhängig. Noch am 1. November kam die Nach-
richt, daß die Bayern die heſſiſche Grenze überfhritten und
Hanau befegt hätten: gegen Brandenburgs Willen wurde
Gröben nun angemwiefen, von Fulda nad Kaſſel vorzurüden.
TIL. Die Entftehung der Berfaffung. 299
Aber alebald ſchreckte der König wieder zurüd vor den Folgen
ſolcher Energie. Dazu Fam feine krankhafte Furcht vor einem
Minifterwechfel, wenn Brandenburg und Manteuffel zurüd:
traten. Die Camarilla, die den preußiſchen Einmarſch in Heflen
als „grobe Ungerechtigkeit“ verſchrie, ftürmte mit allen Mitteln
auf ihn ein, um ihn von dem verhaßten Günftling zu trennen.
Dem allen war der König nit gewachſen. So nahm er,
nachdem er vergeblich verſucht hatte, auf feine Art zwiſchen
den Gegenfägen zu vermitteln, ſchließlich feine Zuflucht wieder
zu dem ihm einft von Gerlach angeratenen „Sich effazieren”,
indem er fi} den ihm zu ſchweren Eöniglihen Pflichten ent-
30g, aber auch feine königlichen Rechte aufgab. Das erklärt,
was geſchah.
In dem Minifterrat am 2. November fließen die Gegen-
fäge hart aufeinander. Der König vertrat eine unbaltbare
Mittelftelung: er wollte mobilifieren, aber au unterhandeln,
Holftein fügen, aber zur Einftellung des Kampfes gegen die
Dänen anhalten, in Hefien bleiben, aber bloß bie Etappen-
ftraßen befegen, dagegen der Union entfagen und die milis
täriſchen Maßnahmen für bloß defenfive erflären. Aber fo:
wohl Radowig, zu dem ber Prinz von Preußen ftand, wie
Brandenburg beharrten. Des Königs ſchließliche Entſcheidung
aber war für beide gleich überrafchend: fie bewies nur von
neuem feine Unfähigkeit, den Thatſachen in das Geficht zu fehen.
Er hatte doch zu viel preußiſches Ehrgefühl, um nicht mit
Radowitz, den er zubem recht eigentlich als „feinen“ Minifter
anfah, zu ſympathifieren. Da aber, erklärte er, die Mehrheit
— (gu Brandenburg und Manteuffel hielten die Minifter des
Krieges, der Finanzen und Juſtiz, v. Stodhaufen, Rabe und
Simons) — auf ihrer Anfiht beharre und er fi von ihr
nit trennen wolle, lafje er ihr freie Hand und wunſche nur,
daß fie ihren Beſchluß nie zu bereuen haben möge. Derjelbe
ging dahin, daf der bayriſche Vormarſch in Heſſen ungehindert
bleiben follte, wenn er die preußifhen Etappenftraßen nit
gefährbete. Preußen beugte ſich dem Willen Oeſterreichs und
Rußlands. Kaum hatte Brandenburg die betreffende Depeſche
nad) Wien entworfen, als er ſchwer erkrankte. Noch ehe er fein
300 Bierted Buch. Revolution und Reattion.
Werk vollendet, ftarb er am 6. November, nach des den Zus
fammenhang nod immer nicht begreifenden Königs Meinung
aus Kummer über den ihm von Defterreich gefpielten Betrug
und das Unrecht, das er Radowitz gethan haben follte, von
der fiegreiden Reaktion alsbald als ihr Held gefeiert. Hier
liegt der Urfprung der Vrandenburg-Legende (Bd. I, ©. 35).
Radowitz fhied aus dem Minifterium. Die Trennung
von dem ebenfo zärtlich geliebten wie bewunderten Freunde
war für den König bei der ganzen Sade das Schmerzlichfte,
und die Net, wie er dem in einem unklugerweife veröffentlichten
Briefe an ihn Ausdrud gab, forderte die Kritik nur allzu
ſehr heraus. Sonft machte er kaum ein Hehl aus ber Freude,
die leidige Sache los zu fein, ohne, wie er meinte, für- bie
Art ihrer Erledigung verantwortlich gemacht werden zu Fönnen.
Wohl ging ihm die Schmad nahe, die für Preußen drohte:
er ſchob fie feinen Miniftern zu und baute zugleich gegen fpäteres
träftiges Handeln derfelben vor, indem er erflärte: „Kommen
fie mir zu fpät mit der Mobilmachung, fo thue ich es nicht,
dann untermerfe ich mich jedem Frieden, ſchon jegt if es zu
fpät u. ſ. w.“ Die fi erneuende und verfhärfende Krifis fand
ihn alfo bereits völlig entfchloffen.
Die Leitung des Auswärtigen fiel proviſoriſch Manteuffel
zu. Bon jeher ein Gegner der Union, war er bereit, den
Frieden ſelbſt um einen noch höheren Preis zu erfaufen, als
ihn Brandenburg hatte zahlen wollen. Doc ſchien ihm der
Uebereifer der Gegner das unmöglih zu mahen. Während
die Bayern fi in Heflen ausbreiteten, jammelte Deflerreich
Truppen an ber Grenze, rüftete Sachſen und drohte Rußland,
wenn Preußen Heffen nicht räumte, mit Krieg. Selbſt Frant-
reich machte Miene, fi anzufchließen. Dem gegenüber bielt
felbft Manteuffel Sicherheitsmaßregeln für geboten, ſchon um
durch den Schein des Handelnwollens die Unruhe des Königs
und die Entrüftung des Prinzen von Preußen zu beſchwichtigen.
Am 6. November, während Brandenburg im Sterben lag,
erging der Befehl zur Mobilmachung. Er fand im Lande
jubelnden Wiederhal. Der König jelbft meinte den Geift
von 1813 neu aufleben zu fehen und ſchien den verlorenen
IN. Die Entftehung ber Verfaffung. 301
Glauben an fein Volt wieberzugewinnen. Das drohte ben
Leitern der großen politiſchen Intrigue das Konzept völlig zu
verrüden. Für den äußerſten Fall freilich ftand ihre Hoffnung
auf Rußland. Auch war es weſentlich Scheu vor diefem, was
den König binderte, jenen Regungen nadzugeben, und als
Defterreidh ben Beginn ber Konferenzen über die Bundesreform
davon abhängig machte, daß zuvor Heflen geräumt und die
Bundeserelution in Holftein zugelafien, auch die Union förm⸗
lich aufgelöft wäre, befahl er Gröben, den Vormarſch einzu:
fielen und auf die Etappenftraße zurüdzugehen. Aber noch
ehe das geſchah, Fam es am 8. November bei Bronzell zu
einem Vorpoftengefecht, bei dem auf öſterreichiſcher Seite einige
Jäger, auf preußiſcher ein Trompeterſchimmel verwundet
wurden — das vielbejpottete einzige Blutvergießen in dieſem
unrühmliden Scheinfeldzug, der nad Manteuffel freilih nur
zur Erhaltung des Friedens, nicht in der Abficht eines Krieges
unternommen war. Schleunigft bewilligte daher Manteuffel,
als Prokeſch nun feine Päſſe forderte (9. November), Defler:
reihe Forderungen und machte nur die Räumung Heſſens
abhängig von beftimmten Zufagen über die Dauer und den
Zwed der Bundeserefution und von ber Anerkennung des
Rechts Preußens auf die dortigen Etappenftraßen. Diefe ftellte
Oeſterreich zwar in Ausfiht, verlangte aber die Freigebung des
Weges für die Erelutionstruppen nad) Kaflel, angeblich weil
nur fo deren Verpflegung gefigert war. Die Einzelheiten dachte
Manteuffel mit Schwarzenberg perfönlich zu ordnen. Da er:
ging am 25. in aller Form ein öſterreichiſches Ultimatum,
das die Deffnung ber Straßen auf Kaſſel bis zum 27. forderte,
wibrigenfalls die Bundestruppen fie’ erzwingen würben. Das
war ſchließlich alfo doc der Krieg, Auch der König ſchien
endlich an der Grenze der Nachgiebigfeit angelangt: hatte er
doch am 21. November bei der Eröffnung der Rammern er:
Härt, Preußen habe in Heſſen ein gutes Recht zu verteidigen
und werde bis zu feiner Anerkennung in Waffen bleiben,
obgleich eine ſolche Ausficht ihn mit Entjegen erfüllte Mehr
denn je offenbarte fi daher in diefem Wiberftreit feine
Neigung, fih und amdere über die wahre Lage zu täuſchen,
302 Vierte Buch. Revolution und Reaftion.
bloß um der Notwendigfeit eines Entichlufies überhoben zu
fein, für den er ſelbſt bie Verantwortung hätte auf fich nehmen
müſſen. Seinen Miniftern wurde er nicht müde, zu erflären,
daß er noch genau fo benfe, wie am 2. November, aljo mit
der Minderheit für Beharren auf dem durch Radowitz ein=
genommenen Stanbpunft jei, zugleich aber zu beteuern, er wolle
feine ganze Autorität einfegen, um bie von der Mehrheit ge-
wollte Löfung des Konflikts mit Deſterreich durch Nachgiebigkeit
zu ermöglien. So widerſpruchsvollem Weſen gegenüber ver-
zagte ſchließlich auch Manteuffel: gemeiniam mit Stodhaufen
und Simons reihte er am 26. November früh feine Entlafiung
ein. Der König wollte davon nichts hören: er befahl ihr
Verbleiben im Amte und umterwarf fi) vollends ihrem doch
niemals ernftlich befämpften Willen, froh, das innerlich flets
erfehnte Ziel num doch noch zu erreichen, ohne, wie er meinte,
vor der Welt dafür verantwortlich gemacht werben zu können.
Nun hatte Manteuffel ſchon in einem früheren Minifterrat
den Gedanken ausgeſprochen, jelbft in Wien die Verftändigung
herbeizuführen, ohne daß der König ihn aufgenommen hatte.
Jetzt Fam er mit Erfolg darauf zurüd: „als Weberbringer guter
Botſchaft“ befahl ihm der König, zu Schwarzenberg zu eilen.
Diefer freilich zeigte zunächſt feine rechte Luft, ihm die ge-
wünfchte Zuſammenkunft zu bemilligen, und nur mit Mühe
vermochte ihn der preußifche Gefandte, Graf Bernftorff, den
Vorſchlag wenigftens zur Kenntnis feines Kaifers zu bringen
und befjen Entſcheidung einzuholen. Diefer, der ebenfalls den
Frieden wollte, befahl ihm, nicht bloß darauf einzugehen,
fondern Manteuffel fogar bis nad Olmüg entgegenzureifen.
Damit war bie Sade fo gut wie entſchieden. Denn in
Preußen hatten nun die Männer des Friedens um jeden Preis
das Heft in Händen, mochte auch der König, in feiner bis-
berigen Rolle verharrend, ſich den Anſchein geben, als ob er
bei mangelndem Entgegenfommen doch noch die Waffen zu
ergreifen entjchlofjen fei. Er gab Manteuffel ein eigenhändiges
Schreiben an feinen Faiferlihen Neffen mit, worin er als
ber Aeltere, der drei Feldzüge und die größten Schlachten bes
Jahrhunderts mitgemacht und daher wiſſe, was der Krieg ift,
III. Die Entftefung der Berfaffung. 303
dem Swanzigjährigen die Schwere der Verantwortung vorbielt,
die er auf fi} laden würde, wenn er es trog Preußens Ver:
föhnlichteit zum Kriege treiben würde: als Sieger werde er
ein eifernes Volk finden, das, ein Herz und eine Seele mit
feinem König, feinen Naden keiner Gewalt beuge. Er prie
Manteuffel als das entfchievene Haupt ber Friebenspartei,
deſſen Scheitern feine mit Krieg drängenden Gegner in Preußen
zur Herrſchaft bringen werde. Er betont das unfäglich ſchwere
Opfer, das dieſes durch den Verzicht auf die Unionsverfaflung
gebracht Habe, und erwartet ala Gegenleiftung Nachgiebigkeit
in Kurheſſen, wo er felbft ja nur frieblihe Waffen gebrauche
und das Land und feine wirklich biederen, nur zum Heinen
Teil verführten Heſſen zur Unterwerfung unter die landes⸗
herrliche Autorität zu beflimmen ſuche. Anderenfalls fei ein
neuer Dreißigjähriger Krieg zu befürdten und vielleicht bie
Einmifhung Frankreichs und Entehrung Deutſchlands durch
diefen alten Exbfeind, gegen den fi gemeinfam zu wenden
Deſterreichs und Preußens ſchönſter Beruf fei. Gleichzeitig
aber wurde Manteuffel zu weiterer Nachgiebigkeit bevollmächtigt.
Denn es war doch ein weiterer ſchwächlicher Rüdzug, wenn
Preußen die Furheffiihe Frage jegt dadurch löſen wollte, daß
es fi erbot, in dem Verfaſſungsſtreit zu vermitteln und fo
die Bundeserefution gegenftandslos zu machen. Manteuffel
aber ließ fi von Schwarzenberg, mit dem Meyendorf, der
ruſſiſche Gefandte in Wien, erfhienen war, in den zweitägigen
Verhandlungen noch viel weiter zurüdbrängen. Denn duch
die am 29. November unterzeichnete Punktation erkannte
Preußen den Bundestag als zu Necht beftehend an, zog feine
Truppen bis auf ein Bataillon, das in Kafjel bleiben follte,
aus Heflen zurüd und ließ feine Kommiſſäre gemeinſchaſtlich
mit Öfterreihifchen in Holftein die Ordnung herftellen, das Land
entwaffnen und ber Fremdherrſchaft ausliefern, geftattete auch
den Öfterreihif_den Truppen dazu den Durchmarſch. Mit der
beiberfeitigen Abrüftung madte es den Anfang. Troß des
Widerſpruchs, den der Prinz von Preußen, Ladenberg und
v. d. Heydt dagegen erhoben, wurbe diefes Abkommen in Berlin
unverändert beftätigt. Der König nahm es wie felbftverftänd-
304 Bierted Bud. Revolution und Reattion.
lich Hin, obgleich eine vertrauliche Miſſion, mit der er Radowitz
nad) England ſchidte, geeignet war, feiner angebli über ihn
fiegreichen Minifter Altion noch im legten Augenblid zu burd:
kreuzen, wenn man bort auf fein nur notbürftig verhülltes
Berben um Hilfe einging. Das geſchah freilich nicht. Man:
teuffel aber brachte das Geichehene unter dem Hohn ber ent-
rüfteten öffentlichen Meinung und dem leidenſchaftlichen Tadel
der eben nod von patriotifchen Hoffnungen und patriotiſcher
DOpferfreubigkeit erfüllten Kammern, bie freilich nad feiner
Anfiht die auswärtige Politit weder machen konnten noch
durften, in die Formel: der Starfe tritt einen Schritt zurüd,
ohne darum das Ziel aus dem Auge zu verlieren. Weitere
unliebfame Verhandlungen machte er durch ſchleunige Ber:
tagung ber Kammern unmöglid.
IV. Reaktionäre Willkürherrſchaft.
1851— 1858.
Man hat das Olmüger Abkommen mit der Zwangslage
Preußens entſchuldigen wollen. War es doch einen Krieg zu
führen auch militärifch außer ftande, weil ein großer Teil ber
Armee nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht mobil gemacht
werben fonnte, da die Stämme fi in Baden oder ſonſt außer:
halb ihrer Mobilifierungsbezirke befanden. Um fo größer ift
die Verantwortung derer, die es in diefe Lage braten. An
letzter Stelle trifft fie den König. Wiederum ſich ausſchließende
Biele gleichzeitig verfolgend, trieb er auch hier ein gefährliches
Spiel mit einander feindlichen Kräften, die im reiten Augen-
blid zufammenzuzwingen jelbft ein flärferer Wille nicht ver:
mocht hätte. So blieb er bei dem Widerftreit feiner politifchen
Meberzeugung und feiner romantifhen Neigungen auch jetzt
abhängig von anderen und handelte felbit in ben Momenten
ſcheinbar perfönlicfter Entfchließung unter fremdem Einfluß.
So fpielte fi aud in ben Ereigniffen, die fih an den
Namen Olmüg Inüpfen, weniger eine hochpolitiſche Haupt-
und Staatsaftion ab als eine höfifche Intrigue. Nicht politifche
Prinzipien, fondern Höflingsfaftionen rangen miteinander um
die Herrihaft über den König, Denn daß diefer Radowitz
zuliebe einen Krieg führen würde, konnte im Ernft niemand
erwarten. So weit reichte auch dieſes Herzenäfreundes Eins
fluß nit. Beruhte er doch darin, daß er gewiſſe Lieblings-
ibeen des Königs, dem er durch Gedanfenreihtum und geiftige
Beweglichkeit imponierte, aufnahm und ihm jcheinbar fireng
logiſch, fat mathematifch ausgeftaltet zurücbbrachte und jo mit
dem Schein der Berechtigung und der Ausführbarkeit umgab —
weshalb Bismard ihn als den „Garderobier der Phantafie des
Bruß, Preußiſche Geſchichte. IV.
306 Viertes Bud. Revolution und Reaftion.
Königs” verfpottet hat. Das galt auch von dem Grund-
gedanken feiner deutfchen Politil, von Deutfhland aus müſſe
Preußen reftauriert werden. So war im November 1850
weniger Rabowit als der König ber Befiegte, befiegt nicht durch
Defterreih und Rußland, jondern durch die Gamarilla unter
Gerlad, die Olmüg als ein Glück anſah, das zu erreichen fie
vor feinem Mittel zurüdichredte, auch ſolchen nit, die dem
Sandesverrat zum Verwechſeln ähnlich fahen.
Der König freilich hielt ſich auch Defterreih gegenüber
für den Sieger. Als Ladenberg wegen der Konjequenzen von
Olmütz demiffionierte, wollte er ihn allen Exnfles überzeugen,
von Drohungen Defterreichd ſei nicht die Rede, die militärifchen
Vorgänge in Heffen feien „zur höchften Ridichl” der Bayern
ausgefchlagen und die Konferenzen über die Bundesreform fänden
„auf feinen Wink“ ftatt in Wien in Dresden flat. Er war
mit dem ſchließlichen Ausgang ber Krifis eben ganz einver-
ftanden. Gelegentlich freilih ging ihm doch die Erkenntnis
auf, daß vielmehr er durch die Partei Gerlach befiegt fei.
Auch rühmte fi diefe laut des Sieges und nahm das Ver-
bienft in Anſpruch, Radowitz feit dem Mai 1848 Fonfequent
befämpft und nicht bloß die Minifter, fondern auch den Zaren
und ſelbſt Defterreih gegen ihn aufgehegt zu haben. hr
frommes Haupt freilich befannte, der Sieg fei unverbient und
„mur aus Gnade“ gewonnen und deshalb auch „in irbifcher,
praktiſcher Hinficht gefährlich”, das Heißt unverbauli und
unbenugbar bei ber Unfähigfeit der Sieger. Er madt ſich
Vorwürfe darüber, daß er, anderer Anſicht als der König,
nicht zurüdgetreten, fondern „aus eigener Machtvollkommenheit“
im Amte geblieben fei, konſtatiert aber doch mit Befriedigung,
daß er, nun dem König gegenüber zu einer felbftändigen
Stellung aufgeftiegen, endlich als eigene politiihe Macht und
Parteihaupt anerkannt fei. Nur traut er dem Frieden nicht
recht und fürdtet, fein fanguinifcher Bruder überfhäge bie
Bedeutung des Sieges, wenn er bereits die Stellen „nad
einem Syſtem“ vergeben wolle. Dann aber entwirft er ſelbſt
ein Programm, nad dem gehandelt werben fole. Nicht
Preußens Stellung in Deutihland und nit des legteren
IV. Reaktionäre Willkürherrſchaft. 307
Zukunft war in Olmütz entſchieden: mas ba augenblidlih
verjehen war, hätte fih — wie Bismard treffend hervorhebt —
durch geſchicktes und kraftvolles Auftreten in Dresden und im
Notfall durch einen Krieg, zu dem man dann gerüftet fein
Ionnte, gut machen laflen. Entſcheidend war Olmüg für das
Innere Preußens. Endgültig entfagte der König jedem Paktieren
mit der Revolution, das heißt ehrlicher Verftändigung mit
dem Liberalismus, und unterwarf ſich der Reaktion, als beren
Gefangener er aufmerffamen Beobachtern ſchon feit lange er-
ſchienen war. Dadurch erft hörte Preußen auf, für Defterreih
gefährlich zu fein, und wurbe durch eigene Schuld unfähig zur
Erfülung feines deutſchen Berufs.
Nicht in der Äußeren, in der inneren Politik wurde
Dlmüg Preußens Verhängnis. Unter dem Zwange ber euro-
päifhen Reaktion follte es deren Grunbfäge auch ba zur
Herrſchaft bringen. So fah die Lage auch der Prinz von
Preußen an, wenn er Manteuffel gegenüber ironiſch der Ver-
wunberung barüber Ausbrud gab, daß in Olmüg nicht auch
die Aufhebung der Verfaffung Preußen auferlegt worben fei,
die ihm ſchon in Warſchau der Zar, Meyendorf und Schwarzen-
berg in einem Atem anempfohlen hätten. In dieſer Hoffnung
nahm die nun gebietende „Kleine, aber mächtige Partei” getroft
die neuen Demütigungen bin, welche bie höchft ungenaue Aus-
führung der Olmüger Punktation für Preußen ergab. In
Dresden, wo der diplomatiſch ungefehulte Bureaukrat Manteuffel
neben dem wie ein Triumphator auftretenden Fürften Schwarzen-
berg eine traurige Rolle fpielte, wurde der Bundestag unver-
ändert hergeſtellt. Schleswig und Holftein überantworteten
preußiſche und öfterreihifhe Kommiffäre den Dänen, und
unter Zuftimmung Preußens ordnete ein zweites Londoner
Protokoll die Erbfolge gegen das Landesrecht. Preußen fah
nicht bloß ruhig zu, wie in Kurheſſen öſterreichiſche und
bayrifhe Bajonette das Haflenpflugiche Regiment berftellten:
& unterftügte es moralifh, indem es bie Oppofition zur Füg-
famteit mahnte. Manteuffel aber gab bie tapferen Männer,
die bei der Verteidigung ihres Landesrechts bie Schranken der
Geſetzlichkeit einzuhalten und Gewalt zu vermeiden gefucht
308 Vierte Buch, Revolution und Reaktion.
hatten, als „Revolutionäre in Schlaftod und Pantoffeln“ dem
Gelächter feiner Gefinnungsgenoflen preis.
„Es ſoll entſchieden mit der Revolution gebrochen werben,“
verkündete er am 8. Januar 1851 in der zweiten Rammer bei
der Verteidigung der Politit von Olmütz als das Prinzip der
Regierung und erntete dafür des Königs befonderen Beifall
und das Lob der Kreuggeitung. Genügt freilih war beren
Leitern damit um jo weniger, als fie ihm weder die anfäng-
liche Mitarbeit an dem Erfurter Werke, fo ungern und eigent-
lich nur zum Schein er fie geleiftet hatte (S. 291), vergeffen
hatten, noch für die Zukunft recht trauten, zumal er die als
oppofitionel verſchrieenen höheren Beamten nicht fofort be
feitigte. Ja, weil er den Entwurf ber Kreis: und Gemeinde
orbnung ber Verfafiung entſprechend geftaltete, rechneten fie
ihm nicht mehr zur Camarilla. Almählich aber befferte ſich
das Verhältnis, zumal ein Erjag für ihn kaum zu befchaffen
war. Auch wurden bie „oppofitionellen” SOberpräfidenten
ſchließlich doch befeitigt, troß des Widerſpruchs bes Prinzen
von Preußen felbft v. Auerswald, und bald konnte Gerlach
die Ernennung eines Kleiſt-Retzow für die Aheinprovinz und
Puttkamer für Pofen als „Großthaten“ verkünden. Damit
ftieg die Hoffnung auf Erreichung der ihm vorſchwebenden Biele.
Nicht die Verfaſſung allein follte falen, fondern mit ihr die
ganze „auflöfende” Gefeggebung der Jahre 1807—20, bie an
ber Verſchuldung des Grunbbefiges ſchuld fein und Preußen
wirtfhaftlih zu jedem Kriege unfähig gemacht haben follte.
Es galt demnach nicht bloß die Herftellung des vormärzlichen
Zuftandes, fondern deffen, was die Herren im vertrauten
Kreife nad) Hallerſcher Art falbungsvoll als die von Gott
gewollte Orbnung priefen. Danach durfte jet nicht mehr
bie Rebe fein von einer Einheit des Volles gegenüber dem
König und der Möglichkeit, daß es als ſolches Rechtsſubjekt
fein, Freiheiten befigen könnte. Denn nur Gott ihrem Schöpfer
und Erlöfer gegenüber fei bie gefalene Menſchheit als Einheit
zu denken: ihrer Obrigfeit gegenüber fei fie weſentlich gebrochen
und gefpalten. „Der König ift von Gottes Gnaben Obrigkeit
zur Bändigung bes Fleiſches; ebenfo ift der Gutaherr, ber
IV. Reattionäre Willkürherrſchaft. 309
Vater u. f. w. königlichen Rechtens von Gottes Gnaben, aber
niemals ift bas die Einheit bes Volkes, die weientlih un-
organisch und uneinheitlich ift, bis daß fie im König bie Ein-
heit gefunden hat.”
Von ſolchen Sägen ausgehend und im Hinbli auf ſolche
Ziele entwidelt Gerlad fein Programm für Preußens innere
und äußere Politit. Boran fteht die Befiegung der Revolution
in Deutſchland. Dazu fordert er eine Militärherrſchaft über
ben Bund, befiniert aber in demfelben Atem beutfche Freiheit
als Freiheit der Fürfien der Sentralgewalt gegenüber. Dann
fol die Reftauration in Neuenburg und in Frankreich folgen.
Im Innern gilt es einmal dem „abfterbenden, impotenten,
toten Konftitutionalismus” die ſtändiſche Monarchie zu fub-
ftitutieren, die Kirche aber auf bie Konfeffion zu gründen.
Wenn einzelne feiner Parteigenofien meinten, man müffe fi)
auch der materiellen Intereſſen der niederen Stände annehmen
und die Bauern aus ben Händen ber Juden und Wucherer
emanzipieren, ſo erflärte unter fpöttiihem Hinweis auf
Heinrich IV. von Frankreich Gerlach es für thöriht, die Armen
reich machen zu wollen, pries dagegen als et ſtaatsmänniſch
die Forderung, die Reaktion dürfe nicht auf ber ſchiefen Ebene
ftehen bleiben, jondern müſſe die Freiheit berftellen, 3. 8.
die Freiheit Erbpachten zu fließen, beftändige Reallaften
aufzulegen, Jagden auf fremdem Grund und Boden zu er-
werben und anderes mehr. Um gründlich und konſequent zu
verfahren, müſſe man auch Hand anlegen an das Korporationg-
tet, die Innungen, das Recht ber Städte, fih Statuten
zu geben und „gewiflermaßen die Handelsfreiheit und vieles
andere nodj“.
rRadikaler konnte man freilich nicht vorgehen. Nur waren
folhe Ziele nicht geraden Weges zu erreichen. Die Vorftufe
war bie flänbifhe Monardjie. Daher jollte an das 1823
Begonnene angelnüpft werben, um ben Konftitutionalismus
mit einer ftändifhen Grundlage zu unterbauen und „in feiner
jegigen Form langweilig zu machen“: denn „er muß abtrodnen,
aber nicht abgefänitten werden“. Dazu die Rammern all⸗
mählih in die Stände aufgehen zu laſſen, jollten nicht die
310 Vierted Bud. Revolution und Reaktion.
BVrovinziallandtage, die auch zum Konftitutionalismus neigten,
fondern die Kreis und Kommunalftände zu möglichſter Be—
deutung erhoben werben. Am liebften freilich hätte biefer
Voltsbeglüder gejehen, die Abgeorbneten wären vom König
ernannt und durch die Wahlmänner nur beftätigt, ober e&
wäre ein dem bei den DOffizierswahlen üblichen ähnliches Ver—
fahren eingeführt worden. Daß Manteuffel fchließlich auf dieſe
ſtändiſchen Pläne einging, galt ihm als erfreulicher Beweis
von Mut und der erfte ernfte Schritt zur Befeitigung ber
Verfaſſung. Denn obgleich die auf diefer beruhende Provinzial»
ordnung vom 11. März 1850 alle älteren Gejege über Kreis:
und Provinzialftände aufgehoben hatte, wurden 1851 dennoch
die Provinziallandtage einberufen und verhandelten, als ob fie
noch zu Recht beftänden, mochten auch etliche Städte die Wahlen
dazu verweigern und andere förmlich proteftieren, anderwärts
die Gemwählten die Annahme bes Mandates als ungeſetzlich
und fogar einige Standesherren ihr Erſcheinen als unberedtigt
ablehnen. Jeſuitiſch deutete man jetzt des Königs Wort in
der Nebe vom 6. Februar 1850, die um ihn Berfammelten
und die Landtage nad ihnen (S. 287) müßten ihm helfen
gegen die, welche die Verfafjung an die Stelle der göttlichen
Vorſehung jegen wollten, auf die Provinziallandtage, und der
märfifhe dankte dem König ausdrücklich dafür, daß er durch
feine Berufung jene angebliche Zuſage eingelöft habe. Die
dort dominierenden Junker verftanden, wozu fie berufen waren,
und brannten vor Eifer, die Totengräber der Verfaflung zu
werben.
Wenn mohlmeinende Beurteiler die Anfiht vertreten
haben, im Grunde ſei der König, den fie ala Gefangenen ber
Reaktion barftelen, mit alledem doch nicht einverftanden ge-
wejen und habe fih nur dem von der Gamarilla auf ihn
geübten Zwange gebeugt, fo ift biefe den Thatſachen und feiner
fonftigen Haltung gegenüber nicht erweisbar. Vielmehr war
die Berfaffung loszuwerden auch fein fehnlichfter Wunſch. Nur
jollte dabei Fein Buchftabe von ihr gebrochen werden! Deshalb
verwarf er auch ben Gedanken an ihre Revifion durch ben
Staatsrat. Vielmehr follten die Minifter, die ihn zu dem
IV. Reaftionäre Willfücherrfgaft. 311
Eid darauf genötigt hätten, ihn auch von ihr befreien, damit
fie nicht ferner „wie ein Kabaver” erhalten werben müſſe.
Denn in dieſem „Wiſch“ ſah er das Unglüd Preußens: folange
es eriftiere, werbe er alles Gute hindern. Trogdem zog er fi
wieder auf die Politik des „Sich effazierens” (S. 255) zurüd.
Selbſt verbefiern wollte er die Verfaffung nit, wohl aber
Verbefjerungen genehmigen, um bie man ihn bitte, auch fie
ganz befeitigen, wenn man ihn darum erſuche. Dann mollte
er einen „Freibrief“ geben, der mehr Freiheiten enthalten
ſollte als fie, und zur Wahrheit machen, was er immer gewollt,
„freie Könige und freie Völker“. Auch er ſah daher in der
ſtändiſchen Monarchie nur ein Durchgangsſtadium. Doc) jchien
man davon abjehen zu können, als am 22, Mai 1850 ein
geiftesfranfer entlafjener Garbeartillerift Sefeloge ein, Attentat
gegen ben König ausführte und ihn leicht am Arm verwundete.
Obgleich die That jedes politifchen Charakters entbehrte und
jelbft der Spürfinn des Aſſeſſors Stieber, den der König mit
dem befonderen Auftrag, das Geheimnis der Flucht Kinkels
aus Spandau zu enträtfeln, dem Polizeipräfidenten v. Hinckeldey
als Chef der politifhen Polizei förmlich aufgenötigt hatte,
und ber feine bemagogifche Vergangenheit durch eine ent:
ſprechende Großthat vergefien zu machen brannte, ein Komplott
nit erweifen konnte, fuchte man doch fie politifch zu ver-
werten. Der traurige Zuftand des Landes wurde dafür ver-
antwortlid gemacht. Jetzt fei es Zeit, meinte ber König, daß
die Minifter die Verfaſſung verlegten und es gerade heraus-
fagten: man müfle zeigen, daß es im Lande Dinge gebe, die
doch noch höher ftänden als die Verfaſſung. Habe die Minifter-
verantwortlickeit überhaupt Sinn, jo müffe fie angefihts des
blutenden Königs in Kraft treten. Es wurde Manteuffel ſchwer
verdacht, daß er ſolche Zumutungen ablehnte und mit feinem
Nüctritt drohte. Aufgegeben aber war die Sache damit noch
nit. Drang doch der Zar darauf, daß ber König bie Ver-
faffung zurüdziehe als unvereinbar mit dem Wohl feines
Volles. Der Armee fei er ſicher und im Notfall ruſſiſcher
Hilfe gewiß. Sonft fei der Zuſammenbruch Preußens unab-
wendbar: bann freilich fei er bereit, es mit Gottes Hilfe
312 Vierted Bud. Revolution und Reaktion.
wieder aufzurichten, jo wie es Friedrich Wilhelm III. Hinter-
laſſen. Er wollte an ber Grenze erſcheinen, eine preußifche
Standarte aufftellen und alle alten treuen Preußen um biefe
jammeln. Manteuffel fand ihn noch bei einem Beſuch zu
Warſchau im Frühjahr 1851, wie er ſcherzend an Bismard
berichtet, wie ein Ichneumon gegen die NKrofobilseier bes
Konftitutionalismus, überzeugte ihn aber doch, daß dieſes ſich
ſelbſt abfpielende Syftem durch gewaltfame Angriffe nur die
ihm fonft fehlende Kraft erhalten könne. So geihah jchließ-
lich nichts, aber nicht ohne Neid ſprachen im September 1851
der König und Manteuffel dem Kaifer von Defterreih und
Schwarzenberg ihre Glücwunſche aus zu der ohne Widerftand
vollzogenen Aufhebung der öfterreichifchen Verfaſſung.
Man ſelbſt kam namentlich deshalb nicht fo weit, weil
der König und bie Camarilla fo wenig wie das Minifterium
und bie feubale Partei in fih und untereinander einig waren.
Des erften unberechenbare Launenhaftigkeit, bie, nicht immer
krankhaft, gelegentlich wohlberechnet beftimmten Abſichten dienen
follte, erſchwerte die Gefhäftsführung aufs äußerfte. Ihn in
der gleihen Richtung zu erhalten, war faft unmöglid. Den
Rabinettsrat Markus Niebuhr und Gerlah, die den Verkehr
zwiſchen ihm und den Miniftern zumeift vermittelten, brachte
er faft zur Verzweiflung durch feine Unluft zu einem Entſchluß
und bie Plöglichfeit, womit er einen ihm endlich abgerungenen
wieber fallen ließ. Der fromme Soldat freilid ſah auch darin
nur eine geredhte Strafe feiner Sünden. „Es hat immer
wunderliche Herren gegeben,” tröftete er fi, „und wirb immer
welche geben, und es ift eben Gottes Wille, daß er uns zur
Bändigung des Fleiſches von ſchwachen jündigen Menſchen
regieren läßt.“ Gelegentlich aber, 5. B. bei dem eigenfinnigen
Beharren bes Königs auf ber von jenem nicht gebilligten
Umgeftaltung ber erften Kammer ober wenn Gerlach in feiner
Ehrlichkeit des Königs gefliffentlih verhüllte wahre Meinung
anderen offen ausſprach, gerieten fie heftig aneinander, freilich
nur, um, einander unentbehrlich, ſich ſchnell wieder zu ver-
föhnen. Mit Wiſſen nicht bloß, auch im Auftrage des Königs
griff Gerlah über den Kopf und Hinter dem Rüden ber
IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 313
Minifter in den Gang der Geſchäfte ein und unterhielt fogar
mit den auswärtigen Mächten einen jenen unbefannten Brief-
wechſel. Denn mit dem Minifterium, namentlih Manteuffel,
waren beide feineswegs immer einverftanden. Des Königs
Verkehr mit demfelden durchmaß alle Formen, von enthufiafti-
ſchen Beifald- und Vertrauensbezeugungen bis zu unwürdigem
Scelten und Schimpfen. Im Gefühl feiner Unentbehrlickeit
kam ber eine, aus Scheu vor ben Schreden eines Minifter-
wechſels der andere über ſolche Krifen hinweg, bie bei größerer
Selbſtachtung beider bald hätten zum Brude führen müſſen.
Bei Manteuffel beflagte Gerlah bald abfolutiftifhe Gelüfte,
bald ſchwächliche Nachgiebigkeit gegen ben Konftitutionalismus.
Auch den König beunruhigten gelegentlich feine angeblichen
Staatsftreichpläne. Hätte er doch Stellung nehmen müffen
und wäre ins Gebränge geraten zwifchen feiner Scheu vor
energifhem Handeln und den geheimften Wünfchen feines
Herzens. Hätte fih dergleichen ohne fein Zuthun durchführen
laffen und er bloß bie reife Frucht Hinzunehmen gehabt: fofort
hätte er zugegriffen.
So gut aber wurde es ihm nit. Wohl empfahlen in
feiner Umgebung mande Stimmen das Beiſpiel Napoleon
Bonapartes und Franz Joſephs nachzuahmen, obgleich bei dem
im ganzen der Regierung günftigen Gange der Verhandlungen
in ben Kammern und der Geduld, womit der gejeglihe Sinn
des Volles die wachſende Beamtenwilllür hinnahm, jeder
Vorwand dazu fehlte Doch wies der König den Plan nicht
einfach ab. Er fragte Bunfen um Rat, der ihn nahbrüdlichft
vor einer folden Schädigung feines Seelenheild warnte. Das
nannten die thatenluftigen Herren der Camarilla „Liberales
Geihwäg“ und fegten ihm in einer für den König fehr ver-
führerifchen Debuktion die Behauptung entgegen, einen fünb-
haften Eid zu brechen, fei tugenbhafter als ihn zu Halten, und
fragten, ob Herodes etwa gefündigt haben würde, wenn er
der Herodias den eidlich verſprochenen Kopf des Täufers vor-
enthalten hätte. Erſt ein Mann von ebenfo ftreng reaftionärer
Gefinnung, wie unbeirrbarem evangeliſch fittlihem Urteil, der
Oberpräfident von Sachſen, v. Senfft:Piljah, machte diefen
314 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
gewiflenlofen Treibereien ein, Ende, indem er den König be
ſchwor, fi) durch) fein frommes Sophisma von dem Wege ber
Chre und Treue ablenfen zu lafien, benn nie werde das be
dächtige und Fräftige norbbeutfche Volk einen Eidbruch feines
Königs verwinden und verzeihen.
So blieb es dabei, daß bie Verfafiung nicht direkt be-
feitigt, aber auf verfafjungsmäßigem Wege unwirkjam gemacht
werben ſollte. Als erfien Schritt dazu begrüßte Gerlach bie
Vermerfung des Gefeges über die Miniflerverantwortlichkeit,
die dem Konftitutionalismus „die Spige abbreche“. Weiter
kommen ließ fi mit ben wirklichen ober angeblichen Lüden
der Verfaflung, deren eine folhe nad Gerlah nie genug
haben fonnte. Der Träger ber damit vorgezeichneten inneren
Politik aber wurde weniger Manteuffel felbft als fein Nad-
folger im Minifterium des Innern, v. Weftphalen. Er erfreute
ſich daher auch der bejonderen Gunft der Camarilla, die ihm
und feinem Kollegen vom Kultus, Karl v. Raumer, bald nad
rühmte, daß fie wirklich etwas zu ftande gebracht hätten.
Bon ihm flammt jene kunſtreiche Verfafjungs: und Gefeges-
interpretation, bie den Maren Wortlaut entweder wegdeutete
ober in fein Gegenteil verkehrte. Da die unteren Inftanzen
feines Refiorts darin Hinter ihm nicht zurüdbleiben wollten,
entftand bald eine befonbere Regierungslogik, die fi mit nie
verfagender Geſchmeidigkeit immer dem gerade zu erreichenden
abminiftrativen Zwed anpaßte. Durd die Fiktion, die in dem
I. Titel der Verfaffung verfündeten Rechte der Preußen feien
nur theoretiih gemeint und erft durch ſpäter zu erlaflende
Spezialgefege praktiſch durchzuführen, wurden bie wichtigften
liberalen Verfaffungsbeftimmungen faktiſch aufgehoben, wie die
Gleichheit vor dem Gefege, Befeitigung der Standesnorredhte,
die Freiheit bes religiöfen Bekenntniſſes und die Bildung neuer
Religionsgeſellſchaften mit öffentlicher Religionsübung , bie
Aufhebung ber gutsherrlihen Polizei und anderes mehr, und
damit der Weg geöffnet für eine dem Geifte der Verfaflung
zumiberlaufende reaftionäre Gefeggebung, der eine zunächſt an
fein Gefeß gebundene Verwaltungswilllür planmäßig vor
arbeitete. Gegen liberale Einrichtungen und Perfonen galt
IV. Reaftionäre Wilfürherrichaft. 315
alles für erlaubt: für fie gab es bald fein Recht und fein
Gefeg mehr, wenn, was die herrſchende Partei als Recht des
Staates oder als zu deſſen Wohlfahrt erforderlich bezeichnete,
durchgeführt werben foltee Je niedriger das ausführende
Organ war, um fo rüdfichtslofer verfuhr es in dem ftolzen
Bewußtſein, fih um das Königtum verdient zu machen und
ein Recht auf befonderen Dank zu erwerben. Darin lag das
Demoralifierende biefer „Raatsrettenden Anarchie“. Das ehren-
werte preußifhe Beamtentum wurde mit ben bebenklicäften
Elementen durchſetzt, und um nicht in ihrem Fortkommen
gefhädigt oder gar verfolgt zu werben, verzichteten manche
bald auf Widerftand und beugten ſich Dem herrſchenden Syſtem.
Auch in den bürgerlichen Kreifen griff diefe politiſche Entfitt-
lichung um fih. Der Gemwerbtreibende und ber Kaufmann
hüteten fi, das Mißfallen der Reaktion zu erregen, deren
Diener ihm in Heinen und großen Dingen ſchaden konnten.
Der einftige Präfident der Nationalverfammlung, v. Unruh
(S. 271), mußte ſchließlich Preußen verlaflen, weil um feinet-
willen die Regierung ben von ihm geleiteten großen techniſchen
Unternehmungen alle mögliden Schwierigfeiten bereitete und
das Gebeihen unmöglid machte. Und das war nit ber
einzige Vorgang der Art. Auch die geſellſchaftliche Aechtung
liberaler Perſönlichkeiten durch das jervile Beamtentum und
die ihm nadeifernden Kreife war Feine feltene Erſcheinung.
Bemühten fi doch weite Kreife, ihre gute Gefinnung recht
augenfälig zu bethätigen. Dazu boten bie über das ganze
Land verzweigten „Preußenvereine“ und ber ähnlich geartete
„Treubund“ reichlich Gelegenheit. Dieſe waren nicht fchleht-
weg minifteriel. So fehr fie vielmehr den preußiſchen Patriotis-
mus und bie Königstreue gepachtet zu haben glaubten, empfingen
fie doch ihre Parole zumeift von der mit Manteuffel gelegent-
lich bitter hadernden Kreugzeitung, die als Organ ber feubalen
Partei nun unter ber Redaktion Wageners eine Macht wurde, mit
der Regierung und Camarilla reinen mußten. Der Prefrieg,
den Ryno Quehl, ein Mann von dunkler Vergangenheit und
in den Märztagen als Demagoge kompromittiert, dann ein
befonbers bienftbeflifienes Werkzeug der Reaktion und als
316 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
Neferent der Zentralitelle für Preßangelegenheiten einer ber
einflußreichften Gehilfen Manteuffels, gelegentlih gegen fie
führte, fegte mit der feudalen Partei Hof und Regierung in
Atem und wurde ala ſchwere Gefahr für die gemeinfame Sache
durch einflußreihe Perſonlichkeiten faft diplomatiſch beglichen,
jo daß Duehl ſich wieder ganz feiner Hauptaufgabe widmen
konnte, der jeder Art von Polizeiwillfür preisgegebenen liberalen
Preſſe das Dafein möglichſt zu erſchweren. Denn wie in ber
Wahl ihrer Werkzeuge, jo war die herrſchende Partei jfrupelfrei
au in der ihrer Mittel. Die Polizei war allmächtig. Ver
geblih warnte der Prinz von Preußen Manteuffel davor,
gegen bie au von ihm gefürchteten Demokraten und Super
Eonftitutionellen „nur Polizeiſtaatliches wirken zu laſſen“; man
müfje auch Vertrauen zum Volke zeigen und nicht Deſterreich das
Odium feines neuen Polizeiftaates auch auf Preußen werfen
laſſen; natürlich machte er damit feinen Eindrud. Namentlich
in Berlin jelbft führte Polizeipräfident v. Hindeldey, der nad
dem Urteil eines Manteuffeljden Vertrauten ohne politifches
Prinzip, nur fein eigenes Ich im Auge hatte, ein Willfür-
regiment, das ſich feiner Gefeglofigfeit gelegentlich rühmte.
Niemand war davor ſicher und jein oft von ſchmutzigen
Subjeften bedientes Spionierfyftem ftellte nicht bloß Minifter
und Generale, fondern felbft den Thronerben, ber ber herrichen-
den Partei fchon wegen feiner Verbindung mit dem um bas
„Preußiſche Wochenblatt” gefammelten, ſorgſam polizeilich
beobachteten Kreife von hohen Beamten höchft verdächtig war,
unter geheime Auffiht, ja, ſetzte ſich mit Hilfe beſtochener
Diener und Subalternbeamten in den Befig ihrer Korreſpondenz
und Tagebücher. Denn den Häuptern der Camarilla traute
Manteuffel jo wenig, wie fie ihm. Ein Diebftahl der Art,
ber zwar nicht im Auftrage, aber doch im Intereſſe Manteuffels
verübt war und einen erjchredenden Einblid in bie fittliche
Verkommenheit der herrſchenden Polizeiwirtfchaft eröffnete,
wirbelte zwar gewaltigen Staub auf, hatte aber ſchließlich
feine weiteren Folgen. Hincdeldey insbeſondere blieb fo feit
in ber Gunft des Königs, daß er ſelbſt der Gamarilla unbequem
murbe. Weberhaupt wurde biefer die Erfahrung nicht erfpart,
IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 317
die Cliquen ber Art gewöhnlich machen. Ihren Einfluß zu
behaupten, Fönnen fie ber Bundesgenoſſenſchaft untergeorbneter
Perſonen nicht entbehren und müfjen nicht felten ſchließlich
die Gewalt mit diefen teilen. So jah auch biefe eine niedriger
ftehende, bald aber beforglich einflußreihe jüngere Camarilla
auffommen, bie den Geheimrat Sägert, den Kämmerer
Schöning mit Stieber (S. 285) und andere unter Hindeldey
als Haupt vereinigte. Des letzteren Geltung bei dem König
wurde felbft dem Minifter Weftphalen unbequem. Aehnlich
wie Rabowig griff er einzelne von den dem König befonders
am Herzen liegenden Gedanken auf, um fie ausführbar zu
geftalten, das Verdienft darum aber ſchmeichelnd jenem einzu=
räumen. Das Ziel feines Chrgeizes war die Stellung eines
Generalpolizeidireltors, um das in Berlin durchgeführte polizei-
liche Willtürregiment in ganz Preußen zur Herrſchaft zu bringen.
An Nahahmern fehlte es ihm ohnehin nicht, wie z. B. in
Königsberg der Polizeidirektor Peters im Bunde mit dem
General v. Plehwe und unterftügt von dem übelberufenen
Emil Lindenberg, einem vielfach beftraften, aber immer be-
gnadigten Subjeft, das bei dem berüchtigten Briefbiebftahl
eine Rolle gefpielt hatte, jahrelang eine förmliche Schredens-
herrſchaft führte. Schlieglid aber zog ſich Hindeldey durch die
Art, wie er im Interefje Manteuffels auch die gelegentlich
ſcharf oppofitionelle Kreuzzeitung mißhandelte, Die Todfeindſchaft
der Junker zu. Als er dann gar, einer vertraulichen Weifung
des Königs folgend, gegen die hochadligen Spielhöllen einſchritt
und, beshalb zur Rede geftellt, aus Rüdfiht auf den König
es unterließ, fi durch ben ihm gewordenen Befehl zu beden,
wurde er von Herrn Hans v. Rochow⸗Pleſſow am 10. März 1856
im Duell erſchoſſen — ein Vorgang, der auf ben fi mit:
ſchuldig fühlenden König einen tiefen Eindrud machte und
feine wohl ſchon begonnene geiftige Erkrankung befchleunigte.
Die Art aber, wie Rochow, vom König begnadigt, von feiner
Partei wie ein Held gefeiert wurde, zeigte auch dem Kurz-
fitigften, wie tief krank der Staat war, in dem eine Partei,
weil fie der Regierung unentbehrli war, fi mehr noch wie
diefe ſelbſt ungeftraft über Recht und Geſetz hinwegſetzen durfte.
318 Vierted Bud. Revolution und Reaftion.
In welchem Lichte erfchien dem gegenüber das von beiden
ihren politifhen Gegnern gegenüber beliebte Verfahren. Die
politiſchen Prozeſſe riffen nit ab, und wenn man — wie
das bei dem gegen die 42 Steuerverweigerer (S. 273) an»
geftrengten ber Fall war —, damit nicht durchdrang, wurde
gegen bie irgendwie Beamteten das bes Erfolges ftets fichere
Disziplinarverfahren angewandt. Der Appellationsgerichts-
bireftor Temme wurde vom Geriht als Steuervermeigerer
freigeſprochen, durch lekteres aus dem Staatsdienft entfernt
unter Verluft aller durch 33 Dienftjahre erworbenen Rechte.
Unabhängige Leute aber wurden wirtfhaftlich oder wenigftens
in ihrer geſellſchaftlichen Stellung möglichſt gefhädigt. Unter
diefen Verhältniffen gedieh das Denunziantentum zu furchtbarer
Blüte. Die Lorbeeren Ohms (S. 283) ließen einzelne Streber
nicht ſchlafen. War feine Verfhwörung zu entdeden, fo ftifteten
fie eine, um bie von ihnen Perleiteten dann den Gerichten
zu überliefern. Der Prozeß Labendorf gab dafür ein er-
ſchreckendes Beiſpiel Wie ſehr fih aber auch manche Gerichte
ber herrſchenden Reaktion anzupaſſen bemüht waren, ſollte der
Oberbürgermeiſter Ziegler und andere mehr erfahren. Selbſt
der Armee blieb dieſes Treiben verführender Spione und
Denunzianten nicht fern. Gewiſſe Leute beargwöhnten deren
Liebe zu dem Prinzen von Preußen, der zwar eine Konſtitution
auch noch als „Farce“ anſah, ſich aber offen als Gegner des
herrſchenden Syftems befannte, und deshalb ſamt feiner Ge-
mahlin am Hofe vielfach verdächtigt und angefeindet wurde.
Er hielt auch zu dem Kreife einfihtiger Edelleute und hoher
Beamten, die um der Zukunft Preußens willen dieſe Reaktion
mißbilligten und der von den Gerlachs infpirierten Kreuzzeitung
das „Preußiiche Wochenblatt” entgegenftellten. Daß ber Prinz
im Frühjahr 1851 mit feinem Sohne zur Weltausftelung nad
London ging, beunruhigte die Neaktionäre jo fehr, daß
Manteuffel die Reife zu hintertreiben fuchte, indem er durch
den Hinweis auf bie von ben bort verfammelten „verruchten
Menſchen“ drohenden Gefahren an die Furt des Prinzen
appellierte. Und nun berief der König gar im Herbſt 1852
Radowitz an die Spige des Militärbildungsweiens und fo
IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 319
wieber in feine Nähe. Doc wagte Manteuffel nit, wie man
ihm riet, feine Entfernung durch Stellung der Kabinettsfrage
zu erzwingen, obgleich jener nicht bloß an feiner deutſchen
Politik fefthielt, durch die er einft ein hergeftelltes deutſches
Raifertum mit preußifcher Spite, Elſaß zurüdgemonnen und
Frankreich, auf feine wirklichen natürlichen Grenzen beſchränkt,
unſchädlich gemacht zu fehen erwartete, ſondern auch den König
zu überzeugen ſuchte, eine Konftitution fei ber befte Schug
fowohl bei revolutionären Erſchütterungen mie bei großen
äußeren Gefahren.
Der Tod Nabowig’ (25. Dezember 1853) befreite feine
Gegner von weiterer Sorge. Ihr Vorhaben, die Verfaflung
direft zu befeitigen, hatten fie bereits aufgegeben, da Weft-
phalens Methode, fie durch fie ſelbſt unwirkſam zu machen,
fih durchaus bewährte. Sogar der Generalabjutant jah mit
Befriedigung, wie gut die Kammern zur allmählihen Her-
ſtellung einer ſtändiſchen Monarchie zu brauchen waren. Eilten
fie babei doch gelegentlich ſelbſt dem Minifterium zu fehr, und
die Camarilla wünfdte, auch der König möchte fi bei und
mit ihnen für bie Neftitution des preußiſchen Staates begeiftern.
Bitter klagte fie, daß durch fein Beharren auf der Umgeftaltung
der erflen Kammer im Sinn eines Herrenftandes, in dem er
ſelbſt einzelne Siege der Linken willlommen hieß, bie Ritter-
ſchaft, der feit 1848 die Kommunalordnung, Juſtiz, Kirchen-
patronat, Steuerfreiheit, abhängiges Grundeigentum, Fidei—
fommnifje entzogen feien, vollends um bie ihr gebuhrende
Stellung bringe. Daß bei foldem Durch- und Gegeneinander
ber Beftrebungen innerhalb ber Regierung arge Verwirrung
einriß und die Einheitlichfeit der Verwaltung verloren ging,
war freilich nicht zu verwundern.
Die erfte auf Grund ber Verfaflung berufene Landtags-
feffion war infolge des Sturmes, der fih in ber zweiten
Kammer gegen die Politik von Olmütz erhob (S. 304), bald
durch Vertagung unterbrochen. Nach dem Wiederzufammentritt
den Kampf bei ber Adreßdebatte wieder aufzunehmen, war bie
Eonftitutionelle Partei nicht farf genug: mit wenigen Stimmen
Mehrheit wurde ihr Vorhaben durch Uebergang zur Tages:
320 Vierte Bud. Revolution und Reaktion.
orbung vereitelt. Um fo heftiger entbrannte ber Kampf auf
dem Gebiete der inneren Politik, wo bie Regierung zunächſt
freilih noch feinen entſcheidenden Vorteil gewann. Das
änderte fi 1852. Dank rüdfichtslojefter Beeinfluſſung der
Wahlen gewann das Minifterium eine fihere Mehrheit. Die
Wahlen von 1855 verftärkten fie noch: fie ergaben die „Zand-
ratolammer“, in der von den 350 Abgeordneten der Linken
etwa ber vierte Teil angehörte, und Altliberale, wie Patow
und Harkort, die äußerſte Linke bildeten, alle übrigen zur
Regierung flanden, darunter 72 Landräte und einige 40 andere
unmittelbare Staatsbeamte. Denn anders als in ferviler
Negierungsfreundlichkeit politiſch thätig zu fein, war für bie
Beamten vollends ausgeſchloſſen durch das neue Disziplinar-
geſetz vom 21. Juli 1852 und bie gefeglihe Feftlegung ber
durch die Verordnung vom 10. Juli 1849 für die Richter
eingeführten entfpredienden Beftimmungen. Der Preſſe war
ſelbſt eine ſachliche Kritit der Regierungsmaßregeln faft un-
möglich gemacht durch das Preßgefeg vom 22. Mai 1851. Das
Gefeg vom 3. Mai 1852 entzog auch noch die Preßprozeſſe
den Geſchworenengerichten. So gerüftet konnte die Reaktion
endlich recht an die Arbeit gehen. Gerlach blieb kaum noch
etwas zu wünſchen übrig. Der Freigebung ber Errichtung
von Fideilommifien (5. Januar 1852) und der Herftellung
der Privilegien der ehemaligen Reihsunmittelbaren (Juni 1854)
folgte am 14. April 1856 die der gutsherrlichen Polizei und
weiter der Widerruf der Teilbarfeit des Grundbefiges und der
Ablöfung der Grundlaften. Die Gemeindeordnung vom
11. März 1850 wurde den 21. Mai 1852 fiftiert und die that-
ſächlich bereit hergeſtellten Kreis- und Provinziallandtage
(S. 310) als gefeglicde Inftitution erneut. Die Herrlichkeit
der Junker erhob fi in neuer Glorie. Sie fühlten fi als
Sieger weniger über die Revolution als über das Minifterium
und den König. Das abfolute Königtum war fehr nach ihrem
Sinn, wenn es ſich jo ganz ihrem Willen beugte. Als Hindeldey
das nicht überall gelten laſſen wollte, ließen fie ihm nieber-
ſchießen (S. 317). Nur in einem Punkte mußten fie fi
ſchließlich dem König fügen, wollten fie es nicht ganz mit ihm
IV. Reaftionäre Willtürherrigaft. 321
verberben oder ihn gar zum Bunde mit ben Gegnern treiben.
Durch das Gefet vom 7. Mai 1853 erfolgte die von ihm
bartnädig erftrebte Umgeftaltung der erften Kammer, zum
Teil dank der für feine Wünſche eintretenden Vermittelung
des vorurteilsloferen und klüger rechnenden Bismard, des
nunmehrigen preußifchen Bundestagsgefandten. Durch eine
Verordnung vom 12. Dftober 1854 trat fie ins Zehen. Von
der englifhen Pairie, die dem König als deal vorſchwebte,
blieb das feit dem 30. Mai 1855 fogenannte Herrenhaus noch
weit entfernt. Doch glaubte er nun den feften Punkt gewonnen
zu haben, von dem aus er feine weiteren ſtändiſchen Pläne
werde verwirklichen Fönnen. Denn mit dem bisher aud für
die erſte Kammer geltenden Prinzip ber Wahl wurde gebrochen.
Außer den volljährigen königlichen Prinzen und den Häuptern
der fürftlich hohenzollernſchen Linien Sigmaringen und Hechingen,
die am 7. Dezember 1849 ihre Länder an die Krone Preußen
abgetreten hatten, jollten dem Herrenhaufe angehören bie 1847
in die Herrenkurie berufenen und neu zu berufenden Standes-
herren als erbliche Mitglieder: alle übrigen ernennt der König,
wenn auch gemiflen Kategorien, wie den Inhabern der vier
großen Landesämter im Königreih Preußen und den Kron-
fyndicis, als ſolchen eine Anwartſchaft auf die Berufung zufteht
und bie ftändifen Verbände, die großen Städte und bie
Univerfitäten Vertreter zur Einberufung präfentieren. Doc
kann ber König aud Mitglieder aus befonderem Vertrauen,
und zwar in unbefchränfter Zahl ernennen. So wurde das
Herrenhaus, völlig gleichberechtigt neben die nun als Abgeord⸗
netenhaus bezeichnete zweite Kammer geftellt, zwar ein Bollwerk
gegen den Liberalismus, aber ebenſo ein Hindernis für jede
liberale Regierung, zumal feine Zufammenfegung und redt-
liche Stellung nad ber Verfaffung nicht ohne feine eigene
Zuftimmung geändert werden kann. Auch Prinz Wilhelm, der
diefe Schöpfung feines Bruders fonft freudig begrüßte, weil fie
wie das englifche Oberhaus auf dem nad) feiner Anſicht allein
richtigen Prinzip beruhte, ſah nachmals ihren Hauptfehler in der
Schwierigkeit der Remebur, wenn fie in Oppofition mit ber Regies
rung geriet, da dann biejer allein ber Pairsſchub als mittel blieb.
Drug, Preußiihe Geſchichte. IV.
322 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
Auch General Gerlach hatte den König hierbei bekämpft,
war überhaupt, fo fehr er das geſchehene Gute anerkannte,
mit dem Gange der inneren Politik doch nicht durchweg ein
verftanden. Um fo mehr befriedigte ihn die Entwidelung auf
geiftigem, namentlich firhlihem Gebiete. Karl v. Raumer
(1805—59), der am 19. Dezember 1850 Labenberg als Kultus-
minifter erfegt hatte, war der Mann nad) feinem Herzen, der
einzige von den Miniftern, urteilte er, der einen Begriff von
den Dingen hatte, auf die es anfam. Die Stahlſche Forderung,
die Wiſſenſchaft müfle umkehren (S. 202), wollte er wörtlich
erfüllen, indem er rüchſichtslos jede freiere Regung in Schule,
Kirche und Univerfität erbrüdte. Auch im Gebiete des geiftigen
Lebens ſchien Preußen dem Banne des Siegers von Olmüg
verfallen zu follen und zu berjelben troftlofen Verfumpfung
verurteilt zu fein mie die beutjchen Lande Defterreiche.
J. G. Droyfen hatte nicht fo ganz unrecht, wenn er Ende 1852
vol patriotiſchen Schmerzes an Th. v. Schön ſchrieb: „ALS ſich
Preußen Defterreih beugte, wurde eine zweihundertjährige
Geſchichte Lügen geftraft, warb das geiftige Leben der Nation
bis zur Reformation hinauf verleugnet, warb ber rettende
Gedanke, der, in dem Preußen feine Stärke und feinen Beruf
bat, totgeſprochen.“ Die Zeiten Wöllners ſchienen wieber-
gelehrt, nur daß der vervolllommnete Verwaltungsapparat
und das fügjame Entgegentommen weiter Kreiſe größere Erfolge
ermöglichten. Niemals ift das gefamte geiftige und zum Teil
das fittlihe Leben bes preußifchen Volkes jo ſchwer bebroht
gewejen wie damals. Wohl war es Raumer ernft um bie
von ihm vertretenen Prinzipien, und mit peinlicher Pflichttreue
waltete er feines Amtes. Dennoch bleibt fein Syftem eine
der dunfelften Partien in dem Bilde jener Jahre. Es wurde
dadurch nicht weniger ſchädlich, daß der König die Krone auch
jegt mit dem Glanze bochherzigen Mäcenatentums umgab.
Der ftolze Ruppelbau der Schloßfapelle, das von Kaulbach mit
Fresken geihmücte Neue Mufeum, die Herftelung der Burg
Hohenzollern und die freigebige Förderung ähnlicher Unter:
nehmungen, die Errihtung von Denkmälern für Gneifenau
und Scharnhorft, zu der fein Vater ſich nicht hatte überwinden
IV. Reoltionäre Willkürherrſchaft. 323
tönnen, und die Ausſchmückung der Schloßbrüde mit Krieger:
gruppen, bie in ihrer antiken Nadtheit den prüden Frömmlern
ſchweres Aergernis gaben, all das änderte doch nichts an ber
Thatfache, daß im Namen besjelben Königs ber zur Pflege
aller geiftigen Intereſſen im Staate berufenfte Minifter plan=
mäßig alles bas befämpfte, verfümmerte ober erftidte, was
Preußen groß gemacht und geiftig und fittlich zur Neberwindung
auch ber furchtbarſten Schidjalsfchläge befähigt hatte. AN das
war jegt vergefien: es fam allein noch auf Erzielung deſſen
an, was man „korrekte Gefinnung“ nannte.
Vor allem ſuchte Raumer dazu fi) mit der Schule der
Zukunft zu bemädtigen. Die Kindergärten Friedrich Fröbels
verbot er, weil er ihn mit feinem Neffen Julius Fröbel ver-
wechfelte, blieb aber dabei auch nad Aufklärung des Irrtums,
weil fie angebli auf demokratiſchen Prinzipien beruhten. Im
Dftober 1854 ergingen dann durch den Dezernenten für
Seminar» und Vollsfhulmefen A. W. F. Stiehl (1812—78)
ausgearbeitete Regulative für ben Unterricht in ben evangelifchen
Scähullehrerfeminarien für die Vorbildung evangelischer Seminar:
präparanden und über Einrihtung und Unterricht der evangeli-
ſchen einklaffigen Elementarſchule. Sie follten die Erziehung
der Jugend in riftliher und vaterländifher Gefinnung und
häuslicher Tugend fihern. Obgleich fie in pädagogiſcher und
didaktiſcher Hinſicht einen Fortſchritt bezeichneten, wurden fie
doch durch die Art ihrer Anwendung unter bem herrſchenden
Syſtem ein bejonders wirkfames Mittel, um das heranwachſende
Geſchlecht demielben zu unterwerfen und bas Streber- und
Mudertum groß zu ziehen. Auch auf dem höheren Schulmefen,
fo fehr es unter Leitung bes feft im Boden des Humanismus
wurzelnden, aber au für bie neuen Bildungselemente ber
Zeit empfängligen 2. Wieſe gebieh, laftete der Geift ber
Frömmelei und des Servilismus, der jenen Tagen überhaupt
die Signatur gab. Seiner vermochten jelbft die Univerfitäten
fih nit zu erwehren. Doch fehlte es gerade ihnen nie an
Männern, die mutig für die Freiheit der Wiſſenſchaft und
ihrer Lehre eintraten und gelegentlich ihre Stimme warnend
und mahnend weithin vernehmen ließen. Die akademiſchen
324 Viertes Bud. Revolution und Reaftion.
Feftreden eines Böchh (S. 140) in Berlin und eines Zobed in
Königsberg wurden Ereigniſſe, welche die fiegestrunfene Reaktion
die Grenzen ihrer Macht inne werben liegen. Um fo ſchwerer
traf fie die jüngere Generation ber Alabemiker. Des Königs
Weiſung, niemand zu beförbern, der 1848 politifch oder kirchlich
bervorgetreten, wurbe namentlich ihnen gegenüber befolgt und
mandje bedeutende Kraft aus Preußen verbrängt ober lahm
gelegt. Die außerorbentlihen NRegierungsbevollmädtigten,
welde die Karlsbader Beſchlüſſe überlebt hatten, wurden
Profeſſoren und Studierenden gegenüber vielfach wieder wie
zur Zeit ber Demagogenverfolgungen eine höhere Polizei,
mochten auch nicht alle e8 dem Hallenfer Pernice gleihthun,
von dem Männer wie der Theologe Karl Schwark, der Hiftorifer
Mar Dunder, der Litterarhiftoriler und Dichter Robert Prug,
der Naturforſcher Burmeifter und ber Archäologe Ludwig Ro
ſich amtlih und außeramtlih förmlich mißhandeln laſſen
mußten.
Am fehwerften laſtete diefer Drud auf den theologifchen
Fakultäten. Mit Gerlach einig in dem Streben, die Kirche
auf die Konfeffion zu gründen, ließ Raumer bie Union bloß
äußerlich gelten, verwarf aber den „Unionismus“ als Trennungs-
mittel und Schiboleth des ſubjektiviſtiſchen und negierenden
Beitgeiftes. Daher kam er den geſchichtlichen Sonderbefenntnifien
als durch die Union ungerecht behandelt weit entgegen, freilich
im Widerfpruh mit der Verfafjung nicht au den Deutich-
Tatholifen und ben freien Gemeinden. In biefem Sinne
wurden ber im Juni 1850 errichtete Oberfirchenrat, der trotz
ber wachſenden Oppofition ber liberalen Geiſtlichkeit, wie eines
Jonas, Sydow, Lisco, die Kirhe ohne Rüdfiht auf die
Verfafiung nad des Königs Willen regieren ſollte, und bie
Konfiftorien bejegt und bie theologifchen Fakultäten möglichſt
der Richtung Hengftenberge (S. 185) zugeführt. Aeußerlich
war ber Erfolg ja unleugbar, nur daß ihm die inneren, geiftigen
und fittlihen Zuftände nicht entſprachen, fondern Heuchelei
und Scheinheiligfeit weithin die Herrfchaft gewannen. Selbft
in hochkirchlichen Kreifen konnte es nur Befremden und Be-
forgnis erweden, wenn bei dem Orbensfeft 1851, ale Biſchof
IV. Reattionäre Willkürherrſchaft. 325
Neander das Gebet begann, König und Königin nieberfnieten
und der ganze Hof und dann alle Anweſenden begleichen thaten,
und im April Präfident v. Gerlach beantragte, jede Sitzung
der Kammer follte mit Gebet eröffnet werben.
So fehr ihn die zunehmende augenfällige Kirchlichkeit
befriebigte, ganz einverftanden mit Raumers kirchlicher Wirk:
famfeit war ber König doch nit. Er ſah in der Begünftigung
des Ronfeflionalismus eine Gefahr für die Union und für bie
Pläne, mit denen er fi für die Verfafjung der evangelifchen
Kirche trug. Denn während Raumer die durch die Revolution
erihütterte Hoheit bes Königs über die Landeskirche voll wieder
zur Geltung bringen wollte, war ihm der in ber Reformation
geſchichtlich gewordene und durch die Gefeßgebung anerfannte
landesherrliche Episfopat ein „Greuel“, dem er „widerfagen”
zu fünnen wünfchte „wie dem Satan in der Taufe”: ihm gab
er bie Wehrlofigkeit der evangelifchen Kirche Rom gegenüber
ſchuld und wunſchte fie „auf eigene Füße zu ftelen“ und
„mit eigenen Organen auszurüften”. Dazu erftrebte er eine
Nachbildung der apoftolifhen Gemeindeverfaflung, eine Vielheit
von Meinen Kirchen mit Diafonen und Bijchöfen, die, zuerft
von ihm ernannt, weiterhin von der Kirche felbft und im
Namen ihres göttlihen Hauptes beftellt und etwa von ben
Erzbiſchöfen von Canterbury, Upfala oder Abo geweiht werben
ſollten. Neben ihnen follten die KRonfiftorien fortbeftehen und
periodiſch General: und Provinzialfynoden tagen. Ein erfter
Verſuch, die Verwirklichung diefes Projekts anzubahnen, ben
er Pfingften 1846 mit ber Berufung einer preußiſchen General:
fonode gemacht Hatte, war natürlich gefcheitert. Aber auch
der Sturm der Revolution lehrte ihn darin nicht anders
denfen, nur daß er, noch autofratifher fühlend, hier um fo
mehr gebieten zu Fönnen meinte, als ber Liberalismus ihm
auf kirchlichem Gebiete direkte Konzeffionen nicht abgebrungen
hatte. Beraten von dem Hofprebiger Strauß und dem pommer:
ſchen Superintendenten Einen, von dem er in biefen Dingen
ganz beſonders gut verftanden zu fein erflärte, hielt er an
feinem Episkopalſyſtem feit, ohne damit der Verwirklihung
näher zu fommen. Indem er aber nun im Intereſſe besfelben
326 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
die Union fefter anzuziehen, durch eine Kabinettsorbre vom
7. Januar 1853 den Qutheranern Pommerns eine neue Abend:
mahlsformel aufnötigen wollte, veranlaßte er heftige kirchliche
Kämpfe, die ihn zu Raumer und Gerlach in ſcharfen Gegenfat
braten. Auch auf diefem Gebiete war es ihm befchieben, bei
allem Enthufiasmus doch mehr zerftörend als aufbauend zu
wirfen.
Daß unter folden Umftänden das Verhältnis des Königs
zu der großen Mehrheit feines Volkes immer übler wurde,
war nur natürlih. Die refpektlofeften Aeußerungen über
ihn waren bis tief hinab an der Tagesordnung: niemals
hatten die Prozeſſe wegen Majeftätsbeleidigung eine fo er:
ſchreckend hohe Zahl erreiht und waren fo ſehr Gegenftand
der Erluftigung für viele geweſen, welde die ausgeftoßenen
Schimpfreden wohlgefällig wiederholten, die, kamen fie von
Höflingen oder hohen Beamten, ungeftraft blieben. Ließ ber
König fi einen guten Witz auch auf feine Koften wohl ger
legentlih gefallen, jo erbitterte ihn foldhes Gerede doch je
länger je mehr, er entmwöhnte fi immer mehr der Gnade und
Milde und atmete nur nod Strenge, Haß und Rachſucht: ber
furchtbare Gedanke ftieg in ihm auf, feine Regierung, die ihm
felbft nur eine Laſt war, folle vor allem fein Volk züchtigen,
und fuchte dann in Nebendingen Erholung, die feine Phantafie,
jeine romantiſchen und fünftlerifhen Neigungen angenehm
beſchäftigten. Wie er einft über bie liebevolle Beihäftigung
mit den Mänteln, welche die Ritter vom Schwarzen Adler
künftig tragen follten, das nahende Grolen der Revolution
überhört hatte, vergaß er jegt die Sorgen ber Regierung zeit-
weilig über die Stiftung des Hohenzollernſchen Hausordens und
die Reorganifation des Johanniterordens (Oftober 1852).
Nicht glüclicher als in der inneren war Friebrih Wilhelm
in der auswärtigen Politi. Was da etwa erreicht wurde,
war weniger von ihm gewollt als es ihm durch die Verhält-
niffe, die ftärfer waren als er, aufgenötigt wurde. Die Kur:
beffiihe und die Holfteinshe Frage waren für ihn abgethan.
Daß beiden für ihn der Makel des Revolutionären anhaftete,
half ihm über die damit verbundenen Demütigungen hinweg.
IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 327
Ein Aufleben der letzteren dachte er unmöglich zu machen,
indem er mit Hilfe Bismards den Herzog Chriftian von Auguften-
burg vermochte, fein Erbredit gegen Geld an Dänemark abzu:
treten, und nachträglich dem Londoner Protokoll vom 8.Mai 1852
(S. 307) beitrat. In Frankfurt blieb im weſentlichen noch
alles beim alten. Wohl entwidelte fi dort Bismard ohne
diplomatifche Schule vermöge feines durch fein Beamtenvorurteil
befangenen freien Blicks, feiner durchaus fachlich gerichteten
frohen Thatenluft und feines ftolzen preußiichen Patriotismus
raſch zu einem Meifter in der Diplomatie und machte der
Empfehlung feines Gönner und Freundes Gerlah bald in
einer Weife Ehre, welche biefem nicht mehr ganz genehm war,
blieb aber in dem täglichen Kampf mit Defterreich doch noch
auf die Defenfive beihränft. Und während er bort feiner
großen Beftimmung entgegenreifte, ftritt man in Berlin bar-
über, ob er feinem Vorgänger v. Rochow zunächſt als Lehrling
ober als Aufpafjer beigegeben fei, und fpottete über Manteuffel,
der aljo bereits fo weit fei, daß er feine Feinde anjtellen
müfle!
Als General Gerlah nah dem Olmüger „Siege“ das
Programm entwarf, das er und bie Seinen, wie Auerswald
Hagte, als ufurpierte Vertreter der „Guten im Lande” das
große Wort führend, der Regierung vorfchrieben, hatte er
auch die Reftauration in Neuenburg und in Frankreich gefordert
(S. 309). Hier wie dort warteten feiner arge Enttäufchungen.
Selbft Kaiſer Nikolaus erfannte den revolutionären Abenteurer
auf dem franzöfiichen Throne ſchließlich an, und im Krimkriege
gewann biefer gar die leitende Stellung in Europa. Die
Rolle Preußens dabei war weder geſchickt noch rühmlih. Sie
offenbarte die Zerfahrenheit der Regierung und einen erjhreden-
den Mangel an Entſchlußfähigkeit. Härter no als in ben
Tagen von Olmüg prallten die Parteien aufeinander und
fuchten ſich des ſchwankenden Königs zu bemächtigen, bei dem
ſchließlich die Scheu vor den Wechfelfälen eines Krieges den
Sieg davontrug. Die Camarilla war zu fehr daran gewöhnt,
Rußland als die Vormacht im Kampfe gegen bie Revolution
zu verehren und bem bei bes Baren Befuchen in Berlin einen
328 Viertes Buch. Revolution und Reattion.
das preußifche Selbfigefühl zumeilen verlegenden Ausdrud zu
geben, als daß fie den Gebanfen an die Brechung bes auf Europa
laftenden ruffifhen Einfluffes hätte faffen können. Auf ber
anderen Seite betrieb ein Kreis angefehener Politiker, obenan
neben dem Prinzen von Preußen ber Kriegsminifter v. Bonin
und Bunfen in London, den Anſchluß an die Weſtmächte, ver
ohne Krieg Rußland dem Willen Europas zu beugen verhieß.
Keines von beiden geſchah. Denn ber König ging feinen
eigenen Weg. Die faft naive Zumutung, Preußens Neutralität
durch die Reftauration Neuenburgs zu erfaufen, lehnten die
Weſtmächte natürlih ab. Das angeblich Deutſchland zu fihern
beftimmte Bündnis, das er, plötzlich in bie diplomatiſchen
Verhandlungen eingreifend, aus eigener Initiative am
20. April 1854 mit Defterreih einging, um es der Altions⸗
freiheit zu berauben und ben Weſtmächten fern zu halten,
leiftete dies nicht, führte aber, als man es gegen Rußland
zu wenden verfuchte, zu ber Entlaffung Bunfens und Bonins
und ſcharfen Auseinanderfegungen zwiſchen den königlichen
Brüdern. Denn ber Prinz von Preußen machte fein Hehl
aus feinem Unwillen über die unpreußiſch ſchwache Politik des
Königs. In der Armee gärte es: fogar von einem aus ihren
Neihen einzulegenden Proteft war bie Rede. Daß der Friede
zwiſchen den Brüdern wenigftens äußerlich hergeſtellt wurbe,
war weſentlich ber vermittelnden Thätigfeit Bismarcks zu
danfen. Als dann gar Defterreich fi im geheimen mit den
Weitmächten verftändigt hatte und, num von Rußland bedroht,
Preußen auf Grund jenes Vertrages mit gegen biefes aufzu—
treten nötigen wollte, verfagte der König fi dem auf das
entfchiebenfte und war jelbft zu militärifchen Vorfihtsmaßregeln
nit zu beflimmen, wie fie unter gleichzeitigem Appell an bie
Opferfreubigfeit feines Volles nunmehr Bismard dringend
befürwortete. Preußens europäifche Stellung wurde durch
diefe Politik ſchwer gefhäbigt. Zu dem Parifer Kongrefie,
der im Frühjahr 1856 dem für Rußlands Macht fo verhängnis-
vollen Krieg ein Ende machte, ließ man es erft nachträglich
zu. Und felbft das durfte noch für einen Erfolg gelten.
Preußen war tief gefunfen, und man konnte zweifeln, ob
IV. Reattionäre Willkurherrſchaft. 329
es auf ber abſchüſſigen Bahn würde einhalten fünnen. Konnte
doch felbft ein Mann des königlichen Vertrauens wie Kabinetts-
tat Niebuhr feinen Unmut nicht mehr unterdrüden. Weniger
Mangel an Wahrheit nah außen als an Wahrheit gegen fi
ſelbſt wirft er Preußens Politif vor: man geftehe ſich nicht
die eigentlihen Motive ein, fondern fpiegele ſich beftändig
vor, die einzelnen Akte feien Konfequenzen ber richtigen Grund:
gedanken der Politif; man fürchte immer aus bem europäifchen
Konzert — das nit eriftiere — binausgebrängt zu werben
und feine Stellung ala Großmadt zu verlieren — die man
längft nicht mehr habe. Und ein Bismard befreunbeter
preußiſcher Diplomat beklagte Preußens eben vollzogene halbe
Mediatifierung und das Umfichfrefien des Gifts unpreußifcher
Gefinnung auch bei dem Adel, wie fie fi in ber fervilen
Anbetung eines fremden Monarhen — des Zaren — be:
thätige, ſowie in dem Verhöhnen jebes berechtigten preußifchen
Ehrgeizes und dem Vorherrſchen feiger Friedensliebe. Auch
Manteuffel erkannte die Unhaltbarkeit diefer Zuftände und in
der Abficht, damit auch dem König gegenüber nicht zurüd-
zubalten, legte er zu Beginn des Jahres 1856 bie ihn immer
mehr quälenden Zweifel und Sorgen in einer Denkſchrift' aus:
führlih dar, die im ber beabfihtigten, aber unterbliebenen
endgültigen Redaktion dem Könige felbft vorgelegt werben
follte, aber augenſcheinlich nicht vorgelegt worden iſt. Jeden⸗
falls wäre ihr eine gnädige Aufnahme nicht zu teil geworben,
da fie mit überraſchender Klarheit und einem den Per:
fafler ehrenden Freimut durch die Kritik, die fie an dem
Herrſcher jelbft übte, die vornehmfte Duelle aller Uebel
aufdedte, freilih nur indiret, indem fie treffend darthat,
welcher Eigenſchaften ein preußifcher Herrſcher bedürfe, um
feine Aufgabe zu löſen. Verlangt wirb von ihm vor allem
völlige Unterordnung unter die Interefien des Staates. Auf
das entſchiedenſte verwirft der Minifter den Gebanfen an
einen Staatsftreih, der den König und bie Dynaftie ſchwer
gefährden werde, und erweiſt die Notwendigfeit und den Segen
der Verfaffung. Beſonders ſcharf wendet er ſich gegen bas
Syftem Raumer. In der evangelifen Kirche fei ein Partei:
330 Vierte Bud. Revolution und Reaktion.
tegiment proflamiert, das bie Union gefährbe und weite Kreife
der Evangelifchen mit ihren tüchtigen Geiftlichen in die Oppo=
fition dränge, bie geiftlihe Jugend aber zur Heuchelei und
Liebebienerei anleite. Mit dem größten Mißtrauen blicke,
befennt er, die Bevölkerung auf das herrſchende Syſtem.
Schuld ift daran namentlich der Verfall der Verwaltung, bie,
bisher ein Mufter von Disziplin, Gemiflenhaftigkeit und
Intelligenz, dieſen Ruf einzubüßen im Begriff fei, weil ber
einheitlihe Wille zur Leitung des gefamten Staatsorganismus
fehle. Mit fharfen Worten zeichnet er das dafür namentlich
verantwortliche Treiben der Camarilla, deren von ber Kreuz
zeitung offen befannte Tendenz, an die Stelle bes Königtums
von Gottes Gnaden ein Junker: und Pietiftenregiment zu
fegen, den allgemeinen Haß und Hohn der Nation auf fih
geladen habe. Unerträglich erſcheint ihm auch Hinckeldeys
Machtſtellung, und die zunehmenden Klagen über Polizeiwillkür
laffen ihn von dem Syftem und dem Geift der Verwaltung
für Dynaftie und Land Unheil beforgen. Aus dem allen er=
klärt fi ihm das Sinken von Preußens Anſehen im Ausland.
Ohne Bunbesgenoffen ift es ohne Einfluß auf die europäischen
Angelegenheiten und unter ben Großmächten nur noch gebulbet.
Konnte ein Staatsmann eine vernichtendere Selbſtkritik üben?
Ihre Richtigkeit wurde nur zu bald beftätigt.
Der König hatte den Verluft Neuenburgs nicht verſchmerzt.
Aber auch die orientalifhen Wirren boten feine Gelegenheit,
& zurüdzugewinnen (S. 308). Deshalb verfudte, für den
Fall des Gelingens der Gutheigung in Berlin fiher, Die dortige
toyaliftifhe Partei Anfang September 1856 eine gewaltfame
Reftauration. Aber der Putſch mißlang. Seine Führer fahen
fih in der Gewalt der fiegreihen Demokraten als Rebellen
an Leib und Leben bedroht. Dadurch fühlte der König, feit Hindel-
deys Tod in einem Zuftande krankhafter Erregung (S. 317),
feine Ehre fo ſchwer bedroht, daß er zum Schwert greifen zu
müffen meinte. Denn die Eidgenofjenfchaft machte die Ent:
laffung ber Gefangenen von feinem vorhergehenden Verzicht
auf alle Rechte auf das Ländchen abhängig, ben er dagegen
erſt nad) Erfüllung feines Verlangens leiften wollte. Obgleich
IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 331
ber Bund auf Betreiben Oeſterreichs Preußen aud bier nur
Schwierigkeiten bereitete, wollten bie fübdeutihen Staaten ihm
doch den Durchmarſch geftatten: feine Drohung ber Pfand»
nahme von Baſel und Schafihaujen konnte aljo verwirklicht
werden. Das machte in Bern doch Eindrud, und fo bewirkte
die von dem König nachgeſuchte Vermittelung Napoleons II.
eine friedliche Wendung. Die Eidgenoſſenſchaft fügte ſich dem
von Paris her auf fie ausgeübten Drud, entließ die Gefangenen
und jhlug den Prozeß nieder. In Paris trat eine Konferenz
ber unbeteiligten Mächte zufammen und brachte, nicht ohne
Kampf mit des Königs launenhaft wechjelnder Haltung, einen
ſchließlich von beiden Teilen angenommenen und am 26. Mai 1857
vollgogenen Vertrag zu ftande, wonach die Schweiz den an dem
Putſch Beteiligten Straflofigfeit gewährte, die Koften besfelben
übernahm und die Kirche für die 1848 eingezogenen Güter
entſchädigte, während der König unter Verzicht auf bie an=
fängli verlangte Entihädigung von zwei Millionen alle
Rechte auf Neuenburg aufgab, aber für fi und feine Nach:
folger den fürftlihen Titel davon beibehielt.
Der Verlauf diefes Handels erinnerte einigermaßen an
Olmütz. War aber einerjeits Preußens Kriegsdrohen noch
bebentlicher, weil es fih um eine unhaltbare, ja eigentlich
thatfächlich bereits aufgegebene Pofition handelte, fo war ber
Ausgang doch glimpflicher, da der König feine weſentlichſten
Forderungen durchſetzte und fo feiner voreilig ins Spiel ges
brachten perſönlichen Ehre Genüge geihah. Darüber, daß er
als Beſchützer offenbarer Rebellen gegen ihre rechtmäßige
Obrigkeit auftrat, half ihm bei feiner Neigung zu jefuitifchem
Denken der Haß gegen die Demokratie hinweg. Auch blieb
Preußen nicht ohne anderen Gewinn aus bem leidigen Handel.
Die Annäherung an Frankreich befierte feine europäiſche Stellung
um fo mehr, als auf der anderen Seite Rußland es ihm
dankte, daß es während bes Krimfrieges die feindlichen Abſichten
ber perfiden öfterreichiichen Politik vereitelt hatte. So erlangte
Preußen dem Wiener Kabinett gegenüber größere Aftions
freiheit. Denn bisher hatte es nad) dieſer Seite feine Unab-
bängigfeit nur in ber Vertretung bes Zollvereins gewahrt,
332 Viertes Bud. Revolution und Reaktion.
indem es den von den Königreichen begünftigten Verſuch Oeſter⸗
reichs, feine Aufnahme in den Zollverein zu erzwingen, erfolg»
reich befämpfte und zugleich die Gefahr einer Sprengung bes
Zollvereins abwandte. So wurde der 1841 erneute und durch
den Anſchluß von Lippe-Detmold, der Graffhaft Schaumburg
und Luxemburg erweiterte Zollverein 1853 auf fernere zwölf
Jahre verlängert. Er umfaßte nun nad) Eintritt auch Hannovers,
Dldenburgs und Büdeburgs 9000 Duadratmeilen und 35 Mil:
lionen Einwohner. Defterreih war jhließlih froh, einen
Handelsvertrag bewilligt zu erhalten (19. Februar 1853).
Die tiefe Verfiimmung und Entmutigung aber, bie in
folge der inneren Zuftände damals auf ihm lafteten, ließen
das preußifche Volk auch diefes Erfolges nicht froh werben,
wie man eigentlih aud nur Spott bafür hatte, ala die
preußische Regierung durch den Ankauf eines Teils der einftigen
deutſchen Flotte und die Erwerbung des oldenburgiſchen Hafen-
Örthens Heppens am Jahdebuſen (20. Juli 1853) den erſten
Schritt that zur Errichtung einer Flottenftation an der Nordſee.
Damit wurde der Plan zur Gründung einer Flotte, der flüchtig
bereits 1815 aufgetaucht war, in unſcheinbarer Form zwar,
aber doch ernftlih wieder aufgenommen. Die Kreugzeitung
hatte dafür zunähft nur Hohn und Spott; aber aud bie
Liberalen zudten dazu nur mitleidig die Schultern. Denn
ehe nicht der im Innern auf ihm laftende Bann gebrochen
war, blieb Preußen zu erfolgreicher nationaler Politik unfähig.
Und um der jüngeren Diplomatenſchule, welche die Aenderung
bes Verhältnifjes zu Oeſterreich als unerläßlich betrieb und
dafür zum Entfegen des Gerlachſchen Kreifes fih an Frankreich
anzulehnen feine Bedenken trug, zur Bethätigung Raum zu
geben, bedurfte es einer ſachlicheren Auffaſſung der Lage und
eines entſchlußfähigeren Willens, als fie Friedrih Wilhelm IV.
gegeben waren.
Hünftes Bud.
Die neue Bera und der Konflikt.
1858—18686.
I. Die neue Mera. 1857— 1859.
Seitiger, als die einen gefürchtet, die anderen zu hoffen
gewagt hatten, wurbe Preußen von dem Banne ber Reaktion
erlöft dur ein Ereignis, das, tief erfhütternd, dort das
unmutige Wiberfireben fteigern, bier bie Freude an bem ein-
tretenden Wandel verfümmern mußte. Im Herbit 1857 befiel
den König eine Krankheit, die fortfchreitend ihn geiftiger
Umnachtung überlieferte. Den aufmerffamen Beobachter bürfte
fie kaum überrafht haben. Längft an bem „wunderlichen
Herrn“ (S. 312) bemerkte befremdliche Erfheinungen erwiefen
fi nun als Symptome des bereits begonnenen geiftigen Ber:
falls — die unberehenbare Launenhaftigkeit, der Umſchlag
von einem Extrem in das andere, von unföniglicher Ausgelaſſen⸗
heit zu dumpfem Hinbrüten und einfamem Weinen, von übers
ſtrömender Zärtlichkeit zu beleidigendem Schelten, von befpoti-
{chem Eigenfinn in Meinen, zu völliger Gleihgültigfeit in ben
wichtigſten Dingen. In militärifhen Kreifen führten mande
ſchon fein Verhalten in den Märztagen auf die Krankheit
zurüd. Jene Schredenszeit mag ben geiftigen Zuſammenbruch
beihleunigt haben. Die Sorgen während bes Krimkrieges,
der Schmerz um Neuenburg und ber Nerger über Defterreichs
Zeindfeligfeit in der Frage nad der Bejegung der Bunbes-
fetung Raftatt thaten ein übriges, zumal fein hochgeſpanntes
tönigliches Selöftgefühl dabei immer wieber feine Ohnmacht
334 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
der rauhen Wirklichkeit gegenüber erfahren mußte. Dazu famen
törperlihe Anftrengungen auf einer politifh refultatlofen
Reife nah Wien und Dresden. In Pillnig traf ihn ein
Schlaganfall. Die Folgen ſchienen zwar bald überwunden.
Aber während der Manöver bei Halle (Anfang September)
erſchreckten ſein äußerer Verfall und Beweiſe momentaner
Unzurechnungsfähigkeit. Scheinbare Beſſerung erlaubte ihm
jedoch, die herkömmliche Thätigkeit fortzufegen. Bald aber
wurden die Stunden dumpfen Hinbrütens häufiger, das Ge-
dächtnis fegte aus, Namen und Worte fehlten, und wenn er
auf der einen Seite eine feierliche Kabinettsordre erließ, um
zu beftimmen, der Namen Köln folle hinfort mit K gefchrieben
werden, und dann in einer Sigung des Minifteriums elf
Todesurteile beftätigte, ala ob es fih um bebeutungslofe
laufende Geſchäfte handelte, jo wußte er offenbar nit, was
er that. Ober befiel ihn wieder die feit dem März 1848
gelegentlih zu Tage getretene Wahnvorftellung, zu eigener
Buße fei er von Gott allem fündhaften Wefen zur Zuchtrute
gelegt?
Damit fah die Eleine, aber mächtige Partei das Ende
ihrer Herrſchaft fommen. Deshalb fuchte fie die Anerkennung
feiner Regierungsunfähigkeit möglichit hinauszufchieben, viel-
leicht ganz zu umgehen, unterftüßt von ber Königin, die dabei
neben politiihen Motiven der begreifliche Wunfch leitete, dem
Kranken, der fich feines Zuftandes zeitweilig qualooll bewußt
war, jede jhäblihe Aufregung fernzuhalten. Der Camarilla
tam die Krankheit gerade jegt ſehr ungelegen. Hatten ben
König doch eben in legter Zeit feine antifonftitutionelen Pläne
wieder lebhaft beſchäftigt. Im Juni hatte er die Minifter
angewiefen, auf „eine andere Redaktion der Verfaſſungsurkunde
zu benfen, wodurch alle Lüge und aller falſche Konftitutionalis-
mus daraus entfernt würde, aber nicht die ftändifche Freiheit”.
Es fei eine Schande und ein Unglüd für Preußen, daß bie
Gefeggebung, ftatt in ben Händen des Königs, in denen ber
drei fogenannten Faktoren liege. An ihr follten die" Stände
vielmehr nur da Anteil haben, wo ihre eigenen ober ber
einzelnen Rechte in Frage kämen, auch Steuern und Anleihen
1. Die neue Xera. 335
zu bemilligen, aber nicht bie Etats feftzuftellen haben. Dieje
wollte er vielmehr einer Kommiſſion aus Miniftern, Geheime:
täten und Abgeorbneten zumeifen, die unlängft aus Anlaß
mit den Kammern entftandener Differenzen zur Einleitung
einer Finanzreform berufen war. In feinem Gutachten ſprach
fh Weftphalen für Vefeitigung der Verfaſſung aus und ihren
Erſatz dur einen königlichen Freibrief (S. 311). Manteuffel
dagegen wollte, auch fernerhin von jeder totalen Umgeftaltung
der Verfafjung abfehend, „nad praktiſchen Bebürfniflen einen
Paragraphen nad dem anderen befeitigen und höchſtens —
mit realen Freiheiten, wie Dezentralifation, Selfgovernment
u. ſ. w. vorgehen“. So dachte aud) Gerlah: durch Ausmerzung
ber ſchädlichen Paragraphen „jollte die Verfafjung in ihrer
unpraktiſchen Blöße zu einem warnenden Monument bes Unfinns
der Vorfahren werden”. Nur fürchtete er, e8 werde überhaupt
nichts geihehen, da der König „dermalen nicht thätigen
Geiſtes“ fei.
Am 6. Oktober traf diefen ein neuer Anfall. Erholte er
ſich auch körperlich wieder, jo ftand doch für feine Intimen
feft, daß er nicht regierungsfähig fei, es wohl auch nie wieber
werben könne. Alles war für fie nach Gerlad bedroht —
„Stände, Dereinigter Landtag, Herrenhaus, Oberfichenzat,
Sansfouci und feine Bauten, Künftler, Freundſchaften, Humor
und vor allem das wirklich riftlicde Sündengefühl”. Vierzehn
Tage, drei Wochen konnte wohl ohne König und Regentfchaft
fortregiert werben. Was aber dann? Daß allein der Prinz
von Preußen in die Lüde einzutreten berechtigt fei, ftand feft.
Um fo mehr hielt er fi zurüd, erklärte ſich aber bereit, zu
thun, was die Minifter von ihm verlangen, ihm entgegentragen
würden. Das ſetzte biefe in Verlegenheit. Nun hatte ber
Prinz weber die Verfaffung beſchworen, noch feinen Plag im
Herrenhaufe eingenommen, bie neue Ordnung alfo nit un—
zweibeutig anerkannt. Vielleicht ließ fih alfo an bie legten
Entwürfe des Königs anknüpfen. Diefe abfolutiftiihe Tendenz
vertrat in ber Camarilla des Königs Flügeladjutant und
Chef des Militärfabinetts, Oberft Edwin v. Manteuffel, ein
Vetter des Minifters: er wollte dem Prinzen über den Kon-
336 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
Ritutionseid, den angeblih aud der König von ihm nicht
geleiftet zu fehen wünfchte, hinweghelfen und fo mit der „un=
preußifhen und verderblihen” Verfaſſung „abfahren“, fand
damit jebod feinen Beifall. Denn diefe Kreife mißtrauten
dem Prinzen, den fie als Gegner ber Reaktion und als Freund
eines Auerswald Fannten. Ohne Eid, fürdteten fie, könne er
von den Liberalen, in deren Sinn aud) feine kluge Gemahlin
auf ihn einwirkte, zu gefährlichen Konzeſſionen vermocht werben.
Die Königin hätte es am liebften gefehen, wenn ber Kranke
einfad mündlich feinen Bruder einftweilen zum Vertreter be:
ftelte. In der Verfaffung war ein Fall, wie er nad ber
Anſicht der herrſchenden Partei hier vorliegen jollte, nicht
vorgejehen, nur für den dauernder Verhinderung des Königs
verfügte fie die Einfegung einer Regentſchaft unter Mitwirkung
der Kammern. Diefe zu vermeiden, hielt man die Fiktion
feſt, der König werbe genefen und felbft wieder regieren, und
wählte deshalb ſchließlich mit Zuftimmung bes Prinzen, der
ängſtlich jeden Schein zu vermeiden fuchte, ald verlange er an
des unglüdtiden Brubers Stelle zu treten, einen völlig außer:
halb bes Rahmens ber Verfafjung liegenden Weg, indem man
den König am 23. Oktober in einem lichten Augenblid vor
Zeugen eine ihm von ber Königin vorgelegte Ordre unter
zeichnen ließ, durch die er dem Prinzen für drei Monate die
Stellvertretung in den Regierungsgefchäften übertrug. Diefer
übernahm fie mit ber Erflärung, fie nad den ihm wohl⸗
befannten Intentionen des Königs führen zu wollen.
Daß damit jede Aenderung des Syftems ausgeſchloſſen
war, machte des Prinzen Stellung äußerft peinlih. Ein aus:
geſprochener Gegner Weftphalens und Manteuffels, mußte er
dod mit ihnen regieren. Für feine mafellofe Ehrlichkeit famen
weber bes einen noch des anderen verfaflungsfeindliche Abfichten
in Betracht, aber die Verfafiung zur Wahrheit werben zu
laſſen, war er doch außer ftande. Kein Freund von Kon—
ftitutionen, meinte er do, dba, wo fie einmal eriftierten,
müßten fie gehalten und dürften nicht durch gezwungene
Interpretationen verfälfcht werden, da die fonftitutionelle Idee
in das Volfsbewußtfein eingedrungen fei und Feindſchaft gegen
1. Die neue Xera. 337
fie Mißtrauen des Herrichers gegen das Volk befunde Wie
grundverſchieden war doch ſchon danad fein ganzes Wefen von
dem des Bruders. Jenes geniale Unregelmäßigfeit in der
Arbeit kannte er nicht. Spät in die Geſchäfte eingeführt —
zu des Vaters Zeiten war er ihnen ganz fern geblieben und
erft ald Vierundvierzigjähriger auf Veranlaffung des Bruders,
dem er einft folgen follte, in fie eingeführt, hatte er fi
peinliche Pflichttreue und Pünktlichkeit auch im Kleinften an:
geeignet. Wo jener unbelehrbar längſt als unrealifierbar
erwiefene Ideen eigenfinnig fefthielt, lernte er aus dem Ge:
ſchehenen, ließ fich überzeugen oder brachte auch feine Ueber:
zeugung refigniert dem Wohl des Staates zum Opfer. Bild:
ſamkeit, Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit und Selbftlofigkeit treten
gleich jegt als die vornehmften Züge an ihm hervor. Sie im:
ponierten auch den Gegnern. Indem er die ihm durch des
Bruders Auftrag gezogenen engen Schranken peinlich einhielt,
innerhalb derjelben aber feine Autorität neben fi duldete
und daher nicht nur den Generaladjutanten, deſſen „Intriguen=
geift“ er kannte, ausſchaltete, ſondern auch die Angelegenheiten
des Töniglichen Haufes, die man ihm vorzuenthalten verfuchte,
für fih in Anſpruch nahm, gewann er jelbit der Camarilla
Lob für feinen Takt, feine Pietät, fein rückſichtsvolles Be—
nehmen und überraſchte fie dadurch, daß er „ganz negativ,
keinen Gedanken, Feine Abfiht zu erkennen gab und feine
Velleitãt beging“. Den Herren imponierte die vornehme paflive
Haltung, mit der er die Unnatur der Lage binnahm und
weder dem Minifterpräfidenten noch Edwin v. Manteuffel wider:
fpra und es ruhig gefchehen ließ, daß, als ber König nad
Ablauf der drei Monate nicht genefen war, am 6. Januar 1858
die Stellvertretung in gleicher Weife auf dieſelbe Zeit erſtreckt
wurde, obgleih er eine Vollmacht auf unbeftimmte Zeit vors
gezogen haben würde. Nach Gerlah waren die Rechte des
Königs jedoch nicht übertragbar. Eine Abdankung aber erſchien
der Camarilla als das Schlimmfte, angeblich wegen ihrer An-
fechtbarkeit im Falle der Genejung des Könige. Das Gleiche
wiederholte fi noch zweimal, obgleich die abnorme Lage felbft
Gerlah das Eingeftändnis abdrang, wer es mit dem Lande
Prug, Vreubiſche Geihiäte. IV. 22
338 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
gut meine, mülle dem Prinzen raten, zu regieren, ala ob ber
König längft tot wäre (14. April). Dennoch machte die
Camarila auf noch im Sommer 1858 einen Verfuh, das
Unvermeiblihe abzuwenden. Die Königin follte ein Schreiben
ihres Gemahls an den Prinzen veranlafien, worin er für bie
Stellvertretung dankte und, nun Binreihend gefräftigt, felbft
regieren zu wollen erflärte. Die Gefchäfte wären dann unter
der Kontrolle der königlichen Unterſchrift durch die Königin
von den dazu berufenen ober ſich darbietenden Herren vom
Hofe geführt worden. Preußen follte aljo, wie Bismard,
der dabei mitzuwirken entſchieden ablehnte, ſich derb ausbrüdte,
mit einer „echten Haremswirtſchaft“ beglüdt werden. Das
ebenfalls duch Bismard veranlaßte energiſche Einfchreiten des
Prinzen, der unter folden Umftänden auch feine militärifche
Stellung nicht beibehalten zu können erklärte, brachte die
Intrigue, der, wie es ſcheint, auch Manteuffel ihren Lauf
ließ, zu Fall.
Jedenfalls mußte fie den Prinzen überzeugen, daß die
bisherige Art der Stellvertretung ferner unmöglich fei. Auf
Grund der Verfafiung verlangte er daher die orbnungsmäßige
Beſtellung zum Regenten; eine bloße Mitregentſchaft, durch die
er auch weiterhin in Abhängigkeit erhalten worden wäre,
perhorreszierte er entſchieden. Von den Miniftern wollten
Manteuffel, dem der völlig illegale Zuftand allmählih un—
heimlih wurde, Simons, v. d. Heydt und v. Maſſow, der
Hausminifter, einer Forderung nachgeben, gegen bie fi} rechtlich
nichts einwenden ließ, mochte Gerlach ihre Erfüllung aud) als
den größten Sieg des Konftitutionalismus beflagen, weil fie
die Stände zum Schiedsrichter über den König made. Die
anderen widerſprachen, bejonders heftig Weftphalen. Da aber
die Lage feinen anderen Ausweg ließ, verftändigte man fid.
Auch die Königin fügte fi in dag Unvermeidlie. Denn man
fürchtete, längerer Widerftand könne den Prinzen beftimmen,
mit den Kammern allein vorzugehen, im Intereſſe bes Landes
biefe gegen ben König aufzubieten und fo einen Präcedenzfall
übelfter Art zu fchaffen. Dem Könige jelbft, der fi feiner
Unfähigfeit wohl bewußt war, wurde der Schritt erleichtert
1. Die neue Aera. 339
durch die Ausſicht auf eine von dem Nerzten empfohlene Reife
nad dem Süben. Am 7. Oktober legte ihm die Königin in
Sansfouci in der genau vereinbarten Wortfaſſung die Kabinetts-
orbre vor, durch die er angeſichts ber bevorftehenden Reife und
feiner zur Zeit noch andauernden Verhinderung ben Prinzen
erſuchte, bis zu feiner Genefung „bie königliche Gewalt in ber
alleinigen Verantwortlicfeit gegen Gott nad beftem Wifjen
und Gemifen in feinem Namen als Regent auszuüben” und
fih aud von den Angelegenheiten des königlichen Haufes nur
die feine eigene Perfon betreffenden vorbehielt. Schmweigend
hörte er der Verlefung aufmerkfam zu und unterzeichnete ohne
jede Bemerkung, — hielt fi dann beide Hände vor das
Gefiht und weinte einige Thränen. Dann verließ er das
Bimmer.
Thatfählih war damit ein Thronmechfel vollzogen. Denn
niemand glaubte an eine Genefung des Königs. Aber auch
einen Syſtemwechſel verfündeten alsbald mande Anzeichen.
Unter der koniglichen Kabinettsordre fiand der Name Wet:
phalens nicht mehr. Entrüftet über feine Haltung in der
Regentiaftsfrage, hatte der Prinz bereits am 6. Oktober
feine Entlaſſung verfügt, den Schritt dann aber auf Manteuffels
Erſuchen als augenblidlih inopportun aufgefhoben. Denn ber
Minifterpräfident hoffte das ganze Minifterium dem neuen
Herrn als unentbehrlich aufzubringen. Da verweigerte Weit
phalen die Gegenzeichnung jener Ordre: am 10. Oktober wurde
er deshalb durch den bewährten, einft von der Reaktion aus
feinem Oberpräfidium verbrängten Flottwell erſetzt. Die
Camarilla war außer fi, und Gerlach befhuldigte Manteuffel,
Simons und v. d. Heydt, durch ihre Nachgiebigkeit alles ver-
dorben zu haben. Faft revolutionär erſchien es ihm, nun gar
den Landtag zu berufen, damit er nad) Artikel 56 der Ver-
faſſung die Notwendigkeit der Regentſchaft anerfenne Mit
der Regentſchaft, grollte er, fei die Sowveränität halb zum
Fenſter binausgeworfen. Schlagend freilid wurden folde
Tiraden wiberlegt dur den Verlauf der Furzen Landtags-
ſeſſion. Ohne Diskuffion und einftimmig erfannten beide Häufer
in gemeinfamer Sigung die Notwendigkeit der Regentſchaft
340 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
an und fanftionierten fomit die Handlungsweiſe des Prinzen,
— ein erfreuliches Zeichen politiſcher Einfiht und Mäßigung:
in dieſem wichtigen Augenblid entfagten alle Parteien ihren
befonberen Wunſchen und ſcharten fi in lange nicht gefannter
Einmütigkeit um das neue Staatsoberhaupt. Daß aud die
Herren von der Rechten das thaten und ſich nicht, wie fie anfangs
wollten, der verfaffungsmäßigen Votierung der Regentihaft
wiberfegten, war zum Teil das Verbienft des aus Frankfurt
berbeigeeilten Bismard. Am 26. Oktober leiftete der Prinz-
regent vor dem Landtage den Eid auf die Verfaſſung. Damit
war die neue Regierung völlig konſtituiert: aus eigenem Recht
an des Königs Stelle zu handeln befugt, gab der Prinzregent
nun aud feine ſcheinbar meinungslofe Paffivität auf und
handelte in bem vollen Bemußtfein des aud ohne Krone ihm
aufgelegten königlichen Berufes.
Daß ihm bejondere Sympathie entgegengebraht, Großes
von ihm erwartet worden wäre, läßt fih nicht fagen. Man
tannte ihn ja nicht und hatte weber von feiner Denkweiſe
noch von feinen Fähigkeiten ein Bild. Wohl war die in ben
Märztagen ihm angeheftete Verleumbung widerlegt. Aber daß
er vor allem Soldat war, ſchien mandem bedenklich. Zwar
wußte man, daß er die Politik des Bruders nicht billigte.
Aber auch als Genofie des Kreifes, defien Organ das
„Preußiſche Wochenblatt” war, gab er für die Erfüllung weiter
gehender Wunſche feine Gewähr. Von feinen Anlagen hatte
man feine befonders günflige Meinung. Die Art, wie er fi
während der Stellvertretung nad des Bruders Vorbild
„effaziert“ hatte, ſchien das zu beftätigen. Nur wenige Ver-
traute hatten einen Blick in fein Inneres gethan. Denn
defien Reichtum und Tiefe lag mehr im fittliden als im
intelleftuellen Gebiete. Er mar fein probuftiver, fein jehöpferi«
ſcher Geift, jondern mehr auf das Empfangen gerichtet, da
aber in unvergleihlidem Maße befähigt, das Empfangene
unter Wahrung feiner Selbftändigkeit fo zu verarbeiten, daß
& ganz in fein Denken und Fühlen überging, gleichſam ein
Stud feines Lebens wurde, und fo fchließlih ihm und anderen
wie in ihm entiprungen erſchien. Denn bier beruhte dieje
1. Die neue era. 341
Anpaffungsfähigfeit, die ſonſt fo leicht zu Charakterlofigfeit
führt, in einer feit in ſich gegründeten fittlihen Perfönlichkeit,
die alles Zweibeutige, Unlautere ober gar Unmahre von fih
ftieß und, im fteter Selbftzuht und Selbftprüfung mit fid
jelbft einig zu fein beftrebt, al ihr Thun und Laſſen maß an
dem mit feltener Tiefe erfaßten und feft im Auge behaltenen
Begriff der Pflicht. Prinz Wilhelm Hatte nichts von ber
Genialität feines unglüdlihen Bruders: wohl aber paarte
fi) in ihm auf das glüclichſte die ruhig, faft ſchwerfällig be—
fonnene Art des nüchtern verftändigen Vaters mit der tiefen
Gemütsinnigfeit der lebhaft empfindenden Mutter. Cinander
bald mäßigend, bald anfeuernd, haben biefe Eigenſchaften ihn
befähigt, bis in das höchſte Alter neue, ja ihm urfprünglich
wiberftrebende Ideen aufzunehmen und mit der Wucht feiner
fittlichen Energie verwirklichen zu helfen. Obne felbft ſchöpferiſchen
Geiftes zu fein, wurde er fo der Schöpfer eines neuen Preußen
und eines neuen Deutfhland. An fi fein großer Mann, ift er
doch, fi felbft fait unbewußt, für Mit: und Nachwelt die
volllommenfte Verförperung einer großen Zeit geworden. Reich
an berzgewinnenden, menſchlich liebenswürdigen Zügen, bietet
jein Bild, wie es fi in drei Jahrzehnten in unerſchöpflicher
Zebensfülle ausgeftaltete, eigentlich feinen an fi) großen Zug,
und do ift es als Ganzes wahrhaft Hiftorifch groß. Wohl
ward ihm gerade in dem kritifcften Augenblid das Fürften
fo felten beſchiedene Glüd zu teil, einen Berater zu finden,
der ihm glei) war in rüdhaltlofer Offenheit, unverbrüchlicher
Wahrheitsliebe und Hingebender Treue, weit überlegen aber
an ſchöpferiſcher Geiftesfraft, fröhlihem Wagemut und mit der
Sicherheit des großen Menſchenkenners die in ihm ſchlummernden
Kräfte des Geiftes und des Willens in Thätigkeit fegte und
auf das Ziel richtete, das er alle Zeit in dem jehnenden Herzen
feftgehalten, aber jo zu erreichen niemals für möglich gehalten
hatte, das Glüd und die Größe Preußens. Wie des Prinzen
Stärke ohnehin mehr im der Negative lag, indem mehr als
nüchterne politiſche Berechnung fein fittlihes und patriotiſches
Gefühl ihm fiher finden ließen, mas als nicht recht und nicht
gut zurüczumweifen war, das bat der enttäufchende Verlauf der
342 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
erften Jahre jeines Regimentes gelehrt. Yon dem beften Wollen
erfüllt, fand er doch in ſich felbft fo wenig wie bei feinen
Gehilfen den Mut und die Kraft, aus dem Bruch mit der als
verwerflich preisgegebenen Vergangenheit für Gegenwart und
Zukunft die richtigen Konfequenzen zu ziehen, und geriet fo
in Halbheiten und Widerfprüde, die ihn an allem und viele
an ihm irre machten.
Nicht ſowohl feine politifden Prinzipien, als die Art,
wie es fie vertrat, machte dem Prinzregenten bie Beibehaltung
des Minifteriums Manteuffel unmöglich. Konfervativ wollte
aud er regieren, aber mit Ehrenmännern, und ba er in feiner
Pietät ‚gegen den Bruder auch die Verdienſte Manteuffels
anerkannte, dachte er zunächſt daran, ihm perfönlich verbundene
Vertrauensmänner unter deſſen Vorfig in einem Kabinett zu
vereinigen. Dazu aber wollten diefe fich natürlich nicht hergeben.
Als nun aber die Minifter jelbft, nach Gerlachs Urteil freilich
nur Stolz und faljche Delikateſſe vermeidend, in einem Bericht
am 30. Dftober ihr Verbleiben im Amt als notwendig bar-
ftellten, befchloß er, neue, bisher noch nicht angefeinbete
Perſonen unter dem Vorſitz bes als liberal und national
denkend befannten Fürflen Anton von Hohenzollern in bie
. Regierung zu berufen. Am 3. November erklärte er Manteuffel,
feine Anfihten wichen prinzipiell und formell von denen bes
Minifteriums zu fehr ab, um bie nötige Einmütigfeit des
Handelns zu ermöglichen, der Blid auf die Zukunft aber
nötige ihn, der Vergangenheit nicht überall Rechnung zu tragen.
So mild die Form und fo freigebig der Prinz mit ben ber-
kömmlichen Belohnungen war — Manteuffel lehnte alles ab
und nahm ſchließlich nur die Brillanten zum Schwarzen Adler⸗
orden an: thatſächlich wurden doch die Minifter, bie nicht
gehen wollten, von ihm weggeſchickt. Das fteigerte den Ein-
drud auf die öffentliche Meinung: wie von einem Alp befreit,
atmete fie erleichtert auf, vermutete nun aber bei dem Prinzen
weitergehende Abſichten, als er hegte.
Schon daß in dem neuen Minifterium, wie es am 6. No—
vember ins Amt trat, Simons und v. d. Heydt blieben, fenn-
zeichnete es ala ein weſentlich Eonfervatives. Mit der Vergangen⸗
I. Die neue Aera. 343
beit follte nicht gebrochen, jondern es follte nur bie ſorglich
beſſernde Hand angelegt werden, wo fi Willkürlihes oder ben
Bedürfniffen der Zeit Widerftreitendes zeigte. In biefem Sinne
entwidelte ber Prinz am 8. November in einer Anſprache an
das neue Minifterium fein Programm. Es gelte vor allem die
rechte Erkenntnis der vorhandenen Bebürfnifie in Wahrheit,
Gefeglickeit und Konfequenz: nur fo werde die Regierung
reinen Gewiſſens, ſtark und allem Böfen entgegenzutreten
berechtigt fein. Im einzelnen betonte er die Notwendigkeit
größerer Aufwendungen für das Heer, tadelte ſcharf die kirch⸗
liche Mißwirtſchaft, welche die Religion zum Dedmantel politie
fer Beftrebungen mißbrauche und eine Orthoborie, Heuchelei
und Scheinheiligfeit geoßgezogen habe, die man entlarven müfle,
ehe es zu fpät fei. Diefe Worte trafen den dunkelften Punkt
in dem bisherigen Syſtem. Der Jubel über fie ließ mande
Unklarheit und Lüde des Programms überfehen. An ſolchen
fehlte es nicht. Da war die Rede von moralifhen Eroberungen,
die Preußen durch weile Gefege im Innern und Pflege der
Einigungsmomente in Deutſchland machen folte. Diefe Phrafe
offenbarte eine ganz unrichtige Vorftellung von ber wahren
Natur der deutſchen Frage. Was war der reale Inhalt der
ſchwungvollen Erklärung, die Welt müfle willen, daß Preußen
überall das Recht zu ſchützen bereit ſei? Und wenn ſchließlich
gefordert wurde, Preußen müfle dur Befonnenheit, Energie
und Konfequenz feiner Politik erfegen, was ihm an materieller
Macht fehle, fo lag darin ein unpolitifches Eingeſtändnis der
Schwäche, nad dem der Redner aus ber Geſchichte der letzten
zehn Jahre wenig gelernt zu haben ſchien.
Solch realpolitiſche Anſchauungen aber waren jener Zeit
nod fremd. Sie dem preußifhen Volfe anzuerziehen, bedurfte
es noch einer harten Lehrzeit. Ihr Anfang war die neue
Aera, welche die beften Abfihten und den reinften Willen ſcheitern
fah, weil in der Politik nicht ideale, fondern reale Momente
der Macht den Ausfchlag geben. Auch des Prinzregenten neuen
Beratern war biefe Erkenntnis, die fih Bismard in Frankfurt
erſchloß, noch nicht aufgegangen. Bon dieſen patriotiſchen
Ehrenmännern war Feiner ſtaatsmänniſch hervorragend begabt,
34 Fünfte Bud. Die neue Aera und der Konflitt.
und 8. v. Gerlad hatte nicht ganz unrecht, wenn er das neue
Minifterium impotent ſchalt, obgleih er von der Berufung
des ohne Portefeuille eintretenden Rudolf v. Auerswald
(&. 308), des als liberal bewährten vertrauten Jugendfreundes
des Prinzen, und v. Patows, ber der Reaktion freimütig
entgegengetreten war, zum Finanzminifter ſchweren Anſtoß
nahm. Der Kriegsminifter v. Bonin war zur Seit bes
Rrimkrieges mit dem Prinzen ala Gegner Rußlands bitter
angefeindet worden (S. 328). Auch v. Bethmann-Hollweg, ein
angefehener Gelehrter, ftand dem Prinzen feit Jahren freund:
ſchaftlich nahe, während der Minifter des Auswärtigen,
v. Schleinig, einft ein Vorkämpfer der Union, feine Berufung,
wie es ſcheint, dem Einfluß der Prinzeffin verbanfte, die bes
arglofen Gemahls Politit unmerklich entfchiebener Tiberal zu
geftalten firebte. Dazu zu helfen war auch Flottwell, obgleich
ein ehrlicher Anhänger der Verfaſſung, nicht der Mann. Der
Fürft von Hohenzollern aber ftügte das Minifterium zumeift
durch die Popularität, die er dem Verzicht auf die Souveränität
und die Abtretung feines Ländchens an Preußen (1848) ver
dankte. So entbehrte fein Minifterium der politifhen Einheit
und wurde nur buch bie perfönliche Verbindung ber einzelnen
Mitglieder mit dem Negenten zufammengehalten. Auch wollte
dieſer felbft feinen Syftemmechjel vollzogen haben, fondern
legte Wert darauf, die Kontinuität mit des Bruders Regierung
auch innerlich gewahrt zu haben
So begann die neue Aera mit einem inneren Widerſpruch,
der offen zu Tage treten mußte, ſobald ftatt unbeſtimmt ver-
beißungsvoller Worte Thaten gefordert wurben. Die Reaktion
hatte es an folden nicht fehlen lafjen: bie gleiche Konſequenz
erhoffte das Volk von ihren fo plöglich ans Ruder gefommenen
Gegnern. Daher fein Jubel bei dem Belanntwerben des
Minifterwechfeld und der Anſprache des Negenten an bie
Männer jeines Vertrauens; daher feine Enttäujhung und Ver:
flimmung, als die Thaten ausblieben und es fi allmählich
überzeugen mußte, baß der Wandel fein prinzipieller fein,
fondern auf bie Methode beſchränkt bleiben folle. Zwar wurde
dur die Neuwahlen, für die Flottwell den Beamten die bis-
1. Die neue Xera. 345
ber übliche Beeinfluffung unterfagte, bie bisherige Rechte gleich-
ſam weggefegt — von ihren 224 Mitgliedern kehrten nur 38
wieder. Aber die großen liberalen Reformen erfolgten nicht,
obgleich, um der Regierung ihrerfeits nicht Schwierigkeiten zu
bereiten, bie ehemalige Linke dem Wahlkampf felbftverleugnend
fern geblieben war. Dennoch beunrubigte den Prinzregenten
das Wahlergebnis: nicht eine freudige Zuftimmung zu feinem
Programm entnahm er ihm, fondern daß man feinen Worten
einen anderen Sinn unterlege und ihm durch die Minifter,
deren Parteigenofjen bie fihere Mehrheit hatten, weitere Zu:
geftändniffe abdringen und ein die Vergangenheit rüdhaltlos
verleugnenbes liberales Regiment aufnötigen wolle. Ihm felbft
wurde der Widerfpruh, an dem bie neue Aera krankte, bamit
bereits unbehaglich fühlbar, zumal der Wandel in Preußen
auch auf die übrigen deutſchen Staaten mächtig einwirkte.
Ueberall wurden die jo lange als ausfichtslos ruhenden nationalen
Beſtrebungen, die au für den Prinzen eines revolutionären
Beigefämads nicht entbehrten, eifriger.und planmäßiger als
früher erneut. Es ſchien faſt, als ob, wie einft Rabowig
gewollt, die Wiederaufnahme der deutfchen Frage zur Löfung
der preußifchen beitragen folle, während Bismard vergeblich
darzuthun fuchte, daß jene nur von dem Standpunkt ber
europäifchen Politik aus angegriffen werben könne, ihre Löfung
aber die der anderen einfchließen werde.
Am meiften und dankbarften empfand man den Segen
der neuen Aera in dem Gebiete bes geiftigen Lebens. Die
Preſſe konnte wieder ihre hohe und verantwortliche Aufgabe
erfülen. Eine große Zahl bisher ruhender Talente wurde
durch fie der politiſchen Tagesarbeit gewonnen und immer
weitere Kreife zu verfländnisvollerer Teilnahme daran ge—
bildet. Getreu ihrem in einer großen Vergangenheit wurzeln-
den Berufe fonnten die Univerfitäten wieder nicht bloß die
Wiſſenſchaften, fondern auch deren Verbindung mit dem ge—
famten nationalen Leben pflegen. Aus den Reihen ihrer aus
politiſchen Gründen fo lange zurüdgefegten Lehrer erftanden der
neuen Aera einige der tüchtigften Vorkämpfer und Mitarbeiter.
Der Hiftorifer Mar Dunder, einft wegen feiner vernichtenden
346 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
Kritit von Olmütz verfolgt, wurde von Tübingen nad Berlin
berufen, als Geheimrat attadjiert dem Minifterpräfidenten
Hohenzollern und im Auswärtigen Amte und ber Prefie be
ſchäftigt. Auch in die höheren Schulen zog wieber ein freierer
Geift ein. Schwerer war es, die Volksſchule, die vermöge der
Negulative von 1854 (S. 323) ganz der Raumerſchen Richtung
unterworfen war, aus dieſen Banden zu löſen. Am beftigiten
aber entbrannte der Kampf auf dem kirchlichen Gebiete, wo
bie bisher herrſchende Partei einen mohlbefeftigten Beſitzſtand
verteidigte. Unterftügt wurde fie dabei aus politifhen Gründen
von den num in bie Oppofition gedrängten Junfern, die fi) den
Anſchein gaben, als ob fie Thron und Altar gegen revolutionäre
Minifter zu verteidigen hätten. Vornehmlich ftießen dieſe
Gegenfäge in dem Gebiete der Chegefeggebung zufammen.
Bereits unter Friedrih Wilhelm IV. hatte diefe eine ähnliche
Rolle gefpielt (S. 204), da die politifde und kirchliche Reaktion
ihre firengen Anſchauungen namentlih in Bezug auf Ehe:
ſchließung und Eheſcheidung zur Herrihaft bringen wollte.
Doch war man über gewifje formale Befimmungen, welche bie
bisherige Wilfür abftellen ſollten, nit binausgefommen und
auch bei der Aufnahme der dem Könige fehr am Herzen liegen:
den Sache in den Jahren 1854—57 war eine Einigung nit
erreicht worden. Der König jelbft nahm dabei eine merkwürdige
Stellung ein, indem er, damit die evangelifhen Pfarrer nicht
Shen wider ihr Gewiſſen einzufegnen genötigt werden könnten,
die Einführung der Zivilehe forderte. Damit aber ftieß er
gerade in feiner nächften Umgebung auf Widerftand. Au
ein noch 1857 gemachter Verſuch dazu war geſcheitert. Daher
hatten fi die auf biefem Gebiete herrſchenden Mißſtände fo
vermehrt und die ihnen entjpringenden Konflikte jo verſchärft,
daß das Minifterium ber neuen Aera fie abzuftellen eilte. Es
griff dazu, freilih aus anderen Gründen, auf des Königs
Gedanken zurüd, indem es die Hinbernifje, welche die orthobore
Geiftligfeit der Wiederverheiratung Geſchiedener bereitete,
durch Einführung der Notzivilehe befeitigen wollte Doch
brachte es den mit dem Abgeorbnetenhaufe vereinbarten Geſetz⸗
entwurf in dem Herrenhaufe noch nicht zur Annahme.
I. Die neue Xera. 347
Gegenüber diefem Mangel an Erfolgen im Innern war
& faf ein Glüd für das Minifterium, daß eine große euro:
päifhe Krifis alles Intereffe auf das Auswärtige Fonzentrierte,
mochte ihr Verlauf aud nur aufs neue die Gebrechen offen-
baren, die Preußens geringe Geltung unter den Großmächten
verſchuldete und der Einſicht Bismards Anhänger gewann,
nur von ber europäifhen Politik aus fei Preußen in Deutſch⸗
land zu dem gebührenden Einfluffe zu verhelfen.
Der Neujahrstag 1859 ftellte Europa plöglih vor bie
Gefahr eines öfterreichifch-frangöfifhen Krieges um Stalien.
Daß dabei nicht bloß der Deutfche Bund, fondern auch Preußen
dem Kaiſerſtaate zur Rettung feines Befiges und feiner Macht⸗
ſtellung in Jtalien Heeresfolge leiften werde, galt in Wien
ala felbftverftändlih, obgleih die dur den Kampf um ben
Zollverein und das Beſatzungsrecht in Raſtatt erzeugte Spannung
mit Preußen durch die Aufnahme der fehleswig-holfteinifchen
Frage noch verfchärft war. Aber die Zeiten hatten ſich geändert.
Während in Süddeutſchland die von Wien ber geflifjentlich
erregte öffentliche Meinung zum Kriege gegen Frankreich Drängte,
blieb der Norden ruhig und bewahrte man namentlih in
Preußen eine Befonnenheit, die zeigte, daß man DOlmüg
nicht vergefien und über die Intereſſengemeinſchaft mit
Defterreih anders urteilen gelernt hatte. Zu der Kühnheit
eines Bismard freilih erhob fih in den Regierungskreiſen
fonft niemand: der Gedanke, Deſterreichs Bedrängnis zu einer
Löfung der deutſchen Frage im preußiſchen Sinn zu benugen,
hatte bes allzu thatenluftigen Bundestagsgefandten „Ralt-
ſtellung“ in Petersburg zur Folge. Aber der Gang der Dinge
nötigte ben Prinzregenten auf einen Weg, ber unbewußt von
einer ähnlichen Erwägung ausging und, wenn er Fonfequent
verfolgt worden wäre, zu einem ähnlichen Ergebnis geführt
haben würde. Das Werben Defterreihd um Hilfe wurde von
Berlin aus beantwortet erft duch das Erbieten zur Der:
mittelung, bie Defterreih, bemilligte es feinen dortigen Unter:
thanen die allgemein als unerläßli anerkannten Reformen,
feinen ttalienifhen Befig erhalten follte, dann, nad; deren
ſchließlicher Ablehnung dringender erneut, durch die Erklärung
348 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
der Neutralität, ber die gleichzeitig befohlene Kriegsbereitſchaft
der Armee Nahdrud gab. Als dann der erſte Zuſammenſtoß
für Defterreih ungünftig ausging, erklärte der Prinzregent
nochmals feine Bereitwilligleit, zu vermitteln; verlangte aber
zugleich auf bie bereits früher geftellten Bedingungen hin den
Oberbefehl über das Bundesheer. Das Wiener Kabinett lehnte
das nicht ab, wünſchte jedoch die fchriftlihe Feftlegung dieſes
Abkommens. Dann hätte es Preußen in der Hand gehabt,
Frankreich gegenüber bloßftelen und fo zu ſich herübernötigen
Tönnen. Preußen verweigerte dies jedoch als unvereinbar mit
der Stellung eines Vermittlers, hielt aber fachlich fein Aner:
bieten aufrecht und wollte je nad) dem Erfolge der Vermittelung
meiter handeln, wie es feine Pflichten als europäifhe Groß:
macht und der hohe Beruf Deutſchlands erheifchten (14. Juni).
Es war doch bezeichnend für den Wandel der in Berlin
herrſchenden Auffaſſung, daß die europäifche Großmachtsſtellung
Preußens fo vorangeftellt wurde. Dem entſprach auch die gleich:
zeitige Mobilmachung von ſechs Armeecorps (180 000 Mann)
und ber Antrag, die beiden ſüddeutſchen Bundescorps in der
Stärke von 60 000 Mann beobadtend aufzuftellen. Oeſterreich
aber genügte das alles noch nicht, zumal bie nationale Be—
wegung in Italien mit der Verjagung der Regierungen von
Toslana, Modena und ber Romagna revolutionär wurde. Biel:
mehr erhob es, ale ob es noch das Preußen von Warſchau und
Olmütz vor fih hätte, Anfprüce, deren Erfüllung Preußen
zu feinem heerespflichtigen Vaſallen herabgejegt hätte, während
diejes doch eben im Rat der Großmächte den ihm gebührenden
Platz wiebergewinnen wollte. Es erflärte (22. Juni) Preußen
für von Bundes wegen verpflichtet, fein Gejamtgebiet zu ver-
teibigen und feine Schughoheit über die italienischen Klein-
ftaaten erhalten zu helfen. Trotzdem ſuchte Preußen England
und Rußland für eine Vermittelung zu gewinnen, damit fie
Franfreih zur Räumung der Lombardei, Defterreih zur Bes
willigung ber nötigen Reformen in feinen italienifchen Provinzen
nötigen bülfen. Zugleich aber machte es num feine ganze Armee
mobil und beantragte in Frankfurt die Zufammenziehung auch
der beiben norddeutſchen Bundescorpe. Bald waren jeine
I. Die neue era. 349
Truppen nah dem Rhein in Marſch. Fiel es Frankreich in
den Arm und rettete Defterreih Italien, fo gewann es eine
ſchiedsrichterliche Stellung in Europa, und niemand hätte ihm
dann die Hegemonie aud in Deutſchland vorenthalten Fönnen.
Es war daher nur konſequent, wenn der Prinzregent gleich
jegt den unbejchräntten Oberbefehl über die Bunbesarmee
forderte, und wie ein Hohn mußte es erfcheinen, wenn bagegen
Defterreih beantragte, ihm bdenfelben im Einflange mit ber
Bunbesfriegsverfaffung vielmehr unter der Autorität des
Bundestages und Mitwirkung von defien Kommiſſarien anzu:
vertrauen. Aber noch ehe die Sache zum Austrag kam, trat
in Stalien eine überrajchende Wendung ein. Am 24. Juni bei
Solferino entſcheidend geſchlagen, ſchloß Franz Joſeph am
8. Juli in Villafranca einen Waffenſtillſtand. Ihm folgte
nach einer perſönlichen Begegnung ber beiden Kaiſer (11. Juli)
ein Präliminarfrieden (15. Juli), der Defterreich die Lombarbei
toftete, ben Stalienern aber den Verzicht auf die verheikene
Einheit und Freiheit auferlegte.
Alfo auch mit biefer erften großen, unter Einfegung
feiner ganzen Macht durchgeführten Aktion hatte das Preußen
ber neuen Aera nicht den gewünfchten Erfolg. Deſterreichs
Territorialbeftand blieb nicht ungekürzt, die militärifche Leitung
des Bundes erhielt es nicht. Frankreich grolte ihm wegen der
ihm bereiteten Hinderung, Oeſterreich, weil es nicht auch diefen
Verluft von ihm abgewandt. Napoleon III. entſchuldigte feine
Inkonſequenz vor Italien und der Welt mit dem Hinweis
auf den fonft unvermeidlichen Krieg mit Preußen und Deutich-
land; Franz Joſeph machte in dem Manifeft, dur das er
feinen Völkern den Frieden fund that, in verlegendfter Weife
Preußen verantwortlih für den Verluft der Lombardei, indem
er ihm Bruch der alten Bundestreue vorwarf. Den Prinz-
regenten, der fi bewußt war, nur das Beſte Gejamtdeutich-
lands gewollt zu haben, empörte ſolche Verleumbung: in ſcharf
gefaßten Erklärungen ließ er fie als folde erweifen. Der
daraus entfpringende Preßfrieg fleigerte ſich zu einer Leiden-
ſchaftlichkeit, welche die hier zufammenftoßenden Gegenfäte als
unausgleihbar kennzeichnete. Doc blieb Preußens Haltung
350 Funftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt.
nicht umbelohnt. Selbft im Süden brad fi angefichts der
legten Creigniffe bier und da die Erkenntnis Bahn, daß
Defterreih fo wenig wie ber Bund Deutfhland zu ſchützen
vermöge, fondern allein Preußen dazu nicht bloß entſchloſſen,
ſondern aud fähig fei. Der einft fo leidenſchaftlich befämpfte
Gedanke an die Hegemonie Preußens gewann aud dort An=
bänger. Für ihn Propaganda zu machen und bie öffentliche
Meinung für Preußen als den Staat ber beutfhen Zukunft
zu gewinnen, ftelte fi ber im Herbſt 1859 zu Frankfurt
am Main unter Leitung des Gannoveraners R. v. Bennigfen
gegründete Nationalverein zur befonderen Aufgabe. Bon ben
preußenfeindliden Mittel- und Nleinftaaten angefeindet und
verfolgt, fand er in dem dem Prinzregenten verwandten und
befreundeten Herzog Ernft I. von Koburg einen verftänbniss
vollen und tapferen Proteftor, erlangte aber doch nur in
Norddeutſchland Einfluß.
I. Die deuffche Frage und die Beeresreorganifafion.
1857—1862.
Wenn von moralifhen Eroberungen Preußens, wie fie
der Prinzregent in der Anſprache an feine Minifter gefordert
hatte (S. 343) überhaupt geſprochen werben fonnte, fo war
der Ausdrud berechtigt angefihts des Wandels, den bie
Stellung Preußens Europa und Deutfchland gegenüber durch
feine Haltung während des italienifhen Krieges erfahren hatte.
Allerdings hatte es das, mas es eigentlich erftrebt, ſchließlich
ja nit erreicht. Wenn aber nachmals Bismard die Politif
Preußens in jener Krifis befonders abfällig beurteilt hat,
indem er fie ala das Werk der Prinzeffin von Preußen und
des von ihr an die Spike bes Auswärtigen gebrachten
Minifters Grafen Schleinig darftellt und in ihr nichts fieht
als das gewohnheitsmäßige Beftreben, fi den Beifall der
deutſchen Zürften, des Kaifers von Defterreih und zugleich
der deutſchen Preffe zu erwerben, und fie herleitet aus dem
unflaren Bemühen um einen idealen Tugendpreis für Hins
gebung an Deutſchland, fo entipringt das doch zum Teil ber
begreifliden Mißſtimmung über die Erfolglofigkeit feiner eigenen
Bemühungen ihr eine andere, Defterreih feindliche Richtung
zu geben. Außerdem wirft dabei mit feine durch fpätere Vor⸗
gänge gefteigerte Abneigung gegen des Prinzregenten nad
politifdem Einfluß firebende Gemahlin und ihren ihm befonders
antipathiſchen Günftling. Anbererjeits aber offenbart ſich darin
doch auch bie Geringihägung, die ber größte Realpolitiker,
den Deutfchland hervorgebracht hat, gegen die in der Gefchichte
wirkenden idealen Mächte eigentlich allegeit empfunden hat.
Thatfähli aber wurde Preußen eben jegt zum erfienmal
wieder als ein Faktor anerfannt, mit bem bie europäifche
352 Fünfte Bud. Die neue Aera und der Konflitt.
Politit unter allen Umftänden zu reinen hatte, und ber baher
auch in Deutſchland felbft nicht ungeftraft überfehen werben
durfte. Sogar in Defterreih, das feiner Erbitterung über bie
ihm angeblich bereitete Enttäufhung in ganz ungewöhnlichen,
faft beleidigenden Formen Ausdrud gegeben hatte, drang
bald die Weberzeugung dur, daß man Preußen doch auch in
Zukunft nit entbehren könne, und der Prinzregent, obgleich
man ihn vor Europa bloßzuftellen verfuht hatte, war edel
genug, auch feinerfeits die Hand zur Verföhnung zu bieten.
Als ein politifcher Fehler, wie Bismard ihn darin fieht, ift
das auch durch den fpäteren Verlauf der Dinge nicht erwiejen
worden. Wie nicht felten, ift auch Hier das Urteil Bismarcks
über politifche Fragen ber Vergangenheit irregeleitet durch die
Erfolge, die er in fpäteren Zeiten auf anderem Wege unter
weſentlich anderen Umftänden gewonnen bat.
Obgleich aber der Standpunkt, den der bamalige preußifche
Bundestagsgeſandte Defterreich gegenüber vertrat, mit dem
feiner Regierung feineswegs übereinftimmte, trug doch aud
er bazu bei, das während des italienifchen Krieges durch des
Prinzregenten Haltung gehobene Anjehen Preußens weiter zu
fleigern. Er erfcheint babei als der Erbe des einft von ihm
fo bitter verfpotteten Radowitz, der nad) feinem Sturze bie
Weberzeugung ausgefprodhen hatte, mit Defterreich gebe e8 feinen
Frieden, feine Verftändigung; das Deutfche Reich müſſe alfo
gegen Defterreih gegründet und auf bie rein deutſchen Lande
beſchränkt werben; nur duch den Krieg mit Defterreich laſſe
ſich die Revolution vermeiden. Seit Jahren empfahl er eben.
falls feiner Regierung Zurüdhaltung auch gegen die übrigen
deutſchen Höfe, damit fie genötigt würden, Preußens Gunft
dur Entgegenfommen zu erwerben. Gegen Oeſterreich führte
er am Bunbestage einen zähen, täglichen und ftündlichen Kampf,
deſſen Erfolglofigfeit ihn almähli an ber Möglichkeit einer
Beſſerung des Verhältniffes ber beiden deutſchen Großmächte
verzweifeln ließ. Er ging dabei darauf aus, das Wiener
Kabinett zu überzeugen, daß Preußens Bruberliebe nit uns
erjhöpflih und ber Weg nad Mähren no nicht vergefien
fei. Denn Defterreihs Furcht vor Preußen, fo meinte er,
I. Die deutfche Frage und die Heeresreorganifation. 353
werde dem Frieden förberliher fein, als wenn es mit völliger
Sicherheit auf Preußens Hilfe rechnen Fünne. Unmöglich, fo
bemühte er fih in Berlin begreiflich zu machen, könne Preußen
am Bunbestage dauernd im Stande ber Notwehr bleiben und
werde befiere Zuftände am erften herbeiführen, wenn es den
thatſächlichen Beweis bafür liefere, daß ohne fein Einverfländnis
der Bund überhaupt nichts zu leiften vermöge. Er that bar,
daß Preußen in Frankfurt lebiglih auf das Gewicht feiner
eigenen Macht angewieſen fei und auf die Kräfte, welde ihm
die Kraft feiner eigenen Entjchlüffe verleihen werde. Ihm
felbft war bereits die Erkenntnis aufgegangen, daß die Inter
efien des Deutſchen Bundes und die deutſch⸗nationalen Inter
effen nicht identiſch jeien, und ihre Iandläufige Identifizierung
Har geworben als eine Fiktion, die Preußen zerftören müſſe,
weil fie den der nationalen Idee in Deutichland eigenen
Nimbus in den Dienft feiner Gegner ftele. Er fah in dem
Bunde längft nichts mehr als eine Anftalt zur äußeren und
inneren Sicherheit des Bundesgebietes und wollte ihm eine
andere Bebeutung in Zukunft nicht zugeftanden willen, damit
der Irrtum endlich aus der Welt geihafft werde, daß Preußens
Gefinnung gegen Deutihland nah feiner Fügfamfeit gegen
die Beihlüffe der Mehrheit der Bundesverfammlung bemeſſen
werden müfle. Bei dem Fortgange nad) Petersburg faßte er
das Ergebnis feiner Frankfurter Erfahrungen kurz dahin zus
fammen: „Ich ſehe in unferem Bundesverhältnis ein Gebredhen
Preußens, das wir früher oder fpäter ferro et igni werben
heilen müſſen.“
So weit war man in Berlin natürlich noch nicht, aber
ein ähnliches Ziel, nur weniger ſcharf umriffen und beftimmt
ins Auge gefaßt, ſchwebte doch aud dem Prinzregenten bei
der Haltung vor, die er infolge des italieniſchen Krieges, den
Bismard gern ganz anders benugt geſehen hätte, Oeſterreich
und dem Bunde gegenüber einnahm. ebenfalls griff er au
nad Abwendung der Gefahr den eigentlichen Kernpunkt ber
deutſchen Frage mit größerem Nahbrud auf als bisher, in=
dem er die endlide Neuordnung ber Bundeskriegsverfaſſung
betrieb und den Antrag ftellte, von ben Bundescorps bie
Brus, Preudiſche Geſchichte. IV. 23
354 Funftes Buch. Die neue Aera und ber Konflikt.
beiden norddeutſchen dem preußifhen, bie beiden jüdbeutfchen
dem öfterreichifchen Heere anzufügen und damit bie heile Frage
nad) der Beftellung eines Bundesfeldherrn umging. Ein wies
viel größeres Gewicht diefem Antrage im Hinblid auf Preußens
wehrhafte Haltung in ben legten Monaten jegt auch von ben
Gegnern beigemeffen wurde, bewies bie plögliche fieberhafte
Geſchäftigkeit, mit der die Mittelftaaten Preußen in der öffent:
lihen Meinung den Rang abzulaufen ſuchten. Im November
verfammelten fi ihre Minifter in Würzburg und entwarfen
ein weit umfaſſendes verheißungsreihes Reformprogramm,
das den Bund im Sinne eines Bundesſtaates vervolllommnet
haben würde, aber natürlich nit ernft gemeint, fondern nur
zu Blenden beftimmt war. ebenfalls konnte Preußen das Netz
derartiger Künfte und Liſten zerreißen, fobalb es in biefer
Richtung wirklich ernft handelte.
Den beften Beweis aber für die Nichtigkeit bes Weges,
den Preußen mit feiner Politit 1859 eingefchlagen hatte, gab
die Art, wie der Kaiſer der Franzoſen, der do allen Grund
hatte, ihm zu grollen, fi vielmehr um ein freundliches Ein-
vernehmen mit ihm bemühte und burd feine Vermittelung
auch die übrigen deutichen Staaten von feinen friedlichen Ab:
fihten zu überzeugen ſuchte. Er hatte fi) bald fagen müſſen,
daß der von ihm wenigitens eingeleitete Verfuh, den Prinz
regenten zu ſich herüberzuziehen und durch eine Vergrößerung
Preußens in Deutſchland zu einer gleichen Gefälligkeit gegen
Frankreih auf Koften Deutſchlands zu gewinnen, nicht bie
geringfte Ausfiht auf Erfolg habe, während die neuen Um:
mälzungen in Stalien in ganz Deutichland wachſende Sorge
vor feinen Abfihten erregten. Zwar war am 20. Januar 1860
ein franzöſiſch-deutſcher Handelsvertrag geſchloſſen, der durch
die Pflege der gemeinſamen wirtſchaftlichen Intereſſen beide
Völker einander enger zu verbinden verhieß, aber der Prinz⸗
regent glaubte doch dem in Deutichland herrſchenden Mißtrauen
gegen Napoleon III. fo weit Rechnung tragen zu müflen, daß
er jorgfältig alles vermied, was auf das Vorhandenfein eines
geheimen Einverftänbniffes mit ihm hätte gebeutet werben können.
Deshalb Iehnte er des Kaifers wieberholtes Anjuhen um eine
II. Die deutſche Frage und die Heeredreorganifation. 355
perjönlihe Zufammenkunft zunächſt unter Vorwänden höflich
ab, und als es dennoch dringender erneut wurde, machte er
die nun nidt mehr zu verweigernde Zufage davon abhängig,
daß als unerläßliche Vorausfegung für die dabei etwa zu führen
den Verhandlungen die Unverleglichfeit des deutſchen Gebietes
von feiten Frankreichs ausdrücklich anerkannt werde, gab auch,
als dies bereitwiligft geſchah, ſämtlichen deutfchen Regierungen
davon Kenntnis. Als Ort ber Begegnung wurde Baden-Baden
vereinbart.
Dennoch zeigten fi die übrigen deutſchen Fürften zunächſt
höchſt beunruhigt. Auf die Kunde von ber bevorftehenden
Zufammenkunft fühlten plöglih die Könige von Bayern,
Hannover und Württemberg das Bedürfnis, gerade um biejelbe
Zeit ihrerfeits in Baden-Baden die Kur zu gebrauden. Run
blieb kaum etwas anderes übrig, als auch den König von Sachſen
zum Erſcheinen einzuladen. Ebenfo eilten die Großherzöge von
Heſſen und von Weimar, ſowie ber Herzog von Nafjau herbei.
Andererfeits veranlaßte die Sorge vor einer nachteiligen Be:
einflufung des Prinzregenten durch die um ihn verfammelten
reaktionären Fürften, welde die Gelegenheit zu benugen dachten,
um denſelben nicht bloß zum Verzicht auf die Reform ber
Bundeskriegsverfaſſung, ſondern auch zur Aufgabe feiner liberalen
Politik im Innern zu beftimmen und womöglich zu gemein:
ſamem Einfereiten gegen ben ihnen befonbers verhaßten
Nationalverein (S. 350) mit fi fortzureißen, den Herzog
Ernft II. von.Roburg, nad Baden zu kommen, obgleich fein
Erſcheinen der preußiſchen Regierung wegen feines anerkannten
Liberalismus und feiner eifrig nationalen Haltung mit Rüd:
fit auf die anderen Fürften ſehr unerwünſcht war. Da nun
aud ber Großherzog von Baden als Landesherr anwejend war,
fand der Kaiſer ber Franzofen, als er am 15. Juni 1860 in
Baden-Baden eintraf, einen flattlihen Kongreß von deutſchen
Fürften verfammelt. Einig freilich waren biefelben nur in ber
Genugthuung, mit ber fie die Beteuerungen feiner Friedens:
liebe entgegennahmen, während fie im übrigen in ſcharf ge:
trennte Gruppen zerfielen. Auch Napoleon III. war von dieſer
Wendung der Dinge wenig erbaut. Mit dem Prinzregenten,
356 Fünftes Buch. Die neue Aera und ber Konflikt.
wie er gehofft, im tiefften Vertrauen politifhe Verhandlungen
zu führen, fand er unter biefen Umftänden feine Gelegenheit.
Denn die eine Unterrebung, die beide am Abend des 15. Juni
hatten, betraf auch nur die allgemeine Lage und den zunächſt
ſehr ungünftigen Eindrud, den bie Einverleibung Savoyens
in Frankreich in Deutſchland hervorgebracht hatte, obgleich es
fih dabei nad franzöfifher Auffaffung nur um eine Ent:
ſchädigung für die Sardinien gegen Oeſterreich geleiftete Hilfe
gehandelt haben follte. Der Kaifer konnte ſich darüber nit
täuſchen, daß troß aller Beteuerungen feiner Friedensliebe die
deutſchen Fürften ihm nicht recht trauten und auch ferner vor
ihm auf der Hut fein zu müffen meinten.
So lag die Bedeutung des Badener Fürftenkongrefies viel
mehr in ben Vorgängen, bie fi, nachdem der Kaifer am
Abend des 17. Zuni enttäuſcht abgereift war, zwiſchen dem
Prinzregenten und den anwejenden deutſchen Fürften abfpielten.
Aber auch fie waren mehr harakteriftifh für die herrichenden
Stimmungen und Abfihten als wichtig durch politifhe Er-
gebniffe. Solche waren eigentlich überhaupt nicht zu verzeichnen.
Den vier Königen fo wenig wie den brei national denkenden
Fürften von Baden, Weimar und Koburg gelang es, den
Prinzen für ihr Programm zu gewinnen. Dem wieberholten
Anfturm der Fürften gegenüber erklärte er in einer Art von
Thronrede, die im weſentlichen von dem Herzog von Koburg
und dem als Begleiter bes Fürsten von Hohenzollern erſchienenen
Mar Dunder (S. 324) berrührte, daß er fomohl in ber
preußifchen wie in der deutſchen Politik die bisher verfolgte
liberale Richtung weiter einhalten werbe, ohne ſich durch ihren
Widerfpruh darin hindern zu laflen, im übrigen die Unver-
letzlichkeit Deutſchlands unter allen Umftänden zu fügen ent-
ſchloſſen ſei und deshalb hoffe, daß fie fi ihm allmählich
nähern würden. Die Zumutung eines gemeinſchaftlichen Ein—
ſchreitens gegen den Nationalverein lehnte er mit würbiger
Entſchiedenheit ab. Ueberhaupt ſchloß der Prinzregent perfön-
lich zu Baden nad allen Seiten bin glänzend ab: jedermann
rühmte fein einfaches, natürliches, mwürbiges Benehmen dem
Kaiſer Napoleon gegenüber, dem er jehr gefiel und imponterte;
1. Die deutſche Frage und die Heeresreorganifation. 357
auf bie deutſchen Fürften aber machte fein männliches, offenes
und energiſches Auftreten einen ſehr wohlthätigen Eindrud
und überzeugte fie, daß es ihnen nicht gelingen werde, ihn nad)
ihrer Pfeife tanzen zu laffen oder zu einer Syflemänderung zu
bewegen, vielmehr fühlten fie fi) alle unwillkürlich als Vaſſallen
Preußens, und das mar jedenfalls ein erfreuliches und ein
neues Symptom ber Zeit. Die erfie von ben moraliſchen
Sroberungen, die er für Preußen gefordert, hatte ber Prinz:
regent unbemwußt felbft gemacht. Daran änderte e8 nichts, daß
er, als König Mar II. von Bayern in ihn drang, er möge bie
Spannung mit Defterreih vollends begleihen und dazu feine
Anträge auf Reform der Bundeskriegsverfaſſung fallen laſſen,
zumal dieſe Deutſchland ber Gefahr einer endgültigen Zwei—
teilung durch die Mainlinie ausfegten, das zwar ablehnte,
aber fi doch damit einverftanden erflärte, daß ber König
eine perfönliche Begegnung zwiſchen ihm und dem öfterreichifchen
Kaiſer herbeizuführen verfuche.
Schon dieſe eigentlich überrajchende Wendung ließ erkennen,
daß bie Badener Zuſammenkunft nad feiner Seite hin das
Gehoffte geleiftet hatte, ſondern eher als ein neuer Mißerfolg
der preußiſchen Politik anzufehen war. Wie der Prinzregent,
den fein gefunder natürlicher Takt auch Hier richtiger geleitet
hatte als das Für und Wider abwägende politiſche Erörterungen,
nur wiberfirebend darauf eingegangen war, fo erwies fie fi
glei in ihren nächften Folgen als ein Fehler, der die Stellung
Preußens nad) allen Seiten hin verſchlechterte und es nötigte,
gleich wieder in bie eben verlafiene Bahn der Verftändigung
mit Deſterreich einzulenfen. Das Verhältnis zu Frankreich war
dur) die Enttäufhung, die Napoleon IIL erfahren hatte, nicht
gebefiert, und die Verwirklichung von Bismards Gedanken an
eine franzoſiſch⸗preußiſche Allianz wieber in weite Ferne gerüdt.
Die deutſchen Fürften, die fi in Baden mißtrauiſch eingedrängt
batten, waren erft reiht von Unmillen und Sorge gegen
Preußen erfüllt, da fie es in ber liberalen Richtung beharren
und entſchloſſen jahen, wenigitens die Reform bes Bunbes-
friegswefens nicht wieder im Sande verlaufen zu lafien.
Um fi gegen die drohende Anfeindung von biefen beiden
358 Fünfte Bud. Die neue Aera und ber Konflikt.
Seiten zu fihern, blieb Preußen nichts übrig, als bie Her⸗
ftellung des alten Verhältniffes zu Deſterreich anzubahnen, deſſen
gründliche Wandlung ober Zerreißung doch eben die erfte Be—
dingung war für jede eriprießlihe Umgeftaltung bes Bundes.
Eine ſolche aber jegte voraus, daß Defterreih auf den von
ihm wie etwas Selbftverftändlides beanſpruchten Vorrang vers
sichtete und Preußen wenigftens den von ihm geforderten und
nad ber Meinung eines großen Teiles des deutfchen Volles
ihm auch gebührenden Play neben fi einräumte. Es dazu
zu nötigen, fehlte nad) dem Verlauf des Badener Kongreſſes
Preußen zunächſt jebe brauchbare Handhabe. Selbit fo national
denkende Fürften, wie Herzog Ernft II. von Koburg und bie
Großherzöge von Baden und Weimar, empfahlen unter ben
nun gegebenen Umftänden ein freundfhaftliches Verhältnis zu
Defterreih und wünſchten ein ſolches darauf gegründet zu fehen,
daß der Kaiſerſtaat für die Verteidigung Venetiens beutfcher
Hilfe verfihert, dafür aber auch angehalten würde, fi durch
den endlichen Bruch mit der Reaktion und bie Einführung
eines liberalen Regiments im Innern in ben Augen bes
deutſchen Volkes bündnisfähig zu maden.
Unter diefen Umftänden fand der König von Bayern mit
feiner Vermittelung aud) in Wien bereitwilliges Entgegenfommen.
Man entſchloß ſich dort nicht bloß, wie ber Prinzregent ver:
langte, den erften Schritt zu thun, fondern ließ auch die Vor:
behalte gelten, von denen jener die Zufammenkunft abhängig
machte. Namentlich verbat er ſich jehr entſchieden das Erſcheinen
der deutſchen Könige, die ungelaben herbeieilen und das Spiel
von Baben-Baben wiederholen wollten. Ohne Zeugen trafen
daher der Prinzregent und Franz Jofeph Ende Juli in Teplig
zufammen. Eine vollfommene Ausgleihung der vorhandenen
Gegenfäge war natürlich auch hier nicht zu erreichen. Nament-
li) wollte der Habsburger nichts wiſſen von einem Verzicht auf
das Ehrenrecht feines Haufes, an ber Spitze Deutſchlands zu
ſtehen, und lehnte felbft ben vorgeſchlagenen regelmäßigen
Wedel im Vorfig des Bundestags ab. Auch in betreff der
von ihm gewunſchten Reformen im Innern gab er zwar ent:
gegenfommende, aber doch nur unbeftimmte Erflärungen,
U. Die deutſche Frage und die Heeredreorganifation. 359
wollte jebenfalls bindende Verſprechungen in biefer Hinficht
nit machen. Selbft in Bezug auf die brennende Frage ber
Bunbdeskriegsverfaffung kam man feinen Schritt vorwärts,
fondern nahm nur eine neue gemeinfame Beratung bes babei
einzuflagenden Weges durch militärifche Autoritäten in Aus«
fit. So kam es denn aud über die Stellung Preußens zu
einem künftigen franzöfifhen Angriff auf den Defterreich ver-
bliebenen Teil Italiens nit zu einem beftimmt formulierten
Vertrage. Doc; gaben des Prinzregenten mündliche Erklärungen
dem Kaifer die erfreuliche Gewißheit, daß er in biefem Falle
auf die Hilfe Preußens und Deutihlands rechnen könne.
Damit hatte er alles erreiht, was Defterreih unter ben
damaligen Verhältnifien irgend hatte hoffen Tönnen. Ya, es
gewann momentan fait den Anfchein, ala ob es wieder eine
leitende Stellung gewinnen folte, und gegenüber den von
Frankreich drohenden Gefahren die Großmächte fi wieber jo
gruppieren würden, wie zur Zeit des Kampfes gegen Napoleon I.
Trug man fi doch in Wien gar mit dem Gebanken an eine
Erneuerung ber heiligen Allianz, die beftimmt ſchien, den
Gegenfag zwiſchen dem reaftionären Europa und dem revo—
Iutionären Frankreich und deſſen Schüglingen zu erneuern.
Dazu fam es nun allerdings nit, immerhin aber führte bie
in Petersburg deshalb gegebene Anregung zu einem perfön:
lien Zufammentreffen des Zaren Alerander mit dem Prinz«
regenten und bem Kaifer, bas in ben Tagen vom 22. bis
26. Dftober in Warſchau ftattfand. Praktiſche Ergebniſſe hatte
es nit, da der Prinzregent fich nicht dazu beftimmen ließ,
wie ber Zar wollte, feine Mißbiligung ber von Frankreich
protegierten revolutionären Politif Italiens burd den Abbruch
der diplomatiſchen Beziehungen zu dem Turiner Hofe in einer
auch Frankreich treffenden Weife zum Ausdrud zu bringen.
Ebenſo wenig freilih war bei ihm aud) von einer Anerkennung
des neuen nationalen Königreihe im Süden ber Alpen bie
Nede, fo laut fie von den Liberalen gefordert wurde als ges
boten durch das Intereſſe Deutſchlands und geeignet, Preußen
die Sympathien ber liberalen Welt zu gewinnen.
Diefe unentſchiedene und wiberfpruchsvolle Haltung
360 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
Preußens fteigerte die herausforbernde Kecheit der Mittel:
ſtaaten, deren Minifter wiederum in Würzburg getagt hatten
und die Reform der Bunbeskriegaverfaffung auf ihre Weife
zu förbern dachten, nachdem der ſchwächliche dualiftifche Vorſchlag
Preußens (S. 353) am 2. Mai vom Bundestage mit allen
Stimmen gegen bie Preußens abgelehnt worden war. Auch
der Kurheſſiſchen Frage, die des Kurfürften Verlangen nad
Uebernahme der Garantie für die von ihm dem Lande auf-
gezwungene neue Verfaffung durch den Bund an die Frank—
furter Verfammlung gebracht Hatte, ſuchten fie dem energifcher
auftretenden Preußen zu entwinden und zur Steigerung ihres
Anfehens zu benugen.
Nirgends alfo Hatte die Regierung ber neuen Xera einen
wirklichen Erfolg aufzuweifen, ja, nit einmal das Lob ent-
ſchloſſenen und folgerihtigen Handelns konnte fie beanſpruchen.
Auch im Innern ging es trog mandem verheißungsvollen
Anlauf und mander löblihen Maßregel im einzelnen nicht
viel befier, weil man überall den offenen Bruch mit ber Ver:
gangenheit ſcheute und aller liberalen Verheißungen ungeachtet
im Grunde fonfervativ blieb, zum Teil aus Rüdfiht auf die
Eigenart des Prinzregenten, von dem das Minifterium fürchtete,
durch entſchloſſenes liberales Vorgehen würde er an dem ein-
geihlagenen Weg irre gemacht und vollends auf ber rechten
Seite einen Rüdhalt zu fuchen gedrängt werben. Daher fam
es nirgends über halbe Maßregeln hinaus, obgleich es jchein-
bar an innerer Einheit gewonnen hatte, feit der Leiter bes
Innern, Flottwell, durch den mohlmeinenden, aber unruhig
fpringenden und leicht übereilten Grafen Schwerin und der
aus ber Manteuffelihen Zeit übernommene Juſtizminiſter
Simons durch Bernuth, einen Mann von altpreußifcher Tüchtigs
keit und Achtung vor der Unabhängigkeit des Nichterftandes,
erjegt worden war. Den Gegnern, bie nur bes Augen:
blids harten, wo fie in die als ihnen gebührend angejehene
leitende Stellung zurückkehren würben, konnte ein jo vor
fichtiges und unficheres Auftreten freilih nicht imponieren.
Sie hatten in dem Herrenhaufe eine feſte Pofition, ber, wie
die Dinge einmal lagen, mit verfaffungsmäßigen Mitteln kaum
I. Die deutfhe Frage und bie Heeresreorganifation. 361
beizufommen war. An feinem Widerftande ſcheiterte namentlich
bie weitaus wichtigſte gefeßgeberiihe Maßregel, die es im
Anſchluß an die 184849 gemachten Anfänge durchzuführen
galt, die Regulierung der Grundfteuer, durch welche der bis—
ber ungerecht begünftigte ablige Grundbefig endlich zu ben
Staatslaften gebührend herangezogen werben follte. Das traf
die Regierung um fo ſchwerer und wurbe für ihre Zufunit
um fo verhängnisvoller, als die Durchſetzung der Grunbfteuer
und bie durch fie erwartete Erſchließung einer neuen reichlich
fließenden Gelbquelle eine von ben Bebingungen war, von
denen bas Gelingen des von dem Prinzregenten mit ganz
befonderem Eifer in Angriff genommenen großen Werkes einer
gründlichen Reorganifation bes preußiichen Heerweſens abhing.
Diejes beruhte in feiner damaligen Geftalt allerdings
noch auf dem Geſetz vom 3. September 1814, bas bie all-
gemeine Wehrpflicht eingeführt hatte (S. 65). Danach mar
jeder waffenfähige Preuße verpflichtet, bei der Linie drei Jahre,
bei der Referve zwei und danach je fieben Jahre bei ver Land:
mehr erften umb zweiten Aufgebots zu bienen. Linie und
Landwehr erften Aufgebotes waren als Feldarmee gedacht,
während die Landwehr zweiten Aufgebots im Kriegsfall bie
Befagung ber Feftungen ftellen follte (S. 64). Um jährlich
ohne größeren finanziellen Aufwand eine größere Anzahl von
Refruten einftellen und ausbilden zu können, hatte Friedrich
Wilhelm III. 1833 die Dienftzeit bei der Infanterie auf zwei
und bei ber Zußartillerie auf zweieinhalb Jahre beſchränkt.
Doch war man bereits 1852 auch für erftere wieder zu zwei
und einem halben Jahr gelommen. Aber auch biefe erwiefen
ſich als ungenügend, um eine gleihmäßige Ausbildung der
Truppen zu voller Kriegstüctigfeit zu verbürgen. Deshalb
war man 1856 trog des lebhaften Wiberfpruds ber Kammern
zu der dreijährigen Dienftzeit als unerläßlic für bie Erhaltung
der preußiſchen Wehrkraft zurüdgefehrt. Doc erhoben fi
babei im Laufe ber Zeit neue und außerordentlich ſchwere
Mebelftände. Als ber Schöpfer bes Wehrgeſetzes von 1814,
Boyen (S. 64), die Einftelung von jährlihd 40000 Mann
in Ausfiht nahm und die Zahl und Stärke der Linien:
362 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
regimenter bementipredend fo feitfegte, daß bie regelmäßige
Ausbildung diefer 40000 Rekruten gefihert wurde, hatte
Preußen zehn Millionen Einwohner, während es jegt deren
achtzehn zählte, fo daß jährli 65 000 brauchbare Dienftpflichtige
zur Verfügung ftanden, von denen bie vorhandenen Regimenter
jebod nad wie vor nur 40000 einzuftellen und für bie Wehr:
traft Preußens nutzbar zu machen erlaubten. Das große
Prinzip ber allgemeinen Dienftpfliht galt bemnad nur in ber
Theorie, für die Praris hatte es feinen Wert verloren. Damit
war aber aud feine erziehliche Bedeutung für die ganze Nation
wefentlid beeinträchtigt. Nicht mehr als eine Einrichtung,
deren man ſich ftolz vor anderen Völkern rühmte, wurde fie
angefehen, fondern als Duelle vielfacher Ungerechtigkeit und
wirtſchaftlicher Schädigung für weite Kreife. Da ber Land»
wehr erften Aufgebotes im allgemeinen bie Wehrpflitigen im
Alter von 25 bis 32 Jahren angehörten, wurben bei ihrer
Einziehung, wie die Mobilmahungen von 1849, 1850 und
1859 gezeigt Hatten, auch viele verheiratete Männer und
Familienväter unter die Waffen gerufen, während Taufende
von jungen kräftigen Leuten bienftfrei daheim blieben, weil bie
beſchränkte Zahl der Regimenter fie einzuftellen und militäriſch
auszubilden nicht erlaubte. Ferner war bei den legten Mobil-
madungen als ein großer und leicht äußerft gefährlicher
Mebelftand zu Tage getreten die mangelhafte Ausbildung der
Landwehroffiziere, die obenein ihre erft bei der Mobilmadung
zufammentretenden, baher nicht feftgefügten und oft unzuver⸗
läffigen Truppenkörper fo gut wie gar nicht fannten und bei
ihnen ebenfowenig Vertrauen wie Autorität befaßen. Mit
einzelnen Landwehrbataillonen hatte man 1848 in Pofen und
1849 in Baden in biefer Hinſicht fehr üble Erfahrungen
gemacht. Diefe hatten den Prinzen von Preußen ſchon damals
von ber Notwendigkeit einer Aenderung dieſer Verhältniſſe
überzeugt. Auch Konnte es das Vertrauen bes Volkes auf das
Heer und feine Buverfiht und Opferfreubigfeit im Fall eines
Krieges wahrli nicht fteigern, wenn Taufende von Familien
ihre Väter, Söhne oder Brüder, die ala Landwehrmänner
im Felde flanden, unter der Führung von Männern wußten,
II. Die deutſche Frage und bie Heeresreorganiſation. 363
die der rechten Schulung für ihren militärifhen Beruf ent»
bebrten.
Dieſe Uebelftände waren allgemein anerkannt, auch bereits
Erwägungen angeftelt, wie fie befeitigt werben könnten,
namentlich im Kreife der militärifhen Vertrauten des Prinzen
von Preußen. Die Nüdtehr zu der dreijährigen Dienfizeit 1856
war weſentlich deſſen Werl, und von ihm gebrängt, hatte
felbft der militärifhen Interefien wenig zugänglide König
zulegt biefen Fragen Iebhaftere Teilnahme zugewandt. Nach-⸗
dem bereits im Juli 1857 ber Oberftleutnant von Claufewig
einen umfafienden Reorganifationsplan entworfen hatte, gab
der Prinz gleich nad Uebernahme der Stellvertretung dem
Minifterium die Erwägung aller hierher gehörigen Fragen auf.
Im Februar 1858 legte Claufewig in einer zweiten Denkſchrift
dar, daß, nachdem die Einwohnerzahl Preußens auf achtzehn
Millionen gewachſen, zur Ausbildung der num jährlich vor⸗
bandenen waffenfähigen Mannſchaft auch die Zahl der Regimenter
verboppelt werben müfle. Unabhängig davon hatte General
v. Roon, anerkannt als einer der zufunftsreichiten Offiziere ber
Armee und längft von dem Prinzen freundſchaftlichen DBer-
trauens gewürdigt, ſich eingehend mit biefen Problemen bes
ſchäftigt und einen eigenen Plan zu ihrer Löfung entworfen.
Eine Unterredung, die er am 25. Juni 1858 zu Babelsberg
mit dem Prinzen darüber hatte, wurde entideidend für bie
Zukunft des preußifchen Heeres und damit Preußens. Sie
ergab ihre volle Webereinftimmung in ben grundlegenden An:
ſchauungen, während bie abweichenden Anſichten Roons bem
Prinzen fo erwägenswert ſchienen, daß er ihre fchriftlihe Dar:
legung forberte. Sie ift ihm gegen Ende Juli zugegangen.
Roon zeigte darin, wie Preußen, um feine Miffton zu erfüllen,
vor allem einer durch gute Finanzwirtfhaft ermöglichten
Steigerung feiner Streitbarfeit bebürfe. Er dedte die Mängel
feiner gegenwärtigen Militärorganifation auf und zeigte, durch
welche Reformen fie bejeitigt werden könnten. Dabei übte er
namentlid an ber Landwehr eine feharfe Kritil. Er ſah in ihr
eine politifh falſche Inftitution, weil fie dem Ausland nicht
mehr imponiere und für bie äußere wie für bie innere Politik
364 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
nur zweifelhafte Bedeutung Habe, aber auch eine militärifh
falſche und ſchwache, weil fie des eigentlichen richtigen, feften
Soldatengeiftes entbehre und feine von den ſicheren bisziplinari=
ſchen Handhaben biete, ohne die fein zuverläffiger militäriſcher
Organismus gedacht werben könne. Daher wollte er fie mit
der Linie innig verfehmelzen und mit geeigneten Führern ver:
ſehen. Die dazu von ihm vorgefchlagenen Maßnahmen forderten
zur wörtliden Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht die
gejeglihe Feſtlegung ber dreijährigen Dienftzeit unter mög—
lichfter Schonung der finanziellen Kräfte des Landes.
Glei in der Anfprade, die er am 8. November an die
neuen Minifter hielt, verfünbete ber Prinzregent den Entſchluß,
die NReorganifation alsbald in Angriff zu nehmen (©. 343).
Preußens Heer, fagte er, muß mädtig und angefehen fein,
um, wenn es gilt, ein ſchwerwiegendes politifches Gewicht in
die Wagſchale legen zu können. Cine vierzigjährige Er—
fahrung, fuhr er fort, und zwei kurze Kriegsepifoden haben
gezeigt, daß manches, mas ſich nicht bewährt, abgeändert
werben müfle. Sparſamkeit fei dabei übel angebradht, und
es wäre ein ſchwerer Fehler, wollte man ſich mit einer wohl:
feilen Heeresverfafiung brüften, die im Moment der Entſcheidung
nit genüge. Doch fand bei dem Kriegsminifter Bonin weber
der Clauſewitzſche nod der Roonſche Entwurf rechte Bereits
willigfeit. Vielmehr ergaben die Ende 1858 und zu Anfang 1859
geführten Verhandlungen, daß er mit feinen bureaukratiſchen
Mitarbeitern die Sache nur mit Anftand loszuwerben ſuchte.
Roons Feuereifer jo wenig wie das Eintreten bes Fürften
Hohenzollern überwand diejen pajfiven Widerftand. Der Prinz
regent aber, in feiner Dankbarkeit für die geleifteten Dienfte
und ber Anhänglichfeit an bewährte Mitarbeiter, übte gegen
Bonin, aud als er die Sache unter immer neuen Vorwänden
hinauszögerte, eine faft ſchwächliche Nachſicht. Dann hinderte
der italienifche Krieg weiteres Vorgehen, während die dadurch
veranlaßte Mobilmahung die vorhandenen Mebelftände von
neuem offenbarte.
Kaum jedoch war ber Friebe hergeftellt, als der Prinz
regent das Neformmerf in Angriff nahm, indem er bei der
U. Die deutſche Frage und die Heeresreorganifation. 365
Demobilmachung aus eigener Machtvollkommenheit die Kriegs:
formationen im wejentlihen beftehen ließ und fo die Cadres
ſchuf, um mit Hilfe der Referve und der jüngeren Landwehrs
jabrgänge die Zahl der Infanterieregimenter zu verdoppeln
und zehn neue NKavallerieregimenter zu errichten. Daß bie
Sade, noch bevor der Plan endgültig feitftand, endlich in
Gang fam, war fein perfönliches Verdienſt. Dadurch ftellte
er feine geheimen Gegner vor eine vollendete Thatſache, mit
der fie fi abfinden oder vor ber fie weichen mußten. Die
Verhandlungen mit Bonin führten nicht zur Verftändigung,
obgleih im Kriegsminifterium General v. Voigts-Rhetz auf
der Bafis ber Clauſewitzſchen Denkſchrift einen einheitlichen
Plan, der von dem Roons abwich, ausgearbeitet hatte. Bonin
ſuchte die Forderungen möglichſt Herabzufegen, wohl aus Scheu
vor dem Unmut, den eine ftarfe Belaftung bei dem Volke zu
erregen drohte. Roon mar nachzugeben bereit, während der
Prinzregent entſchieden die höheren Anſprüche vertrat und in
einer von ihm ſelbſt präfibierten Kommiffton gegen Bonins
Widerſpruch durchſetzte. Dieſer erflärte fie angefichts ber
wirtſchaftlichen Lage des Landes für undurchführbar und ver:
fagte endgültig feine Mitwirkung zur Durchſetzung bes Ent:
wurfes, den ber Prinzregent felbft in einer Schlußrebaftion
in allen Einzelheiten feftftellte. Ausſcheidend erhielt er das
rheinifche Armeecorps. Am 5. Dezember trat Roon an feine
Stelle, obgleich der Plan, wie es ihn nun zu vertreten galt,
teineswegs ganz feinen Ideen entſprach. Ihm aber kam es nicht
auf die Form an, fondern auf die Sade, in ber er eine
Lebensfrage für Preußen ſah. Ihr zum Siege zu helfen,
machte er in Einzelheiten felbftlos weitgehende Zugeftändniffe.
Die Vermehrung ber Regimenter von 36 auf 72 ermöglichte
binfort jährlich ftatt 40 000 Dienftpflichtige deren 63 000 ein-
zuſtellen. Bon der Landwehr erften Aufgebotes wurden die
drei jüngften Jahrgänge, meift unverheiratete Leute, als Kriegs:
referve ber Linie zugefügt, die vier älteren follten aus ber
aktiven Feldarmee ausgefchieden und mit bem zweiten Aufs
gebot nur noch zur Befegung der Feflungen verwendet werben.
Damit fielen die bei den legten Mobilmachungen bemerkten
366 Fünfte Bud. Die neue Xera und der Konflikt.
Uebelftände fort, wurde eine Steigerung der Zahl von 200 000
auf 400000 ermöglicht und gelangte das große Prinzip der
allgemeinen Wehrpflicht wiederum praktiſch zur Geltung. Trotz⸗
dem ftellte fi bie öffentlihe Meinung der Reorganifation
entgegen. Bei ber Schwäche ber neuen Aera auch in ber aus—
wärtigen Politik ſchien ein fo Foftfpieliger Friegerifcher Apparat
unnüg. Man beforgte ſchwere wirtfhaftlihe Nachteile, wenn
jährlid etwa 20000 junge Leute mehr auf drei Jahre dem
Ermerbsleben entzogen würben. Bor allem aber empfand man
ſchmerzlich die vermeintlihe Herabjegung der Landwehr, die
von ben Freiheitsfriegen her ein Nimbus umgab, der für dieſe
Zeit nicht mehr beredtigt war. Da man wußte, daß Leute
wie General Gerlah fie als eine demokratiſche Einrichtung
gehaßt hatten, witterte man bahinter reaftionäre Abſichten.
Sie traute man namentlich dem neuen Kriegsminifter zu.
Und doch lag Albrecht v. Roon (geb. 1803) nichts ferner, wenn
er auch alles an die Durchbringung des Werkes fegte. Während
biefes in ber Hauptſache der Prinzregent als fein Eigentum
in Anſpruch nehmen durfte, erſchien es daher den Ferner⸗
ſtehenden als das Roons, dank feiner aufopfernden Hingebung,
nie verfagenden Schlagfertigfeit und trog aller Leidenſchaft
des Kampfes immer ritterlihen Wornehmheit, die auch den
Gegner achtete. Roon ift eine der Lichtgeſtalten in der neueren
preußifchen Geſchichte, ein Edelmann im beiten Sinne bes
Wortes, von ungewöhnlicher Bildung und anerfanntem wiflen-
ſchaftlichen Verdienft, Soldat mit Leib und Seele und als
folder unermüdlich arbeitend an feiner und feiner Waffen-
genoſſen Vervolllommnung, ein feuriger Patriot und voll bes
geifterter Rönigstreue darauf bedacht, feine von ber Hofluft
gefährdete Unabhängigkeit auch nach oben hin zu wahren, und
dabei von herzgeminnender Liebenswürbigfeit, vol kindlich
frommen Glaubens und ein treuer Freund feiner Freunde.
So hat er während der nächſten Jahre Ungeheures geleiftet,
zumal er bald aud für die Fragen ber allgemeinen Politik
der Träger ber Entwidelung und als folder ber des Uebergangs
aus der neuen Aera in eine andere Epoche wurde.
In das Minifterium Hohenzollern-Auerswald paßte er
MI. Die deutſche Frage und bie Heeredreorganifation. 867
freilich nicht Binein, war da vielmehr ein Fremdling unter
feinen liberalen Kollegen. Das beeinflußte auch deren Stellung
zur Reorganifation. Obgleich der Prinzregent es angeregt
hatte, ſetzte das Minifterium ſich doch nicht ſolidariſch für fie
ein. Das erllärt den weitern Derlauf. Unter heftigen
Debatten wurde der Entwurf von der Kommiſſion des Ab⸗
georbnetenhaufes in einer für die Regierung unannehmbaren
Weiſe umgeftaltet und deshalb am 5. Mai 1860 zurüdgezogen.
Die Regierung forderte für die Zeit vom 1. Mai 1860 bis
30. Juni 1861 drei Millionen „zur Aufrechterhaltung und
Vervollfländigung derjenigen Maßregeln, welche für die fernere
Kriegsbereitſchaft und die erhöhte Streitbarkeit des Heeres
erforderlih und auf ben bisherigen gefegliden Grundlagen
thunlich find“. Sie ließ fi alfo an einem Proviforium ger
nügen, wo der Natur ber Dinge nah nur ein Definitivum
in Frage kommen konnte, und erzeugte den Schein, als ob
fie gewillt und in der Lage fei, die mit jener Summe einges
leitete Reorganifation rüdgängig zu machen, wenn die Volks—
vertretung fi von ihrer Notwendigfeit nicht überzeugen und
die zu ihrer Aufreterhaltung nötigen Mittel endgültig nicht
bewilligen follte. Sie that das in der Meinung, das vor
Erlaß der Verfaffung unbeftrittene Recht des Königs, die Zahl
der jährlich einzuftellenden Mannſchaften feſtzuſetzen, gelte auch
jegt noch, und es verftehe ſich von jelbft, daß deren Vermehrung
die Beſchaffung ber zur Ausbildung ber Eingeftellten nötigen
Negimenter zur Folge haben müſſe, was in legter Ronfequenz
das Budgetrecht der Volfsvertretung iluforifh machte. Wie
wenig man biefer Ronfequenz fi damals bewußt war, bewies
die Thatſache, daß die Forderung faſt einftimmig bewilligt
wurde. Die Neugeftaltung des beinahe verboppelten Heeres
wurde alsbald durchgeführt: bereits im Sommer wurben ben
neuen Regimentern ihre Namen verliehen. Sie wieder auf:
zulöfen, war danad unmöglich.
Die öffentlihe Meinung aber hatte die Volksvertretung
in dieſer Sade nicht Binter fih. Die Zufammenkünfte von
Teplig (S. 358) und Warſchau (S. 359) ließen fie eine neue
Annäherung an Defterreih befürchten, zumal auch das König:
368 Fünfte Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
reich Stalien nit anerkannt wurde. Die Unzufriedenheit
fteigerten gemifie Vorgänge im Innern. Gegen Ende des
Jahres 1860 offenbarte der Prozeß gegen den Polizeikommiſſar
Stieber unerhörten Mißbrauch der Amtsgewalt, an dem
hohe Regierungsbeamte, wie der Berliner Polizeipräfident
v. Zedlitz und felbft der inzwiſchen abgetretene Juſtizminiſter
Simons mitſchuldig waren. Schwerin aber als Minifter des
Innern ließ es dem gegenüber durchaus an ber nötigen Energie
fehlen. Wie die Stimmung fi) bereits wandelte, bewies die
Wahl Waldes zum Abgeordneten. Doch hofften noch mande
die drohende Krifis abgewandt zu fehen, als am 2. Januar 1861
der König endlich von feinem Leiden erlöft wurde, das ihn feit
Jahren lebendig begraben hatte. Schien doch fein Bruder nun
als König von all den Nüdfichten befreit, bie bei feinem in
diefen Dingen zartbefaiteten Gemüt eine begreiflihe Pietät
ihm bisher auferlegt Hatte. Auch fehlugen die Thronrede, mit
der er am 14. Januar die Kammern eröffnete, und die Ans
ſprache „An Mein Volt“ einen entihloffenen Ton an, indem
die Notwendigkeit einer endlichen Reform der Bundeskriegs⸗
verfaffung und eine dem Rechte und der Ehre Deutſchlands
entfprechende Löſung der heſſiſchen und der holſteinſchen Frage
betont wurden.
Die danach gehoffte Wendung aber trat au jegt nicht
ein. Indem er nod im Januar die Fahnen der neuen Regi«
menter weihte, befiegelte König Wilhelm die Reorganifation
feierlichſt: ihr Widerruf war nun vollends unmöglid. Auch
wurben die Mitel dazu, freilich beträchtlich gefürzt, von neuem,
jebod wieder nur proviforifh, für 1862 bewilligt, während
die endlihe Annahme der Grundfteuer durch das Herrenhaus
die wichtigfte finanzielle Vorausfegung für fie ſchuf. Unter dem
Eindrud diefer Vorgänge und des andauernden Stillftandes
im Innern trat die Oppofition entſchloſſener auf. Aus einer
als Junglitauen bezeichneten Gruppe oftpreußiicher Abgeord⸗
neten — Hoverbed, Forkenbed, Koſch, J. Jacoby und andere —
entftand durch Anſchluß Gleichdenkender in den übrigen Pro=
vinzen, wie Virchow, F. Dunder, v. Unruh, Th. Mommſen und
anderer, im Sommer 1861 die deutfche Fortſchrittspartei, deren
I. Die deutſche Frage und die Heeredreorganifation. 369
Programm das durch eine wirklich liberale Gejeggebung völlig
umzugeftaltende Preußen zum Träger der von einem Parlament
beratenen deutſchen Sentralgewalt berief.
Das alles erfüllte König Wilhelm mit wachſendem Miß-
trauen. Seine Anſchauungen wurzelten zu tief in der Ver
gangenpeit, um davon nicht abgeftoßen zu werben. Doch ſuchte
er in ber ihm eigenen Art auch jegt zwiſchen beiden Ertremen
zu vermitteln und ben Konflitt für fein Gefühl durch einen
Ausgleich zu löſen, den andere leicht mißdeuten Fonnten.
Darüber geriet er zunächſt in ernfte Differenzen mit dem
Minifterium. Er wollte nah altem Brauch die Erbhuldigung
geleiftet haben, recht nad dem Wunfch der Junker, weil damit
die ſtändiſche Verfaſſung als das eigentliche Staatsrecht Preußens
bingeftellt worden wäre. Seine Räte erklärten das für un-
vereinbar mit der Verfaffung, nahmen aber ſchließlich das
vom König vorgefchlagene Kompromiß an, das die Erbhuldigung
durch die Krönung erjegte. Sie fand am 18. Dftober 1861 in
Königsberg flatt. Aber während der König, tief innerlich
bewegt und anbädtig erhoben, darin einen Aft erblicte, der
das Königtum von Gottes Gnaden mit dem modernen Ver
faſſungsweſen verföhnen follte und feinem dadurch zum Auss
drud gebrachten göttliden Recht die Heiligen Pflichten gegen
jein Vol gegenüberftellte, ſahen viele darin ein Schaugepränge,
das aud ihn wie feinen Bruder in überlebten mittelalterlichen
Anſchauungen befangen erſcheinen ließ. Auch daB Graf
Säleinig, der „Mignon“ der Königin (S. 344) im aus:
wärtigen Amte durch den entfchlofieneren Bernſtorff erſetzt
murde, änderte die Verſtimmung nicht, obgleih der neue
Minifter auch der preußiſchen Politik mehr Haltung und
Kraft gab.
So fielen die Wahlen Anfang Dezember für die Regierung
ungänftig aus: die Liberalen, darunter 100 Vertreter der
Fortſchrittspartei, hatten eine erdrüdende Mehrheit. Auch fie
war von dem redlichſten patriotifhen Willen befeelt, aber ohne
praktiſch⸗politiſche Einfiht und unter dem Einfluß des unvers
bältnismäßig ſtark vertretenen NRichterftandes, der, wie man
klagte, Politik nad den Paragraphen des Landrechte Nnaqhen
Prug, Preubiſche Geſchichte. IV.
370 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt.
wollte, allzu geneigt, den fonftitutionellen Formalismus über
die real ausfhlaggebenden Momente zu jegen. Die liberalen
Vorlagen der Regierung, die fie für die Reorganifation ges
winnen follten, Gefege über die Minifterverantwortlickeit und
die Aufhebung der gutsherrlihen Polizei, machten feinen Ein=
drud, da fie im Herrenhaus doch durchfalen würden. Während
diefes die Militärvorlage unverändert annahm, befämpfte in
der zu ihrer Beratung beftellten Rommiffion des Abgeordneten⸗
hauſes die Oppofition namentlih die von Roon für unent=
behrlich erklärte dreijährige Dienftzeit. Den Bruch aber führte
eine ſcheinbar rein formale Frage herbei. Ein Antrag Hagen
forderte, im Staatshaushalt follten nicht bloß die Hauptfummen
der einzelnen Titel aufgeführt, fondern er follte bereits für
das laufende Jahr fo fpezialifiert werden, daß bie einzelnen
Teilfummen nur für die angegebenen bejonderen Bwede ver-
wendet werden dürften. Der Gedanke war nicht neu. Bereits
im März 1851 hatte die gleiche Forderung Friedrich Wilhelms
Entrüftung erregt, der ber Kammer jedes Recht auf Feftftellung
der Spezialetats abſprach: nie könne die Kammer einen Minifter
für Meberfchreitungen einzelner Titel des Spezialetats verant-
wortlid maden, wenn er nur im ganzen die im Kauptetat
bewilligte Summe fefthielte. Der Antrag Hagen aber follte
gerabe der Militärverwaltung die Schiebungen unmöglich machen,
durch die fie aus Eriparnifien bier Mehraufwendungen dort
gebedt und fo durch Hebertragungen die Reorganifation durch⸗
geführt hatte. Dennoch mollte der Finanzminifler v. Patow
das Budget des nächſten Jahres fo fpezialifiert vorlegen und
alein nod für biejes Jahr davon abgefehen wiflen. Nur das
verbitterte Mißtrauen der Oppofition gegen die Regierung, bie
ihr in der deutſchen Frage nicht entſchloſſen genug vorging,
erklärt es, daß der Antrag trogdem durchging. Das ftellte den
Beftand der Reorganifation thatfählih in Frage, und ber
König fah fein Lebenswert, das er gutgläubig bereits in
Sicherheit gewähnt hatte, ſchwer bebroht. Längft irre geworben
an der Möglichkeit einer liberalen Politit, brach er innerlich
jest vollends mit ihr, zog aber doch noch nicht die rechten
Ronfequenzen daraus. Er bewilligte dem Minifterium, das
1. Die deutfhe Frage und die Heeredreorganifation. 371
außer Roon die Vorlage nur lau vertreten hatte, die erbetene
Entlaſſung nicht. Doch wurde Hohenzollern durch den Prinzen
von Hohenlohe⸗ Ingelfingen, den Präſidenten bes Herrenhauſes,
als interimiſtiſchen Präſidenten erſetzt, was die Unklarheit
der Lage nur ſteigerte, da innerhalb des Miniſteriums nun
fünf gegen fünf Stimmen ſtanden. Am 11. März wurde das
Abgeordnetenhaus aufgelöft. Ueber das weitere Vorgehen aber
konnten fi) die Minifter mit dem Könige nicht einigen. Ihren
Rat, die Oppofition durch weitere liberale Zugeftänbniffe zu
gewinnen, wies er entſchieden zurüd: er fürdhtete, dadurch auf
eine abjhüffige Bahn geführt zu werden, auf ber fein Ein-
halten mehr möglich fein würde. So ſchieden am 17. März
Auerswald, Schwerin, Patow und Bernuth aus, nur Roon,
v. d. Heydt und Bernflorff blieben im Amt. Die drei Konfer-
vativen hatten die liberale Mehrheit aus dem Nat der Krone
verdrängt. Das war das Ende der neuen era. Denn nur
vorübergehend und faum ernftlich gemeint tauchte der Gebanfe
auf an ein Minifterium v. d. Heydt: es ſtieß in den leitenden
militärifhen Kreifen auf entſchiedenen Widerftand, da ein
ſolches vor allem durch Erſparniſſe im Militäretat, aljo auf
Koften der Reorganifation, eine Verftändigung mit ber Volle:
vertretung gejudht haben würde. Davon wollte man um fo
weniger etwas hören, als gewifje Kreife in ber Stille hofften,
infolge der Rammerauflöfung ausbrehende Unruhen würden
den erwunſchten Vorwand zu den von ihnen empfohlenen
Gewaltmaßregeln geben.
III. Der Konflikt. 1861—1864.
Ar politifhes Syftem krankte die neue Aera von An—
beginn an einem inneren Widerſpruch, der fie das zu werben
binderte, was ihr Name verhieß. Ja, eigentli war fie über:
haupt fein politiſches Syftem. Denn nicht die Weberein-
fimmung in gewiſſen grundlegenden politifden Anſchauungen
batte den Prinzregenten und die von ihm berufenen Minifter
zufammengeführt, fondern neben älteren perjönlichen Bes
siehungen die gemeinfame Gegnerfhaft gegen die Reaktion.
Politiſch ſtreng konſervativ, fah erfterer in der Verfaſſung ein
notwenbiges Uebel, mit dem man fi einrichten müfle, be-
kämpfte aber das Syftem Manteuffel, und zwar aus morali:
{hen Gründen, wegen ber fittlid) verwerflichen Mittel, deren
es ſich bediente. Auerswald und feine Mitarbeiter dagegen
hatten dieſes politiſch bekämpft und wollten es durch eine
ganz neue Ordnung erſetzen, konnten damit aber nicht Ernſt
machen aus Furcht, dabei von dem Prinzen im Stich gelaſſen
zu werden, während dieſer ſeinerſeits die Sorge nicht los
wurde, die Miniſter könnten ihm weiter zu gehen veranlaſſen,
als mit feinen Prinzipien vereinbar war. Diefer Widerſpruch
hatte die Aktion des Minifteriums der neuen Aera frühe ge—
lähmt. Das Anfchwellen der Oppofition gegen fein Wehrgeſetz,
defien Annahme er von Bedingungen abhängig gemacht ſah,
die zu erfüllen ihm fein Gemiflen verbot, ließ den König
bereit 1861 bei der wachſenden Agitation namentlich in ber
Hauptſtadt die Wiederkehr von Zuftänden wie im März 1848
befürchten: er ſah im Geifte bereit8 von neuem Barrikaden
bauen. Ohne beftimmte Pläne für die Zukunft war er doch
feit Webernahme der Krone vollends durchdrungen von ber
königlichen Pflicht, Preußen für jede Eventualität zu voller
III. Der Konflitt. 373
Waffenfähigfeit zu erheben und fo Demütigungen, wie es fie
unter feinem Bruber erfahren hatte, für alle Zeit unmöglich
zu maden. Auch die Löfung der deutſchen Frage in einem
für Preußen annehmbaren Sinne war er überzeugt, damit
anzubahnen. Berfafjungsfeindlicde Abſichten Tagen ihm babei
um fo ferner, als er mit ber Feftfegung der Zahl der jährlich
einzuftelenden Mannſchaften nur ein altes Recht des oberften
Kriegsherrn zu üben meinte, das durch die Verfaflung nicht
aufgehoben war. Auf der anderen Seite aber wird man doch
auch gegen bie Oppofition nicht im Ernft die Anklage erheben
tönnen, fie babe die der Krone verfaffungsmäßig zuftehenden
Rechte mindern ober gar die preußiiche Wehrkraft ſchwächen
wollen: aber fie folgerte aus der Vergangenheit und der ſchwäch⸗
lichen Haltung des Minifteriums Hohenzollern-Auerswald, auch
für die verſtärkte preußiſche Heeresmacht fei eine den gehrachten
Opfern entſprechende Verwendung im Dienft der nationalen
und ber liberalen Sache nicht zu erwarten, und wollte deshalb
felbft bie teilmeife Bewilligung der erhobenen Forderungen
abhängig machen von Zugeſtändniſſen im Innern, die ein
Einlenten in die von ihr verlangte Politif auch nach außen
verbürgten. Eine Verftändigung war daher unmöglich, folange
die Vorausfegungen für eine nationale und zugleich liberale
Aktion der preußiſchen Politik fehlten. Die Möglichkeit einer
ſolchen erſchloß auf der einen Seite die fchleswig-holfteinifche,
auf der anderen die kurheffiihe Frage. Aber weder Schleinig
noch Bernftorff Hatte den friſchen Wagemut beſeſſen, fie jo weit
zu treiben, während ſchon 1861 mande einfichtige Politiker
der Meinung waren, Preußen bebürfe der Aktion nach außen,
um das Fieber im Innern zu lindern.
Innerli war König Wilhelm mit ber neuen Aera längſt
fertig: ihr Mißerfolg beftärkte ihn in der Weberzeugung, daß
Preußen nur fonfervativ regiert werben fünne. Es mag dahin⸗
geſtellt bleiben, ob Edwin v. Manteuffel, der Chef des Militär-
tabinetts, ſchon im Beginn ber Negentichaft der Vertreter
abfolutiftiicher Tendenzen (S. 335), an dem fehließlichen Sturz
des Minifteriums Auerswald den entſcheidenden Anteil hatte,
den man ihm nachſagte. In einer Broſchüre „Was uns nod
374 Fünftes Bud. Die neue Yera und ber Konflikt.
retten kann“ ſchildert der Stabtgerichtsrat Tweften (1820— 70)
ihn als einen „unheilvolen Mann in unheilvoller Stellung“,
den zu bejeitigen e8 am Ende noch für Preußen einer Schlacht
bei Solferino bedürfen würde: die Folge war ein Duell, in
dem Tweften ſchwer verwundet wurbe. ebenfalls bezeichneten
die Namen der neuen Minifter die Rüdkehr zur Reaktion.
Neben Roon, dem leitenden Geift des Kabinetts, v. d. Heydt,
der nun die Finanzen übernahm, und Bernftorff traten
v. Jagow für das Innere, v. d. Lippe für die Juſtiz, Itenplig
für die Landwirtſchaft und v. Mühler für den Kultus ein,
Männer, die teils ausgeſprochene Junker, teils junferhafte
Bureaukraten waren. Da konnte es freilich Leinen Eindrud
machen, wenn die neue Regierung, wie ihre liberale Vor:
gängerin auf Befehl des Königs Fonfervativ regiert hatte, nun
auf eben denfelben Befehl demonftrativ eine Reihe von liberalen
Gefegentwürfen vorbereitete, welche bie öffentliche Meinung ge-
winnen follten. Vielmehr deutete diefe die Minifterlifte in ent:
ſchieden verfaffungsfeindlidem Sinne und nahm den Handſchuh,
ben fie fi damit hingeworfen glaubte, mit Erbitterung auf.
Weit übertroffen aber wurden ihre ärgften Befürdtungen durch
die Rüdfichtslofigkeit, mit der die Regierung bie auf den 6. Mai
ausgeſchriebenen Wahlen zu beeinfluffen fuchte. Sie erwies
fi darin als die würdige Nachfolgerin des Minifteriums
Manteuffel, und wenn für derartige Ausſchreitungen billiger-
weife nur der Uebereifer feiner Diener, nicht der König ſelbſt ver:
antwortlich gemacht werben konnte, fo fiel doch das Odium um
fo mehr auf den Träger der Krone, als man wußte, mit wel
ſittlicher Entrüftung er einft das ähnliche Treiben Manteuffels
gegeißelt hatte. Nicht minder verhängnisvoll war es, daß
infolge des nun unvermeiblihen Auftauchens immer neuer
Streitpunfte die eigentlich zur Entſcheidung ftehende Frage,
fo klar und einfach fie war, immer mehr verbunfelt und mit
fremden Dingen belaftet wurde.
So nahmen in der am 19. Mai eröffneten neuen Seffion
die Verhandlungen alabald einen äußerft leidenſchaftlichen, ja,
gehäffigen Charakter an. Obgleich das Minifterium fi zur
endlichen Anerfennung des Königreichs Italien entſchloß und
1. Der Konflitt. 375
durch die von dem Unterfiaatsjefretär Gruner veranlaßte Auf:
nahme der kurheſſiſchen Frage den erften Schritt that, um
den ihm von dem „Wahnſinn“ bes Nurfürften gebotenen Glüds-
fall für die Stellung Preußens in Deutſchland auszunugen,
und aud in Schleswig:Holftein Deutſchlands Recht in Er:
innerung brachte, ſah es fi ſchon in der Adreßdebatte von
den Rebnern der Oppofition, gegen welche bie zwanzig Alt:
liberalen unter Vinde, die fünfzehn Konfervativen und bie
wenig über ein halbes Hundert zählenden Katholifen zufammen
mit den Polen nicht auffamen, faft verhöhnt. Keine Regierung,
hieß es, die den freiheitlihen Bebürfnifien der Nation wider:
ftrebe, vermöge die Madtftelung Preußens zu heben. Das
verſchob den Streitpuntt, ſetzte teils nebenſächliche, teils rein
theoretifche Fragen an feine Stelle und machte eine nüchterne,
rein ſachliche und von politifher Anti- oder Sympathie uns
beeinflußte Beurteilung der Militärfrage unmöglih. Wäh—
rend derartige Debatten entgegen ber Erwartung Bismarde,
der gehofft Hatte, das Abgeorbnetenhaus werbe dadurch lang:
weilig werden, die Deffentlichfeit aufs äußerfte erregten, lag
der Schwerpunkt der fachlichen Behandlungen des Wehrgefeges,
das, unverändert wieder eingebracht, in Roon einen unver
gleihlichen Verfechter hatte, in der mit feiner Prüfung betrauten
Kommiffion des Abgeorbnetenhaufes. Dort glaubte man ben
Weg zur Verftändigung gefunden zu haben, als Roon bie
zweijährige Dienftzeit neben einigen finanziellen Nachläſſen, die
von den Abgeordneten v. Sybel, Tweſten und Stavenhagen zur
Erleichterung der dem Volke aufzulegenden Laften vorgeſchlagen
waren, wenigftens für die thatſächlich zu übende Praxis für zus
läffig erflärte. Daß er das aber nicht auch gefeglich feftlegen
fafjen wollte, vereitelte biefe Hoffnung. Damit Fonnte der
Sieg der Fortſchrittspartei und des linken Zentrums, die auch
die gegen früher reduzierten Koften der Reorganifation einfach
freien wollten, als entſchieden gelten. Denn der Antrag
Reichenſpergers, die Beſchlußfaſſung auszufegen, bis die Regie
tung für die bereits geleifteten Ausgaben Rechtfertigung er=
beten habe, war doch nur ein plumper Verſuch, die katholiſche
Partei fon jegt zum Zünglein an der Wage in dem preußis
376 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
ſchen Staatsleben zu machen. Obgleich die Mehrheit fi der
KRonfequenzen diefes Beſchluſſes völlig bewußt war und v. d. Heybt
fie nahbrüdlih darauf hinwies, daß nun auch von jeiten ber
Regierung notgebrungen Schritte erfolgen könnten, die nicht
in ber Verfaſſung vorgefehen feien, wurden dennod am
23. September alle durch die Reorganifation veranlaßten Mehr:
toften für das Heerweſen im Betrage von etwa ſechs Millionen
Thalern abgelehnt.
Damit war ber Konflift gegeben. Auf den König machte
der Vorgang den tiefiten Eindrud. Die Reorganifation zurüd-
zunehmen erſchien ihm, abgefehen von der Unmöglichkeit,
115 Bataillone wieder aufzuldfen, ihre Offiziere anderweitig
unterzubringen und die geweihten Fahnen zu entwerten, als
eine Verlegung feiner Soldaten und Herrfcherpflicht. Anderer
ſeits war er fi Mar darüber, daß fie aufrecht zu erhalten
und aud ohne Bewilligung durch den Landtag das dazu Nötige
aus den Staatsmitteln aufzuwenden, mit der Verfaſſung nicht
in Einklang zu bringen fei und ihn nötige, ſich zeitweilig über
ihren Wortlaut Hinmwegzufegen. Diefer Konflift der Pflichten
laftete fo ſchwer auf ihm, daß er feinen anderen Ausweg mehr
zu fehen meinte als ben Verzicht auf die Krone. Daß nun
Fürft Hohenlohe das Präfidium im Minifterium nieberlegte
und felbft der geſchmeidige v. d. Heydt nicht weiter mit ihm
gehen mochte, konnte ihn darin nur beftärfen. In feiner leiden»
ſchaftlichen Erregtheit meinte er gar, es handle fi darum,
ob die Verfügung über das Heer in Preußen in Zukunft bei
dem Könige oder bei dem Parlamente liegen jollte, — eine
Alternative, die verriet, wie man ihn von gewiſſer Seite durch
die Erinnerung an Karl I. von England zu beeinfluffen ſuchte.
In den Reihen der fiegreichen Oppofition aber dürfte faum
jemand ernſtlich geglaubt Haben, daß durch dies Votum die
Wehrverfaffung Preußens wirklich in den alten Zuftand zurüd-
verfegt werben fünne. Wohl aber wollte mander die Gelegen-
beit benugen, um dem Königtum engere Schranken zu fegen,
Preußen unter ein dem englifchen nachgebilbetes parlamentari:
ſches Syſtem zu beugen und fo feine Entwidelung an ben
Punkt wieder anzufnüpfen, wo fie einft die Auflöfung der
IN. Der Konflikt. 377
tonftituierenden Nationalverfammlung unterbrochen hatte. In—
fofern handelte es ſich allerdings um einen Gegenjag, wie ihn
der König in Bezug auf die Armee als gegeben anfah. Denn
der Konflikt über die Reorganifation offenbarte, daß die Ver
faſſung für gewiſſe Fälle nicht bloß eine feite Abgrenzung
zwiſchen den Rechten der Krone und denen der Volfsvertretung
vermiflen ließ, ſondern aud die nötigen Beftimmungen über
das Verfahren, das einzuhalten war, wenn über unabweisbare
und unter allen Umftänben zu befriedigende Staatsbebürfnifle,
deren Nichtbefriedigung den Staat nicht bloß zu ſchädigen,
fondern britten gegenüber durch notgedrungene Verlegung feiner
Pfliten ins Unrecht zu jegen drohte, eine Verſtändigung
zwiſchen der Krone und dem Landtage nicht zu erreichen
war. So wurde der Kampf um eine rein techniſche Frage auf
ein Gebiet verpflanzt, wohin er nicht gehörte, und mit ihm
fremden theoretijchen Erörterungen prinzipiellfter Natur belaftet,
und nahm einen Charakter an, den er nicht anzunehmen ges
braucht hätte. Die Verantwortung dafür trifft beide Teile.
Sie mißtrauten einander, und ber eine verfah ſich vom anderen
ſchlimmerer Dinge, als irgend zu befürdten ftanden. Was in
der Hite des Kampfes augenblidlih als Waffe angewandt
wurde, ſollte, fo fürdtete der dadurch Bedrohte, dauernd in
Geltung bleiben und flatt zur Abwehr zu bienen, zum er-
obernden Vorbringen in ein bisher ihm vorbehaltenes Gebiet.
Infofern handelte es ſich allerdings nicht bloß um eine Rollifion
zwiſchen formalem und materiellem Recht. Auch waren fi
beide Teile der Grenzen ihrer Macht wohl bewußt. Die
DOppofition mußte, daß fie das Minifterium an ber Leiftung
auch ber nicht bewilligten Ausgaben für die Reorganifation
zu hindern nicht vermochte, da ihm die eingehenden Staats:
einnahmen zur Verfügung ſtanden. Als eine Lüde in der Ver⸗
faffung beflagte fie daher, daß dem Abgeorbnetenhaufe neben
dem Rechte zur Bewilligung der Ausgaben nicht auch das zur
Bewilligung der Einnahmen zuftand. Eine viel ſchlimmere
Lucke fah die Regierung in dem Mangel einer Vorſchrift für
den Fall, daß eine Einigung zwiſchen den an dem Etatögefege
beteiligten drei Faktoren nicht zu ftande fam. Der König
378 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt,
perſönlich vertrat die Anficht, die Regierung müſſe alsdann
die von ihr pflihtmäßig als unerläßlich bezeichneten Ausgaben
leiften, ſpäter aber ihre Notwendigkeit der Volksvertretung
darthun und deren nachträgliche Zuftimmung einholen. Freilich
ftimmte diefe Anſchauung weder mit dem Buchftaben noch mit
dem Geifte der Verfaffung. Zwar legte fie nit Hand an
die Verfaffung und verzichtete auf die einft von Weftphalen
geübten Interpretationen, die den Maren Wortlaut weg: oder
in das Gegenteil gedeutet hatten. Sie begnügte fi mit der
Konftatierung einer Not- und Zwangslage und zeigte den Weg,
wie, nachdem ihr momentan Rechnung getragen war, in bie
vorübergehend verlafiene, aber nach wie vor als allein berechtigt
anerfannte verfafjungsmäßige Bahn eingelenft werben Fonnte.
So faßte die Lage auch der Mann auf, ben ber ratloje
König zu Hilfe rief. Seit Jahren war Dito v. Bismard
(geb. 1. April 1815), der unlängft ben Petersburger Gefandt:
ſchaftspoſten mit dem Parifer vertauſcht hatte, als Minifter-
kandidat genannt, das eine Mal für das Innere, das andere
für die Finanzen, bei dem legten Wechſel auch für das Aus:
wärtige. Namentlih Roon hatte in dem ihm freundſchaftlich
verbundenen Diplomaten den Mann erkannt, deſſen man zur
Durchfechtung der Reorganifation bedurfte. Bon ihm berufen,
eilte derfelbe nach Berlin, hatte am 22. September in Babels—
berg mit dem Könige, der bereits die Abdankungsurkunde ent⸗
worfen hatte, eine Unterrebung, in der er ihn durch feine kampf⸗
frohe Haltung, felbftlofe Hingebung und freudige Zuverſicht
auszuharren beftimmte, indem er fih bereit erflärte, in ber
Hoffnung jpäterer Verftändigung bie Regierung zunächſt gegen die
Mehrheit der Volfsvertretung zu führen. Bereits am folgenden
Tage (23. September) wurde er zum Staatsminifter zunächſt
ohne Portefeuille und zum interimiſtiſchen Minifterpräfidenten
ernannt. Der Eindrud davon war doch noch ftärfer, ala er
ſelbſt erwartet Hatte. Gr glich nicht bloß dem Erſcheinen
eines friſchen, mutig vorwärts ftürmenden Bataillons in einer
mwanfenden Schlachtreihe, das bie Gegner ſtutzig macht und
verwirrt: die Ernennung entfefjelte leidenſchaftliche Wut und
wurde unter lautem Hohn, faft triumphierend, als ein Beweis
II. Der Konflikt. 379
dafür begrüßt, daß die Regierung alſo doch auf den Staats:
ſtreich ausgehe und die Verfafjung zu befeitigen trachte.
So kam an die Spige des preußifchen Staates der Mann,
der, nahezu ein Menfcenalter auf dem nie erfirebten, fondern
nur aus Pflihtgefühl übernommenen Poften ausharrend, ge:
tragen von dem unerfhütterliden Vertrauen feines Königs,
den er zum Raifer machte, und von dem immer mächtiger an⸗
ſchwellenden Jubel feines dankbaren Volkes, für Preußen und
Deutſchland die Erfüllung der Zeit herbeiführen ſollte, in
anderer Weife freilih, als man gedacht, auf anderen Wegen
und in anderen Formen, aber auch glänzender und dauerhafter.
Zange noch wird man nicht mübe werben, fi in fein Bild
zu vertiefen, um feinen Entwidelungsgang zu verftehen und
die geiftigen und fittliden Triebfedern aufzubeden, denen fein
weltgeſchichtliches Handeln entfprang. Freilih wird aud da
durch ein gewiſſes Uebermaß gefehlt. Deutichland ift in dem
Menſchenalter nach den Freiheitsfriegen an groß angelegten,
namentlich politifh groß angelegten Charakteren fo arm geweſen,
daß es die gewaltige Erfcheinung dieſes einen faum recht zu
faflen vermochte und fein Bild, das an fi) ſchon fo impofant
iR, übertreibend in das Gigantifche auszumalen die Neigung
bat. Auch in der Bewunderung fann ein Volk zu viel thun,
und es ift nicht die rechte Würdigung ber hiftorifhen Größe feiner
Helden, wenn es fie über das Maß der beſchränkten Menfchen-
natur hinaus zu Trägern aller Vollfommenheiten macht. Gewiß
war in Bismard die Kraft des Atlas mit ber Geiftesfchärfe
des erfindungsreichen Odyſſeus gepaart: aber man darf doch
nit meinen, daß er, was er ſchließlich erreicht, au in an«
nähernd ähnlichen Umrifien von Anbeginn als Ziel im Auge
gehabt habe. Die Quellen jeines erſtaunlichen, nie verfagenden
Könnens lagen vielmehr in der unbeugfamen Kraft eines
gewaltigen Willens und in der beweglichen Anpafjungsfähigkeit
gegenüber den ſich unausgejegt wandelnden Verhältnifien. In
legterem Punkt war er innerlih König Wilhelm verwandt,
nur daß, was bei diefem das langfam reifende Ergebnis eines
inneren Prozefies allmählicher Bewältigung und Aneignung
fremder Momente war, bei ihm fi) darſtellt als die faft uns
380 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
vermittelt vollgogene und alabald zur That umgejegte Wirkung
einer augenblidlihen Eingebung. Bon einer ſolchen Kraft und
ihrer rüdfichtslofen Bethätigung waren Einfeitigleit, Härte
und Gemaltthätigfeit untrennbar und äußerten fi fpäterhin
um fo fohroffer, je mehr ihr Träger, durch den Erfolg ver-
wöhnt, von ber Unanfechtbarkeit des von ihm vertretenen
Standpunkte durchdrungen war,
Verfuht man fi) das Bild des werdenden Vismard zu
vergegenwärtigen, fo erfcheinen darin als die hervorftechenden
Züge feine begeifterte, an die fhönften Regungen mittelalter:
licher Bafallentreue gemahnende Königstreue und die Begeifterung
für Preußens Größe. Sie hatten dem jungen Heißiporn bereits
die Gunft Friedrich Wilhelms IV. gewonnen und ohne Amt
und Würden in den Jahren 1847—50 neben den regierenden
Kreifen eine ganz eigenartige bedeutende Stellung verichafft.
Trennend aber hatte zwifchen ihm und dem König geftanden,
daß er ebenfo willensftart und kampffroh war, wie jener
willensſchwach und kampfſcheu. Nie jedoch wäre er das ger
worden, als was die Welt ihn kennt, wäre ihm nicht durch
eine glüdlihe Fügung bie Klarheit des Blids, die Unabhängig:
teit der Auffaffung und der rüdjichtelofe Freimut des Urteils
erhalten geblieben, die ihn von den erften Schritten bis auf die
Sonnenhöhe feiner Laufbahn vor allem kennzeichneten, und die
niemand bewahren fonnte, ber in jenen Jahren den verknöchern⸗
den Einfluß der preußifchen Bureaukratie in ber üblichen
Beamtenlaufbahn über fich ergehen laſſen mußte. Welche Schule
im Gegenfag dazu die parlamentarifche Thätigkeit für den
werdenden Staatsmann fein kann, hat fih an ihm bejonbers
bethätigt. Denn viel mehr als durch die diplomatische Wirkſam⸗
teit in Frankfurt, der er freilich feine fo großartig bewährte
Auffaffung der deutfchen Frage verbankte, find die in ihm
ſchlummernden ftaatsmännifchen Anlagen dur die heißen
Redekämpfe des Vereinigten Landtages, der Fonflituierenden
Nationalverfammlung und ber folgenden Landtagsſeſſionen
gewedt und entwidelt worben.
Diefer Schule verdankte er nicht bloß die nie verfagende
Schlagfertigfeit der ihm dabei nicht eigentlich leicht von ben
II. Der Konflikt. 881
Lippen fließenden Rede im Kampf der Meinungen, fondern
auch bie unvergleichliche Menſchenkenntnis und die Meifterfchaft,
womit er Schwächen und Stärken von Freund und Feind ber
von ihm verfochtenen Sache dienftbar zu machen wußte. Diefe
fand ihm über allem, perjönlihe Rückſichten kamen gegen fie
niemals auf. Dieje unbeirrbare Sachlichkeit feines politifchen
Denkens und Handelns erfüllte ihn mit dem fieghaften Bewußt⸗
fein feines guten Rechtes und erklärt jene fo oft faft ver-
blüffende Offenherzigkeit der Sprache und die undiplomatifche
Geradheit, mit der er auch dem Gegner das von ihm verfolgte
Kiel ke vor Augen ftellte, Eigenſchaften, durch die er die über:
lebte Kunft der alten Diplomatenfhule zuweilen ſpielend ent-
waffnete und kläglich ſcheitern machte. Die Vereinigung biefer
Eigenſchaften erklärt auch ben Einfluß, den er auf feinen
König übte, ohne defien Selbftändigkeit und Herrſcherverant⸗
wortlichkeit in Frage zu ſtellen. Seine Treue, feine Offenheit,
feine Sachlichkeit gaben dieſem bie beglüdende Gewähr, gut
beraten zu fein. Wohl Hat König Wilhelm zumeilen dem
tühnen Gebankenflug dieſes Beraters nicht gleich folgen können,
an ber Richtigkeit oder gar der Gangbarfeit des von ihm
gewiejenen Weges gezweifelt, ja, weniger ſchnell in der Er-
faſſung einer verwidelten Lage und in der Abmeflung der
möglichen Folgen einer zu treffenden Entſcheidung, demſelben
lebhaft widerftrebt und im vereinzelten Fällen fi mit. faum
verhohlenem Groll feiner überlegenen Einfiht gefügt: immer
aber hat er fich fchließlich des freimütigen Beraterd Anficht
angeeignet, deſſen Handeln durch feine Autorität gebedt und
dadurch erft zu voller Wirkung gefteigert. Nie hat ein preußifcher
Minifter zu feinem Könige, nie überhaupt ein Minifter zu
einem König ähnlich geftanden. Das Verhältnis diefer beiden
Männer fteht einzig ba in der Gedichte. Durch die über-
legene Natur bes Minifters wurden die zunächft feineswegs auf
das Außerordentliche gerichteten Fähigkeiten des Königs gleich
fam vervielfältigt und er über das urſprünglich beicheidene
Maß des eigenen Könnens weit hinausgehoben. Die raftlofe,
vielfeitige, nit immer den geraden Weg einhaltende, oft
fprungbafte und gelegentlich gewaltfame Thätigfeit des einen
382 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt.
fand ihre alle Schroffheit und alle Widerfprüche ausgleichende,
fie gleihfam verklärende Einheit in der bei aller Schlichtheit
durchaus ibealen Perfönlichkeit des anderen. So mag man
zweifeln, ob Bismard das, was er geleiftet, unter und neben
einem anderen Könige zu leiften vermocht hätte: daß König
Wilhelm das, was er erreicht, ohne dieſen Berater nicht er—
reiht haben würde, wird fein Menfchenkenner bezweifeln. So
untrennbar verbunden und jeder eine in fi} gefeftigte und ſcharf
ausgeprägte Perſönlichkeit fteht beider Bild dem preußiſchen
und dem deutſchen Volle vor Augen. Legenden entftehen aus
Regungen der Volksſeele unter dem Eindrud großer geſchicht⸗
licher Ereignifle, fie laſſen fi) anregen und einbürgern, indem
man in beftimmter Richtung auf diefe einwirkt: aufzwingen
laſſen fie fi wenigftens dem beutihen Wolfe nie. Niemals
wird biefes in Bismard bloß den Handlanger König Wilhelms
beim Neubau Preußens und des Deutfchen Reiches fehen lernen.
Ehrt es in diefem den großherzigen Bauherrn, fo bleibt ihm
jener ber geniale Baumeifter, ber nicht bloß den Bauplan
entworfen und zur Annahme gebracht, fondern auch, als uner-
müblider, an Mitteln unerſchöpflicher Bauführer alle Hinde-
rungen überwindend, den folgen Bau feft gefügt unter Dach
gebracht hat.
So hat fi das Verhältnis beider glei) von dem Eintritt
Bismarcks in das Minifterium an geftaltet. Die Weberzeugung,
einen zuverläffigen Berater gefunden zu haben, der fi ver
pflichtete, ihm alle Zeit freimütig feine Anficht darzuthun, aber
wenn feine Gründe ihn nicht überzeugten, feinem Befehle
nachzukommen, ließ den König, der unter den ihm perfönlid
fo nahe verbunden gewefenen Trägern der neuen Aera ſchließ—
lich vereinfamt geftanden, ſich bemfelben alsbald um fo inniger
anſchließen, als ihm deſſen zuverfichtliche, tapfere Art inmitten
einer von ſchlimmen Befürdtungen erfüllten Umgebung zuerft
wieber Mut und Zuverfit und den Glauben an einen glüd-
lichen Ausgang der fo bedrohlichen Krifis einflößten. Sein
Soldatenherz fühlte, in dieſem Munde war es feine Phraje,
wenn er in ben nächſten enttäufungsreihen und forgenvollen
Wochen, als der König in trüben Phantafien ihnen beiden
II. Der Konflitt. 383
das Ende Straffords und Karls I. von England vorherfagte,
das freudig aufnahm und als ein jehr anftändiges Ende be-
zeichnete, da er felbit dann im Kampfe für bie Sache feines
Königs enden, diefer aber feine füniglichen Rechte von Gottes
Gnaden mit bem eigenen Blute befiegeln würde. Er war
gewiß, daß berfelbe gegebenenfals auch nach diefen Worten
handeln würde. Auf biefe fih auh im Tod zu bemähren
bereite Treue Bismarda gründete ſich bes Königs Vertrauen
zu ihm. Er war davon durchdrungen, dieſem beredten Munde
konnte fein Wort und dieſem erfindungsreien Kopfe fein
Gedanke entipringen, die mit ber Ehre des preußifchen König-
tums unvereinbar waren. Die Folgezeit beftätigte glänzend
dieſe Ueberzeugung und ftärkte ihn in dem Glauben an feinen
treuen Berater. Daher haben fi) beide, mochten ihre Mei-
nungen aud einmal außeinandergehen, immer wiedergefunden,
fo daß ihr unvergleichliches Verhältnis angefichts großer Krifen
wohl vorübergehend getrübt, aber nie ernftlich erfchüttert werden
konnte. Erſt der Tod bat es gelöfl, denn troß feiner epoche⸗
machenden politifhen Bedeutung war es urfprünglid) und feinem
Weſen nad) ſtets ein perfönliches und wurzelte als ſolches in
ibeal fittlihen Momenten. Wenn Ranke einmal von Richelieu
bemerkt hat, feine Bedeutung für die Entwidelung bes König—
tums liege darin, daß er den kirchlichen Eifer des Kardinals
auf die Vertretung desfelben übertragen habe, jo kann man
von Bismard jagen, zum Schöpfer eines vom Glanz ber
Raiferfrone umftrahlten neuen preußifchen Königtums, befjen
Verkörperung die Welt in feinem Herrn bewunberte, fei er
dadurch geworben, daß er den auf anderen Gebieten fo oft fo
herrlich bewährten Geift foldatifhen Gehorfams und nie ver=
fagender Bafallentreue, an ber es ein großer Teil feiner
Standesgenofien trog aller loyalen Phrafen voll rüdfichts-
loſer Selbfifuht in ben Jahren 1848—58 dem unglüdliden
König gegenüber fo fehr hatte fehlen lafjen, auf die Politik
übertrug und zu deren Grundlage machte. Nicht als kon—
ftitutioneler Minifter in der üblichen Bedeutung des Wortes
hatte er ihm bei dem Eintritt in die Regierung zu dienen
gelobt, fondern als Diener feine Befehle in legter Inftanz zu
384 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
befolgen, aud wenn fie feiner perſönlichen Auffafiung nicht
entſprechen follten, fondern mit dem Herz und dem Sinn eines
Soldaten. Ein Zug ebelfter mittelalterlicher Ritterlichkeit ging
darin durd feine Haltung, für die ihm nur das eine Gebot
galt, dem König als fein geborener brandenburgifcher Lehns⸗
mann flets getreu, Hold und gemwärtig zu fein. Und nie hat
ein Fürft, namentlih nie ein Hohenzoller (3b. 3, S. 109)
ſolche Treue jo erwibert und mit fo herzlihem und fo unwandel⸗
barem Danke gelohnt wie König Wilhelm. So haben fie erft
die ſchweren Jahre des Konflifts Schulter an Schulter, mit
Roon als britten im Bunde, durchgefochten und dann ben
Neubau Preußens und die Gründung des Reiches vollendet.
Diefen Ausgang zu hoffen oder aud nur bei feinen Fühnften
Kombinationen als möglich in Ausſicht zu nehmen, war damals
freilich feiner verwegen genug. Ihn zu ermöglichen, bedurfte
es einer Reihe von glüdlihen Fügungen, bie herbeizuführen
auch der genialfte und thatkräftigfte Staatsmann nicht vermag,
denen gegenüber er fi) vielmehr ſchon dann auf der Höhe
feiner Aufgabe befindet, wenn er fie alabald erkennt, feine im
allgemeinen umrifienen Pläne ihnen anzupafjen und fie fo ber
Verwirklihung derſelben dienftbar zu machen weiß.
Als Bismard im September 1862 als interimiftifcher
Minifterpräfident ohne Portefeuille die Leitung der Geſchäfte
übernahm, ftand für ihm nur zweierlei fe. Einmal galt es,
die dur die NReorganifation verboppelte Wehrkraft Preußens
zu erhalten und auf einer gejegliden Grundlage gegen jebe
Anfehtung fiher zu fielen. Da aber Preußen bei feinem
ſchmalen Ianggeftredten Leibe die Rüftung, beren Deutſchland
zu feiner Sicherheit bedurfte, unmögli auf die Dauer allein
tragen Eonnte, ihre Laft vielmehr auf alle Deutſchen gleichmäßig
verteilt werden mußte, galt es für ihm zweitens die baldige
Löfung der deutfchen Frage in diefem Sinne. Wieberholt ſchon
hatte er ber Weberzeugung Ausdruck gegeben, diefe Löfung
werde fi von felbft ergeben, fobald Preußen in Europa die
ihm gebührende Stellung gewonnen habe. Nicht in Deutſchland,
in den europäifchen Verhältnifien fuchte er den Punkt, wo
er ben Hebel einfegen könnte, um Defterreidh in Deutſchland
III. Der Konflikt. 385
aus den Angeln zu heben. Wo fich ihm die Gelegenheit dazu
bieten, welcher Art fie fein würde, ließ er offen, nur war er
entſchloſſen, fie fi nicht entgehen zu laſſen. In dieſem ſehr
allgemeinen, aber doch äußerft entwidelungsfähigen Programm
beſchloß fi die Summe feiner politifhen Erfahrung während
der letzten anderthalb Jahrzehnte. Yon den Gegnern, die in
ihm einen Tobfeind der Verfaffung und gelehrigen Schüler
Napoleons III. in der Kunft des Staatsftreihs witterten, ahnte
feiner, daß er mit ihnen eigentlich in ber wichtigſten Frage
der deutfchen Zukunft übereinftimmte. Bon all den Männern,
die feit dem Vereinigten Landtage im Vordertreffen bes politis
fen Kampfes geftanden, hatte Feiner fo viel gelernt, Teiner
unter Feſthaltung freilich der eigentümlihen Härte und Herb-
heit der Formen und des alten Feden, oft herausfordernden
Selbftvertrauens fi jo von Grund aus gewandelt wie Bismard.
Die aber, die fein Erſcheinen auf dem Kampfplatz jetzt zu
äußerfter Leidenſchaft reizte, fahen in ihm, ber vielmehr gelernt
hatte, daß in ber Politit Zorn und Haß ſchlechte Ratgeber
feien, no immer nur den unverbefierlihen Junker, der durch
Vernichtung der großen Stäbte dem verhaßten Bürgertum ben
Untergang zu bereiten gedacht, die Verleihung der Verfafjung
einer traurigen Selbftaufgabe des NKönigtums gleichgeachtet
und bie Führer der Liberalen als Sonntagsreiter verfpottet
hatte, bie das ftolze Schlachtroß Boruffia kläglich in den Sand
fegen werde. Sie wußten nicht, daß er vielmehr in dem Liberalen
Konftitutionalismus ein weit geringeres Uebel ſah als in dem
liberalen Abfolutismus, und deshalb auch gegen den Verfafjungs-
eid bes Königs nichts einzuwenden gehabt Hatte, auch nicht,
daß er im Ernft und nit, wie Leopold v. Gerlach meinte,
bloß aus Oppofition gegen Defterreih im Fall der Not bie
fetefte Stüge für Preußen in dem preußifhen Landtage er:
blidte.
Wie groß war daher das Erftaunen der Altliberalen, als
er zunächſt mit ihnen Fühlung fuchte und ihnen den Eintritt
in das neuzugeftaltende Minifterium anbot. Sie lehnten ab,
gebunden durch die Parteiboftrin, daß allein die zweijährige
Dienfizeit die NReorganifation dem Volke follte erträgli
Bruß, Preußiihe Seſchichte. IV.
386 FZünftes Bud. Die neue Aera und der Konflift.
machen fünnen. Danad; blieb Bismard freilich nichts übrig,
als den Rüdhalt, der ihm hier verweigert wurde, auf ber
entgegengefegten Seite zu ſuchen. Während er an bie neue
Aera anzuknüpfen gedacht hatte, mußte er auf das Miniiterium
Manteuffel zurüdgehen. Das Abgeordnetenhaus glaubte nicht
einmal an die Ehrlichkeit feiner erften verſöhnlichen Schritte,
das Herrenhaus aber, das nun feine Zeit gekommen meinte,
verſchlimmerte die Lage durch feinen Webereifer. Während
Bismard das Budget, das die Abjtriche des Abgeorbnetenhaufes
für die Regierung unannehmbar gemacht hatten, zurüdzog,
machte bag Herrenhaus es dennoch zum Gegenftand weiterer
Beratung und begnügte fi nicht mit der ihm verfafungs-
mäßig zuftehenden Verwerfung der ihm in dem anderen Haufe
gegebenen Faflung, fondern ftellteam 11. Oktober die Regierungs-
vorlage in der urfprünglien Faſſung wieder her; worauf das
Abgeordnetenhaus, das die Feititellung des Etats vor bem
1. Januar 1863 als unumgänglid nötig bezeichnet hatte,
diefen Beſchluß für null und nichtig erklärte. Unter fieber-
hafter Erregung erfolgte am 13. Oktober der Schluß bes Land-
tages. Dur den Mund Bismards erklärte die Regierung, fie
glaube ihre Pflicht gröblich zu verlegen, wenn fie gemäß ben
Beihlüffen des Abgeorbnetenhaufes die Reorganifaiton rüd-
gängig machen würde, halte fi vielmehr im Intereſſe ber
Staatswohlfahrt für verbunden, fie aufrecht zu erhalten,
und werde daher bie dazu nötigen Ausgaben leiften, ob:
gleih fie nicht verfaffungsmäßig bewilligt jeien: fie hoffe
fie auf Grund fpäterer Verftändigung nachträglich bewilligt zu
erhalten.
Nun galt e8 für Bismard, der nad dem formellen Rück—
tritt Hohenlohes bereits am 8. Oktober definitiv zum Minifter:
präfidenten und Minifter des Neußern ernannt worden war,
die Mitlämpfer zur Verteidigung ber fo gewählten Pofition
zu gewinnen. Daß er nicht, wie man ihm ſchuld gab, die
Verfaſſung befeitigen wollte, hätte weniger erregten Gegnern
feine Haltung in der kurheſſiſchen Frage zeigen müffen, bie
alten liberalen Wünfden zur Befriedigung und dem mit
Füßen getretenen Recht endlich zur Anerkennung verhalf.
1. Der Konflitt. 387
Was die lahme Aktion des Bundestages und bie größere
Energie Bernſtorffs nicht erreicht hatten, bewirkte jegt (24. No—
vember 1862) er vermöge der durch einen Feldjäger nad) Kaſſel
gerichteten Drohung, bei Fortbauer des Konflikts zwifhen dem
Nurfürften und den Ständen werde man mit ben Agnaten in
Verhandlung treten, das heißt die Abfegung des hartnädigen
Nechtsverweigerers einleiten müffen. Das wirkte: zum erften-
mal feit langen Jahren fam in Nurheilen verfafiungsmäßig
ein Stantshaushalt zu ftande. Konnte man wirklich annehmen,
der Mann, der das durchgeſetzt, werde in Preußen jelbft bie
Wege Haflenpflugs gehen? Der Anſchein freilich ſprach gegen
ihn, aber doch nur, weil er einmal bei der Verfahrenheit der
Parteiverhältniſſe feine Mitftreiter zunäcft in den Reihen ber
äußerften Rechten ſuchen mußte, und dann, weil dieſe äußerfte
Nechte, felbit umgewandelt, auch ihn noch für den Junker von
1847—48 hielt und als den Ritter Georg feierte, der den
Draden der Revolution befiegen fole, und nicht anders
dachte, als daß nad dem Zwiſchenſpiel der neuen Aera einfach
an das Minifterium Manteuffel angelnüpft und die Ent-
mwidelung Preußens wieder in deſſen Bahn gelenkt werben
ſollte.
Dieſe Hoffnung und jene Befürchtung ſteigerte die Art,
wie das neugeftaltete Minifterium die Reaktion nun vollends nad)
Manteuffelicher Methode betrieb. Hatte doch der neue Finanz:
minifter Karl v. Bodelſchwingh bereits Manteuffel zur Seite
geftanden. Itzenplitz vertaujhte das Portefeuille der Lands
wirtfchaft, das v. Selchow übernahm, mit dem bes Handels.
In der Leitung des Innern wurde v. Jagow erfegt durch Graf
Frig Eulenburg, neben Bismard und Roon ohne Frage den
bedeutendften Kopf im Minifterium, der zwar als diplomatifcher
Leiter der preußifchen Expedition nad) Oftafien für feine neue
Stellung eine entfprehende Schule nit durchgemacht Hatte,
aber durch Schärfe des Blicks, treffendes Urteil und Schlag:
fertigleit der Rede nicht bloß diefen Mangel ausglich, fondern
aud ergänzte, was ihm an Arbeitsluft und gelegentlich ſtaats—
männifhem Ernfte abging, dabei Bismard einigermaßen geiftes=
verwandt durch feine Leichtlebigkeit und mohlgemute Kampfes:
388 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
luft, vor allem aber durch die Fähigkeit, von den Verhältnifien
zu lernen und fi den mit ihrem Wandel gegebenen neuen
Aufgaben und höheren Zielen anzupaffen. Die Art, wie das
Minifterium nad) Auflöfung des Abgeordnetenhaufes gegen bie
der Oppofition angehörigen Beamten vorging und auch fonft
dur die bebenklihften Mittel günftige Wahlen zu erwirken
ſuchte, empfand die überwältigende Mehrheit des Bürgertums
als eine neue Herausforderung. Der Kampf wurbe immer er-
bitterter, zumal beide Teile über neuauftauchende nebenſächliche
Streitpunfte zeitweilig aus ben Augen verloren, worum es fi
eigentlich handelte. Gleich in der Adreßdebatte (27.—29. Ja:
nuar 1863) ftießen Minifterium und Mehrheit heftig zufammen.
Die ſchneidend ſcharf gefaßte Adreſſe anzunehmen, Iehnte
der König ab, indem er die Verantwortung für ben ein:
getretenen bebauerlih abnormen Zuftand dem Abgeorbneten-
hauſe zufchob.
Dazu kamen Bermidelungen in ber auswärtigen Politik.
Während die fchleswig-holfteinifhe Frage eine ernitere Geftalt
annahm und Defterreih mit den Mittelftanten fi anſchickte,
die innere Bedrängnis ber preußiſchen Regierung zur Löfung
auch der deutſchen Frage in einem Preußen feindlihen Sinn
zu benugen, drohte ein Aufftand in Polen, welcher die durch
die Bauernbefreiung im Innern Rußlands herbeigeführte Krifis
benugte, europäifche Berwidelungen Herbeizuführen. Die Weft-
mädte machten aus ihren Sympathien für die Rebellen kein
Hehl. Auch die öffentlihe Meinung in Preußen, wo das
liberale Bürgertum trog ber Erfahrungen von 1848 von feiner
Vorliebe für das deutſch-feindliche Polentum nod nicht ge:
heilt war, nahm entichieden für fie Partei: fie fah in ber
Konvention, die Bismard am 8. Februar 1863 dur ben
General v. Alvensleben mit Rußland zum Zwed gemein:
ſchaftlichen Handelns gegen den Aufitand ſchließen ließ, die
Erneuerung ber einftigen Dienftbarfeit Preußens gegenüber
dem Sarenreihe und entnahm daraus ein neues Argument
für die verfaſſungs- und freiheitsfeindlihen Abſichten des
Minifteriums. Die Mehrheit fah in den militärifhen Map-
nahmen an der ruffiigen Grenze einen Schergendienft, zu dem
III. Der Konflikt. 389
das preußiihe Heer mißbraudt wurde, und verlangte, ba
Bismard nähere Auskunft über den Inhalt der Konvention,
die übrigens nicht ratifiziert war, verweigerte, die Beobachtung
ftrengfter Neutralität. Ohne Kenntnis der diplomatiſchen Lage
überfah fie, daß Preußen des Rüdhalts an Rußland, den es
durch feine doch nur theoretiſche Parteinahme gegen bie Polen
gewann, bei feiner fonftigen Sfolierung nicht entbehren konnte.
Vergeblich aber fuchte der Zar den König durch einen perfön-
lien Appel zum Kriege mit fortzureißen, als Defterreih und
die Weſtmächte Rußland zu Konzeffionen an die befiegten Polen
nötigen wollten. Wie reich diefe Haltung Preußen bereinft von
Rußland vergolten werden follte, konnte freilich aud Bismard
damals noch nicht ahnen.
Unter folden Umftänden war jede Ausfiht auf Ber-
ftändigung über die Reorganifation bald entſchwunden. Das
von der Regierung vorgelegte Wehrgefeg hielt an ihr und der
dreijährigen Dienftzeit fe. Das Abgeordnetenhaus aber meinte
eine fernere budgetlofe Regierung unmöglich) zu machen, indem
es für unbemilligt geleiftete Ausgaben gegen alle bisher gelten-
den Eonftitutionelen Theorien die Minifter perjönlih und mit
ihrem Vermögen für haftbar erflärte. Seinen Höhepunkt aber
erreichte der Konflikt ſchließlich durch den Streit darüber, ob
aud die Minifter der Disziplinargemalt des Präfidenten des
Abgeorbnetenhaufes unterftänden oder jederzeit gehört werben
müßten und weder unterbrochen noch reftifiziert werben dürften.
In der Sigung vom 11. Mai gerieten Roon und ber Vize—
präfident Oberregierungsrat v. Bodum-Dolffs darüber fo heftig
aneinander, daß der legtere die Sigung unter wildem Tumulte
ſchloß, indem er ſich bededte. Da das Abgeordnetenhaus ben
vom Minifterium in diefer Frage eingenommenen Standpunft
nit gelten ließ und dem König auf fein entſchiedenes Ein»
treten dafür am 22. Mai in einer Abrefje erklärte, mit biefem
Minifterium fi zu verftändigen fei ihm nunmehr fein Mittel
gelaffen, wurde die Seffion am 27. Mai unter flürmifcher
Erregung des ganzes Landes gejchlofien, während der König
feinen Räten ausbrüdlic fein volles Einverftändnis und un—
veränbertes Vertrauen bezeugte. Den Boden ber Gejehlichfeit
390 Fünftes Bud. Die neue Wera und der Konflikt.
aber verließ die Regierung unfraglich, als fie unter Berufung
auf Artifel 63 der Verfaffung, nad dem die Regierung durch
die Sicherheit des Staates gebotene Verordnungen auch in
Abwefenheit der Kammern mit vorläufiger geſetzlicher Kraft
erlaffen kann, am 1. Juni verfügte, die Verwaltungsbehörden
follten Zeitungen ihrer heftigen Sprache wegen nad) zweimaliger
Verwarnung unterbrüden dürfen. Diefer verfaflungswidrige
Verfuh, die öffentlihe Meinung mundtot zu maden, ſchien
verhängnisvoll werben zu follen. Denn einmal wurden nun
auch die Befonnenften und Gemäßigtfien mit banger Sorge
vor weiteren leidenſchaftlichen Entſchließungen der Regierung
erfüllt. Allgemein verfah man fi von ihr der übelften Dinge:
es hieß, das Verfammlungs- und Vereinsrecht ſolle aufgehoben,
jeber oppofitionelle Beamte nad) vierundzwanzigftündiger Kün-
digung abgejegt werben können. Bor allem aber ſchien der
Konflikt nun fogar den Frieden des königlichen Haufes zu ges
fährben. Auf einer militärifchen Infpektionsreife in Weftpreußen
begriffen, erklärte fih der Kronprinz wohl unter engliſchem
Einfluß und um nit durch als Zuſtimmung gebeutetes
Schweigen an Popularität zu verlieren, öffentlich gegen die ohne
fein Wiffen entftandene Preßverordnung. Des Königs Ent:
rüftung darüber war begreiflih. Doch gelang es Bismard,
ihn zu befhwichtigen und durch den Sohn, ber die Gelegenheit
des dur dieſen Zwifhenfal veranlaßten Schriftwechſels bes
nugte, um, wohl aud) nicht ganz allein aus ſich ſelbſt, fondern
unbewußt von ber um feine engliihe Gemahlin gefammelten
liberalifierenden Fronde als Sprachrohr gebraudt, feine prin⸗
sipielle Gegnerfchaft gegen Bismards Syſtem in einem Proteft
vom 30. Juni mit ſchneidender Schärfe zum Ausdrud zu bringen
und fogar den Verzicht auf alle feine Aemter und den Rüd-
tritt in das Privatleben anbot, zu beruhigen und verföhnlich
zu ftimmen. Natürlich blieben biefe Vorgänge nicht geheim,
zumal ein im ®erfolg berfelben an den König gerichtetes
Schreiben des Kronprinzen durch englifhe Vermittler den Weg
in die Preſſe fand. Wenn aber die gefürchteten weiteren Ges
waltmaßregeln wider Erwarten unterblieben, jo ſchrieb man
das dem tiefen Eindrud zu, den bes Thronerben Auftreten
II. Der Konflikt. 391
doch am maßgebender Stelle gemacht hatte. Trotzdem griffen
immer weitere Kreife mit feharfen Demonftrationen gegen bie
Regierung in ben politiſchen Parteilampf ein, Magiftrate,
Stabtverorbnete, Wahlmänner: und Urwählerverfammlungen
und das nit felten willfürlihe und felbft geſetzwidrige Ein:
ſchreiten der Verwaltungsbehörben dagegen reiste und er«
bitterte nur immer mehr, und aud die Art, wie die Maflen
die Führer der Oppofition feierten, zeigte gelegentlih, daß
die Leidenſchaft des Kampfes mit ber politifden Moral
auch das ftaatlihe Pflihtgefühl zu untergraben anfing. Das
Band, das Wolf und Dynaftie einte, ſchien bereits ernft:
lich gelodert. Für die beutfhe Politik Bismards aber, bie
eben damals in der Abwehr ber öſterreichiſchen Reform»
pläne ſich au entfalten begann, hatte man nur Hohn und
Spott. .
In der Meinung, darin Wandel zu ſchaffen und von
da aus auch der inneren Schwierigkeiten Herr werben zu
tönnen, löfte Bismard am 2. September das Abgeorbneten-
haus auf. Die Neuwahlen aber, jo rüdfichtslos Graf Eulen:
burg zu gunften ber Regierung auf fie einwirkte, änderten an
der Lage nichts. Vergeblich bot Bismard aud die von
Ferdinand Laſſalle zur Vertretung ihrer Standesinterefien
organifierten Arbeiter gegen das fortſchrittliche Bürgertum
auf, während er deſſen namentlich dem Richterftand angehörige
Vorkämpfer aus der Volfövertretung zu befeitigen ſuchte, indem
er fie dur den Juftigminifter v. d. Lippe zur Tragung ber
Koften für ihre Stellvertrerung heranziehen lieb. Maßregelungen,
Strafverfegungen und Chifanen aller Art gegen die Männer
der Oppofition waren an der Tagesordnung wie nur je unter
Manteuffel. So folgte der Eröffnung ber Kammern, von
denen das Abgeordnetenhaus nur 37 Anhänger der Regierung
zählte, am 9. November troß des in ber Thronrebe ausge:
fprodenen Wunſches nad; Verftändigung fofort die Erneuerung
der alten ausfihtslofen Kämpfe. Nur die Prefverorbnung
freilich mußte nun aufgehoben werden. Bismards Abficht
aber, mit Hilfe der wieder in Fluß kommenden fchleswig-
holſteiniſchen Frage Preußens europäiſche Stellung zu fidern
392 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflitt.
I
und dadurch ihm in Deutſchland fein Recht zu verfhaffen, fand
Bismard nah wie vor Feinen Glauben. Es blieb ihm nicht
eripart, wie die Waffnung Preußens zu künftiger Größe, fo
auch die fie zu ſchaffen beftimmte nationale Politik in ihrem
erften und grundlegenden Stabium in offenem Kampf gegen
fein eigenes Volk durchzuführen.
IV. Die Xöfung der deuffchen Frage.
18641866.
Bisper mit padend dramatiſcher Lebendigkeit gefteigert,
ſchien der Konflift Ende 1863 auf einem toten Punkt an-
gelangt, den frieblih zu überwinden kaum gehofft werben
fonnte. Schwer laftete diefe Sorge auf bem Lande. Die
Vorkämpfer des verfaffungsmäßigen Rechtes verzweifelten faft
an einem Grfolge, nachdem bisher alle gejegmäßigen Mittel
verfagt hatten. Für die Regierung war jeder Monat, den
fie fi behauptete, ein Gewinn, da bie Zahl derer wuchs,
welde die neue Orbnung ala etwas Gegebenes hinnahmen
und um ihrer Ruhe und ihres Vorteil willen ſich auch ferner
gefallen zu laflen bereit waren. Das Wort, bas in ber
ſtürmiſchen Adreßdebatte des Januar 1863, eine Aeußerung
Bismarda gefliffentlih umbeutend, Graf Schwerin als an—
gebliche Devife diefes Minifteriums proflamiert hatte, „Gewalt
geht vor Recht“, ſchien ſich zu bewahrheiten und das Fundament
des neuen preußifhen Staatsrechtes zu werden. Mit ber
Maßregelung ber Beamten unter ben oppofitionellen Abgeorb-
neten und in ben hinter ihnen ftehenden Wahlkörpern fuhren
Eulenburg, Lippe und Mübhler fort. Bockum⸗Dolffs, der die
Disziplinarbefugniffe des Präfiviums im Abgeorbnetenhaus auch
den Miniftern gegenüber verfodhten hatte (S. 389), wurde im
Intereſſe des Dienftes zur Strafe nah Gumbinnen verfegt. In
Königsberg wurde ber Kliniker Profefjor Möller vom Amte ent-
fernt. Liberale Juftizbeamte wurden dauernd übergangen und
dur die Verurteilung zum Erſatz der Koften für ihre Stell-
vertretung an den Staat (S. 391) wirtſchaftlich geſchädigt.
Nichtbeftätigungen Liberaler in kommunalen Aemtern waren an
der Tagesordnung. Magiftratsfollegien, die fih im Sinne der
394 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt.
Kammermehrheit äußerten, wurden aller Gunft und Gnade aus-
drücklich für verluftig erflärt. Andererjeits fehlte es natürlich
nit an folden, die unter Schmähungen der Oppofition ihre
unverbrüdhlihe Königstreue in Loyalitätsadrefien und Depu:
tationen zu erkennen gaben — ein Treiben, das, duch den
über das Land verzweigten Preußenverein förmlich organifiert,
dazu beitrug, dem König die wahre Lage zu verbergen und
fein Urteil über Beweggründe und Ziele der Oppofition un-
heilvoll zu befangen.
Dennod hat unter dem Konflikt niemand ſchwerer gelitten
als gerade der König. So wenig ihm auch ſelbſt während des
erbitterten Kampfes ber Gedanke an ben Bruch der Verfafjung
gefommen ift, jo unbebingt hielt er ſich angefichts der angeb-
lichen Lüde (S. 377) in der Verfafiung für verpflichtet, bie
durch die NReorganifation gefteigerte Wehrfraft Preußens uns
gemindert zu erhalten. Wohl rang er gelegentlich in ſchweren
Zweifeln und wollte verzagen, fand aber immer den Mut zum
Ausharren wieder und tröftete fi im lichten Stunden ber
erhebenben Zuverficht, fein Wolf werde ihm bereinft recht geben
und danfen. An feiner Treue zweifelte er nicht, ſondern gab
alles feiner Srreleitung durch die oppofitionelle Agitation
ſchuld. Da er fo in den gewählten Abgeoroneten nicht die
Vertreter der Vollsmeinung jah, lebte er fi) allmählich in bie
Anfhauung hinein, das Parlament wolle ihm das Heer ent:
ziehen, um ſelbſt darüber zu verfügen. Darin beruhte die
Hoffnung des Heinen Häufleins der Ultrarealtionäre, er werde
ſchließlich doch noch die Verfafiung zu befeitigen ober zu ändern
beftimmt werben können.
Bismard war auch von diefer irrigen Auffaſſung frei.
Mochte einigen feiner Kollegen bie Reaktion Selbitzwed fein:
ihm war fie nur das Mittel, deſſen er fi, weil ale anderen
verfagten, notgebrungen bedienen mußte, um im entjcheidenden
Augenblide die ihm in allgemeinen Umriſſen vorſchwebenden
Pläne verwirklichen zu Fönnen. Die Gegner außerhalb Preußens
arbeiteten ihm dabei unbewußt in die Hand. Denn der Konflikt
machte nad) ihrer Meinung Preußen unfähig, ſowohl eine
Bundesreform in feinem Sinn durchzuſetzen, als aud eine
IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 395
jolde in ihm feindlicher Richtung zu hindern. Zudem hofiten
fie bei der Entrüftung der deutfchen Liberalen über die preußiſchen
Zuftände durch Wiederaufnahme diefer Beftrebungen deren
Sympathien zu gewinnen und ihren felbftfüchtigen Abſichten
dienſtbar zu maden.
Schwerer als die Belämpfung diefer allzu durchſichtigen
Politik Defterreihe und der Mittelftaaten mußte es Bismard
werden, den König aus dem Bann feiner altererbten An:
ſchauungen zu löfen und zur Verfolgung eines Weges zu ver:
mögen, ber ihm ben Bruch mit all dem zumutete, was ihm
von Jugend auf als politifches Dogma und unverrüdbare
Baſis der preußifchen Politik gegolten hatte. Hat er fih in
dem Kampf um die Löfung der deutſchen Frage als einen der
größten Diplomaten aller Zeiten gezeigt: faft größer noch er:
ſcheint Bismarcks Menſchenkenntnis und die ebenfo feinfühlige
wie energifche Art, wie er den König allmählich für feine
Politik gewann. Es gelang ihm nur, weil bei dem König ber
Abneigung gegen einen Brud; mit der politifhen und Familien-
tradition fein Ehrgefühl die Wage hielt, deſſen Empfindlichkeit,
um mit Bismard zu reden, ebenfo fehr im preußifchen Portepee
wie in dem monarchiſchen Bemußtjein lag, fo daß er, hatte er
fi unter feinem Einfluß einmal zu ihm ſchwer ankommenden
Entſchlüſſen gezwungen gefehen, an ihnen feithielt und den
darauf Weiterbauenden unter feinen Umftänden im Stich ließ.
Auch wenn fein eigenes ausbrüdliches Zeugnis dafür
nicht vorläge, würde eine unbefangene Erwägung der Ver
bältniffe zu der Annahme berechtigen, Bismard habe für die
Löfung der deutſchen Frage doch nicht gleih die eine Formel
in Bereitſchaft gehalten, nad) der fie jchließlich erfolgte. Doch
ſchließt das natürlich nicht aus, daß er, war das urfprünglich
näher geftedte Ziel mit ben bereit gehaltenen milberen Mitteln
nit erreihbar, die Gewaltkur von Blut und Eifen anzus
wenden ſchon damals erwog. Auch hat feine deutſche Politik
bis zu der Krifis von 1864 im wefentlihen doch die Richtung
verfolgt, die ihr — nicht eben zur Freude des bisherigen Bundes»
tagsgefandten — 1859 ber Prinzregent gegeben und Schleinig
und Bernftorff beibehalten hatten. Während in den Tagen von
396 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt.
Olmütz und Dresden Schwarzenberg den erneuten beutjchen
Bund unter der öfterreihifhen Präſidialmacht dem Kaiſerſtaat
hatte bienftbar machen wollen, um bas Gewicht des jo ges
ſchaffenen mitteleuropäifchen Siebzigmillionenreiches für bie
Interefien bes Haufes Habsburg einzufegen, hatte man preußi⸗
ſcherſeits, nachdem die günftige Gelegenheit bes italieniſchen
Krieges unbenugt geblieben war, das ſchon von Hardenberg
vertretene dualiſtiſche Syſtem (S. 98) verwirklien wollen
und wäre zufrieden gemwefen, hätte man in ber Leitung des
Bundes gleichberechtigt neben Defterreich treten Fönnen. Auch
Bismard hat zunächft nicht mehr gefordert. Nur ſchlug er in
der Vertretung dieſes maßvollen Verlangens einen anderen
Ton an und zeigte mit ber ihm eigenen Offenheit den Gegnern,
was fie, gaben fie nicht gütlih nad, zu gewärtigen hatten.
Defterreih aus Deutſchland zu verdrängen und deſſen Leitung
für Preußen allein zu erzwingen, war damals noch nicht das
von ihm ins Auge gefaßte Ziel. Vielmehr dachte er die für
Preußen unerläßlihe Bundesreform in Gemeinfchaft mit Defter=
reich durchzuführen. Denn er hielt die enge Allianz ber beiden
deutſchen Großmädte und die fefte Anlehnung bes deutſchen
Bundes an fie für geboten durch die Interefien aller drei und
für den ſicherſten Schutz Deutſchlands gegen Einmifhung von
Dften oder Weften. Daß dieſes Programm unausführbar
wurde, verſchuldete Defterreichs verblenbete Politik, die Preußens
innere Schwierigfeiten benugen wollte, um es im Bunbe mit den
Mittelftaaten endgültig von der Stellung an der Spige Deutfch-
lands auszuſchließen.
Bereits im Juli 1862 Hatten in Wien, ohne Zuziehung
Preußens, Beratungen ber Art ftattgefunden, aber nur ergeben,
daß die in Ausficht genommene Volfsvertretung beim Bundes⸗
tage zu ſchaffen ohne Preußen unmöglich ſei. Um jebod zu
zeigen, daß man es ernjt meine, ſchlug man die Errichtung
eines Bundesgerichts und Berufung einer Delegiertenfonferenz
zur Vorberatung eines einheitlihen Zivil: und Obligationens
rechts vor. Preußen lehnte nicht nur jede Mitwirkung dabei
ab, jondern erklärte au, daß es prinzipiell gegen jede Er»
weiterung der Befugnifie des Bundes fei. So geihah zunähft
IV. Die Löfung der beutfchen Frage. 397
nichts: die Bundesreform ſchien auf einem toten Punkte an-
gelangt zu fein, als die Uebernahme bes auswärtigen Mini-
fteriums durch Bismard fie gegen Ende bes Jahres 1862
wieber in Fluß brachte.
Ausgerüftet mit dem Schatz feiner Frankfurter Erfahrungen
und entſchloſſen, fie endlich praktifch zu verwerten, brachte er
eine zunächft auch noch beſcheidene Forderung in einem Ton vor,
der ſchon jegt viel weitergehende Abfichten bei ihm vermuten
laſſen konnte. Namentlih eine Unterredung, die er am
4. Dezember 1862 mit dem öſterreichiſchen Gefandten Grafen
Karolyi hatte, war darauf berechnet, den ihm von Frankfurt
ber befreundeten und Preußen nicht geradezu feindlichen öfter:
reichiſchen Minifter Grafen Rechberg einzufhüchtern durch ben
Hinweis auf das, was, wurde Preußen nicht befriedigt, von
ihm zu gemärtigen fei. Er erklärte, in dem gegenwärtigen
Zuſtande könne das Verhältnis Deſterreichs und Preußens niit
bleiben; könne es nicht gebefjert werden, wozu er die Hand
zu bieten bereit fei, fo müfle es ſchlechter werden, und wenn
& barüber zum Bruch käme. Dann aber werde Preußen ohne
Rüdfiht auf den Bund und feine angeblihen Verpflichtungen
gegen diefen allein ala europäiſche Großmacht handeln und
feinen Vorteil gegen Oeſterreich unbenugt laſſen, alfo auch bei
der Wieberfehr der Lage von 1859 nicht neutral bleiben.
Defterreih müffe aufhören, in Hannover und Kurheſſen gegen
Preußen zu begen: es möge feinen Schwerpunkt nad) Ofen
verlegen und die Leitung Deutſchlands Preußen überlaflen —
ein Rat, der in Wien ganz befonders erbitterte, während doch
ſchon Prinz Eugen von Savoyen, feinerzeit als Schußgeift
des Haufes Defterreih gepriefen, bargethan hatte, nad) dem
einftigen Verluft der Niederlande ſei Ungarn berufen, das
Hauptland der Monarchie zu werden, und es nahmals ja au
thatfächlich fo gefommen if. In Frankfurt bringe man Preußen
um den gebührenden Einfluß und ſchiebe feinen Widerſpruch
als gleichgültig beifeite: gehe das fo fort, jo werde es ben
Bunbesvertrag als gebroden anſehen, feinen Gefandten ab»
berufen und bie Wirkſamkeit des Bundes in feinem vollen
Umfang nicht mehr anerkennen.
398 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflitt.
Aber noch größere Ueberraſchungen ftanden ben öfter:
reihifhen Staatsmännern bevor. Bei der Abftimmung über
das Delegiertenprojekt entwidelte am 22. Januar 1863 Preußens
Gefandter v. Sydow in feinem ablehnenden Botum das preußifche
Programm für die Bundesreform. Cs verlangte die Schaffung
einer aus bireften Wahlen heroorgehenden Volksvertretung
beim Bunde mit dem Recht zur Truppen» und Geldbewilligung
und ausgedehnter Mitwirkung bei der Gefeggebung. Bismard
trat damit zu allgemeinem Erftaunen die Erbſchaft des Frank—
furter Parlaments an und nahm aus deſſen Verfaſſungswerk
gerade den Punkt in das preußifche Programm ber Bundes⸗
reform auf, um beijentwillen basfelbe von Friedrich Wil-
heim IV. als revolutionär zurüdgewiejen war, nicht als ob er
von ber Unübertrefflichfeit des allgemeinen und direkten Wahl-
rechts überzeugt gemwefen wäre. Mag er damals aud feine
politiſch erziehlihe und anfeuernde Wirkung auf die gebildeten
und befigenden Klaſſen höher eingeihägt haben, ala fie ſich
nachher erwieſen Hat: für ihn handelte es ſich zunächſt nur
darum, den Gegnern einen Trumpf aus ber Hand zu nehmen,
mit dem fie fonft ſpäter ihn überftehen fonnten. Daß er,
wie er fih nachmals den Anſchein gegeben, nur an ein
Proviforium gedacht habe, das bei erfter Gelegenheit fallen
jollte, ift wenig wahrſcheinlich. Vielmehr wollte er alle bie
Deutſchen, die in der Reichsverfaſſung von 1849 nod immer
das Palladium ber deutfhen Zukunft fahen, an bie Fahnen
Preußens fejleln.
Der Eindrud war bei Freund und Feind ein wahrhaft
verblüffender, zumal Preußen obenein in der Abflimmung
über das Delegiertenprojeft einen unverhofiten Sieg davontrug.
Am 22. Januar 1863 wurde diefes, da Kurheſſen von Defter«
reich abfiel und Naſſau fih der Stimme enthielt, mit neun
gegen fieben Stimmen verworfen. Zugleid erläuterte eine
Note Bismards vom 24. Januar feine Unterredung mit
Karolyi in einer Weile, die an dem Ernfte feiner Abfichten
kaum noch Zweifel ließ. Cindringlicher waren Defterreich feine
Sünden gegen Deutichland und fein Unrecht gegen Preußen
niemals vorgehalten worden. Wenn Bismard aber geglaubt
IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 399
hatte, dadurch feine auf Gleichberechtigung Preußens mit
Defterreich gerichteten bualiftifden Pläne in Wien zu empfehlen,
fo gelang ihm das nicht einmal bei dem verföhnliheren Rech:
berg: vielmehr glaubte man dort in ben leitenden Kreifen die
Zeit zur Gewinnung der Vorherrſchaft für Defterreih allein
gelommen.
Namentlich vertrat Schmerling dieſe Politif. Die Herren
hielten Bismarda Sprache wohl für Rodomontaden: hatte doch
dem von ihm gelegentlich bereits in Frankfurt angeſchlagenen
ähnlichen Ton die Haltung feiner Regierung nicht entſprochen.
Auch hielten fie es für ausgeſchloſſen, daß der König, fo groß
Bismards Einfluß auf ihn war, eine Politik zulajien könnte,
die mit allen für ihn bisher maßgebenden Traditionen brach).
Auf ihn perſönlich war daher auch die Aktion berechnet, durch
die Defterreih Preußen gleichſam überrennen follte. Als Ueber
bringer eines von Schmerling ausgearbeiteten Projekts zur
Reform des Bundes im großdeutihem Sinn eridien am
2. Auguft Kaiſer Franz Jofeph felbft bei dem zur Kur in
Gaftein verweilenden Könige und lud ihn nad) Frankfurt ein,
um basfelbe mit ben deutſchen Fürften zu beraten und end-
gültig zu formulieren. Die Ablehnung des Königs fiel nicht
fo entſchieden aus, wie Bismard wünſchte und durchgeſetzt
haben würde, hätte er feinen Herrn auf eine ſolche Wendung
vorbereiten können. Daher verſuchten die feit dem 17. Auguft
in Sranffurt unter Franz Joſephs Vorfig verfammelten Fürften
nochmals benfelben umzuftimmen. Am 19. Auguſt erſchien bei
ihm in Baden der von ihm beſonders verehrte König Johann
von Sachſen mit einer neuen dringenden Einladung. Sie
machte auf den König tiefen Eindrud: es ſchmeichelte ihm,
daß dreißig regierende Herren fi) durch einen König als ihren
Kurier an ihn wandten. In aufwallendem Gefühl wollte er
zufagen, und Bismard mußte mit eindringlicer Beredſamkeit
feine ganze politiſche und perſönliche Autorität einjegen, um
ihm über dieſe Anwandlung der Schwäche hinwegzuhelfen. Es
war einer von ben Augenbliden, wo die Wege beider Männer
beinahe auseinanbergegangen wären, fo daß Bismard alle bie
in der Tiefe feines ftarfen Herzens gehegten Entwürfe gefceitert
400 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
gejehen hätte. In einem ihm felbft aufs tieffte erfchiitternden
Ringen beſchwor er diefe Gefahr. Und auch, jegt verfolgte ver
König die nad anfänglihem Sträuben eingefchlagene Bahn
entſchloſſen weiter. Als er wenige Tage fpäter nah Berlin
zurüdreifte, ohne Frankfurt zu berühren, war das Schidfal
des Fürftentages und der Schmerlingichen Bundesreform be—
fiegelt. So groß biefer Erfolg Bismards war: er blieb doch
bereit, auf der von ihm bezeichneten Grundlage ſich mit
Oeſterreich gütlich zu verftändigen, wollte fogar nach Ablehnung
der zu Frankfurt formulierten Vorſchläge die Reformfrage auf
Minifterlonferenzen erörtern laffen, vorausgefegt, daß Preußen
prinzipiell ein Veto gegen einen Kriegsbeſchluß bes Bundes⸗
tages zugeftanden, die Delegiertenverfammlung burd ein aus
diretten Wahlen hervorgehendes Parlament erjegt und im
Vorſitz zwiſchen den beiden Großmächten regelmäßig gewechſelt
würde. Für diefe Pläne ber preußiſchen Politif Unterftügung
zu gewinnen und von ba aus auch ben Konflikt zu begleichen,
Töfte er den Landtag am 2. September auf: bie Neuwahlen
ergaben bie Verwerfung feiner deutſchen Politik und bie
Fortdauer des Konflikte. Man glaubte nit an den Ernft
feines Entſchuſſes, Preußen in Deutihland unter allen Ums
ftänden zu der ihm gebührenden Stellung zu verhelfen, und
überfah, daß die wachſende Verfeindung mit Defterreih ihm
die Erhaltung der Verfaſſung auch aus Gründen der äußeren
Politik notwendig machte, während umgelehrt ein Einver-
ftändnis mit Defterreih und dem Bundestage die Möglichkeit
geboten hätte, fie mit beider Hilfe in ähnlicher Weife zu
teformieren, wie in Hannover und Heflen geſchehen war.
So war e8 wirklich eine glüdfihe Fügung, daß ber Tod
Friedrich III. von Dänemark am 15. November 1863 Bismard
die Möglichkeit gab, die als Mittel deutſch-nationaler Agitation
befonders brauchbare fchleswig-holfteinishe Frage zu benugen,
um bie Identität ber Intereſſen Deutſchlands mit denen
Preußens und die Unentbehrlicfeit des neugeſchliffenen preußi«
ſchen Schwertes aud dem blöbeften Auge barzuthun. Der
Verftorbene hatte nicht nur die Verpflichtungen unerfült ge:
lafien, die ihm das Londoner Protokoll von 1852 gegen Holftein
IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 401
auferlegt hatte, ſondern den allmählich dringlicheren Mahnungen
des Bundestages zulegt förmlich Hohn geboten, indem er unter
dem 13. November eine dem eiderbänifchen Programm ent⸗
ſprechende Verfaſſung fertigftellte und auf Grund berjelben bie
Einverleibung Schleswig vorbereitete. So war feiner ber
Bedingungen genügt, von benen das Londoner Protokoll die
Nachfolge des in Dänemark erbberechtigten Chriftian IX. auch
in ben Herzogtümern abhängig gemacht hatte. Ohne Englands
und Rußlands Intereſſe an feiner Erhaltung wäre dasſelbe jegt
Hinfällig gewefen. Deshalb verweigerten bie Herzogtümer dem
neuen Dänenkönig die Anerkennung. Auch Herzog Friedrich
von Auguftenburg proteflierte. Obgleich er gegen den um Gelb
geleifteten Verzicht feines Vaters erft fieben Jahre nad; dem
Abſchluß Verwahrung eingelegt hatte, erſchien er jegt wie bie
Verkörperung ber Rechte der Herzogtümer ſowohl wie Deutfch:
lands und wurde dadurch vorübergehend zu unverbienter Be:
beutung erhoben. Diefer verwidelten Lage war Bismard ent:
ſchloſſen, für Preußen den größtmöglichen Vorteil abzugewinnen:
konnten die Herzogtümer nit an Preußen gebracht werben,
fo follten doch ihre militäriihen und maritimen Hilfsmittel
dieſem dienſtbar gemacht, und ging aud) das nicht, jedenfalls
die alten deutſchen Lande gegen wiberrechtliche Vergewaltigung
gefihert und ihre Rechte endlich zur Anerkennung gebracht
werben. Einen befiimmten Plan aber, nad dem bie Dinge
etwa jo hätten geführt werben follen, wie fie nachher that-
ſächlich gingen, hatte er noch nit. Es war nicht dieſes großen
Realpolitikers Art, die Entwidelung, deren Gang ſich nicht
vorausfehen und nicht zum voraus beeinfluffen läßt, von vorn»
herein in eine beftimmte Richtung zwingen zu wollen und gegen»
über ber Fülle der Möglichkeiten fi auf eine beftimmte zu
verfteifen. Man verfennt das Wefen feiner Politik, bie ihre
Erfolge ihrer Beweglichkeit und Anpaffungsfähigfeit verbankte,
wenn man meint, ſchon bamals habe er die Geftaltung bes
Verhältnifies zu Defterreih genau jo geplant, wie fie nad:
ber erzwungen werben mußte. Vielmehr hielt er noch an
feinen bualiftifchen Plänen feſt: er hoffte bie Herzogtümer
mit Zufimmung Defterreihs für Preußen zu gewinnen,
Prug, Preußifge Geſchichte. IV. 26
402 Fünfte Bud. Die neue Aera und ber Konflikt,
indem biefes gegen jenes Verpflichtungen einging, bie ihm eine
folge Vergrößerung Preußens nicht bloß erträglich, fondern
vorteilhaft erfcheinen ließen. Jene andere Auffaffung dichtet
Bismards Politit einen machiavelliftifhen Zug an, ber ihr
nicht eigen war und befien Fehlen eben ihre Größe ausmadit.
Da die vorzeitige Losfagung von dem Londoner Protokoll,
das zwar vom Deutſchen Bund als foldem nicht anerkannt
war, internationale Verwidelungen herbeiführen konnte, hielt
Bismard es zunächſt als Rechtsboben feft, fehr gegen die öffent-
liche Meinung, welche dadurch die Auguftenburgifchen Ausfichten
gemindert ſah. Denn nichts lag ihm ferner ala die deutſche
Zerriſſenheit zu fteigern, indem er gerade in einem für ganz
Deutſchland beſonders wichtigen Gebiete einen neuen Kleinftaat
entftehen ließ, ber ebenfo wie bie älteren doch nur beftrebt fein
würde, die Schaffung einer ſtarken Zentralgewalt zu hindern.
Daher verwarf er die zwar volfsbeliebten, aber im Ernftfalle
fiderlih wieder unwirkſamen Mittel, die 1848—50 biefelbe
Sache mehr geſchädigt als gefördert hatten, und mollte dieſe
gemeinſchaftlich mit Oeſterreich auf der Bafis der europäiſchen
Politik ordnen, ohne dem Bundestage und dem Ehrgeiz der
um die Volksgunſt werbenden Mitteljtaaten Einfluß darauf
zuzugeſtehen. Indem er aber ben Bund doch in zweiter Linie
und auf einem unverfänglicden Gebiete feinen Thatendrang
befriedigen ließ, hinberte er ihn, ihm entgegen zu fein, und
indem er mit Oeſterreich gemeinfam die Kauptarbeit that
und jo das Siebzigmillionenreih für dieſen beſonderen Fall
Eonftituierte, wandte er die Einmiſchung des Auslandes ab.
Auch war Rußland noch durch den polnifchen Aufftand beſchäftigt
und brauchte bort Preußens Wohlwollen. Frankreich konnte
nationalen Beftrebungen, wie fie das deutſche Volf in biefer
Sache verfolgte, nicht entgegentreten, ohne bie Baſis zu ges
fährden, auf die Napoleon III. feine europäifche Stellung ge-
gründet hatte. Allein aber konnte auch England nichts thun,
fo gern es die Herzogtümer von Deutſchland getrennt erhalten
hätte, ſchon um biejes nicht zur Seemacht werden zu laffen.
Dem Zufammenwirken biefer Momente entiprang ber ſcheinbar
fo verwidelte Gang der Tinge in ben nächſten Monaten als
IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 403
ein in Wahrheit einfacher und natürlicher: nicht Bismard hat
ihn verwegen erzwungen, fonbern ihm nur jeben möglichen
Vorteil abzugewinnen verftanden.
Obgleich zum Einlenken geneigt, verweigerte Chriflian IX.
doch unter dem Drud des nationalen Eifers feines Volkes jedes
Zugeftändnis. Auf Antrag der beiden Großmächte beſchloß
daher der Bundestag am 7. Dezember in Holſtein durch
6000 Hannoveraner und Sachſen die Erefution vollfireden zu
laſſen. Am 23. erfolgte der Einmarſch. Die Dänen zogen
fih in das Danewirk zurüd. Friedrich von Auguftenburg er-
ſchien im Lande und ergriff, von den Bundeskommiſſaren nicht
gehindert, von der Regierung Beſitz. Als aber Chriftian IX.
den Widerruf ber Schleswig inforporierenden Verfaſſung auch
dann noch verweigerte, beantragten Defterreih und Preußen
beim Bunde deſſen militärifche Pfandnahme. Es wurde ab»
gelehnt, denn bie Mittelftaaten, befonders Sachſen und Bayern,
iympathifierten mit dem Prätendenten, und ein für die Sache
beſtellter Ausſchuß, als deſſen Referent der Bayer v. d. Pforten
fungierte, erflärte den Bund für nicht verpflichtet durch das
ohnehin unausführbare Londoner Protofol. Man glaubte dort
weder an die Möglichkeit eines gemeinfamen Handelns ber
beiden Großmädte, noch an bie einer Fraftvollen Aktion des
durch den Konflikt innerlich zerriffenen Preußen. Vermeigerte
das Abgeordnetenhaus ber Regierung doch bie nachgeſuchte
Kriegsanleihe von zwölf Millionen Thalern.
Entſchloſſen, das zum Kriege nötige Geld zu nehmen, wo
er es fände, und fi) dur die mittelftaatlihe Oppofition
von dem eingefchlagenen Wege nicht abbringen zu laſſen, ſchloß
Bismard am 16. Januar 1864 mit Oeſterreich eine Punktation
über die Art, wie beide gemeinfam als europäifche Großmächte
die vom Bunde fallen gelafjene ſchleswigiſche Frage löfen wollten.
Als Chriftian IX. die zum Widerruf der Verfaflung vom
13. November geftellte kurze Frift verftreihen ließ, rüdten am
1. Februar 1864 ihre Truppen unter Wrangel in Schleswig
ein. Am 2. nahm Prinz Friedrich Karl von Preußen bie
Schanzen bei Miffunde: die Dänen gingen aus dem für un-
einnehmbar gehaltenen Danewirk in die Düppeler Schanzen
404 Fünftes Bud. Die neue Xera und der Konflikt,
zurüd. Während ber Net Schleswigs mühelos befegt wurde,
wurden biefe von Friedrich Karl belagert, und nachdem der
Verfuh, fie dur die Einnahme Alfens unhaltbar zu machen,
vom Wetter vereitelt war, am 18. April dur einen gleich
meifterhaft angelegten wie durchgeführten Sturm genommen.
Diefer Erfolg reizte die Thatenluft König Wilhelms: nit
ohne Mühe beftimmte ihn Bismard, auf den Einbruch in Züt-
land für jegt zu verzichten, da Defterreich ihn nicht mitmachen
wollte. Erſt als die Dänen, auf England und Rußland rechnend,
auch jegt nicht einlenkten, erfolgte er: am 28. April räumten
die Dänen Friebericia. Gleichzeitig aber trat auf Betreiben
Englands in London eine Konferenz zufammen, um einen
Frieden zu vermitteln. Sie endete natürlich ergebnislos. Zwar
wurde ein Waffenſtillſtand vereinbart, der, am 12. Mai be—
ginnend, nachher verlängert wurde. Da aber Dänemark auch
die von Bismard im Einverftändnis mit Oeſterreich und unter
Zuftimmung Frankreichs geforderte bloße Perfonalunion der
Herzogtumer ablehnte, wurde das Londoner Protokoll, an dem
bie beiden Großmächte bisher feftgehalten hatten, hinfällig und
ber Weg frei zur Losreißung ber alten deutſchen Lande von
dem fremden Staate.
Was weiter aus ihnen werben jollte, blieb zunädft eine
offene Frage, ebenfo wie die Abgrenzung gegen Dänemark und
die etwaige Belaſſung bes däniſch ſprechenden Nordſchleswig
bei dieſem. Doc war Bismard auch jetzt noch ehrlich um das
Einverſtändnis mit Oeſterreich bemüht und einigte ſich mit
Rechberg dahin, daß zunächſt die Einſetzung des Auguſten—
burgers in Ausſicht genommen werden ſollte, unter der Be—
dingung konſervativer Regierung und engen Anſchluſſes an
Preußen. Erſt wenn dieſe nicht gelang, ſollte die Nachfolge
des Großherzogs von Oldenburg und dann erſt die Einverleibung
in Preußen erwogen werden. Von erſterer wollte die Londoner
Konferenz nichts wiſſen, auch verhielt ſich der Prätendent ganz
im Fahrwaſſer der mittelſtaatlichen Politik, gegenüber den ihm
gemachten preußiſchen Anträgen entſchieden ablehnend. Preußen
und Oeſterreich hatten daher völlig freie Hand, als die Kon—
ferenz am 25. Juni fi auflöſte und ber verlängerte Waffen-
IV. Die Löfung ber deutſchen Frage. 405
ſtillſtand am 26. Juni ablief. Inzwiſchen war an ber Spige ber
Armee der eigenfinnige Wrangel, der mit Bismard ſowohl
wie mit Moltle, dem Chef des Generalftabes, haberte, durch
den Prinzen Friedrich Karl erjegt. In der Naht vom 28. zum
29. Juni ging Herwarth v. Bittenfeld nad) Alfen über und
bemãchtigte fi der Inſel. Defterreihifhe Schiffe, die ſchon
bei Helgoland ruhmreih mit däniſchen gefochten hatten,
vollendeten durch die Einnahme ber weftfriefifhen Infeln die
Befreiung ber Herzogtümer. Ohne Hoffnung auf fremde Hilfe
und zur Fortfegung des Kampfes unfähig, entſchloß ſich Däne:
marf nun zum Frieden. Auf Grund eines Präliminarvertrages
vom 1. Auguft fam am 30. Oktober der Wiener Friebe zum
Abſchluß, durch den Chriftian IX. feine Rechte auf Schleswig,
Holftein und Lauenburg den beiden verbündeten Monarchen
abtrat.
Für Bismard aber begann erft jegt der ſchwierigere Teil
der Arbeit. Zunächſt ftieß er mit feinen Plänen auf Wider:
ſpruch an entfcheidender Stelle. Im Bann ber feine nädjfte
Umgebung beherrſchenden engliſchen Auffafiung, wies der Kron-
prinz den Gebanfen an eine unter Umftänden ins Auge zu
faſſende Erwerbung ber Herzogtümer für Preußen felbft mit
fittlider Entrüftung zurüd und erging fi in bitteren Worten
über ſolche Hintergebanken, und auch der König dachte die Nach—
folge dem Erbprinzen von Auguftenburg zu. Auf Annahme
der für Preußen unerläßlihen Bedingungen durch diefen war
daher Feine Ausfiht. Vielmehr wurde er von den um bie
Vollagunft werbenden Mittelftanten gegen bie beiden Groß:
mächte gleihfam ausgefpielt und gewann an Bedeutung, je
mehr in Wien der Einfluß Schmerlings gegen den Rechbergs
übermog. König Wilhelm war über den einzuſchlagenden Weg
ſich noch nicht Mar, die möglichen erſchienen ihm alle mehr
ober weniger „bornenvoll”, und bei einer Befprehung, die er
im Auguft zu Schönbrunn mit Franz Joſeph hatte, ftellte er
Bismards offen befannte Abfiht zur Erwerbung ber Herzog-
tümer für Preußen das Bedenken entgegen, er habe ja gar
fein Recht darauf. Das bürfte die weitere Aktion Bismarda
wejentlih beitimmt haben. Um Preußens Stellung in dem
406 Fanftes Bug. Die neue Aera und der Konflikt.
befreiten Lande für jeden Fall zu fihern, Tieß er die preußiſchen
Truppen fi auch in Holftein einniften, das durchaus Auguften-
burgiſch dachte, erklärte dem Prätendenten, daß er, ohne bie
Verfügung über die Land» und Seeftreitkräfte der Herzogtümer
an Preußen zu überlaffen, nie dort regieren werde, und ver:
anlaßte eine Unterfuhung ber Rechtsfrage durch die Rronfynbici.
Sie ergab, daß alle Prätendenten, aud Oldenburg und Preußen,
nur auf einzelne Teile des Landes, nicht auf das ganze An:
ſpruch hätten, ber bes Auguftenburgers aber durch ben Verzicht
und die Annahme der Entfhädigung endgültig erlofchen fei.
Defterreihs Zuſtimmung zur Vereinigung der Lande mit
Preußen hoffte er doc noch zu gewinnen, dachte aber nicht
daran, fie etwa durch eine territoriale Kompenjation zu er=
taufen, fondern meinte ſchon bie zuverläffige Freundihaft
eines jo vergrößerten und in feiner europäifchen Stellung ver:
ſtärkten Preußen müſſe Defterreih im Hinblid auf Venetien
und feine gefpannten Beziehungen zu Rußland Kompenfation
genug fein. In Wien aber wuchs Schmerlings Einfluß und in
demfelben Maße bie Gefahr eines Bruches. Mit rüchaltlofer
Offenheit präzifierte Bismard die Stellung Preußens, indem
er gegenüber dem Eifer des Bundestages für den Auguften-
burger am 22. Februar 1865 als Mindeſtmaß der Rechte, die
Preußen in den Herzogtümern beanſpruchte, bie bereits dem
Prätendenten geftellten Bedingungen wiederholte. Die Bildung
eines halbfouveränen Staates aber, wie er damit in Ausficht
genommen wurde, erklärte Defterreidh für unvereinbar mit dem
Bundesreht, und am 6. April nahm der Bundestag feinen
Gegenantrag an, die Herzogtümer fofort und bedingungslos
dem Auguftenburger zu überantworten. Doch binderte Preußens
BWiderftand die Ausführung. Damit jtand man unmittelbar
vor dem Kriege, zumal Bismard die Auguftenburgifhen Um:
triebe in Holftein mit allen Mitteln zu hindern entſchloſſen
war. Dann aber meinte er auch gleich bie deutfche Frage
löſen zu müfjen. Im dualiſtiſchen Sinne fonnte das nun freilich
nicht mehr geſchehen, zumal wenn die Sübbeutjchen, wie zu
befürchten ftand, von dem Siege Defterreichs überzeugt, feine
Mahnung zur Neutralität nicht achteten. Ihm wäre gerade
IV. Die Löfung ber deutſchen Frage. 407
jegt, wo Gelbnot Defterreih zum Krieg unfähig machte, deſſen
Ausbruch willlommen gemefen. Durch immer neue Mebergriffe
ſchien er es zum Aeußerſten treiben zu wollen. Preußen war
gerüftet: die unter fChweren inneren Kämpfen behauptete Re—
organifation folte ihre Probe beftehen.
Ein Minifterrat, den der König auf der Reife nad) Gaftein
in Regensburg hielt, beichloß, jede weitere Hinderung von
feiten Defterreih mit den Waffen zurüdzumeifen. Da lenkte
diefes ein, und am 14. Auguft fam der Gafteiner Vertrag zu
ftande, eines ber merkwürbigften Abkommen, das je geſchloſſen
iſt. Indem er beftimmte, daß unbeſchadet der Rechte beider
Souveräne auf beide Herzogtümer die Verwaltung Schleswigs
an Preußen, die Holfteins an Defterreich gegeben, Kiel als
Bundeshafen einftweilen Preußen unterftellt, Rendsburg als
Bundesfeſtung von ben Defterreihern beſetzt, das Herzogtum
Lauenburg aber gegen zweieinhalb Millionen däniſcher Reichs:
thaler von Defterreih dem König von Preußen zu eigen über:
laſſen werben ſolle, feſſelte er Defterreih fo an die weitere
Aktion Preußens, daß es entweber auch ferner mit ihm gehen
ober ſich ihm gegenüber durch den Bruch dieſer Vereinbarungen
ins Unrecht fegen und ihm damit volle Freiheit des Handelns
geben mußte. Doc) hielt Bismard auch jet noch eine gütliche
Verftändigung nicht für ausgeſchloſſen und wünſchte deshalb
die Stelung Rechbergs durch handelspolitiſche Ronzeffionen zu
befeftigen. Gegen den von Preußen namens bes Zollvereins
mit Frankreich gefchlofienen Handelsvertrag vom 2. Auguft 1862,
der, auf dem Prinzip der Meiftbegünftigung beruhend, eine
neue freihänblerifche Aera verhieß, hatte nämlich Deſterreich
proteftiert als unvereinbar mit dem vom Bollverein mit ihm
eingegangenen Abkommen vom Februar 1853. Daß einige
Staaten dem beipflichteten und den Handelsvertrag mit Frank⸗
reich ablehnten, drohte die Erneuerung des 1865 ablaufenden
Zollvereins unmöglich zu machen, ba Preußen jede Nachgiebig:
feit ablehnte. Namentlich in Suddeutſchland drang man daher
auf eine Zolleinigung mit Defterreih: jegt zeigte Bismard ſich
zu Verhandlungen darüber bereit und fagte ſolche in Schön:
brunn zu, drang damit aber infolge bes Widerſpruches ber
408 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
techniſchen Räte im preußiſchen Handelsminifterium, nament-
lich Delbrüds, nicht durch. Das hatte Rechbergs Scheiden aus
dem Amte zur Folge, während ber Zollverein am 16. März 1865
erneut wurde.
Was Bismard im Dezember 1863 ihm als lockendes Biel
bingeftellt Hatte, wie jeder feiner Vorgänger Preußen durch
eine Gebietserwerbung zu vergrößern, ſah König Wilhelm zu
Gaftein durch die Meberlafjung Lauenburgs erreicht. Unter
diefem Eindrud erhob er den Minifter am 16. September zum
Grafen. Da aber in Wien die preußenfeindlice Richtung
Schmerlings fiegte, wurde ber Gafteiner Vertrag bald zur
Duelle neuen Streits und nad Auflöfung ber gemeinfamen
Regierung (15. September) ftanden die Preußen unter General
v. Manteuffel in Schleswig ben Defterreihern unter General
v. Gablenz in Holftein weniger als Verbündete denn als
tampfbereite Feinde gegenüber. Won ber Unhaltbarkeit diefes
Zuftandes durchdrungen, hätte man in Wien gern bie Hand
zu einem Ausgleich geboten, hätte Preußen für Holftein irgend
eine territoriale Kompenſation zu bieten gehabt — und wäre
es aud nur die Grafihaft Glag gewefen. Ein folder Handel
aber war für Preußen inbistutabel, während man in Wien
die von Bismard gebotene treue Bundesgenoſſenſchaft Preußens
als Aequivalent nicht gelten laſſen wollte. Auf außerdeutſche
Hilfe aber konnte man dort nicht reinen, feit Bismard im
Herbſt 1865 in Biarrig Napoleon III. für feine Pläne gewonnen
hatte, vielleicht zumeift dadurch, daß er die Erwartung bes
Raifers, Preußen werde ihm bafür eine die Empfindlichkeit
feiner Franzofen zu beſchwichtigen geeignete Rompenfation
bewilligen, nit ausbrüdlich als ausfihtslos abwies, fonbern
duch Schweigen fheinbar guthieß und erfüllen zu wollen
ſchien. Gleichzeitig leitete Bismard ein Bündnis mit bem
Königreih Jtalien ein, um durch einen Angriff auf Venetien
Defterreihs Kräfte zu teilen. Der Abſchluß eines Handela-
vertrages zwifchen dem Zollverein und Jtalien bewirkte endlich
bie von allen deutſchen Liberalen längft geforderte Anerkennung
bes neuen nationalen Königreichs im Süden der Alpen auch
von feiten ber zu Defterreich haltenden Mittelftaaten.
IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 409
Sweifel an dem guten Willen der Wiener Regierung
mußte vor allem bie Art erregen, wie fie in Holftein bie
Auguftenburgifche Agitation gegen Preußen begünftigte, um
ſich zugleich die Hilfe des Bundestages und die mittelftaat-
lien Sympathien zu fihern. Am 26. Januar 1866 brachte
Bismard dieſes Treiben in einer Note bei Rechbergs Nad-
folger Mensdorff-⸗Pouilly zur Sprache und verlangte als Pfand
der Vertragstreue Deſterreichs Abhilfe. Die Antwort lautete
ausweichend und verbat fi jede Einmiſchung Preußens in
Holftein. Das war eigentlich bereits der Krieg. Aber mit dem
Nat, fofort loszuſchlagen, ſtieß Bismard, obgleih Moltke und
Manteuffel ihm beiftimmten, beim Könige noch auf Wider
ftand, den die Deſterreich freundliche Königin-Witwe Clifabeth
und der eifrig Auguftenburgifche kronprinzliche Hof nährten,
während Königin Augufta ebenfals für den Frieden eintrat,
da fie, ohne Glauben an Preußens Heer, von ben Kriege nur
ein neues Jena erwartete. Doch durften wenigſtens weitere
diplomatifche Schritte für den Fall des Krieges gethan werben.
Als Unterhändler des Bundniſſes mit Italien erſchien General
Govone in Berlin. Obgleih man an ber Unabhängigkeit
Viktor Emanuel feinem franzöfiihen Proteftor gegenüber und
damit an feiner Zuverläffigfeit zu zweifeln Grund hatte,
wurbe am 8. April der Vertrag unterzeichnet, der Italien für
den Fall des Bruches zwifchen Defterreih und Preußen zum
Kriege gegen erfteres verpflichtete und ihm dafür Venetien
verhieß, während für Deutfchland eine den Anfprüchen Preußens
entiprechende Reform des Bundes erzwungen werben follte.
So verknüpfte Bismard die Durhhauung bes unlösbaren
Rnotens in den Elbherzogtümern mit der Löſung der beutfchen
Frage. Dadurch ftelte er nicht ſowohl die Regierungen als
die Bevölkerungen zunächſt Norddeutſchlands vor eine Ent-
ſcheidung, die fie troß aller Auguftenburgifchen Eympathien
um ber eigenen Zulunft willen fait zwang, zu Preußen zu
halten. Seine dualiftiihen Pläne waren aufgegeben angefichts
der fteigenden Feindſchaft Deiterreihe. Schon am 16. März
hatte biefes unter Hinweis auf Preußens angebliche Rüftungen
Sadjen,k Bayern und Württemberg vertraulih ebenfalls zu
410 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt.
ſolchen aufgefordert. Nun wies VBismard in einem Rund:
ſchreiben vom 24. März die deutſchen Regierungen bin auf die
Bedrohung Preußens durch Defterreih, legte dar, wie gegen
ſolche Gefahren Preußen nur in Deutſchland ſelbſt Schug finden
könne, ben zu gewähren aber ber Bund in feiner bermaligen
Verfaſſung ungeeignet fei, und begründete bamit den Antrag
auf eine Reform besfelben durch Einberufung einer deutſchen
Volksvertretung. Unter Verfiherung ihrer friedlichen Abſichten
rüfteten beide Teile eifrig. Von Kriegaluft aber regte fi im
preußiſchen Volke nichts: nur die ftädtifchen Behörden der bei
Ausbruch des Krieges zunächſt bedrohten Hauptſtadt Schlefiens
erflärten in einer Adreſſe an den König ihre Bereitwilligfeit,
alles an die Verteidigung bes Vaterlandes zu jegen. Die
Oppofition hielt nad wie vor alle Maßnahmen Bismards für
nicht ernft gemeint und witterte bahinter wohl gar die Vor:
bereitung eines entſcheidenden Schlages im Innern. Ernſter
nahm man fie in dem nicht preußifchen Deutfchland und traute
Bismard zu, daß er alles auf eine Karte fegen und zugleich
mit Holftein bie leitende Stellung in Deutſchland für Preußen
gewinnen wollte. Da dadurch ihre Souveränität gefährbet
ſchien, hielten die Mittelftaaten vollends zu Defterreih. Dur
ihre Schuld wurde jo bie endliche Auseinanderfegung zwiſchen
Preußen und Defterreich zugleih zum deutſchen Bürgerfriege
und Bismards vielgefholtenes Wort von der Löfung ber
deutſchen Frage durch Blut und Eifen zur Wahrheit. Seines
anfangs ſchwankenden und bedenklichen Königs war biefer jegt
völlig gewiß: in dem beruhigenden Bewußtjein, für den Frieden
gethan zu haben, was mit Ehren thunli war, wollte au
diefer nicht um die Herzogtümer allein, fondern um den höheren
Preis, die deutſche Frage, kämpfen und, wenn ein Preuße ihm
jegt noch Olmüg in die Ohren raunen werde und zur Nach—
giebigfeit mahne, jofort die Regierung nieberlegen.
Nun eilte die Entwidelung überwältigend ſchnell vorwärts.
Daß Defterreih Schleswig-Holfein an den Bund übergab,
galt Preußen als Bruch des Gafteiner Vertrages: es beſetzte
auch Holftein und hinderte den Zufammentritt der von Defter-
reich berufenen Stände. Als Defterreih darauf den Bund
IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 411
anrief, ließ Bismard am 10. Juni durch Savigny feinen
Reformplan in Frankfurt vorlegen, der Oeſterreich aus Deutſch⸗
land ausſchloß. Damit war endlich die Frage geftellt, von
deren Beantwortung ales abhing. Der darum entbrennende
Kampf entfeflelte alle politifhen Leidenſchaften. Als Defter-
reich die Mobilmahung des Bundesheeres mit Ausnahme des
preußiſchen Kontingentes, das heißt alfo gegen Preußen,
beantragte und damit am 17. Zuni in einer formel anfecht⸗
baren Abftimmung im Ausfhuß mit neun gegen fehs Stimmen
durchdrang, erklärte v. Savigny, Preußen betrachte das Bundes»
verhältnis als gelöft. Ihm ſchloß ſich die Mehrzahl der Hleineren
norddeutſchen Staaten an. Sobald dann Hannover, Sadfen,
Kurheſſen und Naſſau den Eintritt in den ihnen von Preußen
angebotenen neuen Bund, ber ihre Souveränität erhalten follte,
ablehnten, wurbe Hannover von Weftfalen her durch Vogel
v. Faldenftein und von Holftein her durch Manteuffel und Kur:
heſſen von Rheinland aus durch General v. Beyer befegt. Der
Kurfürft kam als Kriegsgefangener nad) Stettin: feiner Armee
blieb das harte Schidfal nicht erfpart, zu entkommen und als
Teil des achten Bundescorps gegen bie Preußen fechten zu
müffen. Eine ernfte Krifis dagegen bereiteten ber preußifchen
Kriegführung die Hannoveraner. Etwa 18000 Mann ftarf
waren fie, der blinde König Georg II. mit ihnen, die Ver—
einigung mit ben Bayern ſuchend, über Göttingen ſüdwärts
entlommen. Cilig herangezogene Truppen, meift Landwehren,
unter General Flies brachten fie erft in ber Gegend von Gotha
zum Stehen, gerieten aber, als fie fi in ganzer Stärke rüd-
wärts wandten, am 27. Juni bei Zangenfalza hart ins Ges
dränge. Doch Hatten eilends herbeigeholte Verftärfungen bie
Hannoveraner inzwiſchen fo umftellt, daß fie am 29. die Waffen
ftreden mußten. König Georg mit ben Seinen ging nad
Defterreih. Auch Sachſen war inzwiichen bejegt: am 18. zogen
die Preußen in das grollende Dresden und am 19. ſympathiſch
empfangen in Leipzig ein. Das fähfiiche Heer unter bem
Kronprinzen Albert vereinigte fi in Böhmen mit dem öfter:
reichiſchen.
Dort erfolgte die Entſcheidung. Von den drei preußiſchen
412 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt.
Armeen, bie längs ber öfterreichifchen Grenze bereit ftanden,
bahnte ſich die des Kronprinzen von ber Grafihaft Glag aus
in ben blutigen Gefechten bei Nachod (27. Juni,, Stalig (28.)
und Trautenau (28.) den Weg nad Böhmen, während bie
erſte Armee unter Prinz Friedrich Karl von Sachſen aus über
Neichenberg und Görlig eindrang, am 27. bei Hühnerwafler,
am 28. bei Turnau und Münchengrätz und bei Liebenau und
Podol und am 29. in blutigem Ringen bei Gitſchin fiegte,
fo daß die Vereinigung beider Armeen hergefiellt war. Auf
dem rechten Flügel rüdte die Elbarmee unter Herwarth v. Bitten-
feld von Sachſen her vor. Am 30. Juni übernahm König
Wilhelm felbft den Oberbefehl. Der Führer der Defterreicher,
Feldmarſchall Benedek, bei Solferino als tapferer Corpsführer
bewährt, aber, wie er felbft am beften wußte, Kein Feldherr
und gegen feinen Wunſch um feiner Popularität willen auf
den verantwortlichen Poften geftellt, wurde trog der durch bie
bisherigen Mißerfolge feiner Unterfeldherren ſchon fo ver⸗
ſchlechterten Lage aus politiihen Gründen von Wien zum
Schlagen gebrängt und wollte aus feiner ftarfen Defenfiv-
ftellung hinter der Biftrig, nordweſtlich von Königgräg, zum
Angriff vorgehen, ehe die preußifchen Armeen vereinigt wären.
Doch wurde fein Vorhaben von Friedrih Karl erkannt und
auf die Meldung davon, nachdem der Kronprinz rechtzeitig
beranzufommen zugefagt, der Angriff beſchloſſen. So fam es
am 3. Juli zur Schlacht bei Königgräg, die nad) heißem Ringen
am Nahmittag mit einem vollftändigen Siege ber Preußen
endete: bie Umfaflung ihres rechten Flügels durch den Kron-
prinzen bei Chlum machte die Stellung der Defterreiher un:
haltbar. Ihre Vernichtung hinderte das in guter Ordnung
verbliebene fächfiihe Heer und das teilmeife Verſagen der
preußifchen Reiterei.
Der preußiſche Sieg überraſchte eigentlih alle Welt.
Nähft der Wirkung des Dreyfefchen Zündnadelgewehrs war
er der Einheitlichkeit und Energie ber auf Vernichtung bes
Feindes gerichteten oberften Leitung durch das Genie Moltkes,
dem verftändnisvollen Eingehen der Corpsführer auf beren
Abſichten, der wetteifernden Hingabe ber Offiziere und der
IV. Die Löfung der deutfgen Frage. 413
unübertroffenen Schulung des gemeinen Mannes zu banken.
Je mehr aber Preußens militäriſche Leiftungsfähigkeit unter:
ſchätzt worden war, um fo mehr wollten auch die Unbeteiligten
es in feinem Siegeslauf aufhalten: namentlid Napoleons II.
Berehnungen hatte biefer Ausgang durchkreuzt. Während er
gehofft hatte, ſich des befiegten Preußen annehmen, ſich Deiter:
reich dabei zu Dank verpflichten und das Proteftorat über die
deutſchen Mittelftaaten erlangen zu können, rief nun vielmehr
das befiegte Defterreid feinen Schug an. Am 4. Juli ftellte
Franz Joſeph Venetien zu feiner Verfügung, um Italien zu
befriedigen, obgleich dieſes ſowohl zu Lande wie zur See un
glucklich gefochten hatte. Aber fein Geſuch um einen Waffen:
ſtillſtand, das gleichzeitig General Gablenz in das preußiſche
Hauptquartier brachte, wurbe bort abgelehnt. Gerade der
, König wollte den Sieg um fo volllommener ausnügen, je
ſchwerer ihm ber Entſchluß zum Kriege geworben unb je
größer das Wagnis gewefen war, und daher im Einver:
ſtändnis mit feinen militärijhen Beratern Oeſterreich bemütigen
und verkleinern, Preußen aber auf Koſten der zu Defterreih
ftehenden Fürften möglichft vergrößern. Dagegen dachte Bis:
mard ſchon jegt weiter. Auch in dem befiegten Defterreich
wollte er ben künftigen Verbündeten des unter Preußen
geeinigten Deutſchland ſchonen und daher alles vermeiden,
was die baldige Verföhnung erſchweren konnte. Augen:
blidlich überwog der militärifhe Einfluß: die Fronprinze
liche Armee drang auf Olmütz vor, und bald fanden bie
preußiſchen Poften angefichts der Wien ſchützenden Florisborfer
Schanzen.
Inzwilhen war der franzöfifhe Gefandte in Berlin,
Graf Benebetti, trotz der auf Veranlaſſung Bismards feiner
Reiſe bereiteten Hinderniffe im Hauptquartier eingetroffen und
damit bie gewaffnete Einmiſchung Frankreichs in drohende
Nähe gerücdt. Denn Napoleon II. machte mit einemmal kein
Hehl daraus, dag er mit Rüdfiht auf die Stimmung feines
Volles die bevorftehende Vergrößerung Preußens nicht ohne
eine Rompenfation auf dem linken Rheinufer zulafien könne,
eine Forderung, deren Ruchbarwerden allerdings nur dazu beis
414 Fünftes Buch, Die neue Aera und ber Konflikt.
tragen konnte, die Vereinigung Deutſchlands unter einem
Oberhaupt zu beſchleunigen. Um fo mehr drang Bismard auf
ſchnelle Verftändigung mit Deflerreih. Er teilte nicht die
Zuverſicht Moltkes, der gleichzeitig den Krieg gegen Deſterreich
defenfiv fortfegen und den gegen Frankreich offenfiv raſch be»
endigen zu können meinte, obgleich bie Cholera unter ben
Truppen in Böhmen unheilvolle Fortſchritte machte. Er kam
daher dem Grafen Mensdorff, der nun felbft in Nicoleburg
erſchien, freundlich entgegen und wandte den geplanten Angriff
auf Wien, dem der preußifhe Siegeseinzug nicht eripart
bleiben follte, ab, veranlaßte aber eine es nicht minder ſchwer
bebrohende Umgehung feiner Befeftigungen in der Richtung
auf Preßburg und trat für den Fall, daß Oeſterreich, geftügt
auf Frankreih, fi doch zur Wiederaufnahme des am 22. Juli
duch einen Stilftand unterbrodenen Kampfes entſchließen
folte, mit der ungarifhen Revolutionspartei in Verbindung.
Doch Hatte er bei dem König noch einen ſchweren Stand.
Diefer verlangte jegt neben der Bundesreform unter preußiſcher
Leitung und der Ermwerbung Schleswig-Holfteins nicht bloß
Defterreihifh-Schlefien, einen böhmiſchen Grenzſtrich und bie
Erfegung der Herricher von Hannover, Kurheſſen, Meiningen
und Naffau dur ihre Nachfolger, fondern aud Teile von
Sadjfen, namentlih Leipzig, Zwiddau und Chemnig, von
Hannover und Heffen und namentlich von Bayern Ansbach und
Bayreuth. Das hätte die Verſöhnung ber betreffenden Dynaftien
und Stämme mit ber neuen Orbnung Deutfchlands unmöglich ges
macht und diefe bei jeder auswärtigen Verwidelung, namentlich
einem Krieg mit Franfreih, den ſchwerſten Gefahren ausgeſetzt.
Dennoch ſchien einen Augenblid der Einfluß des Militärs und
die Annerionsluft des Königs über Bismards Mäßigung fiegen
zu follen, und mit leidvenfhaftlihem Schmerz ſah biefer fein
Werk im Moment der Vollendung ſchwer bedroht: er forderte
feine Entlafjung, bereit ala Soldat, aber unverantwortlid für
den Ausgang weiter mitzulämpfen. Da legte ſich zu guter
Stunde ber Kronprinz, der entſchieden gegen den Krieg ge—
wejen war, ins Mittel und befiimmte ven Vater, dem Rate
des Minifters zu folgen. Diefer that das freilich mit dem
IV, Die Löfung der deutſchen Frage. 415
verlegenden Ausdrud feines Unmuts, wie auch fonft gelegent-
lid, wo er feine Meberzeugung opfern mußte: nur weil fein
Minifterpräfident ihn im Stich laſſe, den er vor dem Feinde
nicht erfegen Fönne, und fein Sohn fi auf deſſen Seite
ſchlage, bemerkte er auf einer Bismardihen Denkichrift,
nehme er einen fo ſchimpflichen Frieden an. Der treue
Diener hat ihm das harte Wort nicht nachgetragen und er
fi) bald von der Unrichtigkeit feines anfänglichen Standpunfts
überzeugt.
So wurde am 26. Juli zu Nicolsburg der Präliminar-
friede unterzeichnet. Defterreih ſchied aus dem Deutſchen
Bunde aus, fimmte zum voraus ben Aenderungen zu, bie
Preußen in dem nörbli des Main gelegenen Deutjchland
herbeiführen mürbe, und trat biefem fein Mitbefigreht an
Schleswig-Holftein ab gegen Zahlung von zwanzig Millionen
Thaler, die auf die Kriegsentſchädigung von vierzig Millionen
verrechnet wurden. Dagegen jehte Defterreih die Erhaltung
Sachſens dur, doch follte e8 in den künftigen Norddeutſchen
Bund eintreten, über die Bedingungen ſich aber direft mit
Preußen verftändigen. Den Einfluß aud Bayerns in ben
Frieden erreichte es nicht.
So war die deutfche Frage in ihrem fehwierigften Teil
gelöft, gelöft ehe Frankreih, wo bie Sorge vor Preußens
Machtzuwachs und um das eigene Preftige das Verlangen nad
einer Rompenfation fleigerte, und Rußland, das zur Ordnung
Deutſchlands wieder einen europäifhen Kongreß berufen zu
ſehen wünfchte, Preußen hatten in den fiegreihen Arm fallen
tönnen, gelöft in einer Weife, bie den befiegten Gegnern bie
Annahme der neuen Einrichtungen nit nur erträglich machte,
fondern erleichterte, und bald als einen Segen erfcheinen ließ,
beffen auch die jetzt noch davon Ausgeſchloſſenen und bald felbft
Oeſterreich teilhaftig zu werben wunſchten. Die endgültige
Verftändigung mit biefem ftieß freilich noch auf einige Schwierig-
teiten, namentlich in betreff der Form, in der die Weberlaffung
Venetiens an das Königreich Jtalien, mit dem Oeſterreich im
übrigen gefonbert verhandelte, ausgebrüdt werben follte, ohne
daß die Wiener Regierung deſſen Anerkennung auszuſprechen
416 Fünfte Bud. Die neue Aera und ber Konflitt.
hätte. Erſt am 23. Auguft wurde ber Friede in Prag unter
zeichnet: daß er für das däniſch fprechende Nordſchleswig eine
Volksabftimmung über die Zugehörigkeit zu Preußen oder zu
Dänemark in Ausfiht nahm, war eine billige, aber praktiſch
wertlofe Ronzeffion an die ſchon fehr gereizte Empfindlichkeit
Frankreichs.
Sechſtes Buch.
Die Jahre der Erfüllung.
1866-1888,
I. Die Errichfung des Yorddeuffchen Bundes. 1866.
Un demſelben 3. Juli, an bem bei Röniggräg das Schid-
ſal Deutſchlands mit Blut und Eifen entfchieden wurde, fand
in Preußen ein nicht minder entſcheidender Wahlkampf flatt.
Auch er endete mit einem Siege ber Regierung und eröffnete
endlich die Ausficht auf Beilegung des Konflikts. Er wäre wohl
noch glänzender ausgefallen, hätten die Wahlen einige Tage
fpäter ftattgefunden und Königgräg darauf einwirken können.
Freilih wäre dann wohl aud das Selbftgefühl der Sieger
gefiegen und bie Vereitwilligfeit zur Verfländigung mit ber
DOppofition entiprechend gemindert worden. ebenfalls wurde
die Herrfchaft der Fortſchrittspartei gebrochen und den Ele
menten größere Geltung verjhafft, die im Bunde mit der nun
wieder auf über Hundert Vertreter vermehrten Eonfervativen
Partei einen ehrlichen Frieden herbeizuführen wünſchten. Daß
dies trog des Widerſtrebens ber Ertremen von rechts und links
ſchließlich gelang, war wiederum wefentlih das Verdienſt
Bismards.
Die Auflöfung des Abgeorbnetenhaufes im September
1864 (S. 391) Hatte faft das Gegenteil der von Bismard
damit beabfichtigten Wirkung hervorgebracht. Der Ton ber
Verhandlungen wurde fofort wieder ein äußerſt gereizter.
Weder mit dem Wehrgefeg noch mit dem umfaflenden Plan
zur Gründung einer Flotte, für welde die Erwerbung der
Prus, Preugliße Gefhihte. IV. Ei
418 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
Elbherzogtümer endlich die geographiſche Baſis gegeben hatte,
drang die Regierung durch. Ihre in Schleswig-Holftein ver-
folgte Politit wurde auf das ſchärfſte verurteilt und Die nach—
trägliche Genehmigung der Koften des dänifchen Krieges ver-
weigert. Die Gegenfäge fpigten fih jo perſönlich zu, daß
Bismard eine Aeußerung Virchows, die feine Wahrheitäliebe
in Zweifel zog (Juni 1865) mit einer Piftolenforderung bes
antwortete, ber jebod auf Einfpruc des Abgeorbnetenhaufes
nicht Folge gegeben wurde. Dem Schluffe der Seſſion (17. Juni)
folgten neue Maßregelungen der Wortführer der Oppofition.
Noch übler geftalteten fi die Dinge bei Wiedereinberufung
bes Landtages zu Anfang des Jahres 1866. Das Abgeordneten⸗
haus erklärte die Vereinigung des durch den Gafteiner Vertrag
erworbenen Lauenburg mit dem preußifhen Staate, weil feine
Zuftimmung nicht eingeholt war, für ungültig, was den durch
diefen erften territorialen Gewinn hochbeglückten König perjönlich
ſchwer kränken mußte. Daß die Abgeorbneten Frenzel und
Tweften wegen im Landtage gehaltener Reben gerichtlich ver-
folgt und infolge der tendenziöfen Zufammenfegung bes be:
treffenden Obertribunalfenates durch den Juftigminifter Lippe
verurteilt wurden, ließ auch die preußiiche Rechtspflege zur
Handlangerin der Reaktion erniedrigt ericheinen. Als darauf
das Abgeorbnetenhaus auf Antrag von Hoverbed den bie
parlamentariſche Rebefreiheit verbürgenden Artikel 84 der Ver⸗
faſſung für verlegt erklärte, verweigerte Bismard die Entgegen»
nahme dieſes Beſchluſſes und ſchloß die Seffion am 23. Februar.
Unter folden Umftänden war es denn freilich begreiflih, daß
die große Mehrheit des preußifhen Volkes auch in dem Kriege
mit Defterreih zunächſt nur ein Mittel fehen wollte zur Durchs
hauung bes unlösbar verſchlungenen Rnotens im Innern. Das
änberte fi jedod mit den erften Erfolgen der preußiſchen
Waffen. Auch die Herzen der preußiſchen Demokraten waren
da, wo bie Fahnen Preußens wehten. Das erklärt den Aus—
fal der Wahlen vom 3. Juli: durch die Erfolge des Heeres
von ber Berechtigung ber Reorganifation überzeugt und von
dem Bann des Parteivogmas befreit, ftellte ſich das Volt ent⸗
ſchloſſen auf den Boden der Thatſachen und gelangte jo auch
I. Die Errichtung des Norddeutſchen Bundes. 419
zur rechten Würdigung bes bisher verfannten und verkegerten
Realpolitilers, welder dem trog bes Konflifts immer geliebten
König den Weg zu folden Erfolgen gebahnt hatte,
Nachdem er fi bei einer Heerſchau auf dem Marchfelde
angeſichts der feindlichen Hauptſtadt am 29. Juli von den ſieg⸗
reihen Truppen verabfchiebet hatte, kehrte König Wilhelm am
4. Auguft nad Berlin zurüd: der braufende Jubel, der ihn
empfing, tilgte, was die legten Jahre an Entfremdung zwiſchen
ihm und feinem Volke etwa erzeugt hatten. Das fam auch der
von Bismard vorbereiteten Wendung der inneren Politif zu:
gute. Angefichts des Wahlergebnifies neigte ber König den
Ratſchlägen derer zu, die ihn num aud als Sieger in bem
Konflikte proflamierten und von Zugeftändniffen an bie Oppo—
fition nichts wiſſen wollten. Bei Königgräg ſollte aud) die Ver-
fafungsfrage zu gunften des preußiſchen Königtums entfhieben
und erwiefen fein, daß in dem Konflift das Recht auf feiner
Seite fei. Das wäre ber nadträglihe Verfaſſungsbruch ges
weſen, unvereinbar mit ber von Bismard und dem König
ſelbſt bisher vertretenen Theorie von ben brei gleichbered:
tigten Faktoren. Dafür zu wirken, war fogar eine Depus
tation der Konfervativen in Prag erſchienen, an ber Spitze
Kleiſt⸗Retzow, und hatte gute Aufnahme gefunden. Auch wurde
dafür geltend gemacht, eine Neuordnung der Verfaſſung fei
ohnehin geboten durch die Rücſicht auf die neuen Provinzen,
da bie gegenwärtige nicht ohne weiteres auf fie ausgebehnt
werben fünne. Als felbftverftändlih galt es den Vertretern
dieſer Anfiht, daß dabei die Machtbefugnifie des Königtums
entſprechend den im Konflift gemachten Erfahrungen erweitert
werben müßten.
Ganz anders urteilte Bismard. Wie er Defterreich gegen»
über feinen König zur Mäßigung vermocht hatte, um dem im
Felde niebergerungenen Kaiferftaat die fpätere Verföhnung und
Verbündung mit Preußen zu ermöglichen, jo wollte er au)
nicht die der Wucht der Ereigniffe erlegenen Gegner im Innern
duch nachträglichen Rechtsbruch oder erbitternde Demütigung
zu unverföhnlihen Feinden maden. Das widerſprach ſchon
der Nitterlichleit, die auch im politiiden Kampfe den Grund»
420 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
zug feines Wefens ausmadte. Wußte er doch aus Erfahrung,
wie leidenfchaftliches Eintreten für ein politifches Prinzip dem
Wandel der Verhältniffe Rechnung zu tragen erſchwert, und
hielt daher nach wie vor Haß und Zorn für ſchlechte Ratgeber
in ber Politik. Nur verrannt, meinte er, fei die oppofitionelle
Mehrheit; zu ihrem neuangeregten Patriotismus und gutem
Willen, das Beſte des Vaterlandes zu fördern, hegte er das
Vertrauen, angefihts ber jo völlig geänderten Lage werde fie
einlenfen und eine Verftändigung nicht abweifen, jondern darauf
eingehen, ohne die Prinzipienfrage endgültig zum Austrag
bringen zu wollen. Während er in ber Verfaſſung einft bie
ruhmlofe Selbftaufgabe des preußiſchen Königtums gefehen
hatte (S. 257), war ihm in der Konfliktszeit klar geworben,
es fei mit eben biefer Verfafjung doc fehr wohl zu regieren.
Dem Konflitt dur einen ehrlihen Frieden ein Ende zu
maden, beftimmte ihn aber vor allem die Rüdfiht auf die
Gefahren, die vielleicht fehr bald Preußens eben gewonnene
Stellung bedrohen konnten. Ob und wann Oeſterreich dieſe
vorbehaltlos anerkennen würde, hing weſentlich davon ab, wie
fih das Verhältnis zwiſchen Preußen und Frankreich geflaltete.
Je früher da der unvermeibliche Bruch erfolgte, um fo ficherer
fand zu erwarten, daß nicht bloß Defterreih, fondern auch
die übrigen beutfchen Gegner Preußens von neuem zu den
Waffen greifen würden. Diejen Kampf zu beftehen, mußte
Preußen in fi) völlig einig fein. Das aber hätte ein Miß—
brauch des Sieges durch die Krone auf Koften der Volksrechte
ausgeſchloſſen. Er hätte im Innern die Beibehaltung eines
Repreffivfyitems nötig gemacht, das Preußen in den Augen
des übrigen Deutſchland als ausgeiprodhen reaftionär gefenn-
zeichnet und feinen Sieg von 1866 dargeftellt hätte nicht als
Sieg der nationalen Sade, jondern allein des engherzigen
Preußentums. Das hätte allen feinen Gegnern eine furdtbare
moralifhe Waffe in die Hand gegeben und für bie einftige
Wiederaufnahme des Kampfes allen Vorteil eingeräumt.
Doch war mit Bismard von ben übrigen Miniftern, wie
es ſcheint, zunächſt nur der ſchmiegſame v. d. Heydt einver-
ftanden, der im Beginn bes Krieges bie Finanzen wieber über:
. Die Errichtung des Norddeutſchen Bundes. 421
nommen hatte, da man feiner Geſchäftskenntnis und feines
gewichtigen Namens zur Beichaffung der nötigen Mittel nicht
hatte entbehren wollen. Doch wurden bie anderen umgeftimmt,
und ber eindringlihen Beredſamkeit Bismards gelang es,
während der langen Fahrt von Prag nad) Berlin endlich auch
die legten Bedenken bes Königs zu überwinden, fo daß er fih
mit der Ankündigung eines Geſuches um Inbemnität feitens
der Regierung in der Throntede einverftanden erklärte. Sie
erging bei der Eröffnung des Landtages am 5. Auguft dahin,
daß der König erklärte, wenn feine Regierung den Staatshaus-
halt mehrere Jahre hindurch ohne die nad der Verfaſſung
erforderliche gejeglihe Grundlage geführt habe, fo ſei das ge-
ſchehen nad gewiſſenhafter Prüfung in der pflichtgemäßen
Ueberzeugung, daß die Fortführung einer geregelten Verwaltung,
die Erfüllung ber geſetzlichen Verpflichtungen des Staates gegen
feine Gläubiger und Beamten, die Erhaltung des Heeres und
der Staatsinftitute Eriftenzfragen für den Staat feien, und
daß daher jenes Verfahren eine ber unabweisbaren Notwendig-
keiten gemorben fei, denen fi eine Regierung im Intereſſe
bes Landes nicht entziehen dürfe: er vertraue daher, die jüngften
Ereigniſſe würden dazu beitragen, die unerläßliche Verftändigung
infoweit zu erzielen, daß der Regierung in Bezug auf die ohne
Staatshaushaltsgejeg geführte Verwaltung die zu beantragende
Indemnität bereitwillig erteilt und damit ber bisherige Konflikt
für ale Zeit zum Abſchluß gebracht werde.
Auch bei der Mehrheit des Abgeorbnetenhaufes übermog
die Neigung zum Frieden, für den vermittelnd namentlich
auch der Kronprinz wirkte. Der langjährige Präfident, ber
Prenzlauer Oberbürgermeifter Grabow, trat freiwillig von einer
neuen Kandidatur zurüd und ber Rechtsanwalt in dem oft:
preußifhen Mohrungen, v. Fordenbed, ein Mann von ebenfo
energiſchem wie Eonziliantem Weſen, wurde zunächft mit geringer
Mehrheit zur Leitung der Gejhäfte berufen, in ber er fi
bald die vorbehaltloje Anerkennung aller Parteien erwarb.
Mit allen gegen 25 Stimmen der Polen und Katholifen und
Johann Jacobys wurde eine Adreſſe angenommen, melde bie
Verftändigung fiherte. Zwar wurde das am 13. Auguft eins
422 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
gebrachte Indemnitätsgeſetz, obgleih bie es vorberatende
KRommiffion dur Tweften feine Annahme empfahl, noch heiß
umftritten, ſchließlich aber am 3. September mit 230 gegen
75 Stimmen angenommen. Dabei volljog fi der nun un:
vermeiblide Bruch innerhalb der Fortfchrittspartei, der zum
Austritt von fünfzehn Abgeordneten unter Lasker und Tweften
führte: fie bilbeten fpäter gemeinfchaftlich mit neun Altliberalen
den Stamm ber nationalliberalen Partei, die, an ben alten
liberalen Forderungen fefthaltend, doch das Bismarckſche Pro:
gramm nationaldeutſcher Politik auf Grund der Erfolge von
1866 freudig annahm und feine Weiterführung unterftügen
wollte.
Der Konflikt war begliden, nicht gelöftl, fo wenig wie
die prinzipielle Frage gelöft war, um bie es ſich dabei gehandelt
und die man im Gegenfaß zur beutfchen wohl als die preußiſche
Frage bezeichnet hatte. Die Lüde in der Verfaffung, die nad
des Königs und Bismards Anfiht den Streit verfhuldet,
wurde nicht ausgefüllt, feiner von beiden Teilen von ber
Unbaltbarfeit feines bisherigen Standpunktes überzeugt und
daher auch die Wiederkehr ähnlicher Verwickelungen nicht un=
möglich gemacht. Beiderſeits gab man einen Prinzipienftreit,
über den der Staat ernfie Gefahr gelaufen war, auf, als
unter ben inzwifchen eingetretenen Umftänden ausfihtslos und
daher zwedlos. Der politifhe Theoretifer wird auch heute
no das Recht des Abgeorbnetenhaufes juriftiih deduzieren
tönnen, ber Praktiker wird dur die Gedichte dieſes unent⸗
ſchieden endenden Verfaſſungsſtreites, in dem es weder Sieger
noch Beſiegte gab, die Lehre beflätigt fehen, daß gegenüber
der unberechenbaren Mannigfaltigfeit der thatſächlich möglichen
Verhältniffe politiſche Theorien und Verfafjungsparagraphen
leicht verfagen und felbft formales Unrecht gelegentlich gut
gemacht wird durch das höhere Recht der geſchichtlichen Ent:
widelung, auf deſſen Boden Freund und Feind fi zufammen-
finden. Verloren aber blieben die gemadten Erfahrungen
für feinen Teil: fie mahnten auch für bie Zukunft hier wie
dort zur Vorfiht und Mäßigung, warnten vor Uebereilung,
die in der Hige bes parlamentarifhen Kampfes fih auf
I. Die Errichtung des Norddeutſchen Bundes. 428
Prinzipien feftlegt, und empfahlen jebem Teile, aud bei dem
anderen eine ehrliche, von Nebenabſichten unbeeinflußte Ueber:
zeugung und redliche Hingabe an das Gemeinwohl vorauszufegen.
Der Segen biefer Lehre Hat fi in den nächſten Jahren an
Preußen und dem Norbbeutfhen Bunde reichlich bethätigt.
Sie war auch für den König nicht vergeblich geweſen: bei
Entgegennahme ber Adreſſe bes Abgeorbnetenhaufes erklärte er
zwar, er habe fo handeln müſſen und werbe immer fo Handeln,
wenn ſich ähnliche Zuſtände wiederholen follten, fügte jedoch
Hinzu: „Aber, meine Herren, es wird nicht wieder vorfommen.”
Die Gefahren, um berentwillen Bismard auf Schonung
Oeſterreichs und Herftelung bes inneren Friedens durch Nach—
ſuchen der Indemnität beftanden hatte, waren inzwifchen freilich
zu einem weſentlichen Teile befeitigt. Preußens fiegreicher
Kampf gegen bie fühbeutihen Staaten, der ihm anfangs von
der erregten öffentlihen Meinung als Bruberfrieg befonders
heftig vorgeworfen war, hatte ſchon jegt die militärifhe Ein-
heit Deutfchlands einem Angriff des Auslands gegenüber ſicher
geftellt, indem er bie Süddeutſchen von der Ueberlegenheit
fowohl wie von der Unentbehrlikeit ber preußifchen Kriegs:
verfaffung überzeugte. Die gemachten Erfahrungen erwiejen
die Unhaltbarkeit der bisherigen Zuftände und bie Notwendig-
teit einer radikalen Reform nad; Preußens Vorbild. Denn
nit die Unbraubarkeit des Menfchenmaterials, das dem
norbbeutfchen nicht nachſtand, fondern den Mängeln bes Exer⸗
zitiums, der Organifation, der Intendantur und ber oberen
Führung war die üble Role zuzuſchreiben, zu der ſich die ſüd⸗
deutſchen Kontingente gelegentli verurteilt fahen. Trotz
mander Eigenmädtigfeit und Verfäumnis, die das Gelingen
der im großen Hauptquartier entworfenen Operationen ge
fährbeten, hatte Vogel v. Faldenftein mit Göben die Gebiete
nördlih vom Main von Bayern, Heſſen und Yundestruppen
gefäubert, während von Koblenz aus das Herzogtum Nafjau
befegt wurde, und am 16. Juli fi) auch Frankfurts bemächtigt,
deſſen Geldariftofratie ſich Durch ihre Preußenfeindſchaft befonders
hervorgetban hatte. Der Rumpf bes Bundestages war nad
Augsburg entwichen und löſte fi am 24. Auguft auf. Sein
424 Schfted Bud. Die Jahre der Erfüllung.
Nachfolger Manteuffel war bereits im Vorbringen in Bayern,
als ihm der Waffenftilfftand Halt gebot. Baden, das nur
durch eine unerträglihe Zwangslage auf die Seite der Gegner
Preußens gedrängt war, hatte bereits Waffenruhe nachgeſucht.
Auch Württemberg und Hefien-Darmftadt Inüpften Unterhand-
lungen an, wie Bayern bereits in Nicolsburg gethan. Je
unnötiger und leichtfertiger fie in den Krieg gegen Preußen
eingetreten waren, um fo dankbarer empfanden bie ſuddeutſchen
Staatsmänner, als fie zu ben Friedensverhandlungen in Berlin
erſchienen, deſſen unverhoffte Milde und Verſöhnlichkeit. Denn
da es ihm vor allem darauf anlam, Frankreichs Pläne zur
Trennung des Südens vom Norden zu durchkreuzen, lieh Bis:
mard aud bier eine Schonung walten, die befonbers geeignet
war, die Antipathien gegen Preußen bei Regierungen und
Völkern des Südens zu überwinden. Am 13. Auguft erhielt
das von dem feinem Königshaufe verwandten Zaren beihügte
Württemberg gegen Zahlung von acht Millionen Frieden bes
miligt. Am 17. erfolgte der Abſchluß mit Baden, das ſechs
Millionen Kriegsfoften zahlte. Am 22. wurde der Vertrag mit
Bayern unterzeichnet, deſſen Befigftand ſchließlich jo gut wie
unverfürgt blieb, obgleich König Wilhelm die Wiedererwerbung
von Ansbah und Bayreuth wünjchte, aber doch deshalb Vers
wickelungen mit Frankreich nicht heraufbeſchwören wollte. So
gab es nur einen Heinen Streifen Gebiets zur Regulierung
der preußifchen Grenze her und zahlte dreißig Millionen.
Härtere Bedingungen wurben Hefjen-Darmftadt auferlegt. Es
mußte die Landgrafihaft Heflen-Homburg und einige ober⸗
beifiihe Stüde abtreten, in Mainz eine preußiſche Beſatzung
aufnehmen, das Boftwefen Preußen überlafien und drei Millionen
bezahlen, enbli mit feinen nörblih vom Main gelegenen
Gebietsteilen dem Norbdeutfchen Bund beitreten. Buglei mit
den Friedensſchluſſen aber unterzeichneten bie ſüddeutſchen
Staaten, voran Baden und Württemberg, geheime Schuß-
und Trugbündnifie mit Preußen. Denn an die Möglichkeit
eines ſuddeutſchen Bundes, wie er zu Nicolsburg urfprünglich
in Ausfit genommen war, glaubte niemand. Ohne ihn aber
waren die fübdeutfchen Staaten dem Ausland und namentlich
I. Die Errichtung des Norddeutſchen Bundes. 425
den Rheinbundgelüften Frankreichs gegenüber ohnmächtig. Um
ben Preis aber, ber jet dafür verlangt worden wäre, ein
Protektorat Frankreichs gegen Preußen zu erfaufen, hatte man
im Süden feine Luft mehr, nachdem Frankreich feine wahren
Abfihten verraten hatte. Mit Abſchluß diefer Schug- und
Trugbündnifie, nad} denen im Fall eines Krieges bie ſuddeutſchen
Heere dem Oberbefehl des Königs von Preußen unterftanden,
war die Vollendung der Einigung Deutſchlands nur noch eine
Frage ber Zeit, zumal die in den Friedensverträgen in Aus-
fiht genommene einheitliche Ordnung ber Zollverhältniſſe, für
die vorläufig der Zollvereinsvertrag vom 16. Mai 1865 wieber
in Kraft trat, die wirtfhaftlihe Einigung verbürgte.
Größere Schwierigkeit machte der Friede mit Sachſen,
auch nachdem der Minifter v. Beuft, der unermüdlich gegen
Preußen gehegt hatte, dur Bismards Weigerung, mit ihm
zu verhandeln, zum Rüdtritt genötigt worden war. Die
Integrität feines Gebietes war Sachſen freilih durch Defter-
reich zu Nicolsburg ausgewirft worden. Um fo fefter mußte
es an Preußen und den Norddeutſchen Bund, dem es beitreten
Tote, gefeſſelt und zur unverbrüchlichen Erfühung der über:
nommenen Verpflichtungen angehalten werben. Das war nicht
leicht angeſichts der Bewährung ber tapferen ſächſiſchen Armee
im böhmifchen Feldzuge, der innigen Familienbeziehungen
zwiſchen den beiden Höfen und ber Feindſchaft eines Teils des
ſächſiſchen Volkes gegen die Sieger. Erſt nad langwierigen
Verhandlungen zwiſchen Savigny und dem ſächſiſchen Minifter
v. Friefen und Graf Hohenthal erfolgte am 21. Oktober der Ab:
ſchluß. Sachſen mußte fein Heer nad preußijhem Mufter
reorganifieren, wozu es zunädft einem preußiſchen General
unterfielt wurde; in Dresden lagen ſächſiſche und preußifche
Truppen, auf dem die Elbe beherrfchenden Königftein preußiſche
Beſatzung. Auch zahlte Sachſen zehn Millionen Thaler. Daß
biefer Friede in Sachſen jhmerzlih empfunden wurde, war
begreiflih: nicht ohne Ingrimm ſahen die Dresdener bie
Preußen in ihrer Stadt, zu deren Beherrſchung obenein Schanzen
aufgeworfen waren. Aber das bittere Gefühl, von Oeſterreich
doch ſchließlich im Stich gelaffen zu fein, und dann bie Er-
426 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
kenntnis von ber gefunden Entwidelungsfähigfeit der neuen
Ordnung, die über eine an Jrrungen überreihe Vergangenheit
endlich den Schleier des Vergefiens breitete, halfen dem ſächſi—⸗
ſchen Königshauſe und feinem Volke erfreulich ſchnell über dies
anfänglie Unbehagen hinweg, zumal ber ritterlihe Sieger
alles that, um fie den Stachel, den die legten Ereigniſſe bei
ihnen hinterlaſſen hatten, nicht empfinden zu laffen. Ueber die
Schranken des Vertrages vom 21. Oktober hinaus bemilligte
König Wilhelm dem jähfiihen Heere größere Selbftänbigkeit
als den übrigen Teilen des norddeutſchen Bundesheeres, indem
er es als ein in ſich gefehloffenes (12. Armeecorps) direkt unter
das Kommando feines Königs ftelltee Denn wie gegenüber
allen Bunbesgenofjen Preußens, fo erachtete Bismard namentlich
Sachſen als dem heruorragendften gegenüber es als die nächſte
Aufgabe der Bundespolitif, dahin zu ftreben, daß basfelbe
nit bloß als eine Vertragspflicht, fondern als ein wertvolles
Net anfah, dem Bunde anzugehören, ein Recht, das von
allen Beteiligten hod genug angefchlagen werde, um im eigenen
Intereſſe für feine Erhaltung und Ausbildung einzutreten.
Alle die Vorausfegungen waren nun erfült, melde für
Preußen die Einführung ber geplanten und durch den Frieden
in fein Belieben geftellten neuen Orbnung im Norden des
Main bedingten. Ihre Grundzüge waren den in Betracht
kommenden Staaten bereits am 16. Juni mitgeteilt und von
der überwältigenden Mehrheit angenommen worden, wenn auch
von manden ſchweren Herzens und nur unter dem Zwange
der Lage, ber feinen anderen Ausweg ließ. Außer den Staaten,
melden ihre Ablehnung die Eriftenz koſten follte, hatten auch
Meiningen und Neuß ältere Linie den Anſchluß verweigert.
In erfterem mußte infolgebefien Herzog Bernhard zu gunften
feines Sohnes abdanken, Iegteres wurde, damit ber Tragödie
des deutſchen Krieges das Satyrfpiel nicht fehle, von zwei
Compagnien bejegt, worauf die Regentin Karoline fi in das
Unvermeidliche fügte.
Anders geftaltete ſich das Schickſal Kurheſſens, Hannovers,
Naſſaus und der freien Stadt Frankfurt. Noch nad) der Schlacht
bei Königgräg hatte König Wilhelm Hannover und Kurheſſen,
1. Die Errichtung des Norddeutſchen Bundes. 427
wenn auch verfleinert, unter den Nachfolgern der durch ihre
Preußenfeindfhaft unmöglich geworbenen bisherigen Regenten
beftehen laſſen wollen (S. 414). Radikal dagegen meinte hier
Bismard vorgehen zu müffen. Bon folden Gliedern verſprach
er fi für den neuen Bunbesftaat, der fie um einen Teil ihrer
Souveränität brachte, um fo weniger Buverläffigkeit, ala ihr
begreifliches Streben, bei der erften europäiſchen Verwidelung
die verlorene Stellung wieberzugewinnen, eines ftarfen Rüde
balts gewiß war in der Anhänglichkeit der gewaltfam mit
PreußenÜvereinigten Gebietsteile. Denn in der Liebe der
deutſchen Stämme zu ihren Dynaftien fah er eine ber vor
nehmften Stügen der deutſchen Kleinftaaten. Da nun nad
dem Geſchehenen eine einfahe Reftauration ber bepofjedierten
Fürften nicht möglich war, fo blieb nur die Einverleibung
ganz Hannovers und ganz Kurheſſens. Daß aber Naffau und
Frankfurt am Main das gleiche Schidfal treffen mußte, ergab
ſich nicht ſowohl aus ihrer Preußenfeindſchaft, ala aus der
Notwendigkeit, den Franzofen nicht eine Einfallspforte in das
rechtsrheiniſche Land offen zu laflen. Und warn würde ſich
wieder bie Gelegenheit finden, die gefährliche Zerreißung
Preußens durch Hannover und Kurhefien in zwei getrennte
Hälften zu befeitigen? Dem Gewicht diefer Gründe konnte
fih die Oppofition fo wenig wie das Ausland verſchließen.
So erſchien am 20. September das am 16. Auguft ein
gebrachte, vom Abgeorbnetenhaus am 7. und vom Herrenhaus
am 10. September angenommene Gejeg, nad dem ber König
auf Grund bes Artifela 55 der Verfaffung für den preußifchen
Staat für fih und feine Nachkommen von dem Königreich
Hannover, dem Kurfürftentum Hefien, dem Herzogtum Naffau
und der freien Stadt Frankfurt, welde ber von Bismard
freilich nicht gebilligte Erlaß der ihr einft von Manteuffel
aufgelegten Kontribution von 25 Millionen verföhnlicher ſtimmte,
Beſitz ergriff, fo daß diefe, ſtaatsrechtlich den alten Provinzen
durchaus gleich geftellt, organiſche Beſtandteile des Geſamt⸗
ſtaates wurden, und die preußiſche Verfaſſung vom 1. Oktober
1867 an für ſie galt. An demſelben Tage erfolgte unter dem
Jubel der Bevölkerung der Einzug der ſiegreichen Truppen
428 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
unter dem König und feinen ruhmgekrönten Felbherren in die
Hauptftadt. In diefen unvergleichlich feftlihen Stunden wien
die legten Schatten, die von dem Konflifte her etwa noch
zwifchen Fürft und Volk gewaltet hatten. Die Annerion der
Elbherzogtümer, auf die der Großherzog von Olbenburg feine
Anſpruche gegen drei Millionen (27. September) an Preußen
abgetreten hatte, vollendete den äußeren Neubau bes preußifchen
Staates.
Das Verhältnis der anneltierten Gebiete zu ihrer neuen
Herrſchaft geftaltete ſich verſchieden, im allgemeinen aber über-
aus günftig. War ihre Bevölkerung doch zumeift froh, das
Elend der Aleinftaaterei los zu fein, und gerade die gebildeten
und politiſch vegfamften Kreife, die in Heſſen und Hannover
feit Jahren mühſam für das verfaflungsmäßige Recht gefämpft
und mit der undeutſchen Politik ihrer preußenfeindlihen Regie
rungen gerungen hatten, machten fein Hehl aus ihrer Bu-
frievenheit mit der eingetretenen Wendung. Sie ftellten ſich auf
den Boden, den die Ereigniffe von 1866 geſchaffen hatten, und
wurden ſchnell gute Preußen, ohne darum zu verfennen, daß
Preußen dur das in feiner Entwidelung begründete Ueber
gewicht des Soldaten: und Beamtentums Einfeitigfeiten und
Härten anhafteten, von denen ihre eigene freiere und beweg⸗
lichere Art ih um fo vorteilhafter abhob, je mehr fie mäßigend
und befreiend darauf einzumirfen wußte. Aus dieſen Kreifen
gingen die Männer hervor, die neben den altbewährten preußi⸗
ſchen Parlamentariern im Abgeorbnetenhaufe und im Herren-
baufe, in das aus den neuen Provinzen eine entſprechende
Anzahl von Mitgliedern berufen wurde, und im norddeutſchen
Reichstage auf die Entwidelung des neuen Preußen nicht felten
beftimmend einwirkten, indem fie den Gedanken der nationalen
Einheit frei von der Einfeitigfeit des ſpezifiſchen Preußentums
begeiftert vertraten und dieſes der gewandelten Zeit entſprechend
au inmerlih zu wandeln ſuchten — die v. Bennigfen,
Miguel, Braun, Detfer und andere. Zunächſt bewirkte das
eine heiljame Verjüngung des parlamentarijchen Lebens, das
von ben befangenden Grinnerungen der Konfliftszeit befreit
wurde. Aehnliches geſchah nachmals in der Verwaltung, auf die
I. Die Errichtung des Norddeutfchen Bundes. 429
namentlid das Vorbild Hannovers anregend einwirkte. Wenn
den neuen Provinzen ein größeres Maß von Selbftändigkeit ein
geräumt wurde, indem fie für ihre befonderen Bebürfniffe aus
Staatsmitteln eigene Fonds erhielten, konnte ein Gleiches ben
alten Provinzen auf die Dauer nit vorenthalten werben,
fehr zum Kummer der preußifchen Konjervativen, bie dadurch
die Stellung bes Adels bebroht fahen.
Gefördert wurbe dieje günftige Entwidelung in den neuen
Provinzen wenigftens in mancher Hinfiht durch die verkehrte
Handlungsmeife ihrer früheren Herren, von denen einige es
förmlih darauf anzulegen ſchienen, was ihnen daheim an
dynaftifhen und im Auslande an politif den Sympathien ge:
blieben war, vollends zu erftiden. Weberzeugt von dem Sieg
Defterreihe, waren fie in den Fritifhen Junitagen Preußen
mit herausforderndem Troge begegnet. König Georg II. von
Hannover hatte vol ſtolzer Zuverſicht dem erwarteten Bu:
fammenbrud Preußens die Dauer der welfiihen Herrlichkeit
bis an das Ende aller Dinge entgegengefegt. Der Kurprinz
von Hefien, der im ber entfcheidenden Zeit gerade in Berlin
weilte, hatte Bismards eindringlice Mahnung, nad) Kaffel zu
eilen und den Vater zum Einlenfen zu vermögen — die Nach—
folge in Heſſen, meinte der Minifter, fei wohl einen Ertrazug
wert — mißachtet und mit dem drohenden Hinweis auf ein
baldiges anderes Wieberfehen beantwortet. Der ruhmloje
Sturz diefes ſchmachvollen Regiments Fonnte nirgends Bedauern
erregen. Daß es ihm aber bei der gegen Preußens mäßige
Zumutungen fo zähe feftgehaltenen Souveränität doch eigent-
lid) nur um die damit verbundenen großen privatrechtlichen Vor⸗
teile zu thun gewefen war, bewies der Kurfürft, indem er am
17. September mit Preußen einen Vertrag ſchloß, der ihm
den Bezug feiner bisherigen Einkünfte ficherte. Auch der Herzog
von Naſſau Lie fi) (September 1867) die Anerkennung bes
Geſchehenen in ähnlicher Weife abfaufen. Selbſt König Georg
ſchien diefem Beiſpiel folgen zu wollen. Obgleich er gegen
die Annerion feierlich proteftiert hatte, ließ er Doch durch feinen
ehemaligen Juftizminifter Windthorft mit Preußen unterhandeln,
und am 27. September 1867 kam ein Vertrag zu flande, der
430 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
ihm ben Genuß der Binfen eines Kapitals von ſechzehn Millionen
Thalern zufierte. Aber die ausbrüdliche Anerkennung ber
neuen Ordnung der Dinge war ihm troß der Bemühungen
verwandter und befreundeter Höfe nicht abzugewinnen. Ja,
im Frühjahr 1867 fteigerte ber drohende Ausbruch eines deutſch⸗
franzöfifchen Krieges über die Luremburger Frage feine Hoffnung
auf Reftauration und verleitete ihm zu höchſt bedenklichen
Schritten, die auf nichts anderes ala die planmäßige Vor:
bereitung einer welfiſchen Infurreftion in Hannover hinaus:
liefen und ihn faft als friegführende Macht ericheinen ließen.
Wegen der fteigenden Erregung feines Volkes über Preußens
Emporfommen, hatte Napoleon III. glei nad dem Frieden
Gewährung einer Kompenfation in Berlin förmli in Antrag
bringen laſſen, und ſchließlich, als er deutſches Land links
vom Rhein zu erhalten als unmöglich erfannte, um die Zus
fimmung zur Annerion Belgiens geworben. Er gab fi zwar
den Anſchein, als ob bie Einigung Norddeutſchlands unter
Preußen auch ihm durchaus willkommen fei, wollte nun aber
auch Frankreich von den ihm bisher durch die Verträge von 1815
gejegten Schranken befreit fehen und ließ duch Niel eine
Steigerung feiner Wehrkraft auf nahezu das Doppelte ein=
leiten. Doch machte das auf die Franzofen feinen Eindrud,
die Deſterreichs Niederlage wie eine eigene empfanden und.
Nevande für Sadowa verlangten. So faßte der Kaifer die
Erwerbung Luremburgs ins Auge, das, ehemals deutſche
Bundesfeftung, trog ber Zugehörigkeit zu Holland nod von
früher her von preußiſchen Truppen befegt gehalten wurde.
Unter Vermittelung feiner preußenfeindlihen Gemahlin, einer
württembergifchen Prinzeffin, ließ fi) der König von Holland
auch zu einem Verkauf an Frankreich bereit finden, voraus-
gefegt, daß dieſes die Zuftimmung Preußens auswirken würbe.
Nur war der faubere Handel nicht geheim geblieben, und bie
Antwort, die Bismard im fonftituierenden norddeutſchen Reichs:
tage auf eine ihn betreffende Anfrage Bennigfens (1. April)
gab, ließ feinen Zweifel, daß er ihn nicht dulden werde. Dem⸗
gemäß erklärte Preußen am 3. April im Haag, es werde feinen
Vollzug als Kriegsfall anfehen. Damit waren Napoleons
1. Die Errichtung des Norbbeutfchen Bundes. 431
Pläne, die er bereits bier und da als ber Verwirklihung
fiher hatte verlautbaren laſſen, durchkreuzt, da er an einen
Krieg um fo weniger denken fonnte, als furz zuvor bei den
Verhandlungen der fübbeutichen Staaten über ihr fünftiges
Verhältnis die Eriftenz ihrer Schutz- und Trugbündnifle (S. 424)
mit Preußen befannt geworben war, er alfo ganz Deutſchland
gegen ſich gehabt hätte. So war er froh, dank öſterreichiſcher
und ruſſiſcher Vermittelung fi noch mit einigem Anftand aus
der DVerlegenheit zu ziehen. Eine Konferenz der Großmächte
regelte unter Teilnahme ber Niederlande, Belgiens und Lurems
burgs ſelbſt die Angelegenheit dahin, daß Luremburg bei
Holland verblieb, aber von den Preußen geräumt, entfeftigt
und neutralifiert wurde.
Schmerzlicher fat als in Paris empfand man dieſen deutſchen
Erfolg in Hieging, der Reſidenz bes ehemaligen Königs von
Hannover, der in Erwartung bes Krieges bereits eine Welfen-
legion angeworben und durch feine Agenten von Paris aus
alles zum Aufftand hatte vorbereiten laſſen. In Frankreich
fanden aud) die gemorbenen Mannſchaften, melde die Schweiz
und Holland auswiefen, Aufnahme in Hoffnung auf eine baldige
Gelegenheit zur Verwendung. So lieferte der Verlauf ber
LZuremburger Frage den beften Beweis für den Wandel, ber
in den europäifhen Machtverhältnifien eingetreten war, und
legte fo aud ein enticheidendes Gewicht in die Wagſchale zu
gunften der inzwifchen begonnenen Konftituierung bes Nord⸗
deutſchen Bundes. Der Entwurf der Verfaflung, den Bismard
den 4. März dem Eonftituierenden Reichstage vorlegte, wurde
zwar noch in einzelnen Punkten heftig umftritten. - Doch hielten
fi} beide Teile, belehrt durch die Erfahrungen der Konfliktszeit,
in den Schranfen bes Grreihbaren ‘und famen fo zu einem
KRompromiß, das die Errungenſchaften des Krieges von 1866
fiherftellte, den verbündeten Regierungen und der Volksver—
tretung, in der bie Fortfchrittspartei nur noch wenige Mit:
glieder zählte und der maßgebende Einflub an bie Nationals
liberalen übergegangen war, ein fruchtbares Zufammenmirken
zur Fefligung und zum Ausbau der neuen Schöpfung ermög-
lichte, den noch getrennt gebliebenen Suddeutſchen aber nicht
432 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
bloß Sicherheit nad außen hin, fondern aud die Gewähr für
den fünftigen Anflug gab. Die am 17. April proflamierte
Verfaſſung des Norbbeutfhen Bundes, die im Abgeorbneten-
haufe gegen die Stimmen der Fortjchrittspartei am 31. Mai
und im Herrenhaufe am 23. Juni angenommen wurde, ges
währte Preußen an der Spite des neuen Bundesftaates end»
lich die gebührende Stellung: Bon ben 43 Stimmen des Bundes⸗
rates gehörten ihm 17; es wählte für die von ihm geleiteten
Ausfhüffe für Heer, Feitungen und Flotte zwei Mitglieder
und übte auf allen Gebieten bes gemeinſchaftlichen Lebens
einen in der Form beſchränkten, ſachlich aber entfcheidenden Ein-
fluß, der zufammen mit der Verteilung der Stimmen unter bie
ihm von alters her eng verbundenen Staaten jede Majorifierung
unmöglich machte, während die Leitung von Heer und Flotte
in des Königs Hand lag. VBismard wurde als Bundeskanzler
an bie Spige der Bundesregierung geftelt und fand in dem
um Preußens Handelspolitif Hochverdienten Delbrüd als Präfi-
denten bes Bunbesfanzleramts einen unübertrefflihen Mit—
arbeiter, deſſen Eintritt auch in das preußiſche Minifterium
die Einheitlickeit der preußiſchen Politit im Bunde und im
eigenen Zande verbürgte. Kollifionen zwiſchen beiden blieben
dennod nicht aus. Auch perfönliche Momente wirkten gelegent:
lich ftörend ein und veranlaßten Reibungen, durd die Bismard
fi in feiner alles umfafjenden Thätigfeit gehindert ſah. Selbit
mit feinem Fönigliden Herrn Fam es gelegentlich zu Mißver-
ftändniffen, die ſich ihrem ferneren Zuſammenwirken in den
Weg zu fielen fehienen, aber durch des unmwandelbar dank—
baren Königa offenherzige und verſöhnliche Art ftets ihre güt-
liche Löfung fanden. Erklärte er doch auf ein aus ſolchem An-
laß eingereichtes Entlaſſungsgeſuch Bismards im Februar 1869
es für fein größtes Glüd, mit ihm zu leben und immer feit
einverftanden zu fein: von dem Manne, deflen Namen in ber
preußiſchen Geſchichte höher ftehe ala der irgend eines Staats—
mannes, werbe er niemals lafjen.
II. Die Erwerbung des Haiferfums. 1867—1871.
„Preußen geht hinfort in Deutſchland auf," hatte Friedrich
Wilhelm IV. erklärt, als er im März 1848 verſuchte, bie
Wogen der preußiſchen Frage, die über ihm zuſammenzuſchlagen
drohten (S. 253), zu beſchwichtigen, indem er das ſchwankende
Staatsſchiff auf das noch unbefanntere, ftürmifchere und klippen⸗
reichere Meer der deutſchen Frage hinausſteuerte, ein Wagnis,
das mit einem Schiffbruch enden mußte. Wollte man in diefem
Wort mehr ſehen als eine von den wohltönenden Phraſen, die
dem geiftvollen und berebten König beſonders dann zur Ber:
fügung ftanden, wenn es feine Unflarheit und Unentjchlofien-
Heit zu beihönigen und ihm und andere über den Ernft ber
Lage hinwegzutäuſchen galt, fo würde es doch nur von neuem
zeigen, wie wenig biefer Hohenzoller die Geſchichte feines Haufes
und Staates richtig erfaßt und den Beruf Preußens wahrhaft
begriffen hatte. Sollte die gewaltige hiftorifche Arbeit, die
Fürft und Volk hier in zwei Jahrhunderten geleiftet hatten,
nur volbradt fein, um einem unbelannten, fchemenhaften
Deutſchland der Zukunft hingegeben zu werden, von dem, wie
man e3 fi aud denken mochte, doch nur das eine feſtſtand,
daß Bayern, Württemberger, Heſſen, Hannoveraner und Sachſen
feine berufenen Träger zu fein glaubten, und bas demnach im
Grunde nur unpreußiſch, ja antipreußiſch fein Fonnte? Seitdem
war doch in immer weiteren Kreifen bie für viele vecht unbe⸗
hagliche und drüdende Erkenntnis durchgedrungen, zur Gefundung
Deutichlands werde vielmehr umgelehrt das übrige Deut:
and gewifiermaßen in Preußen aufgehen müffen.
Diefer Prozeß begann 1866. Sein Fortgang bildet den
Inhalt ber preußiſchen und ber deutſchen Geſchichte des nächften
LZuftrums, und mit ber Erhebung König Wilhelms zum
Pruß, Preußijge Geihiäte. IV.
434 Sechſtes Buch. Die Jahre der Erfüllung.
deutſchen Kaifer fand er feinen glorreihen Abſchluß. Die Er-
fahrungen von 1866 hatten au bie Gegner Preußens, fo:
weit fie noch ein jelbftändiges politifches Dafein behaupteten,
von feiner Unentbehrlichkeit überzeugt und ihr Rechnung zu
tragen gelehrt. Der fiegreihe Krieg gegen Frankreich tilgte
die legten bitteren Erinnerungen, bie zurüdgeblieben waren,
und ließ Suddeutſchland eine Verbindung fuchen, zu der wenige
Jahre zuvor felbft ein Teil Norddeutſchlands hatte gezwungen
werben müflen. So fehr die Verfaſſung des Norddeutſchen
Bundes jeden Schein einer Abhängigfeit feiner Glieder von
Preußen vermieb und die Fiktion von der Unterftellung aller
unter die in ber Gefamtheit ruhenbe Souveränität des Bundes
durhführte: thatfählih war doch der König von Preußen
Kerr bis zum Main und ihm bereits der Weg geöffnet für
die Erftredung feiner Autorität au über den Süden. Im
Gegenfag zu jenem Wort Friedrich Wilhelms IV. folte nicht
von einer Germanifierung Preußens, ſondern von einer
Boruffifizierung Norddeutſchlands geſprochen werben, ber die
bes Südens folgen mußte. Als Haupt des Norddeutſchen
Bundes verfügte der preußifche König unumfchränkt über deſſen
Heer, Flotte und Feftungen, vertrat durch die von ihm be=
fellten Organe die Gejamtheit gegenüber dem Ausland und
hatte vermöge der Berteilung der Stimmen im Bunbesrate
auch im Innern die ausſchlaggebende Autorität, die alles von
ihm nit Gewollte hindern, das von ihm Gewollte aber auch
gegen anfänglihen Widerftand durchſetzen konnte. Das nord»
deutſche Militärwefen wiederholte die bewährten preußifchen
Einrihtungen. Die Kontingente der kleineren Staaten wurden
duch Anfang 1867 geſchloſſene Militärkonventionen geradezu
Beſtandteile des preußifchen Heeres, dem durch die in Hannover,
Hefien-Naffau und Schleswig-Holftein errichteten Armeecorps
eine mächtige Verſtärkung aus den tüchtigften deutſchen Stämmen
zuwuchs. Aber auch auf anderen Gebieten ftaatlihen Lebens
wurden nun bie bewährten preußifchen Einrichtungen zu deutſchen,
wie namentlih im Poſt- und Telegraphenmweien. Preußiſche
Zucht und Sachlichkeit trat an die Stelle des behaglichen Gehen-
laflens, das der Verwaltung und dem Beamtentum mander
II. Die Erwerbung des Raifertums. 435
Nleinftaaten bisher eigen gemefen war. Ihrer Bevölkerung kam
das anfangs wohl befremblich vor, bald aber erkannte fie bie
Vorteile, welche der ihr erſt fo unſympathiſche preußifche Geift
da mit fi brachte. Gefteigerten Einfluß au auf den Süden
gab diefem die Einbeziehung des nördlichen Teils von Heflen-
Darmſtadt in den Bund und die Einführung der preußifchen
Militärverfaffung in dem ganzen Großherzogtum.
Und e& war nit mehr das alte, in mander Hinficht
engherzige, im Bewußtſein des von ihm Geleifteten oft ſelbſt⸗
genügfame und daher anderen zuweilen unbequeme Preußen-
tum, wie es die Träger des fi) mühſam emporarbeitenben
Militär- und Beamtenftaates verförpert hatten, das jegt Nord⸗
deutſchland organifierte und den Süden an fi zog, ſondern
ein neues, beweglicheres und auch frember Eigenart zugäng-
licheres, das den neuen großen Aufgaben gegenüber eine über-
raſchende Anpafiungsfähigfeit entwidelte. So vermied es viele
von den Fehlern, die 1815 den neuen Provinzen gegenüber
gemacht worden waren und deren Verſchmelzung mit den alten
erſchwert hatten. Bisher arm an wirklich ſtaatsmänniſch ver-
anlagten Beamten ſah Preußen jetzt aus ber jüngeren Gene-
ration eine überrafchend große Anzahl erſtehen. Die Ents
taͤuſchungen der neuen era, die Erfahrungen der Konfliktszeit
und bie großen Erfolge von 1866 hatten gerade auf bieje
Kreife befreiend gewirkt und eine geiftige Verjüngung des
Beamtentums eingeleitet, die zu deſſen alten Vorzügen eine
Reihe glänzender neuer fügte. Auch auf die Armee hatte der
Ernft des Krieges ähnlich gewirkt: au da wurde hinfort neben
der Form ber Geift mehr betont und der Individualität des
Einzelnen freiere Bethätigung gewährt. Infolgedeſſen fielen
die Schranken, die bisher und namentli in der Konfliktszeit
Armee und Volt getrennt hatten, und das durch die fo heiß
umftrittene Reorganifation zum erften ber Welt erhobene Heer
wurde troß der veränderten Stellung der Landwehr eine natio-
nale Inftitution, die von allen mit gleicher Liebe und Be:
geifterung gehegt wurde.
Das alles geftaltete auch die parlamentariſche Entwidelung
der nächſten Jahre im ganzen höchſt erfreulih. Die bewährte
436 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
Tüchtigfeit der durch ſchwere Zeiten geftählten Schleswig⸗
Holfteiner, die geiftige Beweglichkeit der durch eine ähnliche
Schule gegangenen Hannoveraner, die Weberzeugungstreue ber
von ſchmachvollem Drud erlöften Heilen und bie thatenfrohe
Friſche der temperamentvollen Nafjauer, froh der Befeitigung
der Kleinftaaterei, verbanden fi) mit der ernfteren, minder
anpafjungsfähigen und beweglichen altpreußiſchen Art, die ſich
von ben Erinnerungen an ben Konflikt noch immer nicht ganz
frei halten fonnte, zu erfolgreihem Zufammenwirken. Ihm
entſprang eine große geſetzgeberiſche Thätigkeit, die auf mehr als
einem Gebiet auch Preußen ala Teil des Norddeutſchen Bundes
die endlihe Erfüllung alter liberaler Forderungen gewährte.
Auch feine Entwidelung holte jegt lange Verfäumtes nad
und fam mit der ganz Norddeutſchlands in fhnelleren Gang.
Ein Menſchenalter war vergangen, feit ber preußiſche
Zollverein, ohme bewußte Tendenz zu nationaler Einheit ber
gründet, die wirtiaftlihe Einigung Deutſchlands angebahnt
hatte. Zum deutſchen Zollverein erweitert, hatte er unter
Preußens energifcher Leitung aud die Krifis glüclich über:
ftanden, welche die Handeleverträge mit Frankreich und Defters
reich veranlaßten (S. 407). Da der letztere nad) dem Frieden
nur vorläufig galt, entſtand für Suddeutſchland die „Gefahr
der wirtſchaftlichen Trennung vom Norden, die es um fo
ſchwerer ſchädigen mußte, als fein Anſchluß an Defterreih nad
Lage der Dinge unmöglih war. Es galt daher trog ber
Mainlinie Deutſchland die wirtſchaftliche Einheit zu erhalten.
Daher erklärte bereits am 4. Auguft 1866 eine Verfammlung
zu Braunſchweig, an ber Vertreter des deutſchen Handels: und
des Nationalvereins fowie der wirtſchaftlichen Vereinigung teils
nahmen, auf Antrag Karl Brauns aus Wiesbaden, die wirt:
T&haftliche Einigung mit den ſüddeutſchen Staaten müſſe aufrecht
erhalten, ihre Leitung der oberften Behörde des Norddeutſchen
Bundes übergeben und die Teilnahme an der Bollgejeßgebung
einem Zollparlament eingeräumt werben, zu dem fi durch
allgemeine direkte Wahlen ernannte Vertreter der ſuddeutſchen
Staaten mit dem Norddeutſchen Reichstag vereinigten, — ein
Gedanke, den Bismarck bereits 1858 ausgefproden und zur Ver:
II. Die Erwerbung bes Raifertums. 437
wirklichung in dem damaligen Zolverein dringend empfohlen
hatte. Auch wurde am 8. Juli 1867 in Berlin der betreffende
Vertrag mit den ſüddeutſchen Staaten gefhloffen und am
27, April 1868 das erfte Zollparlament eröffnet. Wieder ging
die wirtſchaftliche Einigung der politifhen voran. Dazu aber
wurde jegt die bundesftaatlihe Organifation Norddeutſchlands
auf ganz Deutfchland übertragen. Wenn dabei der Braunſche
Antrag diefe Ordnung zunähft nur bis 1870 hatte gelten
lafien wollen, um die fübbeutfhen Staaten dann vor die
Wahl zu ftellen, ob fie aus der Zolleinigung ausſcheiden ober
auch politiſch fih endgültig mit dem Norbdeutichen Bunde
einigen wollten, fo wurbe er durch die Ereignifje bald überholt.
Obgleich die preußiſchen Siege die Empfindlichkeit bes
franzöſiſchen Volles fehmerzten und die Kaiferlihe Regierung
durch den üblen Ausgang des merxikaniſchen Abenteuers vollends
gebrängt wurde, fie durch anderwärts gewonnene Erfolge zu
beſchwichtigen, jo geftaltete fi) doch das Verhältnis Preußens
und Frankreichs nach der Begleihung der Luxemburger Frage
(S. 430) äußerlich günſtig. König Wilhelms Beſuch der
Pariſer Weltausftellung 1867 ſchien jede Verwidelung aus-
zufcließen. Sn der Stille aber verfolgte die franzöfifche
Politik andere Ziele, darin namentlih von Wien aus beflärkt.
Dort hatte der ehemalige ſächſiſche Minifter v. Beuft die
leitende Stellung gewonnen. Er verfchmerzte es nicht, mit
feinen mittelftaatlihen Entwürfen gejcheitert zu fein, und daß
Bismard mit ihm als dem erbittertften Feind Preußens zu
verhandeln abgelehnt hatte (S. 424), gab feinen Beftrebungen
zur Wieberherfiellung der öſterreichiſchen Macht einen ftarfen
perfönlihen Antrieb. Wenn er durch die Verfühnung von
Defterreih und Ungarn auf dem Boden des Dualismus ber
habsburgiſchen Monarchie neuen Halt gab, mochte ihr Schwer-
punft dabei auch wirklich, wie einft Bismard geraten hatte
(S. 397), nad Oſten verlegt werben, fo wollte er fie dadurch
namentlich befähigen, die Niederlage von 1866 wett zu maden.
Das erforderte aber auch die Trennung Staliens von Preußen.
Der einleitende Schritt war ber Beſuch, den das franzöſiſche
KRaiferpaar im Auguft 1867 Franz Zofeph in Salzburg machte,
438 Sechſtes Buch, Die Jahre der Erfüllung.
um ihm feine Teilnahme an dem dur Frankreichs Perfidie
verſchuldeten tragiſchen Ende feines zum Kaiſer von Meriko
gemachten Bruders Marimilian zu bezeigen. Bon irgend
welhen der neuen Ordnung Deutſchlands feindlichen Plänen
follte dabei natürlich nicht die Rede gewejen fein, eine Er-
Märung, von der Bismard durch ein Rundſchreiben vom
7. September mit Befriedigung At nahm, indem er gleich:
zeitig den Anſchluß der fübdentihen Staaten an ben Nord»
deutſchen Bund für eine ausfchließlich innere deutſche Angelegen-
beit erklärte. Auch ſchien eine perfönlihe Begegnung Kaifer
Franz Joſephs mit König Wilhelm am 22. Oftober in Dos
bei Baden Oeſterreichs frieblihe Abfichten zu verbürgen.
Aber die Kriegspartei in Paris ſowohl wie in Wien
arbeitete weiter, gefördert durch den wachſenden Einfluß Beufts
und die feigende Unruhe des franzöfifchen Volle. Schon im
Juni 1869 ſchien fie am Ziele, als das jo gut wie fertige
Bündnis Defterreihe, Frankreichs und Staliens doch nod
ſcheiterte, weil Napoleon III. aus Scheu vor den Klerikalen fi
weigerte, Rom den Stalienern zu überlaflen. Nach ben Er-
Härungen aber, welhe damals zwiſchen ben beiden Raifern
brieflih ausgetauſcht wurden, ſchien für die Zukunft ber
geringfte Anlaß zu genügen, um auf Grund des gewonnenen
Einverftändnifjes die Allianz alsbald ins Leben zu rufen.
ebenfalls bewies es eine völlige Verkennung der Lage, wenn
im Oftober 1869 Virchow im Abgeorbnetenhaufe den Antrag
ftelte, zur Herabminderung der Militärlaft des Norddeutſchen
Bundes möge Preußen diplomatifh für eine allgemeine Ab⸗
rüftung eintreten. Er leiftete höchſtens den Gegnern Preußens
Vorſchub, da er feine Wehrkraft zu mindern verhieß. Denn
nur darauf war es abgefehen, wenn im Februar 1870 Franke
reich vorſchlug, durch Entwaffnung beider Teile die Kriegs—
gefahr abzuwenden. Die Zumutung wurde troß englifher Bes
fürwortung von Bismard gebührend zurückgewieſen. War doc
eben um jene Zeit Erzherzog Albrecht, der militärifhe Haupt»
vertreter der Beuſtſchen Kriegspolitit, nad Paris geeilt, um
die gemeinfhaftlihen Operationen gegen Preußen zu verein-
baren, und im Juni überreichte infolgebeilen ber franzöſiſche
II. Die Ermerbung des Raifertums. 439
General Lebrun in Wien bereits den Plan dazu. Frankreich
ſollte die Aktion zwar beginnen, aber Zeit zu gewinnen ſuchen,
um Defterreih und Italien die Vollendung ihrer Rüftungen zu
ermöglien. Daraufhin fheint der Angriff für Ende Juli be—
ſchloſſen geweſen zu fein. Doch durchkreuzten bie Ereignifle
biefes Vorhaben, indem fie der franzöfiichen Regierung zwar
einen erwunſchten Vorwand zum Kriege boten, fie zugleich
aber durch die zu früh entfeflelte öffentliche Meinung zu einer
Uebereilung brängten, bie fie offenbar ins Unrecht fegte und
fo Preußen eben der moralifchen Vorteile verfiherte, die man
ihm hatte entziehen wollen, um Deutſchlands einmütigen An-
ſchluß zu hindern.
Den Anlaß dazu gaben befanntlih die Vorgänge in
Spanien, wo nad der Verjagung ber Königin Iſabella 1868
die Cortes bie Berufung eines fremden Fürften auf den Thron
erwogen. Unter den Kandidaten dafür befand ſich glei) an-
fange Erbprinz Leopold von Hohenzollern, ber Sohn des
Fürften Anton, der auch geneigt war, dem Rufe zu folgen.
Wie er dazu gekommen, ift Fontrovers. Daß, wie neuerdings
behauptet if, Bismard dabei die Hand im Spiel gehabt habe
in der Abfiht, Frankreich herauszuforbern und zu vorzeitigem
Losfhlagen zu veranlaſſen, ift jedenfalls nicht bewiefen worden.
Auch würde ein fo verwegenes Spiel gerade mit feiner vor-
fihtig abwägenden Gemifienhaftigkeit, welche, jo entſchieden er
biefen Krieg für unvermeidlich hielt, Doch das ungeheure Wagnis
besfelben voll erkannte, nicht im Einklang ftehen, zumal er
des fpanifchen Volkes doch nicht gewiß war. Hätte er nur
den Krieg provozieren wollen, er hätte bazu einfachere und
fiherer wirkende Mittel gehabt. Aber eben weil bie Ausein-
anberfegung mit Frankreich bereinft erfolgen mußte, konnte er
der fpanifhen Königswahl auch nicht teilnahmlos gegenüber
fiehen. Hat er die Kandidatur des Hohenzollern auch nicht
veranlaft, jo durfte er doch die Möglichkeiten nicht außer acht
laſſen, die fie Preußen erſchloß, und that nur feine Pflicht,
wenn er fie benugte. Er will dabei nur hanbelspolitifche Ziele
im Auge gehabt haben: näher aber lagen bod bie Vorteile,
die beim Ausbruch eines Krieges mit Frankreich Preußen er-
440 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfülung.
wachſen mußten, wenn in Spanien ein Hohenzoller regierte,
mochte diefer auch neutral bleiben. So konnte die hohen-
zollernſche Kandidatur ihm nur willkommen fein. Aber was
fi durch fie Frankreich gegenüber gewinnen ließ, mußte die
Zukunft Iehren: jedenfalls durfte ein preußifher und deutſcher
Staatsmann eine fo günflige Fügung nit unbenugt laſſen,
mochte fie herbeizuführen weder in feinem Willen, nod in
feinem Vermögen gelegen haben.
Zunãchſt, wie es ſchien, raſch wieder aufgegeben, wurbe
die Erhebung Leopold von Hohenzollern auf ben fpanifchen
Thron eben um bie Zeit wieber ernſtlich ins Auge gefaßt,
als im Frühjahr 1870 die Kriegspartei ſowohl in Paris wie
in Wien gefiegt und man, wie es foheint, hier wie dort für
den Sommer loszufchlagen beflofien hatte. Während Bismard
mit der Ruhe bes Schachfpielers die weiteren Züge der Gegner
abmartete, gemillt, nicht zu provozieren, aber Preußen auch
feinen Gewinn entgehen zu laſſen, jah ber König in ber
Kandidatur „einen Blitzſtrahl aus heiterem Himmel“. Denn
fie enthielt für ihm die Gefahr eines fehweren, feinem Aus:
gang nad) zweifelhaften Krieges, den abzuwenden er jedes mit
feiner und Preußens Ehre vereinbare Mittel für zuläffig hielt.
Mit einer ſolchen Auffaflung der Lage trat er in einen ge=
wiffen Gegenfag zu feinem Minifter, und bie Gefahr war
nit ausgeſchloſſen, daß ihre Wege fih darüber trennten.
Selten bat fi fo wie in den folgenden kritiſchen Tagen das
perfönlide Moment ale ausjchlaggebend in der Geſchichte be=
thätigt.
Als aber der Prinz die Kandidatur, für die ihn den
Spaniern fein Katholizismus und die Verſchwägerung mit dem
Könige von Portugal empfahlen, trog feines Abratens an»
nahm, ließ König Wilhelm feinen Widerſpruch fallen, und
am 4. Juli beſchloß das fpanifche Minifterium unter General
Prim, der Zuftimmung der Cortes gewiß, dem Hohenzollern
die Krone anzubieten. Da erhob die franzöfifche Regierung
Widerſpruch, indem fie den üblen Eindrud diefer Wahl be-
tonte, ber bie preußifhe Regierung völlig fremb zu fein er=
Härte, that aber nichts, fie zu hindern, während die Preſſe
U. Die Erwerbung bes Kaifertums. 441
gegen die vermeintliche Bebrohung Frankreichs eiferte. Die
dadurch gefteigerte Erregung der öffentlichen Meinung machte
folgen Eindrud auf den Kaifer der Franzoſen, daß er, als
eine Interpellation die Sache am 5. Juli im Geſetzgebenden
Körper zur Sprache brachte, gegen den Rat feiner Minifter
erflären ließ, bei aller Achtung vor den Rechten der befreundeten
ſpaniſchen Nation könne Frankreich doch nicht ruhig zufehen,
wie eine fremde Macht die beftehenden Machtverhältnifie einfeitig
zu ihrem Vorteil ändere, indem fie einen ihrer Prinzen auf
den Thron Karls V. erhebe, es erwarte, daß es dazu nicht
kommen werde, fei jedoch anderenfalls entſchloſſen, feine Pflicht
zu thun. Alſo bedeutete, wie König Wilhelm gefürchtet, die
Wahl des Prinzen wirklich den Krieg. Paris begrüßte dieje
Kundgebung mit wildem Jubel. Man war überzeugt, die
Kandidatur fei einer Intrigue Bismards zuzufcreiben, und
alles Ableugnen der ſpaniſchen Regierung änderte daran nichts.
Doh erklärte der Minifter des Auswärtigen, Herzog von
Grammont, noch am 8. Juli dem englifhen Botſchafter Lord
Loftus, um ben Frieden zu fihern, genüge der Verzicht des
Prinzen. Auch ſtellte König Wilhelm am 9. Juli in einer
Unterredbung mit dem Botſchafter Benebetti der franzöſiſchen
Regierung anheim, ihren Einfluß in Madrid in biefem Sinne
geltend zu maden, und verſprach den Prinzen und feinen
Vater an dem Widerruf ihrer früheren Bufage nicht zu hindern.
Daher ſchien, als am 12. Juli der Fürft von Hohenzollern
wegen ber Vermidelungen, bie fie herbeigeführt, im Namen
feines Sohnes auf die Kandidatur verzichtete, die Gefahr des
Krieges abgewandt. An demjelben Tage gab jedoch das Parijer
Kabinett der Sache eine Wendung, die barauf angelegt war,
zur Befriedigung ber Eitelteit des franzöſiſchen Volkes den
Schein einer Demütigung Preußens, ja König Wilhelms felbft
bervorzubringen. Zu völliger Begleihung des Zwiſchenfalls
verlangte es von dem preußiſchen Gefandten v. Werther, der
König, der zur Kur in Ems weilte, ſolle dem Kaifer brieflich
erflären, er habe die Annahme der Thronkandidatur nur ge
fattet, weil er ihre ungünftige Aufnahme in Frankreich nicht
vorhergeſehen habe, fimme daher dem Verzicht bei und hoffe
442 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
dadurch jede Trübung des Verhältnifies zu Frankreich abgewandt
zu fehen. Was diefe auf den erflen Blick unverfänglid
ſcheinende Forderung bezwedte, wurde Mar, ala infolge einer
durch ein Faiferliches Schreiben veranlapten Weifung Grammonts
an bemjelben 12. Juli Benebetti von dem König forberte, er
folle nit nur den Verzicht gutheißen, fondern aud eine
Wiederaufnahme der Kandidatur nicht zuzulafien verſprechen.
In einer Unterredung auf der Brunnenpromenade am Morgen
bes 13. Juli lehnte der König, zumal inzwiſchen bie Nachricht
von dem Verzicht des Prinzen beftätigt war, eine folde Er⸗
Märung ab, die ihn ohne Rüdficht auf eine mögliche Aenderung
der Lage für alle Zeit gebunden hätte: unberechenbaren Even-
tualitäten gegenüber müfle er fi bie Freiheit des Entſchluſſes
wahren, fo jehr er wünfche, dieſe Angelegenheit, die ihm ſchon
fo ſchwere Sorgen gemacht, endgültig beglichen zu jehen. Der
inzwiſchen eingelaufene Bericht Werthers und die amtliche
Meldung von dem Verzicht des Prinzen beftärkten ihn in biejer
Auffaffung. Er ließ Venedetti wifen, die Sache fei für ihn
num abgethan. Als aber Benebetti auf ausbrüdliche Weifung
aus Paris nohmals eine Audienz nachſuchte um namentlich
über die Zufage für die Zukunft eine Erklärung oder die
Wiederholung der bereit? gegebenen zu erhalten, ließ er ihn
auf feine legte Erflärung verweifen. Auf das trogdem erneute
Anbringen des Botjchafters Iehnte er endlich weitere Erörte-
rungen über eine Zufage für die Zukunft für feine Perfon
ab, empfing jedoch Benebetti, der ſich dabei beruhigte, noch
am Morgen des 14. Juli auf dem Bahnhofe vor der Abreife
nad Koblenz und Berlin, die ſchon früher für diefen Tag feit-
gefegt war, und wiederholte dabei, daß er ihm nichts weiter
zu fagen babe, verwies ihn jedoch wegen etwaiger weiterer
Verhandlungen an fein Minifterium.
Nah diefen Vorgängen in Ems lagen die Tinge demnach
am Morgen des 14. Juli fo: perjönlich hatte König Wilhelm
die ihm zugemutete ihn in der fpanifchen Frage für alle Zeit
bindende Erklärung zwar abgelehnt, zugleich aber durch den
Hinweis auf weitere Verhandlungen eine Verfländigung auf
Grund ber legten franzöfifchen Forderung wenigftens als mög»
I. Die Ermerbung des Kaiſertums. 443
lich zugelafien. Das fonnte in Paris als ein Erfolg gebeutet
werden, ber fi zur Befriedigung der Eitelkeit des gereizten
franzöfiihen Volkes aufbaufchen ließ. Seine Friedensliebe hatte
den edlen Fürften zu einem Schritt beftimmt, der eine De»
mütigung Preußens befürchten ließ, da er Napoleon zu bes
baupten berechtigte, erft auf dem geforberten unbeſchränkten
Verzicht auf die Hohenzollernkandidatur habe er die Waffen
ruhen laſſen. Diefer Ausgang, den herbeizuführen des arglofen
Königs Ehrgefühl abfolut fern lag, hätte Preußens Anfehen
unbeilvol gejhädigt und die volle Einigung Deutſchlands in
weite Ferne gerüdt. Endgültig abgewandt aber wäre ber
Krieg mit Frankreich auch fo nicht, jondern hätte nur jpäter
und vielleiht unter minder günftigen Umftänden geführt werden
müffen und ohne daß Preußen die moralifhen Momente fördernd
zur Seite ftanden, die in dem beutfchen Wolfe zu vollfter
Wirkſamkeit zu entfeffeln, Frankreichs Anmaßung jegt erwünfchte
Gelegenheit bot.
Diefe Erwägungen beftimmten Bismard bei der Art, wie
er die Emfer Vorgänge in die Deffentlifeit brachte: er wollte
das deutſche Nationalgefühl entfejleln, um Frankreich entweder
zum Einlenfen oder zur Aufnahme bes Kampfes mit dem durch
die Herausforderung vollends geeinigten Deutjchland zu nötigen.
Entſchloſſen, eher zurüdzutreten, als einen als Zurüdweichen
Preußens beutbaren Schritt zu thun, gab er daher ber Depeſche,
in ber ihm der Geheime Legationsrat Abeken das in Ems
Geſchehene berichtete, zum Zwed ber ihm vom König frei—
geftellten Veröffentlihung auf Grund einer mit Roon und
Moltke gepflogenen Beiprehung der Lage durch Kürzung, aber
ohne fonftige Aenderung, eine Faflung, die das Verlegende
in dem Verfahren Frankreichs ſcharf hervortreten ließ und jede
Nachgiebigkeit ausſchloß, alfo auch Verhandlungen, auf bie der
König Benebetti zulegt verwieſen hatte. Sehr mit Unrecht
bat man ihn deshalb beſchuldigt, er habe eine Art von Fälſchung
begangen, um ben Krieg, ben er wollte, des Königs Verföhn-
lichkeit aber in Frage flellte, zu erzwingen. Vielmehr hat er
fih darin nur als den berufenen Sprecher ber deutſchen Nation
bewährt und, was deren Millionen vol Unmut und Sorge
444 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
empfanden, in befreienden Worten zum Ausdrud gebradit.
Durch ihn wurde die Emfer Depeche, die in ihrer urfprüng-
lichen Faflung an feines Töniglihen Herrn Entſchloſſenheit zu
rüdfitslofer Wahrung des deutſchen Anfehens zweifeln laſſen
tonnte, wie in jugendlicher Kampfluſt erglühend Molkte jagte,
zur Fanſare, die alles begeiftert zum Kampfe fortriß.
Demgemäß weigerte Bismard fi das ihm inzwiſchen
durch v. Werther übermittelte franzöfiiche Verlangen nad) einer
Preußen für die Zukunft bindenden Erklärung des Königs
diefem überhaupt vorzulegen: ber franzöfifche Botſchafter möge
das ſelbſt thun. Gab doch auch der engliſche Botfchafter,
Lord Loftus, zu, das deutſche Nationalgefühl ſei durch Frank⸗
reich verlegt, ber Friebe alfo nur zu erhalten durch Einlenfen
von feiner Seite. Unter diefen Umftänden ließ die franzöſiſche
Regierung nicht bloß den Vorſchlag eines europäiſchen Kongreſſes
fallen, fondern machte au dem immer mehr erhigten Kriegs»
eifer der fiegesgemifien Parifer ein verhängnisvolles Zugeftänd-
nis, indem fie am Abend bes 14. die Einberufung der Referven
verfügte. Trogdem fellte fie Preußen als ben herausforbernden
Teil dar, es follte Frankreich beleidigt haben, da in ber den
preußiſchen Geſandten mitgeteilten Bismardiden Redaktion
ber Emfer Depefche berichtet ſei, der König habe fich geweigert,
Benebetti nochmals zu empfangen und ihm durch den Adjutanten
erflären laſſen, daß er ihm nichts weiter zu fagen habe —
ein Sinn, der nur durch gefliffentliche Entftellung und Zer-
teißung bes Zufammenhanges den ganz unverfänglien Worten
angedichet werden konnte. Der Erfolg diefer Unwahrheit bei
den Franzofen war volftändig: Die geforderten Mittel zum
Kriege wurden einftimmig bewilligt, und bie Scharen, die
jubelnd Paris durchzogen, fahen Preußen bereits am Boben
und ihre fiegreihe Armee in Berlin.
König Wilhelm dagegen mochte noch immer nit an die
Wirklichkeit eines fo grunblofen, frevelhaft heraufbeſchworenen
Krieges glauben. Die Unmöglichkeit einer Verfländigung ging
ihm erft auf, als er nad kurzem Beſuch in Koblenz am
Abend des 15. Juli, auf der ganzen Reife getragen von bem
Jubel des von ber Größe des Augenblids erfüllten Volkes,
U. Die Erwerbung des Kaiſertums. 445
bei der Ankunft in Berlin von dem Kenntnis erhielt, was
im Laufe des Tages in Paris geſchehen war. Noch in der
Nacht wurde die Mobilmachung verfügt und der Reichstag auf
den 19. Juli berufen. Ein Vermittelungsverfuh Englands
ſcheiterte, da Frankreich feine Annahme verweigerte, von ber
Bismard Preußens Eingehen darauf abhängig machte. Am
20. Juli bewilligte der Norddeutſche Reichstag den geforderten
Kredit von zwanzig Millionen Thalern und ftellte in einer
von dem Hannoveraner Miquel entworfenen Adrefie in bes
geifterten Worten Gut und Blut zum Kampf für Deutſchlands
Ehre zur Verfügung. Eine ſchwere Enttäuſchung für Frankreich
mar es, daß auch Suddeutſchland vorbehaltlos für den Krieg
an der Seite des Norddeutſchen Bundes eintrat, nachdem ein
Verſuch der bayriſchen Patriotenpartei ihre Regierung zunächft
auf eine zweibeutige bewaffnete Neutralität feitzulegen, an
dem Abfall einiger der Ihren gefcheitert war. Was es zu vers
hindern gedacht, hatte Frankreich nur zu fehnellerer Vollendung
getrieben: unter Preußens Führung fland ganz Deutſchland
gewafinet, um .feinen rechtloſen Angriff abzumehren und dann
mit ihm eine fpäte, aber gründliche Abrechnung zu halten.
Wer der Friedensbrecher war, bewies fhon das eine, daß das
einzige Schriftftüd, das die preußifhe Regierung in biefer
Angelegenheit von ber franzöfiichen erhalten hatte, die Kriegs-
erklärung war.
Es folgten unvergleichlich herrliche Tage einmütigfter und
freubigfter nationaler Erhebung. In dem Bewußtjein, einem
ebenbürtigen Feinde zu begegnen, ergriff das deutſche Volk die
Waffen ohne Ueberhebung und mit heiligem Ernſt, aber voller
Zuverfiht auf fein gutes Recht und im Vertrauen auf die
preußifche Führung. In Süddeutſchland gewann die Helden⸗
getalt des preußifhen Kronprinzen, der dort den Oberbefehl
übernahm, im Fluge aller Herzen: jede Erinnerung an bie
früheren Gegenfäge zwifchen Nord und Süb war geſchwunden.
Die Tage ber Freiheitsfriege ſchienen herrlicher erneut. Am
19. Juli fellte der König für diefen Krieg das eiferne Kreuz
wieber ber, und um dem Bemühen ber Gegner, im Innern
Zwietracht zu fäen, jede Ausfiht auf Erfolg zu nehmen, erließ
446 Sechſtes Buch. Die Jahre der Erfüllung.
er eine Amneftie, bie auch für die Offiziere der Welfenlegion
(S.431) galt: wer von ihnen ſich jeber Feindſeligkeit zu enthalten
verſprach, erhielt eine preußiſche Penſion. Solche Einmütigfeit
machte auch auf das Ausland tiefen Eindruck. Ein wohl⸗
gemeinter, aber natürlich vergeblicher Vermittelungsverſuch
Papſt Pius IX. feste das Recht Deutfchlands höchſtens noch in
helleres Licht, obgleich Rußlands Borfchlag, die übrigen Groß-
mädjte möchten protofollarifch Eonftatieren, die von Frankreich
als Vorwand zum Krieg benugte Frage fei thatfächlich erledigt,
an Englands Weigerung ſcheiterte, das Frankreich nicht Öffentlich
als Friedenabrecher hinftellen wollte. Um fo größer aber war
der Eindrud, ala Bismard durch die Times den ihm einft
durch Benedetti eingereichten Vorſchlag auf Cinverleibung
Belgiens in Frankreih (S. 430) veröffentlichen ließ und jeden
Ableugnungsverfuch vereitelte, indem er den Geſandten der
Großmächte das Original in der ihnen allen bekannten Hand»
ſchrift des Botfchafters vorlegte. Nun eilte England, Belgiens
Neutralität noch durch befondere Verträge fowohl mit Frank:
reich wie mit Preußen zu ſichern. Dagegen hoffte der unver-
beſſerliche Beuft, feinen Haß gegen Preußen jetzt endlich be»
friebigen zu können. Während er amtlich Defterreiche Neutralität
proflamierte, troß der es freilich ih für jede Eventualität
bereit halten müfle, ließ er in Paris verfiern, Defterreih
betrachte gemäß ben briefliden Erklärungen, welhe die Raifer
1869 gewechſelt (S. 438) Frankreichs Sache als bie feinige
und werde ihren Sieg nad) Kräften förbern. Ohne die Schnellig-
keit der deutſchen Siege würde ſolchen Worten zweifellos die
That gefolgt fein. Auch Italien wurde durch dieſe an der
geplanten Aktion für Frankreich) gehindert, Dänemark aber,
das gern für 1864 Vergeltung geübt hätte, durch Rußland und
England zurüdgehalten. Letzteres freilich unterftügte trotz
feiner Neutralität Frankreich erft offen und auch weiterhin im
geheimen durch Lieferung von Kriegsmaterial aller Art.
Die gewaltige Epopde des deutſch-franzöſiſchen Krieges zu
wiederholen ift bier nicht ber Ort: fie gehört weniger der
preußifchen und deutſchen als der Weltgeſchichte an. Auch wäre
es verfräht, eine zugleih zufammenfaflende und abſchließende
U. Die Erwerbung des Kaiſertums. 447
Darftellung ber Kämpfe zu verſuchen, melde bie Deutfchen
von Weißenburg und Wörth zu den Riefenfämpfen von Meg
und zu bem Gottesgeriht von Seban, vor Paris und dann
weit in das Innere von Frankreich führten, da felbft von
ben kriegeriſchen Ereigniſſen trog amtlicher Berichterftattung
und reicher privater Mitteilungen mande noch Gegenftand
lebhafter Kontroverfe find, von den an entſcheidender Stelle
ausfchlaggebenden politiſchen Vorgängen aber unfere Kenntnis
zum mindeften zu lüdenhaft if, um den Anteil und bie Bes
weggründe ber namentlich mithandelnden Perfönlichkeiten genau
feftzuftellen. Erſt eine fpätere Zeit wird ba Licht verbreiten
und ben tiefern Zufammenhang ber jegt nur halb verſtändlichen
Vorgänge vollends aufklären. Das eine aber fteht feit, daß
ſchon im Beginn des Krieges die öffentliche Meinung fih mit
elementarer Macht dahin äußerte, die Führerfhaft in dem
geeinigten Deutſchland gebühre Preußen, und auch als Form
dafür die Uebertragung des deutfchen Kaifertums auf den
König von Preußen bezeichnete.
Schon in den erften Augufttagen ertönte in Bayern aus
dem Munde bes bisher zur Patriotenpartei gehörigen, jetzt
begeiftert im national:deutfhen Sinne wirkenden Profeſſors
Sepp die Parole, wer Deutihland Elſaß und Lothringen
wiebergewinne, folle deutſcher Kaiſer fein, und fand in dem»
felben Maße jubelnderen Widerhall, ala der überraſchende
Siegeslauf der Heere die Erreichung jenes Ziels erhoffen lieh.
Auch forderte ſchon Damals der Großherzog von Baben ben König
von Bayern auf, im Namen der deutſchen Fürften ben ente
ſprechenden Schritt zu thun, ohne daß er damit Erfolg gehabt
hätte. Nachdem aber der Gang der Ereigniffe die endgültige Eini-
gung Deutſchlands zur Thatſache gemacht hatte und auf Wunſch
ber fübdeutichen Regierungen amtlich über deren Anſchluß an
den Norbbeutfchen Bund, der auch jetzt die Sache an ſich heran—⸗
kommen ließ, unterhanbelt wurde, fand das Kaifertum auch
in Bismard einen entfchiedenen Vertreter. Er jah darin den
paſſendſten Ausdrud für den Zuwachs an Rang und Madit,
der feinem Könige ala dem Präfidenten des deutſchen Bunbes-
ſtaates zu teil wurde, ohne daß dadurch die Bundesfürften,
448 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
obenan die Könige, eine Minderung ihres Anfehens und ihrer
Stellung erfuhren. In den leitenden Kreifen Preußens felbft
aber ftieß ſowohl diefe praftifh politiicde Erwägung, als auch
der nationale Enthufiasmus der Suddeutſchen auf Wiberftand.
Während Kronprinz Frievrih Wilhelm, in geſchichtlich un-
begründeten, romantiſch gefärbten Vorftellungen befangen, die
deutſche Einheit vielmehr in einem deutſchen Königtum ver-
körpert ſehen wollte, dem ſelbſt die Könige ala Herzöge unter-
ftehen und für das im Notfall au außerhalb Preußens wirk⸗
lie Herrſchaftsrechte erzwungen werben jollten — was doch
die junge Einheit gleich wieder gefährdet hätte —, wollte
König Wilhelm, deſſen preußifches Selbftgefühl die Erfolge
gefteigert hatten, bie doch zumeift fein Staat und Volt ermög-
licht hatten, von einem Titel nichts wiſſen, ber biefes Ber-
bältnis zu verhüllen geeignet war und daher der Bebeutung
Preußens nicht gerecht wurde: er ftellte ihn fpottend in Ver⸗
glei mit ber Verleihung des Charakters als Major. Diefe
ablehnenbe Haltung zu erfhüttern, bedurfte es eines fombinierten
Angriffs. Entſcheidend wurde befanntli das von Bismard
nit bloß veranlaßte, fondern auch entworfene Schreiben
König Ludwigs IL. von Bayern vom 30. November, worin
diefer erklärte, ber Uebertragung der nun ganz Deutſchland
umfaſſenden Präfidialrechte auf den König von Preußen unter
der Vorausfegung zugefiimmt zu haben, daß biefelben durch
Wiederherftellung eines deutſchen Reiches und ber deutſchen
Kaiferwürde als Rechte bezeichnet würden, die ber König im
Namen des gejamten deutſchen Vaterlandes auf Grund der
Einigung feiner Fürften ausübe.
Nun erft Fam die Sache unter dem Einverftändnis ber
übrigen Fürften und des Norddeutſchen Reichstages, der am
9. Dezember die den Titel betreffende Verfaſſungsänderung
beſchloß und eine Adreſſe nad Verfailles überbringen lieh,
wirklih in Gang. Doch waren noch mande Schwierigkeiten
zu überwinden, fo daß die Verkündigung des erneuten Kaifers
tums au am 1. Januar 1871, für den man fie gehofft hatte,
nod nicht erfolgen fonnte. Und als das Widerftreben König
Wilgelms felbft endlich überwunden war, wollte er wenigftens
II. Die Erwerbung des Kaiſertums. 449
nicht deutſcher Kaifer, fondern Kaifer von Deutſchland heißen,
obgleich dieſe Fafjung bes Titels ſtaatsrechtlich unzuläffig war,
weil fie ihm eine Hoheit auch über die anderen deutſchen Ges
biete zuſprach, die er nicht hatte. Er vermerkte es ungnäbig,
daß bei den Verhandlungen über bie durch den Eintritt der
Süddeutſchen nötigen Aenderungen an der Verfaſſung bes
Norddeutſchen Bundes bereits thatfählich gegen ihn entſchieden
war, da die Verfaflung nur vom Deutſchen Reihe und vom
König von Preußen als erblihem deutſchen Kaifer fprad.
Sogar jeine enblihe Proflamation zum Kaifer am preußifchen
Krönungstage war dadurd einen Moment in Frage geftellt,
und ſchließlich umging man die Schwierigkeit, indem der Groß⸗
herzog von Baden das Hoch ſchlechtweg auf Kaifer Wilhelm
ausbrachte. In feinem Unmut ließ der alte Herr das Bismard
entgelten, indem er beim Herabſteigen von der Eftrade ihn,
den Schöpfer des Reiches, der eben deſſen Errichtung ber
Welt kundgethan hatte, ſcheinbar überfah und bes verdienten
danfenden Händebruds nicht würdigte. Freilich dauerte es
auch in diefem Fall nicht lange, bis er fich überzeugte, daß
fein treuer Berater wiederum recht hatte und das alte herz
liche Verhältnis zwiſchen ihnen bergeftellt war, und als er
demfelben vierzehn Jahre jpäter A. v. Werners Bild der Kaiſer—
proflamation zum 70. Geburtstage ſchenkte, unterzeichnete er
die es begleitenden Worte freubigfter Anerkennung als befien
„bis über das Grab hinaus dauernd dankbarer treuergebener
Kaifer und König“.
Kaum gibt es noch ein Ereignis, das auch dem trübften
Bid das Walten einer vergeltenden Gerechtigkeit in der Ges
ſchichte fo eindringlich zur Erkenntnis bringen fönnte, wie bie
Kaiferproflamation im großen Spiegelfaal des Berfailler
Schloſſes am 18. Januar 1871. An eben der Stelle, von der
aus zur Zeit ihrer Zerriffenheit und Schwäche Deutſchland und
Brandenburg Preußen am furhtbarften Hohn geboten worden
war, angefihts der Räume, welche die Eitelkeit nachlebender
Geſchlechter mit ber übertreibenden Verherrlichung aller Ruhmes⸗
taten Frankreichs geſchmückt hat, im Borblid auf die von
den fiegreichen deutfchen Heeren eifern umklammert gehaltene
Prug, Preublige Geſchichte. IV. 29
450 Sechſtes Buch. Die Jahre der Erfüllung.
Stadt, die fi) brüftete, das Herz der Welt zu fein, und als
ſolches jelbft im preußifchen Königshauſe Beſchützerinnen fand,
die fie im Bunde mit ausländiſchem Einfluß vor ben beutfchen
Kugeln möglichſt lange zu bewahren gefucht, und auf den
Trümmern der erlogenen Herrlichkeit des an ben eigenen
Sünden rubmlos zu Grunde gegangenen zweiten Raiferreiches,
deſſen Träger als Kriegsgefangener der Deutſchen, von Preußen
bewacht in Wilhelmshöhe ſaß, vollzog fi} in prunklos militärie
ſchen Formen der Akt, der einerfeits die Entwidelung Preußens
in feinem Verhältnis zu Deutſchland glorreich abſchloß, anderer-
feit8 durch die Konftituierung eines Deutſchen Reiches eine
neue Aera einleitete für die Entwidelung Europas. Diefe
Bedeutung wurde dadurch nicht gemindert, daß das Werk ber
Einigung aud damals formell noch nit ganz abgeſchloſſen
war. Denn obgleich die Verträge, durch die Baden und Heflen
dem Norbbeutfchen Bund beitraten, bereits am 15. November,
die für Bayern und Württemberg am 23. und 25. November
unterzeichnet waren, erfolgte im Gegenſatz zu den übrigen
ſuddeutſchen Staaten die verfaflungsmäßige Zuftimmung ber
bayrifhen Kammer erfi am 21. Januar.
II. Im neuen Reich. 1871—1883.
Nodh folgten dem denkwürdigen 18. Januar ſorgenvolle
Zeiten voll ſchwerer Kämpfe, in benen bie von dem genialen
Gambetta zu flaunenswerter Leiftungsfähigfeit organifierte
nationale Verteidigung, die immer neue Heere aufbrachte, muh—
fam und nicht ohne kritiſche Zwiſchenfälle niebergerungen werben
mußte. Erſt als Frankreichs legte Armee unter Bourbaki durch
Manteuffel gefhlagen und auf Schweizer Gebiet überzutreten
genötigt war, erfolgte am 26. Februar in Verfailles der pro-
viſoriſche Friedensfhluß, dem am 10. Mai in Frankfurt a. M.
ber definitive folgte. Er brachte Elfaß mit Straßburg, aber
ohne Belfort, und Lothringen mit Met an Deutfchland zurüd,
Frankreich zahlte eine Kriegsentfhäbigung von fünf Milliarden.
Der alsbald begonnene Ausbau des neuen Reiches übte
auf die inneren Verhältnifie Preußens noch tiefergehenden Ein-
fluß als die Ereigniffe von 1866. Die Verbindung mit Süd-
deutſchland erjchloß ihm eine Füle neuer Anregungen, die
das alte bewährte preußiſche Weſen gleichjam verjüngten und
zu anbersgearteter wirkſamerer Bethätigung erwedten. Die
einfeitige altpreußiſche Art, die zugleich fireng Fonfervativ,
trotz bes Zwiſchenſpiels der neuen Aera, Preußens innere Ente
widelung bis 1866 beherrſcht hatte, reichte ben jetzt geftellten
Aufgaben gegenüber nicht mehr aus und konnte fi) nur dann
in ihrem Einfluß behaupten, wenn fie die nationalen und
liberalen Ideen fih zu eigen machte, auf denen die Reichs⸗
verfaſſung beruhte. Beftand das weitere Aufgehen Preußens
in Deutſchland auch jegt im wejentlihen in ber Ausdehnung
der bewährten preußiſchen Einrichtungen auf die Gebiete des
gemeinfamen Lebens ber im Reihe geeinigten beutfchen Etaaten,
fo ging doch auch wieder mandes von deren Eigenart auf
452 Sechſes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
Preußen über. Der fortireitende Prozeß ber Boruffifizierung
des übrigen Deutſchland fand auch weiterhin fein wohlthätiges
Gegenftüd in dem, was man als Germanifierung Preußens
bezeichnen Fönnte. Darin fahen freilich die ſtrengen Vertreter
des alten Preußentums feinen Gewinn, fonbern eine beflagens»
werte Minderung bes Anfehens und des Einfluffes des führen:
den Staates. War · ein ſolches Gefühl ſchon König Wilhelm
ſelbſt nicht ganz fremd geblieben und einer der Gründe feines
Widerfirebens gegen das Kaifertum geweſen, fo regte es fih
doch befonders ſtark und wurde die mächtigſte Triebfeder ihres
politiſchen Handelns bei den Konfervativen alten Schlages,
die Bismard wie einen Abtrünnigen und bie von ihm ges
ſchaffene neue Orbnung wie ein Stüd Revolution betradhteten.
Ihre daraus entipringende Feindſchaft gegen den Schöpfer der
deutſchen Einheit wurde um fo entfcheidenber für die innere
Entwidelung Preußens, als es für ben Reichsfanzler und
preußiſchen Minifterpräfidenten nunmehr galt, die im Reich
maßgebenden Prinzipien auch in Preußen durchzuführen und
den noch immer ausgeprägt bureaukratifhen Verwaltungss
organismus bes alten Beamtenftaates, für den er nie gef hmärmt
hatte, entſprechend umzugeftalten und auf die Selbftverwaltung
zu gründen. Den Mangel daran, namentli in ben unteren
Schichten, Hatte auch Roon fon Tängft beflagt und durch
Nachweis der daraus entftehenden Nachteile ihre Einführung
gewunſcht. Damit erft wurde an die Anläufe wieber ange-
Inüpft, welche die Reformen ber Stein-Hardenbergſchen Zeit
in der Richtung auf dieſes Ziel genommen hatten. Während
die konſequente Weiterverfolgung des damals eingefählagenen,
dann aber verlafjenen Weges Preußen befähigt haben würde,
auf das übrige Deutſchland eine allmählich erftarfende An-
ziehungskraft auszuüben, hatten die Dinge thatſächlich vielmehr
den Gang genommen, daß Preußen, erft nachdem es zum
Mittelpunkt und Haupt Deutichlands geworden, fi im Innern
in einer Weife liberal umgeftaltete, die ihm die Behauptung
der durch andere Mittel gewonnenen Stellung auch von diefer
Seite her moralif ermöglichte.
Für Bismarck ergab fi) das als notwendige Konfequenz
II. Im neuen Reid. 453
des Geſchehenen. Die Konfervativen alten Schlages beffagten
es als weitere Ronzeffion an ben Liberalismus, zu deſſen Vor-
teil das allgemeine Wahlrecht die gebietende Stellung des
Adels der ländlichen Bevölkerung gegenüber ohnehin ſchon
{wer erfüttert hatte. Sie vermochten da nicht ſich auf bie
Höhe ber freiheitlihen Gedanken zu erheben, welde die Ein-
beit des Reiches allein ermöglicht hatten. Indem fie die von
deren Schöpfer willig anerkannten Konfequenzen befämpften,
brängten fie die Entwidelung Preußens in einen Gegenſatz zu
der bes Reiches und gefährdeten dadurch bie eine wie bie
andere. Diefer Kampf gab den nächſten Jahren ihre Signatur,
nötigte ben leitenden Staatsmann mehr aus taktiſchen Gründen
als aus politiſcher Ueberzeugung zu engerem Anflug an die
liberalen Parteien und gewährte dieſen einen in Preußen bis-
ber unbefannten Einfluß auf die Gefeßgebung.
Im gentrum ftand die Neugeftaltung ber Verwaltung
durch die Kreisorbnung bes Grafen Frig Eulenburg, ber fogar
von den höheren Verwaltungsbeamten manche offen entgegens
wirkten. Nach heftigen Kämpfen im Abgeorbnetenhaufe am
23. März 1872 angenommen, wurde fie vom Herrenhaus Ende
Oktober abgelehnt. Je Iebhafter der König diefem das „Loyale,
fefte und fonfequente Verhalten” dankte, das es in der Konflifts-
zeit beobachtet hatte, um fo tiefer empfand er jegt eine ſolche
Oppofition: durch fein hämiſches Gebaren gegen bie Krone
hatte das Herrenhaus ſich in feinen Augen „gerichtet“. Zudem
drohte trog einiger entgegenfommenben Aenberungen dem Ent:
wurfe aud bei der Wiebereinbringung das gleihe Schidfal.
Wußte fi die Oppofition doch in manden Punkten mit den
Miniftern Roon und Selchow eins, fo daß fie mit der Möglich-
feit eines Zwieſpalts im Minifterium reinen konnte. In voller
Erkenntnis der folgenreihen Entſcheidung, bie es zu treffen
galt, da fie den Staat auf lange Zeit erfhüttern ober be
feftigen mußte, entſchloß fi der König unter Vermeidung ber
fonft nicht zu umgehenden Umgeftaltung der ganzen Inſtitution
auf Andrängen Bismards und Eulenburgs dazu, das Verhältnis
der Parteien im Herrenhaus zu gunften der Regierung durch
einen Pairsſchub zu ändern, Am 30. November berief er 72 neue
454 Sehfted Bud. Die Jahre der Erfüllung.
Mitglieber in das Herrenhaus, — eine Mafregel, bie von den
Konfervativen wie ein Staatsftrei beklagt wurde. Nun er:
folgte am 7. Dezember die Annahme der Kreisorbnung. Sie
legte den Grund zur Gelbftverwaltung. Denn es traten
in den Kreifen, deren jeder ebenfo wie jede Stadt von 25 000
und mehr Einwohnern hinfort einen Kommunalverband bildete,
dem bisher eigentlih unumſchränkten Landrat ein Kreistag
und ein von biefem gewählter Kreisausfhuß an bie Seite:
das Repräfentativfyftem fand aljo bereits im Hleinften Berwal-
tungslörper Anwendung. Den größten Fortſchritt aber bes
zeichnete die Einführung von Verwaltungsgerihten für Ver—
waltungsftreitfachen, die bisher bie Regierung, obgleich doch
meiftens ſelbſt Partei, entſchieden hatte. Auf diefem Fundament
wurbe weiter gebaut: ben Abſchluß bezeichnet das Geſetz vom
29. Juni 1875 über die Provinzialordnung. Auch da griff
vermöge des Repräfentativfgftems die Selbftverwaltung Plag.
Die von den Kreistagen gewählten Vertreter der Landkreiſe
bilden gemeinfam mit ben von den Magiftraten und Stabts
verorbneten ber Städte ber Provinz gewählten Abgeorbneten
den Provinziallandtag, der wenigftens jedes zweite Jahr zu-
fammentritt. Er wählt den Provinzialausſchuß und ben Landes-
bauptmann, die gemeinfam die Geidäfte der provinziellen
Selbftverwaltung beforgen. Durch ein Gefeg vom 8. Juli 1875
wurden bie Provinzen, wie es Bismard bereits 1868 troß
des Widerſtands der Konfervativen für Hannover durchgeſetzt
hatte (S. 429), aus Staatsmitteln mit den nötigen Fonds
ausgeftattet, über deren Verwendung nad) den Vorlagen bes
Landeshauptmannes und des Ausfchufles der Provinziallandtag
zu befinden hat. In gleicher Weife wurbe das in ben Kreifen
bewährte Syftem ber Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das
Gefeg vom 3. Juli aud auf die Provinzen ausgedehnt und
für die ganze Monarchie einheitlich abgeſchloſſen durch die
Erritung eines Oberverwaltungsgerichts in Berlin als ber
höchſten Inftanz für alle derartigen Streitſachen.
Auch fonft hatten die Konfervativen damals böfe Tage.
Einmal fpaltete fi die Partei, indem die der nationalen
Politik Bismards und ihren Konfequenzen Zuftimmenden eine
II. Im neuen Reid. 455
befondere Gruppe bildeten. Dann wurde ihr Anfehen ſchwer
geſchädigt durch die bedenkliche Rolle, die einige ihrer Mit-
glieder bei den ſchwindelhaften Gründungen fpielten, welde
die durch das Zuftrömen der franzöfiihen Milliarden entfeſſelte
Ueberfpefulation ins Leben rief, namentlih im Gebiet des
Eijenbahnbaus, wo bie erften Erwerber der von der Regierung
auf übertreibende Proſpekte Hin erteilten Konzeffionen Millionen
einftrihen, die eigentlichen Aftionäre aber infolge der Uns
rentabilität oder der Unausführbarkeit der geplanten Bahnen
Hab und Gut verloren. Nun bradte das Jahr 1873 eine
{were finanzielle Krifis, welder der leihterworbene Reichtum
gewiffenlofer Gründer zugleih mit den mühjam gefammelten
Sparpfennigen bes Heinen Mannes zum Opfer fill. Am
14. Januar 1873 enthülte der Abgeorbnete Lasker bei ber
Beratung einer Eifenbahnanleihe dieſes Treiben, dem ber
Minifter Itzenplitz durch forglofe Bequemlichkeit in der Ge
ſchãftsfuhrung unwiſſentlich Vorſchub geleiftet Hatte. Die Wider:
legungsverſuche des Minifteriums, dem feit Beginn des Jahres,
um Bismard zu entlaften, Roon präfidierte, mißlangen gegen-
über dem von Lasker beigebraditen wuchtigen Beweismaterial.
Daß der damalige erfte Rat im Auswärtigen Amt, ber einftige
Redakteur ber Kreuzzeitung Wagener, in Gemeinſchaft mit
dem Fürften von Puttbus und dem Prinzen Biron von Kur:
land als befonders eifriger Teilnehmer an derartigen Unter»
nehmungen erwiefen wurde, madte, wenn aud eigentlich
Strafbares ‚nicht vorlag, den übelften Eindrud, den ſelbſt
Roons energifches Einſchreiten nicht völlig verwiſchen konnte.
Kam die auf Antrag der Regierung eingeſetzte Unterfuhungs«
tommiffion aud nicht zu einem formellen Abſchluß ihrer Arbeit,
fo wirkte ber ganze Vorgang doch wie ein reinigendes Ge:
witter und bewahrte das hohe Beamtentum vor weiterem
ſelbſtverſchuldetem Schaden. Diefe Vorgänge Ioderten vollends
die Verbindung zwiſchen Regierung und Konfervativen, die
auch die Wahlen im November 1873 etliche Sige Fofteten.
Bejonders aber galt ihre Feindſchaft dem Finanzminiſter
Camphaufen, der im Herbft 1869 v. d. Heybt erſetzt hatte,
als diefer ber in einem wachſenden Defizit zu Tage tretenden
456 Sechſtes Buch. Die Jahre der Erfüllung.
finanzielen Schwierigkeiten nicht mehr Herr werben konnte,
da bie von ihm durchgemachte lange Reihe von Bandlungen
feine perſonliche Autorität ſowohl der Volfsvertretung wie ber
Finanzwelt gegenüber geſchädigt hatte. Die liberale Bergangen-
heit Gamphaufens, bes jüngeren Brubers bes Märzminifters
(S. 256), flößte dem König anfangs Bebenken ein: fie vers
gefien zu machen, reichten bei den Konfervativen auch feine
glänzenden Erfolge als Fachminiſter nicht aus, obgleich ihm
der König angefichts derfelben in unzweideutiger Weife feinen
Dank und fein Vertrauen bezeigte. Zum entſchiedenen Bruch
mit der Regierung brachte es endlich der erbitterte Widerftand,
den die Ronfervativen in dem inzwiſchen entbrannten Rulture
kampf den kirchenpolitiſchen Geſetzen leifteten. Das alles be
wirkte einen Stillftand in ber geſetzgeberiſchen Arbeit, da
wichtige Vorlagen, wie namentlih die neue Stäbteorbnung,
an ber Oppofition des Kerrenhaufes ſcheiterten. Auch die ein-
geleitete Steuerreform konnte deshalb nur in einzelnen Punkten
durchgeführt werben.
Die glänzendfte Seite der preußifchen Politik blieb auch
im neuen Reiche die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten
Deutſchlands. Von einem Auseinandergehen der Intereſſen
Preußens und einzelner Teile Deutſchlands, namentlih des
Südens dem Ausland gegenüber, wie es noch 1870 Hatte be
bauptet werben fönnen, ift nirgends mehr die Rebe geweſen,
und vielleicht ſchneller und feiter als auf irgend einem anderen
Gebiete des gemeinfamen Lebens war das PVertrauen zu
Preußen gerabe bier begründet. Auch hat ſich das in ber
Eigenart ihrer Perfönlichkeiten wurzelnde unvergleihlih har
moniſche Zufammenwirken König Wilhelms und Bismards
nirgends fo jegensreih bethätigt wie gerade hier. Die meifter:
bafte Diplomatie bes Ranzlers, der durch feine weile Mäßigung
im Siege ſelbſt den ehemaligen Gegnern Vertrauen abnötigte
und bie Ueberzeugung bes Auslandes von ber ehrlichen Fried⸗
fertigkeit und ſelbſtloſen Reblichkeit der deutſchen Politik zum
Fundamente der europäifhen Stellung Preußens und Deutfch
lands gemacht hatte, fand eine moralifhe Unterftügung, wie
fie nie ſonſt einem Staatsmann geworben, in ber ehrwürbigen,
TI. Im neuen Reid. 457
aptunggebietenden und herzgewinnenden Perfönlichfeit König
Wilpelms, defien von hellſtem Kriegsruhm umitrahlte und
dabei fo durchaus ſchlichte und beſcheidene Erſcheinung auch
dem Auslande imponierte. Das bezeugten die Beſuche fremder
Monarchen in Berlin als dem Mittelpunkt der europäiſchen
Politik und die enthufiaftiihe Aufnahme, die der greife König
bei feinen Gegenbefuchen im Auslande fand. Trogdem fehlte
& nit an fritiihen Momenten. Namentlich betrafen diefe
das bisher jo gute Verhältnis zu Rußland. Freimütig hatte
König Wilhelm befannt, der Sieg über Frankreich würde nicht
möglich geweſen fein ohne Rußlands wohlmollende Neutralität,
und dem Dank für diefe gegen feinen Neffen Alerander II. in
warmen Worten Ausdrud gegeben. Im Gegenjag aber zu der
innigen Freundſchaft der beiden verwandten Herrſcher fehlte es
doch in Petersburg nit an Feinden Preußens, die dem
Verben bes revandelüfternen Franfreid um ein Bündnis
gegen Deutſchland das Wort redeten. Andererfeits betrieb der
vielgeſchäftige Beuft eine Fatholifche Liga, die Defterreih und
Stalien mit Frankreich einigen ſollte. So wenig Ausficht
auf Erfolg ſolche Intriguen anfangs hatten, zumal der Beſuch
der Kaiſer von Defterreih und Rußland in Berlin im Sep-
tember 1872 die neue Ordnung ber Dinge auch ohne fürm«
liches Bündnis gegen Störung fidher ftellte, jo traten doch in
den nächſten Jahren Verhältniffe ein, die fie nicht mehr fo
ungefährlich erſcheinen ließen. Die Spannung zwiſchen Franf-
reich und Deutfchland wuchs infolge der Friegeriihen Bor-
bereitungen bes erfleren, mo die Ultramontanen offen für die
mit der deutſchen und preußiſchen Regierung ftreitenden Biſchöfe
Partei nahmen. Nur des Zaren ablehnende Haltung gegen
Frankreich wandte 1875 den Krieg ab. Als dann aber infolge
des ruſſiſch⸗türkiſchen Krieges .von 1877/78 und der ans
geblih Rußland feindlichen Haltung, die Bismard auf dem
zur Ordnung der orientalifhen Angelegenheiten in Gemein»
ſchaft mit England und Defterreih einberufenen Kongreß zu
Berlin im Sommer 1878 angenommen haben follte, der ruſſiſche
Ranzler Gortſchakow ein Gegner Deutſchlands wurde, war bie
Möglickeit eines ruffifch-franzöfifhen Bundniſſes ernftlih ges
458 Sehftes Bud. Die Jahre ber Erfüllung.
geben, gegen das Preußen bie Erfolge von 1866 und 1870/71
in einem Krieg nach zwei Seiten Hin zu verteidigen haben
würbe.
In Erwartung diefer Wendung hatte Bismard die Politik
der Verfühnung Defterreich gegenüber, die er gleih 1866 ans
gebahnt Hatte (S. 414), mit gefleigertem Nachdruck weiter
verfolgt. Bereits im Auguft 1871 hatte er eine perjönliche
Begegnung ber beiden Kaifer veranlaft, der ein Jahr fpäter
die DreisRaifer-Zufammenkunft in Berlin gefolgt war. In
Gemeinfhaft mit dem ungarifhen Minifter Andrafiy durch⸗
kreuzte er fo Beufts Umtriebe. Eine engere Verbindung beider
Staaten herbeizuführen gelang jedod nit. Auch die Vers
bandlungen über einen Holverband, die im Frühjahr 1877
geführt wurden, blieben wegen der ſchutzzöllneriſchen Haltung
Defterreicha ohne Ergebnis. Erſt der Berliner Kongreß, auf
dem Bismard Defterreih im Norden der Balkanhalbinfel eine
ſtarke Stellung verſchaffte und damit eine wichtige Rulturmiffion
erſchloß, führte zu einer Intimität, die in Petersburg Be
forgnis erwedte. Sie ermöglichte den Vertrag vom 11. Df-
tober 1878, der durch Aufhebung des Artikel 5 des Prager
Friedens (S. 418) Preußen ausbrüdlich von der nie ernftlidh
gemeinten und bloß aus Rüdfiht auf Frankreich übernommenen
Verpflihtung befreite, die Einwohner des däniſch ſprechenden
Nordſchleswig dur) eine Volksabſtimmung über ihre Zugehörigs
keit zu Preußen ober Dänemark entfcheiden zu laſſen. Er
entzog ben bortigen Gegnern Preußens ein wirkſames Mittel
der Agitation. Auch fam nun im Dezember ein Meiftbegünfti«
gungsvertrag zwiſchen Deutſchland und Defterreih zu ftande,
deſſen Gültigkeit freilich zunächft nur bis Ende 1879 erftredt
wurde. Als nun aber 1879 die Spannung mit Rußland wuchs
und befien Bündnis mit Frankreich drohte, eilte im September
Bismard felbft nad Wien und brachte, als hochwillkommener
Freund ehrenvolift empfangen und aud von ber öffentlichen
Meinung aufs wärmfte begrüßt, am 7. Oktober den deutjchs
öfterreichifchen Garantievertrag zu ftande, den man angefichts
ber Vergangenheit und feiner Tragweite für die Zukunft viel-
leicht als fein größtes diplomatifches Meifterftüd bezeichnen
II. Im neuen Reid. 459
darf. Danach folte, ward eine von beiden Mächten durch
Nußland angegriffen, die andere ihr Hilfe leiften, aber wohl-
wollende Neutralität beobachten, falls jene von einer anderen
Macht als Rußland angegriffen würbe, dagegen mit ihren ges
famten Streitkräften in Aftion treten, fobald Rußland ben
Angreifer unterftügte. Der Inhalt des Vertrages, defien Ab-
ſchluß befannt und von beiden Völkern als ficherfte Bürgichaft
gegen jede Friedensftörung freudig begrüßt wurde, blieb zwar
fireng geheim, follte jedoch, wenn ber darin vorgefehene Fall
eintrat, dem Haren perfönlich mitgeteilt werden, um ihn im
entf&eidenden Augenblid von einem unter biefen Umftänden
für Rußland leicht verhängnisvollen Schritt zurüczubalten.
Dan fieht, wie hoch Bismard auch in der großen Politit das
perfönlide Moment einſchätzte. Lernte er feine Bedeutung doch
wieder eben jet an feinem kaiſerlichen Herrn kennen: der
Gedanke, Preußen und Deutiland unter Umftänden eine
Rußland feindliche Richtung einſchlagen zu fehen, bebrüdte
und beunruhigte diefen fo, daß er fi nur widerſtrebend zur
Ratififation des Vertrages entſchloß.
Nicht ohne weſentlichen Einfluß auf die auswärtige Politik,
namentlich das Verhältnis zu Frankreich, blieb der inzwifchen
entbrannte Kampf mit ber Fatholifchen Kirche, den ein allgemein
aufgenommenes, aber nicht eben trefiendes Wort Virchows als
Kulturkampf bezeichnet hatte. Denn es handelte ſich barin
doch eigentlich nicht um Fortſchritt oder Rüchſchritt der Kultur,
vielmehr fanden nur in neuer Geftalt die alten Streitfragen
zur Entſcheidung, um die bereits in früheren Jahrhunderten
zwiſchen Staat und Kirche gerungen worben war. Auch erſcheint
der Kampf bei näherer Betrachtung nur ala notwenbiges
Schlußſtadium einer feit lange im Gange befindlichen Ent-
widelung.
Von jeher hatte die römische Kirche in dem proteflantifchen
preußifchen Königtum die Macht nieberzuhalten geſucht, durch
deren Wachstum fie felbit ſich dauernd gefährdet fühlte. Durch
die Art, wie Preußen in dem Kölner Streit zurückgewichen
und unter bem Einfluß der Rom freundlichen Gefinnung
Friedrich Wilhelms IV. die Rechte des Staates daran gegeben
460 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
hatte, war die Zuverſicht der Kurie weſentlich gefteigert worben.
Sein Bund mit Jtalien 1866 Hatte ihren Haß gegen ben
auffirebenden Ketzerſtaat vollends entflammt: fein unerwarteter
Sieg über das katholiſche Deferreih war im Vatikan wie eine
den Untergang ber Welt einleitende Kataftrophe empfunden
worben. In erhöhtem Mae wiederholte fi) das 1870, zumal
der deutſche Sieg aud die Beſetzung Roms durch die Jtaliener
und damit den Bufammenbruch des Refles ber weltlichen Herr-
ſchaft des Papftes zur Folge hatte, und zwar gerade in dem
Augenblid, wo es die Umgeflaltung der römifchen Kirche zu
einer von dem abfoluten Papfte unumfchränft regierten Mon-
archie zu vollenden dachte. Am 18. Zuli 1870 Hatte das feit dem
Dezember 1869 in Rom tagende vatitanifche Konzil die Ber
kandigung ber päpftlihen Unfehlbarkeit gut geheißen. Obgleich
damit eigentli nur eine in der Kirche längf geltende Ans
ſchauung als Dogma proflamiert war, fahen fi doch bie
Staaten in ihren Rechten der Kirche gegenüber dadurch ſchwer
bedroht, weil die bifhöflihe Autorität nun ganz hinfällig
wurde und jeden Augenblid beliebig durch das fi an ihre
Stelle fegende Papfttum verdrängt und jedes Recht bes
Staates, das auf der den Bifchöfen durch Gefeg oder Vertrag
eingeräumten Stellung beruhte, in Frage geftellt werden konnte.
Vergeblih Hatte bereit? vor dem Zuſammentritt bes
Konzils Fürft Hohenlohe als bayriſcher Minifterpräfident auf
dieſe ſtaatsfeindlichen Konfequenzen der Unfehlbarkeit hingewieſen
und gemeinſame Abwehrmaßregeln empfohlen. Wie wenig die
vatikaniſchen Politiker dem modernen Staate zutrauten, beweiſt,
daß fie das eben erſtehende neue deutſche Reich für ihre Zwede
gebraudden zu können glaubten: durch Erzbiſchof Ledochowaki
von Poſen⸗Gneſen verſuchten ſie in Verſailles ſeine Macht
für die Herſtellung des Kirchenſtaates zu gewinnen. Cs darf
wohl als ein verhängnisvoller Fehler Bismards bezeichnet
werben, daß er ſolch Anfinnen nicht gleich entſchieden zurüd-
wies, fondern barauf einzugehen geneigt ſchien, wenn dagegen
Rom feine Autorität bei dem franzöfifhen Klerus zu gunften
des Friedens einſetzte, obgleich ſchon damals das Bemühen
des polniſchen Prälaten, die ber Fatholifhen Kirche jo außer-
IN. Im neuen Reid. 461
ordentlich günftigen, für den Staat aber nadteiligen Be:
flimmungen der preußiſchen Verfaffung auch in bie in Vor:
bereitung befindliche Reichsverfaſſung aufgenommen zu jehen,
hätte Verdacht erregen und zu mißtrauifcher Vorficht gegen
einen ſolchen Aliterten befiimmen müflen. Nicht weil er,
wie die meiften proteftantifhen Staatsmänner, Weſen und
Drganifation ber Fatholifhen Kirche nit kannte und daher
ihre Kraft zum Angriff wie zur Abwehr unterfhägte, bat
Bismard den Kulturfampf nicht zu dem anfangs ins Auge
gefaßten Ziel führen können und fi zurüdweichend mit einer
notbürftigen Defenfioftellung begnügen müſſen, fondern weil
er felbft in den Verſailler Beſprechungen ihr eine weltlich
politifde Autorität zugeftanden Hatte und das, aud als fie
fih gegen den Staat wandte, nicht rüdgängig machen konnte.
Man kann nicht jagen, daß die Verfündigung des Un:
fehlbarfeitsbogmas an fi den neuen Kampf zwiſchen Staat
und Kirche veranlagt habe: fie war nur ber Funke, der in den
feit Jahren aufgehäuften Zündftoff fiel. Ein Signal zum
Angriff für die eine Seite, wurde fie ein ſolches zu verfpäteter
Abwehr für die andere, die angefihts der nun drohenden
neuen größeren Gefahren inne murbe, wieviel fie durch Sorg-
lofigfeit oder Nachgiebigkeit bereits verloren hatte. Das war
auch der Eindrud bei Bismard: er erfannte als Urſache des
NRücdgangs des deutſchen Elementes und ber Ausbreitung bes
polniſchen in Pofen, Weftpreußen und Oberſchleſien die feit
Jahrzehnten ungehindert thätige Propaganda ber katholiſchen
Geiftlichleit, der die Volksſchule vom Staat preisgegeben war,
und mußte fih fagen, daß dieſen polnifch-Fatholifchen Bes
ftrebungen feit dreißig Jahren in der katholiſchen Abteilung
des Kultusminifteriums (S. 210) ein feiter Sig in der Staates
tegierung ſelbſt eingeräumt war. Andererfeits ergab ſich auch
in Preußen für den Staat die moraliihe Pflicht, diejenigen
Katholiken, die, an dem alten Glauben fefthaltend, ber ftaats:
freichartigen Neuerung, welde die Unfehlbarkeit bedeutete,
die Anerkennung verweigerten und daher bie eigentlihen Katho⸗
liken zu fein behaupteten, gegen drohende Vergewaltigung von
Rom ber zu fügen. Auf diefem Gebiet fam es denn auch
462 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
zum Bufammenftoß infolge der ftaatliden Anerkennung dieſer
altkatholiſchen Gemeinden, gegen welche die neurömifche Kirche
ihre ganze Strafgewalt in Wirkſamkeit ſetzte. Bereits am
8. Juli 1871 war die katholifche Abteilung im Kultusminifterium
aufgehoben worden, deren Leiter Minifterialdiretor Kretzig,
ehemals im Dienfte des fürftlihen Hauſes Radziwill, feine
Autorität feit Jahren in den Dienft ber katholiſchen und
polnifhen Sache geftellt hatte. Der Widerftand gegen diefe
Maßregel hatte im Januar 1872 den Rüdtritt des Kultus-
minifters v. Mühler zur Folge, deſſen perfönliche Beziehungen
zu dem katholiſchen Hofadel und ber mit diefem lebhaft ſym⸗
pathifierenden Kaiferin Augufta dem neuen Syſtem ernfle
Schwierigfeiten zu bereiten drohten. In feinem Nachfolger,
den Geheimen Oberjuftizrat Adalbert Fall, einem ausgezeich-
neten Juriſten von weitem Blick, firenger Logik, entſchoſſenem
Mut und flaunenswerter Arbeitöfraft, dabei im Grunde milden
Weſens, fand Bismard den rechten Mitftreiter, nur daß auch
er den zu befämpfenden Gegner zu wenig kannte, um fid) nicht
in der Wahl der Waffen gelegentlich zu vergreifen, fo daß
die der juriflifchen Theorie entfpreddenden Gefege an der anders
gearteten kirchlichen Wirklichleit wirkungslos abprallten. Auch
dachte Falk ala Staatsmann nit opportuniftifh genug, um
der wechſelnden Lage, die noch von ganz anderen Faktoren
beeinflußt wurde, Rechnung zu tragen und etwas von bem
Prinzip zu opfern, wenn feine Durchſetzung politiide Schwierig-
keiten auf anderen Gebieten zu bereiten drohte. Endlich ent-
behrte er, jo gut er fi anfangs mit Bismard verftand, doch
bes zu erfolgreihem Wirken nötigen unbebingten Vertrauens
bes Königs, deſſen religiöfes Denken an mander von den nun
gebotenen firengen Maßregeln Anftoß nahm und namentlich
die von Falk in ber evangelifchen Kirche verfolgte Richtung
mißbilligte.
Mit Ausfiht auf Erfolg ließ fi der Kampf nur führen
zugleih mit den Waffen ſowohl der Reiche» wie der Landes:
gefeßgebung. Anfangs war die Kirche dur ihre aggreffive
Haltung entfchieden im Vorteil: bie Freiheit der Kanzel er—
laubte der Geiſtlichkeit, ungeftraft die leidenſchaftlichſte Agitation
III. Im neuen Reid. 463
in die Gemeinden zu tragen, und dem in Rom gebietenden
Jefuitenorden ftand in feinen deutſchen Mitgliedern eine uns
vergleichlich bisziplinierte Schar überzeugungatreuer Streiter zur
Verfügung. Deshalb wurde bereits im September 1871 auf
Bayerns Antrag durch Reichögefeg ein derartiger Mißbrauch der
Kanzel unter Strafe geftcht und am 4. Juni 1872 die Ge-
ſellſchaft Jeſu, die von der einen Seite ebenfo gepriefen, wie
von der anderen leidenſchaftlich bekämpft wurde, zugleih mit
einigen verwandten Orden in Deutfchland verboten. In Preußen
ſelbſt erfolgte unter heißen parlamentarifhen Kämpfen, melde
die Erregung der katholiſchen Bevölkerung aufs höchfte fteigerten,
die erſte Neihe entſchiedener Schritte im Mai 1873. Vom
11. Mai datiert das Gefeß über die Vorbildung und Anftellung
von Geiftlihen, das erftere ftaatlicher Aufſicht unterftellte und
legtere von ähnlichen Bedingungen abhängig macht, wie fie
für Staatsbeamte galten. Ein Gefet vom 12. Mai regelte
die kirchliche Disziplinargewalt und ſchuf einen befonderen Ges
richtshof für Kirchliche Angelegenheiten. Tas vom 13. Mai
ſchränkte den Gebrauch kirchlicher Straf: und Zuchtmittel ein,
und eines vom 14. Mai ordnete im Hinblid auf die wachſende
altkatholifhe Bewegung die Bedingungen und Formen bes Aus-
tritts aus ber Kirche.
Für die allgemeine politifhe Lage war es von entſcheiden⸗
der Wichtigkeit, daß es bei den Verhandlungen über dieſe
Vorlagen zwifhen Bismard und den längft an ihm irre ges
wordenen Altkonfervativen vollends zum Bruh kam und die
Regierung zu engerem Anſchluß an die liberalen Parteien ges
nötigt wurde. Vergeblid war von jener Seite, die am Hofe,
namentlih in ber Umgebung der Kaiferin Augufle Einfluß
hatte, der Glaube verbreitet worden, König Wilhelm miß-
billige die fogenannten kirchenfeindlichen Mafregeln feiner Räte
und füge fih ihnen nur widerfirebend. Als daraufhin der
Papſt Pius IX. felbft ſich brieflih an ihn wandte, um feinem
angeblichen frieblihen Willen zur Geltung zu verhelfen, zog
er fi in der Föniglihen Antwort vom 3. September eine
wohlverdiente Abfertigung zu, die nicht nur jenes Lügengewebe
zerriß, fondern auch auf das beflimmtefte den päpftlichen Ans
464 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
ſprüchen das Grundprinzip des evangelifchen Glaubens ent:
gegenftellte und deshalb überall jubelnde Zuftimmung fand.
Mit diefen „Maigefegen” wären die Rechte des Staates
in bem zunäcft ftreitigen Gebiet gefihert geweſen, hätten fie
Gehorfam gefunden. Aber auf die von Rom ausgegebene
Parole organifierten die Bifchöfe, bie fi} der anfangs befämpften
päpftlihen Infallibilität fo unmürbig gebeugt hatten, ihren
Klerus zu planmäßigem Widerftande und besten aud ihre
Gemeinden gegen die Regierung auf, jo daß der Staat fie
von jeder Mitwirkung bei ftaatlihen Angelegenheiten aus:
fliegen mußte. Infolgedeſſen verſchärften fi die Gegenfäge
noch mehr: aus den Wahlen vom November 1873 ging das
durch den Rulturlampf zu erhöhter Bedeutung erhobene Zentrum
verftärft hervor, doch blieb die Mehrheit bei den Liberalen
und gemäßigt Konfervativen, mit deren Hilfe die Regierung
auf der eingefhlagenen Bahn notgebrungen vorwärts ging.
Der von ben Biſchöfen bei Antritt ihres Amtes zu leiftende
Eid wurde im Dezember 1873 firenger bindend gefaßt. Dann
erging nad) bejonders heißen Kämpfen bas Geſetz über bie
Beurkundung des Perfonenftandes und die Form der Che:
ſchließung vom 9. März 1874, das die obligatoriſche Zivilehe
einführte und die Führung der Zivilftandregifter vom Staate
beftellten Beamten übertrug. Ein Reichögefeg vom 4. Mai 1874
richtete fich gegen die Verſuche ihres Amtes rechtskräftig ent
fegter Geiftlicher zur Weiterübung ihrer Funktionen, und auf
Grund besfelben traf ein preußifhes vom 21. Mai Borforge
für die Verwaltung der durch die Abfegung ihres Inhabers
erledigten Bistümer durch Staatstommiffare. Die Wirkungen
diefer Gefege trafen die Kirche hie und da ſchwer, da infolge
des wegen Ungehorfams eingeleiteten Strafverfahrens im Lauf
der nächſten Zeit die meiften Bistümer und allmählich Hunderte
von Pfarreien verwaiften. Natürlih machte man katholifcher-
feits dafür den Staat verantwortli, und die Kanzeln und
die Preſſe Hallten wider von leidenſchaftlichen Klagen über
die neue biofletianifche Verfolgung der Kirche in Preußen.
Zu welder Verwirrung der Begriffe diefe Hetzereien führten,
wurde offenbar, ald am 13. Juli 1874 ein fanatifierter Tifchler-
II. Im neuen Reid. 465
gefele Kullmann durch die Ermordung bes zur Kur in Kiffingen
weilenden Bismard fi zum Netter der Kirche zu erheben
verfuchte, mochte auch das Zentrum ſich bemühen, jede moralifche
Mitſchuld an dem Attentat von ſich abzumehren. Dieſe bes
ftätigte vielmehr der neue, umerhört heftige Angriff, den
Pius IX. in einer Encyllifa vom 5. Januar 1875 gegen ben
preußifhen Staat richtete: wenn das unfehlbare Haupt der
römifchen Kirche fih in folden Schmähungen erging, war es
nur zu begreiflih, daß aus den Reihen der tagein tagaus
verhegten ungebildeten Gläubigen Mörder gegen den leitenden
Staatsmann erftanden. Der Kampf erreichte nun feinen Höhe:
punkt. Das Sperrgefeg vom 22. April 1875 entzog all den=
jenigen Bistümern und Pfarreien die ihnen gewährten Staats:
mittel, deren Inhaber nicht ausdrücklich ober thatſächlich ihren
Gehorfam gegen die Gefege ermiefen. Am 31. Mai wurden
die geiftlihen Orden und ordenähnlichen Kongregationen aufs
gehoben. Am 4. Zuli wurde den Altkatholifen ein Anteil an
dem Beſitz der Gemeinden, von dem ihre Gegner fie ausfchliegen
wollten, eingeräumt und endlih am 20. Juli in Konfequenz
davon die Vermögensverwaltung ber Fatholifhen Gemeinden
der ausſchließlichen Verfügung der Geiftlihen entzogen und
einer Gemeinbevertretung von Laien übergeben.
Doch zeigte fih immer Marer, daß eine wirkſame Bes
tämpfung der kirchlichen Webergriffe fo lange unmöglich war,
als die Kirche durch die Verfaſſung felbft für gewiſſe Gebiete
eigentlich der Landesgeſetzgebung entzogen blieb. Das war
der Fall einmal durch den Artikel 15, der den Religions»
geſellſchaften die felbftändige Verwaltung der für Stultus:,
Unterrichts: und Wohlthätigleitszwede beftimmten Anftalten,
Stiftungen und Fonds verbürgte, ferner durch Artikel 16, der
ihnen ungehinderten Verkehr mit ihren Oberen und unbeſchränkte
Belanntmahung kirchlicher Anordnungen gemäßrleiftete, und
endlich dur Artikel 18, der das flaatlihe Ernennungsrecht
bei Belegung kirchlicher Stellen aufgehoben hatte. Diefe
Artikel wurden durch ein Geſetz vom 18. Juni 1875 aufgehoben,
eine Mafregel, die ohne Frage ernfte Bedenken erweden mußte
und daher auch von den im Kulturfampfe bisher zur Regierung
Prus, Preußiige Geſchichte. IV.
466 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
ſtehenden fortgefchrittenen Liberalen heftig befämpft wurde, unter
den gegebenen Umftänden aber eine politifhe Notwendigkeit
war, für die weniger ihre bermaligen Urheber als diejenigen
verantwortlich gemacht werben mußten, bie in gänzlicher Ver⸗
tennung ber wahren Natur ber fatholifhen Kirche und ihres
weltlichen Herrſchaftsſtrebens ſolche für den Staat unerträgliche
Säge in die Verfaffung aufgenommen hatten. Erſt durch dieſe
Verfaffungsänderung erhielt der Staat für das mit den Mai-
gefegen begonnene Vorgehen einen unanſechtbaren Rechtsboden
und gewann die Möglichkeit, fi) in der neuen Defenfivftellung
der Kirche gegenüber zu behaupten. Daß ſich für dieſe daraus
arge Notflände ergaben und nicht bloß die Firchliche Verwaltung
vielfach desorganifiert und eine Menge von Gläubigen, der
Seelforge beraubt, in harte Gewiſſensnot gebradt wurden,
war jedenfalls nicht feine Schuld.
Für den Kultusminifter Falk ging neben den erften Stadien
des Kulturkampfes, der feine und feiner Mitftreiter Arbeit:
kraft und Geiftesgegenwart auf das äußerfte in Anfprud) nahm,
die weniger fürmifch bewegte, aber faft noch unerquidlichere
und weniger belohnte Arbeit her an dem Ausbau der DBer-
faſſung ber evangelifchen Landeslirhe. Die Gegner, die es
dabei zu beflehen galt, waren zwar nicht jo einheitlich organi=
fiert, jo fanatif und jo rückſichtslos, aber ebenfo zäh, ſkrupel⸗
los in ber Wahl der Mittel und zuverfihtlih im Hinblid auf
die hohe und höchſte Gönnerfhaft, die fie Hinter fi mußten.
Die liberalen Anwandlungen, welde die neue Aera auch auf
kirchlichem Gebiete veranlaßt hatte, waren längft verflogen.
In den herrſchenden Kreifen galten bie Anhänger des über
ganz Deutſchland verbreiteten Proteftantenvereins für Gegner
aller KHriftliden Gläubigfeit, und liberale Geiftlihe, die im
Sinn besfelben eine Aenderung des Dogmas erftrebten, wie
die hocangejehenen Berliner Prediger Sydow und Lisco,
wurben gemaßregelt. Um zunähft die Volfsfhule von der
Orthodorie zu befreien, veranlaßte Falk eine eingehende Prüfung
der von liberaler Seite längft heftig angegriffenen Stiehlſchen
Regulative (S. 323), die zu ihrer von orthoborer Seite ala
ftaatsgefährlich beflagten Aufhebung führte. Sie hatten, mag
II. Im neuen Reid. 467
das auch nicht die Abficht ihres Urhebers geweien fein, es der
Drthodorie ermöglicht, troß der geänderten Zeiten die Herr
ſchaft über die Volksſchule zu behaupten und die Lehrerfchaft
im Sinne ber Reaktion der fünfziger Jahre geiftig zu knechten.
Bas an ihre Stelle trat, wurbe von diefer Seite bald denun⸗
siert als geeignet, das kommende Geſchlecht dem Chriftentum
zu entfremden und damit auch politifh irre zu leiten, — eine
Befurchtung, mit der man namentlich den König felbft zu er⸗
füllen mußte.
Bei der Wiederaufnahme des Verfaſſungswerkes für die
evangelifhe Kirche leitete Falk, vieleicht unbewußt, eine ähn-
lie Anfhauung, wie Friedrich Wilhelm IV. fie gelegentlich
vertreten hatte, daß nämlich eine einheitliche, auf dem Prinzip
der Selbftverwaltung beruhende und jo das Kirchliche Leben
fleigernde Verfaſſung der Landeskirche geboten fei, um fie der
römiſchen Kirche gegenüber zu Träftiger Verteidigung zu be=
fähigen und gegen bie von deren Andringen drohenden inneren
und äußeren Gefahren zu fihern. Ob die Synodalordnung,
die am 10. September 1873 für die öftlihen Provinzen er-
ging, dies zu leiften überhaupt geeignet war, darf bezweifelt
werben: daß fie es thatfächlich nicht geleiftet hat, wird nicht
zu beftreiten fein. Denn wenn fie jeder Gemeinde einen
Kirchenrat vorfegte und biefem eine Gemeindevertretung bei-
ordnete, eine Kreisfynode ſchuf, in die jede Gemeinde ihren
Pfarrer und ein weltliches Mitglied entfendet, den Kreisſynoden
aber die Provinzialſynoden und biefen eine Generalſynode als
Gefamtvertretung ber Landeskirche überorbnete, die aus 150
von ben Provinzialfynoden gewählten und 30 vom König er-
nannten Mitgliedern und 10 Vertretern der Univerfitäten
beftehen ſollte, fo feßte eine folde der weltlichen Selbftver-
waltung nadhgebilbete Organifation zu rechter Wirkſamkeit eine
felbſtthätige lebhafte Teilnahme ber Laien an ben firhlihen
Angelegenheiten voraus. Bon einer ſolchen war aber thatfächlich
nit die Rebe, und wenn fie jet überrafchend zu Tage trat,
fo war das nur die Wirkung des Iebhaft angeregten Parteis
finnes, ber die der Kirche bisher fernftehenden Liberalen an:
trieb, der kirchlichen Rechten die Herrſchaft ftreitig zu machen
468 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
und fi an ihre Stelle zu fegen. Diefer Eifer erlahmte jedoch
bald, umd die neue Synobalverfafiung trug fehließlih nur
dazu bei, die Herrſchaft der Orthodoren zu befeftigen. Daran
änderte es auch nichts, daß der Oberfirhenrat unter Leitung
des von Falk berufenen Heidelberger Juriften Hermann eine
freiere Richtung einzuſchlagen verſuchte. Er ftieß damit auf
die wachſende Oppofition der Orthoboren, welde in den Synoben
die Mehrheit hatten, und ſah ſich dauernd von dem Mißtrauen
des innerlih durchaus zu biefen haltenden Königs und ber
ähnlich denfenden höfiſchen Kreife gehindert. Der entſcheidende
Stoß gegen das Falkſche Syſtem ift denn auch ſchließlich von
biefer Seite erfolgt.
IV. Rönig Wilhelms lehtes Jahrzehnt und
die Anfänge des ſozialen Königkums. 1878—1888.
Don den fiehzehn Jahren, einem Zeitraum, länger als
felbft der Zuverfitlichfte ihm zu erhoffen gewagt hatte, die
König Wilhelm im Glanze der auf den Schlachtfeldern Frank:
reiche gewonnenen Kaiferfrone Preußens und des Reichs zu
walten vergönnt war, zeigen die erften acht eine freudig und
kraftvoll fortfcreitende Entwidelung., Dem Höheftand folgt
1878/79 eine Krifis, die zwar nicht gleich eine eigentlich rüd-
läufige Bewegung, aber dod einen Stillſtand und innere Ver-
widelungen bervorrief. Diefe haben auf die legten Jahre bes
Königs einen gewiſſen Schatten geworfen, indem fie neue
ſchwierige Probleme ftellten, an deren Löfung noch unfere
Tage fi abmühen. Zunächſt war das freilid nur die natür-
liche Reaktion gegen die mit Anfpannung aller Kräfte gleiche
fam im Sturmſchritt vorwärts eilende Entwidelung, die dem
nationalen Aufidwung von 1870—71 gefolgt war. Aber es
zeigte fi doch au, daß die damals gegründete neue Ordnung
in fih Gegenfäge enthielt, die fie unter Umftänben gefährben
konnten. Die Krifis traf ſowohl die äußere wie bie innere
Politik und wirkte ebenfo tief ein auf das wirtſchaftliche wie
auf das gefelicaftlihe Leben. Daß während biefer eriten
ernften Probe, auf die es geftellt wurde, das neue Preußen
noch den Schöpfer des Reiches und feinen treuen Berater in
der alten unvergleichlichen Gemeinſchaft an feiner Spige fah,
darf als eine befonders glüdlihe Fügung des Schidjals dankbar
gepriefen werben. Sonft wäre bie Erſchütterung nad innen
wohl noch heftiger und nad außen die Gefahr eines neuen
‚ Krieges um bie Behauptung des Erlangten faum abzuwenden
gewejen. Das eine wie das andere aber hätte das Einlenken
470 Sehftes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
in den Weg unmöglich gemacht, deſſen Verfolgung gerade dem
legten Jahrzehnt König Wilhelms den Stempel aufgeprägt
und ihn, von Bismard beraten, zum Schöpfer einer neuen
Art der Herrfhaft, des fozialen Königtums hat werben laſſen.
Damit ftelte er nicht bloß dem preußiſchen Staate und dem
Reiche, fondern dem Staate überhaupt neue und höhere Auf⸗
gaben, legte ihm die höchſten fittlihen Verpflichtungen auf
und erwarb ihm damit zugleich neue höhere Nechte, die ihn
weit über die Sphäre feines bisherigen Wirkens erheben folten
und verheißungsvoll auf ein glüdlicheres Zeitalter der ſtaat—
lien Entwidelung hinwieſen.
Den Höheftand widerſpruchslos anerkannten Einfluffes
hatten Preußen und Deutſchland im Sommer 1878 mit dem
Berliner Kongreß (S. 457) erreiht. Doch wurde eben buch
diefen die alte Freundfhaft mit Rußland erfüttert, zum
Teil infolge der perfönlichen Verſtimmung Gortſchakows gegen
Bismard. Der Thronwechjel in Petersburg, wo auf den bem
Kaifer Wilgelm perſönlich eng verbundenen Alerander II. fein
deutſchfeindlicher gleihnamiger Sohn folgte, fleigerte die Gefahr
eines ruſſiſch⸗franzoſiſchen Bündniſſes, jo daß Preußen bereits
im Frühjahr 1882 auf die Sicherung feiner Oftgrenze denken
mußte und fi) 1883 durch das neue ruſſiſche Zollfyſtem wirt
ſchaftlich geſchädigt ſah. Doc gelang es, den fi} regenden
nationalen Eifer der Rufen niederzufalten, und im Sep-
tember 1884 dur) die Zuſammenkunft der beiden Kaifer mit
dem von Defterreid in Skierniwice bei Warfchau die biöherige
Bafis der europäifchen Ordnung noch einmal zu fihern. Aber
bereits 1886 gab der Aufftand in Bulgarien Anlaß zu neuer
Verftiimmung Rußlands, während in Frankreich die Umtriebe
des eitlen Kriegsminifters Boulanger ben Eifer der Revanche—
ſchwärmer vollends erhigten und bie Gefahr eines beutich-
franzöfifchen Krieges in nächfte Nähe rüdten. Troß neuer Streit=
fäle wurde diefe aber durch Boulangers Sturz abgewandt.
Das Verhältnis zu Rußland blieb jedoch gefpannt, obgleich es
Bismard gelang, den Zaren bei feiner Anwejenheit in Berlin
im November 1887 von der Grunblofigfeit der Verdächtigungen
zu überzeugen, bie durch orleaniftifche Fälſchungen gegen
IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 471
Preußens Haltung in Bulgarien in Umlauf gefegt waren.
Erſt 1888 ſchien das ruſſiſch-franzöſifche Bündnis Wirklichkeit
werben zu follen. Den Kampf aufzunehmen entſchloſſen, ver⸗
öffentlichte Bismard, um Rußland zu warnen, damals ben
Garantievertrag mit Defterreih vom Dftober 1879 (S. 458).
Dadurch wurde bie traditionelle Freundſchaft Preußens mit
Rußland vollends gelöſt. Um fo mehr ſuchte Bismard ben
Ruckhalt gegen Frankreich und Rußland in der Allianz mit
Defterreih, die durch ben Anſchluß Italiens 1883 bereits zum
Dreibund ausgeftaltet worden war.
Auf die innere Entwidelung Preußens übte Deutfchlands
geänderte Stellung zu ben europäiſchen Mächten infofern
günftigen Einfluß aus, als im Gegenſatz zu ber fortfchreiten.
den Barteizerfplitterung angeſichts der Gefahr eines Krieges,
der zugleih nad Dften und Weiten zu führen geweſen wäre,
wenigftens ein Punkt gegeben war, in dem fi) mit ganz ver«
einzelten Ausnahmen alle Parteien einmütig zufammenfanden.
Man mag zweifeln, ob ohne diefen Drud von außen bie
wieberholt gefährbete Verſtändigung zwiſchen Reichsregierung
und Reichstag über die Stärke des Reichsheeres zu ſtande
gelommen wäre. Jedenfalls war es ihm zuzufchreiben, daß im
Frühjahr 1888 mit der Annahme des Landwehr. und Land«
flurmgefeges, das bie bewährten preußiſchen Einrichtungen auf
das Reich ausbehnte, deſſen Waffnung für einen Krieg zugleich
gegen Frankreih und Rußland zum Abſchluß gebracht wurde.
Mit einer Feldarmee von zwei Millionen und einer Referve
von einer Million Tonnte das deutſche Volk Bismarde Wort
zujubeln, der Deutſche fürdte Gott und fonft nichts in ber
Belt.
Auf allen anderen Gebieten dagegen ftand die Entwidelung
Preußens unter dem Zeichen ſich unliebfam zufpigender perfön-
licher und fachlicher Differenzen. Erſtere Inüpften zum Teil an
die Stellung Bismards an, der feit dem November 1873 auch
das Präfidium des preußiſchen Minifteriums wieder übernommen
Hatte. Der Apparat der Reichsregierung war doch ein zu
tomplizierter und dabei zu fehr auf die Perſon feines Schöpfers
zugeſchnitten, um nicht, namentli beim Eingreifen in bie
472 Sechſtes Bud. Die Jahre ber Erfüllung.
befonderen preußifchen Verhältniſſe zu mannigfachen Reibungen
zu führen, die gelegentlih aud des Kanzlers Verhältnis zu
dem Kaiſer wenigftens vorübergehend trübten. Körperliches
Leiden kam hinzu, fo daß er Anfang April 1875 feinen Abſchied
erbat, jedoch wieberum zum Bleiben vermodt wurde. Auch
hofiſche Einflüffe wirkten dabei mit und leifteten ven katho—
lifhen und hochkonſervativen Gegnern des Kanzlers in den
Barlamenten mittelbar Vorſchub. Seine Stellung zu befeftigen
und fi für feine weiteren Pläne der Mitarbeit der feit Jahren
einflußreichſten Partei zu verfichern unterhandelte Bismard
daher Weihnachten 1877 in Barzin mit dem Führer der
Nationalliberalen, Bennigfen, über feinen und einiger feiner
Freunde Eintritt in das Minifterium. Doc fcheiterte bie
Verftändigung an feiner Abſicht, in der Wirtſchaftspolitik neue
Bahnen einzuſchlagen, Hinter welcher ber Plan zur Einführung
des Tabalsmonopols und zur Webertragung ſämtlicher Eifen-
bahnen auf das Reich ftand. Auch hatte die zu fpät gefuchte
förmliche Bundesgenoſſenſchaft ber Nationalliberalen für den
Ranzler bereits an Wert verloren, feit fie aus ben legten Wahlen
geſchwächt Hervorgegangen waren. So bereitete Bismard den
Anſchluß an die entgegengefegte Seite vor, indem er ſich zu=
glei durch die Organifation feiner dauernden Stellvertretung
im Kanzleramt zu entlaften und eine Stellung mehr über den
Parteien zu gewinnen fuchte. Dazu wurde im März 1878
der bisherige Botſchafter in Wien, Graf Dtto zu Stolberg,
zum Vizepräfidenten bes Minifteriums und zum Bizefanzler
ernannt, Frig Eulenburg dur Graf Botho zu Eulenburg er=
feßt, der den Konfervativen längft befonders verhaßte Camp-
haufen aber an ber Spiße der Finanzen durch Hobrecht, den Ber-
liner Oberbürgermeifter, abgelöft und ftatt Achenbachs ber Unter⸗
ftaatsfefretär Maybach zur Leitung von Handel und Gemerbe
berufen. Thatfächlich bezeichnete dieſer partielle Miniſterwechſel
eine Annäherung an die bisher befämpften Konfervativen. Sie
zu beſchleunigen, trugen die Ereignifie der nächften Zeit bei.
Um die Zeit, wo man fi in Berlin zum Empfang bes
Kongreſſes zur Schlihtung der türkiſch-ruſſiſchen Streitfragen
(S. 457) rüftete, wurden mit der Hauptftabt Preußen, Deutſch-
IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 473
land und die Welt entjegt durch zwei Mordanſchläge auf Kaifer
Wilhelm, die einen erſchreckenden Einblid eröffneten in die
furchtbare Größe, zu ber unvermerkt die fozialiftifhe Gefahr
emporgewachſen war. Am 11. Mai ſchoß der verlumpte
Klempnergefelle Hödel unter den Linden auf ben Herricher,
ohne ihn zu treffen. Der darauf Hin dem Reichstage vorgelegte
Entwurf eines Geſetzes zur Nieberhaltung ber Sozialiften
war trogdem eben abgelehnt und bie allgemeine Erregung
dadurch ſchon mächtig gefteigert, als am 2. Juni ein neues
Attentat erfolgte, bei dem ber greife König ſchwer verwundet
wurde. Da fein Urheber, ein Mann guter Herkunft und von
Bildung, Doktor Nobiling, fi dem weltlichen Richter dur
Selbftmord entzog, blieben die Beweggründe der furchtbaren
That ein Geheimnis. Dod ergab fih, daß aud bier bie
ſozialiſtiſchen Irrlehren eine Rolle gefpielt Hatten. Ihre Be—
tämpfung trat damit in ben Brennpunft bes öffentlichen
Interefies. Aus allzu langer Sorglofigfeit jählings aufgerüttelt,
war das erſchredte Bürgertum bereit, der Regierung dazu bie
vom Reichstag ihr eben verweigerten außerorbentlihen Macht:
befugnifie einzuräumen. Auf diefe Parole hin fanden, nachdem
der ben langfam genefenden Vater in der Regierung vertretende
Kronprinz Bismards Verlangen gemäß ben Reichstag aufgelöft
hatte, die Neuwahlen ftatt, und nach heißen parlamentarifchen
Kämpfen fam am 20. Oktober 1878 das Ausnahmegefeg zur
Bekämpfung faatsgefährlicer ſozialiſtiſcher Umtriebe zu ftande,
zunächſt auf zweieinhalb Jahre. Noch zweimal, 1880 auf drei
Jahre und 1884 auf zwei Jahre verlängert, hat es, wie heute
offen geftanden werben muß, feinen Zweck nur ſehr unvoll-
kommen erfült. Denn trog ihrer Stellung außerhalb des
gemeinen Rechtes und ber Erſchwerung und zum Teil Ver:
hinderung ihrer agitatoriſchen Thätigfeit in Vereinen und
dur die Prefie haben die Sozialdemokraten gerade im Laufe
biefer Jahre die Zahl ihrer Anhänger fi reißend vermehren
fehen, und zwar auch in ihnen bisher unzugänglichen Streifen.
Auch verſchaffte eine jo ſcharfe Repreffion unter den davon
Getroffenen ben Ertremen größeren Einfluß und fleigerte jo
ben radikalen Charakter der Bewegung.
474 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
Aber noch in anderer Hinfiht wurde durch diefe Vorgänge
der bisher verfolgten gemäßigt liberalen Richtung der Weg
verlegt. Es fehlte nit an jolden, die für das erjchredende
Umfihgreifen der Sozialdemokratie und den bis zum Anardis-
mus gefleigerten Radikalismus ihrer fortgeſchrittenen Belenner,
die den Kampf gegen die beftehende Staats- und Geſellſchafts⸗
orbnung mit jeder Waffe für erlaubt erflärten, die Abwendung
weiter Kreiſe von dem kirchlichen Leben verantwortlich machten.
Ihnen lag dann die Berfuhung nahe, eine gewifle Mitſchuld
den Männern zuzuſchreiben, die in Gemeinfhaft mit dem
Kultusminifter Falk die Neugeftaltung von Kirche und Volks—
ſchule nad) freieren Grundfägen in Angriff genommen hatten.
Dabei fanden fie eifrige Unterftlügung nicht bloß bei der
hochkirchlichen Hofgefellihaft, fondern namentlih aud von
katholiſcher Seite, und die Wortführer des Zentrums wurben
nit müde, die bier und ba erfennbare Verwilberung un-
mittelbar auf den Kulturfampf zurüdzuführen als ein Werk
der Gottlofigkeit, deſſen Träger nicht bloß Feinde Roms, fondern
Feinde der Kirche überhaupt fein folten. Auch dem König
lag eine ſoche Schlußfolgerung nahe: fie machte ihn irre an
der Nichtigkeit und ber Berechtigung des von Falk und feinen
Näten vertretenen neuen Syſtems, dem er im Grunde von
Anfang an entgegen gemwefen war. So bereitete fi auch auf
kirchlichem Gebiete ein Umſchlag vor, der Falls Stellung ges
fährbete, amdererfeits Rom Ausfiht auf einen vorteilhaften
Frieden eröffnete. Das ließ zuerft die Rebe erfennen, mit
der König Wilhelm, ber völlig genefen am 5. Dezember
jubelnd empfangen nah Berlin zurüdgelehrt war, am 7. Des
zember eine Adrefie des Magifirats und der Stabtverorbneten
der Hauptftabt beantwortete. Die Wiederkehr folder Aus-
ſchreitungen, wie fie jeßt Ausnahmegefege nötig gemacht, ab:
zuwenden, fo führte er darin aus, bebürfe es vor allem einer
teligiöfen Erziehung der Jugend, die tiefer und ernfter gefaßt
werben müfle. Gerade in Berlin, erklärte er, fei in biefer
Beziehung nicht alles gut beftelt. Das deutete man an gewiſſen
Stellen als Verurteilung der Aufhebung ber Stiehlihen Regu-
lative. Die Reaktion ſah ihre Zeit fommen und rüftete ſich,
IV. König Wilhelms Ieptes Jahrzehnt. 475
den Moment zu ergreifen. Namentlih glaubte die äußerfte
Rechte jetzt an Bismard für die ihr zugefügten Demütigungen
Vergeltung üben zu können: hatte fie doch bereits im Jahr 1872
gegen ihn die lächerliche Anklage erhoben, daß er die Parlas
mentsherrſchaft und ben Atheismus proflamiert habe.
Es mag bahingeftellt bleiben, ob dieſe rüchſchrittlichen
Tendenzen, fo energifch fie fich gelegentlich geltend machten und
fo einflußreiche Vertreter fie an verſchiedenen Stellen fanden,
ſchnell genug fo weit erflarft wären, daß fie für bie Politif
Preußens beftimmend werben konnten, hätte nit Bismard
ſelbſt ſich ihrer zu bedienen beſchloſſen, um bie Pläne durch»
zufegen, deren Unterflügung die Nationalliberalen Ende 1877
verweigert hatten. Niemals fonft hat er fih fo rüdfichtslos
als Realpolitifer gezeigt, niemals aber auch jo fehr die Ers
fahrung machen müflen, daß eine Politif, die bisher hoch⸗
gehaltene Ideen kurzweg preisgibt, um materiellen Gewinn
zu ermöglichen, fich leicht um bie Mitarbeit der beften Kräfte der
Nation bringt, und ftatt einigend zerfegend, ftatt fammelnd
auflöfend und flatt begeifternd erbitternd wirkt. Auch die
Erfahrung blieb ihm nicht erfpart, daß wer folde Wege ein
ſchlägt, leicht genötigt wird, darauf weiter zu gehen, als er
eigentlih wollte, da er die zu Hilfe gerufenen Mächte nicht
beliebig wieder außer Wirkſamkeit jegen kann. Den Ausgangs:
punkt für dieſes legte Stadium feiner Entwidelung, das ihn
um manden begeifterten Verehrer und treuen Mitarbeiter
bringen follte, bilvete der Wunſch, das Reich finanziell ſelb⸗
ſtändig zu ftellen und von der wechſelnden Finanzlage der Einzel»
ftaaten unabhängig zu maden. Dazu follte namentlid das
Tabalsmonopol dienen, das natürlich nicht möglich war, ohne
prinzipielen Bruch mit der bisher befolgten gemäßigt freis
händleriſchen Handelspolitik. Den eingeweihten Kreifen kam
das freilich nicht Aberrafhend. In Vorausficht diefer Wendung
hatte bereits im Frühjahr 1876 der bebeutendfte und ver-
dientefte Vertreter ber bisher im Zollverein verfolgten Handels⸗
politit, Delbräd, feinen Abfhied genommen, ein ſchwerer Vers
luſt auch infofern, als er als Präfident des Reichskanzleramtes
und preußifher Minifter und als folder bereits 1873 fländiger
476 Sechſtes Und. Die Jahre der Erfüllung
Vertreter Bismards im preußiſchen Miniflerium in allen das
Reich betreffenden Angelegenheiten, wie der vornehmfte Träger
der Einheit zwifchen der preußiſchen und der Reichspolitik ge=
wefen war. Aber jo wenig wie mit bem Tabalsmonopol
drang Bismard mit dem Plan durch, ſämtliche Staate- und
Privateifenbahnen für das Reich zu erwerben, bas dadurch
eine erbrüdende wirtſchaftliche Uebermacht und zudem eine für
die Einzelſtaaten zum mindeften läftige politifh-militärifche
Poſition gewonnen haben würde. Doch wurbe nun mit der
Verſtaatlichung der Eifenbahnen in Preußen ſelbſt Ernft gemacht
und dieſe 1879—82 von Maybadh in weſentlichen Stüden
gludlich durchgeführt.
Beſtimmend für das Wachſen ber ſchutzzollneriſchen Neigungen
bei Bismard war wenigftens zum Teil bie ungünftige wirt
ſchaftliche Lage, die als natürlihe Reaktion dem Ueberfluß
der Milliardenzeit gefolgt war. Kandel und Gewerbe lagen da⸗
nieder, bie Induſtrie ftodte, Die Landwirtſchaft blieb ohne lohnen⸗
den Ertrag, bie Ausfuhr nahm ab: Deutſchland ſchien infolge
bes bisherigen Handelsfyftems der Ausbeutung durch das Ausland
preisgegeben. Der Ruf nah Schutz ber nationalen Arbeit erhob
fi immer lauter, und die ſchutzzöllneriſche Bewegung ſchwoll
mädtig an. Für Bismard kam dabei vor allem der Gewinn
in Betracht, der daraus durch Beflerung ihrer Finanzen für
die Einzelftaaten und damit für bie Fefligung des von ihnen
finanziell unabhängig zu ftellenden Reiches gemacht werben
Tonnte. Nun gingen aber gerade über biefe wirtichaftlichen
Fragen innerhalb der großen politifhen Parteien die Meinungen
weit auseinander, und nur das Zentrum bewährte ſich aud
bier gegenüber dem fortfchreitenden Zerfall ber anderen als
feftgeichloffene Einheit. Deshalb gründete Bismard feine Aktion
im Reichstage auf biefes und vollendete dadurch den Bruch
mit ben Liberalen. Das neue Zollgeſetz vom 15. Juli 1879
wurde mit Hilfe des Bentrums und der Konfervativen durch-
gelegt, und auch das nur, nachdem durch Gewährung von
fogenannten föberativen Garantien finanzieller Art an bie
Einzelftaaten dem Partikularismus nicht unbebenklihe Zuge:
ſtändniſſe gemacht waren. Als Preis aber für ihre Hilfe dabei
IV. König Wilhelms lehtes Jahrzehnt. 477
bemilligte Bismard der nun vollends ausſchlaggebenden katho⸗
liſchen Partei in Preußen eine Revifion der Maigefege, das
heißt die Beendigung bes Kulturkampfes durch Nachgeben des
Staates.
Die umftändliche, ftreng juriftifch ſyſtematiſche Gefeggebung
Falls und feiner Mitarbeiter, die dem Wefen der gegebenen
Verhältnifie nicht überall Rechnung trug und daher unerwartete
Schwierigkeiten hervorrief, hatte ben ungeduldig vorwärts
drängenden Sinn des Kanzlers ſchon lange enttäuſcht. Er
meinte jegt die Interefien des Staates genügend wahrzunehmen,
wenn er ihm den firhlihen Anſpruchen gegenüber eine ſtarke
Defenfivftellung ſicherte, hielt es aber nad) ben bisher gemachten
Erfahrungen für unpolitif, um eines Prinzips willen ſich in
allen Einzelgebieten auf eine endgültige Auseinanderfegung
mit ber Kirche einzulafen. In dem Nulturlampf ſah er
jegt einen Fehler, für den er nit ganz im Einklang mit
den Thatfahen Falk und deſſen Gehilfen verantwortlich zu
machen Luft hatte, bie nad feiner Meinung allzu juriſtiſch
und fo wenig politifh gedacht haben jollten. Was bei einer
Fortfegung im beften Fall zu gewinnen war, erſchien ihm uns
bebeutend gegenüber ben Gefahren, welche die davon untrenn-
bare fortſchreitende Zerreißung des deutſchen Volkes für bie
junge Einheit mit fi) zu bringen drohte. Diefe zu erhalten,
gab er in Preußen die Maigefege daran. Für unentbehrlich
hielt er von diefen die Befeitigung der Verfafiungsartifel 15,
16 und 18, die Rampfmittel gegen den Polonismus und vor
allem die Herrſchaft des Staates über die Schule. In ihrer
Behauptung fah er immer noch einen wertvollen Siegespreis
im Vergleich mit den Zuftänden vor Ausbrud des Kampfes.
Im Zuli 1879 trat Falk zurüd. Als ftreitbarer Gegner der
römischen Hierarchie hochgeſchätzt und für eigentlich unentbehrlich
gehalten, galt Falk auch den gemäßigt Konfervativen in Bezug
auf die evangelifhe Kirchenverfaſſung und das Unterrichts-
weſen ſchon lange nit mehr ala das Ideal eines Kultus-
minifters. Auch fie fanden, daß er und ber von ihm berufene
Präfident bes Oberlirchenrates, Hermann, ber pofitiven Richtung
viel zu wenig Rechnung trugen, ein Bedenken, das namentlich
478 Sechſtes Bud. Die Jahre ber Erfüllung.
aud) der König teilte, fo daß die evangeliſchen Orthodoxen
im Bunde mit den Frommen am Hofe, an dem ber fhlicht
bürgerlihe Mann fi ohnehin nicht zurecht fand, mit wachſen⸗
dem Erfolge feine Stellung planmäßig untergraben konnten.
Der Scheidende, den außerorbentlihe Sympatbiebezeigungen
feitens der Liberalen begleiteten, wurde durch Herrn v. Putt-
Tamer erſetzt. Gleichzeitig machten Hobrecht und Friedenthal,
die Minifter der Finanzen und ber Landwirtſchaft, den Ronfer-
vativen Bitter und Lucius Plag. Diefer Umſchwung, der an
Stelle des ihr ſeit 1866 nicht ohne Selbftverleugnung treu
zur Seite flehenden liberalen Bürgertums Konfervative und
Klerikale zu Verbündeten der Regierung machte, fand einen
bebeutfamen Ausdruck aud darin, daß der inzwifchen erft zum
Oberbürgermeifter von Breslau und dann von Berlin berufene
v. Fordenbed den feit 1866 unter dem Beifall aller Parteien
geführten Vorfig im Ahgeorbnetenhaufe (S. 421) nieberlegte.
Die Kontinuität der politifhen Entwidelung war Damit vollends
aufgegeben: zu neuen Zielen fuchte Preußen unter dem fo
gewandelten Bismard neue Wege.
Die Wendung zum Frieden mit Rom mar erleichtert
durch das Entgegenfommen des neuen Papftes Leo XIII., der
zwar bie gleichen Prinzipien vertrat wie Pius IX., aber in ber
Form mit flantsmännifcher Milde und entgegenfommenber
Verſoöhnlichkeit. Eingeleitet wurde ber entſcheidende Schritt
von Bismard, der bie päpftlice „Frage“ jetzt als eine rein
preußifche anſah, perſönlich durch Verhandlungen mit ben
pãpſtlichen Nuntien Mafella in Kiffingen (1878) und Jakobini
in Gaftein (1879). Auf Grund des daburd erzielten Einver:
ftändniffes über die Art des Vorgehens wurde im Mai 1880
dem Landtag ein Gefegentwurf vorgelegt, der die Anwendung
ober Nihtanwendung wichtiger Beitimmungen der Maigefege
für jeden einzelnen Zal in das Belieben der Regierung
ftellte, dieſer alfo außerordentliche biskretionäre Vollmachten ges
währte. Bei dem Mangel jeder Bürgihaft für die Art des
davon zu machenden Gebraudes ſtieß er auf lebhaften Wider-
ſtand und wurde erft nad} langen und ftürmifhen Verhandlungen
nur in wefentli abgeſchwächter Faflung angenommen. So—
IV. König Wilhelms Iehtes Jahrzehnt, 479
wohl die Rüdberufung ber abgefegten oder geflüchteten Biſchöfe,
wie die Siftierung ber ſtrafrechtlichen Beſtimmungen, nament-
lic) derjenigen gegen den Mißbrauch der kirchlichen Strafgemalt,
blieben dem Belieben der Regierung entrüdt. Aber auch fo
bewirkte das Geſetz vom 14. Juli 1880 eine wejentliche Beſſe—
tung in ber Lage der Kirche. In zahlreichen feit längerer Zeit
ihrer Pfarrer beraubten Gemeinden wurde die Seelforge wieder
georbnet und durch Neubefegung ber durch Todesfall erledigten
Bistümer mwenigftens in dieſen eine kanoniſche Diözefanvers
waltung ermögliht. Nachdem dann im Frühjahr 1882 dur
die Ernennung bes gemwanbten und mit ben vatifanifhen
Dingen vertrauten v. Schlözer zum Gefandten bei Leo XII. der
diplomatische Verkehr mit der Kurie hergeftellt war, machte die
Verftändigung ſchnelle Fortſchritte. Noch weitergehende Zu:
geftänbnifie machte der Kirche 1882 ber Kultusminifter v. Goßler,
geftügt auf das Bündnis des Zentrums und ber Konfervativen.
Letztere fympathifierten offen mit bem römifhen Kirchentum
und hatten bereit# auf ber erften ordentlichen Generalfynode,
die im Herbft 1879 auf Grund der von Falk der evangelifhen
Kirche gegebenen Verfaflung tagte (S.467), unter Führung ber
hochkirchlichen Hofprediger in durchaus hierarchiſchem Geifte auch
die evangeliſche Kirche auf Koſten des Staates in weſentlichen
Punkten ſelbſtändiger geſtellt. Nach ihrer Meinung mußte,
was in dieſer Hinſicht Rom recht war, ihrer Kirche billig ſein.
Nun wurden durch Geſetz vom 31. Mai 1882 nicht bloß die
der Regierung 1880 erteilten diskretionären Vollmachten vers
längert, ſondern auch den wegen Wiberftands gegen die Staats-
geſetze rechtmäßig verurteilten Biſchöfen die Rüdkehr auf ihre
Sige geftattet und das Maß der von den jungen Geiftlicden
von Staats wegen zu forbernden allgemeinen Bildung bedenk⸗
lich herabgeſetzt. Auch verzichtete der Staat auf das Recht zur
Ernennung von Pfarrern für die von dem Biſchof unverforgt
gelafjenen Gemeinden. So war bald eine allgemeine Reftauration
im Zuge und kam ſelbſt einigen von den durch Sprud bes
Staatsgerichtshofes abgefegten Biſchöfen zu gute. Nur in Pofen
wurde ber befonbers ſchwer Fompromittierte und in leidenſchaft⸗
licher Agitation verharrende Lebohomsli durch den Königss
480 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
berger Propft Diner erfegt, einen polnifch ſprechenden Deutfchen,
der aber feinem Klerus gegenüber bald in eine fehwierige Lage
geriet und fi im vergeblihen Ringen um Verſöhnung unauss
gleihbarer Gegenfäge aufrieb. Aber auch die Erneuerung der
Streitfrage über die gemifchten Ehen durch ben Breslauer
Biſchof Herzog machte die Regierung nicht irre in ihrem Werben
um Frieden mit ber Kirche. So weit ging fie darin, daß fie
dem Papfte, mit dem der Kaifer bereits freundſchaftlich
Torrefpondiert hatte, den Schiedsfprucd übertrug in dem durch
die Befegung der Rarolinen entftandenen Streit mit Spanien.
Es entfprad der immer ausgeprägter ftreng kirchlichen Richtung,
die in Preußen die Herrfhaft gewann, daß ber proteftantifche
Staat auf diefe feinem Anfehen doch wahrlich nicht dienliche
Weiſe die moralifhe Autorität bes römifchen Biſchofs vor aller
Welt feierlich als auch ihm übergeorbnet anerkannte.
Einft hatte Bismard unter dem Jubel der Liberalen und
der Evangelifhen erflärt: „Nach Canofja gehen wir nicht."
Dürfte man annehmen, er habe von dem, was 1077 in Canofja
geſchehen, eine hiſtoriſch richtige Vorftellung gehabt und fei
nit in dem Irrtum befangen geweſen, der darüber auch
heute noch gemeinhin herrſcht, habe alfo gewußt, daß Heinrich IV.
dort fi perfönlich gedemütigt, um das Anfehen der beutfchen
Krone und die Freiheit Föniglihen Handelns für ihren Träger
zu retten, fo würde man zugeben können, daß er fein Wort
eingelöft habe. Doc; verband wohl auch er mit diefem Namen
die Vorftelung von einer Demütigung des Staates durch Preis:
gabe als unantaftbar erflärter ſtaatlicher Rechte gegenüber
der Hierarchie. Dann aber läßt fi doch die Thatſache nicht
wegleugnen, daß er jenem Schlagwort nicht nachgekommen ift,
fondern der Kirche Zugeftänbniffe gemadt hat, die mit dem
Standpunft unvereinbar bleiben, von dem aus er in Gemein-
ſchaft mit Falk den Kulturfampf begonnen hatte. Auch jein
begeiftertfier Verehrer wird es als einen verhängnisvollen
Irrtum des großen Realpolititers bezeichnen dürfen, wenn er
fein Werk, weil die liberalen und nationalen Parteien ſich
ihm für den von ihm geplanten Ausbau einzelner Teile vers
fagten, ihnen zum Trog in der von ihm nun einmal gewollten
IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 481
Geſtalt dadurch zu fihern dachte, daß er fi mit einer Partei
verband, die ihrem Wefen nach ebenjo antiliberal wie anti-
national ift und alle Zeit bleiben wird. Einen proteflantifchen
Staat mit Hilfe einer von Rom aus geleiteten, wenn aud)
diefem nicht in allen Stüden gehorjamen Partei zu regieren,
iR auf die Dauer unmöglid und muß früher oder fpäter zu
einer inneren Kriſis führen, welche die Einheit ernfier gefährdet,
als es ber Rulturlampf in feinem heißeften Stadium gethan
batte. Hat doch die Folgezeit bereits gelehrt, daß fo dem
Polonismus, den zu vernichten Bismard ben Kampf gegen
Nom namentlih begonnen haben will, immer neue Kräfte
zugeführt und immer neue Mittel wirkfamfter Agitation zur
Verfügung geftellt werben.
So wurde denn die dem Staate durh die Maigejege
gegebene ftarfe Defenfivftelung in den nächſten Jahren vollends
entfeſtigt. Im Jahr 1883 wurde das finatliche Recht des
Einſpruchs gegen die Ernennung von Pfarrern durch den
Biſchof aufgegeben mit Ausnahme der Fälle, wo es fih um
fiiftungsmäßig dauernd zu befegende geiftlihe Aemter handelte.
Im Mai 1886 wurde die Prüfung abgeihafft, durch melde
die angehenden Geiftlichen ein ſtaatlich verlangtes Map all-
gemeiner Bildung nachweiſen follten, und die Errichtung geift:
licher Rnabenfeminare und Konvikte freigegeben, auch die Bes
rufung von ben Entſcheidungen geiftlicher Behörden an den
Staat beſchränkt und das Leſen ftiler Mefien und die Ers
teilung der Sterbefaframente für ſtraflos erflärt, endlich den
ber Krankenpflege gewibmeten Orden größerer Spielraum ein»
geräumt. Erſt nad ſolchem Entgegenlommen bes Staates
erkannte die Kurie ihrerfeits bie Verpflichtung der Biſchöfe an,
von den durch fie vorgenommenen Ernennungen von Pfarrern
der Stantsbehörbe Anzeige zu machen, und dafür wurde ihr eine
weitere Reviflon ber Maigefege ausdrüdlich zugefagt. Sie er-
folgte durch das Geje vom 29. April 1887. Danach behielt
der Staat ein Einſpruchsrecht nur gegen die Anftellung ſolcher
Geiſtlichen, gegen die bürgerliche Bedenken vorlagen, verzichtete
auf den Zwang zu dauernder Befegung ber Pfarrämter und
gab den Gebraud der Firhlihen Zuchtmittel im rein veligiöfen
Brus, Preubiige Geiäläte. IV.
482 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung.
Gebiete uneingeſchränkt frei, ftellte auch die Zulaſſung folder
Orden, die fi ber Aushilfe bei der Seelforge, chriſtlichen
Liebeswerken oder befhaulidem Leben widmen, dem Staats:
minifterium frei, wie aud die weiblichen Orden wieber zur
Leitung von Mädchenſchulen zugelafien wurden.
Die Enttäufhung und Verftiimmung der Liberalen über
das Zurüdweihen der Regierung im Kulturlampfe war um
fo tiefer, als eine Nötigung dazu weder in ber auswärtigen
nod in ber inneren Politit vorlag, ihr Zwed vielmehr nur
der war, durch eine veränderte Gruppierung der Parteien wirt-
ſchaftliche Pläne durchzufegen, die ein großer Teil der Liberalen
ſchon deswegen befämpfte, weil fie zu Mebrbelaftung bes kleinen
Mannes und größerer finanzieller Unabhängigkeit der Regierung
ber Volfsvertretung gegenüber führen mußten. Andererſeits
war das Sentrum nicht gemeint, das ber Kirche bisher Zu-
geftandene als ausreichenden Lohn für feine Hilfe gelten zu laſſen,
und begann alsbald eine planmäßige Agitation zur Erweiterung
der kirchlichen Rechte auf Koſten des Staates. Namentlich
fuchte es unter Führung bes unermüdlichen und ftets ſchlag⸗
fertigen Windthorft immer von neuem bie Kirche dadurch
zur Herrin der Schule zu maden, daß allein die Geift-
licjfeit den Religionsunterricht zu erteilen berechtigt fein follte,
ſtieß damit aber doch bei der Regierung und den Liberalen
auf entſchiedenen Widerftand. Das leiftete auch der Ausbreitung
bes Bolentums Vorfhub, das die Herrſchaft der deutfchen Kultur
in den öftlicden Provinzen mit Hilfe mafjenhafter Zuzügler aus
Ruffifg: Polen planmäßig befämpfte. Diefer Einhalt zu thun,
wurben 1885 die Fremden polnifcher Nationalität von bort
in Menge ausgewiefen, was natürlich nicht ohne Härten und
Nechtsverlegungen im einzelnen abging. Das führte zu einer
Art von Konflikt zwifchen Preußen und dem Reichstage. Denn
obgleich die Angelegenheit nit zur Kompetenz bes legteren
gehörte, wurde fie trog ber Abmahnungen der preußifchen
Regierung von dem Zentrum im Bunde mit der Fortſchritts⸗
partei, den Sozialdemokraten und Polen dort zur Sprade
gebracht und eine Art von Tabelsvotum gegen Preußen durch»
gefegt. Der üble Eindrud des Zwiſchenfalls wurde doch dadurch
IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 483
kaum gemindert, daß das Abgeordnetenhaus für die Regierungs-
maßregel eintrat, und Bismard mußte erkennen, weſſen er fi
unter Umftänden von feinen neuen Bundesgenofien zu verfehen.
hatte.
Der augenfälligfe Erfolg diefer legten Wandlung Bis-
mards, welche den Schwerpunkt der Politik in die wirtichaft-
lihen und finanziellen Fragen legte, war die fortſchreitende
Zerſetzung ber älteren großen Parteiverbände, mit Ausnahme
des Zentrums auf der einen und der Sozialdemofraten auf:
der anderen Seite. Ohne foldhe aber ift auch für den that-
kräftigften Staatsmann eine ftetige, ſich in logiſcher Konſequenz
entwidelnde Politik auf die Dauer nicht möglich. Nicht allein
in weiten Kreifen bes liberalen Bürgertums, fondern felbft
unter den zur Mitarbeit an der Staatsleitung berufenen
Beamten wurde man foldem Wechſel gegenüber zweifelhaft,
was eigentli das von der Regierung unter allen Umftänben
Gewollte jei, und trat ihr bei den Wahlen und anderen Ge-
legenheiten bald in diefem, bald in jenem Punkte mehr ober
minder offen entgegen. So ergab fih aus ber Disharmonie
zwifchen preußifcher und deutſcher Politit und dem Vorwiegen
einmal kirchlicher und konfeſſioneller, dann wieder wirtfchafts
licher und finanzieller Gefihtspunfte, die alle gleihmäßig den
nationalen Interefien dienen follten, eine bedenkliche Loderung
der alten Disziplin des preußifchen Beamtentums, die den Fort:
gang der inneren Entwidelung Preußens gefährden konnte.
Dem trat Bismard entgegen dur einen Töniglihen Erlaß
an das Staatsminifterium vom 4. Januar 1882. Derjelbe
brachte die altpreußifchen ſtrengmonarchiſchen Prinzipien und bie
Autorität des Königtums nahbrüdlih in Erinnerung und
konnte aufgefaßt werden als ein ſcharfer Proteft, den das in
einer großen Vergangenheit wurzelnde und feiner daraus ent-
fpringenden Rechte und Pflichten bewußte Königtum einlegte
gegen den Einfluß der parlamentarifhen Körperſchaften, den
die Verhältniffe ber legten Jahre auch in Preußen gefteigert
und Bismard felbft für feine Zwede benugt hatte. Er bes
feitigte zugleich die gefliffentlich verbreitete Meinung, als ob
es fi bei gewiſſen viel umftrittenen Regierungsmaßregeln nicht
484 Sechſtes Buch. Die Jahre der Erfüllung.
um Ausflüfe des königlichen Willens handle, fondern um
Willensakte der vom König mit ber Leitung ber Geſchäfte bes
trauten verantwortlihen Minifter, und ftellte die Einheit des
Willens des Könige und der Minifter, bie angefihts ber
politifhen Umfchläge der legten Zeit von manden angezweifelt
war, nad) rechts und links mit aller Entſchiedenheit feſt. Er
konnte demnach geradezu gelten als eine Reaktion des Alt
preußentums gegen bas feit der Errichtung des Reiches ent⸗
widelte und raſch zu großem Einfluß gelangte Neupreußentum.
Hieß es darin do: „Die Verfaffung Preußens ift der Ausbrud
der monarchiſchen Tradition diefes Landes, deſſen Entwidelung
auf den lebendigen Beziehungen feiner Könige zum Volke bes
ruht. Diefe Beziehungen laſſen fi) auf die vom König ernannten
Minifter nicht übertragen; denn fie Inüpfen fi an die Perſon
des Königs. Ihre Erhaltung ift eine ftaatlihe Notwendigkeit
für Preußen. .... Es ift Aufgabe Meiner Minifter, Meine
verfaffungsmäßigen Rechte durch Verwahrungen gegen Zweifel
und Verbunfelung zu vertreten. Ein Gleiches erwarte ih von
allen Beamten, welche Mir den Amtseid geleitet haben. Es
liegt mir fern, die Freiheit der Wahlen zu beeinträchtigen,
aber für diejenigen Beamten, melde mit ber Ausführung
Meiner Regierungsafte betraut find und beshalb nad dem
Disziplinargefeg ihres Dienftes enthoben werden fünnen, er=
ftredt fi die durch den Dienfteid beſchworene Pflicht auf die
Vertretung der Politik Meiner Regierung auch bei ven Wahlen.“
Es war doch ein bedenkliches Zeichen der Zeit, daß eine ſolche
Mahnung nötig war, ein bedenklicheres freilich noch, daß fie,
wie fi im der Folge zeigen follte, nur vorübergehend wirkte
und bald wieder vergefjen war.
Zur Zeit, wo dieſer Erlaß erſchien, der die Deffentlichkeit
um fo lebhafter bejchäftigte, als er zwar von einem richtigen
Gedanken ausging, aber für eine unanfechtbare praktifhe Durch⸗
führung ſchon deshalb große Schwierigkeiten bot, weil dieſe
bei allen Beteiligten einen Takt und eine Refignation vorauss
fegte, die immer felten bleiben werben, war das Intereſſe
aller Kreife bereits aufs höchſte in Anſpruch genommen durch
eine neue, ebenfo überrajchende wie großartige Wendung der
IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 485
inneren preußifhen Politif, eine Wendung, die dem Staate
und der Geſellſchaft ganz neue Aufgaben ftellte und verheigungs-
vol auf ein kommendes Zeitalter fozialen Friedens hinwies.
Die beiden Männer, bie trog ber Grunbverjciebenheit ihres
Weſens einander wunderbar ergänzend feit zwei Jahrzehnten
in unvergleihlier Harmonie zufammen gewirkt hatten, um
Preußen auf die Höhe ber Leiftungsfähigkeit zu erheben und
an die Spige des in neuen Formen geeinigten Deutſchlands
zu ftellen, und dann auf ben ihnen aufgenötigten Kampf gegen
die römifche Hierardie verzichtet hatten, um zur Feftigung ber
nationalen Einheit bie nad ihrer Meinung allein ficheres
Gedeihen verheißende Grundlage für eine große wirtſchaftliche
Zukunft Deutſchlands zu gewinnen, erhoben fi) jegt zu dem in
diefer Größe noch nie gefaßten Gebanfen einer Verjöhnung
und Ausgleihung der fozialen Gegenfäge, deren zunehmende
Verſchärfung eine Gefahr zu werben drohte für den inneren
Frieden und damit aud für die Einheit und die Macht des
Neiches. Beide hörten damit auf, bloß politiſch als Staats—
männer zu wirken: fie ftellten fi) und ihre ungeheure moraliſche
Autorität in den Dienft der Humanität und formulierten eine
Aufgabe, an deren Löfung, fol fie aud nur im beſchränkten
Umfange gelingen, alle Kulturvölter ohne Rüdfiht auf nationale
Sonderungen und politifhe Gegenfäge gemeinfam werben
arbeiten müflen, fo daß fie in Angriff zu nehmen allein ſchon
als ein Schritt zur Sicherung des Friedens auf lange hinaus
angejehen werben darf.
An König Wilhelm und feinem Berater, befien Ent:
widelungs und Anpafjungsfähigfeit gegenüber den neuen Ans
forberungen ber wejentli durch feine Erfolge herbeigeführten
neuen Zeit nie verfagten, waren bie Jahre bes Kampfes gegen
die Sozialdemokratie nit ohne tiefen Eindrud vorübers
gegangen. Sie verkannten nicht, daß gewiſſe ſoziale Mißſtände
wohl geeignet waren, die darunter Leidenden zu erbittern und
zum Kampfe gegen bie beftehende geſellſchaftliche Ordnung
herauszuforbern. Der Milliarbenzeit mit ihrer Ueberſpekulation
und Verſchwendung waren ſchwere Krifen und brüdende Not⸗
jahre gefolgt, unter denen vor allem bie zu leiden hatten, bie
486 Sehfte Buch. Die Jahre der Erfüllung,
vorher von leichtem Gewinn und forglofem Genuß ausgeſchloſſen
geblieben waren. Dazu kam, daß die Aenderung der Wirtſchafts⸗
politil, fo erfreulich ihre finanziellen Ergebniffe waren, doch
vornehmlih den kleinen Mann traf, indem fie eine beträcht⸗
liche Verteuerung ber notwenbigften Lebensmittel herbeiführte.
Der dadurch genährte Gegenfag zwiſchen arm und reich hatte
namentli in den Kreifen der Arbeiter, die ſich trog vielfacher
Beſſerung ihrer Lage noch immer durch die Rapitaliften aus-
gebeutet glaubten, eine gärende Unzufriedenheit erzeugt, von
der das ungeheure Anjchwellen der fozialdemokratifchen Stimmen
bei ben Reichstagswahlen ein erſchreckendes Zeugnis gab,
zumal bie Attentate von 1878 offenbart hatten, wohin ber
bier entfefielte Fanatismus fchließlih führen Eonnte Das
Soyialiftengefeg hatte wohl weitere Ausfhreitungen, aber nicht
die weitere Ausbreitung der Sozialdemokratie gehindert. Mit
Nepreffiomaßregeln allein, das war bie große Lehre ber
erften Jahre des Ausnahmegefeges, war diefer Bewegung nicht
beizufommen, ber geiftige und fittlihe Momente von uns
beftreitbarer Berechtigung nit abgeſprochen werden konnten.
Neben der Unterbrüdung gejegwibriger Agitation zur Unter:
wühlung ber Grundpfeiler ber beftehenden geſellſchaftlichen
Ordnung beburfte es, um bier Einhalt zu thun, eines teil-
weifen Um» und Neubaus diefer Ordnung, um gerechten Be-
ſchwerden und drüdenden Notftänden ber Minberbegüterten ab-
zubelfen und diefe dur Erfüllung eines gewiſſen Maßes von
Mindeftforderungen mit der thatſächlich beftehenden und ja
nun einmal nicht aus der Welt zu ſchaffenden Ungleichheit zu
verföhnen.
Diefen großen Gedanken, der ein neues Zeitalter fozialer
Entwidelung beraufführen follte, ließ Bismard feinen könig⸗
lien Herrn dem preußifchen und dem deutichen Volke und
der ehrfurchtsvoll laufenden Welt fund thun durch die an ben
Reichstag gerichtete Faiferliche Botſchaft vom 17. November 1881,
„allein fein Werk großer Vorausfiht”, wie König Wilhelm
felbft dankbar bezeugt, der ihm aud auf diefem neuen Wege
vertrauensvoll folgte und mit Freuden ſah, daß derfelbe auf
politifh denfende Männer tiefen Eindrud machte. Der König
IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 487
erklärte darin, die ſchönſte Krönung aller ihm während ſeiner
Regierung von Gott beſchiedenen Erfolge werde er darin ſehen,
wenn es ihm gelänge, durch Hebung der ſozialen Schäden und
Förderung des Wohls der Arbeiter dem Vaterlande neue und
dauernde Bürgfhaften bes inneren Friedens zu geben und ben
Hilfebedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Bei
ſtandes zu Hinterlafien, auf den fie Anſpruch haben. Die
Verwirklichung diefes Programms gab die jozialpolitifche Reichs-
gefeßgebung der nächſten Jahre, deren Hauptſtadien das Kranken⸗
Taffengejeg vom 15. Juni 1883 und das Gefeß über bie Unfall-
verfierung der Arbeiter vom 6. Juli 1884 bezeichnen und die
fpäter (22. Juli 1889) in dem ungeheuren Unternehmen ver
Alters: und Invalidenverfiherung der Arbeiter ihren Abſchluß
fand.
Auch in dem preußifhen Königtum wurde dadurch eine
Seite, die zwar der Anlage nad) längft vorhanden geweſen,
aber nur ungleihmäßig und fozufagen rudweife entwidelt
worden war, zu voller Entfaltung gebradt. Das wandelte
auch feinen Charakter in bedeutfamer Weife. War es urfprüng-
lich der Ausdrud geweſen für einen erft werdenden Staat und
eine aus Bruchteilen der verſchiedenſten Stämme durch die
Einheit der Herrſchaft erſt zuſammenwachſende Nation, alſo
mehr auf die Zukunft gerichtet als eigentlich in der Vergangen⸗
heit begründet und daher vorwiegend militäriſch-politiſchen
Gepräges, fo wurde es jegt auf das engſte mit dem Wohl und
Wehe des Meinen Mannes verknüpft, und indem es über ihn
die Schirmvogtei übernahm, zu ausgeſprochen fozialer Bedeutung
erhoben. Es ſenkte damit eine Menge neuer Wurzelfafern in
die Tiefe des Vollölebens. Anſätze dazu hatten allerdings
auch früher nicht gefehlt: Der Schmanenorden Markgraf
Friedrichs II. (Bd. I, ©. 154) hatte gewiſſe foziale Reform»
tendenzen verfolgt, Joachim I. beim Kammergericht ausdrüd-
li einen Anwalt zur Vertretung der Armen beftellt (Bd. I,
©. 183) und der große König durch bie ftarfe Betonung ber
fittlichen Pflichten des Königs (Bd. III, S.240) einen ähnlichen
Weg gewieſen, den feines Vaters derb zugreifender praktifcher
Sinn von felbft gefunden hatte, während der idealloſe Friedrich
488 Sechſtes Bud. Die Jahre ber Erfüllung.
Wilhelm III. erft durch die Not der Zeit fih darauf hatte
drängen laffen. Erinnert man fih, daß Leopold v. Gerlach
und Genoffen zur eit, da Preußens Schidfal in ihren Händen
lag, den Armen und Elenden helfen zu wollen für eine Utopie
erflärt und ben erften Bourbonen wegen des Verſuches dazu
verfpottet hatten (S. 309), fo wird man ermeflen, in welchem
Maße durch diefe Wendung der volkstümliche, man möchte
faft jagen der demokratiſche Charakter bes das neue beutfche
Reich tragenden preußiſchen Königtums gefteigert wurde. Es
kam bamit in ihm ein Zug voll zur Geltung, der im Gegen-
fat zu dem antiken Königtum und dem für die Entwidelung
bes modernen Königtums beftimmend und vorbildlich ge-
wordenen romanifchen, insbefondere franzöfiihen Königtum dem
germaniſchen urfprünglich eigen gewejen war, aber feit der
Rataftrophe Raifer Heinrich IV., der im Kampf gegen das Papfts
tum und bie feudalen Gemalten fi zum Schüger der niederen
Stände aufgeworfen hatte, mehr und mehr verfümmert und
allmählich völlig unterdrüdt worden war.
Neben dem Glanz unvergleihliher Siege, dem Ruhm des
Einigers feines feit Jahrhunderten zerriſſenen Volkes und bes Be-
gründers einer ehrfurdtgebietenden Machtſtellung jeines Reiches
in der Welt umftrahlte jo den Lebensabend König Wilhelms
und die legte Zeit feines Zufammenwirkens mit Bismard der
herrlichere und unvergänglidere eines Wohlthäters der Armen
und Kranken und eines Schügers ber Mühjfeligen und Beladenen
und bob ihm Hoch über den Lärm des Parteilampfes, der
gerade in jenen legten Jahren aud in Preußen heftiger als
feit lange entbrannte. Deshalb wurden die Seite, bie ihm
zu feiern vergönnt war, wie nie fonft fürftlihe Gedenktage,
Tage nationaler Erhebung, an denen ein dankbares Volk dem
Schöpfer feines äußeren und dem treuen Pfleger feines inneren
Glüdes begeiftert zujubelte.
Deshalb war der Tag, 9. März 1888, an bem ber
Greis nad kurzer Krankheit, bis zulegt feiner Herrſcher⸗
pflichten eingedenk, die freundlichen Augen flo, ein Tag
tieffter und mwahrfter nationaler Trauer, um fo tiefer und um
fo wahrer, ala des Nachfolgers hoffnungslofes Siehtum einen
IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 489
baldigen weiteren Wandel in Ausfiht Rellte, von dem Richtung
und Ziel zu erkennen felbft dem getreuen Edardt Bismard un:
möglich erſchien.
Das alte Preußen war mit Kaifer Wilhelm dahingegangen ;
ob das neue Preußen den von diefem verfolgten Kurs einhalten
würde, durfte bezweifelt werden. Preußen ftand an einer
entſcheidungsſchweren Wende ber Zeiten.
Bamenverzeichnig.
A.
Aagen 1318. III bi, 91, 129. IV 160,
beten, SejeimerSegationkrat IV448.
Abo IV 8
Accon I 4 ‚00 fi.
Ach enbach, Minifter IV 472.
wöttendofen, Saat Baum. von IT 188,
Kalter, iföof on Prag an
Adolf Johann, Pfal f
an Ame — des —
1119
f.
Agricola I 216, 218, 219, 381.
Fr man, franz. Gefandter St. IV 58.
a, Herzog von I 240.
Een, Herzog von Sachſen I 181,
Alben, Rönig, von Sachſen IV 411.
— der Bär, Markgraf I 111 bis
Aihreät I., Markgraf I 117.
Adreht, Hogmeiiter des Deutſchen
Ordens, Herzog von Preußen I 97
bis 109, 179, 186 ff., 220, 223,
234 ff., 242, 289, 296. II 112,
118.
Adret, Erzbiſchof von Magdeburg
und Mainz I 178, 179, 188, 191, |
192, 206, 208, 217.
Abreht, Herzog von Medlendurg I
82, 83, 194, 205.
auseet, Herzog von Defterreih I
breit, Graf von Anhalt I 132.
Aibreht II., Raifer I 155. II 176,
Pen von Brandenburg-Rulmbad)
1228, 224, 234.
Albrecht, Erzherzog, Stattgalter der
Peg a 296, 302, 304. Deflerne
it, erzog von ich
(1870) IV 438.
Albrecht, Rabinettörat IV 7.
Alengon II 342.
Alegander I., Kaiſer von Rußland III
365, 368, 369, 371, 878, 380, 410,
28 419 ff., 450, 473, 481. 1V 22,
2, 200.
Almrander II, Raifer von Rußland IV
359, 457, 4m.
Alerander IV., Papſt I * ſ
Alerander V., "gapft I
Alezei, Zar iü 81, Pr
eg, Hochmeiſter Dietrih von
1, 74.
Altenburg III 127. IV 86.
Altenhaufen I 200.
Altenftein, Minifter 8. iherr von
III 429, 433, 465, 469 ff., 475, 476.
IV 90, 92, 106, 128, 140, 184, 188,
190, 204.
Altfich II 197, 198.
Alvenöleben, Biſchof Buſſo von I 214.
Minenateben, Minifter Freiherr von
III 294, 807, 856.
Aivendtehen, Finanzminifter von IV
64,
Alvensleben, General von IV 388.
Amalie, Tochter Georg II. von Eng:
land II 897.
Amalie, Tochter des Großen Rurfürften
184.
Amalie, Schwefter Friedrichs bes
Großen III 182.
Amandus I 108.
Amberg I 282.
Amerongen, von, Hol. Gefanbter II
147 r
Namenverzeichnis.
Amiens III 872.
Amſterdam 1983. II 5, 275. III 272.
Ancillon IV 1, 28, 83, 116, 117, 146,
168, 164, 199.
Andernach II 160, 178.
Andrafiy, ungarifcher Minifter IV 458.
Andreas II, König von Ungarn I 40.
Angerburg I 112, 385. III 418.
Angermünde I 198, 419.
Angerort I 449.
Anflam II 50, 58, 227, 368. III 106.
Anna, ättefte Tochter Joadjim I. I 194,
204.
Anna, *9 Sigismund II. von
Bolen I
Gemahlin Bfalagef, hör
Lubwi ige von Reuburg I
Anna, Gemahlin des Büren Jos
Hann Sigiämunb I 268, 298, 301,
803, 808, 318, 815, 825, 331, 381.
Anna, ruſſiſche Kaiferin III 10.
Anna Katharina, Gemahlin Chris
ftian IV. I 267.
Anna Marie, Gemahlin Herzog Al:
breit I 220.
Anna Mario, Gemahlin des Herzogs
— von Bayern III 175, 179,
Anna Soppie, Tochter Johann Sigis:
munds
Annabur; 7 3.
Anftett, Staatörat von IV 24, 46.
Antoinette, Gemahlin Johann Bils
Helms von Jülih-Rleve I 294.
Anton, Erzherzog III 368.
Anton, Bruder Friedrich Auguft II.
von Sadfen v7
Anton ulrich von Worfenbükter 1210,
— IT 399.
Apragin, ruſſiſcher General III 93.
Arcid fur Aube IV 58.
d’Argens, Marquis I 27. III 58, 92,
9.
Arndt, Ernſt Morig III 226, 447. IV
26, 48, 80, 92, 98, 103, 104, 107,
202.
Arneburg I 178, 242, 855, 429.
Arnheim 1 882.
Arnim, Sand Georg von I 339, 341,
un 851, 352, 854, 856, 857, 360 ff.,
Arnim, Georg Deilen von III 58, 227.
Arnim, Miniiter, Freiherr Heineich von
IV 252, 255, 257, 261, 276, 286. |
491
Arnim-Boigensurg, RinifterGrafX.9.
IV 226, 227, 246, 249 ff., 256,
265.
Arnold, Bifhof von Trier IV 211.
Arnold, Müller III 226, 228, 235, 259.
Arnäberg I 460.
Arnswalde I 166.
Artois, Graf von III 298. IV 60.
Aſchersleben I 147.
Alchoff, General IV 261.
Aspexn III 472, 478.
After, General IV 102.
Auer, Lampert Jefuit I 228.
Auerftäbt III 398, 400. IV 36.
Auerswald, Oberpräfident Hand Jafob
von III 487. IV 17 ff., 120.
Auerswald, inifter Alfred von IV
232, 234, 260, 274.
Auerswah, Minifter Rudolf von IV
262, 284, 274, 308, 327, 336, 844,
7 fl.
Kugtburg 1, 1m, 255, 257, 459. III
138.
Kuguf, She uefürft Johann Georgs
— ge m von Holftein II 197.
Mruguft, Abminiftrator von Magdeburg
1 101.
Auguft von Sachſen I 226, 233, 247,
251, 256, 258, 259, 315.
Auguft II, König von Bolen II 306,
u 827, 330, 831, 333, 338, 874,
ut II, König von Polen II 387.
38, 88, 111, 153, 154.
Auguft, Prinz, von Preußen III 446.
Auguft Wilgelm, Prinz von Preußen
181. II 387. Ill 79, 84, 98, 249.
Fan Kaiſerin IV 409, 462, 463.
217.
—X IIl 880, 385.
B.
Babelsberg, St IV 868, 878.
Baden IV 4:
ErmeMere Iv 355, 357, 358.
Bärwalbe I 115, 117.
Baifen, Gabriel von I 94.
Balga 1 54 ff.
Ball, Hermann Lanbmeifter I 47.
Balthajar, Jurſt zu Verla I 135.
Balthafar, Herzog von Sagan I 157,
164.
Bamberg III 128, 199, 207, 339, 864.
492
Baner, ſchwediſcher General I 351,
365, 371, 372.
Barbara, Tochter Herzog Rubolfs von
Sachſen I 130, 138, 142.
Barbara, Tochter Ierz g Achills I
164, 165, 168, 178, 186.
Barbara, Tochter oahims I. 1282.
Barby IV 71.
Sara, Felbmarfchall von II 300, 323.
Barnim, Herzog von Pommern I 120.
Barnim X., Herzog von Pommern I
187
Bar fur Aube IV 56, 57.
Bartenftein 1298. II 17, 77. III 416.
Barthelemy, franz. Bevollmädtigter II
322.
Barthoibi, Geheimrat von Il 810, 322,
347.
Bafel1 152. II 198. IIT920 ff., 880 ff,
334, 336, 339, 370.
Baffano, Graf zu, ſ. Schlid.
Bathory, Stephan von Siebenbürgen
und Polen I 255, 256, 290.
Baucicaut I 68.
Baugen I 1, 2, 221, 255. III 97,
88, 108. I , 48.
Beder, talans iv 208.
Beckerath, Minifter Hermann von
IV 282, 265, 276, 279.
Beeskow I 861.
Beguelin IV 16.
Behm, Hofprediger Johann L u
Belter, Profefior Imm. I
Bela IV. von Ungarn I %
Belfort II 198. IV 451.
Belgrab III 282, 325.
Belit I 122.
Bellau, Oberft II 81.
Belle:Alliance IV 77.
Belle: 3öle III 15, 19.
Bendenborf, Karl Friebrih_von I 26.
Bendenborf, Turfürftlicer Rat 1481.
Benedendorf, Chriftoph I 286.
Benebel, öfterr. General IV 412.
Benebetti, franz. Botſchafter IV 413,
441 ff., 446.
Benedikt XIV., Bapft IV 1
Bennigfen, zuffifcher —X in 418,
414, 419, 430.
Bennigfen, R. von IV 850, 428, 472.
Benzenderg, I. 3. IV 185.
Berenbs, Abgeorbneter IV 261, 266.
Berge, Heinrih von dem I 47.
Bergen, Klofter II 102, 229.
Bergzabern II 190.
Ramenverzeihnis.
Berlin I 114, 120, 121, 181, 182,
187, 145, 149 ff, 162, 175, 198,
199, 208, 210, 218, 229, 238, 243,
245, 246, 248, 251, 271, 279, 282,
292, 297, 304, 812 fi., 318, 322,
823, 332, 340, 349 » 362,
368, 372, 394, 401, 407, 410, 416 f
II 41, 49, 52, 59, 84, 106, 110 ff,
115, 116, 119, 140 ff., 144 ff. 154,
171, 172, 177, 182, 183, 188, 207,
227, 245, 249, 252, 257, 267, 268,
275, 299, 801 fi., 315, 317, 819,
320, 324, 325, 327, 328, 380, 338,
987, 342, 347, 352, 358 fi., 867,
871, 375, 376, 397. III 21, 36, 37,
40, 42, 56, 58, 60, 72, 74, 89, 95,
102, 108, 108, 109, 115, 117, 122,
149, 160, 161, 164, 176, 187, 188,
200, 205, 206, 221, 229, 235, 242,
273, 281, 296, 297, 300, 801, 30
304, 818, 321, 334 ff., 338,
857, 365, 387, 368, 370, 373, 875,
879, 881, 382, 385, 391, 392, 401,
405, 481, 447, 450, 451, 457, 458,
464, 469, 471, 473, 474 fi. IV 5,
6, 11, 18, 16, 20, 21, 81, 88, 41,
50, 51, 61, 84, 98, 105, 109, 115,
122, 126, 140, 149, 152, 153, 160,
162, 168, 166, 170, 178, 179, 181,
183, 192, 202, 217, 226, 230, 238,
241 fi., 254, 256, 260, 268, 265,
267, 270 fi., 279 ff., 289, 291, 293,
298, 303, 317, 324, 327, 330, 346,
348, 353, 400, 409, 418, 419, 421,
430, 437, 442, 444, 445, 454, 456,
28, Ey 472, 474, 478.
Bern IV 84.
Bernabotte, Kronprinz von Schweden
III 879, 418, 419. IV 34, 85, 50,
5l.
Bernau I 419.
Bernhard, Seas von Braunſchweig⸗
Züneburg I 192.
Bernhard, Herzog von Meiningen IV
Bernhard, Seas, von Weimar I 862.
Bernheim, Dietrich von I 47.
Bernftorff, Minifter Albr. Graf von
IV 111, 115, 116, 129, 168.
Bernftorff, preußifcher Geſandter von
IV 302, 371, 378, 374, 387, 895.
Bernuth, Minifter von IV 360, 371.
Bertrand, Marjhall III 414, 416.
Beffer, Hofmarjdall II 287, 817.
Beftufchef:Rjumin, Günftling Clifas
Ramenverzeihnis.
beths von Rußland III 26, 42, 60,
64, 72.
Bethmann:Hollweg, Miniſter M. A. von
IV 344.
Beton, Dberftleutnant II 221.
Beulwig, Herr von III 206.
Beurnonville, General 111361,362,866.
Beuft, ſachſiſcher Minifter IV 425,
437, 438, 446, 457, 458.
Beuthen I 188, 134, 394.
Beyer, Brüder von III 261.
Beyer, Beneral Guftav Friebrih von
Beyme, Rabinettärat III 880, 392, 404,
408, 412, 430, 445, 459, 470, 476.
IV 88, 96, 128, 131.
Bialolenta II 26, 27.
Bialyftod III 423. IV 28.
Bielefeld IT 241.
Bingen I 142.
Biron III 154.
Biron, Prinz von Kurland IV 455.
Bifhoffswerder, Dberft von III 257,
258, 260, 261, 291 ff., 296, 297,
302 fi, 307, 327, 347,
Bismard:Schönhaufen, Fürft Otto von
111 288, 289, 854. IV 238, 254,
255, 257, 268, 268 ff., 291, 305,
807, 812, 321, 327 fj., 838, 340,
eg 847, 351, 352, 375, 378 ff.,
Sittenfeh, General Hermart von IV
405, 412.
Bitter, Finangminifter IV 478.
Blasheim II 192, 194.
Blankenfeld, Thomas von, Bürger:
meifter I 199.
Blücher, Gebhard Leberecht von III 258,
388, 398, 401, 403, 413, 480, 472,
482. IV 83, 35, 36, 41, 50, 51,
54 ff, 71, 74, 77, 158.
als Bürgermeifter Bartholomäus
—A Biſchof Georg von I 199,
Joachim Friedrih von
1899, 400, 402, 448, 457, 458.
Blnmenthat, Chriftoph Kafpar von
Bumrohiat, Dierteforer Graf 11348.
Boberäberg I 168. II 116.
Bodum: Dolffs, Oberregierungsrat von
IV 389, 393.
Bodelſchwingh, Winifter €. von IV
227, 342 ff. 254, 263.
493
Bodelſchwingh, Finanzminifter K. von
IV 387.
Boden, Minifter von III 6.
Boeckh, Profeſſor Auguft IV 140, 324.
Boehm, Profeffor Johannes II 118.
Bögow I 457. II 110.
Bogislem, Herzog von Bommern:&tolp
— Herzog von Pommern⸗ Wol⸗
ga
Bogislaw x von Pommern:Stettin
1165 ff. 174, 175, 187.
vegglap —F von Pommern 1349,
350, 372, 381.
— III. von Polen I 42, 60.
Boleslaw, Herzog von Liegnig I 114.
Bologna I 100, 153, 182, 190, 205,
208.
Bomſtorff, Raubritter Hans I 184.
Bonin, Freigerr von II 12.
Bonin, Rinifter Ed. von IV 265, 328,
344, 864, 365.
Bonn II 158, 178, 291, 295, 821.
IV 90, 92, 93, 187, 202.
Bopp, Sprachforfher Franz N 178.
Bord, Johann von der I 381
Borde, General und Staateminifer
von II 352, 360. III 26.
Borde, Gefandter von III 11.
Bornhöved I 114.
Boromsti, Biſchof 2. E. IV 182.
Borftel, General 8. 9. 2. IV 2, 38.
Borwin, Wenbenfürft I 114.
Bothe, Oberft I 876.
Bourbaki, franz. General IV 451.
Bournonville, öfterr. General II 168,
190
Boyen, Winifter General 9. von III
448. 6, 11, 12, 25, 62, 64 ff,
82, 88, 88, 96, 98, 120, 131, 203,
215, 221, 225, 861.
Brahe, Margarete von II 219.
Brand, Rriminalrat III 441.
Brandenburg (Stadt und Bistum) I
110, 112 ff., 119, 123, 131, 145,
158, 154, 190, 197, 199, 273, 332,
= 894, 419. II 216. IV 261,
granbenburg (am rifgens Haff) 11285.
Branbenburg, Graf Fr. W. von 128.
IV 265, 268 ff., 280, 28, 286,
287, 290, 293, 297 ff.
Brandt, kurfürſilicher Gefanbter von
II 94, 96.
Braun, Abgeorbneter IV 428, 486.
494
Braunau III 190.
Braunsberg I 78. II 41, 89.
Braunfchweig III 186, 242. IV 486.
Breda I 882.
Bredow, Liporius von I 285.
Bregenz IV 297.
Breiſach II 198, 201.
Breitenbad, Georg von I 213.
Breitenfelb I 856.
Bremen I 440, 458 ff., 462. II 48,
59, 225, 226, 228, 229, 367. III 366.
Brendenborf, Geheimrat von III 137.
Brenn, Regierungspräfident von IV
160.
Breslau I 98, 140, 282. II 111. III
11 ff., 21, 33, 48, 96, 97, 99, 115,
129, 194, 848, 404, 411. IV 13, 16,
19, 21, 25, 26, 28, 29, 32, 40, 50,
90, 122, 124, 175, 187, 194, 206,
208, 211, 230, 256, 265, 271, 478.
Brieg I 292, 265. III 11, 411.
Brienne I 448. IV 54.
Briesmann, Johann I 108, 199,
Briegen I 122.
Brig II 352.
Brodhaus, Verleger IV 185.
Brodgaufen, Gefanbter von III 455,
—8 u 282.
Brömfebro I 434.
Broglie, Marſchall III 23.
Bromberg II 47, 50, 60, 71, 248.
III 170, 318.
Bronzell IV 301.
Öftere. Feldmarſchall III 11,
83 ff, 90, 91.
Brühl, ſächſ. Minifter III 29, 64, 72,
73.
Brüpl, Graf, Sohn des Minifterd III
257, 261.
Brühl, Graf IV 208.
Brünn III 380.
Brüffel 1 287, 294. IT 169. III 374.
Brunn, Balthafar von 1 406, 407.
Bruno von Querfurt I 42.
Brzesc I 98.
Bubna, öfterr. Geſandter Graf IV 89.
Bucer, Martin I 214.
Bud, gehann von I 259.
Bud, Reifemarfhall d. S. von II 235.
Buchholz II 285.
Buchholzer, Gen! 208, 251.
Buchner, Probft Georg I 211.
Bubberg, tuff. Minifter III 416. IV
Ramenverzeihnis.
Budweis III 27, 30.
Büberih II 146, 151.
Bülow, Bifhof Dietrid von I 190.
Bülow, Finanzminifter von III 478.
V 88, 86, 87, 141.
Bülow, General Fr. W. Freiherr von,
Graf von Dennewig IV 6, 8, 15,
21, 83, 35, 50, 51, 58, 59.
Billow: Freie €. von IV 229,
262,
Büton De FA 122, 206. III 165.
Suhenfagen D I 189.
ugenhagen 1
Sunfen, Gefanbter Chr. 3. von IV
183, 188 ff, 207, 255, 813, 328.
Bunzelnig HI 132.
Buol, Graf 1V 99.
Yurgau, Maztgraf Karl von I 295.
Burgsborf, Dberfammerherr X. von
1 359, 375, 391, 392, 397, 400 ff.,
416 fj., 422 ff., 432, 436, 437, 489,
441, 448, 453, 455.
Burgsdorf, Ghreniig von I 417.
Burleräborf III 1
Bute, Lord III CH 122 fi.
Bylandt, Heinrih von I 287.
€.
Caillard, franz. Gefandter III 338,
847, 356, 357.
Calcar II 124.
Calonne, Minifter Graf III 298.
Camenz I 168.
Camphaufen, Minifterpräfident Lubolf
von IV 232, 284, 256, 274, 279,
280.
Garpheufen, Binenpinfier Dito von
4
Canitz, —— Freiherr von II
317. 111 58.
Cannä Fi 119.
Canofja IV 480.
Canftein, Raban von II 108.
Canterbury IV 825.
Carmer, Minifter von III 140, 227,
229, 231, 253, 265, 266.
Champagny III 461.
Shampaubert IV 55.
Charlotte, Raiferin von Rufland, geb.
—* von Preußen III 446.
Saseengug II 317, 379, 885. III
250, 4
Chnanach Fran. Bevollmãchtigter 1348.
Namenverʒeichnis. 495
Chatillon IV 54 fi.
Chaumont IV 57, 60, 76.
Chemnitz, Martin I 258.
Chemnig IV 414.
Thium IV 412.
eh Künftler D. N. II 255.
Choiſeul TIT 118.
Ctorin Eifterzienferklofter I 114, 117.
I 108.
Pr III 20, 36.
Chriftburg I 94.
Chriftian von Dliva I 42.
Chriftian I. von Dänemarf I 164.
Chriftian II. von Dänemark 199, 187,
189, 198.
Spriftian III. von Dänemart I 283.
it jan IV. von Dänemark I 832,
355.
Chriftian V. von Dänemart II 226.
Chriftian IX. von Dänemart IV 401,
403, 405.
Shriftian L, Rurfürft von Sadfen I
Epriftian IL., — von Sachſen
1295, 303, 307, 310.
Shrition von Anhalt 1263, 302, 308,
ln, Lohn Johann Georgs I 266,
3, 274.
ran, Herzog von Auguftenburg
327.
eorifien Auguft von Holftein:Gottorp
367.
Sorifien Wilhelm, Sohn Joahim
Friebrih® I 274, 288, 299, 805,
321, 831, 851, 358.
Chriftine, Königin von 11 geben I
357, 414, 415, 481. II 271.
Chriſtoph, Fürft zu Berta 1185.
Ciam, General IV 115.
Elaufewig, General Fr um 186. IH
408, 443. IV 8,
Sieg, Delta von IV 868.
apft I
Glerfait, HA; General III 385.
Cleve IT 135.
Enyphaufen, Minifter Freiherr von
II 352.
Gobenzl, Graf III 187, 310.
Gocceji, Samuel von III 47 ff., 58,
54, 226, 227.
Säleftin, Sofpreiger Georg 1 251.
Colmar Il 198
Colomb, General von IV 258.
Commentone, päpftlicher Nuntius J 227.
Conde, franz. Feldherr II 139, 186,
192, 206.
Gormeltut, Hiftorienmaler P. von IV
— Theologe Ehr. I 251.
Sorvey II 144. III 370.
Cotta, Buchhändler IV 152.
Coulaincourt IV 48, 46, 55 ff.
Courbiere, General III 412, 420.
Cramer, of. Friebr. II 843.
Erell, Kanzler Nitolaus I 260, 264
Srögug, Rarfgall II 241.
Creug, Generalfontrolleur von IT 350.
Crodow, von II 143, 146, 147, 150,
165, 179, 184, 205, 208.
Cromwell II 279.
Croy, Statthalter Seriog von II 234.
Gumberlanb, Herzog von III 86, 98, 98.
Turhaven II 373 fi.
Ezornedi, poln. Feidherr II 18, 58,
54, 84.
Czaslau III 20.
Gzernitfehew IIT 115, 125.
Gzeräti, Geiftlicher IV 212.
Gyerminst I 86.
D.
Daber, Schloß I 167.
Dad, Dichter Simon II 118, 287.
Dadjftein II 201.
Dachtow II 220, 221.
Dafenfet, „Drendmarfgalt Siegfried
von I
Dabimann, ‘x. hr. IV 202.
Dalberg, Freiherr von III 207, 820.
Dalwig, Infanterieregiment von II
221.
Damm I 450. II 50, 58, 227, 242.
Dammgarten II 58, 226.
Danbad, Ynquifitor IV 105.
Daniels, Präfident 9. 6. W. IV 132.
Dantelmann, Eberhard von II 261,
265, 298, 294, 296, 298 fj., 305,
306, re 318, 315, 322, 324, 334,
386, 842, 348, 346.
Danteimanı, Rit. Barthol. II 305.
Dankelmann, Minifter von III 145.
Dannenfeld II 207.
Danzig 1 60 ff., 78, 82, 89 ff., 115 ff,
256, 299. 11 11, 13, 31 ff, 41, 59,
68, 84, 235, 825, 874. III 42, 165,
168, 275, 276, 280, 282, 289, 294 ff.,
312, 318, 387, 404, 412, 418, 419,
420, 423, 451,452, 455. IV 52, 171.
496
Darfelb IV 194.
Generalintenbant Graf II
450 ff., 457, 458, 464.
Daun, öfterr. Feldmarſchall II 91,
101, 108, 104, 107, 108, 110 ff.,
122, 125, 128.
d Avaur, Graf I 428, 429.
33 franz. Merfaal I nal, 414.
Deibrüd, I. 3.
Delbräd, Mintfter v —8 "25.
Delft 1 388.
Demetrius, der — I 292.
Demetrius, Fürft II 94.
Demmin II 50, 58, 224, 226, 227,
868. III 106.
Zeame —F tfeldmarſchall U
Derfflinger, eralfeldmarſchat
17, 15%, 171, 186, 192, 193, 195,
HJ 216, 219 ff., 228, 283, 249,
Serftingen, General von II 362.
Dernburg I 273.
Deferre, General IV 166.
Deffau I 188. III 199.
Dettingen TIT 24.
Dettweiler II 194.
Diebitſch, ruf. General IV 8 ff., 163.
Dieridle, Oberft III 112.
Dieftermeg, Adolf IV 140, 204.
Dinber, Erzbiſchof IV 480.
Dippolbiswalbe III 112.
Dirfdau I 117. I 11.
Diftelmeyer, Chriftian 1261, 264, 271,
275, 304.
Diftelmeyer, Kanzler Lampert 1220 ff.,
3 238, 239, 246, 251, 259, 261,
Dokened, Er von I 97.
Doberan II 285.
Dobregenäfi II 12, 13.
Dobrin 149, 85 fi.
Dönhoff, Graf I 425.
Dönhoff, Kriegstommiffar Graf U 323.
Bande, Gräfin Sophie III 250, 804.
aueh, „Bunbestogsgefonter Graf
I
Dörnberg, Doesft von III 471.
Dohm I rt
Dohna, — von 1259, 287, 291,
813, 318, 435.
Dohna, Friedrich von I 318.
Dohna, gennibat von 1 337, 342.
Dobna, eral Chriftian Albert von
I 154.
Romenverzeichnis.
Dohna, Chriftoph von IT 850.
Dohna, Alexander von II 842 ff., 395.
Dohna, Friebrid von IT 842, 347.
Dom, Dberhofmeifter Graf zu 11299,
ao, General Graf III 101, 102,
Do, Minifter Graf Alexander IIT
470, 471, 475, 488. IV 19, 121.
Dohne, Graf Aug von IV 20, 29.
Dolgorudi, Fürft IV 14.
Dommigi I 198.
Don Carlos II 391.
Dorenwert I 382.
Dorothea, zweite Gemahlin des Kur-
fürften griedrich Wilhelm IL 172,
176, 235, 246, 265, 285, 298.
Dorften II 146.
Dortmund II 162. IV 248.
Dove, Heinrih Wilh. IV 178.
Drabeim II 48, 94, 206. III 165.
Dramburg I 198.
Dresben I 223, 303, 805, 358, 360,
866, 372, 443. II 210, 376. III 9,
15, 19, 24, 35, 36, 88, 68, 64, 78,
76, 77, 83, 86, 94, 100, 104, 110,
112, 115, 116, 125, 126, 129, 134,
154, 206. IV 2, 36, 37, 45, 50, 51,
72, 241, 280, 306, 307, 834, 396,
411, 425.
Driefen (in der Neumark) I 91, 391,
407. II 207.
Drontheim IT 55.
Drofte-Bifhering, Freiherr Kl. A. von,
bt] gon Köln IV 187, 190,
192 ff, 208, 209.
Droyfen, oh art. 18, 7,8. IV 322.
Duberftabt IE 1
Düder, General m 372.
Dünwald, General II 195.
Düren I 304, 319.
Düffelborf 1306, 313, 319, 330, 333,
347, 354, 448. II 168, 888. III 385,
889. IV 166, 223, 271, 281.
Duhan, Jacques Egide TI 394.
Duisburg II 65, 112. III 832.
Dumouriez, franz. General III 308,
304, 306.
Dunder, Mar IV 324, 345. 356.
Dunder, Franz, Abgeordneter IV
368.
Dunin, Fetiſchof von Poſen IV 198,
194,
Duroc, General III 373, 401 fi.
Duwaid, General 1 359, 361.
Namenverzeichnis.
E.
Eberbach III 332.
Sherftein, Graf I 244.
Edelsheim. Freiherr von III 118.
Eduard III, Rönig von England I 79.
Edzard, Georg Karl III 28.
ger II 157, 178. III 177.
Egiöheim II 199.
hrembreitftein II 178.
het, KRabinettörat III 86, 41, 42, 75,
Eiähom, Minifter J. A. F. IV 125,
132, 151, 203, 204, 209, 210, 212.
Eihmann, Öberpräfibent IV 246, 265.
Eichſtadt III 207.
Einbeck II 269.
Einen, Superintendent IV 825.
Elberfeld IV 243, 281.
Elbing 1 48, 58, 56 ff, 67, 75 ff.
94, 299, 337. II 11, 18, 45, 47,
60, 69, 75, 89, 325, 328, 374. III
158, 159, 163, 165, 451. IV 16, 20.
Eleonore, agmahlin Joachim Fried:
rich® I 29:
Eleonore, Gräfin von Raffau II 141.
Elgersma, Dedant Rupert I 208.
Elifabeth, Gemahlin de3 Aurfürften
Sriebrih I. I 127, 185.
Etifabeth, Gemahlin bed Kurfürften
SJoadim I. I 187, 193, 216.
enfobeih, Tochter Joachims II. 1198,
eiifaheg, Gemaptin, & Georg Friedrichs
von Ansbach |
Eliſabeth, dritte Semagiin Johann
Georgs 1 250.
Elifabeth, 2 nomigin mo von England 1258,
264, 282.
Ciifabetb, —2* Friedrichs V. von
der Pfalz
Glifabeth, Gemahlin Friedrichs des
Großen II 402.
Eliſabeth, Kaiferin von Rußland III
25, 26, 68, 98, 101, 118, 122, 131.
— von Braunchweig Gemahlin
Friedrich Wilhelms II. III 249.
—2 Gemahlin Friedrich Wil:
Im8 IV. IV 168, 409.
Ellſabeth Charlotte, Gemaftin Georg
Wilgelms I 329, 879, 386.
Eliſabeth 8u Tante des Großen Kur⸗
irften
Ellerfeld, Beiftlicher 1 225.
Elten, Abtei III 370, 388.
Prug, Preubiide Seſchichte. IV.
497
Elver, Ranatit I 376.
Emben I
Emmerich r 30, 356. IT 146, 151.
Ems IV 441 fi.
Engelbert, Sohn Herzog Johannes I.
von Eleve I 295.
Enphien, 9 von III 376.
Ente, Mufiter III 250.
Enfisgeim II 199.
Enjheim II 191.
Ephraim, Jumelier Beitel III 189.
Erbmuthe, Tochter Johann Georgs I
252.
Erfurt I 309. II 215. IIT 111, 112,
120, 364, 368, 370, 395, 398, 401,
al 463, 465, 466, 481. IV 271,
282.
Erih von Braunfchweig, Komtur von
emel I 105.
Erich, Erzbifhof von Magdeburg I
115, 116.
Eric, Herzog von Braunfchweig I 192,
193, 224, 237.
Erich IL, Geraan von Bommern:Stolp
1.189, 142, 158, 168, 165.
Erichſon, Guftao, fiehe Lindner.
Erkrath, IV 166.
Erigehaufen, dochmeiſter Konrad von
94.
ent Erzherzog I 258.
Ernit, Markgraf, Bruder des Rurfürften
Johann Sigismund 1800, 802, 803,
807, 309, 310, 813.
en, Graf von Mandfeld I 336,
Pa Markgraf von Jagerndorf I
401, 405, 406, 418.
Ernſt II, Herzog von Koburg IV 298,
850, 85:
), 855.
Ernft Auguft, Kurfürft von Hannover
II 251, 266, 267, 298.
Senf Auguft, König von Hannover
163, 165.
riet, Friedrich Karl von III 286,
305.
Espenſe, Graf b’ II 289.
jen, Abtei III 870, 388.
jen, General von IV 5.
mo, Graf d’ III 242.
Chtingen 1 III 472.
nr IV, —8* 4.
gen Bapft
Eugen, Prinz von Savoyen II 821,
837, 383, 863, 876, 877, 387, 402,
408. III 18, 64, 174, 202. IV 397.
32
498
Sugen, Br Prinz von Württemberg III
, 401.
Eulenburg, Ninifter Gt Fritz IV
887, 891, 393, 458, 472.
Eulendurg, Ninifter Graf "Both Iv
Suter "II 58.
en, Schwefter Adams von Trotta
1 221.
Eva vn heine, Rerterafin von Wurt⸗
Eylert, —— a Gr. 126. IV 182.
8
jet II 186.
een, General Ed. Bogel von
IV 411, 428.
Bulk, Aulkudminifter Adalbert IV 462,
467, 474, 477, 479, 480.
—E Hoffmann von IV 206.
hrbellin I 80, 894. II 108, 213,
214, 31 fi, 230, 285, 287, 281,
287,
derver, Geheimzat 3. K. von III 42.
Ferdinand I., deutſcher Kaiſer I 188,
20, 209, 212, 217, 226, 227, 282,
Ferdinand IL, deutſcher Raifer I 321,
322, 3%.
Berdinand TIL, deutſcher Raifer I 870,
399, 411, 444. II 42, 48.
Ferinund, Erzherzog A 472.
‚erdinand, Herzog von Braunſchweig
III 95, 98, 99, 101, 106, 121, 125,
180, 155, 256.
Fermor, ruff. General III 10%, 107.
Beugtmangen, Hochmeiſter Siegfried
von 168.
Feuchtwangen II 202.
Senauitred, franz. Gefanbter IT 208,
— Joh. Gottl. III 447. IV 110.
tinenſeli. General Graf A. K. von
gingenfen, Ninifter von III 74, 94,
96, 105, 108 fj., 122, 130, 161,
190, 198, 200, 201, 269, 807, 356.
Findenftein, preußifger Gefandter
Graf III 430, 475, 480.
int, General III 112, 184.
int, Hofprebiger Salomon I 313.
iſchhauſen I 348. II 81.
Hand}, General von II 360.
latom II 218, 220.
Namenverzeihnis,
Flemming, Minifter Graf II 376.
Steurg, ardinal II 888. III4, 16, 20.
Flies, General von IV 411.
loborf, Adrian von I 334.
Flottweil, Minifter €. 9. von IV 389,
344,
, 360.
Folard, franz. Gefandter III 92.
Sontainebleau III 126.
Forkenbeck, Praͤſident von IV 868, 421,
418.
Fouchs III 386.
Fougue, General III_97, 107.
Frame, Hofprebiger Seinr, 1 207.
Frande, Aug. 1 860.
Frankenſtein I 859. m 33.
Frankfurt a. M. I 7, 127, 171, 204,
241, 275, 429, 432, 459. 1149, 158,
159, 190, 258, 337. III 26, 35, 288,
311, 336, 898. IV 97, 99, 150,
152 ff., 165, 288, 256, 258, 266,
267, 272, 279, 280, 282, 294, 296,
327, 340, 350, 353, 397, 399, 426,
427, 451.
Frankfurt a. D. 1114, 145, 166, 177,
182, 190 fi.. 199, 205, 207, 214,
228, 234, 247, 341, 852, 361, 362,
365, 391, 407, 419, 48. 1 57,
112, 207. 111108, 818, 471. IV 90.
Franz I., König von Frankreich I 101,
191. III_66.
Franz 1, Raifer son Deutfchland LIT
, 31, 34, 85, 89.
Franz IL, Raifer von Deutſchland TIL
808, 305, 310, 314, 325, 891, 473,
482. IV 41, 48, 52, 108.
Beam ae Raifer von Defterreich
318, 349, 358, 899, 405, 418,
—* 438.
Frauenberg IIT 30.
Frauenburg IT 16, 20, 88, 3.
Freiberg 1. ©. III 126, 182.
Freiburg (im Breiögau) II 229. III 27.
reiburg (a. d. Unftrut) II 215. IV 107.
eiburg (in —88 II 18.
Freienwalde II 218.
Seeiligratt, 35 Ferd. IV 206.
Freiftabt
Frenzel, Asgeorbneter IV 418.
egtag, Anton I 328,
iccius, Major IV 52.
Fribag, Herr von II 257, 260, 261,
5, 804.
Fribericia IV 257, 294, 404.
Srienentgal, Landwiriſchaftsminiſter
IV 428.
Namenverzeichnid.
Frieberife Wilhelmine, Schweiter König
Friedrich Wilgelms Fr 2.
riebland IT 234. III 419.
riebrih I., Kurfürft von Brandens
burg 16, 125—147, 172, 175, 187.
Friedrich IL, Kurfürft 193, 146—160,
162, ot 182, 185, 198, 228.
Iv on
Friedrich i. König von Preußen II
118, 129, 185, 185, 298, 251, 265,
289889, 340, 941, 347, 888, 878,
392. III 158, 250, 316.
SriedrigMI., der Grohe, König 1,26 ff,
36, 96. II 304, 318, 841, 394, 399,
400, 402 fi. II 1—247, 248, 249,
251, 252, 261, 286, 269, 270, 278,
275, 289, 297, 307, 316, 318, 324,
829, 846, 848, 349, 851, 358, 855,
580, 304, 416, 428, 430. TV 16,81,
Brierig II. deutfcher Raifer II 48 ff.,
arte I III, deutſcher Kaiſer I 155,
163, 165, 173, 174.
ARE, der Schöne, deuticer König
1 119, 120.
Friedrich I. von Dänemark I 189.
Sriebri II. von Dänemark I 259.
Friedrich V. von Dänemark II 52,881.
Friedrich VII. von Dänemark IV 400.
rierig IT. von ber Pfalz I 226,
Beiehrig IV. von ber Pfalz 1265, 275,
Aelerig V. von ber Pfalz 1 328, 346,
Friedrich, Herzog von Sachſen, Hoch⸗
meifter I 96, 97.
Friedrich von Meißen I 120, 142.
5 Kurfürft
er von Anstad, Bater Herzog
Friedrich ungen , Bruber Fried:
richs II. von Wandenbur T 154.
Friedrich von Anabach, DI
Sims 1.1178, an — Ama I
Friedrich, zweiter Sohn Joachims II.
Koabjutor von Magdeburg I 27,
219, 223 ff.
jebric), Herzog von Holftein 1305. | From
iebri), Herzog von Holftein II 379,
380.
im SJoas | Fritfe
499
Berg Series von Auguftenburg
— 1,6 Herzog von Liegnig:Brieg.
50.
Friedrid, Martgraf von Baben II 190,-
191.
Friedrich, Prinz von Heffen:Homburg:
II 215, 219, 220, 222, 223.
Frledrih, Prinz von Medienburg:
Schwerin IV 167.
Friedrich, Prinz. der Nieberfanbe IV 167.
Friebrid” Auguft IIT., Rurfüft von
Sachſen (ald König: Auguft 1.) III
182, 184, 292, 295, 298, 458. IV
38, 87, 52, 73.
Beier Chriftian von Bayreuth III
l
Friedrich Chriftien, Kurfürft von
Sadıjen III 154.
tebrich Heinrich von Dranien I 306,
347, 432, 489, 440. II 183.
Beier, Karl von Preußen, Prinz
T 412.
Briehri Bilhelm, ber Große Rurfüi
1m 85, 357, 378—463. 111 bis
288.
Friedrich) Wilhelm L, König 126, 84,
886. II 174, 840—406. III 1 ff.,
28, 50, 68, 166, 211, Paz 255,
256, 347, 358, 855, 440.
Friedrich Wilhelm IL, Aönig 11 812.
III 248—344, 855.
Friebris Bilgelm IL, an 1a 26,
29. 1I1 845487. IV 1—1
208, 213, 312, 861, 487.
Friedrich Wilhelm IV, König IIT 468.
IV 197—868, 370, 380, 398, 488,
434, 459, 467.
Friebrich Wilpelm, Kronprinz IV 448.
Sri Zuheim, Kurfurſt von Heſſen
— gem von Braunſchweig ·
Dels I 4
—— Fort IT 70, 81, 84.
iedrihöbbe II 49, 53, 54, 57.
Frieſac I 139, 134.
Selen ſachſ. Minifter von IV 425.
Ih, Freiherr von III 128, 129.
SFröbel, Friedrich IV 928.
Öbel, Julius IV 828.
— Stallmeifter Emanuel von
180. II 176, 177, 221.
hold, Kamm. ichtsrat I 482.
Fuchs Minifter Paul von II 176, 245,
274, 298, 296, 805, 307, 342.
500
Sur Geoblarngter von 111 226, 227,
90 — Egon von II 196.
air nberg, Wilhelm von IT 142 ff.,
270.
Fürftenfee I 117.
Fürftenwalbe I 128, 361. III 109.
Füßlin, Hofprebiger Martin 1813, 817.
Su 111 127, 199, 370. IV 52, 75,
Zune, jofprebiger Johannes I 107.
Furnes III 27.
G.
Gablenz, öfterr. General IV 413.
Gabor, Fürft Bethlen I 331, 332,
836, 839.
Gadebuſch II, 226.
Galen, Chriftoph Berngard von II
102, 138, 161, 210.
Gallas, Taiferl, General I 374, 429.
Gambetta, franz. Staatsmann Leon
IV 451.
Gartow II 871.
Sn 116, 159, 164, 166, 167. II
Saften IV 399, 408, 478.
Gaubi, Generalmajor von IV 70.
Gebhard, Erzbiſchof von Köln I 258.
Gebhard, Juſtus von I 410.
Gebide, Dompropft Simon 1312, 813,
315.
Gebimin, König von Litauen I 70 ff.
Seifen, Erzbischof von Köln, Johannes
209.
Geldern II 140, 142, 143, 821.
Gennep I 820. II 151, 155.
Genthin II 216.
eng, Friedrich von III 352, 391. IV
109, 151.
Genua IV 136.
Sur Suog von Sadjfen I 97, 184.
188, 194, 211.
Georg, Sohn Friedrichs von Ansbach
1 179, 207, 234.
Georg der Fromme, Markgraf von
Ansbach I 250.
Sn ‚Herzog von Pommern I 187 ff.,
19.
Georg I. von England und Hannover
1I 374, 379.
Georg II. von England und Hannover
11384. IL 11, 16, 17, 19, 28, 24,
31, 84, 61, 62, 64, 86, 117.
Ramenverzeichnis.
Sms III. von England und Hannover
II 117, 120.
Georg V., König von Hannover IV
ll, 489.
Georg Auguft, Herzog von Schleswig:
Solfein II 214.
Georg Friedrih, Markgraf von Ans:
bach und Bayreuth, Gubernator von
Preußen 1238, 256, 265, 273, 274,
282, 286, 290, 291, 298, 301.
Gn 5 Friedrich, Markgraf von Baden
305.
su Sabmig, Kurfürft von Hannover
Gen! Bitgetm, Rurfürft 184, 85, 303,
319, 324—377, 378, 379, 384, 385,
890, 394, 398, 401, 408, 416, 422,
436, 438. 11.68, 108, 284, 290.
IT 879. IV 12.
Gen Bilgelm von Celle II 210, 40,
Gen 1278, 288. III 400.
Gran, Graf St. II 147 fi, 175.
Gerhardt, Baul II 115, 385.
Geriach, Leopold von IV 182, 204 ff.,
209, 212, 260, 262, 263, 265, 268,
270, 272, 283, 286, 291, 297, 299,
806, 809, 312, 814, 318, 320, 322,
324, 325, 327, 335, 337 ff., 342,
344, 366, 385, 488.
Gerlach, Zubwig von IV 280, 263,
087.
, 287.
Germain, St. II 166, 168, 241, 243.
Germeräheim II 182.
Gerolzhofen IT 191.
Geröborf, Landrat von III 222.
Gervinus I 20.
Gefenius, Profefior IV 185.
©eßler, General von III 38.
Shiälain, St. II 229.
Gielöborf III 351.
Gierte, Lanbmwirtfhaftsminifter IV 262.
Gimborn 1 333.
Girard, General 1 Fi IV 51.
Gitſchin IV 48, 4)
Gtag III 18 ff. 2 31, 32, 39, 107,
187, 411, 425
Sleim, 3. @. 2. TIL 106, 149.
Glogau I 157, 859, 437, 440. 1149.
Iũ 11, 13, 48, 404, 411, 452 ff.,
462, 472, 474, 481, 482.
Gneifenau, Generalfeldmarſchall Graf
NR. von III 411, 420, 443, 447,
460, 482 ff., 486, 487. IV 1,2, 10,
Namenverzeichnis.
18, 28, 38, 40, 45, 50, 54, 61, 62,
64, 71, 78, 77, 79, 84, 118, 118,
Basen Generat von IV 170.
Görig I
Gorlitz Mr u, 108. IV 73, 412.
ns, Joſef IV 88, 98, 128, 191,
u Gefanbter Graf Joh. Euft. III
est, eneratteutnant von II 48,
215, 223, 284 ff.
Goes, Gefanbter von 11 141, 172, 179,
184,
Goethe, y Bun. III 148, 285, 236.
Göttingen IV
Bögen, — von 1849, 878, 879,
*8 — 419, 422, 481- 486, 437,
439, 445.
Gößen, Oberft von II 218.
Gögen, Generalgouverneur Graf Fr.
II 411, 459.
Goldader, Oberft I 371, 409, 418.
Gollhofen II 202.
Golinow I 450. II 242.
Goltz, Generalleutnant von der II 154.
Sol, Oberft von der IIT 17, 128.
Golg, Minifter Graf von der III 280,
322, 421, 427, 429, 463 ff., 470,
476, 478. IV 17.
Golzom 1133, 194.
Gommern IV 71.
Gonfiewsti, poln. Feldherr 1138, 42 ff.
Gonzaga, Zubovico I 295.
Gortſchatow ruff. Kanzler IV 457, 470.
Soslar I 460. III 870. IV 75.
Goßler, Rultusminifter von IV 479.
Goiha 111 199, 398. IV 282, 411.
Gotier, Oberhofmarfhall von III 11.
Govone, General IV 409.
Grabow, Oberbürgermeifter IV 265,
266, 421.
Grammont, Herzog von IV 441, 442.
Gramzow II 108.
Grano, Jnquifitor IV 95, 105.
Granfee I 117.
Öranvella I 221.
Graubenz II 11. III 318, 403, 404,
412, 420, 425, 453, 484.
Gravel, franz. Gefandter IT 169.
Srawert, General von IV 2.
Greetfiel 11 253.
Gregor IX., Papft I 50.
Gregor XVI., Bapft IV 166, 190.
501
Greifenhagen 1150, 1 we en 1158.
Sreifämald II 08 34, 235.
Grey, Dberft I 3
Srimm, Jatob iz 202.
Grimm, Wilhelm IV 202.
Grimnig I 188, 221.
Grodno III 310. IV 402.
Gröben, Hauptmann von Schafen D.
von ber I 29. II 76.
Gröben, Major von der II 254.
Gröben, General von der IV 297, 298.
Grolmann, General von IV 96, 188.
Grolmann, Kammergerichtäpräfibent
von IV 208, 221.
Geobfeichrigenurg II 254.
Großgöricen IV 36, 87, 42, 45.
Großjägernborf III 93.
Großmadenomw I 429.
Grubenhagen I 241.
Grüneberg 1 859.
Grünfeld I 87.
Grumbad, Ritter von I 283.
Grumbkoiw, General von IT 174, 847,
850, 352, 860, 382, 386, 401, 402,
404, 405.
Grumbtom, Oberhofmarſchall von IT
42.
Gruner, Yuftus von IV 84, 104, 111.
Guarini, Beichtvater III 29.
Guben I 199.
Gueri, Bürgermeifter Dito von IT
Gumbinnen II 478. IV 398.
Günther von Schwarzburg, deutſcher
König I 122.
Günther, Erzbiſchof von Wagdeburg
1 132, 133, 188.
Gügom II 226.
Sufas Adolf, König von Schweden
I 321, 323, 330, 882, 336, 842,
343, 347 ff, 381, 388, 430, 483,
444. 11 279, 285. III 165.
Guftav Wafa II 119.
Guſtav III, König von Schweden III
274, 281.
Guſtav IV. Adolf, König von Schweden
11 378, 410.
Gutztow, Kari IV 180, 181, 198.
9.
Haag 1382, 440. II 7, 133, 146, 147,
165, 195, 208, 211, 212, 215, 305,
830, 332, 333. III 34, 78, 74, 112,
271, 316.
502
Hadersleben I 267.
Habid, öfterr. General III 95, 108,126.
Sänlein, Herr von IV 97, 98.
Häfeler, Tribunalrat von III 118.
Häuffer, Submig I 1, 29.
Segelseg, 1 29. IV 51.
georbneter IV 370.
een au 1283. II 194.
Sake, Seel 8. ©. X. von III 478.
17.
Hatenberg II 218, 220.
Halberftabt I 147, 197, 217, 239, 256,
267, 366, 376, 394, 436, 440, 442,
446, 448, 452, 458. II 117, 155 ff.,
834. 111 88, 98, 94, 402. IV 125.
Halle I 151, 191, 258, 271. II 318,
860. 111 88, 110, 401, 447. IV 29,
79, 90, 93, 834.
Haller, Albreht von III 58. IV 81,
179, 197, 200, 206, 222.
Haller, 8. 2. von IV 81, 185.
Samburg I 288, 332, 383, 406, 459.
11111, 257. 111866. IV 88, 51, 152.
Hameln III 404, 426.
Hamm II 162, 168.
Hanau IV 52, 298.
Hand, Herzog von Sagan I 164 ff.
Hanfemann, D. 3. 2. IV 294, 282,
234, 243, 259, 262.
Hardenberg, Staatölanzler K. A. Fürft
von III 314, 321, 324, 829, 381,
382, 834 ff., 376 ff., 384, 385, 391,
407, 414 ff., 418, 419, 421, 426 ff.,
431, 434, 459, 467, 469, 470, 476 ff.,
481 ff, 486. IV 1, 3, 7, 9, 11 ff,
16, 17, 20, 24 ff., 29, 44, 62, 67,
68, 70, 71, 73, 82 ff., 104, 107,
120 ff., 138, 146, 158, 165, 202,
203, 396.
Surten, Abgeorbneter IV 224, 261,
garzad, Sraf III 9.
Harrad, Gräfin von, fiehe Liegnig.
Harris, Sir William III 274.
Hartefeid, Stephan von I 229.
Haftenbed IIT 98.
Haflenhaufen III 398.
Haffenpflug, Turhefi. Hinifter IV 208,
293, 296, 387.
Hahfeld, Fürft Fr. 2. von IV 108.
Haugwig, Minifter Graf von I 35.
III 807, 814, 380, 386, 938, 341,
342, 345, 347, 856 ff., 360 ff., 866,
368, 969, 871, 373 fi. 380 ff., 888,
890 fi., 407.
Namenverzeihnis.
Hauterive 111 386, 387.
Havelberg I 110, 118, 118, 128, 158,
154, 190, 197, 214, 215, 219, 224,
225, 258, 270, 273, 382, 362. II
213, 214—216, 224, 375.
Haynau IV 38.
‚Hebron, Dberft I 341.
Hedwig, Tochter Ludwigs des Großen
von Ungern und Bolen I 82.
Semig, ochter Wiadislaws 11. I
—148.
sin, 1 mabtin Joachims II. I
194, 211, 242.
Hedwig re Gemahlin Friedrichs
von Homburg I 386.
semigs Sophie LZandgräfin von Heffen
Segel, Biitofoph WI. IV 140, 180,
—— II 2886.
bed grerg I en, 808, 312.
Geidenteig, Biſchof von Kulm I 52.
Heilbronn I 171, 265. II 191.
Heiligenfreug il 198.
Heiläberg I 49, 75. III 419.
‚Heine, Heinrich IV 206.
Zeinrich I. deutfher König I 110.
Heinrich IV., Kaifer IV 480, 488.
deinrih VI., Kaifer I 39.
Heinrih VII, KRaifer 1 68.
Se III, König von Frankreich
Sende IV., König von Frankreich
1258, 259, 268, 264, 304, 305,
333. IV 309.
Heinrich IV., König von England 188.
Heinrich, Markgraf von Neipen I 48,
15.
IV
Heinrich der Löwe I 111, 113.
Heinrich, König der Abotriten I 112.
Heinrih, Herzog von Medienburg I
117
Heinrich IL, Fürft von Anhalt I 119.
Heinrich, Herzog von Bayern I 127.
deinich, Herzog von Braunfcweig I
182.
Sein, Herzog von Medlenburg I
1
Heinrich XI.,
164, 165.
Heinrich ber Xeltere, derzog von Brauns
ſchweig I 175.
Heinrih von ou 1 258.
Heinrih von Naffau I 882.
Herzog von Glogau I
Namenverzeihnis.
Heinrich, Sohn des Großen Kurfürften
11 194.
Heinrich von Preußen, Prinz, Bruder
Friebrichs des Großen III 75, 95,
101, 108, 104, 106, 108 ff., 120,
121, 126, 180, 185, 162, 168, 190,
209, 242, 258, 820, 322, 846.
Heinrich, Kaufmann IV 215.
Heinric, Friedrich von Dranien I 382.
Heinrich Julius von Braunſchweig,
Abminiftrator von Halberftabt I 267.
Helene von Medienburg IV 162.
Helen, Gefandter von du 74.
Helfingborg I 88.
Sengfienberg, €. ®. IV 185, 186, 824.
Hennigs von Treffenfeld, Oberftleut:
nant II 218.
gervend, prfenort IV 832.
Herbert 109.
Herder u 286.
Herfort II 241. III 870.
Sermann TV., Landgraf von Hefien
7.
Hermann, Markgraf I 116, 117.
Hermann, Präfident des Oberkirchen⸗
rats IV 468, 477.
Hermes, Döertonfihariatrat 9.2.10
263, 264.
Hermes, Profeſſor Georg IV 187.
Herkber; % Minifter von III 77, 129,
190, 199 ff, 242, 251, 261, 268,
269, 271, 273 ff., 290, 292 ff., 307.
gerwegh. Dichter Georg IV 205.
Herzog, Biſchof von Breslau IV 480.
Herzogenbuid) I 347.
desler Heinrich I 74.
Heufing, DOberft von III 228.
Heybt, Minifter 9, von der IV 298,
2 838, 339, 842, 371, 374, 876,
Hiefing IV sn.
Stidburgpaufen, Herzog von III 94.
Hildesheim I 440. II 161, 165. III
111, 197, 199, I Aa) 867, 368,
370, 403. IV 44,
Silmer, Konfiortatrat III 263, 264,
Simmeränt 11 172.
Hinteldey, Poligeipräfident von IV 288,
311, 316, 317, 320, 380.
Hippel, Staatörat von IV 28, 128,
Hirſchfeld, General K. Fr. 129. IV 51.
Hobreht, Finanzminifter IV 472, 478.
Hodher, Hoflanzler Baron II 804.
Hochfirh III 104.
503
Hochſtädt II 827, 347. III 174.
Höbel, Rlempnergejelle IV 473.
Hoensbroech, Biſchof Graf von III 275.
Hörter IT 144.
Hof III 398.
Sofmann, Geheimrat Joh. Gottfr. IV
Soffmann & Co., Berleger IV 181,
208.
Hohenfels, Minifter von III 200.
Sabenfriehberg III 88, 85, 88.
Sohenlehe, irdenämeifter Gottfrieb
von I
sehe, Winifter Ab. Fürft von IV
SehnoheSuefingn, General Fried⸗
rich Ludwig, aut von III 385,
396 ff., 401,
Geberit, Graf Av 425.
ohenzierig III 477.
Hohenzollern, Yürft Anton, Minifter:
präfibent IV 842.
Hohenzollern, Being 2eopold von IV
439, 440.
Gobenjolern-Sigmasingen, Ras! nton
von
Selbein, Schaufpieler Franz von III
atort Berner von I 184.
Homburg I 802.
Honorius III. Papft I 42 ff.
Som Ferdmarjgall —8 II 234, 286,
——— Biſchof von Lebus J 225.
Hornaufen I 439.
Hornung, Kölner Bürger Wolf I 199.
Hotham, engl. Gefanbier Sir Charles
II 885, 386, 397.
Smnerbed, Abgeorbneter von IV 368
418.
Hoverbed, ggefendter von 1 391. II
—— 1 155, 156.
m, Minifter III 261, 829.
Seas II 129, 177.
Sübnen Joachim I 286.
Hüßnerwafler IV 412.
Hüllmann, Hiftorifer K. D. III 446.
Huifien, Domäne I 388.
Humboldt, Alerander von IIT 458,
456. IV 140, 160, 202, 208.
Humboldt, Wilhelm von III 470, 471.
IV 45, 46, 54-67, 71, 76, 87, 98
bis 95, 96, 99, 101, 102, 110, 115,
180 fi.,
504
Hutten, Utrich von IV 110.
Oonbforb, Lord III 15, 17, 20.
J.
Jablonski, Hofprebii ee Fe €. 11 319.
Jacze, Wendenfürft 8.
Sügernborf III 34, Fi
Jagal fiege Wlabislam II.
Zagom, altmärtifches Gefchlecht I 188.
Sagen, El Matthias von I 205 ff.,
210 ff., 215.
Jagom, Binifter von IV 374, 387.
Jahn, Zubwig IV 90, 107, 202.
Jakob von Lüttich, Legat I 52.
Satob, Herzog von Kurland I 386.
II 60, 219, 258.
gern I., König von England II 260,
gatobieRfoeft, Baron III 425.
Jakobini, Runtius IV 478.
Jakoby, Arzt Johann IV 220, 285,
258, 267, 269, 368, 421.
Jarde, 8. €. IV 179, 180.
Saroslam II 18.
Sauer IV 39.
Jauernid III 33.
Jena III 404. IV 89, 91, 98.
Fena, Geheimerat von II 34—38, 147,
149, 172, 175, 177, 181, 263.
Jerichow I 855.
Jerome, König von ı Deftfalen 111 421.
Serufalem I 39. IV 211
Ileburg, Wend I I 180.
Flgen, Geheimerat Heinrich Rüdiger
von II 304, 310, 822, 323, 329,
832, 347, 350, 352, 371, 880.
Innocenz III, Bapft 1 39, 42.
Innocenʒ IV., Bapft I 49 ff.
Inſterburg II 108, 234 ff. IV 8.
Intein, Dietrih von I 47.
Joagim I, Kurfürft 138, 178—196,
199, 205 ff. 292. IV 196, 487.
Joagim II, Kurfürft 138, 198, 194,
197—243, 245, 248, 269, 271, 314.
II 112, 118.
Vadim, ‚Herzog von Bommern-Stettin
147.
Joachim Ernft, Stiefbruder Joachim
Friebris 1273, 274, 288, 310.
Joahim Friedrich, Kurfürft I 88,
225, 232, 238, 250, 258, 254, 257,
Fr} ff, 269—299, 338, 373, 378,
Joadimäthal I 188, 407.
Namenverzeichnis.
Jobſt von Röhren, Markgraf I 124,
127, 128, 181.
Johann, Sopn Kurfürft Friedrichs
von Brandenburg I 82, 180, 8;
144 ff., 161, 216.
Johann von Bayreuth, Bruber Kur:
für Beiehriche T. von Brandenburg
126, 127.
Johann J., Markgraf I 114, 116.
johann IL, Behr I 115.
johann TIL, Ba: fgraf I 119.
Johann V., Markgraf I 116, 117.
Johann Cicero, Kurfürft I 32 ff.
162, 165—178, 185. II 118.
Johann von Käftrin I 194, 203, 204,
207, 210—214, 219, 220, 222, 228,
225, 230, 233, 234, 239 ff., 248,
48, 271, 279, 814.
Johann, Sohn, des Kurfürften Johann
jeorg I 288.
Johann XXI., Papft I 70.
Johann, Sohn Katfer KarlaIV. 11.
Johann, Herzog von Medlenburg:
Stargard I 139.
Johann, König von Dänemark I 187.
Johann der Berändige, Kurfürft vom
sam I. WV., por von Straßburg
a gür von Anhalt I 198.
Johann, König von Sachen IV 899.
Sohann, Erzherzog von Deſterreich,
Reichsverwefer IV 243.
gehen Adolf von Holftein:Plön II
190.
Johann Ares, Erzbiſchof von Magde ⸗
Burg I
Johann an, ‚Herzog von Medien:
burg I 220, 237.
Yofarn Friedrich, Rurfürftvon Sachſen
1 217, 218, 226.
Johann Friebric, Seas von Kalen⸗
berg II 210, 213, 214.
Johann Peienrig, Herzog von Pom⸗
mern I 2
Johann Brehig, Herzog von Würts
temberg I 305.
Johann Georg, Kurfürft I 208, 217,
225, 232, 288, 239,243—269, 271 ff.
281 ff., 300, 881.
Son Georg, Sohn des Kurfürften
johann Georg I 273, 274.
Johann Georg, Sopn des Kurfürften
Joachim Friebri; 1264, 308, 818,
314, 317, 328, 331.
NRamenverzeihnis.
Johann Georg I., Kurfürft von Sachſen
P Fa 315, 381, 351, 852, 857 fi,
Sehen de Gens I., Kurfürft von Sad
jen 1
Johann Gong IL, Fürft von Anhalt
IT 140, 152. 205, 246.
Johann Kafimir, Pfalggraf 1259, 260.
Johann Kafimir, König von Polen
II 2, 10, 18, 24, 38, 35, 46, 69,
82, 84, 94, 139. III 158.
Johann Morig, Fürft von Raffau:
Siegen 11 7.
Jobann Sigiemund, Nurfürft I 263,
5, 327, 333, 844, 378,
438. 1 118 284.
Johann Bizelm, Sohn Herzog Wil:
Helms von Julich⸗Kleve I 294, 295,
ya, Auebiger IV 324.
jorban III 1
Sieh, eenog 1I 270, 296, 338,
So IL, Kaifer III 58, 129, 160,
161, 178, 176, 180, 187, 190,
198 ff., 198 ff., 208, 208, 235, 246,
269, 270, 272 ff, 325.
Jourban, franz, General III 835.
Iſabella, Königin von Spanien IV 439.
Jeriehn IV 281.
Itzenpiitz, General von III 258.
Iuenplig, Minifter Graf von IV 874,
387, 455.
Itig, Jude II 139.
Jüterbogt I 218, 307. IV 51, 71.
Sugengeim, Gräfin, fiehe Julie von
Julian 11, Papfı 1 100.
Zulius, Seryog von Braunfhweig I
67.
Jung, Abgeorbneter IV 267.
Fungingen, Hocdmeifter Konrad von
—2 Sochmeifter Ulrich von I
8.
gadolzburg I 158.
Raiferälautern III 317.
Laiſerswerth II 146, 291, 295, 321.
Kaldreuth, General Graf von III 420 ff.,
426 ff., 474. IV 1.
Kaldftein, Generalleutnant Albrecht
von II 70, 77.
Kaldftein, Oberft Chriftian Ludwig
505
von 1182, 73, 81, 85, 90 ff., 182,
171, 395.
Kaldftein, Chriftoph Albrecht von II
Kaldhein, Chriſtoph Wilhelm von II
Katie 171, 74. II 10. IV 20, 25,
82, 83, 41, 171.
Kalkhuhm, dohann —S von, ge:
nannt von Leuchtmar I 3
Kamele, Dörzlammerbert von in 888.
Kammin I 197, 488
Kampe, Hamb. Buöändter IV 208.
Kampk, Geheimrat K. Chr. von IV
89, 93, 95, 105, 108, 111, 164, 174.
KRanig, Minifter von IV 227.
Kannenberg, Generalleutnant
I 155, 171.
Kant, Jinm. III 265, 352, 436. IV
109, 182.
Karl IV, Kaifer I 79, 121 ff., 136.
Karl V., Kaifer I 187, 188, 191, 195,
204, 216, 220, 221, 224, 232, 244,
294. 11 125. III 66. IV 441.
Ku Yu Kaifer II 339, 378, 387.
Bart, Raifer II 380. 1119, 16 fi,
25 ff., 31, 38, 174, 194.
Rat 1, König von England IV 376,
383.
Karl II., König von England II 188.
Karl VI., Aönig von Frankreich 179.
Karl VII, König von Frankreid) 1425.
Karl X., König von Schmeben I 444,
454, 462. II 1, 2, 9 ff., 13, 17, 18,
21, 22, 24, 27, 32 fi., 38 ff, 48,
44, 48, 49, 51 ff, 58, 60, 101,
219, 234, 279, 285.
Karl XI., König von Schweden II
321, 324, 325, 327 ff., 333, 389,
867 fi, 377. III 40.
Karl IT, König von Spanien II 312.
Karl von Trier, Hochmeifter I 70.
Karl IIL., Herzog von Sotgringen 1458.
Karl IV., Hersog von Lothringen II
185, 190, 197, 199, 270.
Karl von Lothringen, Bruder Kaifer
rang I. 11120, 28 ff., 33, 35, 36,
96.
94, 96.
Karl, dritter Sohn Auguſts IIT. von
Sachſen III 1
Karl, Herzog vn Ye Smeisräden
1 175, 179 fi, 2 . 277.
Karl, Sohn Herzog Pr von Medien:
burg IV 168.
von
506
Karl, Prinz von Preußen IV 255.
u ra Kühne, Herzog von Burgund
Aust, ¶ Rarinatiof von Me 1264,
Pu Herzog von Neverd I 295.
Rarl, Erzherzog III 840
Karl, Herzog von Medlenburg IV 83,
, 107, 118, 160, 162, 163, 165,
—F Alegander von Ansbach· Bayreuth
I 815.
Karl Auguft von Sadfen:Weimar IIT
207, 269, 273, 287. IV 89, 102,
277.
Karl Emil, Kurprinz IT 118, 184,
184, 185, 196.
Karl Friedrich, Neffe Chriftian Sugufts
von Holftein-Gottorp II 36’
—F Friedrich Herzog von Saben III
Bar "eos, Kurfürft von Mainz
Au sam, Herzog von Mecklenburg
Karl Philipp, Kurfürft von der Pfalz
79, 388.
Karl Theodor, Kurfürft von Bayern
1I 379, 388. III 175, 176, 178 fi.,
202, 204, 277, 359.
Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog von
Braunſchweig III 273, 302, 806,
311, 314, 396 ff.
Karlöbad 11 267, 305. III 74. IV 93,
105, 181.
Karlaburg II 227.
Karlsruhe III 186. IV 238.
Karoline, Regentin von Reup ält. Lin.
IV
426.
Karolyi, öfterr. Gefandter Graf IV 397,
398.
Karſchau II 74, 90.
Kaſimir von Kujavim I 51.
Kafimir, Sohn Wladislam Lofietels
170 ff., 156, 158, 164.
Rafimir IV., König von Polen I 95.
Kafimir, Bruder Herzog Albrechts 199.
Kafimir von Pommern, Sohn Swanti⸗
bors I 132.
Kaſſel II 268, 269. III 102, 194, 389,
m IV 152, 298, 301, 303, 387,
ale, 0 Gemahlin Joachim Fried⸗
Katharina, Woler Karla IV. 1128.
Ramenverzeihnis.
Ratharina, Gemahlin des Kurfürften
Priearig I. von Brandenburg
148.
— Sämetter Georg Wilhelms
1 331, 832.
Ratharinal., Raiferin von Rußland IL
125 ff., 129, 152, 154 ff., 172, 178,
178, 179, 184, 191, 193, 194, 198,
286, 296, 299, 305, 306, 810, 312,
318, 324 f., 340, 341.
Ratharina Amann, Nichte Peters
des Großen II 8°
Katharina —— — des Großen
Kurfürften I 386.
Ratt, von III 471.
Ratte, 2eutnant von II, 397 ff, 401.
Katzbach IV 51.
Raub IV 54.
Kaunitz, Staatölanzler Fürft III 64,
66, 67, 70, 73, 76, 128, 159,
161 f., 178, 180, 184, 196, 235,
278, 281, 296, 298, 302, 308.
Ray IIL 107.
Reht II 191.
Keith, Leutnant von II 897.
Keith, Feldmarjchau 1162, 83,101, 104.
Rei Georg, Bruber des Feldmarſchalls
II 62.
Kelchner, Sekretär IV 165, 178.
Keller, Romanift F. S. II 273, 274.
Keſſelsdorf III 38.
Kettler, Gotthard I 285, 286.
Kettroich, Auf Wolfgang 1182, 191,
207, 213.
Reyferlingt, Leutnant von II 896.
Khiesl. Kardinal I 338, 338, 344.
Kiel II 58. IV 407.
Kijfduin II 178, 188.
Kinfel, Gottfried IV 311.
Rirgeifen, Minifter Fr. Leopold von
II 478.
Kiffingen IV 465, 478.
Kittlig, Obermarſchall von II 74, 93.
Kigen IV 46.
Reinfgnelenborf III 17, 18, 20.
Kleift, Heinrih von I 80. II 219.
II 412.
Ri, Ewald von 1 426, 429, 439.
Pr "General €. gr. Graf von IV
14, 35, 50, 51, 68, 186.
Reift, Rarımergerihtäpcäfibent TV 174.
rin Retzow, Oberpräfident IV 308,
419.
alemens, Herzog von Bayern III 175.
Namenverzeichnis.
Klement, von II 376, 377.
Klewig, Minifter Wilfelm 9. von
III 429. IV 87, 128, 141, 148.
Klinggräff, Gefandter von III 75.
Kliging, Generalleutnant von I 372.
Klopftod, IIT 225.
Rnauten II 74, 91.
Rnemiander, Sternbeuter Betrus 1204.
Anefebed, Generalabjutant Exrnft von
dem III 478. IV 11, 16, 17,28 ff,
34, 45, 53, 54.
Rnefebed, Levin von dem I 329, 337,
1, 353, 363, 864.
Rnefebed, Thomas von dem 1313, 817.
‚Aniprobe,Hocmeifter Winrich von 174ff.
Knobelsborf, Generalmajor von III 802,
893, 451.
Koblenz II 158, 160, 178. IV 79, 102,
423, 442, 444.
—— General von III 847, 358, 360,
891, 428, 459. IV 1.
Köln (om der Spree) 1114, 191, 147,
149 ff., 178, 215, 318, 380, 419.
1I 106, 114, 124, 287.
Köln am Rhein 1283, 306, 307, 309,
819, 320, 347, 461. II 143, 146,
150 ff., 158, 159, 161, 162, 170,
270, 295, 321. III 194, 197, 202,
H% 315, 367. IV 102, 187, 194,
Röniggräg III 20, 83, 101, 190. IV
412, 417, 419,
Königäberg I Er 57, 78, 93, 103, 104,
107 ff., 220, 265, 292, 293, 298 ff.,
307, 308, 327, 328, 342, 343, 348,
385, 387, 390 ff., 400, 401, 406,
422, 423, 430. II 11, 15, 17, 19,
80 fi., 43, 44, 50, 68 fi, 76 ff. 87,
89, 92, 111, 117, 135, 140, 234,
254, 290, 313, 319. III 101, 407,
411, 418, 419, 423, 436, 441, 446,
455, 456, 459, 466, 467, 469, 471,
472. IV 14, 16, 17, 19, 26, 79, 90,
105, 109, 122, 214, 215, 217, 220,
226, 281, 317, 324, 369, 898.
Königäberg (in der Neumark) I 115,
166, 174, 198, 207.
Königämarf, General von I 444. II
227, 229, 292 ff.
Königftein, Feftung IV 425.
Röpenid I 118, 243, 297, 358, 361.
Pe 399. III 115.
;ppen, Rat Johann Georgd I 246.
Fr elig TIL 378.
Körner, Theodor IV 27.
507
NRoeäfelb III 382.
Xolberg II 207. III 116, 121, 122,
187, 404, 411, 420, 425, 453, 484.
IV 2, 4, 21, 157, 194.
Rolbigom, Dorf II 228.
Kobing U 57:
Kolin III 27, 91, 92.
Roltyniang IV 8.
Konig II 40. IV 21.
Konrad von Mafovien 1, 41 ff.
Konrad, Markgraf I 115, 116.
Konradi, Dechant Peter 1219, 224, 225.
Konftantinopel III 107, gsı. v2.
Ronftanz I, 185, 136,
Kopenhagen II 32, 48, Er 59, 60,
208, 210, 219, 232.
Kornmeffer, Kammerbiener II 245.
Rorför II 59.
Rofch, Abgeordneter IV 368.
Kofel III 25, 33, 36, 105, 411, 425.
Rosziusto, Diktator III 817.
Rotiubei, ruffiiher Minifter III 371.
Kottbus I 155, 157, 158, 165, 199,
207, 394. II 116, 302, 346. IV 61.
Kogebue, A. von IV 90.
Kowno 1 76.
Rradit, Oberft I 840, 354, 409.
Krafau I 105, 140, 260. II 10, 11,
42. 111 164, 316, 317, 324. IV 238.
Kraſchewski, polnifher Dichter IV 258.
Krauß, Profeſſor Chrift. Jakob III 436,
437, 444. IV 147.
Kraufened IV, 163.
Arefeld III 99. IV 281.
Kremmen I 114, 182. 11213, 218, 219.
Krempenborf ] 3
Rrekig, iiftertalbiettor IV 462.
Rreuznad) IV 244.
235, | Krodom, General von I 421. II 11.
Krofien I 199, 216, 279, 859, 361,
407, 428. II 207, 335. II 107,
Krübener, Ftau von IV 81.
Krull, Domdehant Thomas 1 191.
Rrufemort, General Fr. ®. von I
473, 484. IV 16.
Kuhlwetter, Minifter des Inneren von
IV 262.
Kühne, Geheimrat 2. IV 154.
Nühme, Georg IV 180.
Küpfer, Legationsrat IV 298.
KRüftein 1115, 166, 243, 259, 329, 341,
852 ff., 861, 374, 381, 392, 400, 401,
407, 416, 418, 423, 486, 499. II
207, 227, 235, 371, 398, 400. II
508
89, 102, 103, 108, 122, 402, 408,
PR ft.. 457, 461.
Bungenpei heim II 202.
Kulerneſe II 236, 237.
Kullmann, Tiſchlergeſelle IV 465.
Aulm I Fr 75 4. 94, 95. I 11.
18:
Kulm (in Böhmen) IV 51.
Kunersdorf III 108.
Rutufom, ruffifjer General IV 38, 35.
Robußlen IIT 415.
Kynſtut I 71, 76 fi.
8
2abiau II 36, 38, 41, 50,286.
Lacy III 115.
Ladenberg, Minifter A. von IV 262,
265, 269, 273, 298, 303, 322.
Ladislaus, nachgeborner Sohn Kaifer
Abreht I. I 155, 157.
Lafayette, frangöfifcer General III276.
2a Fere Champnoife IV 58.
Laibach IV 111.
Lanıbrushini, Kardinalſtaatsſekretär
IV 208.
Lamettrie III 58.
Zandau IV 60.
Landeshut III 102, 107.
Sandäberg, Ronrab von I 47.
Zanböberg (an der Warthe) 1115, 341,
352, 861, 365, 391, 407.
Zangenfalga II 215. IV 411.
Langhans Architekt von III 255.
Zangres IV 54, 80, 76.
Senf Dbenämerfgaftinnig von14l.
Laon IV 57.
2a Romana, ſpaniſcher General IV 5.
2a Rothiere IV 54.
Lasker, Abgeordneter Ed. IV 422, 455.
Lafſalle, Ferdinand IV 891.
Saube, Heinrich IV 180, 181.
Laudon, Öfterr. Feldherr III 101, 102,
108 ff., 114, 115, 121, 190, 280, 284.
Lauenburg II 11, 47, 122, 206. III
165, 376.
2autenburg I 86, 87.
Zam, John IT 387.
2ebrun, franz. General IV 489.
Lebus 1 153, 197, 215, 225, 251, 258,
270, 273.
Serohunsti, Erzbifhof von Bofen
IV 460, 479.
erimann, Vrofeſſor der Philoſophie
Namenverzeihnis.
Lehnin, Cifterzienferflofter I 113, 178.
Zehwalb, General von III 74, 93 ff., 115.
Leibniz II 288, 298, 301, 308, 817 ff.,
341, 345. III 58.
Leiden I 382.
Zeipjig I 28, 352, 356. II 167, 818.
II 32, 87, 96, 100, 110, 898. IV
86, 51, 52, 73, 89, 94, 151, 220,
226, 411, 414.
Seitmerig IIT 20.
fire
Zemberg II 18. ir 160, 164.
gene! III 404.
ötte II 317.
Zenjen I 110, ua. 11 55, 369.
2eo X., Papft I
2eo XII., Papft v 478, 479.
2eo, Seintig IV 180, 268.
Zeoben III 841.
Leopold, Erzherzog 1308, 306, 318, 333.
Leopold I., Raifer I 411. II 42, 49,
51, 58, 189, 141, 178, 248, 307,
820.
Leopold II., Kaiſer III 277 ff., 284 ff.,
295, 296, 298 ff., 308, 307, 311.
Leopolb von Anhalt:Deffau, Feld⸗
marſchall Fürft von II 323, 931,
836, 345, 349, 853, 359, 861, 363,
72, 402, 404. III 9, 11, 13, 14,
30, 34, 36, 37.
Leopold Wilhelm, Erzherzog l411. 1138.
Ze Rouz, Legationsrat III 458.
Sescsinäi, Stanislaus II 327 ff., 838,
376, 387.
Lesley I Fo
&effing IT
Befoen, ( Seal 111 412 ff., 419, 474.
gefmig, Venerel von III 134.
Leti, Gregorio II 118.
Letlingen I 255, 381.
Leuchſenring III 304.
Leuchtmar, Gerhard Rumelian von
1 406, 407, 414, 418, 419.
Zeuthen III 97, 103, 107.
Siem I 417.
Lichtenau, Scafın III 250, 257, 261,
327, 345, 34
Sihtenbung, Si Sick 1198.
Liebenau IV 412.
Xiegnig I 282, 265. III 97, 115, 256.
Siegnig, Fürftin, zweite Gemahlin
riebrih Wilheims III. IV 167, 197.
Lier, Arnold Gyſels van II 55.
Ramenverzeigjnis.
Zieven, Fürft IV 7.
Zigny IV 77.
Kilienftern, General üble von IV 115.
Zilienftröm, Legat I 397.
Lindenau, Graf von III "257, 261.
Lindenberg, Emil IV 317.
Lindner, Ir. 2. IV 110.
Lindow, Grafen von I 186.
Linum II 218, 220, 222.
Zinz 1 444. III 16, 197.
Kippe, Juftizminifter von ber IV 374,
891, 398, 418.
Zippolb, Münzmeifter I 242 ff.
Zippftabt II 124, 227, 241, 242.
Listo, PBrediger IV 824, 486.
Zifola, öfterr. Staatsmann Franz von
11 11, 39, 42, 44 ff., 49.
Liſſa III 125.
Ei, r. IV 150.
Brofeflor IV 824.
Minifter Fürft II 152, 157,
178.
Lochftädt I 93, 342, 348.
Zöben, Kanzler Johann von I 270,
279, 286.
Zöben, dabenn Hriedrich von 1 482,
486, 489.
Lödnig I 10, 166. II 128, 207, 218,
224,
227.
2öwen II 168.
Roftus, Botihafter Lord IV 441, 444.
Lombard, Kabinettsrat III 354, 358,
860,871, 374, 376, 380, 382, 384 ff.,
390, 392, 428.
London II 275, 329, 832. I11 18, 15,
25, 35, 62, 64, 69, 72, 86, 98, 111,
117, 124, 314, 337, 390, 410, 425,
456. IV 68, 79, 87, 254, 294, 318,
328, 404.
Longwy III 306.
2oon 1 380.
Lorges, General de II 179.
—— von Braunſchweig, Hochmeiſter
Solar Raifer I 111.
Lottum, Dbermarfgall Graf von 11828.
Lottum, Minifter Graf von IV 129,
186, 20:
Louis Ferdinand von Preußen, Prinz
111 292, 880, 392, 396, 398, 430.
2ouiß Philipp, König von Frankreich;
IV 162, 288, 241, 277.
Sohle
. 8.
Luccheſini, Gefandter Marquis von III
509
288, 284, 808, 311, 316, 363,
3 fi, 885, 392, 401, 408, 408.
Zucius, Sandwirticaftsminifter IV 478.
2uda IV 78.
2udau I 199.
Zubede Markus 1 410.
Zubewig, Johann Peter von III 10.
Ludolf, Erzbifhof non Mogbeburg 114.
Submit der Bayer, Kaifer I 70,
9 fi.
gung, Markgraf I 71, 120, 128.
Submig der Römer, Markgraf I, 122,
128.
Zubwig XIV., König von Frankreich
1 436. II 48, 118, 127, 138, 139,
148, 148, 154, 157, 158, 167, 178,
174, 178, 179, 181, 182, 185, 202,
239, 240, 243, 246, 248 ff., 252, 255,
258, 260, 263, 280, 282, 316, 320,
348, 373. 111 128, 226, 237, 239,
340. IV 108.
Zubwig XV., Bönig,
111 70, 88, 92. I
Zubwig XVI.,
von Frankreich
108.
König von Frankreich
III 298, 296, 298 ff.,
Submig XVII, König von Frantreic)
IV 55, 60.
— König von Ungarn I 105.
Subwig 1], König von Bayern IV 448.
Ludwig, Herzog von Bayern: Ingolftabt
I 140, 142.
Zudwig, britter Sohn des Großen Aur:
fürften II 122, 185, 247,258, 265 fi.
275, 290.
Ludwig Joachim, Pfalsgraf I 209.
Suhmigs Wilhelm, Martgraf von Baden
gubben 1 I 155.
Zübed I 53, 889, 128, 187, 459. III
366, 403, 413.
Züneburg I 259.
Lüttich Tası, 462. 1119, m 202, 276.
Züttwig, Präfident von IV 7.
Zügen I 355. IV 40.
Lügom, Major Adolf von IV 27.
Zuife, Königin I 27. III 346, 371,
379, 402, 421, 446, 476. IV 27,
71, 88, 158, 165, 167, 195, 199.
Zuife, Königin, zweite Gemahlin Fried:
rich Wilhelms II. III 249.
Luiſe Charlotte, Schwefter des Großen
Kurfürften I 384, 386, 402. II
258.
Zuife Charlotte von Schleswig ⸗ Holſtein
II 268.
510
Suife Den goster König Fried:
richs 1
Luiſe —8 denoin von Gotha
III 109.
Zuife Elifabeth, Gemahlin Friedrichs
von Heffen-$omburg II 219.
Luiſe Henriette, Gemahlin des Großen
Kurfürften I 489, 440, 447. IT 15,
45, 138, 134, 141, 265.
Luiſe Juliane, Mutter der Kurfürftin
Elifabeth Charlotte 1 329, 379, 386,
431.
Zuife Marie, Königin von Polen IT,
1, 47, 71.
Zufas, Zandrentmeifter I 421.
Zumbres, Graf de II 17, 59.
Luther, Martin I 33, 102 ff., 191,
198 ff., 205 ff., 211, 212, 229, 249,
251. II 114. III 250. IV 182.
Zutter am Barenberge I 339.
Luxemburg I 806. T
&yd IV 15.
Lynar, Graf von III 160, 167.
Lyon IV 56.
M.
Moaften, Winifter Karl ©. IV 148,
151, 154, 164, 172.
Machonab, Marfall IV 3, 5, 6,
8 ff. 5l.
Madrid I 294. II 178, 202. III 469.
IV 441.
Märter Juftizminifter IV 262.
Märtifh: sriedland II 235.
Magdalena, erfte Dematin Kurfürft
Joachims II. I 1!
Magdalena, Gemasin Johanns von
Smeibrüden I 294.
Magdeburg I 110, 147, 151, 217, 219,
220, 222 f., 288 fi., 252, 256 ff.,
261 ff, 266, 267, 270, 273, 274,
282, 288, 305, 310, 312, 315, 321,
851 ff, 357, 366, 376, 394, 436,
440, 446, 448, 452, 459. Il, 101,
122, 123, 150, 189, 191, 205, 215,
241, 334. III 32, 88, 89, 92 ff.,
99, 135, 401, 403, 426, 454, 468,
471, 473, 474. IV 81, 86, 50, 51,
61, 125, 170, 226, 260, 261.
Magnus, König von Schweben 1,122.
Mainz I 251, 483. II 9, 168, 190,
263. III 269, 287, 305, 311. IV
68, 70, 95, 102, 104, 424.
Maldin 11 58, 22:
Namenverzeichnis.
Valchow II 218.
Malmesburg, Lord III 315.
Malplaquet II 347.
Maltzahn, Gefandter von III 76.
Mangelkbarf, Brofeffor der Geſchichte
II 291.
Mannheim II 398. III 194.
Ransfeld III 402. IV 71.
Manftein, Generaladjutant von III,
312.
Manteuffel, General von III 106.
Manten jel, Miniſter Otto Th. von
9, 270, 276, 279, 220, 284,
286, 287, 290, 291, 294, 297 ff.,
807, 310 ff., 827, 329, 338, 839,
342, 374, 387, 891.
Manteuffel Edwin, Feldmarſchall von
IV _885, 837, 373, 409, 411, 424,
427, 451.
Nantua 1 295.
Varbaqch II 202.
Marbefeld, Generalleutnant von II
207, 214.
Marengo III 362.
Margarete, Königin von Dänemark
und Norwegen I, 82.
Margarete, Herzogin von Tirol I 121.
Margarete, Nichte Albrecht Achills I
166, 274.
Margarete, Gemahlin Johann Eiceros
Margarete, Tochter Joachims I. I 189,
193.
Sagen, Gemahlin Joachims II.
—— Theologe IV 80, 178, 186.
Marianne, Gemahlin des Bringen
Bilhelm von Preußen III 458.
Maria Therefia, Kaiferin II 879,
888. III 12, 14, 16, 17, 21, 23, 25,
27, 31, 60, 61, 68 ff., 75, 76, 79, 96,
106, 118, 127, gi, 164, 172 ff,
186, 188 in 196, 284.
Marie Eleonore, Gemahlin bed Herzogs
Albrecht Friedrich von Preußen I
109, 258, 263, 293, 294, 297.
Marie Eleonore, Gemahlin Guſtav
Abolfs 1 322, 323, 327, 381, 384.
Marienburg I 64, 89 ff., 137, 887,
348, 348. II, 11, 14, 22, 24, 80,
82, 40, 41, 46, 50, 75. III 165.
Marienmerder 148. II 285, 328, 392.
III 220.
Wariirch II 197.
Marlborough, englifer Feldherr II
Ramenverzeihnis.
26, 827, 329 ff., 884, 889. III
, 128.
graslenheim II 192.
Marmont, Marſchall IV 52, 58.
Marfan, frangdf. Gefandter St. III
469, 470, 473, 474. IV 28, 28.
Varſchall, Samuel von III 5, 51.
Rarwin Alexander von der III 479.
PH, "Dito von der I 400.
Mafella, Runtius IV 478.
Maffenbach, Oberft von III 396, 897.
IV 10, 14, 16.
jom, Hausminifter von IV 838.
it II 158, 160, 178.
Matthias, Kaifer I 307, 321, 322.
Matthias, Bizelanzler Daniel I 317.
Matthias, Hofpoftdirettor Michael IT
1, 112.
Matthias Corvinus, König von Ungarn
1 164, 165, 168, 173, 179.
Waupertuis, franz. Gelehrter III 5,
Vauvillon II 242.
Nar II., König von Bayern IV 857.
Mar Ile, Rönte von Bayern III
359. IV I
Maren III Fe
Maximilian I., Kaiſer I 97 ff., 171,
1% 178, 179, 186, 187, 191. III
Warimilian II., Raifer I 238, 241.
Maximilian, Eryheryog, poln. Thron:
Kandidat I 260, 262.
Rorimilion, Bruder Kaifer Joſephs II.
Ill 197, 867.
Barimilian, Raifer von Mexiko IV 488.
Rarimilian Heinrih, Erzbifhof von
Köln 1 460, 461. II 148, 161.
Rarimilian III. Jofeph, Kurfürft von
Sagen IU 81, 175, 176, 179 ff.,
Vaybach, Handeldminifter IV 472,476.
Vajarin, Kardinal II 51, 279.
Mehtfak II 41.
Meinders, Geheimerat Franz II 66,
141, 143, 145, 148, 150, 156, Er
FR 170 fi, 210, 240 fi.,
Relanätgon! 102, 207, 208, 211,221.
Melnofen I 98, 141.
Memel I 58, 843, 348, 422. II 2, 4,
7, 9, 77,_97, 98, 112, 234, 236.
III 872, 887, 411, 414, 415, 425,
426, 430, 432, 435, 446. IV 6, 9,
10, 12, 119.
511
Mende, Kabinettörat Ludwig III 354.
Mende, Luiſe Wilpelmine, des Borigen
Tochter III 354.
Menbeisfo —— Felit IV 202.
Menfcikoft, ruffiicher Feidherr II 867.
Bensbarft —8 öftert. Minifter IV
409,
Wenzel, Keane Großen Kurfürften
Ren Tas. Rangleifeleetäe 172, 77.
Menzel, Baligang V
Nerjeburg IV 36.
Neftwin, Sohn Swantopolks von Pom⸗
merellen I 52, fi.
Metternich, Fürft III 378. IV 7, 34,
41 ff., 52ff., 68, 69, 71,78, 91, 93ff ,
108 # 107 ff, 116, 117, 129, 131,
18 149, 150, 168, 197, 200, 288,
Mep 1 264. IV 447, 451.
Mewe I 157.
58. | Memiflen, Abgeordneter IV 282.
Meyendorf, zuffiicher General IV 308,
307.
Migaelis, Minifter Friedrichs IT.
LIT 218.
Michelis, Kaplan, Sekretär bes Erz:
Biigofe Deofte-Bifhering von Köln
191.
Middelfahrt II 57.
Mieroslawsti, poln. Revolutionär IV
237, 252, 258, 258.
Milde, Minifter IV 232, 259, 262.
Nindwig, Nidel von I 199.
Ninden I 437, 440, 442, 446, 452.
II 124, 226, 227, 2“ 241. 11168,
106, 338. IV 58,
Mindome, — r 57.
Binutoli, Poligeipräfident von IV 251.
Miguel, Abgeorbneter IV 428, 445.
Nirabeau, Graf III 225, 285, 236,
242 fi., 250, 252, 253, 256, 265,
266, 345, 391.
Miffunde IV 408.
Nitau IV 9.
MNitell, Sir Andrew III 75, 118.
Mittenwalde I 122.
"| Rödern IV 86, 52.
Möllendorf, Felbmarfpall von TIT 256,
814, 317 ff., 320, 391.
Möller, Königäberger Profeſſor und
Abgeordneter IV 898.
Mörner, Oberft von IT 221, 228.
Mohrungen I 343. III 413. IV 421.
Nolwig III 18, 14.
512
Moltte, Feldmarſchall Graf Helmuth von
1 27, 30. IV 169, 405, 409, 412,
414, 443, 444.
Mommjen, Theodor IV 368,
Monbail, Grau Mas de, fiehe Rocoulle.
Monbijou III 250.
Monte, Heinrich (Herfus) I 56 ff.
Montecuccoli, Taiferl. General I 341,
7. 1149, 52 ff., 57, 59, 159, 157 f.
178, 206.
Montereau IV 56.
Montmartre IV 58.
Mortmirail IV 55.
Morgenftern, Magifter S. 3. II 359.
Morig von Anhalt, Prinz III 31, 95.
Morig, Landgraf von Hefien 1 302,
310, 318, 321.
Morig, Kurfürft von Sachſen I 216 ff.,
457.
Morig von Sachſen, Marſchall III 56,
84, 104.
Reit von Naffau:Siegen, Prinz II
19, 65.
orig von Dranien 1 306, 320, 382.
Mortier, Marſchall IV 58.
Mostau 1 98. III 24, 65.
Mog, Minifter Friedr. von IV 102,
115, 148, 149, 154, 164, 172.
Noys TI 94.
Müffling, General von IV 112, 163.
Mühlberg I 218, 225.
Mühlen, Doktor Garliep von I 884.
Müpler, Juftizminifter von IV 174,
175, 224, 227.
Müpler, Kultusminifter von IV 374,
393, 462.
Mülhaufen i. €. II 198, 200. III 370.
Mülheim am Rhein I 819.
Müller, Johannes von III 235, 392.
Müller, Feldprediger II 400.
Müller, öfterr. Generallonful Adam
IV 94, 151.
Müller, Prägeptor Jakob I 381.
Müller, Propft in Berlin IT 118.
Mülrofe IT 123.
Wündeerg 1 122.
minden 1 1 25, 184, 202. IV 152,
grngengrät IV 412.
Mündow, Winifter Ludwig Wilhelm
von III 48, 49.
Münfter I 428, 429, 482, 435, 440,
444, 461. 1I 186, 138, 144, 146,
147, 151, 152, 159, 161, 170, 208,
210, 212, 226, 248. III 111, 197,
Namenverzeihnis.
332, 341, 367, 368, 370. IV 73,
120, 187, 189, 193, 194.
Münfterberg, Heinrih von, Sohn
Georgs von Podiebrad I 164.
Nundt, Theodor IV 180, 181.
Wurat, Schwager Napoleons I. III
388. IV 14.
Muskulus, Prediger Andreas I 240,
247,
N.
Nadod IV 412.
Ragler, Generalpoftmeifter von III
465, 466, 476. IV 110, 148, 160,
164 fi., 178, 210.
Napoleon I: Raifer der Franzofen I
36.
356, 365, 869, 372 ff.,
ar, 389, 391 ff., 899 pi 40
43, 415, 418 ff., 426 ff., , 451,
453 ff., 459 ff. 469, 471 wu a,
483. IV 8, 5 ff., 10, 18, 16, 23,
3, 28, 33 ff, 78, 77, 146, 186,
Napoleon III., Kaifer der Franzofen
IV 313, 381, 849, 854 ff., 385, 402,
413, 430, 438, 448.
Narbonne, franz. Staatsmann IV 46.
Narwa II 370.
Raffau IV 119.
Rahmen, General Oldwig von IV 14,
—8 1181, 136, 185, 251. II 216 ff.
Naumburg I 216, 315. 111394. IV 73.
Raunyn, Vürgermeifter IV 249.
Neander, Kirchenhiſtoriler A. IV 184.
186, 247, 325.
Neapel IV 111.
Nebenius, Staatörat IV 150.
Neidenburg II 235.
Neipperg, Graf III 18, 14, 17, 18.
Neiße I 359. III 11, 13, 14, 17, 25,
104, 160, 411.
Neröborf II 141.
Reffau, Burg I 47.
Nefielrode, Graf IV 43, 44.
Nettelbed, Joachim IIL 412.
Neu:Angermünde I 417.
Neulich, Benjamin II 817.
Neumann, Andreas II 117.
Neuruppin II 213, 402 ff.
Neuftadt in der Mark II 213, 301.
Neuftettin II 207, 285.
Neuß II 146.
Neuwied II 158.
Ramenverzeihnis.
Ney, franz Marihall IV 51.
Ricoloviuß IV 80, 120, 164.
Nicopolis III 325.
Niebuhr III 429, 438, 474, 478. IV
80, 110, 157, 166, 187, 188, 204,
‚312, 829.
Nieberihönfeld III 24.
Nienburg III 404.
Nikolaus von Jeroſchin I 74.
Nikolaus, Propft von Bernau I 120.
Nikolaus V., Papft I 158.
Nifolaus I., Kaifer von Rußland IV
100, 11 8, 827.
Nitolaburg IV 414, 415, 424, 425.
Rimmegen I 320. II 229, 232, 873.
II 271.
Nivernais, Herzog von III 69, 70.
Noailles, franz. Feldherr III 24.
Nobiling, Doktor IV 473.
Nördlingen 1 365. II 202. III 332.
Rollendorf IV 51.
Norbert, Erzdiſchof von Magdeburg I
118.
Norbburg II 54, 55.
Norbhaufen III 111, 370.
Rorprath, General von I 424 fi., 434,
436.
Rowodwor II 24, 25.
Nürnberg I 101, 7 274, 359, 459.
1 222, 840. IV 152.
Rugent, Generalfeldmarſchall Graf III
Nyborg II 59.
O.
Obertirch II 192.
Odenſee II 59.
Dberberg II 207.
Dfen I 128.
dhiau III 14.
Ohm, Spion IV 283, 818.
Dien, Profefior IV 92.
Diegfo II 74, 81, 90.
Dlgierb, littau. Fürft I 71, 76.
Diiva 1 42. II 59, 60, 69, 243.
Ofmüg 128. III 19, 20, 101. IV 277,
302, 305 ff., 322, 327, 831, 346,
396, 410, 418.
Dnolgbad 1 288.
Dos in Baden IV 488.
Oppeln II 10. III 14.
Oranienburg 1457. II 110, 185, 213.
Def 1 356. II 139, 146, 150, 151,
5.
Pruß, Preußiihe Geſchichte. IV.
513
Dfiander, Andreas I 101, 107.
Dönabrüd I 366, 394, 491, 432, 434,
435 ff., 489 ff., 444. II 164, 288.
III 18, 111, 207, 364, 367, 368.
Dfterburg I 112.
Dftermann, rufl. General IV 51.
Dfterobe I 94, 298. III 404 ff., 475.
Oſtrau III 18.
Detfer, Abgeorbneter IV 428.
Ottmagau IIT 11.
Dtto L. Kaifer II 101, 130.
Dtto IL, Kaifer I 111.
Dtto TIL, Raifer I 41.
Dtto I., Marigraf von Brandenburg
1118, 114, 119.
Otto II, Wartgrnf 11114.
Dito III, Markgraf 1 114 ff.
Dito IV, Martgraf I 61, 115 ff.
Dtto der Zaule, Markgraf 1122, 128.
Dtto, Herzog von Braunfchweig I 119.
Dtto I., Herzog von Pommern I 120.
Dito von Pommern, Sohn Swantibors
1 182.
Otter I, König von Bößmen 157,
115.
Dubinot, franz. Marſchall IV 50, 51.
Drenftierna, ſchwed. Kanzler Azel II
Pr 206, 894, 407, 419, 430 fi.,
Drnfenn, fon Kanzler Erich I
P.
Pac, poln. Feldherr Wheel 11 294,
Baberbomn III 197, 199, 369, 370.
IV 187, 189, 198.
Padua III 297.
Panin, ruff. Staatsmann III 155, 159,
160, 162.
Pannewitz, Chriftian von I 426.
Bappenheim I 841.
Barhmig III 96.
Bardubig II 20, 27.
Paris 1 287, 435. II 139, 143, 147,
164, 240, 248, 257. III 12, 62, 68,
66, 70, 73, 95, 111 ff. 201, 242,
280, 300, 302, 308, 820, 332 ff. 337,
338, 356, 357, 361 ff., 366 ff., 370,
371, 375, 382, 388, 390, 393, 401,
451, 458, 455, 458, 461, 478, 475,
482, 484. IV 16, 23, 28, 54, 55,
57 fi, 61, 77, 78, 206, 235, 241,
252, 266, 331, 431, 438, 440 ff.
33
514
Bas, Frangois de, fiehe Rebenac.
Boffarowig III 279.
Paſſau 1224, 226, 303, 806. III 197.
Palow, Ninifter Freiherr von IV 320,
844, 870, 371.
Pauder, Nitolaus II 287.
Raul, Kaifer von Rußland III 841,
861, 365.
Baulueci, uff. General IV 5, 6,9, 12.
Peig I 155, 158, 230, 273, 329, 368,
372, 374, 392, 394, 407. II 87,
128, 207, 215, 229, 302.
Belargus, Generalfuperintendent Chri⸗
ftoph I 271, 318.
Verband, Kämmerer von II 245.
Perleberg I 214.
Beftalozzi III 447, 470. IV 140, 204.
Peter von Duisburg I 74.
Per der Große, Reifer von Rußland
n 881
Beter u, Kaiſer von Rußland III
26, 128 ff, 131, 152.
Peters, polgeibireftor in Königäberg
V 317,
etrabung 11884. III 15, 60, 62, 64,
70, 72, 73, 111, 128, 124, 155,
157, 159, 161 ff, 167, 184, 191,
269, 299, 309, 310, 314, 386, 341,
362, 364, 371 fi., 375, 890, 458,
466, 471, 482, 483. IV 79, 847,
353, 359, 457, 458, 470.
Peterwardein IV 84.
Betritau I 160, 236.
Petruſſa I 112.
Beuder, General von IV 276.
Pfalzburg II 192.
Pfizer, Paul IV 116.
Bforbten, Minifter von der IV 282,
403.
Pfuel, Kurt Bertram von 1351, 426 fi.
Bfuel, General Ernft 9. von IV 245,
246, 258, 265 ff., 269.
PBhilipp, Kartäufermönd; I 74.
Bhilipp, Sohn de Großen Kurfürften
II 267, 315, 823.
Philipp, Markgraf von Baden I 294.
Philipp, Landgraf von Heffen I 194,
204, 205. III 250.
Philipp, Son gerzog Georgs von
Pommern I 189.
Philipp II. König von Spanien 1220,
222, 224, 240, 290. II 891.
en Infant von Spanien III 88.
Philipp Ludrig, Pfalsgraf von Neu:
burg 1 294, 319.
Namenverzeichnis.
Philipp Wilhelm, Pfalzgraf von Neu:
aus 1429, 452, 458. II 65, 67,
3
Bhilippomo II 38.
Phifippsburg IL 190, 191, 201.
Phull, General III 896.
Pillau I 93, 336, 338, 342, 343, 348,
388, 389, 422, 426. II 2, 4, 7,9,
14, “ 81, 84, 289, 342. III 387,
425. IV 2, 3.
Pillnig III 296, 298, 299. IV 290,
334.
Bilfen III 27.
Pirna I 365. III 88.
Filorius, Kanzler Simon I 221, 286,
gi Viniſter Biliam III 86, 98, 102,
112, 119, 121, 128, 127.
®ius I1., Papft I 158.
Pius VIL, Bapft IV 187.
Pius VIII, Bapft IV 188, 190, 191.
But IX., Bapft IV 446, 468, 465,
478.
Platen, Geheimrat Klaus E. von II
105.
Blaue I 188, 194.
Blanen, ‚Hodmeifter Heinrich) von I
Plauen II 224.
Plehwe, General von IV 817.
Biod 1 48 ff., 86.
Plotztau, Graf Konrad von I 111.
Ploiho, Gefandter von III 118, 138.
Ploto, Kurt von I 192.
Podewils, Kommandant von Pillau,
von I 426.
Podewils, Minifter Heinrich von III
1, 10, 12, 17, 20, 26, 39, 42, 75.
Bobiebrad, König von Böhmen, Georg
I 155, 157, 159, 164.
Bobol IV 412.
Bölnig, Gerhard Bernhard von II
141, 149, 165, 179.
Roifgwig IV 39.
Roland, Margarete von I 334.
Polenz, Georg von, Biſchof von Samz
fand I 100 fi.
Poliander I 104.
Bomarius, Lijentiat IT 114.
Pommerjig IIL 228.
Pompabout, Marquiſe von III 67, 68,
Borponne, franz. Staatdmann II 147.
Boniatowsfi, Stanislaus Xuguft III
156, 157, 162, 295. IV 48.
Namenverzeihnis. 515
Porſch, eier II 837.
Poſcherun IV 10.
Bofen 1 241. Ei 42. 111405. IV 118,
187, 194, 4
FPolhaufen, Sherfteutnant Rafpar I
Boladam 1 858. II 149, 166, 186,
275, 331, 358, 888, 397. IT 1, 42,
55, 57, 58, 60, 201, 847, 879, 401,
484. IV 16, 166, 183, 254, 269.
Prätorius, Profeſſor Abdias I 228,
235, 240, 247, 249, 251.
Prag I 245, 266, 294, 303, 305 ff.,
855, 410, 444, 450. III 17 ff., 28,
27, 29, 30, 90 ff. IV 84, 45, 46,
50, 52, 416, 419, 421.
Praga II 24, 26, 28, 29,
Prenzlau 1145, 159, 164, 168, 198,
417, 419. 111 402.
Preßburg I 127. IV 414.
BVrettin, Nonnenklofter I 193.
Breußifh:Eylau II 418, 427. IV 157.
BreußiiheHolland U 234.
Preußifh-Mart 1 348.
Pribislam von Brandenburg, Slaven⸗
Häuptling I 112, 118.
Beim, jpanifcer General IV 440.
Bringen, Minifter Marquard von II
347, 850.
7, 850.
Prittwitz, General Karl von IV 247,
248, 250, 251, 294.
Briterbe II 214, 217.
Brodftheida IV 52.
Pukio. öfterr. Gefanbter von IV 238,
PR von Mähren, ortgef 119.
Broles, Andreas I 1
Pruchnann, nid T: 286, 318, 814,
317, 326, 338, 340.
Bruß, En IV 924.
Broemyslam von Polen I 61, 115.
Praylush, Erzbiſchof von Poſen IV
Bufenbar, Samuel von II 285.
Bultama I1 330.
Qultust III 413.
Butbus II 288.
Wutlig, Kaſpar Ganz Edler zu a I131 ff.
ut Satattfalter Adam Ganz Edler
u I 29:
Pulp, Sefnarfget Adam Georg Gans
Edler zu I 418.
Buttbus, Sat ar IV 455.
Puttkamer, Minifter von IV 308, 478.
®yri I 116, 167. 11 285.
Q.
Quedlinburg I 147. TI 192, 370.
Duehl, Ryno IV 315.
Duerfurt IV 71.
Duitor, Dietrich und Johann von I
185, 131 ff.
R.
Raab I 888.
Rabe, Finanzminifter IV 299.
Racy, Lord II 828.
Rabowig, General Jofeph von IV 207,
[., 247, 276, 279, 280, 282,
287, 290 ff., 297 ff., 306, 817 ff,
845, 352.
Radziwill, Statthalter von Preußen,
Pte: Seingefin Luiſe, Gemahlin
des Markgrafen Lubwig von Branz
denburg II 247, 253.
— Prinzeſſin Luiſe, Schweſter
des Prinzen Louis Ferdinand von
Breußen IIT 430.
Radziwill, Fürft III 394.
Rabziwill, Prinzeſſin Elije IV 168.
Ragnit 1 76 fi.
Rainer, Doge von Venedig I 68.
Ratoczy II 42, 382.
Ramler I 27. III 254.
Rante, Leopold von 14, 5,6. 11279.
IV 140, 179, 272, 388.
Raftatt II 192, 373. IV 207, 333.
Rathenow I 183, 323, 355, 894. II
128, 214 ff., 218, 222, 224.
Rattau III 403.
Hand, Bildhauer Chriftian IV 140,
an "Johann 1 118.
Raule, Benjamin II 254.
Raumer, Binifer Rarl von IV 314,
822 fi.,
Ravaillac, 2 I 806.
Rebenac, Francois de Pas Graf II
233, 234, 239, 40, 242, 245 ff.,
249, 250, 257.
Rebentiſch, General von III 184.
rn ‚Rannmergerichlöpräfibent von
348. I
Rechberg, Be Graf IV 897, 409.
Ned, Staatäminifter von der IV 70.
Rediinghaufen II 66.
Reed 1 306, 320, 256, 421. 11 146,
151, 168, 178, 180 ff.
Regensburg T 215, 265, 267, 349,
516
362, 364, 365, 392, 452, 457 ff.
IL 189, 140, 161, 169, 178, 205,
208, 209, 212, 231, 250, 251, 263.
1II 9, 87, 118, 138, 181, 185, 188,
269, 310, 320, 382, 387. IV 97.
Reichenbach 111281, 284, 286 ff., 292ff.,
297, 328, 333, 343. IV 44, 76.
Reichenberg IV 412.
Reichenäperger, Abgeordneter IV 85
Reimer, Buchhändler ©. A. IV 93.
Reinhard, Rammerpräfibent III 48.
Rendöburg IV 407.
Repnin, Fürft IV 60, 70.
Neuß, Fürft ITT 281, 284, 292.
Reval II 370.
Regber, Kriegäminifter von IV 255,
262
Rhediger, Staatsrat von IV 120.
Rheibt, Baron von, fiehe Bylandt.
Rheinberg II 151, 291, 295, 321.
Rheinsberg II 213, 404. III 57.
Rheinzabern II 190.
Rhenen I 382.
Rhinow II 218.
Ribbed, Oberft I 405, 406, 409.
Ricelieu, Kardinal I 85, 339. II 177,
181, 279. III 358, 430. IV 383.
Nichelieu, Herzog von III 98, 95, 98.
Ried IV 52.
Niet, Kammerdiener III 250.
Riga I 60 ff. II 31, 286, 087. m
411. IV 4, 5.
Rinst II 11.
Rinteln, Juftizminifter IV 278.
Ritter, Geograph Karl IV 140.
Arten, Bas bayrifcher Bevollmächtigter von
181.
Rigebüttel III 373 ff.
Rochow, Wichard von I 138.
Rochow, Morig Auguft von I405, 409.
Room, Oberftleutnant von II 396.
Room, General von IV 160, 161,163.
Rochow, Minifter Guft. Ad. von IV
183, 172, 178, 181, 189, 191, 208,
216, 218 ff., 226.
Rodom, Zendlagemerſchal von IV 227.
Rochow⸗Pleſſow, Hand von IV 817.
Rocoules II 118 ſiehe May de Monbail.
Rocoulle, Frau de II 342, 394.
Robbertus, Generallandfhafterat IV
259, 267.
Rodorfer, Dompropft Wolfgang I 191.
Rodt. Winandt I 428, 429.
Nöbel, Dberft von I 238.
Röder, General von IV 115.
Namenverzeihnis.
Roermonb II 140, 142.
Roeskilde II 52.
Rohde, Schöppenmeifter von Könige:
berg Hieronymus II 69, 70, 78,
75 fi., 92, 98, 100, 132.
Rohr, ‚Kriegdminifter von IV 254.
Rom 1198, 212, 294, 429. II 271.
III 484. IV 183, 187, 188, 191,
192, 208, 210, 211, 460, 461, 463,
474, 478, 479, 481.
Romitten II 74.
Ronge, Johannes IV 211.
Roon, Minifter Graf Albreht von IV
863 fi, 370, 371, 374, 375, 878,
PRO 389, 443, 452, 458, 455.
de II 225.
, Archäologe Ludwig IV 8
Sohba II 95, 97, 115, 225. I 16.
Roplau IV 36.
Rotenburg I 127.
Rotenhan, Bifchof Chriftoph von I 145.
Nothentich II 289.
Rothenftein, Hochmeifter Konrad ZN:
ner von I 7°
79.
Kolben, Vräfident Chriftian von IV
, 146.
Rott, Karl von IV 127.
Rouen I 268.
‚| Rüchel, General I 36. III 380, 896,
898, 899, 407, 421.
Nüdert, Friedrich TV 202.
Rudau I 77.
Rudolf J. Kaiſer I 60, 116.
Aubolf IT, Raifer I 257, 306 ff.
Rudolf, Herzog von Sachſen-Witten⸗
berg 1111 ff., 180 ff., 188, 189, 142.
Ruffach II 198, 199.
Ruge, Arnold IV 178, 180.
Ruhs IV 80.
Rumbold, Shenalier II 877.
Ruppin I 186, 398.
Rupregt von ber Bfaly, König I 125,
127.
Rußdorf, Hocmeifter Paul von I 98.
Rutomsti, fäc]. Generalfelmarigadl
Graf 11 88.
Ruyter, Admiral de II 59.
Ryamit II 805, 308.
Rufe, Bürgermeifter Bernd I 150.
©.
Saalfeld III 398.
Saarbrüden IV 77.
Saarlouis IV 60, 77, 102, 269.
Ramenverzeihnis. 517
Sabina, Rammergut II 108, 285.
Sabine, qmeie Gemahlin Johann
Georgs I 250.
Serims, Georg 1180, 207, 208,
Sad, Dierprüfdent Io5. Zug. II
en Dieifebiger S. G. IV 182.
Saden, ruf. General IV 51, 55.
Saboma IV 480.
Sagert, Geheimrat IV 285, 317.
Salvius, Zegat I 406.
Salza, Hocmeifter Hermann von I
40 ff.
Salzburg I 257, 265. III 28. IV 487.
Salzwedel I 112, 116.
Sand, Karl IV 98, 105, 116.
Eonelout 111 46, 55, 57, 96. IV 885,
Sapieke, Fürft II 7.
Saunöheim, Deutfgmeiter Eberhard
von I 93.
Savigny, Friedrich Aal zon IV 80,
140, 168, 208,
Savigny, Geſandier Rarl erg von
IV 4ll, 485.
com: ntigenftein, Graf Johann von
Saat I 107.
Schad, Kapitän von IV 14, 16.
Schadow, Bildhauer Johann Gottfried
III 255. IV 141.
Schafen I 298.
Sgandau III 85.
Scharnhorſt, General ©. 3. D. I 36.
II 896, 397, 399, 401, 408, 413,
414, 481, 443 ff., 448, 459 ff., 470,
478, 482 fj., 486. IV 2, 8, 10, 12,
17, 20, 24, 26, 29, 30, 33, 35 ff.
45, 62, 63, 79, 120, 157, 158.
Scharnweber, Staatsrat IV 128.
Scheffner, Königäberger Bürger III
444, 446.
Scelling, IV 208.
Scidler, Bankier IV 145.
Schild, Major Ferdinand von III 412,
469, 471, 474, 475. IV 157.
Schilling, Prediger Jakob IT 114.
eginnetopt, Drdensmarjhall Henning
aan, Arditelt Karl Friebrih IV
Shline 1117.
Scleiermader, F. D. €. III 447. IV
80, 105, 184, 204.
Schleinitz, Minifter von IV 298, 297,
344, 851, 369, 878, 395.
Säleig II 215.
Sclettftabt II 196, 198, 201.
sous, Rengler Raifer Sigismunds,
Rafpar I 286.
sous, DOberlämmerer Hieronymus I
86, 804.
Sen Euſtach von I 192, 205,
206, 218, 321, 229, 234.
Sclieben, Adam von I 279.
Schlieben, Graf II 97.
Saleden, heſſiſcher Minifter Graf von
194.
Schlieffen. General_von III 276.
Schlippenbad, Graf II 2, 35, 44.
Sarnen, peeufifger Gefanter in Rom
Schlüter, Andreas II 131, 256, 288,
816, 317.
Schmalz, Brofeffor Theodor A. IV 79,
2 1
Schmebbing, Geheimrat IV 190.
Schmerling, öfterr. Minifter IV 899,
406.
Ber Karl Chriſtoph von III
10, 134.
Samen, Friedrich Wilhelm Karlvon
Somit —* I Is
Schmiebeberg IV 1
Somiedefet, Dierk VSgmibt von II
Sämattfeifen III 108.
Söneibemüßl IV 212.
Schomberg, Marihall II 249, 273, 275.
Schön, Überpräfient 9. Th. von II
861. III 429, 437, 488, 440, 454,
463, 468, 469, 478. IV 2, 4, 11,
14, 16, 18, 19, 119, 157, 203, 215,
216, 218 f., 259, 263, 322.
Schönberg, Dietrich von I 99 fi
Syömbrunn III 381, 382. IV 405.
Schönebeck, Jagdſchloß II 853.
Schöning, Generalmajor Hand Adam
von Il 287, 246, 263, 273.
Schöning, Kämmerer IV 285, 817.
Schöningen I 489.
Schredenftein, Winifter General von
IV 262.
Scrötter, Rinifter K. W. von, I 481,
437, 438, 440.
Schudmann, Rinifter von IV 88, 88,
108, 132, 160.
Schulenburg, Adaz von II 207.
518
Schulenburg, Matthias von I 200.
Schulenburg, Werner von 1381, 391.
Schulenburg, Generalmajor von der
9.
99.
Scäulenburg:Blumenberg, Niniftervon
III 267.
Schulenburg⸗ Kehnert, Minifter Graf
III 294, 309, 401.
Schulz Prediger II 351.
Schulze, Amtzrat Joachim I 376.
Säulze, Geheimrat Johannes IV 140.
Schwalenberg, Günther von 1 116.
Schwark, Karl IV 324.
Schwarkenberg, Graf Adam von [34 ff.,
304, 332 ff., 422, 424, 425, 436 ff.,
452. 11 63, 122, 132, 174, 802.
Schmargenberg, Graf Abolf von I 338.
Schwargenberg, Graf Johann Adolf
von I 400 ff., 410, 411, 415, 422,
423. II 178.
Schwarzenberg,
marſchall Karl
öfterr. Generalfelbs
hilipp Fürft von
Schwarzenberg, Minifter Felix Ludwig
Fürft von 292, 295, 297, 301, 308,
807, 312, 896.
Schmwebt I 273. 11 367, 370. IV 118.
Schmeibnig I 271, 359, 440. III 38,
96, 97, 101, 115, 121, 125. IV 264.
Schweinfurt II 191, 202, 215, 222.
Schwerin, Dito Oberpräfident Graf
von I 414, 499. II 6, 12, 34 ff.
52, 71 ff, 77 fi.. 86, 88 ff, 183,
185, 141, 145, 147, 149, 155, 161,
166, 171_ff., 185, 186, 232.
Schwerin, General von II 154.
Schwerin, d dper gau Graf Kurt III
14, 19, 88, 84, 91.
Schmerin-Pugar, Winifter Graf von
Iv 282, 251, 274, 360, 368, 371,
393.
Schmeh 189, 117.
Sedendorff, öfterr. Sefandter Graf von
11 881, 383, 405. III 23, 24.
Sedan IV 447.
Salminm. drſbiſchof von Breslau
—— — 408.
Sefeloge, Garbeartillerift IV 311.
Seibenberg IV 73.
Seldom, Winifter von IV 387, 458.
Seligenftabt III 335.
Senftenberg I 155.
Seaf-dihe, Dberpräfident von IV
Namenverzeichnis.
Sennheim II 197, 198.
Sepp, Profeſſor IV 447.
Sefjelmann von Lebus, Biſchof Fried⸗
rig I 158.
Seyblig, General Friebrih Wilhelm
von III 103, 108, 115.
Seydlig, Major von IV 6, 8, 9.
Sibylle, Witwe Philipps von Baden
1 294, 295.
Sidingen, Franz von I 199.
Sieyes, Dan, Staatämann III 357 ff.,
368, 420. IV 220.
Sigismund, Kaifer I 85 ff, 98, 105,
124 ff., 147, 155. III 176, 181.
Sigismund 1., König von Bolen I 129,
254.
Sigismund II. Auguf,
Polen I 284 ff. 258.
Sigismund III, König von Polen I
262, 290 ff., "208, 800, 307, 318,
Sigiömunb, Erzbifof von Magdeburg
239.
König von
Sigismund, Martgraf und Statthalter
von Preußen I 341, 358.
Sigmund, Bruber Friedrichs des
;anftmütigen I 147.
Simon, Heinrih TV 230, 256, 257.
Simons, Juftizminifter IV 299, 302,
338, 339, 342, 361, 388.
Simfon, Präfident Eduard IV 278.
Singheim II 186, 190.
Siftoma III 292, 298, 295, 298.
Sittard I 356.
Stalig IV 412.
Stiernewice IV 294, 470.
Storzemäty, petnifäe Familie III 165.
Sie, AH sifder Reichsrat Benebitt
11
Pr oem m 486.
Sobieski, König von Polen, Johann
u 185, 212.
Sobiesti, Jalob II 275.
Sömmerda IIT 399.
Soeft II 163, 167.
Soiffons II 382.
Soldin I 158.
Solferino IV 349, 374, 412.
Solms, Graf III 154, 159.
Soltitom, ruf]. General III 107 ff., 126.
Sommerfeld I 168, 199.
Sommerfeld, General von II 224.
Somnig, Kanzler von II 13, 179.
Sonderburg II 54.
Sonnenwalde I 199.
Ramenverzeihniß, 519
Soor III 35, 36, 38.
Sophie von Polen, Mutter Herzog
Albrechts I 97, 179.
Sophie, erfte Gemahlin des Rurfürften
Johann Georg von Brandenburg
1.282, 250.
Sophie Semaptingurfürft CheiftiandT.
von Sadjfen I
Sophie, Gemahlin Bein Bogislam X.
von Pommern I
Sophie, Gemahlin bes Ruefünften Ernſt
Auguft von Hannover II 267, 298,
342, 843.
Sophie Charlotte, Gemahlin des Kur-
prinzen Friedrich II 252, 266 ff.,
298, 301, 308, 316, 317, 324, 328,
341, 343, 347, 392.
Sophie Doroten, Gemahlin König
Friedrich Wilhelms I. II 829, 845,
eoppe Zul, Semap Bönig Zei:
ophie Luiſe, madin nis
rid I. II 381, 387,
Soubife, jog von fr 8 95, 102.
Souded, General de II 58, 59.
Soult, Rarfgall III 451.
Spaen, General II 161, 226, 230,
240, 241.
Spandau 1131, 145, 150, 211, 212,
230, 244, 329, 353, 354, 356, 374,
8384, 394, 400, 401, 405, 407, 409,
413, 417. 1141, 207, 213, 301, 336.
II 143, 402, 480. TV 35, 98, 811.
Sparr, Hofmarſchall I 238.
Sparr, General Dito Chr. von I 448.
2, 15, Fr 28, 29, 48, 58, 102.
Speier mı
Spener, Berk, Jakob II 819.
Speratus I
Sri, —3* von Köln Graf IV
Spieimamn. I otöetreitr von III
» 284, 310.
Spinola, fpan. General I 810, 319.
Spinoza II 402.
Spiring, Abraham I 388, 389.
Split, Dorf II 236.
Sort, Felbmarigalleutnant Freiherr
on II
Spofetti, Berboni bi IV 185.
Stabe II 226.
Stadion, at Philipp III 866, 867.
IV 43, 44.
Stägemann, Geheimrat III 429. IV 78,
80, 120, 125, 151, 157.
Stahl, Profeſſor F. 3. IV 202, 206.
Stalhans, ſchwediſcher Oberſt I 394.
Stargard I 114, 116.
Starhemberg, Graf II 70, 72.
Starfenderg I 39.
Staßfurt I 116.
Staupig, Johann von I 198.
Staupig, poln. Gefandter, Oberft 1238.
Stavenhagen, Abgeordneter IV 375.
Steigente 6), öfterr. General III 487.
vı
Stein, % "Freier von III 380, 390,
392, 402, 404, 407, 408, 412, 415,
428 ff. 440 ff, 445 ff., 453, 456 fi,
474, 476 fi., 481. IV 1,12, 19, 22,
24, 26, 52, 54, 69, 81, 85, 86, 93,
110, 118 ff., 187, 157, 165, 175,
202, 218.
Stein, Abgeordneter IV 264.
Steinau I 359, 361, 368.
Steinafurth II 398.
Stellmader, Sefretär Johann I 899.
Stenbot, fümeb. General II 18, 38.
Stendal 1 115, 116, 176, 192, 201,
355, 408. II 218.
Stengel, Geſchichtsſchreiber ©. 9. 14.
Stenzler, Profeffor IV 175.
Stephan, Bifhof von Lebus I 120.
Stephanswert II 142.
Sternberg, Sogmeiter Michael Rüde
meifter von 1 92, 98.
Sternberg, Sdento von I 157.
Stettin * 151, 158, 168, 288, 343,
381, 414, 415, 419, 438. II 6, 9,
34, 50, 58, 60, 226, 227, 229, 231,
242, 252, 271, 367 fi., 376, 878.
III 110, 122, 426, 452 ff, 457,
461, 473, 481. IV 35, 52, 84, 411.
Stieber, Dr. IV 311, 317, 368.
Stiehl, A. W. F. IV 328.
Stobäus, Rapellmeifter Johann II 113.
Stodhaufen, Kriegsminifter von IV
299, 302.
Stodholm I 409,407, 414, 481, 492,
447. 1I 195,
Siolden, Besierungöpeöfient Graf
*1
lab. Riseräfent des Minifter
riums Dito Graf zu IV 472.
Stoip I 117. II 172.
Stordom I 297, 361. IV 22.
Stofh, Hofprebiger Bartholomäus
IT 114, 183.
Stourdza, ruf. Staatsrat IV 91, 98.
Strafford, Minifter König Karls J. von
England IV 383.
520
Straffund I 117. II 50, 59, 226,
233, 239, 42, 371, 872.
Stradburg in der Mark I 417.
Strasburg (Weftpreußen) II 211.
Straßburg im nee 1264, 265, 282,
II 190, 191, 194,
106, 10 199, &. 247, 280. III 840.
Pre Ehriftoph von der I 219.
Stratmann, pfalzneuburgifh. Staats:
rat IT 164 ff., 175.
Stratner, —8 I 207, 208, 211, 214.
Straubing Johann von III 181.
Strauß, Bavid Friedrich IV 186.
Strauß, Hofprebiger IV 325.
Striegau III 38.
Strietberg, Bifhof Heinrid) von I 58.
Strotha, Generalmajor von IV 269.
Struenfee, Minifter von III 318.
m I 348.
Stup .
Stuler, Kaplan Peter I 317.
Stutternheim, öfter. General Graf
III 425.
Stuttgart III 194. IV 152.
Süptig III 115.
Siüvern, Profeffor Johann Wilhelm
III 446, 465, 471. IV 80, 120.
Sulzer III 58.
Sumorom, ruff. General III 360.
&Svarez, Jurift III 281, 266, 849,
352. IV 173.
Smwantibor, Herzog von Pommern I
181, 132.
Swaniopolk, Herzog von Pommerellen
151 ff., 60 ff
Smieten, 2eibarzt van III 164, 177.
Sybel, Heinrich von IV 374.
Syburg, Regiment von III 124.
Sybow, Anna I 242.
Sydom, Zeugmeifter Michael Dietrich
2.
1 24:
Syn, Reichsfreiherr Andreas von
onen, Kommandant von Berlin, von
360.
Sohn, Abgeordneter, Prediger IV
261, 324, 466.
Sydow, Gefandter von IV 398.
T.
Taglioni, Tänzerin IV 161.
Talleyrand, franz. Minifter des Aeuße⸗
ten III 362, 369, 374, 386, 415.
1V 68, 69.
Namenverzeihnis.
Tangermünde I 112, 184, we, 178
182, 251, 855, 408, 429, 460. 3
108, 113.
Zannenberg I 87 ff. II 30.
Tapiau II 14.
Targowicze III 305.
Tarnom II 222.
Tauengien, General Graf von III 388,
396, 398, 482. IV 50, 51, 168.
Tauroggen IV 8, 9, 14, 82, 85.
Taris f. Thurn.
Temme, Appellationdgerichtöbireltor
IV 318.
Templin I 117, 417, 419.
Tentitten I 41.
Xeplig IV 93, 130, 181, 858, 367.
Zeichen III 88, 191.
Tettenborn, ruſſiſcher General IV 33.
Tegel, Dominifanermönd I 190, 191.
Zeupig I 158.
Therweften, Hofmaler Buguftin 11817.
Thielmann, fachſ. General von IV 88.
Zhier ters, Drdensmarſchall Konrad von
157.
Thiers I 24. IV 208.
Thile, Major von IV 14, 16.
Zhile, Minifter General von IV 208,
205, 227.
Thomas, Matthias I 208.
Thomafius, Chriftian II 818, 346.
<horn I 47 ff. 67, 78, 82, 86, 90 ff.,
96 ff., 100, 189. IT 11 ff, 55, 59,
379. III 159, 165, 168, 275, 276,
280, 282, 289, 294 ff., 312, 412,
413, 472. IV 68, 78.
Thugut, öfterr. Minifter Baron Franz
von III 164, 188, 190, 310, 825.
Thulemeier, Geheimrat II 353.
Thun, öfterr. Minifter Graf IV 294.
zum, Matthias Graf von I 848,
zhuen, Furſt von II 112.
Tilly, faiferliher Generaliffimus I
344, 356.
1, 347, , 356.
Tilſit 11108, 296. III 419, 420, 422,
425, 429, 450, 452, 459, 464, 481.
IV 9 fi., 16, 39.
Zönningen II 58, 870.
Tolly, ruff. General Barclay de IV 88.
Xorgau III 88, 110, 115, 116. [IV 85.
Zoron 1 39.
Torftenfon, ſchwediſcher General 1413,
Zottleen, xuſſiſcher General III 115.
Zournai III 27.
Romenverzeichnis.
Trachenberg IV 49.
Trautenau III 85. IV 412.
Xrebbin I 419.
Treitfchte, Semih von 19 ff., 29.
III 109. T
Treptow I 10, 63
Xreuenbriegen I 419.
Zrivent I 219, 224, 227, 228, 232.
Triebſee II 58, 226.
tier I 460, 461. II 159, 180, 191,
1m II 207. IV 187, 189, 211,
Tromp, Abmiral II 2:
Xroppau_III 19, 21, ” 36. IV 135.
Xrothe, Oberft von I 892.
Trotta, vo von I 192, 221, 224.
Troyes IV
Tſchech, —52 IV 224.
Xübingen IV 346.
Zucel II 285.
Taurtheim II 199 fi.
Turenne, franzöf. Rarſchall II 74, 151,
154, 158, 160, 162 ff., 166, 167,178,
186, 190 ff. 206.
Zurnau IV 412
Tmeften, Abgeordneter Karl IV 374,
875, 418, 422.
Torfonnel, frangöf. Gefanbter Graf
III 56.
Tyfchoppe, Mitglied ber Unterſuchungs⸗
kemmilfion gegen bie Demagogen
V 95, 105.
u
Ußden, Rinifter IV 227.
unle, Zeibjäger I 80. II 221.
Upti, Pattor IV 262.
Ulm III 188. IV 102, 207.
Ulrich, Seros von Neclenburg · Star
gard I 185.
Wrig, Fürft von Wenden I 159.
Ulrike, vrinzeſſin von Preußen III 26.
Ulrife Eleonore, Schweſter König
Karl An von Schweben II 325.
Unna II I
Unrub, $ Kon IV 259, 260, 271,
315, 368.
Upfala IV 325.
Urfinus, Geheimrat III 148.
Urfula, an des Kurfürften Albrecht
Adiles
Uscie IT I
Meran 1 I Ye, 847. II 143, 339, 866.
521
B.
Valmy III 306.
Balory, franzöſ. Gefandter III 15.
Bandamme, franzöſ. Marſchall IV 51.
Varnhagen von Enſe IV 158, 177,
221.
Barzin IV 472.
Vaubrun, Marquis de II 140 ff., 175.
Zauguion, Graf de la II 154 fi
Benel 2 163. II 18.
Venlo II 140, 142.
Verden 1197, 459. II 226, 228, 229,
367.
Bergennes, franz. Miniſter III 242.
ae, ðraf von Crequy II 144, 145,
gerona Iv 112.
Veronita, Schwefter Kurfürft Fried⸗
richs I. von Brandenburg I 138.
Verſailles III 68, 88, 157. IV 448,
451, 460.
Zierraden I 159, 166, 273. .
Biktor Emanuel, König von Jtalien
IV 409.
Billafranca IV 349.
Binde, Dierpräfient Ludwig Freiherr
von IV 120.
Binde, Georg von IV 224, 282, 248,
aim, Abgeorbneter Rubolf IV 868,
438, 459.
Bitrg, que de II 207.
voiol —3* Johannes IV 105.
Voigt3:RHek, General von IV 365.
Zoltaire III 24, 40, 57, 3 113.
Boß, Julie von III 250, 272.
Bob, Rinifter von III 404, 485. IV
135,
Voß, dee dolmeiſterin Gräfin Sophie
von III 466. IV 1, 165.
Boffem II 168, 171, "179, 204.
®.
Badau IV 52.
Wachtmeiſter, Oberft II 221.
2 jener, Redakteur der Kreugzeitung
315, 455.
Bayan II 478.
Waidot, Sohn Kynftut3 I 76.
Waldburg, Graf Truchſeß von II 359,
363.
Daher, Graf Georg Friedrich von
1449, 453 ff, I 2 fi, 12 fi., 88,
522
36, 37, 41 ff., 45, 48, 50, 51, 66,
104, 184, 211. III 196.
Waldeck, Obertribunalrat IV 258, 262,
264, 265, 267, 276, 280, 282, 368.
Waldemar II., König von Dänemark
1 114.
Waldemar IV., König von Dänemark
I 71, 78.
Waldemar der Große, Markgraf von
Brandenburg I 116 fi-
Waldemar, der falſche I 121 fi.
Waldenfels, Chriftoph von I 286.
Waldow, Barthel von I 402.
Waldow, Bernd von I 398.
Waldow, Hans non I 398.
Waldow, Biſchof von Brandenburg,
Johann von I 185.
Waidow, Sebaftian von 1387, 398, 402.
Wallenrod, Oberſt Heinrich von II 88.
Ballenftein, Herzog von Friedland I
331, 332, 339 fi., 844, 346, 347,
349, 350, 358 fi., 399. IT 233,
279.
Balwig, Johann von I 219.
Wangelin, ſchwed. Oberft von II 164,
182, 187, 192, 214, 216, 217, 229.
Bangenheim, Fräulein von II 176.
Wartotih, ſchieſiſcher Edelmann von
III 121.
Warſchau 1 28, 235, 256, 287, 292,
293, 300, 308, 328, 332, 337, 389,
891, 430. 112, 4, 10, 19, 24 ff,
29 ff., 59, 68, 69, 72, 74, 75, 81,
83, 87, 90, 94 ff., 212, 287, 291.
111 30, 64, 122, 128, 156, 159, 280,
288, 295, 317, 326, 451, 472. IV
86, 277, 295, 297, 307, 312, 859,
867, 470.
Wartenberg, Oberfämmerer Kolb von
11301, 310, 322 ff., 329,392, 834,
336, 345, 349, 354.
Wartenberg, Gräfin, Gemahlin des
Oberfämmererd II 328.
Wartenburg IV 51.
Baffelnheim II 192, 194.
Wedel, General Georg Ernft von 1386.
Medell, General von (Diktator) III 107,
108.
Wegſcheider, Profeſſor IV 185.
Wehlau II 14, 46, 50, 60, 68, 88. III
165.
BWeimann, clevefcher Kanzler II 6 ff., 52.
Weimar III 127, 398, 399. IV 53,
219.
Weingarten, Baron III 72.
Namenverzeihnis.
Weinleben, Johannes I 208, 214, 221,
227, 229.
Weißenburg IV 447.
Weibenfels IV 73.
Welder, gie, Vhilologe IV 98.
Welder, Karl IV 9
Wellington, englifher Feldmarſchall
77,79.
Weläborf III 188.
Wenzel, König I 86, 128 ff-, 136, 139.
WenzelII., König von Böhmen161,115.
Wenzel IIL, König von Böhmen I 61.
Werben 1 112, 355, 408, 429.
Werden III 370, 388, 391.
Werber, Minifter von III 258, 261.
Werle II 162.
Werner, Maler A. von IV 449.
Wernigerode I 278.
Werther, preußifher Gefandter von
IV 441, 442, 444.
Weſel 1319, 356,421. II146, 151,162,
168, 173, 179 ff., 241, 242, 897.
11128, 74, 126, 361, 369, 389, 894.
IV 68, 102, 248.
Wefenbed, Matthias I 429, 432.
Beftminfter III 69.
Weſtphalen, Minifter F. W. 9. von
IV 314, 317, 385, 338, 339.
Bette, Profeffor WM. 2. de IV 98.
eglar I 460. IV 75.
Wiborg II 370.
Bigmamı, Ergbifpof von Magdeburg
113.
BWicquefort, Agent des Großen Kurs
fürften I 443.
Wieliczta III 164, 282.
Wien I 148, 153, 241, 337, 389, 344,
347, 861, 404, 410, 429, 430, 448,
458. II 12, 38, 45, 49, 57, 59, 117,
138, 152, 159, 160, 165, 178, 184,
185, 191, 202, 205, 208, 209, 211,
212, 215, 237, 238, 243, 249, 265,
270, 292, 296, 304, 305, 310, 811,
115, 126, 150, 208, 207, 240, 241,
258, 267, 299, 302, 303, 806, 334,
Namenverzʒeichnis.
347, 358, 396, 405, 406, 412 ff.
487 fi., 458, 472.
Wiesbaden IV 436.
Wiefe, Geheimerat 2. IV 8°
Wiebnonil, Fürft Micjael m 94, 140,
Bilgelm I., König von Preußen, beut:
fer Raifer I 27. IV 70, 159, 188,
170, 333—489.
Wilheim, Prinz von Preußen, Bruder
König griedrich Wilfelms II. III
453, 455, 456, 458, 460 fi.
Wilhelm von Schengoten, Ersbifchof
von Rige I
Mihelm, —8 von Selen 11268.
Wilhelm I. von Holland I 35.
Wilhelm IT. von Holland 1447. II 4.
Wilhelm III. von mien II 138, 160,
183, 196, 209, 211, 231, 232, 263,
a 275, 292, 295, 296, 802, 805,
Biken V. von Holland III 270.
Wilhelm, Herzog von Jülich und Eleve
109, 253, 256, 269, 294, 295.
Wilhelm, Markgraf von Meißen I 124.
Wilhelm, Herzog von Medlenburg-
Schwerin II 381.
wien Prinz von Raffau: Friesland
aim, Herzog von Sachſen I 152,
ai, König von Württemberg
Wilhelm, Sohn Herzog Karls von
jedienburg IV 162.
Wilhelm Seintig, © Sohn des Großen
Kurfürſten IT
Bilelmine, oder König Friedrich
Wilhelms I. II 341, Fr 380, 395,
am. III 56, 89, 90, 92, 94, 95, 98,
Wilbeimagöge IV 450.
Wilgelmäthal III 125.
Williſen, General von IV 257, 258.
Bilna I 76. II 10.
Wilsnad I 198, 225.
Wiltenhof, Konrad von I 47.
Wimpfen III 332.
Wimpina, Rektor Berliniperfität Frank:
furt a. D. Konrad I 191
Windifägräg, General Fürft IV 287.
Windthorft, Hannöverjher Jujſtiz⸗
minifter unb Abgeorbneter IV 429,
482.
Winkelmann III 58, 59.
523
Binnenberg I 411.
Winterfeld, Geheimerat Samuel von
1 829, 388, 341, 349, 879, 886,
398, 406, 417.
Winterfelb, General von III 75,89, 98.
Wisby I 78, 83.
wiman 1 J 58, 59, 225, 226, 252, 367,
368,
alten, ſchwediſcher Legat Salvius
Pe ® ttauer Fürft, Kynſtuts Sohn
177, 82, 85 ff., 140, 141.
Witt, holländiſcher Staatsmann Johann
de II 6, 279.
Wittenberg I 102, 192, 198 ff. 204 ff.
211, 218, 244, 247, 825, 332, 353.
11 115. III 110, 401, 402. IV 85, 90.
Wittenberg, Feldmarfgall Graf 118,9.
weit jenftein, ruſſiſcher General Fürſt
9, 10,19, 21,31, 35,36,38,41,50.
Bitgenfeln. Dbermarfhall Graf II
322 ff., 334 ff, 345, 349, 354.
Wittgenftein, Minifter Fürft von III
460, 476. IV 83, 88, 91, 93 ff.,
108, 109, 129, 185, 163, 164, 197.
Wittſtock I 244, 371. II 224, 237.
Wigel aus Niemegt, Prediger I 211.
Wigenhaufen II 158.
Bil, Fürft von Rügen 1 61 ff.,
Bit, General 3. W. von IV 81,
160, 167, 170, 172, 183.
Wladislaw von Oppeln I 85.
Mladislaus IT, Rönigvon Polen 182ff.,
139 fi.
Wladisiaus III., König von Polen I
93, 164, 166, 173, 174, 179.
Wladislaus IV., König von Polen I,
356, 388
Mladislaus, Herzog von Pommern:
Wolgaſt 119.
Vladisiaus Lokietek 1 61 ff., 116, 120.
Woberfnom, Generalmajor von III 107.
Wöllner, Minifter III 258 ff., 304,
a 318, 850, 351, 855. IV 168,
Wörtg IV 447.
Wolf, Jefuitenpater IL 320.
Mofi, Bhitofopp Chriftian III 5, 44,
58, 132.
wolfgang, Vilhelm Pfalzgraf von Neu:
burg I 501 1 ER 809 ff, 319, 821,
347, 448. II
Wolgaft I 16 Sei, 440. 11 50, 58,
226, 368, 370, 1.
524
Woltersdorf, Konſiſtorialrat III 263.
Wolterädorf, Landgut II 337.
Vormditt II 41.
Worms I 215. III 25.
Wrangel, jhwebifher General Karl
Sufar 1444. II 25, 27, 202, 206,
207, 218, 214, 216.
Wrangel, ſchwediſcher General Waldes
mar II 207, 213 ff., 217 _fi., 224.
Wrangel, Felbmarjhall Fr. 9. E. von
IV 257, 265, 271, 403, 405.
Wratislaw IV., Herzog von Pommern
168, 114, 117, 120.
Wratigtam VIIL, ‚Herzog von Pommern
183.
Wratislaw X., Herzog von Pommern:
Wolgaft I 158, 159, 163 ff.
Wrede, Feldmarſchall IV 115.
Wriggen II 213.
Wuffen, Luben von II 384, 337.
Wulffen, General von 11 228.
Dunſch, General III 110.
Würzburg II 127, 199, 207,
364. IV 354, 360.
Wufterhaufen II 376.
Wyiich, General III 111.
889,
Xanten I 320.
2.
York, Feldmarſchall Hans David Ludwig
Graf von III 253,-401, 444, 460.
Ramenverzeihnid.”
IV 2 ff., 18 ff., 26, 29 ff., 38, 835,
36, 88, 41, 50, 51, 52, 55, 57, 59,
157, 158, 202.
Ipern III 27.
Hfenburg, Prinz von III 102.
3
jabern I 264. II 192.
jaſtrow, Dberft von III 347, 402,
403, 408, 410, 415.
jechlin I 244.
dlig, Minifter von III 224, 254,
259 fi., 355, 428.
Zeblig, Polizeipräfident von IV 368.
Se 1 213.
ehmen, Achatius von I 105, 106.
Eee Mardefe I 188.
jeven III 93, 160.
Biegler, Oberbürgermeifter IV 318.
Biejar I 198.
Bieten, General Hans Joachim von
II 14, 116.
Zingendorf II 358.
Zittau III 94.
Anaim III 473.
‚öllner, Hofprebiger III 250.
jornborf III 103.
offen I 394.
ſchillen I 97.
ülihau, 207.
jütphen II 148.
umpt IV 178.
ostzeso, Google