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Full text of "Preussische geschichte"

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X 
347 
— 


— ——— 











Pieusirte Geitiite 


Sans Prus 


Vierter Band 


Preußens Auffeigen zur deutſchen Vormacht 
(18121888) 


Sfuffgart und Berlin 1902 


3.6. Cotta’fhe Buchhandlung Nahfolger 
6.7.5.8. 











DL — — 





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E 


Preußifhe Geſchichte 


Hans Pruß 


Vierter Band 


Preußens Auffleigen zur deutſchen Vormacht 
(1812-1888) 





Stuttgart und Berlin 1902 


3.6. Cotta'ſche Buchhandlung Nachfolger 
6.m.5.%. 


Alle Rechte vorbehalten. 





Drud der Unlon Deutjche Berlagsgefelliaft in Etutigart. 


Ce As - Ab mc 


Kan 
Vorwort. 


Indem ich mit dem vorliegenden vierten Bande ben 
Schluß der Preußifhen Geſchichte der Oeffentlichkeit übergebe, 
darf ih es dankbar als eine glücliche Fügung preifen, daß 
mir die Beendigung diefer Arbeit vergönnt worden ift, obgleich 
inzwiſchen ein ernftes Augenleiden mich genötigt hat, meine 
wiſſenſchaftliche Thätigkeit weſentlich einzufchränfen und ins: 
befondere dem akademiſchen Lehramt zu entjagen. 

Aber auch ohne diefe Hinderung würde ich gemäß bem 
für das ganze Werk gleih anfangs feftgeftellten Plan bei der 
Behandlung der Geſchichte der legten Jahrzehnte und nament: 
Ti) der Jahre 1866—1888 mich auf die hier gebotene Skizze 
beſchränkt haben, welche, von der Fülle der Einzelnheiten ab⸗ 
jehend, die Entwidelung Preußens nur in den Hauptlinien 
verfolgt. Es war nicht bloß die Rüdfiht auf das fonft un- 
vermeidliche Anwachſen des Bandes zu allzugroßer Stärke, 
was mid) dazu beftimmt hat, fondern vor allem die Weber: 
zeugung, daß die Zeit noch nicht gefommen ift, wo diefe Dinge 
wirklich ohne jede vorgefaßte Meinung mit voller Objekfivität 
behandelt werden können, zumal mit der Erſchließung der dazu 
unentbehrlihen Duellen in unferen Tagen doc eigentlich erft 
der Anfang gemacht wird. 

Im übrigen darf ich auch an dieſer Stelle der freudigen 
Genugthuung Ausdrud geben über die wohlmollende Aufnahme, 
welche diefer Verſuch einer zufammenfafienden Darftellung der 
Preußiſchen Geſchichte in weiteren Kreifen gefunden hat. Der 
Schwierigkeiten, welche fi) dabei einem nad) allen Seiten hin 
befriedigenden Gelingen entgegenftellen, bin ich mir von vorn= 


IV Vorwort, 


herein vollauf bewußt geweſen, habe es daher auch nicht anders 
erwartet, als daß berfelbe nicht bloß in Einzelheiten Be— 
rihtigungen und Ergänzungen hervorrufen, fondern auch prin- 
zipielle Anfechtung erfahren würde, namentlich hinſichtlich des 
allgemeinen Standpunftes, von dem ich dabei ausgegangen bin, 
und der Tendenz, die ich dabei verfolgt Habe. Doch habe ich 
mich des Einen freuen dürfen, daß auch von den Gegnern ber 
von mir vertretenen Richtung, welche, wie ich ſehr wohl weiß, 
mit der zur Zeit bejonders begünftigten und vorherrſchenden 
teineswegs im Einklang fteht, die Reblichleit meines Strebens 
und ber Freimut in ber Vertretung meiner Anſichten anerkannt 
worden find. So darf ih hoffen, das Bud) werde auch weiter 
bin anregend und belehrend wirken und dadurch mittelbar auch 
die große Sache des Vaterlandes an feinem Teil fördern, ber 
ich damit vor allem nad Kräften habe dienen wollen. 


Münden im Juli 1902. 


Bans Pruh, 


Inhalt des vierten Bandes. 


Erfies Bud. Der Freißeitskampf und feine Enttäufgun- 
gen. 1812—1815 . . . 
I. Die Erhebung von Heer und Boll. November 1812 
bis Februar 1813... 
II. Der Freiheitskrieg von 1813. Februar bis Mai 
18318 .. 
II. Preußen im Roalitionstrieg gegen Franlreich 
1818—1814 . . 
IV. Die Enttäuſchungen des Friedens und des Wiener 
Kongreſſes. 1814—1815 . 


Zweites Bud. Der Bau des Eiuheitsſtaates trotz Be 
Hauration und eaktion. 1815—1834 . . . 
I. Der Sieg der Reaktion. 1815-1819 . . . 
I. Im Dienfte der Metternihihen Reaktion. 1819 
bis 1834 . B 
IH. Die Schwankungen der Verfaffungsfrage. 1815 
bis 1823 
IV. Die neue Zoe, Finang und Sieuerordnung und 
die Anfänge des Zollvereind. 1817—1834 . 


Prittes Bud. Au der Wende der Zeiten. 1834—1847 
I. Reaftionäres Stillleben. 1830—1840 
II. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 1815 
bis 1840... 
IH. Die Anfänge Friedrich Wilhelm w. 1840 _ 1844 
IV. Verfafjungserperimente. 1840—1847 . 


Wertes Bud. Revolution und Meaktion. 1848—1858 
I. Die Märztage 1848 
I. Die fonftituierende Nationalverfammlung und. die 
Bertefungbotiopierung. Ami 1848 biß is Jenua 
19 .. 


22— 40 


41— 58 


59— 77 


78—155 


78— 96 


97—117 


118—137 


188—155 
186—235 
156—176 


177-194 
195—212 
213—235 
236—332 
236—254 


255—274 


vI Inhalt. 


II. Die Entftehung der Verfafjung und das Scheitern 
in ber deutfhen Frage. 1848-1852. . . 
IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 1851—1858 . 


Hüuftes Bud. Die neue Aera und der — 1868 
Bis 1866 . .. . 
I. Die neue Xera. 1857—1859° —1P 
I. Die deutſche Frage und die Sereamorgnfaton 
1857—1862 . . 
IH. Der Konflitt. 1861-1864 .. 
IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 18641866 A 
Sehftes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 1866—1888 . 
I. Die Errihtung des Norddeutſchen Bundes. 1866 
II. Die Erwerbung des Kaifertums. 1867—1871 
II. Im neuen Reid. 1871—1883 . 
IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt und bie Anı 
fänge des fozialen Königtums. 1878—1888 


Namenverzeihnis zu Band I—IV 


Seite 


275—304 
305—832 


333 —416 
338—350 


351-871 
372—8392 
398—416 
47 489 
417—482 
483—450 
451—468 


469489 
49054 


Erfies Bu. 


Der Freiheitskampf und feine 
Enttäufchungen. 
1812-1815. 


I. Die Erhebung von Beer und Bolk, 
Bovember 1812 bis Hebruar 1813. 


Auch im Leben der Völker fpielt was man Glüd nennt 
eine Rolle. Das erfuhr Preußen 1812. Nur des von Stein 
beratenen Zaren Ausharren und bie Kataſtrophe der großen 
Armee boten ihm die Möglichfeit, das 1811 Verſäumte nach⸗ 
zuholen. Faſt wäre fie unbenugt geblieben, hätten nicht Heer 
und Volk gehandelt und dem König ben Freiheitskampf aufe 
genötigt. Diefe Wahrheit, nahmals möglichſt verfchleiert, hat 
erft die Forſchung unferer Tage feitgeftellt. Sie zerftörte auch 
die Fiktion, ala ob die Männer, die 1812 Preußen Franf- 
reich dienftbar machten, einen rettenden Zwiſchenfall fiher er- 
wartet und das ruſſiſche Strafgeriht vorahnend in den Kreis 
ihrer Berechnung gezagen hätten. 

Das Bündnis vom 24. Februar 1812 war von feinen 
eifrigften Förderern, nad) Gneifenau einem kindiſch gewordenen 
Feldmarſchall — Kalkreutd —, einem alten Weib von üblem 
Ruf — der Gräfin Voß —, einem durch Stupibität ausgezeich- 
neten General — Ködrig — und einem Hofpfaffen und zu= 
gleich Hoffchrangen — Ancillon, völlig ernft gemeint. Wohl 
könne, tröftete ſich auch jegt der Optimift Hardenberg, ber 
Wechſel der Begebenheiten ungeahnte Hilfsmittel bringen; 


nachdem aber bie franzöfifhe Partei ergriffen fei, darfe nichts 
Vrud. Preubijce Ge ſqicu. IV. 


2 Erfte Bud. Der Freiheitäfampf und feine Enttäufhungen. 


halb geſchehen: „Gefühle müffen ſchweigen und einmal als not= 
wendig anerfannte Grundfäge allein die Richtf nur angeben.“ 
General v. Grawert forderte gar, „freimütig, abfolut, ohne 
Rudhalt, auf Tod und Leben” müſſe man nun zu Frankreich 
fliehen. Der Hof behagte ſich in der rettenden Dienftbarkeit, 
durch bie der König Preußens und feines Haufes Eriftenz end» 
lich gefihert glaubte. Zwar Fam es ihm ſchwer an (Ende 
Mai) dem Imperator in Dresden auch huldigen zu müflen. 
Er war außer fi, als nachher Pillau, das nah Scharnhorft 
unentbehrlih war für Preußens Dafein, franzöſiſche Befagung 
aufnahm: aber am 18. Juni bebrohte er den unerlaubten 
Eintritt in fremde Kriegsbienfte mit Vermögenseinziehung, 
Verluft ber Orden und Chrenzeihen, ja unter Umftänden 
dem Tobe. Notoriſche Franzofenfreunde dagegen erhielten hohe 
Aemter und Orden. Der Eindrud war böfe. Und dabei war 
die Stimmung ſchon im September 1811 zum Beifpiel in 
Schleſien jo „abſcheulich“, daß man „eine andere Regierung“ 
wünfchte. 

Daß man zur Zeit mit Frankreich gehen müfle, gab auch 
Scharnhorft zu: nur dürfe barüber „das Verbienft des eigenen 
Zutrauens“ nicht verloren gehen. Während Gneifenau, ſchein⸗ 
bar ausſcheidend, in Schweden und England eine Landung in 
Deutſchland betrieb, blieb er, möglichft zurüdtretend, im Dienft, 
um zu erhalten, was er „ven guten Geift für das königliche 
Haus und für die Selbftändigfeit des Staates“ nannte, und 
im Dienft Franfreihs das Heer zum Kampf gegen Frankreich 
zu ſchulen. Eines Gewaltftreihs freilih hätte man fi jegt 
weniger als 1811 erwehren können. Damals (Bb. III, ©. 484) 
war für den Fall eines folhen York als Generalgouverneur 
von Preußen bevollmächtigt geweſen, loszuſchlagen und bie 
Nuffen herbeizurufen. Als Bivilgouverneur ſollte Schön neben 
ihn treten. Auch die Volfsbewaffnung war geplant. Noch 
im Februar 1812 Hatte ein Zufammenftoß gedroht. Auf bie 
verbächtigen Bewegungen ber Franzofen in Medlenburg und 
Shwedifh-Pommern hatte in Pommern General v. Borftell 
die Beurlaubten eingezogen und bei bem fehnell armierten 
Kolberg Stellung genommen, um zu handeln, fobald die Fran- 





I. Die Erhebung von Heer und Volk. 3 


zoſen die Smwine überfchritten, als der Vertrag vom 24. Februar 
alles friedlich wandte, 

Run wurde York, weil „die gegenwärtigen Umftände ihn 
darin zu belafjen nicht geftatteten“, ım April bes Gouverne- 
ments enthoben. Jene Vollmacht gab er zurüd. Auf Empfeh- 
lung Scharnhorfts wurbe er zum zweiten Befehlshaber des nad 
Rußland beftimmten Corps befigniert. Sollte er jene Fäden 
wieder aufnehmen? „Politiſche Winke“ Harbenbergs verrieten, 
wenn nicht Einverftändnis mit Rußland, fo doch Kenntnis 
feiner Pläne und den Wunſch, fid ihnen anzupafien. Aehnliches 
kam von anderer Seite. York bat, fo wichtige Befehle möge 
der König geruhen, ihm felbft zu geben. Was unmittelbar 
das Armeekommando und bie Kriegsvorbereitungen betraf, auch 
die Dispofition über die Feftungen entzog man ihm. Geſchah 
das, weil oder obgleich er eben einen Verſuch ber Franzofen 
auf Pilau vereitelt hatte? Im Befehl über das Hilfscorps 
mußte er Grawert nachftehen. Den mwünfchte Napoleon: fo 
ſah man über Alter und Kränklichfeit hinweg. Oder mollte 
man nur auf einem Ummege doch York in das Kommando 
bringen? Seit dem 13. Auguft hat er e& flatt des leidenden 
Grawert geführt. 

— Die 20 000 Mann und 60 Gejhüge ſollten möglichit bei⸗ 
ſammen bleiben und zunächſt die preußiſche Grenze decken. 
Nur drei Reiterregimenter wurden abgegeben. Das Gros ge 
hörte als 27. Divifion zu dem 10. Corps der Großen Armee 
unter Macdonald. Aus Teilen fait aller Regimenter zufammens 
gefegt, ſtellte es gewiſſermaßen die Armee in ihrer neuen Eins 
teilung und Ausbildung dar: in ihm follte fie ihre erfte Feuers 
probe beftehen. Frankreich zu dienen fam ben Truppen freilich 
hart an: baß fie ihre Pflicht thaten, bewies ihren militäriſchen 
Geift. Aber ſchweigend fanden fie am 20. Juni bei Inſter⸗ 
burg vor dem Kaifer in Parade, ſchwiegen bei feinem Lob, 
das fie feinen Garden als Mufter hinſtellte. Beim Weber 
foreiten ber Grenze dagegen (28. Juni) hielt der fonft fo 
wortlarge York eine Anſprache, bie der franzöfiihen Waffen» 
genofienfchaft nicht gedachte und mit einem jubelnd aufgenom- 
menen Hod allein auf den König ſchloß. Wie hätten fie auch 


4 Erfte Bud. Der Freiheitslampf und feine Enttäufgungen. 


mit ben Peinigern ihres Vaterlandes fympathifieren follen! 
In Oftpreußen hatte 1811 Mißwachs einen unerhörten Not- 
fand erzeugt. Und num mußte es 340000 Mann wochenlang 
ernähren und dann mit Proviant auf 20 Tage verfehen. Sein 
Viehftand wurde ruiniert, feine Saaten abgemäht. Dann 
galt es bie Magazine zu füllen und die Lazarette auszuftatten. 
Manchen Bürger und Bauer bradte die Einquartierung an 
den Bettelftab. An Vorſchuſſen für die Unterhaltung ber 
fremden Armee leiftete ber Staat 2900000 Thaler; mehr 
als das Doppelte hatten Private für Lieferungen zu fordern. 
Und babei verfuchte bie Regierung bie durch Edikt vom 24. Mai 
eingeführte Vermögensfteuer auch in Oftpreußen einzuheben! 

Schwerer als irgendwo empfand man bort ben Fluch bes 
franzöfifden Bünbnifies. Größer als irgendwo war bort ber 
Haß gegen bie Blutfauger und ber Unmut über bie eigene 
Regierung. Daher wirkte bort auch zündender als irgendwo 
der Hoffnungsfirahl, der plögli von Rußland her aufleuchtete. 
„Die Stimmung“, ſchrieb Schön am 15. November, „iſt fo, 
daß nur ein Funke nötig if, um Flammen zu haben.” Man 
fühlte die Kraft zur Abwehr in fih. Mußten nit die Männer, 
die 1811 im Geheimnis geweſen, jest die Zeit zum Handeln 
gelommen glauben? Damals hatte York Vollmacht gehabt, in 
allen umvorhergefehenen Fälen nah feiner Einfit alle zum 
Wohl des Staates ihm notwendig erjcheinenden Schritte zu 
thun. So hatte ihm im Auftrage bes Königs, ber feit Ans 
fang des Jahres 1812 vermied, militäriſch-politiſche Inſtruk- 
tionen ſelbſt zu geben, Boyen wieberholt geſchrieben. Konnte, 
durfte man bem König jegt eine anbere Denkweiſe, andere 
Abfihten zutrauen? 

Die Hoffnung der Patrioten, eine engliſch-ſchwediſche 
Landung in Rolberg werde das Signal zur Erhebung geben, 
blieb unerfüllt. So beruhte alles auf dem Yorkſchen Corps. 
Diefes bewährte ſich glänzend. Auf dem äußerften linken Flügel 
der Großen Armee, beftimmt, deren Flanke zu deden und Riga 
zu erobern, fand es zwar nicht Gelegenheit, Großes zu leiften, 
machte aber in dem Lagerleben und bem aufreibenden und 
gefährlichen Vorpoftendienft unter Entbehrungen aller Art eine 


I. Die Erhebung von Heer und Bolt. 5 


Säule durch, bie bei feiner Zufammenfegung dem ganzen 
Heere zu gute fam. Erſtaunlich war ber Wandel gegen 1806. 
Macbonald war vol Lobes: mit jebem Tage, erklärte er, 
fleige feine Adtung vor ben Preußen. Yorks Führung ge 
warn feine höchfte Anerkennung. Eigen aber blieb das Ber» 
bältnis zu den Ruſſen. Auf Befehl des Königs, ber fo lange 
wie möglih nur einen Scheinkrieg führen wollte, wurbe mit 
ihnen unterhanbelt über eine Demarkationslinie zwiſchen ben 
Vorpoften, um unnüges Blutvergießen zu vermeiden, und Aus—⸗ 
wechſelung ber Gefangenen. Um nicht Mißtrauen zu erweden, 
brach jedoch York den Verkehr ab, hielt fi aber den Frans 
zofen dauernd möglichft fern. Die Rufen erwarteten feinen 
Mebertritt: auf bie Kunde von Napoleons Rüdzug lud der in 
Riga befehligende General v. Eſſen ihn am 2. November ein, 
Macbonald gefangen zu nehmen. Er antwortete nicht, berichtete 
aber nad Berlin. Am 14. November wieberholte General 
Paulucci, der Efien erfegt hatte, ben Antrag: Napoleons Lage 
made Preußen zum Schiedsrichter Europas, York zum Befreier 
Preußens: vereinige er fi mit ihm ober überlaſſe body die 
Franzoſen ihrem Schidfal, fo erwerbe er den Ruhm La Romanas, 
der 1809 die von Napoleon nad) dem Norben verfchleppte 
fpanifhe Armee auf engliihen Schiffen in bie Heimat geführt 
hatte. York wich aus: er wollte Beit gewinnen. Eben war 
fein Verhältnis zu Macbonald ernſtlich getrübt. Beſchwerden 
über Unordnung in ber Verpflegung, unter ber feine Truppen 
litten, wies jener erft als angeblich unbegründet zurüd und 
erwiberte fie dann mit Verbächtigungen. Offenbar wollte er 
York wegbeigen, um das preußifhe Corps ganz in die Hand 
zu befommen. 

Wenigftens zeitweife wünfchte daher York das Kommando 
abzugeben, zumal das bringendere Werben ber Ruſſen feine 
Verlegenheit fleigerte. Wenn er Paulucci am 30. November 
antwortete, nie werde er bas heilige Interefje von König und 
Vaterland durch eine eigenmächtige oder übereilte Handlung 
gefährben, den Vergleich mit La Romana aber ablehnte, weil 
der doch gewußt habe, was fein Vaterland von benen zu er- 
warten babe, denen er fih anſchloß, fo bezeichnete er bamit 


6 Erſtes Bud. Der Freiheitätampf und feine Enttäufgungen. 


die beiden Punkte, wo er zunächſt Mar ſehen wollte. Wie 
dachte der König? Was wollte Rußland für Preußen thun? 
Paulucci verftand ihn: er bat den Zaren um eine bie zweite 
Frage beantwortende Mitteilung an den König und eine Voll- 
macht zu weiteren Unterhanblungen. York aber ſchlug er ben 
Abſchluß eines Traftates vor: denn der Zar wolle bie Freiheit 
aller Nationen. Auch hatte diefer den Dienft ſuchend bei ihm 
eingetroffenen Oberft v. Boyen bereits mit einem vertraulichen 
Schreiben zurückgeſchickt, um den König zu befhwören, bieje 
von der Vorfehung gebotene Gelegenheit zur Wiebergewinnung 
feiner Selbftändigfeit zu benugen. York ſuchte eine Frift nach, 
aber er ſchrieb doch: „Der Zeitpunkt, wo dieſer Staat im 
ganzen und unter einem Willen wirken muß, Tann, darf und 
wird nicht verzögert werben.“ Inzwiſchen verfchlimmerte der 
harte Winter die Lage der Franzofen heillos. Der Anmarſch 
der ruffiihen Donauarmee unter Wittgenftein, der ebenfalls 
mit York anfnüpfte, drohte ihnen den Untergang. Dennoch 
blieb Machonald noch unthätig. Um fo verantwortlicher fühlte 
fih York, als eingezogene Erfundigungen die furchtbare Wahr- 
heit enthülten, für feine 17500 Mann, den Kern des erneuten 
preußiſchen Heeres. Auch umwarb man ihn nun von der anderen 
Seite: er wurde Offizier der CEhrenlegion und erhielt als 
Dotation eine Rente von 20 000 Franken, ja, man machte ihm 
Ausfiht auf den Marſchallſtab, während Paulucci in ihn drang, 
er ſolle fih mwenigftens unthätig nah Memel zurüdziehen. 
Seine Lage wurde immer peinlicher. 

Am 5. Dezember fehidte er deshalb feinen vertrauten 
Adjutanten, Major v. Seydlig, um Inftruftionen nad Berlin. 
Was von dort verlautete, mußte ihn vollends verwirren: man 
unterhandele mit Defterreih; die von Napoleon verlangte Ver- 
ſtärkung des Hilfscorps fei abgelehnt ; Bülow folle die Beurlaubten 
und Krümper Oft: und Weftpreußens in Graubenz einkleiben, 
er ſelbſt Pillau zu bejegen ſuchen und nad) Ueberfchreitung ber 
Grenze wieder ala Gouverneur von Preußen für die Sicher- 
heit ber Provinz forgen. War das eine Erneuerung der Volle 
macht von 1811? Blieb er nod an Machonalds Befehl ges 
bunden? Seit Mitte Dezember fannte man in Berlin bas 





I. Die Erhebung von Heer und Boll, 7 


Schidjal der Großen Armee. Nun verlangte der heimeilende 
Napoleon die Erhöhung des Hilfscorps gar auf 30 000 Mann 
— ohne jede Gegenleiftung. Gewiß wäre die richtige Antwort 
darauf bie Kriegserflärung gewejen. War man doch Rußlands 
bereits fie. Schon am 2. Dftober hatte Fürft Lieven im 
Auftrage des Zaren an Hardenberg gefchrieben, auch Defterreih 
und Preußen follten wieder felbftändige Staaten werben, und 
ſchnellen Anſchluß und entiprehende Vollmacht für York vers 
langt. Ohne Defterreih, antwortete ber König, könne er nichts 
thun; mit ihm wolle er alles wagen, Die Entſcheidung lag 
aljo in Wien. Was aber war dort zu erwarten? Zwar wies 
Metternich, indem er Defterreihs Vermittelung in Ausficht 
ftelte, auf die drohende Haltung der unerträglich belafteten 
Zölfer hin: fie zu entfefleln, lag ihm fern. So machte auch 
Kabinettsrat Albrecht in einer Denkſchrift vom 17. Dezember 
jede Altion Preußens abhängig von der Mitwirkung Defter- 
reichs und Rußlands. Nur traute ber König beiden nicht und 
bielt, ohne Glauben an fein Volt, Preußen nicht für fähig, 
etwas Entſcheidendes zu leiften. Dagegen wollte Hardenberg 
den Kampf wagen, fobald man ſicher war, Oeſterreich wenigftens 
nicht gegen fi zu haben. Ober follte man Napoleon unter« 
fügen, um durch ein Stüd Polen belohnt zu werben? Jeder 
ruſſiſch⸗franzöſiſche Konflikt, meinte der Staatslanzler, werde 
unmöglich durch die Erhebung Friedrih Wilhelms zum König 
von Polen. 

Kleiner hat kaum je ein großer Moment eine Regierung 
gefunden. Gerade das geſchah nit, wonach aller Patrioten 
Herzen brannten, der fofortige Anſchluß an Rußland und ber 
Appell an die erwachende Kraft bes Volles. Längft war ber 
Fribericianifhe Staat dahin: das fribericianifche Vorurteil 
gegen bie Selbftthätigfeit des Volkes beftand unverändert. 
Dieſe nicht auffommen zu laffen, galt für wichtiger als bie 
Abfüttelung der Fremdherrſchaft. Im November hatte ber 
Präfident des jchlefiihen Lanbesölonomielollegiums, v. Lütt- 
wig, in einer Denkſchrift ausgeführt, auch wenn der König 
feine Selbftändigfeit aufgeben wolle, bleibe dem Volke das 
Recht auf Unabhängigkeit und die Pfliht, fie wieberzugewinnen: 


8 Erſtes Bud. Der Freiheitälampf und feine Enttäuſchungen. 


er wurde gefangen gefegt. Die Wege von Regierung und 
Volt gingen völlig auseinander. Diefes begehrte alles an bie 
Freiheit zu fegen; jene unterhandelte mit Deſterreich über eine 
Vermittelung etwa auf der Bafis des Luneviller Friedens, um 
erſt, wenn fie damit nicht durchdrang, zu den Waffen zu greifen. 
Auch militäriſch geſchah nichts, feit Bülow angewiefen war, 
die oftpreußifchen Beurlaubten und Krümper links von ber 
Weichfel als Neferve zu organifieren. York überließ man fi 
ſelbſt: beſtimmte Befehle erhielt er fo wenig wie eine all- 
gemeine Vollmacht. Indem man ihn weber weiter an Mac» 
donald band, nod die ruſſiſchen Anträge anzunehmen autoris 
fierte, ſchob man ihm — bewußt und abſichtlich — eine Ent- 
ſcheidung zu, die zu treffen man felbft nicht den Mut Hatte. 
Vergebens fuchte Seyblig beim Abſchied (21. Dezember) dem 
König eine Mare Aeußerung abzubringen. Nur allgemeine, 
beutbare Worte vernahm er: York möge nicht über die Schnur 
hauen, ben Umftänden gemäß handeln, vor allem aber bes 
Königs Perfon fhonen, au die Unerſchöpflichkeit der Hilfe- 
mittel bedenken, über bie Napoleons Genie verfüge. Der 
Kriegsminifter v. Hake aber gab ihm gar einen Brief mit, 
in bem er den Wunſch nad) Erhaltung des Friedens ausſprach 
und die Sammlung ber Referven ala gegen Rußland gerichtet 
bezeichnete. 

Inzwiſchen hatte auch Machonald endlich den Rückzug 
angetreten; York deckte ihn mit 8000 Mann. Die Kälte, 
Schnee und Eis und das Nachdrängen der Ruſſen machten ihn 
höchſt beſchwerlich. Zum Sammelplatz beſtimmte Macdonald 
am 24. Dezember Tauroggen nahe ber Grenze, wich aber ſelbſt 
vor bem feine Flanke bedrohenden Wittgenftein gleich bis nad) 
Tilfit und verlor jo die Verbindung mit York. Diefer ſah 
ſich am Abend des 25. bei Roltyniany den Weg durch eine 
ruſſiſche Abteilung unter Diebitſch verlegt. Er konnte fie 
durchbrechen, freilih mit Gefahr für Geihüg und Gepäd. 
Da erbat, gemäß einer allen ruffiihen Generalen gegebenen 
Weiſung, Diebitfh eine Unterredung. Sie fand am Abend 
ſtatt. Diebitſch, den ber in ruffifhe Dienfte getretene Clauſe⸗ 
wig begleitete, ſchlug einen Neutralitätsvertrag vor. Den zu 


I. Die Erhebung von Heer und Boll. 9 


rechtfertigen, fand York feine Lage noch nicht übel genug. 
Sie entſprechend zu geftalten, vereinbarte man bie Bewegungen 
für den nächſten Tag. Sehr zur Zeit lief da ein neues Schreiben 
Bauluccis vom 22. Dezember ein, dabei ein Brief des Zaren 
an Paulucci, nad dem er die Waffen nicht niederlegen wollte, 
bevor Preußen wie 1805 daftehe. Nun traf York angefihts 
feiner freubig bewegten Truppen am 26. früh nochmals mit 
Diebitih zufammen. Man einigte fi: die Ruſſen follten 
York den von Machonald befohlenen Marſch nad Tauroggen 
ermöglichen; dort endgültig abgefänitten, wollte er fi dann 
neutral erklären, um dem König das Corps zu fonfervieren. 
Ein das andeutender Bericht ging fofort nad Berlin ab. 
Habe er, erklärte York darin, bes Königs Intentionen nicht 
richtig getroffen, fo lege er ihm ohne Murten feinen alten Kopf 
zu Füßen. 

Mit den Ruffen fraternifierend, erreichte das Corps am 
29. Tauroggen. Macbonald war nicht dort. Doc erſchien, 
von den Ruſſen burchgelaflen, Seyblig — ohne bie erfehnte 
beftimmte Weifung. Ja, in einem von ihm mitgebrachten 
Schreiben bezeichnete der König feine Intereſſen noch als eng 
verbunden mit denen bes Kaiſers von Frankreich. Andererfeits 
erfuhr man bie Kapitulation Memels, die der Beſatzung unter 
ihren Offizieren in Mitau eine zuwartende Stellung anwies, 
wie York fie plante. Seydlitz hatte fie geſchloſſen, obgleich, 
wie Hardenberg behauptete, der König Kapitulationsverhand« 
lungen mit ben Ruſſen ausbrüdli verboten hatte. Dann 
fandte Wittgenftein, um des Zaren gute Abſichten zu ermeifen, 
die Proflamation ein, die er beim Einmarſch in Preußen er 
laſſen wollte. Aber auch einer der Boten Machonalde war 
durchgekommen, mit ber Meldung, York werbe in Tilfit uns 
geduldig erwartet. Damit entfiel die weſentlichſte Voraus⸗ 
ſetzung für Yorke Vorhaben. Die ſchwache ruſſiſche Sperre 
durchbrechend, Fonnte er in einem Tage in Tilfit fein: freilich 
lief dabei das Corps Gefahr und blieb beim Gelingen an bie 
Franzoſen gefettet. Vollzog er aber das am 26. mit Diebitſch 
Verabredete: war er der Zuflimmung bes Königs fiher? Und 
was wurbe, blieb fie aus? In dieſen Zweifeln rang York 


10 Erſtes Bud, Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen. 


um fo ſchwerer, ala ihm ber ideale Freiheitsfinn abging, ber 
einen Scharnhorft und Gneifenau in ähnlicher Lage beſchwingt 
haben würde. Sonft hätte er längſt gehandelt, und dann wäre 
auch Macbonald verloren, Napoleon nörblih bes Main ohne 
Feldarmee geweien und die Kampfluſt von Heer und Volk zu 
enthuſiaſtiſcher Bethätigung entfeflelt worden. Daß er dazu 
nit fähig war, drohte fein und Preußens Verhängnis zu 
werden. Eine That von höchſter politifher und nationaler 
Bedeutung ließ fi nicht in die militäriſche Schablone zwängen. 
Höcftens bot dieſe dem NKleinmut an leitender Stelle bie 
Handhabe, um den Willen der Nation aud diesmal aufzu- 
halten. 

Am Abend des 29. Dezember erſchien Claufewig nochmals 
bei York. Er zeigte ihm, daß, ſelbſt wenn er ſich durchſchlug, 
nah Wittgenfteins Dispofitionen Macdonald nicht entlommen 
könne, und legte ihm einen aufgefangenen Brief des Marſchalls 
vor, nad dem biefer durch feine und anderer Offiziere Bes 
feitigung ben Geift des preußiſchen Corps zu beſſern hoffte. 
Das entſchied. In kurzen fernigen Worten teilte York feinen 
Offizieren mit, was er vorhatte. Jubelnde Zuftimmung ante 
wortete ihm. So ſchloß er am Morgen bes 30. in der Mühle 
zu Poſcherun mit Diebitſch die Konvention, nad} der fein Corps 
bis zur Entſcheidung bes Königs ſich zwiſchen Memel, Tilfit 
und dem Haff neutral halten folte, um, blieb Preußen bei 
Frankreich, bis zum 1. März nicht gegen Rußland zu fechten. 
Sie galt auch für die bei Macdonald befindligen Truppen 
des Generals v. Maſſenbach. Auf die Kunde davon Fehrten 
dieſe am 31. von Tilfit zu York zurüd. Dem Marſchall teilten 
beide Generale ihren Entſchluß brieflih mit. Ungekränkt ent 
ließ biejer Die ala Stabswache bei ihm befindlichen preußifchen 
Reiter, froh, dank dem Zögern Yorke, mit den übrigen Truppen 
ſchnell aufbrehend zu entlommen. Noch am 30. meldete 
York das Gefchehene dem König, bereit, jebe Folge zu tragen, 
in der frohen Gewißheit, als treuer Untertban und wahrer 
Preuße gehandelt zu Haben. In einem zweiten Schreiben 
(8. Januar) befhwor er ihn im Namen der Nation, ſchnell zu 
handeln: Ieite doch augenſcheinlich die Vorſehung felbft das 





I. Die Erhebung von Heer und Bolt, 11 


große Werk. Jetzt ober nie ſei der Moment, Freiheit, Un- 
abhängigteit und Größe ohne zu große und zu blutige Opfer 
wieberzuerlangen. 

Er fühlte: rechtfertigen Fonnte ihn nur ein voller Erfolg; 
verfagte der auch nur in einem Punkte, miflang alles. Und 
fo fchien es zu fommen. Unter dem Drud biefer Sorge konnte 
York nit, wie er verheißen, dem erften Schritt alsbald den 
zweiten und britten folgen lafjen. Zweifel und Verzagen über 
tamen ihn. Nicht wie ein Helb, ber Europa befreit, erfhien 
er in Zilfit, fondern wie ein Miffethäter, der jein Urteil er 
wartete. Gab es boch felbft unter feinen Offizieren noch Fran⸗ 
zofenfreunde. Die Ruffen aber zögerten mit dem Vormarſch, 
nicht aus Rudſicht auf die Sicherheit Friedrich Wilhelms, 
fonbern weil fie zu ſchwach waren und ohne York nichts thun 
konnten. 

Aber ſchon wurde auch das Volk unruhig, und in der 
Ueberzeugung von der Notwendigkeit ſofortigen Handelns fanden 
fich die entgegengeſetzteſten Parteien zuſammen. Sie vertrat ſelbſt 
Hardenbergs Todfeind, v. Marwitz, der erbitterte Gegner ber 
Reformen. Daß in Berlin nichts geſchah, ſchob man in Oſt⸗ 
preußen auf Unkenntnis der Lage: Schön ſollte fie dem König 
durch glaubwürdige Augenzeugen ſchildern laflen. An biefen 
richteten einige Vertreter der Stände bereits am 29. Dezember 
die Bitte, den Entſchluß zu faflen, ber Befreiung von den 
bisherigen Drangjalen und Sicherheit für die Zukunft verheiße: 
Gut und Blut wollten fie daranfegen. Die Antwort (7. Januar) 
mahnte zum Vertrauen auf den guten Willen und bie Ein— 
fiht bes Königs: das erft gebe bei ber Unbekanntſchaft der 
Bittfteler mit der politifhen Lage den ausgeſprochenen Ger 
finnungen reiten Wert. Es ift bereits bie Theorie vom be« 
ſchränkten Unterthanenverftand. Konnte denn, was in Berlin 
geſchah, Vertrauen erweden? Am 30. Dezember traf bort 
dur Vermittelung Boyens (S. 6) ein Brief bes Zaren ein, 
der Preußen als Preis bes Anjchluffes den Stand von 1805 
bot, anderenfals den Verluft Oftpreußens anbrobte. So bes 
flog man, Rußland zwar ein Bündnis anzutragen, gleichzeitig 
aber in Wien durch Anefebed zu erklären, ohne Oeſterreichs 


12 Erſtes Bud. Der Freiheitslampf und feine Enttäufchungen. 


Zuftimmung werde man mit Rußland nit einmal Frieden 
fliegen. Man blieb alfo bei ber alten Unentſchiedenheit und 
Zweibeutigkeit. Auf Hardenberg freilich machte die wachſende 
Erregung des Volkes doch Eindruck: dem ausgeſprochenen Willen 
der Nation wiberfireben, meinte er, könne einen Aufruhr 
heraufbeihwören. Er veranlaßte Scharnhorft, mit Boyen, ber 
bes Zaren Abſichten kannte, in Oberfälefien heimlich zu kon⸗ 
ferieren. Danach hatte Preußen, that es nicht mit, zu fürdten, 
daß die Freiheit Europas ohne es, vielleicht auf feine Koften 
bergeftellt werde. Scharnhorft drang baher vor allem auf 
ſchnelle Rüftung: fonft könnten die bisher gebrachten Opfer 
leicht vergeblich fein, dann aber feien Nationalftolz, Gemein» 
geift und Vertrauen zur Regierung unwiederbringlich dahin: 
verleugne man auch jett die Grundfäge, die Preußen groß 
gemacht, fo drohe dem König das Schickſal Georg Wilhelms. 
Dieſer aber witterte Hinter fo mwagemutigem Patriotismus 
demokratiſche Tendenzen, die er verabfcheute, und fo entfland 
zwifchen ihm und dem NReorganifator feiner Armee eine Art 
von perfönlihem Kampf, deſſen Ausgang zeitweife fo zweifel⸗ 
haft war, daß dieſer verzagend an ben Abſchied dachte. Wenn 
am 12. Januar eine beträchtliche Vermehrung des Heeres ver⸗ 
fügt wurde, war das weber ein Sieg Scharnhorfls, noch eine 
Gewähr für den Anflug Preußens an Rußland. Die Ent« 
ſcheidung dafür fiel in Oftpreußen, wo man Scharnhorfts Ideen 
aufnahm und auf eigene Hand verwirklichte. 

Die Lage der Provinz war äußerft ſchwierig. Sollte man 
die Ruſſen als Freunde, was fie fein wollten, behandeln, oder 
als Feinde, was fie völferredhtlih waren? Scheinbar beugte 
man fi ja ruffiihem Zwange. Als aber Paulucci in Memel 
den Vertreter bes Landesheren jpielen wollte, drohte Schön 
mit einer Vollserhebung. Auch die Vollmacht des Zaren, mit 
der Stein erjhien, erregte Bedenken, fo ſehr feine Perfönlich- 
feit und Vergangenheit Mißbrauch ausſchloſſen. Man traute 
den Rufen nit und wollte fih und feine Mittel nur buch 
die geſetzlichen preußiſchen Autoritäten der Sache ber Freiheit 
bienftbar maden laſſen. So bethätigte die Bevölkerung bes 
alten Koloniallandes auch jegt lebhaftes nationales Bewußt- 





1. Die Erhebung von Heer und Bol. 13 


fein und politifches Selbſtgefühl. Solange ihr König fie nicht 
preisgab, dachte fie nicht daran, für die mittelbare franzöfifche 
Herrſchaft bie unmittelbare ruſſiſche einzutaufhen. Das führte 
zu Konflikten mit dem zu autokratiſchem Durchgreifen geneigten 
Stein. Aber den Fortgang der großen Sache hielten fie doch 
nur momentan auf: denn aud Stein wollte allein biefe. 
Nur auf die Regierung durfte man dabei nicht rechnen. 
Wohl hatte ber König, als er am 2. Januar 1813 durch Yorke 
Bericht vom 26. Dezember von dem, was bevorftand, Kunde 
erhielt, freudig die Möglichkeit erwogen, die bas bot: ent 
ſprechend gehandelt hat er nicht, wie es heißt aus Nüdficht 
auf feine perfönliche Sicherheit, die aber vor dem Einmarſch 
ber vom Main heraneilenden Divifion Grenier (15. Februar) 
nit ernftlih bedroht war. Und war denn, was man im 
Februar 1812 Hatte wagen wollen (Bd. TIL, S.484), jegt uns 
möglih? Daß ber König dem Machtbereich der Franzofen 
ſchleunigſt entzogen werben müffe, war Mar. Die gegebene 
Zuflucht war dann das thatfählih neutralifierte Schlefien. 
Auch dort regte es ſich bereits. In Freiburg tagten im Ja— 
nuar 1813 Vertreter der Stände. Wenn ein Teilnehmer an biefer 
Verfammlung berichtet, „einige eraltierte Köpfe” hätten bort 
„anfcheinend bloß den Vorſchlag“ gemacht, den König dringend 
einzuladen, nad Schlefien zu fommen und dazu eine Depu- 
tation von 40 bis 50 Ständen nad Berlin zu ſchicken, fo 
möchte man faft der Vermutung Raum geben, bie Abſichten 
der Leiter feien weiter gegangen und, wie eine mundliche 
Meberlieferung wiflen will, auf etwas wie eine Entführung bes 
Königs gerichtet gewejen. Die wohlbegründeten Bedenken ber 
Gemäßigten brachten die Sahe zu Fall. Auch Hardenberg 
fol verfucht haben, den König durch einen Fußfall zur Abreife 
nad Breslau zu beftimmen. Vergeblich: biefer dachte anders 
als früher. Einft vol Haß gegen Napoleon, ſprach er jet 
mit Zurüdhaltung, ja, gelegentlich mit Anerkennung von ihm 
und wünfchte ein ähnliches Neutralitätsverhältnis zu ihm, wie 
Defterreich gewonnen hatte. Anbererfeits aber wollte er doch 
aud die Möglichkeit nicht ganz von der Hand weiſen, bie ein 
Gelingen jener Entwürfe bot. Wieder verfuchte er aljo ein- 


14 Erſtes Bud. Der Freiheitäfampf und feine Enttäufgungen. 


ander ausſchließende Wege gleichzeitig zu verfolgen. Er ver- 
warf die ihm am 5. Januar buch Major v. Thile überbrachte 
Konvention von Tauroggen, entſetzte York und Maſſenbach des 
Kommandos, das Kleift übernehmen ſollte, und verwies fie vor 
ein Kriegsgericht. Aber während der Ueberbringer diefer Orbre, 
Major v. Nagmer, zunächſt Murat davon Meldung machen 
follte, um dann im ruffifhen Hauptquartier ein Schug: und 
Trugbünbnis anzubieten (S. 11), eilte Kapitän v. Schad gerades« 
wegs zu York, um ihn von den Aufträgen Nagmers in Kennt⸗ 
nis zu fegen und anzuweifen, wenn berfelbe wider Erwarten 
zu ihm durchdringe, folle er fi unter den Schug bes Zaren 
ftellen und feine Truppen nahe ber Grenze halten. 

Das aber hatte York bereits von fih aus gethan. Die 
Wucht der Verhältniffe nötigte den eine Zeitlang Schwankenden 
weiter vorwärts, und er wurbe nach einem Worte Schöns ein 
berrliher Diamant, ber zum hellften Glanz kommen follte. 
Ale feine Anordnungen trugen nun wieder das Gepräge von 
hoher Einfiht und Kraft. Durch General v. Kleift übermittelte 
er dem Zaren den Wunſch, unter ruffiichem Oberbefehl gegen 
die Franzoſen zu fechten. Aber fo gut diefer ben Abgefandten 
aufnahm und fo werfthätig Hilfbereit er ſich zeigte: zunächſt 
wunſchte er York noch inaktiv zu laffen, nicht aus Sorge für 
die Perfon des Königs, fondern wegen ber Schwähe feines 
eigenen Heeres. Inzwiſchen war York nach Königsberg gelommen 
(8. Januar), das die Franzofen in der Naht vom 4. zum 
5. Januar verlaffen hatten, unmittelbar abgelöft von den Ruffen. 
Des Zaren Adjutant, Fürft Dolgorudi, fand ihn (14. Januar) 
trog beunruhigender Gerüchte aus Berlin wieder kühn ent⸗ 
ſchloſſen. Der Situation entiprehend wuchs er mit feinen 
Hweden. Wie ein Infpirierter erſchien er Dolgorudi, als er 
ihm barlegte, fein Ziel fei die Erhebung ber ganzen Nation, 
Temporifieren fei jet unmöglich; noch hoffe er auf einen kräf⸗ 
tigen Entſchluß des Königs: aber jelbft wenn der in die Ge 
walt der Franzofen falle, fei nichts verloren, ein Prinz könne 
den Befehl übernehmen, und alle, jelbft Frauen und Kinder, 
würden die Waffen ergreifen. Aehnlich dachten die anderen 
Befehlshaber. Kleiſt follte gedroht haben, Nagmer zu vers 


I. Die Erhebung von Heer und Boll. 15 


haften. Trotz alten perfönliden Grols trat Bülow auf bie 
erfte Aufforderung York bei, um im Notfall bie Bande des 
Gehorfams zu zerreißen und auf eigene Hand ben Krieg zu 
führen, den Armee und Volt wollten. Borftell freilich lehnte 
Bulows Aufforderung zum Anſchluß ab und machte dem König 
davon Mitteilung, erklärte ihm aber zugleich, er fei der eigenen 
Soldaten nit fiher, falls bie erbitterte Bevölkerung ſich jenen 
anſchlöſſe, und beſchwor ihn, nicht mehr burch Verhandlungen, 
fondern mit den Waffen fein Recht von Frankreich zu fordern. 

Die mobile Armee ging alfo ihren eigenen Weg. Und 
ähnlich handelte das Volk, zunächft in Oftpreußen. Einft, in 
ben Seiten ber vielgepriefenen Xibertät, erbitterte Gegner bes 
erftarfenden Fürftentums, dann engherzige Borkämpfer ihrer 
Stanbesprivilegien, waren die Stände bes Landes, neuerdings 
teorganifiert und durch Vertreter auch des alten einheimijchen 
freien Bauernftanbes der Kölmer ergänzt, wirkli ein Organ 
für die Vertretung ber Landesintereffen geworben. Den Hohen. 
zollern treu ergeben, bewahrten fie der Geſchichte ihres Landes 
entſprechend doch auch ein lebhaftes Selbfigefühl und das Bes 
wußtfein der eigenen Kraft. Mehrfach hatten fie in den legten 
ſchweren Zeiten als „Vertreter der preußifchen Nation“ ber 
Regierung Hilfreich zur Seite geftanden. Aus ihren Reihen er: 
ging am 11. Januar an ben König bie Bitte, den Untergang 
des ruhmmürbigen preußiihen Namens zu verhüten und durch 
einen vettenben Entſchluß zu hindern, daß das an ber Grenze 
fiehende fremde Heer, in der Hoffnung auf einen Alliierten 
getäufät, fih an ihnen räde, Deutſchland feinem Schichſal 
überlaffe oder gar nur eine militärifhe Grenze für ſich zu ge» 
winnen ſuche. Kein Opfer fei ihnen zu groß, um Ehre und 
Gläd, die fie von ihren Vätern überlommen, auf ihre Kinder 
vererben zu fönnen. Als der Zar (19. Januar) zu Lyk preu⸗ 
ßiſches Gebiet betrat, ließen fie ihn bemilllommnen und um 
Schonung bes Landes bitten. Daß er nicht als Feind Fam, 
wußte mar. Auch waren bie leitenden Perſönlichkeiten bereits 
darin einig, daß die Situation ein Zufammenwirken der Rufen 
und Yorks gebieteriſch fordere, es baher gelte, des letzteren 
Corps neu auszurüften und möglichft zu vervielfältigen. Wie 


16 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufgungen. 


das zu gefchehen habe, war fon Anfang Januar zwiſchen 
York und Schön in Tilfit erwogen worden in Anlehnung an 
das 1811 Geplante (S. 2. Des Zaren Bedenken beihwichtigte 
die Mitteilung der dur v. Schad überbrachten Botſchaft des 
Königs an York: am 20. Januar nahm er defien Anerbieten 
zur Kooperation an. Am 21. befahl York feinem Corps, am 
24. den Mari auf Elbing anzutreten. Als Parole, Loſung 
und Feldgeſchrei gab er: Roßbach, Friedrich, frei! 

Auch in Berlin famen bie Dinge nun endlih in Fluß: 
nur blieb die einzufhlagende Richtung noch immer zweifelhaft. 
Am 19. Januar hatten bie Zeitungen bie Dekrete gegen York 
und Maſſenbach gebracht. In ber folgenden Nacht aber kehrte 
Nagmer zurüd mit günftigen Erklärungen bes Zaren. Am 
20. verfügte darauf ein Erlaß die Ausgabe von zehn Millionen 
Thalern in Treforiheinen mit Zwangskurs. Am 23. verliek 
der König Potsdam — indem er liftig den Schein einer Bes 
drohung durch die Franzofen erregte, vermochte ihn Harden⸗ 
berg endlich dazu — und traf am 25. in Breslau ein. Bon 
ihm gejandt, erſchien am 26. in Königsberg Major v. Thile: 
er überbrachte die Genehmigung bes von York Gelhanen und 
alles jonft Gefchehenen. Tags darauf erflärte York durch bie 
Königsberger Zeitung, ein Befehl zur Abgabe des Kommandos 
an Kleiſt, von dem die Rebe ging, fei ihm nicht zugelommen: 
ex bleibe auf feinem Poften. Nur zum Kriege war ber König 
doch trog alledem noch nicht entſchloſſen: durch Krufemarf und 
Beguelin warb er vielmehr in Paris um fofortige Erftattung 
der Hälfte der geleifteten Vorſchuſſe. Hätte Napoleon bieje 
beſcheidene Forberung bewilligt: er wäre wohl neutral geblieben. 
Er wäre fein Berbündeter geblieben, hätte er ihm großen 
Sanberwerb geboten. Denn nur im Bunde mit Defterreidh 
und Rußland ſchien ihm der Kampf mit dem Unüberwindlichen 
nicht ganz ausſichtslos. In Wien aber hielt man Nnejebed 
mit leeren Worten hin, und Rußland allein wollte er fi} erft 
anſchließen, wenn deſſen Heere an der Ober fanden und ihm 
feine Wahl mehr ließen. Dagegen hielt Hardenberg das ſchon 
jest für geboten, weniger wegen ber Bweibeutigfeit Oeſterreichs 
und der Unnachgiebigkeit Frankreichs, als wegen der wachſenden 


I. Die Erhebung von Heer und Bolt. 17 


Volfsbewegung. Auch fegte er es buch, daß Kneſebeck, von 
Wien zurüdgerufen, zum Zaren geſchickt wurde. Doc wollte 
der König damit nur ein Auskunftsmittel bereit ftellen, falle 
das ihm Erwunſchtere nicht geſchah. Auch beauftragte er am 
28. Januar den Staatslanzler, mit Scharnhorft und dem Kriegs- 
minifter v. Hake eine möglichſt ſchnelle Vermehrung der Streit- 
fräfte vorzubereiten. 

Die Bildung einer Miliz, wie fie für einen ſolchen Fall 
früher geplant war, verbot die Konvention vom 8. Sep- 
tember 1808. Ohne Vollsaufgebot und mit möglihfter Scho- 
nung ber fnappen finanziellen Mittel galt e8 den außerordent⸗ 
lien Bedarf an Mannſchaften zu deden, ſowie den an geeigneten 
Berfonen, um fie einzuüben und zu führen. Letzteres bezwedte bie 
Bekanntmachung in betreff ber zu errichtenden Jägerdetachements 
vom 3. Februar. Indem fie diejenigen Klaſſen der Staatsbürger, 
die bisher vom Dienfte befreit gewefen und wohlhabend genug 
waren, um ſich felbft zu befleiden und beritten zu machen, zum 
Eintritt einlud, um ohne peinlihen Drill und firengen Dienft 
in freier Anlehnung an das Heer zu dienen, gewann fie für 
die Armee ohne Koften nit bloß einen zahlreihen Stamm 
fünftiger Offiziere, ſondern auch einen unfhägbaren Zuwachs 
an Intelligenz und fittliher Tüchtigfeit, und verknüpfte die 
Intereſſen bes gebildeten und vermögenden Bürgertums mit 
dem Kriege. Ein Erlap vom 9. Februar hob dann, zunächſt 
für ben bevorftehenden Krieg, bie bisherigen Eremtionen von 
der Rantonpfliht auf. Damit geſchah ein erfter Schritt in 
der Richtung auf die von Scharnhorft längft als Biel ins Auge 
gefaßte allgemeine Wehrpflicht. 

Nur, wem das alles gelte, war noch nicht gejagt. Für 
unvermeibli hielt der König ben Kampf mit Frankreich auch 
jegt noch nit und wünfchte ihn zu vermeiden. Aehnlich dachte 
die Mehrzahl feiner Räte. Warnte doch der Minifter Golg 
eben in jenen Tagen ben Oberpräfibenten v. Auerswald in 
Königsberg vor den Umtrieben der Rufen! Nur Scharnhorft 
mit den Seinen hatte den großen nationalen Kampf um bie 
Freiheit im Auge. Und er riß ben fonft fo gern biplomati- 
fierenden Hardenberg mit fi) fort: fie beide waren bie Seele 

Prag, Preuijge Geläläte. IV. 


18 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufchungen. 


von allem und rangen dem noch immer zweifelnden und wider- 
firebenden König Maßregeln ab von einer Energie, die manchem 
gerabezu revolutionär erſchien. Und bie öffentlihe Meinung 
deutete biefe verftändnisvoll in dem richtigen Sinn. Daher 
ihr über alles Erwarten großartiger Erfolg! Ein herrlicher 
Enthufiasmus trieb Söhne von Fürften und Kinder ber reichſten 
Familien, Söhne des Adels und bes höheren Bürgerftandes 
von ber feinften Bilbung als Gemeine in bie Jägercompagnien. 
Thränenden Auges pries Gneifenau fih nachmals glüdlidh, dieſe 
weltgejdhichtliche Zeit noch erlebt zu haben. Auch auf ben 
König verfehlte das bes Eindruds nicht: er ahnte größere Kraft 
und Opferfreubigfeit in feinem Volke, als er in feiner Bes 
geifterungsfofigfeit ihm zugetraut hatte. Das fleigerte ben 
Einfluß der Patrioten, und fo ſchlug die preußiſche Politik 
immer entſchiedener eine Richtung ein, die nicht die vom Könige 
urſprunglich gewollte war. Noch ehe das Lofungswort gefallen, 
wuchs die Bewegung, bie jene Erlaſſe entfeflelt, zu folder 
Stärke, daß ber König ihr folgen mußte, wollte er fie nicht 
fi gegen ihn wenden und, wenn er fie aufzuhalten unternahm, 
über ihn hinweggehen jehen. 

Und gleichzeitig hatte nun in Oftpreußen bie Vollks— 
bewaffnung begonnen. Zwar konnte York ala Gouverneur alles, 
was im Rahmen ber Rantonverfaffung an Mannſchaften im 
Lande aufzutreiben war, feinem durch Auerswalds und Schöne 
Fürforge neu ausgerüfteten Corps einverleiben. Bei der Schwäche 
der Ruſſen aber reichte das nicht aus. Auch war nach dem, 
was man erlebt hatte, ber Drang zum Kampf gegen ben ver: 
haften Feind hier befonders ſtark. Namentlih in Mafuren 
und Litauen gärte es, und Schön und feine Freunde unter- 
ließen nicht, das Feuer zu füren. Webereifrig brohten bereits 
einzelne Gruppen bie Waffen zu ergreifen: die Regierung gebot 
Einhalt, und aud die geheimen Leiter und Berater juchten 
eine Verzettelung ber Kräfte zu hindern. Lange zu zügeln aber 
war die Leidenſchaft nicht mehr. Zwar veranlaßte die Art, 
wie Stein, der am 22. Januar nad Königsberg kam, nur 
das legte Ziel im Auge, die preußiichen Behörden wie ihm 
Gehorfam ſchuldige Organe behandeln wollte, Konflikte mit 


I. Die Erhebung von Heer und Bolt. 19 


York, Schön und Auerswald, doch wurden fie dank der gleichen 
Hingabe aller an die heilige Sache und ber Selbftüberwindung 
Steins durch Schöns Vermittelung beglien. Auf Steins An: 
regung wurde Ende Januar eine Verfammlung fänbifcher 
Deputierter aus Oftpreußen, Litauen und Weftpreußen rechts 
von ber Weichſel ausgefehrieben, um die Befchaffung der Mittel 
zur allgemeinen Verteidigung des Vaterlandes zu beraten. Am 
5. Februar trat fie zufammen. Auf Einladung erſchien York 
in ihrer Mitte und erbat von ihrer Treue und Anhänglichkeit 
an König und Vaterland thatfräftige Unterfiügung feiner Bor: 
[läge zur Bewaffnung des Landes und zur Berftärkung ber 
Armee. Ein Ausfhuß follte dazu mit ihm in Verhandlung 
treten. Wo er fie finde, fo ſchloß er, Hoffe er die Franzoſen 
zu ſchlagen, anderenfals ruhmvoll zu fterben. Das ihm ant- 
wortende Hoch bat er bis auf das Schlachtfeld zu fparen. 
Einen Plan zur Errichtung einer Landwehr, der bie in 
Defterreih 1808 gemachten Erfahrungen und das Vorbild ber 
ruſſiſchen Druſchinen benußgte, hatte auf Steins Erſuchen der 
mit Wittgenftein nad Königsberg gekommene Oberftleutnant 
Slaufewig entworfen. Nach ihm rebigierte ala Vorfigender des 
ſtändiſchen Ausſchuſſes Graf Alerander Dohna eine Verord- 
nung, die Stein durchſah und York nachprufte. Sie lag den 
ſtändiſchen Beratungen zu Grunde. Man beſchloß auf Koſten 
der Provinz 20 000 Mann Landwehr und 10 000 Mann Referven 
aufzuftellen. Mit Ausnahme allein der Geiftlihen und Lehrer‘ 
folten, unter Bulafung der Stellvertretung, ber Landwehr 
ohne Rüdfit auf Stand und Religion alle bis zum 45. Jahre 
angehören, um erft durch freiwillige Stellung, dann durch das 
203 zum Dienft eingezogen zu werben. Die Ausführung wurde 
einer ſtändiſchen Generaltommiffion übertragen, ber drei von 
York ernannte und drei gewählte Mitglieder angehörten. Zum 
Vorfigenden wählten die Stände ben ehemaligen Minifter 
Grafen Dohna (Bd. II, S. 470). Zn den einzelnen Diftriften 
arbeiteten fünf Speziallommiffionen, deren jede eine Landwehr- 
brigade zu vier Bataillonen beſchaffen ſollte. Die Befehlshaber 
der letzteren folte auf Vorſchlag der Spezialfommiffionen die 
Generaltommiffion beftätigen, bie ihrerfeits die Brigadefomman- 


20 Erſtes Bud. Der Freiheitöfampf und feine Enttäufgungen. 


deure dem König ober deſſen Stellvertreter präfentierte. Mit 
dem fertigen Entwurfe eilte am 13. Februar Graf Ludwig Dohna 
nad) Breslau, um bes Königs Beftätigung einzuholen. An bie 
Ausführung aber wurde fofort Hand angelegt. 

In Breslau ftrömten inzwifchen begeiftert die Scharen der 
Freiwilligen zufammen. So gewaltig war der Andrang, daß 
die anfangs gejegten Altersgrenzen weiter hinausgerüdt und 
bie belaffenen Eremtionen, namentlich ber Beamten, aufgehoben 
werben mußten. Aber ber Bewegung des Volks zu folgen, 
konnte der König ſich noch nicht entſchließen. Ein Glüd war 
es daher für biefe, daß die Furt vor einem franzöfifchen 
Gewaltftreih, zu dem fi das von den Ruſſen bei Kaliſch ge- 
ſchlagene Reynierſche Corps mit denen Greniers und bes von 
Polen heranziehenben Poniatowsti vereinigen zu wollen ſchien, 
ihn beftimmte, am 12. Februar die Mobilmahung der in 
Sälefien und Pommern ftehenden Truppen anzuorbnen und 
für den Fall eines Angriffs unter lobender Gutheißung des 
von ihm Gethanen York zum Oberbefehlshaber in Preußen 
und Pommern zu befignieren, mit der Weifung, den Krieg 
im Rüden ber Franzofen kraftvollſt zu führen. Aber noch nahm 
au Hardenberg den ſchwächlichen Gedanken einer Vermittelung 
wieder auf und bemühte fi um einen Waffenftillitend. Wie 
ein klärendes Gewitter fuhr in dieſes Wirrfal die Kunde von 
der Selbfthilfe Oftpreußens. Sie fprad den Franzofenfreunden 
das Urteil. Was dort gethan war, ließ ſich nicht ungeſchehen 
machen. Frankreich gegenüber gab es da fein Zurüd: ging 
der König nicht mit, fo ging man ohne ihn weiter, und ſicher 
folgten dann Brandenburg, Pommern und Schlefien, zumal, 
wie Scharnhorft annahm, in diefem Falle England und Rup- 
land alles thun würden, um Preußen feine Unterthanen ab- 
fpenftig zu machen. Der Jubel, mit dem am 20. Februar 
verwegen ftreifende Koſaken bei ihrem Erſcheinen in Berlin 
begrüßt wurden, ſprach deutlich genug. 

Thatfählih waren die Zügel der Regierung der Hand 
des zaubernden Königs bereits entfallen. Eigenmächtig traten 
Heer und Volk in den Freiheitsfampf ein. York brad aus 
den Quartieren bei Elbing auf. Am 19. Februar ging er 


1. Die Erhebung von Heer und Bolf, 21 


über die Weichjel und war am 22. in Konitz. Erſt wenn er 
fo weit vorgerüdt fein würde, ſchien den leitenden Perfönlich- 
feiten in Breslau der Augenblid für die Schilderhebung ges 
tommen, ba er dann mit den preußiſchen Truppen in Schlefien 
tooperieren konnte. Dort verftändigte er fih denn auch mit 
Bülow und Wittgenftein über den Vormarſch nad der Ober. 
Acht Tage fpäter trat felbft Borſtell, fortgerifien von dem in 
Kolberg gelandeten und jubelnd empfangenen Gneifenau, ben 
Mari auf Berlin an. So gefpannt war die Lage, daß ein 
wohlunterriäteter Diplomat vor dem Worte nicht zurüdichredte: 
„Wenn der König zögert, bie ihm von ber Nation zur Ver— 
fügung geftellten Mittel anzuwenden oder aud nur die An- 
frengungen Rußlands zur Herftellung der Monarchie zu unter 
Rügen, halte ich eine evolution für unvermeiblih, und 
wahrſcheinlich wird dann die Armee mit ihrem Veifpiel voran= 
gehen und das Signal geben.” 


I. Der Freiheitekrieg von 1813. 


Auszuhalten war die Bewegung nicht, die Preußen durch⸗ 
bebte. Es fragte ſich nur, ob der König ſich an ihre Spitze 
ftellen oder fie ſich ſelbſt überlaffen und damit Staat und Krone 
auf das Spiel jegen würde. An Vorftellungen und Mahnungen 
bat es nicht gefehlt. Auch Stein, fo feheint es, hat ihm ernft 
und eindringlich feine Pflicht vorgehalten. Wenigftens über- 
fandte er am 28. Dezember dem Baren den Entwurf eines 
Briefes der Art. Was ein Fürft vermöge, führte er darin aus, 
ber feines Volles edle Gefühle zu erweden und zu leiten wiſſe, 
lehre das Beiſpiel Aleranders. Viel Unglüd gelte es gut zu 
maden, die nationale Unabhängigkeit, den Glanz und bie 
Majeftät des Thrones herzuftelen und eine tiefgebeugte Nation 
aufzurichten. Eingedenk feiner Vorfahren möge der König bie 
Ketten fprengen und den vom Zaren erhobenen Bannern ber 
nationalen Ehre und Unabhängigkeit folgen. Er beſchwört ihn, 
feinem Volke einen Krieg zu eriparen, der e durch die Fort: 
dauer der Knechtſchaft mit fortfchreitender „moraliſcher Degra- 
dation“ bebrohe. Ober wolle er ſich nachſagen laſſen, fremder 
Tyrannei als Werkzeug gedient zu haben, um in feinem Volke 
jedes hochherzige Gefühl zu erftiden und es zu erniebrigen, flatt 
den Fürften nadzuftreben, die einen Staat aufzurichten oder 
fi unter feinen Trümmern begraben zu laſſen wüßten? 

Die gehoffte Wirkung hat der Brief jedenfals nicht ge— 
habt. Der König teilte im weſentlichen ben Standpunkt, den 
der leifetretende und glatte Ancillon in einer Denkſchrift vom 
4. Februar entwidelte. Er empfahl das ruſſiſche Bündnis, doch 
nur, um bie Ruffen erſt die Franzofen über die Elbe nötigen, 
dann aber felbft über die Weichjel zurüdgehen zu laſſen, darauf 
zu vermitteln und erft, wenn das mißlänge, zu den Waffen 


U. Der Freiheitskrieg von 1813. 23 


zu greifen. Daher entſprach auch der Bünbnisentwurf, mit dem 
Kneſebeck endlih am 9. Februar zu Alerander aufbrach, deſſen 
Erwartungen gar nit: er nahm allein bie Befreiung von 
Norddeutſchland in Ausfiht und lehnte jede Verpflihtung dar: 
über hinaus ab, verlangte aber bie Zufiherung der politifchen 
und militärifhen Hegemonie über diefen Teil Deutfchlands und 
zur Herftellung Preußens in dem Befigftand von 1805 bie 
Nüdgabe feiner alten Befigungen in Deutſchland — unter 
Ausflug Hannovers — und in Polen, wo höchſtens Bialyftod 
ruſſiſch bleiben folte. Ob, wie Boyen meint, der König zu 
dieſer Miffion Kneſebeck wählte, weil deſſen „verwidelte Ver⸗ 
fahrungsart“ Zeitgewinn verhieß, bleibe dahingeftellt. Jeden: 
falls ging koſtbare Zeit verloren. Des Zaren Mißtrauen gegen 
den Bevollmädtigten, der in feinem dem Könige ſympathiſchen 
Kleinmut Preußen die Aufbringung von nit mehr als 
30000 Mann zutraute, erwies fi als begründet: gegen feine 
Inſtruktion ſtellte diefer ſelbſt Bialyftod für Rußland in Frage. 
Auch berührte es den Zaren peinli, daß Hardenberg gleich 
zeitig in Paris erklärte, Kneſebed ſolle nur die Neutralität 
Schleſiens bei Rußland zur Anerkennung bringen, zugleid aber 
auf Erjag der geleifteten Vorfhüffe drang und dabei ſchmei— 
chelnd die Hoffnung ausfprehen ließ, da Napoleon Defterreichs 
Friedensvorſchläge nicht einfach abgemiefen, werde ber König 
als Vermittler an dem Ruhm teilnehmen dürfen, den jener 
durch Herftellung des Friedens zu erwerben ſich anfchide. Wollte 
Hardenberg danach wirklich mit Frankreich breden und nur 
Preußen nicht zu früh Tompromittieren? Ober hoffte er noch 
immer, Napoleon werde ihn durch Bugeftändbniffe der Not: 
wenbigfeit des Kriegs überheben? Hielt er den König für fo 
ganz unfähig, den fonft gebotenen Entſchluß wirklich zu faflen? 
Noch verfiherte diefer St. Marfan, er wolle in dem Bündnis 
mit Frankreich bleiben, erklärte freilich gleichzeitig dem Zaren, 
nichts wünfche er fehnlicher, als fein politiſches Syſtem wechſeln · 
zu können, doch fei das erft möglich, wenn Napoleon buch 
Ablehnung feiner Anträge fih auch vor dem franzöfifchen Volfe 
ins Unrecht gefegt habe und ihm felbft Treulofigfeit nicht vor - 
geworfen werben könne. 


24 Erſtes Bud. Der Freibeitälampf und feine Enttäuſchungen. 


Nun war die Allianz mit Rußland, die Borausfegung 
jeber preußifhen Aktion, durch Kneſebeck eben fo gut wie ge- 
ſcheitert. Das Hatte Stein gefürdtet: er kannte bes Königs 
Neigung, ſich gar nicht, und die Hardenbergs, ſich möglichft 
fpät zu entfceiden. Daher erbot er fi ſchon am 10. Februar 
gegen ben Zaren, jelbft in Breslau auf ben Abfchluß zu dringen. 
In dem Schreiben an den König, das er ihm mitgab, befannte 
der ar, durch die von Preußen in Paris gemadten Bor: 
{läge um fo fehmerzlicher überrafcht zu fein, als er deſſen 
Herftellung, ja Vergrößerung flets im Auge gehabt und auch 
glei nach der Vernichtung des Feindes, alles Vergangene ver- 
gefiend, dem Könige — dur Boyen (S. 11) — angetragen 
babe. Jet fei jeder Moment des Zögerns Gewinn für den 
Feind. Von Treulofigkeit könne bei ihm nicht die Rede fein, 
nachdem Napoleon jeden Artikel des Tilfiter Friedens verlegt 
babe. „Freundſchaft, Vertrauen, Ausdauer und Mut, und die 
Vorſehung wird das übrige thun,“ rief er dem Kleinmütigen 
zu. Mit warmen Worten rühmte er Steins Verdienſte und 
empfahl ihn dem König als einen feiner treuften und fähigiten 
Unterthanen. 

Am 25. Februar kam diefer in Breslau an. Seine Auf- 
nahme war 'verlegend kalt. Unbeachtet ließ man ihn in einer 
befcheidenen Herberge. Hardenberg jah ihn zunächft nicht, und 
auch als er ernftlich erkrankte, nahm der König feine Notiz von 
ihm. Aber er fand bie Lage doch endlich geklärt: auch ber 
König hatte das franzöfifche Bündnis als unmöglich erkannt. 
Diefe Entſcheidung war, fo bezeugt Scharnhorft, am 23. er= 
folgt. Aber ohne Begeifterung und ohne Glauben an den 
Erfolg, nur um Schlimmeres abzuwenden, fügte fi der König 
dem Willen von Heer und Voll. Trat doch mit dem Vor—⸗ 
marf der Ruſſen nad der Ober die Lage ein, bie au ihm 
den Anflug an Rußland geboten erſcheinen ließ. Hatte er 
aber einmal einen Entſchluß gefaßt, fo tröfteten fih die 
Batrioten, fo pflegte er an ihm feftzuhalten. Unverändert nahm 
er den Vertrag an, ben ihm ber Zar durch ben mit Stein 
gekommenen Staatsrat v. Anftett vorlegen ließ. Er entipredhe, 
ſchrieb er, ganz den ihn erfüllenden Gefühlen der Freundſchaft 





U. Der Freiheitskrieg von 1818. 25 


für den Zaren, mit dem er bald unlöslich verbunden zu fein 
wünjde. Am 27. erfolgte in Breslau, am 28. in Kaliſch die 
Unterzeihnung. Der Vertrag ſprach nicht mehr von Waffen- 
ſtillſtand und Vermittelung, fondern proffamierte ben Frei- 
beitöfrieg, und zwar ben europäifchen. Denn, fo hieß es darin, 
die ruſſiſchen Erfolge hätten die Epoche der Unabhängigkeit 
beraufgeführt für alle Völker, die das Joch Frankreichs ab: 
ſchuütteln wollten. Preußen und Rußland verbanden fih zu 
Schutz und Trug für diefen Krieg, der Preußen in ber für 
beider Ruhe nötigen Geftalt herſtellen und für die Zukunft 
ſichern follte, indem er Frankreich nicht bloß jede militärische 
Stellung, fondern auch jeden Einfluß in Norbbeutfchland nahm. 
Dazu fielt Rußland 150000 Mann, Preußen fo viel es auf- 
bringen Kann, aud eine Landwehr. Ein Geheimartifel be— 
flimmte zu Preußens Ausftattung die Eroberungen in Nord» 
deutſchland außer Hannover. Schon bei den erften Eröffnungen 
an Boyen Hatte ber Zar dafür befonders auf Sachſen hin: 
gewiefen. Bon Polen dagegen follte es nur erhalten, was zur 
Verbindung Altpreußens mit Schlefien nötig war. 

Man hat an dem Vertrage von Kalifch ausgeſetzt, daß er 
Preußen weber feine territoriale Rekonſtruktion, noch die 
leitende Stellung in Deutſchland fierte. Aber es hatte weber 
das eine noch das andere verlangt. Hatte doch Kneſebeck noch 
in Wien vorgefhlagen, die Unabhängigkeit Deutſchlands von 
Frankreich vorausgejegt, die Könige und Fürften des Nhein- 
bundes mit Ausnahme des Königs von MWeftfalen in dem 
gegenwärtigen Zuftande zu erhalten, und ganz im Einflange 
mit Hardenbergs dualiſtiſchem Syftem für Preußen nur im 
Norden des Mains militäriſch ausfchlaggebenden Einfluß ge 
fordert. Hatte Preußen denn feinen Beruf zu einer leitenden 
Stellung in Deutſchland bereits erwiefen? Wurde diefe Frage 
nit vielmehr durch feine NKraftentfaltung in den nächſten 
Monaten und die Aenderung, die fie in feinem Verhältnis zu 
Defterreih und den übrigen deutſchen Staaten bewirkte, über: 
haupt erft aufgeworfen? Gab ihm nicht erft ber Kaliſcher 
Vertrag die Möglichkeit, ftatt einer einfeitig preußiſchen eine 
beutfche Politik zu verfolgen? Er war ein Sieg nicht bloß 


26 GErftes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufgungen. 


der preußifchen, fondern der deutfchen Patrioten. Zum zweiten» 
mal griff Stein rettend in die Geſchicke Preußens ein. Erft 
das Gewicht, das er als Vertrauensmann des Zaren in bie 
Wagſchale legte, beftimmte den König zum Handeln, bradte 
zum Abſchluß, was York und Oftpreußen begonnen, und half 
Scharnhorft endlich zum Siege. Der König freilih empfand 
das als eine Niederlage, die er nicht verzieh. Denn er dachte 
im Grunde wie die, welde meinten, unter der Maske des 
Patriotismus hätten fi die „Häupter der Selten“ und bie 
Militärs der Regierung bemächtigt, und die von dem Volks— 
frieg eine Revolution befürchteten — eine Gefahr, die nad 
Scharnhorſt allerdings beftand, wenn die Völker, von ihren 
Regierungen verraten und verlaffen, zur Selbſthilfe genötigt 
würden, bei der dann die Regenten, die Gut und Leben dem 
Feinde Hingegeben, leicht über glüdlihe Anführer vergefien 
werben könnten. Wirklich war bie Regierung augenblidlich 
fo wenig Herrin ber Lage, daß der Staatskanzler Scharnhorft 
bat, er möge bie allzu hitzig vorwärtsdrängenden Patrioten 
in Berlin beſchwichtigen. Auch fanden deſſen Worte dort fofort 
Gehorfam. Auch Steins Auftreten in Königsberg war als 
tevolutionär verſchrieen, und befondere Weifungen folten ähn- 
liches anderwärts hindern. Bor allen beargwöhnt wurde 
E. M. Arndt, der Stein begleitete und in volfstümlichen Schriften 
begeiftert zum Freiheitskampfe aufrief. Ganz fiher alfo war 
man nad) allevem bes Königs doch noch nicht. Auch der Zar 
fürdtete feine Unbeftändigfeit. Stein Magt über feine Kälte 
und Unentſchloſſenheit: er bejorge, durch Rußland ins Ver- 
berben geftürzt zu werben und bie Franzoſen bald wieder an 
der Weichfel zu fehen. Auch blieb trog bes Herbeiftrömens 
von Taufenden jubelnder Freimiliger die nationale Bewegung 
in Breslau und Schlefien hinter der in Oftpreußen umb ber 
Mark zurüd. Der ſchleſiſche Adel haßte in Hardenberg und 
Scharnhorſt die Reformer und verzieh die Bauernbefteiung nicht. 
In ben bürgerli—hen Kreifen aber ſah mander mit Bebauern 
bie Vorteile gefährbet, welche die Neutralität Schlefien ge— 
währt hatte. 

So fand felbft nah dem Kaliſcher Vertrage die Ent- 


I. Der Freiheitäfrieg von 1813. 27 


ſcheidung eigentlih doch noch aus. Die fofort losſchlagen 
wollten, drangen nicht durch, obgleich die Mafregeln, die dank 
der organifatorifchen Thätigkeit Scharnhorfis feit dem 12. Ja— 
nuar (S. 12) ergriffen waren, das Heer gegen den Stand vom 
1. Dezember 1812 verdreifacht und auf faft 120 000 Mann ge 
bracht Hatten. Mit den Rufen und dem bewaffneten Volt 
hätten fie, was an Franzoſen noch in Preußen vorhanden war, 
wohl unſchädlich gemacht. Aber das Volk zu infurgieren ſchien 
dem König nun einmal zu „poetiih“, troß bes Erfolges, den 
der Aufruf vom 3. Februar gehabt hatte. So groß war dauernd 
der Andrang von Freiwilligen, daß man die anfangs aus— 
geſchloſſenen Beamten zulafien. und den dienftunfähigen Wohl- 
habenden geftatten mußte, Unbemittelte gemeinfam auszurüften. 
Um auch die zuftrömenden Nichtpreußen der guten Sache bienft- 
bar machen zu fünnen, beſchloß man bie Bildung von Freis 
corps nad dem Vorbild des 1809 von dem Herzog von Braun 
ſchweig geführten. Bedeutung erlangte nur das bes Majors 
v. Lutzow. Ohne militärifh Großes zu leiften, gewann es 
höchſte Popularität durch fein von Theodor Körner poetiſch 
verklärtes Heldentum. Auch nahm man das Anerbieten der 
Stände einzelner Provinzen an, aus ihren Mitteln eine freie 
willige Reiterei, fogenannte Nationalkavallerieregimenter, zu 
bilden, wie in Scählefien, Pommern und namentlih in Oft 
preußen. Weitere Formationen der Art unterblieben, um bie 
Kräfte nicht zu zerfplittern. Auch haben fi dieſe Truppen 
zunächſt wenig bewährt. 

Hätte Königin Luiſe diefe Tage noch erlebt! Wie würde 
ihr edler Eifer die Vegeifterung genährt und ben zweifelnden 
Gemahl zu mutigem Mit und Vorangehen beſchwingt haben! 
Hatte Napoleon einft gemeint, in ihr habe dieſer feinen beften 
Minifter verloren: die höhere, geiftige und fittlihe Wahrheit 
dieſes Wortes wurde gerade jegt vielfach empfunden. Auch der 
König ſcheint, wie er fi endlich dem Vollswillen fügte, fi 
gleichſam von ihr umſchwebt gefühlt zu haben. Vom 10. März, 
ihrem Geburtstage, datiert der Erlaß, der ala Lohn befonderer 
Tapferkeit in diefem Kriege das Eiferne Kreuz ſtiftete — ein 
glüdlicger Gedanke, angemefien dem großen Augenblid und 


28 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen. 


finnig aud) infofern, als das dafür benugte Deutſchordenskreuz 
nächſten Bezug hatte auf die Provinz, die mit der Erhebung 
vorangegangen war. ine pietätvolle Huldigung rief in ber 
verflärten Königin gleihfam den Schußgeift Preußens herbei. 

Noch fehlte die Antwort auf die (15. Februar) nach Paris 
gerichteten Vorſchläge (S. 16). Länger warten räumte dem 
Gegner immer größere Vorteile ein. So kamen bie Dinge 
endli in Fluß. Am 15. März zog der Zar, jubelnd begrüßt, 
in Breslau ein. Vom 16. datiert die ber Kriegserflärung 
gleich zu achtende Note Harbenbergs. Bezeichnenderweiſe aber 
wurde von zwei dafür vorliegenden Entwürfen wieder ber 
milber gefaßte gewählt. Am 17. wurde fie St. Marfan übers 
geben, ehe er bie eben eingegangene Nachricht mitteilen konnte, 
daß Napoleon den empfohlenen Wafjenftilftand in Erwägung 
ziehen und finanzielle Zugeftändniffe machen wolle. Was würden 
die Friebensfreunde etwas früher daraufhin erreicht haben! 
Und auch jegt noch beftand die Gefahr, daß ber Bruch in einer 
Form erfolgte, die den Wunſch nad baldiger Heilung allzu 
deutlich verriet. Wirklich Hang fo das von Ancillon entworfene 
mattherzige Kriegsmanifeſt. Gneifenau (S. 21), der eben in 
Breslau ankam, ſetzte durch, daß es verworfen wurde. Nach 
feinen Angaben redigierte Staatsrat v. Hippel den am 17. März 
vom König vollgogenen Aufruf „An Mein Bolt” — ein Meifter- 
ftüd volfstümlicher Beredſamkeit, ebenfo überzeugend durch die 
Kraft der [lichten Sprache, wie erfhütternd durch die wuchtige 
Bufammenfafjung ber Thatſachen und erhebend durch den daraus 
fprecdenden Glauben an das gute Recht und feinen endlichen 
Sieg. Militärifh Fürzer, aber nicht minder padend waren 
die Worte des von bemfelben Tage herrührenden Aufrufe „An 
Mein Kriegsheer“. Beide erfhienen zugleih mit dem Erlaß 
über die Stiftung des Eifernen Kreuzes am 20. März, wo 
au der Abſchluß des Schutz- und Trugbündniffes mit Rufe 
land befannt gemacht und die Aufhebung der Kontinentaliperre 
angeorbnet wurbe. 

Diefe Sprade fand denn auch den Weg zum Herzen bes 
Volkes: fie gab ihm den Glauben an feinen König wieber. 
Nicht Teichten Herzens, nur einem unwiderſtehlichen moralifchen 


II. Der Freiheitätrieg von 1813. 29 


Zwange nachgebend, würde es, verfagte er fi ihm endgültig, 
von feinem König gelaffen haben, um auf eigene Hand feine 
nationale Selbftändigfeit zu retten. Nie würde der König, 
zwang er es zu fernerer Dienftbarkeit unter Frankreich, ber 
Herrſchaft mehr froh geworben fein. Nun fanden fich ihre 
Wege wieder zufammen. Die Gefahr ber inneren Zwietracht, 
die au den ſchönſten Sieg zu entwerten drohte, war ab⸗ 
gewandt: einig mit feinem Heere und Volk trat der König 
ein in den Kampf für Freiheit und Ehre. Und nun regte es 
fi auch in den 1807 abgeriffenen Gebieten: eine Deputation 
von Halle und dem Saalekreiſe erfhien in Breslau, um dem 
Könige zu huldigen. 

Von demjelben Tage wie ber Aufruf an Volf und Heer 
(17. März) datierte die „Verordnung über die Organifation 
der Landwehr”. Die Konvention vom 8. September 1808 war 
zerriffen. Der Kaliſcher Vertrag hatte — wohl auf Steins 
Veranlaſſung — Scharnhorft die Verwirklichung feines großen 
Gedankens gefidert (S. 25). Ob man fie ohne bies dem König 
abgerungen haben würde, ber den Grafen Ludwig Dohna, als er 
die oftpreußifche Landwehrorbnung zur Beftätigung überbrachte 
(S. 20), mit der Frage empfing, ob York ſchon eine Bürger- 
krone trage? Erleichtert wird ihm die Zuftimmung nicht geworben 
fein durch die von ber Lage geforderte Erflärung, er bebauere, 
durch den Drang ber Umftände verhindert geweien zu fein, bie 
Sache vorher mit feinen getreuen Ständen zu beraten. Ber- 
fügt wurde die Aufbringung von 110000 Mann zu Fuß und 
10000 Reitern durch die Provinzen nad dem Verhältnis ihrer 
Bevölkerung. Befreit von der Landwehrpflicht blieben nur die 
aktiven Präfidenten und Direktoren, Geiftlihe und Schullehrer, 
dann die unablömmlichen Beamten und endlich Verfonen, deren 
Einziehung landwirtſchaftliche oder gewerbliche Betriebe zum 
Stillſtand gebradt haben würde. Die Ausführung wurbe in 
bie Hände der Stände gelegt, und zwar ber Kreife unter einem 
Kreisausſchuß. Das Prinzip der Selbfiverwaltung ift alfo in 
Preußen zuerft auf militäriſchem Gebiete durchgeführt worden. 
Bas jeder Kreis an Wehrmännern aufzubringen hatte, follte 
moglichſt durch Freiwillige, der Reit duch Auslofung gebedt 


30 Erſtes Bud. Der Freiheitöfampf und feine Enttäufgungen. 


werben. Für Kleidung forgte jeder felbft, für bie Ausrüftung 
der Kreis; nur bie koftfpieligeren Waffen lieferte der Staat. 
Die Offiziere der unteren Ehargen, die vor allem durch Bildung, 
Nehtlichfeit und Anfehen bei ihren Mitbürgern empfohlen fein 
follten, präfentierte ber Kreisausfhuß zur Beftätigung ‚dem 
Könige. Die höheren ernannte biefer, der felbft an der Spige 
der Landwehr fland, die fo eins war mit dem ftehenden Heere. 
Zweimal wöchentlich wurden die Wehrmänner in den nötigften 
Bewegungen und im Gebrauch des Gewehrs und ber Pile 
geübt. Die Inſtrukteure lieferte anfangs die Gendarmerie; 
fpäter befam jeder Kreis dazu einen Offizier und zwei Unter 
offiziere von einem Garnifonbataillon. 

Manchem mochten die Forderungen, die bamit an das 
preußifche Volk geftelt wurden, unerfüllbar fcheinen. Dennoch 
find fie nicht bloß erfüllt, fondern überholt worden. Weit 
hinaus über das wehrpflichtige Alter vom 17. bis zum 40. Jahre 
drängten ſich auch aus den gebildeten und vermögenben Klaſſen 
die Wehrmänner herzu. Etwa 4’ Millionen ftelten ihrer 
135000, davon etwa ein Zehntel Reiterei. Der Anteil der 
einzelnen Provinzen war natürlich verſchieden. Das meifte 
thaten aud bier Litauen und Dftpreußen, denen, um bie be 
gonnene Organifation nicht zu flören, ihre befondere ſtändiſche 
Landwehrordnung (S. 19) beftätigt wurde (17. März), unter 
Streichung allerdings der Stellvertretung als unvereinbar mit 
dem Prinzip des Ganzen. Bei etma 486300 Einwohnern 
ſtellte das eigentlihe Dftpreußen 34802 und Litauen bei 
362.000 Einwohnern etwa 24000 Mann Landwehr, das heißt 
es griff dort jeder dreizehnte Mann ober mehr ala fieben 
Prozent zu den Waffen. Und damit nit genug! Den großen 
Gedanken der allgemeinen Wehrpflicht bis in die legte Konſe— 
quenz verfolgend, rang Scharnhorft dem König endlich 
(21. April) auch den Landfturm ab, ber ohne eigentlich mili- 
täriſche Organifation die in Heer und Landwehr nit ver«- 
wendete männlie Bevölkerung vom 15. bis zum 60. Jahre 
enthalten follte, um unter Anwendung jedes Mittels zur Ver- 
nichtung des Feindes Haus und Hof zu verteidigen. Er ftellte 
die Voltsleidenshaft in den Dienft des Vaterlandes, Auf 


II. Der Freiheitstrieg von 1813. 31 


Soldatenfünfte fam es da nit an: fein Weſen lag in ber 
Wirkung auf das Gemüt. Ins Leben trat er nad der Ver— 
Öffentlihung des Erlaſſes am 8. Mai nur vereinzelt, wo ein 
feindlicher Einfall zu fürdten war, wie in der Mark zum Schuß 
gegen die Streifzüge der Magdeburger Beſatzung. Ueberall 
aber erfüllte das mit feiner Formation verbundene kriegeriſche 
Treiben auch die bürgerlichen Kreife mit lebhafterem militärifchem 
Geift und Intereffe. Die von ängftlihen Gemütern befürdteten 
Exceſſe blieben aus, 

Eine zuverläffige Schägung des fo in Waffen Gebrachten 
iſt unmögli. Davon abgejehen aber hatte Preußen, als bie 
Feindfeligfeiten begannen, über 271.000 Mann auf den Beinen, 
nämlich den alten Armeebeftand von 46 000 Mann, neu aus- 
gehoben 95000 Mann, die Landwehr mit 120000 Mann und 
die freiwilligen Jäger. Es trug damals alfo immer von 
18 Seelen ein Mann die Waffen. Und nod war reicher Nach— 
ſchub zu erwarten. Dieſen ungeheuren militäriſchen Apparat 
im Gange zu erhalten, wurde das ganze Land in vier Militär: 
gouvernements geteilt, jedes unter einem Militär: und einem 
Zivilgouverneur, die unmittelbar unter dem König und dem 
Staatöfanzler alle das flehende Heer, die Landwehr und ben 
Landſturm betreffenden Angelegenheiten erlebigten. 

Trogdem ließ ſowohl die militärifde wie die politifche 
Lage viel zu wunſchen übrig. Zwar waren Ruffen und Preußen 
im Vormarſch. Am 2. März ging Wittgenftein über die Ober. 
Am 4. früh zogen die Franzoſen aus der bedrohlich gärenden 
Hauptftabt nad) Magdeburg. Unter dem Jubel der- Bürger 
ſchaft rüdten die ruffiihen Vortruppen ein. Wittgenftein ſelbſt 
mit dem Gros feines Corps erfhien am 11. Ein nationaler 
Feiertag wurde ber 17. März, wo York mit 18000 Mann 
in Berlin einzog. Der lange bange Drud war enblih von 
ihm genommen. Denn obgleih er ihn zur Zeit brohender 
franzöfifcher Vergewaltigung unter Billigung feiner Handlungs: 
weife zum Befehlshaber der Truppen in Pommern und Preußen 
auserfehen hatte (S. 20), forderte der König doch für das 
kriegsgerichtliche Verfahren von ihm eine militärifhe Recht: 
fertigung der Tauroggener Konvention. Das erregte in ben 





32 Erſtes Bud. Der Freiheitälampf und feine Enttäufgungen. 


leitenden ruffifhen Kreifen ernfte Beforgniffe. Won der dazu 
nötigen Reife Yorks nad Breslau fürdtete der Zar einen 
üblen Eindrud auf Armee und Volk: er riet, York folle dem 
Befehl dazu nicht folgen, und verſprach für ihn zu intervenieren. 
Andere fürdteten gar, die Uebelgefinnten wollten fo die Perfon 
Yorks in ihre Gewalt bringen, um bie Erhebung Dftpreußens 
niederzuhalten. Erſt der Abſchluß bes Kaliſcher Vertrages 
klärte die Lage einigermaßen. Am 6. März erfuhr York, daß 
alles nad) Wunfc gehen werde: mit dem ihm nun unterſtellten 
Bulowſchen Corps follte er den Ruffen folgen. Am 12. März 
erhielt er die amtliche Mitteilung, eine Rommiffion habe ihn 
für völig gerechtfertigt erflärt. Ein Armeebefehl des Königs 
that das fund. Sobald der Kaliſcher Vertrag veröffentlicht war, 
ſollte er die Feindfeligfeiten nad dem mit ben Ruſſen ver: 
einbarten Plane eröffnen. Vergeſſen aber hat ber König York 
die Eigenmädtigfeit von Tauroggen nie, und fein geheimer 
Groll wurde durch Einflüfterungen genährt. Sole veranlaßten 
ihn bald nad dem Einmarſch Yorks zu einer Reife nad) Berlin 
(21. März), um die Soldaten, die der General ihm „abwendig 
gemacht“ haben follte, wieberzugewinnen. Weitere koſtbare 
Zeit ging dann durch einen Gegenbefuh bei dem Haren in 
Kaliſch (Anfang April) verloren. 

Am 19. März war in Breslau eine Konvention gefchloffen 
zur Regelung des Vorgehens ber Verbündeten gegen bie Rhein⸗ 
bundftaaten und bie Frankreich einverleibten norbbeutfchen Ge: 
biete. Dur eine Proflamation follten fie als ihre Abficht 
verfünden, Deutſchland der Herrihaft und dem Einfluß Frank⸗ 
reiche zu entreißen und Fürften und Völker zur Mitwirkung 
aufrufen. Jeder deutſche Fürft, der ſich nicht binnen einer bes 
fimmten Frift anfchliegen würde, ſollte mit Verluft der Herr 
ſchaft bedroht, das occupierte Gebiet durch eine Bentralfom- 
miffion mit unumſchränkter Vollmacht abminiftriert werben, 
um feine Mittel dem Freiheitsfampfe bienftbar zu maden. 
Indem man aber dazu Deutfchland von Sachſen bis zur hollän- 
difchen Grenze mit Ausſchluß Hannovers und ber ehemals 
preußiſchen Sande in fünf Sektionen teilte, beſchränkte man 
diefe Mafregel doch alsbald auf Norddeutſchland. Dagegen 


II. Der Freiheitskrieg von 1813. 33 


erflärte die Proffamation, wie Rutufom fie am 25. März er- 
ließ, die Auflöfung des Rheinbundes für geboten und bedrohte 
ale Fürften, die der Fahne des Landesfeindes folgen würden, 
mit Vernihtung durch bie öffentliche Meinung und die Macht 
gerechter Waffen. Unter des Zaren Schuß ſollten Deutſchlands 
Fürften und Völker diefes für die Zukunft „aus feinem ur- 
eigenen Geift“ Iebensfähig geftalten. Als Frucht aber der zu 
beftehenden Kämpfe wurben freie Verfafjungen verheißen. 

Aber die ſolchen Worten entſprechenden Thaten blieben 
aus. Erft am 7. April brach Kutufom von Kalifch auf. Doch 
auch jegt noch hatten die Ruffen in Deutfchland nur 48 000 Mann, 
während Blücher, dem Scharnhorft den Befehl über das in 
Schleſien gefammelte Heer ausgewirkt hatte, 26000 Mann, 
Hort, Bülow und Borftell aber 28 000 Mann führten. Dennoch 
leiteten die Operationen jene: ihre hochbetitelten Generale ftanden 
über den mit beſcheidenem Range größere Abteilungen führenden 
preußifchen, blieben aber an Begabung und Unternehmungaluft 
weit hinter ihnen zurüd. Daher blieb Norddeutſchland weſtlich 
der Elbe, das die Breslauer Konvention und Kutufoms Auf: 
ruf zunächſt im Aug* gehabt hatten, in der Gewalt der Franzoſen, 
obgleich es, wie Tettenborns Zug nad) Hamburg lehrte, leicht 
hätte infurgiert werden können, und Sübbeutfchland, wo Bayern 
in der Hoffnung auf Erhaltung von Rang und Befig Preußens 
Werben anfangs entgegengefommen war, leiftete Napoleon 
weiter Heeresfolge. Selbft Sachſen konnte fi der Knechtſchaft 
nicht entwinden, 

Zwar regten fih auch dort Nationalgefühl und Freiheits⸗ 
finn, mochte aud König Friedrih Auguf an dem Schöpfer 
feines Glüds fefthalten wollen, zu dem aud der herunter: 
gefommene Adel nad wie vor bewundernd aufblidte. Bei 
ſchnellem Einmarſch der Verbündeten wäre dort eingetreten, 
was in Preußen die anfänglide Haltung des Königs hatte 
befürdten laſſen. Nur fehlte in Sachſen ein York. General 
v. Thielmann, der die in Torgau liegende ſächſiſche Armee be 
fehligte, leiteten mehr Ehrgeiz und Eitelkeit als opferfreudiger 
Patriotismus: er war nicht bereit, auf dem Sandhaufen zu 


fterben, blieb auch unthätig, bis es zu fpät war. Der König 
Brad, Preaktige Geihläte. IV. 8 


34 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäuſchungen. 


aber fpielte im Ringen um eine unmögliche Neutralität eine 
tägliche Role. Er barg ſich erft im Voigtland, dann in Regens-⸗ 
burg und enblih in Prag, um fi ben Anerbietungen der 
Alliierten fomohl wie ben Drohungen Napoleons zu entziehen. 
Er rechnete dabei auf den Rüdhalt, den ihm bie gleiche Politik 
Oeſterreichs verhieß. 

Dort hatte Metternich ſchon Kneſebeck gegenüber (S. 23) 
zwar fein Hehl daraus gemadt, daß Preußens Uebertritt zu 
Rußland nicht unerwünſcht fei und ihr Verhältnis nicht ändern 
werde, aber aud darauf hingewiefen, daß Napoleon dadurch 
veranlaßt werben könne, Defterreih näher an fi heranzu⸗ 
nötigen. Er fürdtete Rußlands polnifhe Pläne. Als dann 
die Lage bes öfterreichifchen Corps bei der Großen Armee bes 
forglid wurde, war Schwarzenberg angemwiefen worden, auf 
Krakau zurüdzugehen und (28. Januar) mit den Rufen einen 
Waffenſtillſtand zu fließen, ber ähnlich wie die Tauroggener 
Konvention die zur Sicherung ber Defterreiher führenden Be— 
wegungen vereinbarte. Darin und in ber Verſtärkung ber 
mobilen Armee auf 100000 Mann ſah Napoleon ben erften 
Schritt Defterreihs zum Abfall: bewaffnete Vermittlung wollte 
ex ſich von diefem nicht gefallen laffen. Zum Kriege aber fühlte 
man fi in Wien nicht ftark genug: ihn widerriet namentlich 
bie finanzielle Lage. So ſchien Zuwarten das Vorteilhaftefte, 
zumal man von Preußen ſowohl wie von Rußland bie bündigften 
Zuſagen für die Herftellung feiner Macht erhalten hatte. Eiegte 
aber Napoleon, fo hätte man ſich durch Unthätigkeit ein An: 
recht auf feinen Dank erworben. 

Ueberraſchender als die Unthätigfeit Deſterreichs war für 
die preußifhen Patrioten die Englands. Seit Jahren von 
ihnen ummorben und fie feinerjeits anfeuernd, war es jegt auf 
eine Landung in Norbbeutfchland nicht vorbereitet. Daß da 
Schweden eintrat, war für Deutſchland bedenklich. Schon im 
Frühjahr 1812 war diefem dafür von Rußland Norwegen zu⸗ 
gelagt. Dänemark folte durch deutſches Gebiet entſchädigt 
werben. Dennoch war Schweden 1812 unthätig geblieben, 
weniger aus ben vorgefhügten militärifhen und finanziellen 
Gründen, als weil der Kronprinz Bernadotte mit Frankreich 


II. Der Freiheitstrieg von 1818. 35 


nicht brechen wollte, ehe er des Erfolges fiher war. Erft 
Rußlands Sieg beftimmte ihn zum Handeln, zumal Dänemark, 
obgleich ber Zar ihm bafür die drei Hanfaftäbte bot, Norwegens 
Abtretung verweigerte. Nach einem nun am 3. März in Stod- 
holm gefclofienen Vertrage follte Schweden gegen engliſche 
Subſidien und Erwerbung Norwegens in Norddeutſchland 
30 000 Mann landen, um unter Bernadotte mit Ruſſen und 
Preußen zu operieren. Die Stärke der letzteren wurde ſpäter 
auf 23000 Mann normiert. 

Drei Monate waren feit dem Tage von Tauroggen ver- 
gangen. Bon den militärifchen Vorteilen, bie durch raſches 
Handeln zu gewinnen gemwejen wären, war feiner gewonnen: 
ftatt am Rhein mußte man Napoleon an der Elbe treffen. Auch 
die Stärkeverhältnifie Hatten ſich zu ungunften ber Verbündeten 
verfhoben. Dem mit 135000 Mann nahenben Kaifer führte 
der Bizelönig von Jtalien immer noch 62000 Mann entgegen, 
während in ben Ober: und Weichſelfeſtungen noch 60 000 Mann 
lagen. Dem ftellten die Ruflen 47 000 und Preußen 43 000 Mann 
entgegen, leßteres 25000 Mann unter Blücher, 10000 unter 
York und je 4000 unter Kleift und Bülow. Die Einſchließung 
von Stettin, Spandau und Glogau, dann von Wittenberg, 
wo Franzofen, und von Torgau, mo die Sachſen lagen, band 
30 000 Mann, während die heimifchen Feftungen 15 000 Mann 
Befagung brauchten. Dazu kam bei den Franzofen bie Ein- 
heitlichleit ber Oberleitung, während bie preußifchen Führer 
durch Rutufow aufgehalten wurben, den neben nationalen und 
politiſchen Vorurteilen ſchweres körperliches Leiden hinberte. 
&o drang Scharnhorft mit feinen Entwürfen zu einer Krieg- 
führung großen Stils nicht dur, auch nicht, als Kutufom 
(29. April) farb und dur) den bewegliheren und weniger ruf- 
fiſchen Wittgenftein erfegt wurde. 

Ende März begann der Einmarſch in Sachſen. Bon 
Sölefien her richtete Blucher am 23., von ber Mark aus 
BWittgenftein am 30. März einen Aufruf an die Bevölkerung. 
Im Gegenſatz zu der herzlichen Wärme bes erfteren verftimmte 
der drohende Ton des legteren. Ungünftig wirkte es auch, 
daß Preußen den 1807 verlorenen Kreis Kottbus (3b. II, 


36 Erſtes Bud. Der Freifeitsfampf und feine Enttäufgungen. 


©. 422) fofort (22. März) reunierte. Doch wunſchte die Bes 
völferung ben Anſchluß an die Verbündeten; auch die den ges 
flüchteten König vertretende Immediatkommiſſion erwartete ihn: 
der König aber ſchloß am 21. April eine Konvention mit Defter- 
rei, die Sachſen gegen Teilnahme an ber gewaffneten Ber 
mittelung feine Integrität garantierte und Entfhäbigung für 
den Verluft von Warſchau verhieß. Auch den Erlaß ber von 
den Verbündeten ausgefchriebenen Auflagen verſprach ihm Defter- 
reich auszuwirken. Die fo entftandenen Schwierigfeiten nötigten 
Blucher, der, am 30. März in Dresden eingerüdt, gehofft 
hatte, das Volt für die heilige Sache der Unabhängigkeit zu 
gewinnen und baber, um ber öffentlichen Meinung zum Dur» 
bruch zu verhelfen, Preßfreiheit verkündet hatte, zu firengem 
Auftreten. Dem ihm zuziehenden Wittgenſteinſchen Corps ver» 
fuchte von Magdeburg aus der Vizefönig den Weg zu verlegen: 
bei Mödern von York am 5. April angegriffen, mußte er troß 
feiner 37000 Mann vor dem unmiderftehlihen Anfturm ber 
12000 Preußen weichen. 

Dem glüdlichen Beginn blieb aber der entipredhende Fort» 
gang verfagt. Zwar ging York bei Roßlau über die Elbe, 
und Blücher ftieß bis Altenburg vor. Das Hauptheer aber 
rüdte fo langfam nad, daß die Monarchen erft am 24. April 
in Dresden einzogen. Inzwiſchen kam Napoleon heran: am 
29. vereinigte er fich bei Merfeburg mit dem Bizefönig. Den 
Feind bei Leipzig fuchend, wurde er nah Scharnhorfis Plan 
von den Verbündeten auf dem Marſch am 2. Mai überrajchend 
in ber Flanke angegriffen und zu ber Schlacht bei Großgörſchen 
genötigt. Trotz feiner Uebermacht blieb fie unentſchieden; fie 
würde ganz anders ausgegangen fein, hätte Wittgenftein recht⸗ 
zeitig eingegriffen, ftatt die ruſſiſchen Garden zu ſchonen. Auch 
gewährte fie Napoleon nichts von den üblichen Trophäen. Aber 
den Kampf am nächſten Tage zu erneuern, verbot den Ver- 
bünbeten feine inzwiſchen auf mehr als das Doppelte gewachſene 
Meberlegenheit. Nachts traten fie den Rüdzug an, ber König 
mit banger Sorge vor einem neuen Auerfläbt, Blücher mit 
begeiftertem Dank an feine tapferen Truppen und ber Er 
klärung, fi in Dresden nur neue Munition holen zu wollen: 


II. Der Freißeitäfrieg von 1813. 37 


„wer bas Retirieren nenne, fei ein Hundsfott“. Glänzenb hatte 
die Armee bie erfte Feuerprobe beftanden, ja bie Fühnften Er- 
wartungen ihrer Schöpfer und Führer übertroffen. Noch nie 
hatte man eine fo folge Hingebung für die Sache des Vater— 
landes gefehen. In edelſtem Wetteifer ſuchten die Freiwilligen 
ihre höhere Bildung aud im Gefecht zu bethätigen und bie 
Linienſoldaten nicht hinter ben neuen Waffengenofien zurüd- 
äubleiben, unter denen alle Stände vertreten waren, fo baß 
fie ihre durch die Steinſchen Reformen begründete Einigung 
dur das gemeinfam für das Vaterland vergofjene Blut be 
fiegelten. Schwer freilich waren die Verlufte. Der ſchwerſte 
trat erſt nachträglich ein, ala Scharnhorft der erhaltenen leichten 
Wunde, die fi infolge mangelnder Ruhe verilimmerte, er 
lag, ohne den erjehnten Tag ber Freiheit gejehen zu haben. 

In feinen Wirkungen aber kam ber Tag von Großgörfchen 
doch einer Niederlage gleih. Die Verbündeten gingen Hinter 
die Elbe zurüd, Napoleon z0g in Dresben ein. König Frieb- 
rich Auguſt, von ihm mit einer Frift von wenig Stunden 
vor bie Wahl geftelt zwiſchen Entthronung und fernerer Knecht: 
ſchaft, beugte fi diefer. Das fähfifche Heer z30g in ben Kampf 
gegen feine deutſchen Brüber. Die nationalen Regungen in 
den übrigen Rheinbundftaaten verftummten: ihre Fürften folgten 
aud ferner dem wieder aufleudtenden Stern ihres Protektors. 
Das machte auch in Preußen Eindrud auf Volt und Heer. 
Sollte & ihm gehen wie Defterreih 1808? Eine gebrüdte 
Stimmung griff um fih. Jeden Zweifel an dem Ernft ihres 
Willens zu befeitigen und bie bisher fo herrlich bewährte opfer- 
freudige Begeifterung rege zu erhalten, beſchloſſen daher bie 
verbünbeten Fürften eine zweite Schlacht. Nach ber Laufig 
weichend, nahmen fie auf den Höhen, bie bei Baugen fteil zum 
Spreethal abfallen, eine ftarfe Stellung, in ber fie mit 
80000 Mann dem über das Doppelte verfügenden Kaiſer die 
Spige boten. Zwei Tage (20. und 21. Mai) wurde heiß ge 
zungen: aber infolge ber Fehler der ruffifden Oberleitung 
mußten die Verbündeten ſchließlich wiederum weichen. Auch 
ber tobesmutige Widerftand der fhon arg zuſammengeſchmolzenen 
Preußen wog die Weberlegenheit der napoleonifchen Kriegskunft 


38 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufchungen. 


nit auf. Die größeren Verlufte freilich” waren auf ber Seite 
bes Siegers; aud hatte er von Gefangenen und genommenen 
Fahnen und Kanonen nichts zu vermelden. In ungebrochener 
Kraft und befter Orbnung zurüdgehend, wehrten auch die Ge 
ſchlagenen fein Nachdringen blutig ab, und am 26. Mai brachte 
ihm Blüchers Reiterei in einem glänzenden Gefechte bei Haynau 
neue ſchwere Verluſte bei. 

So wirkte diefer Ruckzug weniger beſorglich als ber nad 
der Großgörſchener Schlacht. Auch wurde die Kampfluft und 
Zuverfiht gefteigert durch feine Richtung. Statt daß, wie 
Napoleon gehofft, die preußifhe Armee Berlin zu deden eilte, 
wichen die Verbündeten vereinigt nad) Schlefien, dem Zentrum 
der preußiſchen Rüftungen, von dem aus ihnen zugleidh auf 
jeden Fall die Verbindung mit Defterreih offen fland. Daß 
Friedrich Wilhelm feine Hauptftabt preisgab, befeitigte jeden 
Zweifel an feinen Abfihten: fo ſchwer ihm der Entſchluß ges 
worden war: nachdem er einmal den von feinem Heer unb 
Volt gewollten Weg betreten hatte, wollte er ihn bis zu Ende 
verfolgen. Wäre er nur gleicher Beharrlihfeit bei feinem 
Bunbesgenoffen ſicher geweſen! Dieſem aber empfahl Barclay 
de Tolly, ber nad den Baugener Tagen Wittgenftein erfegt 
hatte, den Rückzug nad) Polen, um bie erſchütterte Armee 
dort zu reorganifieren. Wer die in des Zaren Umgebung fi 
kreuzenden Einflüffe und feine Abhängigkeit von Stimmungen 
Tannte, hatte Grund zu der Befürchtung, er werde bann über- 
haupt nicht wieder vorwärts zu bringen fein. Damit wäre 
das Schidfal Preußens um fo mehr befiegelt gemejen, ale, 
wie Blücher geltend machte, fteter Rüdzug, durch den man fi 
nebenbei immer weiter von feinen Hilfsquellen entfernte, nicht 
geeignet war, Defterreih zum Anfchluß zu gewinnen. Auf die 
ruſſiſchen Führer aber machten dieſe politiiden und mili— 
täriſchen Argumente feinen Eindrud. Noch hoffte Gneifenau 
ihnen eine neue Schlacht abzuringen: ein Sieg konnte alles 
wenden, die Niederlage erlaubte dem preußifchen Heere wenig- 
ftens, fein Gelübde zu erfüllen und ben legten Blutstropfen 
für das Vaterland zu verjprigen. Selbfthilfe oder Untergang, 
fo formulierte York die Alternative, vor die man geftellt war. 


I. Der Freiheitätrieg von 1813. 39 


Da kam der Feind felbft den bebrängten preußifchen 
Batrioten zu Hilfe, indem er einen Waffenftillftand vorſchlug. 
Vergebli hatte Napoleon den Zaren zu Sonderverhanblungen 
zu gewinnen verfuht: das Spiel von Tilfit gelang biesmal 
nit. Inzwiſchen aber bot Defterreich feine Bermittelung immer 
dringender an. Sie wollte Napoleon um feinen Preis über 
ſich ergehen laſſen, fo günftig die Vorfchläge lauteten, die Graf 
Bubna Ende Mai überbrachte. Sie anzunehmen ſchien immer 
noch Zeit, wenn die Trennung ber Verbündeten nicht gelang. 
Jedenfalls gewann er Zeit, feine Nüftungen fo zu vollenden, 
daß er auch noch Defterreich zu beftehen hoffen durfte. Beit- 
gewinn aber war augenblidlih auch den fampfluftigen Preußen 
erwünſcht. Die gefährlie Krifis, melde die Rüdzugspläne 
der Ruſſen heraufbeſchworen, wurde jo hinausgefhoben und 
eine glimpflichere Löfung ermöglicht, als augenblidlih irgend 
zu erwarten fland. Zudem Inüpften die gemeinfam geführten 
Verhandlungen das Band zwifchen Rußland und Preußen wieder 
fefter, zogen auch Defterreih näher heran, da für etwaige 
Friedensverhandlungen ausdrücklich deilen Vermittelung aus- 
bebungen wurde. Das rüdte bie gehofften politifhen Erfolge 
für Napoleon glei; wieder in weite Ferne und verminderte 
feine militärifhen Ausſichten; aud die Verbündeten waren 
fiher, in den Wochen des Stillſtandes ihre Kräfte beträchtlich 
zu vermehren. Denn nad; Weberwindung des mühfamen An- 
fangsftabiums bethätigte ſich die Scharnhorfifhe Organifation 
der preußiſchen Wehrfraft nun erft in voller Wirkfamkeit, 
namentlich durch die fortſchreitende Ausrüftung der Landwehr 
und das Aufgebot des Landfturms in ben bebrohten Provinzen. 
Zubem bewahrheitet ſich auch hier der alte Spruch, nad dem 
das Schidjal den mit Blindheit ſchlägt, den es verderben will. 
Nichts Nachteiligeres hätte für die Verbündeten gefchehen können, 
als daß Napoleon Defterreihs ihm weit entgegentommenbe 
Anträge annahm. Bei dem Stillſtande waren fie die Ge- 
winnenden. Am 4. Juni zu Poiſchwitz bei Jauer unterzeichnet, 
follte derſelbe bis zum 20. Juli dauern und dann nad; ſechs— 
tägiger Kündigungsfrift ablaufen. Zwei von Norbweft nad 
Süboft vor der beiderfeitigen Gefamtftellung quer durch Deutſch⸗ 


40 Erſtes Buch. Der Freiheitskampf und feine Enttäuſchungen. 


land gezogene Demarkationslinien grenzten einen breiten neu: 
tralen Streifen ab: entgegen dem Stande der Heere beim 
Abflug blieb Schlefien mit Breslau den Verbündeten, bie 
dagegen im Nordweſten Hamburg feinem Schidjal überlaffen 
mußten. Die franzöfiichen Befagungen in den Feſtungen wurben 
nad) Bedürfnis verpflegt, die über die Elbe und nad Sachſen vor⸗ 
geſchobenen Abteilungen ber Alliierten bis dahin zurüdgezogen. 

Zwei Ringern vergleihbar, die nach heftigem Kampf ein- 
halten, um zu dem entſcheidenden Gange Atem zu fchöpfen, 
ftanden bie beiden Gegner einander gegenüber. Die preußiſchen 
Patrioten waren nicht entmutigt: im Gegenteil hatte ber bis- 
berige Verlauf des Kampfes ihre Zuverſicht auf einen fhließ- 
lichen glüdlichen Ausgang befeftigt. Seinen Kopf wollte Gneifenau 
dafür nad der Baugener Schlacht zum Pfande fegen, daß man 
mit ber nötigen Beharrlichkeit das Ziel erreichen werde, und 
Ende Mai faßte er das bisher Gefchehene ftolz und hoffnungs- 
freudig dahin zufammen: „Der neu eröffnete Feldzug flellt einen 
Krieg dar, wie er, ſoweit id} mich der Geſchichte erinnern kann, 
noch nicht mit gleicher Heftigkeit geführt wurde. In vier 
Wochen haben wir mehr als zwanzig heftige Gefechte und drei 
Schlachttage gehabt. Der Tod hat gewaltig unter unferen Offi— 
zieren aufgeräumt. Mehrere Bataillone haben nur noch zwei 
Offiziere übrig, fowie ein Regiment Kavallerie ebenfalls. Letztere 
bat überhaupt mehr als ein volles Drittel verloren. Und 
dennoch ftelt diefer Krieg auf der anderen Seite die fonder- 
barften Refultate dar. Wir haben nun einige und fünfzig 
Gefüge erobert und Dagegen fein einziges verloren. Die Armee 
iſt ohnerachtet ihrer fteten Rüdzüge gefchlofien und ungebrochen 
in ihrem Mute, obgleich unzufrieden mit ben rüdgängigen 
Bewegungen, und in jedem Augenblid ift fie in Bereitichaft, 
eine neue Schlaht anzunehmen.” Und am Schluß bemerkt er: 
„Das fhlimmfte Element nur ift der Kleinmut der leitenden 
Perſonen. Gerade in dem Momente, wo Energie ihnen den 
größten Nugen ſchaffen würde, entbehren fie ſelbiger. Wir 
find wirkli in einer viel befieren Verfaſſung als am Schlacht: 
tage von Lügen, und wir können mit Zuverfiht — in eine 
neue Schlacht, ebenſowohl als der Soldat gehen.“ 


II. Preußen im Moalifionskrieg gegen Frankreich. 
1813—1814. 


Den Waffenſtillftand verwünſchte mander Patriot als 
WMeiſterſtuck troftlofer Gejellen“, und aud wer ihn billigte, 
weil er Zeit gewährte für die Ruſtungen und den Anſchluß 
Defterreiche, fürchtete doch für den Charakter bes Krieges. 
Nicht bloß dem flüchtigen ſächſiſchen Hofe galt der Aufruf von 
Kaliſch (S. 33) für würdig eines Wohlfahrtsausfhufles und 
antimonarchiſch: ähnlich Dachte man in Wien, und wenn Blücher 
und Wittgenftein zum Kampf für Freiheit, Ehre und Unab- 
bhängigfeit aufriefen (S. 35), fo überfam dabei nad} einem ruſ⸗ 
fiſchen Diplomaten die deutſchen Fürften ein Schauer. 
Schwarzenberg erklärte in Paris, der Kaiſer mißbillige eine 
Wendung, welche bie geheiligten Bande zwifchen Fürften und 
Völkern Iodere und, wie jegt in Preußen, „ben Souverän 
nur an die Seite des Volkes ftelle”. In Berlin aber verlangte 
Metternich, der König folle ale geheimen Geſellſchaften auf⸗ 
löjen. Kaiſer Franz nämlich führte Yorks That auf eine ſolche 
zurüd. DVergebli wandte man ein, das würbe nicht bloß die 
Erhebung gefährden, deren Leiter fi) vor den Franzoſen ver: 
bergen müßten, ſondern aud den König in Verdacht bringen. 
Dennoch verſprach dieſer ſchließlich zu erklären, da durch bie 
jüngfte Wendung feiner Politik ihr Zwed erreicht fei, ſollten 
bie geheimen Verbindungen entweder ihre Mittel ihm über- 
laſſen und fi feinen Befehlen fügen oder ſich auflöfen. Auch 
er hielt es für einen Eingriff in bie Rechte des Souveräns 
und für unvereinbar mit ber öffentlichen Ordnung, wenn im 
Staate Geſellſchaften beftänden, bie in einem der Regierung 
unbefannten Sinne wirkten. War bamit nicht das Prinzip 
der Demagogenverfolgungen verkündet? Praktifch freilich wurde: 


42 Erſtes Buch. Der Freiheitsfampf und feine Enttäufungen. 


es nod nit. Denn jene Erklärung unterblieb, teils weil der 
Krieg alles Geheimnis unnötig machte, teils weil ber Zar 
widerſprach. Ruhmten doch gerade die Führer der ruſſiſchen 
Streifcorps die Dienfte, welde die Patrioten ihnen geleiftet 
Hatten. Immerhin erwedte jene öfterreihiiche Anregung bei 
dem König den kaum beiehwichtigten Verdacht gegen fein Volt 
von neuem und entfremdete ihn der nationalen Bewegung. 
No andere Umftände trugen während des Stilfftandes dazu 
dei, ben Charakter des Krieges zu ändern. Der Freiheitslampf 
der Völker wurde ein Krieg der Kabinette, in dem diplo— 
matiſche Geſichtspunkte gegen die großen nationalen Interefien 
überwogen. 

Noch ſchwankte Defterreih, und nur Napoleons verblendete 
Hartnädigfeit trieb es ſchließlich vom Bündnis mit ihm zu bes 
waffneter Vermittelung. Doch wollte der Zar diefe nur zu: 
laſſen (11. März), wenn es fi für den Fall des Scheiterns 
gleich jegt zum Anſchluß an die Verbündeten verpflichtete. Das 
lehnte Metternich aus militärifhen und finanziellen Gründen 
ab, bewilligte aber den Rufen eine geheime militäriſche Konz 
vention (29. März), die das von den Defterreihern ohne Hilfe 
gelaſſene Heer Poniatowskis ernftlich gefährdete. Sonft be 
ſchränkte er fi (2. April) auf die Erklärung, Iehne Frankreich 
die durch das Interefie Oefterreihs und die Wohlfahrt Europas 
‚gebotenen Vorſchläge ab, fo werde ber Kaifer bie gewollte 
Drdnung gemeinfam mit den Verbündeten herbeiführen. Das 
Programm eines Freiheitsfrieges war das freilich nicht. 

Aber auch Napoleon warb in Wien. Bon feinen fünf 
Milionen Einwohnern, fo flug er dort vor, follte Preußen 
nur eine rechts von der Weichfel behalten und je eine an 
Sachſen und Weftfalen, der Reft aber mit Schlefien an Defter- 
reich fommen, wenn dieſes ihm 100000 Mann ftellte. Das 
machte natürlich feinen Eindrud. Denn Oeſterreich wollte den 
Frieden und war entfcloffen, ihn zu erzwingen. Damit war 
fein Anſchluß an die Verbündeten im Prinzip bereits (Ende 
April) entſchieden. Der Tag von Großgörſchen änderte daran 
nichts. Doc eignete fi Metternich die Kalifcher Forderungen 
der Verbündeten nur teilmeife an. Als unerläßlich bezeichnete 


III. Preußen im Roalitiondkriege gegen Frankreich. 43 


er allein die Herftellung Preußens und Defterreihs in dem 
Stand von 1805 und die Auflöfung des Herzogtums Warſchau, 
die des NRheinbundes aber und die Herausgabe ber nordweſt⸗ 
deutſchen Annerionen nur als wunſchenswert. Aber auch darin 
fah Napoleon einen Angriff auf feine Ehre und drängte durch 
die Ablehnung Defterreich vollends zu den Gegnern. Nach den 
Erklärungen, die Stadion (13. Mai) diefen abgab, wollte Deſter⸗ 
reih num nötigenfalls erzwingen bie Herftellung Preußens in 
den ihm von Rußland zugefagten Grenzen, bie Befreiung 
Deutſchlands vom franzöfiihen Einfluß durch Auflöfung des 
Rheinbundes und Rudgabe ber annektierten Gebiete und bie 
Auflöfung des Herzogtums Warſchau, für fich felbft den Beſitz 
von 1805 und in Italien den Mincio und die Pomündungen 
als Grenzen. Anderenfalls wollte es am 1. Juni in Aktion 
treten und dann die Unabhängigkeit aud Spaniens und Hol: 
lands und eine beſſere Organifation Jtaliens durchſetzen. Zur 
gleich empfahl Stadion den Verbündeten eine zweite Schlacht. 
Schon flanden die Heere bei Baugen dazu bereit, als Napoleon 
den Haren zu einem Sonderfrieden zu gewinnen verfuchte, 
Der Rheinbund follte beſchränkt, Weftfalen um 1’. Millionen 
Einwohner auf Koften Preußens vergrößert und biefes durch 
polnifhes Land entſchädigt und „dem ruffiichen Syftem ein» 
gefügt”, bas heißt aus der Reihe der deutſchen Staaten ge: 
Rriden werden. Aber Coulaincourt, der Ueberbringer diejer 
Vorſchläge, wurde nicht vorgelaffen. Der Verlauf der Baugener 
Schlacht konnte Defterreichs Vertrauen zu den Verbündeten nur 
fleigern. Im Einverftändnis mit ihm gingen fie nad) Schlefien 
zurück (S. 38). Seine ſchließliche Entſcheidung ſchien danach 
taum noch zweifelhaft. Nur blieb feine für den 1. Juni ver- 
heißene Aktion darauf beſchränkt, daß Kaifer Franz und Metter- 
nid fih am 31. Mai nad Gitſchin begaben, um leichter mit 
den Verbündeten verkehren zu können. Ja, Graf Neſſelrode 
mußte bei ber Ankunft bajelbft vernehmen, vor dem 20. Juli 
ſei Deſterreich nicht kriegsbereit, erlangte aber (7. Juni) wenig: 
ſtens bie beflimmte Formulierung der öſterreichiſcherſeits an 
Napoleon zu ſtellenden Aniprüde. Auch mahnte Metternich 
zur Verſtärkung der Heere, empfahl, ſich rechtzeitig über die 


44 Erſtes Bud. Der Freiheitälampf und feine Enttäufhungen. 


tünftigen Operationen zu einigen und erklärte fi endlich zu 
einer befonderen Konvention für ben Krieg bereit. 

Daraufhin wurde zu Reichenbach unterhandelt. Was babei 
für Preußen herausfam, krankte wie 1790 an einem unerfreu: 
lichen Widerſpruch zwiſchen ſcheinbarem und wirklidem Erfolge. 
Insbeſondere machte Hardenberg in dem Vertrag mit England 
vom 14. Juni der Ländergier der Welfen verhängnisvolle Zu- 
geſtändniſſe. Zwar war es bei Preußens Geldnot fein Ge: 
vinges, daß England ihm zur Rüftung von 80 000 Mann für 
die zweite Hälfte des Jahres 666 666 Pfund Sterling zahlte, 
doch war das zu teuer erfauft durch die Herftellung Hannovers 
in einem um 250 000—300 000 Einwohner vergrößerten Um⸗ 
fang, zumal Preußen dazu, wenn auch gegen Entſchädigung, 
das Stift Hildesheim hergeben follte und man, troß ber Ent» 
rüftung des Königs über eine ſolche Zumutung, dafür aud Oft- 
friesland in Ausfiht nahm. Wie der Zar Preußen von Polen, 
fo ſuchte England es von dem Norbweiten Deutichlands aus: 
zuſchließen, ſchon um feine Hegemonie über Norddeutſchland zu 
hindern, und hier wie dort wid es ohne jebe Gewähr für 
anderweitige Entſchädigung. Aud die ihm gemaditen finan- 
ziellen Konzeſſionen entſprachen nicht dem, mas es leiftete, 
zumal auf bie Hilfsgelder die gelieferten Waffen und Uni- 
formen angerechnet wurden. Gleichzeitig fonferierten Harden— 
berg und Nefielrode mit Stadion. Der erſte brachte babei 
auch Preußens künftige Grenze zur Sprade: feſtgeſetzt jedoch 
wurde nichts. Mit Napoleon folte Defterreih allein unter 
handeln, doch wollten die Verbündeten dafür Bevollmächtigte 
bei ihm beglaubigen. So wurde am 27. Juni abgeſchloſſen. 
Für Preußen blieb es bei der Vergrößerung aus ben durch die 
Auflöfung des Herzogtums Warſchau frei werdenden polniſchen 
Landen nebit Danzig und jeinem Territorium. Lehnte Napoleon 
die ihm durch Defterreih übermittelten Bedingungen ber Ber- 
bündeten ab, fo begannen die drei Mächte gemeinſam den Krieg, 
Defterreih und Rußland mit mindeftens je 150 000 Mann, 
Preußen mit 80000 Mann, und verlangten weiter Auflöfung 
des Rheinbundes, Abtretung ber nordweſtdeutſchen Annerionen 
und Rüdgabe Hannovers an England. 


II. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 45 


Volle Sicherheit in betreff Deſterreichs aber gab diefer 
Vertrag noch nit, einen fo großen Schritt vorwärts er be— 
deutete. Scharnhorft erlebte audh ihn nicht mehr. Damit 
diefe wichtige Milfion nicht in die ungeeigneten Hände Kneſe— 
beds falle, war er auf Gneifenaus und Humbolbts Andringen 
troß der bei Großgörſchen erhaltenen Wunde nad Wien auf: 
gebrochen, Deſterreichs Rüftungen zu betreiben und ben Ver- 
bünbeten bie Erlaubnis auszuwirken, im Notfalle Böhmen zu 
betreten. Faſt am Ziel, wurde er von Metternid, der ben 
feurigen Batrioten nicht gern in Wien fab, erſucht, mit Schwarzens 
berg in Prag zu Eonferieren. Diefe Reife verihlimmerte feinen 
Zuſtand. Schwer frank fam er am 31. Mai in Prag an. Die 
Sorge um die Zukunft und die Sehnfucht nach ſchneller Ges 
nefung, um rechtzeitig im Felde zu ftehen, zehrten an ihm: 
am 28. Juni ſtarb der Schöpfer ber preußiſchen Wehrkraft, 
als unerfeglih betrauert von allen Patrioten. 

An demſelben Tage hatte Metternich in Dresden eine 
Unterrebung mit Napoleon. Er erkannte dabei den Krieg ale 
unvermeidlich, weil jener ihn wollte. Aber in dem Wunſche, 
Zeit zu gewinnen, trafen fie zufammen. So nahm der Raifer 
die öfterreihifhe Vermittelung an: ein Vertrag vom 30. Juni 
regelte ihre Formalitäten. Dafür bemilligte Metternich die 
Verlängerung ber Waffenruhe bis zum 10. Auguft, nebft fechs- 
tägiger Frift bis zum Beginn ber Feindſeligkeiten. An ben 
Erfolg des Rongrefies, der am 5. Juli in Prag beginnen follte, 
glaubte Feiner. Wielleicht gelang es Napoleon doch noch, bie 
Gegner zu teilen. Den Verbündeten aber konnte nichts Uebleres 
begegnen, als daß Napoleon Deſterreichs Vorſchläge annahm, 
und aud) dieſes mußte wunſchen, den Kampf, ber demnächſt 
doch ausgefochten werben mußte, jet auszufechten. Ernſilich 
für den Frieden waren daher nur die einfichtigften unter ben 
franzöſiſchen Diplomaten: fie beſchworen ihren Herrn, fi mit 
der immer noch gebietenben Stellung zu begnügen, bie Defter: 
reich ihm laſſen wollte. Daß er dies thue, war die Sorge ber 
preußifhen Patrioten: ſtatt des erfehnten Krieges wäre dann 
ein fauler Friede das Ergebnis des Kongrefies geweien. Ab: 
gewandt hat das nächſt dem Starrfinn Napoleons bie Feſtig⸗ 


46 Erſtes Bud. Der Freiheitälampf und feine Enttäufcungen. 


teit, mit der Wilhelm v. Humboldt, der preußiſche Geſandte 
in Wien, in Prag jede Verſchleppung der Entſcheidung über 
den 10. Auguft hinaus hinderte. Auf eine folde hatte es 
Napoleon abgejehen, während man anfangs vielmehr befürchtete, 
er werde bie Feindfeligkeiten vor Ablauf der Waffenruhe aufs 
nehmen. Der Ueberfal des Lügomfchen Corps auf bem vers 
fpäteten Marſche Hinter die Demarlationglinie bei Kitzen 
(17. Juni) ließ derartiges beforgen und veranlaßte gereizte Er: - 
örterungen. Daher wurde über die Verlängerung bes Still» 
ſtandes auch noch direkt zwiſchen ben kriegführenden Teilen 
unterhandelt und erſt am 26. Juli abgeſchloſſen. 

In Prag trafen Humboldt und Anſtett zunächſt nur Nar⸗ 
bonne und zwar ohne Inſtruktion: Goulaincourt ließ auf fih 
warten. So hoffte Napoleon eine Verlängerung ber Waffen- 
tube zu erreichen. Bot Metternich dazu die Hand, fo wurde 
er für die Verbündeten ala Vermittler unmöglid. Damit ftand 
die Ergebnislofigfeit bes Kongreſſes, der eigentlich gar fein 
Kongreß war, zum voraus fe. Auch drehten fi bie Ver- 
handlungen nur um Formalien, da die Vorſchläge, bie der am 
26. Zuli eintreffende Coulaincourt überbrachte, unannehmbar 
waren. Ein nochmaliger Verſuch Napoleons, Defterreih durch 
Gewährung befonderer Vorteile von ben Verbündeten zu trennen, 
blieb erfolglos: bis zum 10. Auguft verlangte man auf bie 
geſtellten Bedingungen ein Mares Ja oder Nein. Als bie lepte 
Stunde besfelben flug, ohne daß die Antwort erfolgt war, 
erklärten Humboldt und Anftett ihre Vollmacht für erloſchen 
und rüfteten zur Abreiſe. Feuerzeichen trugen die frohe Bot: 
ſchaft zu den Armeen nad Schlefien. Die Patrioten jubelten. 
Doch konnte man noch immer zweifeln, ob Defterreih bie 
Konfequenzen ziehen würde, die es in Reichenbach für den nun 
eingetretenen Fall verheißen hatte. Denn als Napoleon nad 
träglich Zugeſtändniſſe im Sinne ber öſterreichiſchen Vorſchläge 
anbot, wies Metternich ſie nicht einfach ab, ſondern brachte 
fie an ben eben angekommenen Zaren. Dieſer verwarf fie 
und machte einen neuen Friedenskongreß überflüffig. Europa 
trat gegen Frankreich in Waffen. 

Die Waffenruhe hatte die Gebuld ber Patrioten auf eine 


II. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 47 


barte Probe geftellt. Aber fie war nicht verloren worden. 
Jetzt erſt Hand Preußen in voller Rüftung. Die Organifation 
und Bewaffnung ber Landwehr war beendet. Die allgemeine 
Opferfreubigfeit war ſich glei) geblieben. Stabt und Land 
wetteiferten darin. Auch bie fühnften Erwartungen übertraf, 
was bas ſeit Jahren fo ſchwer belaftete Land für ben Frei- 
heitsfampf leiftete. An Landwehr ftelte es im ganzen 132 Ba- 
taillone Infanterie und faft 100 Eskadrons Kavallerie. An 
Lieferungen brachte die Kurmark allein für 30 Millionen Mark 
auf. Noch nie war das preußiiche Volk jo durchdrungen ges 
wefen von dem Gefühl der Zufammengehörigkeit, der Einheit 
mit dem Staat und dem König. Jetzt erft erftarkte fein bis— 
ber mäßig entwideltes Staatsbewußtfein zu lebendigem Nationale 
gefühl. In ihm wies es auch dem Königtum in ber fittlichen 
Drdnung eine andere Stellung an. Auf dem fo gefeftigten 
Grunde ber Monarchie aber erlebte es eine Wiedergeburt, wie 
das franzöfifhe Volk fie einft unter dem Zwange der Revo: 
lution und des europäifchen Krieges durchgemacht hatte. Zu 
dem bamals bort Geſchehenen bot, was jet bier vorging, 
Parallelen, die von preußiſchem Jakobinertum zu ſprechen er⸗ 
laubten. War die allgemeine Wehrpflicht, wie fie jegt in 
Preußen thatfählich galt, jo fehr verſchieden von ber fran- 
zöfifhen Konſkription? War der Landfturm nicht mehr als bie 
fabelhafte Maſſenerhebung? Entſprachen nicht dem Terroris- 
mus, der dort alles zu den Waffen genötigt hatte, die firengen 
Strafen, die hier dem drohten, ber ſich feiner Pflicht gegen 
das Baterland zu entziehen verſuchte? Der Tod ftand auf dem 
Verſuch, den Landſturm gegen die foziale oder ſtaatliche Ord⸗ 
nung zu brauden, auf Dejertion, Mißachtung des Aufgebots 
und Inſubordination Minderung der bürgerlichen Ehrenrechte, 
auf Feigheit Verluft des Waffenrechts, Verdoppelung der Ab» 
gaben und Leiftungen, ja körperliche Zuchtigung. Wie 1789 
in Frankreich, fand die neue Einheit ihr Abzeichen in der preu= 
ßiſchen Nationalkokarde. 

Doch nicht bloß als Preußen fühlten ſich die Freiheits- 
kämpfer: wider die Fremdherrſchaft gewaffnet, wurben fie fi 
auch ihres durch diefe bedrohten Deutſchtums bewußt. Räums 


48 Erſtes Bud. Der Freiheitäfampf und feine Enttäufhungen. 


lich beſchränkt, erwuchs die preußifche Bewegung ihrem Weſen 
nad) zur deutſchen. In der lange mißachteten beutfchen Art, 
die man nun vornehmlich in dem Waffenrecht und ber Waffen- 
pflicht ſah, entdedte man eine Duelle nationaler Berjüngung. 
E. M. Arndt verfündete den Gedanken der allgemeinen Wehr: 
pflicht als altgermaniſch und feine Verwirklichung als den beften 
Schuß deutſcher Art und Freiheit. Auch das Königtum erhielt 
damit einen neuen Inhalt. Dem fridericianifchen „Alles für, 
nichts durch das Volk“ fegte die Nation den Wahlſpruch ent« 
gegen „Alles durch das Volk für den König“. Man brach 
mit ber franzöffchen Vorftelung von dem Königtum als einer 
Würde, die, göttlihen Urfprungs, unumfchränkt und unver 
antwortlich, feine Lebensgemeinihaft mit dem Volle haben 
tönne. Als Friedrich Wilhelm duch den Aufruf vom 17. März 
den Entſchuß zum Kriege. vor feinem Volke rechtfertigte, riß 
er felbft die Schranken nieder, die König und Bolt bisher ge 
trennt hatten. Und wie er zum Volke geſprochen, wollte auch 
diefes nun zu ihm ſprechen können. Dazu hatten angefihts 
der Erbaärmlichkeit der beftehenden Zeitungen im Einverftänd- 
nis mit Scharnhorft Schleiermacher und Niebuhr dem Staate-" 
kanzler die Erlaubnis zur Gründung bes „Preußifhen Korreſpon ⸗ 
denten“ abgerungen. Mit der Freiheit bes Handelns ſollte 
Preußen auch die der Rede und der Schrift wiedergegeben fein. 
Bol Dankgefühls gegen die Feldherren, die unerſchüttert und 
vol Gottvertrauen die Befreiung vorbereitet, wurden da bie 
Gerichte Gottes gepriefen, die in der Nation den Inftinkt der 
Rettung erwedten, ber bem Willen des Königs entgegenfam 
und feine Gefege wie einmütige Beſchluſſe einer Vollsverfamm- 
lung erſcheinen ließ. Verſtändlicher noch und eindringlicer 
entwidelte denſelben Gedanken von der neuen Lebensgemein⸗ 
ſchaft zwifhen König und Volk die fi herrlich entfaltende 
patriotifche Dichtung. 

Nur dedten fi) die Wunſche des preußifchen Volkes nicht 
mit denen ber leitenden Staatsmänner, Namentli Metternich 
kam es weniger auf bie Vernichtung bes Gegners an als 
darauf, daß die Verbündeten nicht Erfolge gewannen, bie 
Defterreih fhädigten, daß vor allem Rußlands Abfichten auf 


II. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 49 


Polen und die Hegemonie Preußens in Norbdeutihland ges 
bindert würden. Dieſe Gegenjäge traten auch im betzeff der 
Kriegführung zu Tage. Noch trieb den Zaren neben der Bes 
gierde nach Polen auch ber perfönlihe Haß gegen Napoleon 
vorwärts: das unentbehrliche Preußen dachte er möglichſt billig 
abzulohnen. Gegen Defterreih aber war er von tiefem Miß- 
trauen erfüllt. Diefes wieder wünjchte den Krieg möglichft 
bald zu beendigen: er follte Napoleon nur zur Nachgiebigkeit 
zwingen. Daher feine vorfihtig zuwartende Kriegführung, die 
mit großen Wagniſſen auch die Machtverhältnifie gründlich 
wanbelnder Erfolge ausſchloß und die Entſcheidung zwiſchen ben 
Varteien bei ihm ließ. Trotzdem bildeten innerhalb der Koalition 
diefe drei Mächte einen engeren Bund. Am 9. September er- 
festen fie die vorläufigen Reichenbacher Abmachungen (S. 44) 
zu Teplig durch definitive Verträge. Das durch Frankreich 
geftörte Gleichgewicht herzuftellen, ſollten Defterreih und Preußen 
in den Stand von 1805 gebracht, der Rheinbund aufgelöft, 
Hannover reftauriert und über das Herzogtum Warſchau eine 
friedliche Verftändigung erfirebt werden. Das entband Rus 
land von der anfänglichen Zuſage der Herftellung Preußens in 
den Stand von 1803. Indem ferner im Einklang mit dem Kaliſcher 
Vertrag erklärt wurde, die deutſchen Staaten zwiſchen Defter- 
zeih und Preußen und dem Rhein und ben Alpen follten volle 
und unbedingte Unabhängigkeit genießen, entſchied man mit 
Preußens Einverftändnis bereits über Deutſchlands und Preußens 
Zukunft. Nah den beiden Richtungen, in denen ihm bisher 
Vergrößerung verheißen war, wurde Preußen dadurch ſchon jegt 
der Weg verlegt. 

Milttärif hatte die Waffenruhe die Lage der Verbündeten 
verbefiert. Mit etwa 470000 Mann im Felde waren fie 
Napoleon um 30000 überlegen. Das wog freilich den Vor⸗ 
teil nit auf, den jenem bie Einheit der Leitung gewährte 
gegenüber der Vielheit der Willen bei ihnen. Denn nur ges 
wifle leitende Gefihtspunfte waren in den im Juli zu Traden- 
berg gehaltenen Konferenzen vereinbart, ein ungefährer Durch⸗ 
ſchnitt aus den miteinander ftreitenden Meinungen. Hatte 
man auch bei der Bildung ber drei Armeen, in bie ſamtliche 

Prut, Dreubiiche Geſchichte. IV. 


50 Erſtes Bud. Der Freiheitätampf und feine Enttäufungen. 


Streitkräfte geteilt wurden, die Einheit im Rampfe gegen Franke 
reich zum Ausbrud zu bringen geſucht: die Einheitlichfeit des 
Handelns hinderten alle möglichen Sonberintereffen. Namentlich 
geihah das bei der in Böhmen ſtehenden Kauptarmee, bie 
unter dem Oberbefehl des Fürften Schwarzenberg jämtliche, 
etwa 110.000 Defterreiher und 33 000 Ruſſen unter Wittgen« 
fein mit 42000 Preußen unter Kleift vereinigte. Bei ihre 
weilten die Monarchen mit ihren militärifcgen und diplomatiſchen 
Beratern. Das Zentrum bildete die Schlefifche Armee, drei 
zuffiiche Corps und 38000 Preußen unter York, im ganzen 
99 000 Mann unter Blücher mit Gneifenau, der während bes 
Stilftandes in Schlefien als Generalgouverneur die Landwehr 
organifiert hatte, als Stabschef. Auf dem rechten Flügel bes 
fehligte Bernadotte die Nordarmee, über 150 000 Mann, dar⸗ 
unter 78000 Preußen unter Bülow und Tauenzien, dann 
Rufen, Schweden, Engländer und Deutfhe. Als ein über 
Prag, Breslau und Berlin gefpannter Bogen umfaßte bie 
Stellung der Verbündeten die Napoleons, deren Zentrum 
Dresden bildete. Den Hauptftoß gegen bieje follte die Böh— 
miſche Armee führen. Aber man wollte nur fehlagen, wenn 
der Erfolg ſicher fehlen: deshalb folte die Armee, bie von 
Napoleon jelbft bedroht mwurbe, zurüdweihen, während bie 
beiden anderen vorgingen. Ungefähr ift diefer Plan auch ein⸗ 
gehalten worden. Nur machte die Vielköpfigfeit ihrer Leitung 
die Böhmifche Armee zu der ihr zugedachten Rolle untauglic. 
Die Nordarmee lähmte Bernadottes zweibeutige Lauheit, und 
ſelbſt Blücher wurde gelegentlih duch die ruſſiſchen Generale 
und Yorks Eigenfinn behindert. Doc bielt man den Grund» 
gedanken des Planes feit, indem immer die von Napoleon mit 
feiner Hauptmacht bebrohte Armee auswich, die beiden anderen 
aber vorrüdten und fo die Durchbrechung ihrer Stellung hin⸗ 
derten, bis der Keil, den Blücher in Napoleons Linie trieb, 
diefen zur Defenfive, die Böhmifche und die Nordarmee aber 
zu entſchloſſenem Vorgehen nötigte. 

Seine gefährlichſten Gegner zur Teilung ihrer Kräfte zu 
zwingen, ließ Napoleon Berlin bebrohen. Aber den Vorftoß, 
den Dubinot von Magdeburg aus unternahm, wies troß Berna⸗ 


IH. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 51 


dottes Gegenwirfen Bülow am 23. Auguft bei Großbeeren zurüd. 
Dem Dubinot zu Hilfe eilenden Girard brachte General v. Hirſch⸗ 
feld am 27. bei Hagelberg eine blutige Niederlage bei. Herr⸗ 
lich wie bort die pommerſchen bewährten fi hier bie kur—⸗ 
maͤrkiſchen Landwehren, obgleich der Kolben dabei nit bie 
Node fpielte, welche die Legende ihm zufchreibt (Bd. I, S. 30). 
Inzwiſchen war Blücher, erft gegen Ney vorbringend, vor 
Napoleon gewichen und die Große Armee auf Dresden gerüdt, 
wo fie von dem zurüdeilenden Kaiſer am 26. und 27. Auguft 
geſchlagen wurde, während Blücher den unvorfihtig andrängen- 
den Machonald mit Hilfe der Ruſſen unter Saden am 26. 
an ber Katzbach vernichtend ſchlug. Auf dem Rüdzuge von 
Dresben hielt auf Friedrich Wilhelms Veranlaflung Oftermann 
bei Kulm (29. Auguft) den andrängenden Vandamme helben- 
mütig auf, dem bei Nollendorf ein glüdliches Ungefähr den 
einen Ausweg aus den Bergen ſuchenden Kleift in den Rüden 
führte, fo daß er ſich nach verzweifelter Gegenwehr am 30. Auguft 
Triegögefangen geben mußte. Auch ben neuen Angriff Neys 
auf Berlin vereitelte Bülow, indem er in Auflehnung gegen 
Bernabotte bem bei Jüterbog bebrängten Tauenzien zu Hilfe 
eilte, am 26. September durch den Sieg bei Dennewitz. 
Angefichts diefer Erfolge ignorierte Blücher den ihm nad 
der Dresdener Schlaht zugegangenen Befehl zum Rüdzug und 
zur Ueberlaſſung eines Teils feines Heeres an das Böhmiſche: er 
marfdjierte nad der Elbe. Dorthin wandten fih, unbefümmert 
um Bernabdotte, auch Bülow und Tauenzien, und als York 
am 3. Oktober die Elbe überfhritt und ſich in blutigem Kampfe 
bei Wartenburg behauptete, mußte auch Bernabotte vorgehen: 
die Schleſiſche und die Nordarmee fanden im Rüden Napoleons, 
der vergeblich erft Blücher und dann die Böhmiſche Armee, die 
durch die ruſſiſchen Referven um 57000 Mann verftärkt war, 
zum Schlagen zu bringen fuchte. Schon ftreiften die Koſaken 
bis Kaſſel, Bayern unterhandelte mit Defterreih und die Böh- 
miſche Armee zog auf Leipzig. Nun räumte Napoleon am 
7. Oktober Dresden. Als aber Blücher und die Nordarmee 
vor ihm hinter die Saale wihen, wollte er über die Elbe geben, 
Berlin nehmen, die Befagungen von Magdeburg, Hamburg, 


52 Erſtes Bud. Der Freiheitälampf und feine Enttäuſchungen. 


Stettin und Danzig an fich ziehen und fo weiter kämpfen: die 
NKriegsmüdigkeit feines Heeres machte den verwegenen Plan 
unausführbar. Am 8. Dftober ſchloß Bayern mit Defterreich 
den Bertrag zu Rieb, der es gemäß dem Tepliger Abkommen 
feines Befiges und feiner Souveränetät verſicherte. Nur eine 
fiegreihe Schlacht konnte Napoleons Stellung in Deutſchland 
nun nod retten. So zog er ber Großen Armee nach Leipzig 
entgegen. Die Völkerſchlacht (16., 18. und 19. Oktober) ent: 
ſchied gegen ihn. Vergeblich ſuchte er nad dem erſten Tage 
(16.), an dem er im Süben bei Wachau in der Abwehr glüdli 
war, im Norden aber Marmont von York bei Mödern ges 
ſchlagen wurde, auf Grund ber in Prag abgelehnten Zugeftänds 
niffe zu unterhandeln. Er blieb ohne Antwort. Die dadurch 
veranlafte Waffenruhe (17.) ermöglichte den übrigen Truppen 
der Verbündeten beranzulommen. Nun in der Minderzabl, 
hielt Napoleon mit äußerfter Anftvengung Probftheida, das 
Zentrum feiner Leipzig in weitem Bogen bedenden Stellung, 
bis zum Abend des 18. Die Niederlage der auf Leipzig weis 
chenden Flügel nötigte ihn endlich zum Nüdzug. Noch ehe die 
Beſiegten die Stadt paffiert hatten, drangen am 19. bie oft 
preußifchen Landwehren unter Major Friccius am Grimmaiſchen 
Thor ein: der Ruchzug wurbe zur Flucht. Mittags zog Fried» 
rich Wilhelm mit dem Zaren ein. König Friedrich Auguft von 
Sachſen, der in der Stabt weilte, wurde kriegsgefangen nad 
Berlin geführt. Völlig ausgenugt aber wurbe ber teuer er⸗ 
Taufte Sieg nicht. Nur York blieb am Feinde, holte ihn ein, 
Tonnte ihn aber nit zum Stehen bringen. Mit immer nod 
90000 Mann entlam Napoleon über den Rhein, nachdem er 
fih bei Hanau (30.31. Oktober) duch die Bayern durch—⸗ 
geſchlagen hatte. 

Stärker ala bisher bethätigte ſich alsbald die Verſchieden⸗ 
beit der Intereffen der Mächte. Während fie durch die Leipziger 
Konvention vom 21. Oktober die ſchon früher vorgefehene 
Sentralbehörbe zur Verwaltung ber eroberten deutſchen Lande 
unter Stein ins Leben riefen, bewilligte Defterreih am 2. No— 
vember zu Fulda Württemberg für den Mebertritt die gleichen 
Bebingungen wie Bayern. Kaifer Franz und Metternich ſahen 


II. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 53 


den Zwed des Krieges als erreicht an. Der Zar wollte ihn 
jenfeits des Rheins fortfegen. So trat in den legten Wochen 
des Jahres, als die Monarhen in Frankfurt weilten, eine 
Krifis ein. Als ob er nod immer Vermittler wäre, bot Metter 
nic) durch den franzöfiihen Gefanbten in Weimar, St. Aignan, 
Napoleon Frieden an auf Grund der Unabhängigkeit Deutfch- 
lands, Hollande, Italiens und Spaniens und ber Beſchränkung 
Frankreichs auf feine natürlichen Grenzen, den Rhein, bie 
Pyrenäen und die Alpen. Das nannte er zur Entrüftung der 
Patrioten einen vorteilhaften Frieden. Napoleon aber wollte 
wohl unterhandeln, aber nicht diefe Bafis annehmen. So 
mußten auch die Diplomaten auf weiteren Krieg denken, nur 
feinen nationalen Freiheitskrieg, ber Frankreich erbittern konnte. 
Wie eine Entſchuldigung bei diefem Mang das Manife, in 
dem die Monarchen am 1. Dezember ihren Entfhluß zur Forts 
fegung des Kampfes kundgaben: nicht Frankreich gelte er, folle 
vielmehr nur die Uebermacht Napoleons brechen, dem ritter⸗ 
lichen, zulegt freilich unglücklichen franzöfifhen Volke aber ein 
größeres Gebiet laflen, als es unter feinen Königen beherricht 
habe. Denn als eine der Grundfäulen in dem Bau der Ge- 
ſellſchaftsordnung unentbehrlih für bie europäifhe Kultur — 
diefe Theorie Fam der jüngften Vergangenheit zum Hohn da⸗ 
mals auf — dürfe Frankreich nicht geſchwächt werden. Suchte 
Metternich doch in ihm bereits den Verbündeten, deſſen er ſich 
bei der Neugeftaltung Europas nad) feiner Gleihgewichtstheorie 
ſowohl gegen Rußland wie gegen Preußen bedienen Fönnte, 
Mit diefem Frankreich ſchmeichelnden Manifefte verleugneten 
die Monarchen völlig die Motive, die ihre Völker in den Krieg 
getrieben, und Friedrich Wilhelm ſetzte fi in einen unaus— 
gleihbaren Widerſpruch mit alledem, wozu er fi in dem Auf⸗ 
ruf „An Mein Bolt“ befannt hatte. 

Inzwiſchen hatte zwar Bülow Weſtfalen erobert, Minden, 
Münfterland und Oftfriesland gewonnen und Holland befreit; 
bie von den Franzoſen noch befegten Feftungen mwurben be- 
lagert: was aber weiter geſchehen follte, war in Frankfurt no 
völig unklar. Vom Aheinübergang wollte der König mit 
KAnefebed nichts wiſſen: man follte ftehen bleiben, ſich ver- 


54 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen. 


ſtärken und den Feind erwarten. Der Bar, Stein, Blücher, 
Gneifenau drängten vorwärts. Aber die einen wollten über 
den Unterrhein und durch Flandern, die anderen über ben 
Oberrhein und duch die Schweiz nad Franfreih einbrechen. 
Schließlich kam ein Kompromiß zu ftande: den Weg nad) dem 
als angeblich herrſchende Stellung zum Sammelplag befiimmten 
Plateau von Langres ſollten die Defterreiher duch die Schweiz, 
die unter Blücher vereinigten Preußen und Rufen vom Mittel: 
thein her nehmen. Darüber aber war das Jahr fait zu Ende 
gegangen. Erſt in der Neujahrsnacht 1814 ſetzte Blücher bei 
Raub über ben Nhein: mit freudigem Hurra ftürmten feine 
Beute das jenfeitige Ufer, und patriotifche Lieber fingend zogen 
fie in das neugewonnene deutſche Land hinein. 

Ohne Schwierigkeiten erreichten die Verbündeten die Gegend 
von Langres (21. Januar). Da veranlaßten Differenzen zwifchen 
Diplomaten und Militärs einen Stilftand. Der Zar drängte 
nad Paris. Friedrich Wilhelm wünfhte aus Gumanitätsrüd: 
fihten den Krieg zu beenden. Metternid, militäriſch von 
Kneſebeck unterftügt, erklärte alles Erreihbare für erreicht und 
wollte unterhandeln. Das eröffnete Napoleon unverhoffte Aus— 
fihten und verfchärfte die Gegenfäge zwiſchen den Verbündeten. 
Ein folder beftand auch in Preußen zwiſchen der Thatenluft 
der Patrioten in Armee und Volt, die in ihrem Haß gegen 
den Tyrannen Blücher als nationalen Helden feierten, und der 
jeder gewagten Entſcheidung abgeneigten Schwäche des Königs, 
der froh war, den unheimlichen Volfstrieg los zu fein. So 
bedingten Blüchers Erfolge oder Mißerfolge die Schwankungen 
der preußiſchen Politit. Muhſam hatte er fih am 29. Januar 
bei Brienne Napoleons erwehrt, brachte ihm aber fon am 
1. Februar, von Defterreihern, Rufen und Württembergern 
unterftägt und ausbrüdlich zum Oberbefehlshaber beftellt, bei 
La Rothiere eine Niederlage bei, die er zu ſchnellem Vormarſch 
auf Paris benugen wollte. Aber das Hauptheer blieb zurüd: 
ja am 3. Februar trat in Chatillon ein Friedenskongreß zu⸗ 
fammen. 

Die Bevollmächtigten ber Verbündeten — für Preußen 
W. v. Humboldt — follten im Namen Europas die Beſchrän⸗ 


IH. Preußen im Koalitionskriege gegen Frankreich. 55 


tung Frankreichs auf einen Umfang fordern, in dem es bas 
Gleichgewicht und die Unabhängigkeit der übrigen Mächte nicht 
gefährden könne, aber gewiſſe Grenzregulierungen und bie teils 
weife Rüdgabe ber Kolonien zugeftehen dürfen: man wollte 
Frankreich im wefentliden bie Grenzen von 1792 laſſen. Doch 
nahm Goulaincourt diefe Bafis nicht ohne weiteres an, ſondern 
hielt fi wieder an Formfragen und Nebendinge. Er rechnete 
auf bie Uneinigfeit der Verbündeten, rang ihnen auch, als fie 
mit Abbruch der Verhandlungen brohten, die Vertagung bis 
zum 17. Februar ab. Inzwiſchen aber kam es über den von 
ihm bei Metternich beantragten Waffenftillftand in dem ver- 
bundeten Hauptquartier zu Troyes zu peinlihen Erörterungen. 
Der Zar verwarf ihn, Preußen war dafür, ebenfo England 
und Defterreih, das Schwarzenberg anwies, die Seine nicht 
zu überſchreiten. Man ließ ben vorbringenden Blücher im 
Stich. Am 10. warf fih daher Napoleon bei Champaubert 
zwiſchen ihn und Saden, ſchlug legteren am 11. ſamt dem 
ihm zu Hilfe ziehenden York bei Montmirail und fiegte am 14. 
bei Etoges abermals über Blücher. Das fteigerte bie Ver- 
wirrung bei ben Verbündeten. " 
Defterreih drohte bei Ablehnung des Stillftandes aus der 
Roalition auszutreten. Zuſammen mit ben Unglüdsbotfhaften 
von Blucher machte das auf den Zaren Eindrud. So vers 
fändigte man fi nochmals. Defterreih verzichtete auf den 
Stilftend und nahm an dem Vormarſch auf Paris teil; dafür 
aber jolte in Chatillon weiter unterhandelt und auf Grund 
der gemachten Vorſchläge ſchleunigſt abgeſchloſſen werben; 
weigerte Napoleon das, fo wollte man glei nad der Ein- 
nahme der Hauptftabt dem alsdann einzufegenden Ludwig XVII. 
die gleichen Bedingungen bewilligen. Damit es dazu nicht 
Tomme, wurben bie Bevollmächtigten Defterreichs und Preußens 
in Chatillon angewiefen, den Vorfrieden thunlicft zu be— 
ſchleunigen. So ſchienen die Gegner des Krieges am Ziele, 
als ein unerwarteter Zwiſchenfall eintrat. Wohl infolge eines 
Mißverſtändniſſes der ihm gemachten Mitteilungen über bie 
nah Chatillon gefehidte Inftruftion bot Schwarzenberg mit 
Buftimmung des plöglich wieder einmal Mleinmütigen Haren, 


56 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufchungen. 


dem nad dem Siege über Blücher auf ihn andringenden 
Napoleon am 17. Februar einen Waffenſtillſtand an und ftellte 
die Feindfeligkeiten ein, während an demſelben Tage bei der 
Aufnahme der Verhandlungen in Chatillon Goulaincourts An⸗ 
trag auf einen ſolchen abgelehnt wurde. Natürlich fühlte ſich 
Napoleon fofort wieder ala Herrn der Lage: er machte die 
Waffenruhe abhängig von der Bewilligung ber ihm in Frank⸗ 
furt geftellten Bedingungen (S. 53), und die Vorteile, die er 
am 18, bei Montereau über die Hauptarmee der Verbündeten 
erfoht, ließen feine Drohung nicht ganz grunblos erſcheinen, 
ohne Stilftand feien die in Frankreich eingebrungenen Heere 
verloren, zumal er, den weichenden Gegnern folgend, auf Troyes 
vorbrang. 

Die Lage der Verbündeten wurde kritifh. Zuſehends 
verfchlechterte der beprimierende Nüdzug die Stimmung ber 
Heere. Schwarzenbergs Verhältnis zu dem nun wieder vor⸗ 
wärts firebenden Zaren, dem König und bem kriegsluſtigen 
Teil des Hauptquartiers wurde immer übler. Man ftand vor 
einer folgenſchweren Entſcheidung, als am 25. Februar in 
Bar fur Aube ein großer Kriegsrat zufammentrat. Wieder 
kam es zu einem Kompromiß, bas aber wenigftens der preu- 
ßiſchen Thatenluft Rechnung trug, Um nicht durd eine ans 
geblich bei Lyon gebilbete franzöfifhe Armee von ber Schweiz 
und Italien abgeſchnitten zu werben, follte, jo wurbe ver⸗ 
einbart, das Hauptheer fi zunädft noch auf die Defenfive 
beſchränken, das Schlefiihe aber den Vormarſch wieder aufs 
nehmen. Blücher befam alfo freie Hand. Daß dieſer Beſchluß 
fofort wirkſam wurde, war des Königs Verdienſt, der wieder 
einmal fein nüchternes militärifhes Urteil bewährte. Bei der 
Nachhut weilend, die vor Napoleon auch aus Bar jur Aube 
weichen mußte, erkannte er bie Gefahren, bie ein weiterer 
Nüdzug drohte. Es war einer von ben jeltenen Momenten, 
wo er der Zweifel an dem eigenen Können Herr wurbe unb 
mit inftinftiver Sicherheit handelnd, gleichſam über fich felbft 
erhoben erſcheint. Perſönlich beftimmte er am 26. Februar 
Schwarzenberg, fofort Halt zu machen und den Vormarſch am 
nächſten Tage zu beginnen. Unter feinen Augen wurde am 


III. Preußen im Noalitiondfriege gegen Frankreich. 57 


27. Bar fur Aube zurüderobert. Wie richtig er den Augen- 
blick erfaßte, bezeugt das Schreiben, das er nad; jenem Kriegs⸗ 
rat an Blüher richtete: in feiner Hand Tiege der Ausgang 
bes Felbzuges; mit ben verbündeten Monarchen fei er ber Zu⸗ 
verfiht, er werde das auf ihn gefete Vertrauen rechtfertigen 
und bei ber ihm eigenen Entſchlußkraft doch nie vergeflen, daß 
von der Sicherheit feiner Erfolge das Wohl aller Staaten 
abhänge. Auch der König bekannte fi damit zu dem greifen 
nationalen Helden und gewann wieder Anſchluß an die Patrioten, 
die mit jenem den Kampf gegen Napoleon als eine Pflicht 
nationaler Vergeltung anfahen. 

Auch auf die politifhe Lage wirkte diefer Fräftige Ent» 
ſchluß Märend ein. Die Koalition ſchloß fich fefter denn je. 
Im Hauptquartier der Verbündeten zu Chaumont wurde am 
1. März ein Vertrag unterzeichnet, ber die früheren beftätigte 
und auf zwanzig Jahre verlängerte, während deren bei einem An- 
griff auf eine ber verbünbeten Mächte die übrigen 150 000 Mann 
zu ſtellen hatten. Wie erft die Niederwerfung, fo wurde nun 
die Rieberhaltung Frankreichs als europäiſches Intereſſe pro⸗ 
Hamiert und Napoleon als Feind Europas bezeichnet. Ein 
Scheinfrieden ſollte nicht geduldet werden: man ftellte fofort 
die Mittel bereit, um Frankreich zur Erfühung der ihm aufs 
zuerlegenden Verpflihtungen zu zwingen. Daher follten im 
Frieden Spanien, Italien, die Schweiz und die Niederlande 
unabhängige Staaten, die beutfchen Fürften aber durch einen 
Bund geeinigt werden, ber die Unabhängigleit Deutſchlands 
fiherte. 

Trotzdem aber wurde in Chatilon au mit Napoleon noch 
weiter unterhandelt, ja Goulaincourt die für die definitive 
Antwort geftellte Frift wiederholt verlängert. Doch wurde auch 
der Krieg nun mit Nahdrud geführt. Mit 100000 Mann 
drang Blucher auf Paris vor. Langfamer zog auch das Haupts 
beer dorthin. Am 10. März flug Blucher Napoleon bei Laon: 
ben Sieg völlig auszunugen, hinderten ben alten Helden Krank: 
heit und eine gewiffe Scheu vor dem Kampfe mit Napoleon 
perfönlih. Darüber leivenfhaftlic entrüftet, wollte York die 
Armee verlaffen und wurde nur mit Mühe zum Bleiben ver- 


58 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen. 


modt. Trogdem gewährte man in Chatillon Coulaincourt noch 
einmal bis zum 15. März Aufſchub. Der da endlich eingereichte 
Gegenvorſchlag war natürlich unannehmbar. Auch dem Fried» 
fertigften ſchwand nun jeder Zweifel: nur die Fraftvolle Fort- 
fegung bes Krieges konnte zum Ziele führen, Am 18. März 
ging der Kongreß auseinander. 

So waren die Patrioten endlich Herren der Lage. Auch 
Napoleons Energie und Genie konnten die Nemefis num nicht 
mehr abwenden. Einzelne Vorteile, bie er überrafchend gewonnen, 
machte die Niederlage wett, die er am 20. März bei Arcis fur 
Aube duch das Hauptheer erlitt. Auch daß er fih nun nad 
Dften wandte, um im Rüden ber Verbündeten eine Volks— 
erhebung zu veranlafjen, änderte nichts mehr. Die Verbündeten 
blieben im Marſch auf Paris. Am 25. März befiegten fie 
Mortier und Marmont bei La Före Champenoife, am 30. unter 
den Mauern von Paris, das zu retten Napoleon zu ſpät Fam. 
Die die Hauptftadt beherrſchenden Höhen des Montmartre waren 
genommen, die Sieger hie und da ſchon in die Vorſtädte ein 
gedrungen, ala am Abend des 30. ein Waffenftilftand eintrat, 
dem im Laufe der Naht die Kapitulation folgte, nad ber 
Paris am nächſten Morgen geräumt fein mußte. Den 31. 
erfolgte der Einzug der Monarchen. 


IV. Die Entfäufchungen des Hriedene und des 
Wiener Hongreffes. 1814—1815. 


Den Freiheitsfampf umfirahlt in ber Erinnerung des preu⸗ 
Bifhen Volkes ein Glorienſchein, den auch fpätere Großthaten 
nit mindern konnten. Nur verteilt die Tradition den An— 
teil daran unrihtig. Aus eigenem Antrieb und (auf eigene 
Verantwortung ſetzte das Bolt alle feine phyſiſchen und morali⸗ 
ſchen Kräfte ein: der König ließ gefchehen, was er nicht hin⸗ 
dern konnte, und ſchloß fi der Bewegung an, weil fie ſonſt 
über ihn hinwegzugehen drohte. Aber bie entfefjelten Kräfte 
des Volle blieben ihm unheimlih, und er war froh, ala der 
Anſchluß Oeſterreichs den Volkskrieg zum Kabinettskrieg wandelte, 
Nur war er den jetzt geſtellten politiſchen Aufgaben nicht ges 
wachſen, jedoch fich ſelbſt darüber nicht ar genug, um ihnen 
fern zu bleiben. So ift zum guten Teil er perfönlich ſchuld 
daran, daß Preußen faum eine feiner berechtigten Erwartungen 
erfült ſah, fondern ſchmerzliche Enttäuſchungen erlebte. 

Auch font wurde die geſchichtliche Wahrheit gleich ver: 
dunkelt. Beim Einzug in Paris trat in dem König Preußen 
völlig zurüd gegen ben Zaren, der den Befreier Europas fpielte 
und zur Befriedigung ber eigenen Eitelfeit den Franzoſen 
ſchmeichelte. Die Helden Yorks und Bülows, welche die Haupt» 
arbeit gethan — „ſehen aus wie Räuber, nicht wie preußiſche 
Soldaten“, hatte der pebantifche König ſchon auf dem Marſch 
nad Paris tadelnd von ihnen bemerft —, mußten um Paris 
herum in ihre Stellungen marſchieren: als Sieger zeigte man 
den Parifern die ftets möglichft geſchonten Garden. Für diefe 
wurde reichlich geforgt: die übrigen Truppen, obgleih arg mit: 
genommen, ließ ber Zar die wohlgefülten franzöſiſchen Magazine 
nicht anrühren. Denn der Krieg follte nicht Frankreich, fon: 


60 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen. 


dern nur dem Ufurpator gegolten haben. Gleih das Mani: 
fet, das der Zar am 31. März im Namen ber Verbündeten 
erließ, nahm die Phrafen der Frankfurter Proflamation (S. 53) 
auf: der Sturz Napoleons erlaube mildere Bedingungen, 
daher jolle die Integrität Frankreichs, wie es unter den legi- 
timen Königen beftanden, gewahrt bleiben, zumal das Glüd 
Europas ein großes und ſtarkes Frankreich erforbere. Völlig 
abhängig von bem ruffifden Freunde, ſchwieg Friedrich Wil- 
helm zu diefem verkehrten Kultus des Befiegten, obgleich feine 
üblen Folgen zumeift Preußen trafen. 

Bereits der Vorvertrag, den man am 23. April dem Grafen 
v. Artois als Vertreter Ludwigs XVII. bewilligte, ſicherte 
Frankreich für den Frieden die Grenzen vom 1. Januar 1792. 
Der Bar fpielte auf Koſten namentli Preußens den Beſchützer 
Frankreichs und vereitelte die territorialen Veränderungen, 
welche die Patrioten zu gunften Deutfchlands hofften. Mit 
dem Parifer Frieden (30. Mai 1814) Ionnte allein Frankreich 
zufrieden fein: über bie Grenzen von 1792 hinaus behielt es 
Saarlouis und Landau, zahlte feine Kriegsfteuer und gab von 
den geraubten Kunftihägen nur einige zurüd. Namentlich 
Preußen büßte fo dafür, daß feine Staatsmänner fi mit 
allgemeinen Zufagen begnügt, aber nichts vertragsmäßig feft- 
gelegt hatten. Vor allem blieben die für feine Zukunft wich⸗ 
tigften Fragen offen. Zur Neuordnung Europas das Gebiet ber 
einzelnen Staaten abzugrenzen und die Macht unter fie zu 
verteilen, follte in zwei Monaten in Wien ein Kongreß zus 
fammentreten. Ihm blieb auch die Verfügung über die linke: 
theinifchen deuten Lande vorbehalten, die einftweilen ber 
gemeinfamen Obhut der Verbündeten befohlen wurden, und 
damit der Neubau Preußens. Nur das Großherzogtum Berg 
und das Land zwiſchen Maas und Mofel wurden gleich jegt 
preußifcher Verwaltung unterftelt. Mainz befegten Deſterreich 
und Preußen gemeinfam. Sachſen verblieb unter der Zentral: 
verwaltung, die der Ruſſe Fürft Repnin vortreffli leitete. 
Daß endlich die in Langres getroffene und in Chaumont (©. 57) 
erneute Beftimmung, die deutſchen Staaten follten unabhängig 
und durch ein föberatives Band geeinigt fein, in dem Barifer 


IV. Die Enttäufgungen des Friedens und bed Wiener Kongreſſes. 61 


Frieden wieberholt war, erſchwerte eine günftige Geftaltung 
der Zukunft Preußens. 

Ein Gefühl tiefer Enttäufung ging durch die patriotifchen 
Nreife. Nicht bloß Gneifenau beklagte, daß flatt einer edlen 
Politit, wie fie der Beginn der Bewegung verheiken, wieder 
die alten argliftigen Künfte herrſchten. Aus gegenfeitigem Mip- 
trauen biltierten die Verbündeten nicht dem befiegten Frankreich 
den Frieden, fondern verftändigten ſich mit ihm als der fünften 
Großmacht, als ob es Fein Unrecht gegen Europa begangen 
hätte. Daraus entnahmen die Franzoſen ein ganz falſches 
Bild von ihrer Stellung in Europa, und bei feiner Neuordnung 
beanſpruchten fie mitzuwirken. Waren fie vornehmlich durch 
Preußen niebergelämpft, fo galt auch ihre Feindſchaft befonders 
biefem. Nur wenn Preußen nicht aufkam, durften fie hoffen, 
trotz ihrer Niederlagen ihre europäiſche Stellung zu behaupten. 

Zunäãchſt freilich traten biefe Sorgen zurüd gegen bie 
Siegefeiern. Anfang Juni verließen die Monarchen Baris. 
Mit dem Zaren folgte Friedrich Wilhelm der Einladung des 
Prinzregenten nach England, wo namentlih Blücher als Held 
des Krieges enthufiaftifch gefeiert wurde. Am 5. Auguft war 
ber König in Berlin. Am 7. zog er mit den Truppen feſtlich 
ein. Der Garde und ber Linie folgte die Landwehr. Als 
diefe durch das wieber mit feiner Viktoria geſchmüdte Branden- 
burger Thor rüdte, waren bie jubelnden Maſſen nicht mehr 
zu halten: die Bataillone brachen auseinander, die Frauen 
flürzten den Gatten in die Arme, die Jungen trugen dem 
Bater das Gewehr, und fo wogte der ganze Zug dahin, die 
Wehrmänner mit Krängen bebedt, Männer und Frauen durch-⸗ 
einander, das Bild eines Volkes in Waffen. Und darin lag 
die befte Burgſchaft für Preußens Zukunft. 

Roch war Preußen mehr eine moraliſche als eine terri- 
torial konſtituierte Potenz. Die politifche Realifierung jener 
durch Zumweifung eines entfprechenden Gebietes ftand noch aus. 
Wohl Hatte Preußen von feinem alten Befi einzelnes, wie 
Magdeburg, Kottbus (S. 35) und anderes mehr, ohne weiteres 
eingezogen. Anderes, wie Weitfalen, Berg und das Land 
zwiſchen Maas und Moſel, unterftand bereits feiner Verwaltung. 


62 Erſtes Buch. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen. 


Je mehr demnach für Preußen noch erft zu gewinnen war, um 
fo mehr mußte es fi zur Verfechtung feines Rechts bereit 
halten, alfo bie Wehrkraft des noch unfertigen Staates fleigern. 
Das geſchah durch bie Einführung ber allgemeinen Wehrpflicht, 
die zum voraus das Band ſchuf, das ben gebliebenen mit dem 
wiebererlangten und dem neuen Beſitz zufammenfaflen und 
shalten und nad; außen ſichern ſollte. Denn an die Spige ber 
drei Brimate, durch die allein Preußen ſich zwiſchen ven mäch- 
tigen Nachbarn werde aufrecht halten können, vor den ber 
Konftitution und der Wiffenfhaft, ftellte Gneifenau den ber 
Waffen. Praktifh politiſche und ideelle Momente floſſen in 
ihm zufammen. Waren für die Einführung der allgemeinen 
Wehrpflicht erftere entſcheidend, fo haben doch aud letztere 
mitgewirkt und find ihrerfeits durch jene geftärkt worben. 
Preußen hatte zu Ende des Krieges über 300 000 Mann 
auf den Beinen. Davon waren beim Friedensſchluß noch 
179000 mobil. Ermöglicht hatte das die Inſtitution ber 
Militärgouvernements (S. 31). Die Dezentralifation, die fie 
in die nah Scharnhorfis Tod verfallende Kriegsverwaltung 
brachten, wurde dadurch reichlich aufgewogen, daß fie dank der 
großen Verantwortung und Machtbefugnis ihrer Inhaber die 
erihöpfende Ausnugung der militärifhen Hilfsmittel des bes 
treffenden Gebietes ermöglichten. Aber fie waren doch nur auf 
außerordentliche Verhältnifie berechnet: der Frieden forderte eine 
andere Organifation. Schon in Paris waren dieſe Fragen 
erwogen. Auf Hardenbergs Vorſchlag wurde am 3. Juni 
Generalmajor v. Boyen (geb. 1771) zum Staats: und Kriegs: 
minifter ernannt. An feine Verfügungen jollten in den Fällen, 
wo der König nicht felbft befahl, alle Militärperfonen und 
sbehörden und in Sachen feines Reſſorts auch die Zivilbeamten 
gebunden fein. Dazu wurde das Kriegsminifterium in fünf 
Departements mit ſcharf gefonderten Reſſorts geteilt — das 
allgemeine Kriegsdepartement und die des Generalftabes, der 
Perfonalien und der Militäröfonomie und des Generalkriegs— 
tommiffariates. Zu ihren Direktoren, die zwar die ihnen zu= 
gewiefenen Gefchäfte verantwortlich leiten, aber alle allgemeinen 
Fragen dem Minifter in regelmäßigen Konferenzen vortragen 


IV. Die Enttäufgungen bed Friedens und des Wiener Kongreſſes. 63 


folten, wurden nur Männer aus Scharnhorſts Schule berufen, 
der bebeutendfte, Grolman, im Krieg Kleiſts Staböchef, an bie 
Spige des Generalftabes. So Fam der Geift Scharnhorfts in 
ber Armeeleitung jegt reiner zur Geltung als zu feinen Leb⸗ 
zeiten und bethätigte fi in freudigem, fruchtbarem Schaffen, 
das feine ber Erfahrungen aus der großen Zeit unbeaditet ließ. 
Bei aller Strenge in den Prinzipien ging doch ein Hauch der Frei: 
heit durch das erneute Heerweien, da innerhalb des unverrüdbar 
feften Rahmens der Individualität Spielraum gewährt wurde 
zu ſelbſtändiger und daher doppelt erfolgreicher Bethätigung. 
Das bewährte namentlih die Ernennung Tommandierender 
Generale in den Provinzen rechts von ber Elbe. Die Aus 
bilbung und innere Ordnung der Truppenkörper blieb ben 
Diviſions⸗ und Brigabebefehlshabern : allen militärifchen Autori⸗ 
täten der Provinz übergeorbnet, follte der kommandierende 
General das gefamte Militärwefen derſelben im großen leiten 
und überwachen, um bie vorhandenen Kampfmittel zu höchfter 
Leiftungsfähigkeit zu entwideln und aud die Beziehungen 
zu ben bürgerlien Behörden pflegen. So wurde er für bie 
Militärverwaltung, was ber Oberpräfident für die bürgerliche 
Verwaltung war, inmitten bes Mechanismus der Zentrale und 
der unteren Behörden das felbftändig lebende und belebenbe 
Amt, darauf berechnet, von wirklich ſtaatsmänniſchen Charakteren 
ausgefüllt zu werben. 

Zu voller Wirkſamkeit aber beburften ſolche Neuerungen 
in den höchſten Stellen der dauernden Sicherung ihrer breiten 
Grundlage in den unterften Schichten, welche die thatfächliche 
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für den Freiheitskampf 
vorläufig gefchaffen hatte. Meber die Reformbebürftigfeit ber 
Rantonverfaffung war man längft einig. Die Bildung einer 
Miliz, welche die Konvention vom 8. September 1808 ver: 
boten hatte, war Preußen durch ben Kaliſcher Vertrag aus: 
drüdli auferlegt (S. 25). So war 1813 Scharnhorft mit 
feinen Lieblingsgedanten durchgedrungen. Dem Aufruf zur Bil: 
dung freiwilliger Jägerbetahements war am 9. Februar 1813 
die Aufhebung ber bisherigen Befreiungen von ber Ranton- 
pflicht für die Dauer bes Krieges gefolgt (S. 17). Sie vor- 


64 Erſtes Bud. Der Freiheitskampf und feine Enttäufhungen. 


nehmlich hatte das preußiſche Volk zu einem Bolt in Waffen 
gemadt. Doch brachte fie auch wirtſchaftliche Nachteile mit 
fi, die man nah dem Frieden abzuftellen eilte. Die freis 
willigen Jäger, die ihren Beruf wieder aufnehmen wollten, 
durften Ende April 1814 Heimfehren, und die Landwehr der 
alten Provinzen wurde reduziert, um dem Lande die entzogenen 
Arbeitskräfte und den Familien ihre Ernährer zurüdzugeben. 
In ber gleichen Abſicht hob der König am 27. Mai 1814 den 
Erlaß vom 9. Februar 1813 wieder auf, jo daß. die früheren 
Befreiungen von der Kantonpflicht wieder galten. Eine prins 
sipielle Verwerfung der allgemeinen Wehrpflicht enthielt das 
nit. War doch Hardenberg dur ben Krieg ganz für Scharn- 
horſts Gedanken gewonnen und wollte die Landwehr jedenfalls 
erhalten, was nur durch ein Geſetz über die Wehrpflicht möglich 
war. Wenn er (2. Juni) Boyen zum Kriegsminifter vorſchlug, 
geſchah das wohl, weil er ihn für geeignet hielt, die neue 
Drganifation ohne verlegende Schärfe und doch mit der nötigen 
Energie durchzuführen. Denn da fie doch auf eine Volle: 
bewaffnung binauslief, mußte man auf Widerftand vom König 
gefaßt fein. Diefem gegenüber ftellte Boyen daher in ben 
Vordergrund, was als bereits üblih und bewährt der Be— 
ftätigung gewiß war, und fiherte die Neuerungen gegen Anz 
fehtung, indem er fie als ſelbſtverſtändliche Konfequenzen aus 
jenem darftellte. 

Bereits am 31. Juli ſchrieb er Gneifenau, daß die Mini- 
ferien fih mit den Hauptzügen feines Gejegentwurfs einver- 
fanden erklärt hätten. Als ſolche führt er an: „Alles ift 
waffenpfliätig, die ftehende Armee nicht groß, etwa 10000 
auf die Million, mit drei Jahren DVienftzeit, mit Ausnahme 
der befjer befoldeten Gefreiten. Die Landwehr zerfällt in zwei 
Aufgebote, jedes mit jehsjähriaer Dienftzeit. Mit dem 35. oder 
36. Jahre Hört aljo der Dienftcyllus auf. Das erfte Auf: 
gebot, etwa 20000 Mann auf die Million, wird fo Disponibel 
gemacht, daß es jeden Augenblid das ftehende Heer verftärken 
kann, das zweite ift in der Regel zu Beſatzungszwecken beftimmt. 
Der Landfturm bleibt gefeglihe Einrichtung.” Die Unbedingt: 
beit ber Verpflichtung und die kurze Dienftzeit im flehenden 


IV. Die Enttäufäungen bed Friedens und des Wiener Kongreſſes. 65 


Heere, fowie die Gefamtbauer der Dienftverpflihtung vom 
20. bis zum 35. Jahre waren früheren Entwürfen entlehnt. 
Die Beibehaltung der Landwehr empfahlen die Rüdficht auf 
die kunftige politiide Lage Preußens und finanzielle Er— 
wãgungen. Neu war die ihr infolge ihrer Bewährung im Frei: 
heitsfampfe eingeräumte hervorragende Stellung und die Teis 
lung in zwei Aufgebote nad dem Vorbilde der englifhen und 
der Schweizer Miligen und den Erfahrungen bes legten Krieges. 
Ferner überwies Boyen, das Krümperſyſtem weiterbildend, 
die beiden jüngften Jahrgänge der nad drei Dienftjahren in 
der Linie Entlaffenen nicht glei) der Landwehr, fondern als 
Neferve dem ftehenden Heer, um daraus im Kriegsfall deſſen 
Cadres zu vermehren oder auch Linienregimenter zu bilden. 
Die Härten zu mildern, zu denen die breijährige Dienftzeit 
gelegentlich führen konnte, nahm er die Idee Scharnhorfts auf, 
die wirtſchaftliche Leiftungsfähigfeit ber Wohlhabenden im Heer⸗ 
dienft für die Staatskaſſe dadurch auszunugen, daß ſowohl bie, 
welche ſich ſelbſt kleideten, bewaffneten und unterhielten, als 
auch die, welche fi den Wiſſenſchaften und ſchönen Künften 
widmeten, nur ein Jahr dienen folten. 

So ftellt ſich Boyens Wehrgeſetz, obgleich e8 einzelne ältere 
Gedanken aufnahm, doch im ganzen als neu und einheitlich 
dar. Daß es in mwefentlihen Punkten bereits beftehende Ein- 
richtungen nur fortbilbe, betonte Boyen namentlich dem König 
gegenüber. In feiner Begründung ging er davon aus, bie 
Erhaltung des Friedens hänge mehr ab von dem Heeresein- 
richtungen ber einzelnen Nationen als ber Friebensliebe der 
Regierungen und der Völker; ihre Grenze aber finde die Heeres⸗ 
rüftung in der Bevölkerung und den Finanzmitteln des Staates; 
auch muſſe fie die Erhaltung der Gewerbe und der Wiffen- 
ſchaften ebenfo wie bie Friegerifche Bildung berüdfigtigen —, 
Säge, die der Zuflimmung des Königs gewiß waren. Defien 
Abneigung gegen gründlicdere Neuerungen entwaffnete die Aus: 
führung, die Aufgabe jei ja ſchon gelöft: man habe bereits 
eine Heeresverfaflung, die nit allein Preußen und Deutfch- 
land befreit habe, fondern auch alle Keime und Grundlagen 
für eine zwedmäßige Erweiterung enthalte. So wurde denn 

Beus, Preubiige Gefäläte. IV. 5 


66 Erſtes Buch. Der Freiheitskampf und feine Enttäufgungen, 


aud die allgemeine Wehrpflicht nicht ausdrücklich verkündigt, 
ſondern als ſelbſtverſtändliche Borausfegung indirekt eingeflodhten. 
Um die Dienftzeit im wirtſchaftlichen Intereſſe verkürzen zu 
können, müfje man moöglichſt viele Dienftpflichtige zur Verfügung 
haben, daneben einen Heinen Stamm alter Soldaten länger 
an die Fahnen feſſeln durch Gehaltszulage, Zivilverforgung 
und äußere Auszeichnung. Den viel umitrittenen Landfturm, 
der auch dem König faft für ftantsgefährlich galt, ließ Boyen 
vorfihtig für jegt aus bem Spiele, um ihn fpäter mit mög« 
lichſter Schonung des einzelnen zwedmäßig auszubilden, denn 
aud er hielt ihn für unentbehrlich. 

Die Aenderungen, bie der Entwurf auf Anlaß anderer 
Minifterien erfuhr, waren gering. Wirtfchaftlihen Erwägungen 
entiprang bie Erftredung der Wehrpflicht im zweiten Aufgebot 
bis zum 39. Jahre: man mollte die Zahl derer vermehren, 
aus denen bie Einzuziehenden zu wählen waren. Dann wurde 
das Recht des einjährigen Dienftes nicht bloß den Studierenden, 
fondern auch denen zugeftanden, die fi den Künften, dem 
Großhandel und den höheren Gewerben widmeten. So wurde 
das Gejeg dem König kurz vor der Abreife nad Wien vor- 
gelegt. Am 3. September volljog er es: fo weit Hatten bie 
Erfolge von 1813 feine Vorurteile gegen die Volksbewaffnung 
doch überwunden. Indem er geſchickt das Beftehende und Bes 
währte voranftelte und unter feiner Hülle ein Prinzip eins 
führte, das, ausdrücklich verkundigt, auf Widerſtand geftoßen 
fein würde, brachte Boyen fein Werk in Sicherheit. Denn 
nad wie vor haftete der Erhebung von 1813 in ben Augen 
des Königs etwas Revolutionäre an, und nicht er allein bes 
forgte, ber altpreußiſche Militärgeift Fönne in dem Geift des 
Volkskrieges untergehen und die Abfehaffung der ftehenden Heere 
anbahnen. Boyen dagegen bewahrte die großen Errungen- 
ſchaften der fridericianiſchen Zeit und fteigerte ihre Wirk- 
ſamkeit durch die Verbindung mit der neuen fittliden unb 
geiftigen Entfaltung des Individuums und dem Volfsgeift. 

Das Wehrgefeg vom 3. September 1814 ſchuf aber doch 
nur den Rahmen für die militäriſche Organifation des künftigen 
Preußen. Wie diefes geftaltet fein und was von dem deutſchen 


IV. Die Enttäufhungen bed Friebend und des Wiener Kongrefid. 67 


Volle es in die heilfame Zucht der allgemeinen Dienftpflicht 
nehmen würde, follte erft der Wiener Kongreß beftimmen. 
Belanntlich bereitete er den Patrioten arge Enttäufchung. Was 
die Militärs gut gemacht, verbarben die Diplomaten. Au 
die preußifchen trugen das Ihrige dazu bei. Ein übriges that 
des Königs Abhängigkeit von dem Zaren. Wohl hatte diefer 
Preußen zunähft auf Sachen hingewiefen (S. 25), aber doch 
nur, um nicht Polen mit ihm teilen zu müflen. Dazu hatte 
der Tepliger Vertrag (S. 49) über Warfchau eine gütliche 
Verſtändigung der drei Mächte in Ausfiht genommen. Preußen 
mußte demnach entweder durch Unterftügung feiner polnifchen 
Pläne den Zaren vermögen, ihm felbft zu Sachſen zu verhelfen, 
ober biefes Defterreih abgewinnen, indem es mit ihm bem 
Zaren in Polen entgegentrat. Dazwiſchen galt es fofort zu 
wählen. Statt deſſen verfiel die preußiſche Politit in den 
alten Fehler: fie faßte zwei einander ausſchließende Ziele gleiche 
zeitig ins Auge, ſchwankend, an welches fie ihre ganze Kraft 
fegen folte. Und als die Verhältnifje ihre Vertreter in die 
Richtung gegen Rußland drängten, griff der König perfönlich 
ein und verbot ausbrüdlich die Benugung ber günftigen Um— 
fände. 

So ftand in Polen mit dem Schidjal Sachſens die Zu« 
kunft Preußens zur Entfheibung: ſpät noch rächten fi die 
Sünden ber preußiſchen Politif von 1792—95. Wie weit 
für feinen Neubau Preußens früherer polnifcher Befig in Be— 
trat käme, war noch unter ben preußiſchen Staatsmännern 
ſelbſt ſtreitig. Boyen wuünſchte zur militäriihen Sicherung 
Dfipreußens wenigftens einen Teil ber Naremlinie: dann könne 
von Sachſen ein Stüd fo groß wie bie ſächſiſchen Herzog⸗ 
tümer jelbftändig bleiben. Auch Hardenberg und Humboldt 
dachten auf Dedung gegen Rußland, dem der König blind 
vertraute. Daber fuchten fie eine Verftändigung mit Defter« 
reih. Denn um feiner eigenen polnifhen Unterthanen willen 
konnte diefes die vom Zaren geplante Herftellung Polens in der 
Geſtalt eines mit Rußland nur durch Perfonalunion verbundenen 
Tonftitutionellen Staates nicht zulafien. Sie zu hindern, brauchte 
& Preußens Hilfe, für die Sachſen Fein zu hoher Preis ſchien. 


68 Erſtes Bud. Der Freiheitslampf und feine Enttäufhungen. 


Anfang bes Jahres 1814 war Metternich bereit ihm zu bes 
willigen, jobald Preußen fi gegen jene ruſſiſchen Pläne ver⸗ 
pflihtete. Der Zar hielt mit diefen noch zurüd. Auch in Paris 
entzog er fi) jeber Erörterung, was Metternichs Mißtrauen 
und feinen Wunfh nad PVerftändigung mit Preußen nur 
fteigerte. 

Dort hatte Ende April Hardenberg Preußens Forderungen 
endlich formuliert. Feſthaltend an feinem dualiſtiſchen Syftem, 
nad) bem der Norden Deutſchlands Preußens, der Süden Defter- 
reichs Einfluß unterftehen follte, forderte er Pofen bis zur 
Warthe mit Thorn, Weftfalen und Berg, ganz Sachſen und 
die Rheinlande von Mainz bis Wefel. Aber der Bar äußerte 
ſich nicht darüber, um nicht feine polnifhen Pläne zu offen- 
baren. Defterreih war geneigt, Sachſen preiszugeben, wenn 
Bayern Mainz befam. Die preußiichen Militärs freilich erklärten 
dieſes für umentbehrlih: man hoffte es mit Hilfe Rußlands, 
das Preußens in Polen beburfte, Defterreidh abzubringen. So 
geriet man glei in einen bedenklichen Widerſpruch: Defterreih 
follte Preußen als Preis der Hilfe gegen Rußland Sachſen 
bemilligen, und dabei wollte man ihm durch Unterftügung Ruß⸗ 
lands in Polen Mainz abnötigen. Freili rechnete man noch 
immer mit einer unbefannten Größe: auch in London ließ fi 
der Zar nicht zur Erörterung der polnifchen Frage beftimmen. 
Sie blieb bis zum Kongreß vertagt, wo ber Wiberftreit ber 
Sonderinterefien Rußland im Trüben zu filchen erlaubte. 

Inmitten rauſchender Feftlichkeiten in Wien von einem 
Heinen Kreife Eingeweihter gethan, war die diplomatiſche Arbeit 
an bem europätfchen Friedenswerk bald auf dem Wege, einen 
neuen Krieg zu entfefleln, als Talleyrand, der Vertreter des 
fih in den Kongreß eindrängenden Franfreih, mit Hilfe ber 
ſãchſiſch⸗polniſchen Frage die Allianz der Großmächte fprengte, 
um Preußen nit auffommen zu laſſen. Gelingen freilich 
konnte ihm das nur, weil trog ihrer fonftigen Gegnerfchaft 
Defterreih und das den welfiſchen Interefien dienſtbare Eng- 
land in dieſem Punkte mit Frankreich zufammengingen. 

Nicht bloß die Erinnerungen an die ſchweren Gefahren, 
die es ihm wieberholt bereitet hatte, und die Erwägung ber 


IV. Die Enttäufäungen des Friedens und des Wiener Kongrefſes. 69 


firategifchen Vorteile, die fein Beſitz verhieß, ließ bie Erwerbung 
Sachſens für Preußen unerläßlich erſcheinen. Durch fie hofften 
die Patrioten die Entwidelung bes ihnen ala Ideal vors 
ſchwebenden innerlich einheitlihen und eigenartigen National- 
lebens gefidert zu fehen. Nicht der Drang nad; Vergeltung 
oder gar weiterer Eroberung trieb fie: fie erhofften davon eine 
Kräftigung ihres Vaterlandes, die ihm aud in Deutfhland die 
leitende Stellung fiherte. Weniger die preußifche ala die deutſche 
Zukunft hatten fie im Auge. Und deshalb kam, fo fehr es 
Preußen gegen Rußland braudte, Deſterreichs Gegenſatz zu 
Preußen bier fofort zur Geltung. Preußen von Rußland zu 
trennen, dachte Metternih Sachſen zu opfern: beſchwor er da- 
durch nicht vielleicht eine größere Gefahr in Deutichland felbft 
herauf? Würde eines fo vergrößerten Preußen Einfluß fi 
auf Norddeutſchland beſchränken lafien? Würde nit die Er- 
werbung gerade dieſes Landes die Kraft bes deutſchen Weſens 
in Preußen jo ſtärken, daß es eine entfpredhend größere An⸗ 
ziehungskraft auf das übrige Deutſchland ausübte? Die euro- 
päifhen Intereſſen Deſterreichs kollidierten in ber ſäachſiſch⸗ 
polniſchen Frage mit ſeinen deutſchen. Aus dem Auf- und 
Gegeneinanberwirken diejer Strömungen entfprangen bie Wan 
belungen, welde die ſächſiſche Frage in Wien durchmachte. 
Lange vor Eröffnung bes Kongrefies waren bie Diplo- 
maten eifrigft thätig. Da Preußens Anrechte auf feine ehe- 
maligen polnifhen Lande nur durch bie Weberlaffung Sachſens 
zu befeitigen waren, erflärte fi auf wieberholten Antrag 
Steins ber Zar am 28. September zu biefer bereit. Doch 
ſollte Sachſen nicht Provinz werden, fondern mit Erhaltung 
feiner Verfaffung als ein eigenes Königreih mit Preußen durch 
Berfonalunion verbunden werben. Das jebod wollte England 
(11. Oktober) nur zulafien, wenn es nicht eine Entſchädigung 
Preußens bedeutete für zu gunften Rußlands in Polen gemachte 
Zugeftändniffe. Dagegen wollte Talleyrand auch in Sachſen 
das von ihm verfodhtene Prinzip der Legitimität anerkannt 
fehen. Wenn er den Aufſchub der Eröffnung des Kongreſſes 
bis zum 1. November durchfegte, damit die zu entſcheidenden 
Fragen fo ausreiften, daß fie gemäß den Grundfägen des 


70 Erſtes Bud. Der Freipeitäfampf und feine Enttäufhungen. 


Volkerrechts, den Beftimmungen des Parifer Friedens und ben 
gerechten Erwartungen der Zeitgenofien gelöft würben, fo lag 
darin eine bitterböfe Kritik der ruffifch-preußifchen Beftrebungen. 
Nun änderte auch Metternich feine Haltung. War Preußen 
durch Sachſen nicht zu unbedingter Heeresfolge gegen Rußland 
zu gewinnen, fo wählte er in ber teilweiſen Realifierung der 
polnishen Pläne des Zaren von zwei Mebeln das Eleinere, um 
das feiner Konfequenzen wegen größere, die Erwerbung Sachſens 
durch Preußen, abzuwenden. So erlärte er zunächſt, der Ueber: 
gabe Sachſens an Preußen nur zuftimmen zu können, wenn 
dieſes Suddeutſchland bis zum Main famt Mainz ausdrüclich 
dem Einfluſſe Deſterreichs überlafle, ſich auch nicht auf das 
rechte Moſelufer ausdehne, wo er Bayern für das Oeſterreich 
abzutretende Innviertel entſchädigen wollte. Zugleich aber ent⸗ 
widelte er die politifchen, diplomatiſchen und perjönlichen Mo- 
mente, bie feinem Kaifer die Zuftimmung zur Depofiebierung 
des Albertiners unmöglih machten, und flug eine Teilung 
Sachſens vor. Dennoch wäre Preußen wohl durchgedrungen, 
hätte e8 entfchlofien zugegriffen, indem es, wie Stein empfahl, 
des Königs Bruder, Prinz Wilhelm, der Verwaltung Sachſens 
vorjegte und fo eine nicht leicht rücgängig zu madende That- 
ſache ſchuf, zugleich aber, wie Boyen riet, eine Truppenmadt 
dorthin ſchickte, die an feinem Entſchluß keinen Zweifel Tieß, 
das Land unter allen Umftänden zu behaupten. Dem aber 
wiberftrebte des Königs Iegitimiftifhes Gefühl. So übernahmen 
am 8. November der Staatsminifter v. d. Ned und General: 
major v. Gaudi vom Fürften Repnin (S. 60) die Verwaltung 
Sachſens, bei der fie vergeblih durch Milde und Schonung 
die Bevölkerung zu gewinnen fuchten. 

Es war gewiß fein Zufall, daß in denfelben Tagen (5. No- 
vember) der Zar durch eine jener Scenen, bie er fo wirkſam 
zu arrangieren verftand, dem König als altem Freund und 
Waffenbruder die Zufage entriß, für feine polnifhen Pläne 
einzutreten. Damit durchkreuzte Friedrich Wilhelm die Politik, 
die Hardenberg in Anlehnung an England und Defterreih bis- 
ber verfolgt hatte. Seinen Widerſpruch wies er ungnädig ab: 
er befahl ihm, in ber polnifhen Frage binfort jede Gemein: 


IV. Die Enttäufhungen bes Friedens und ded Wiener Kongreſſes. 71 


ſchaft mit jenen beiden Mächten zu meiden. So wurde Preußen 
duch den König perfönlih an Rußland gefeffelt, ohne durch 
dieſes Sachſens wirklich verfichert zu fein. Jeder andere Staats: 
mann wäre barauf zurüdgetreten, Hardenberg nahm es ruhig 
bin, doch wohl nicht bloß, weil er einft ber ſterbenden Königin 
Zuife verſprochen hatte, ihren Gemahl nicht zu verlaflen. Auch 
Humboldts Bemühungen, die unheilvolle Entſcheidung des Königs 
rüdgängig zu machen, blieben erfolglos. Das bisher ſchwankende 
Defterreih ſchloß fih nun vollends Franfreih an, das die 
Führung der werdenden Koalition gegen Preußen und Ruß⸗ 
land übernahm. Die ehemaligen Rheinbundftaaten ſekundierten 
in fittlicher Entrüftung über die Gewaltpolitit jener beiden. 
In Sachſen entfaltete fih die Heftigfte Agitation. Mit den 
bedenklichſten Mitteln wurde gegen bie drohende preußiſche 
Herrſchaft gewühlt. Der gefangene König proteftierte laut gegen 
jede ihm zugedachte anderweitige Verforgung als unvereinbar 
mit dem Prinzip der Legitimität. Als nun im Widerſpruch 
mit feiner früheren Haltung neben Defterreih gar auch Eng- 
land für bie Erhaltung Sachſens eintrat, ſchien nur die Ent- 
ſcheidung duch die Waffen zu bleiben. Im preußiſchen Kriegs: 
minifterium erwog man bereits den Feldzugsplan. Unter Blücher 
mit Grolmann als Stabschef folte eine Armee in Sachſen, 
eine zweite unter Gneifenau am Rhein gebildet werden. Gegen 
Defterreih und Frankreich defenfiv, wollte man den Haupts 
ſtoß gegen Bayern führen, während Gneifenau fi mit ganzer 
Kraft auf Defterreich werfen zu können wünfchte. ebenfalls 
plante man eine raſche und kraftvolle Offenfive, ſchon weil 
Preußen einen längeren Krieg nicht zu ertragen vermöge. 
Doch wurde weiter unterhandelt. Wenn aber Metternich 
dabei Preußen (10. Dezember) etwa ein Fünftel von Sachſen 
anbot — die Niederlaufig, den Wittenberger Kreis mit Barby 
und Gommern, Querfurt und Jüterbog, Mansfeld und bie 
thüringifchen Aemter mit etwa 432 000 Einwohnern —, fo war 
auch das nicht ehrlich gemeint. Wußte er doch, daß eine Teis 
lung in Sachſen auf den leidenſchaftlichſten Wiberftand ftoßen 
würde. Er bielt den Vorſchlag daher felbft nicht für aus⸗ 
führbar oder tröftete fi) mit der auch anderwärts gehegten Er⸗ 


72 Erftes Bud. Der Freiheitötampf und feine Enttäufgungen. 


wartung, das mwibermillig Geteilte werde auch leicht wieder zu= 
ſammenkommen. Unter ſolchen Umftänden mußte denn auch 
Preußens Verſuch zu direkter Verſtändigung mit Friedrich 
Auguft erfolglos bleiben, obgleich es ihm für die Annahme 
einer Entſchädigung auf dem linken Rheinufer die Verforgung 
der jähfifhen Staatsdiener, die Erhaltung der katholiſchen 
Smftitute und eine befondere Dotation für ben katholiſchen 
Kultus in Dresden anbot. Schließlid wurde in bie Kom: 
miffton ber vier Großmächte für die ſächſiſche Frage, weil es 
ſich um eine europäifche Angelegenheit handele, Frankreich aus: 
drüdlih aufgenommen und fo den Gegnern Preußens bie 
Mehrheit gefihert. Ja, man wollte die Verbindlichkeit ihrer 
Entſcheidung von der Zuftimmung des ſächſiſchen Königs ab- 
hängig machen. Doc drohte Preußen dann die Verhandlungen 
abzubrechen, und aud England wollte davon nichts willen. 
Um aber Preußen im Notfall ihre Entſcheidung aufzuzwingen, 
ſchloſſen Defterreih, Frankreich und England am 3. Januar 1815 
ein Geheimbündnis, „um neuerdings fundgegebenen Ansprüchen 
gegenüber Mittel der Abwehr vorzubereiten”. Der Beitritt 
der ſüddeutſchen Staaten, Hannovers und der Niederlande ftand 
in Ausfiht. In Wien beriet man den Feldzugsplan. Ein 
öfterreichifches Heer jolte aus dem nörblihen Böhmen mit den 
Bayern vereinigt in Sachſen eindringen, wo man eine Er: 
hebung unter des Königs Bruder, Prinz Anton, plante, während 
die Franzojen die Nheinlande und Weftfalen erobern, Han- 
noveraner, Engländer und Niederländer aber bie Mark an- 
greifen ſollten. 

So ſchien das große europäifche Friedenswerk einen neuen 
europäifcfen Krieg zu gebären. Da erklärte England, bie 
Teilung Sachſens müfle jedenfalls burd die Mächte völlig un- 
abhängig von dem Belieben des ſächſiſchen Königs vereinbart 
werben, da nur unter dieſer Bedingung Rußland und Preußen 
Talleyrand an den Verhandlungen teilnehmen laſſen wollten. 
Beide Teile Ienften damit ein. Da ber Bar, nachdem bie 
polnifche Angelegenheit im wefentlihen in feinem Sinn er: 
lebigt war, feinen Grund mehr hatte, beſonders energiſch für 
Preußen einzutreten, nahm auch diefes die Teilung im Prinzip 


IV. Die Enttäufungen bed Friedens und bed Wiener Kongrefſes. 73 


an, bie nun auch der ftürmifche Unmille der durch diefe Wen- 
dung völlig überraſchten Sachſen nicht mehr abwenden Eonnte. 
Freilich war die Abgrenzung der beiden Teile noch ſchwierig ger 
nug. Einen von Metternich vorgelegten Plan (28. Januar), ber 
dem König von Sachſen 271 Duabratmeilen mit 1300 000 Ein- 
wohnern, Preußen 360 Duadratmeilen mit 782250 Einwoh⸗ 
nern zumies, lehnte Harbenberg ab, da er fait alle Stäbte mit 
über 4000 Einwohnern bei Sachſen ließ. Num wurden noch 
Görlig, Weißenfels und Naumburg Preußen zugeteilt, ſowie 
einiges von den Hannover und ben Niederlanden zugedachten 
Gebieten. Leipzig zu gewinnen aber bemühte fi jelbft der 
König vergeblid. Schließlich vermittelte der Zar einen Aus— 
gleih, indem er Preußen als Erſatz für Leipzig Thorn über: 
ließ. So wurde endlih am 10. Februar abgeſchloſſen. Die 
Mächte garantierten Preußen die Erwerbung bes abgegrenzten 
Teils von Sachſen ohne Rüdfiht auf den König von Sachſen, 
der fih nun, der Haft entlaflen, nad) Defterreih begab und 
in Preßburg Aufenthalt nahm. Noch aber bemühten ſich die 
Mächte vergeblich, ihn zu einem Vergleich zu beftimmen, als 
die Nachricht (7. März) von Napoleons Rüdkehr alles in Frage 
ſtellte. Auch in Sachſen flieg die Aufregung aufs höchſte. 
Während der wagemutige Gneifenau, angeefelt von dem elenden 
Gange der biplomatifhen Verhandlungen, alles Ernftes den 
Gedanken erwog, ob Preußen fein Recht auf Sachſen jet nit 
mit Hilfe des zurüdgefehrten Imperators durdfegen follte, 
gründete man dort auf dieſe plöglihe Wendung Pläne, die 
das preußifche Generalgouvernement zu ernten Maßnahmen 
nötigten. Wider Erwarten aber blieben die Mächte einig und 
entſchloſſen, das mühſam Vereinbarte auch ohne bes ſächſiſchen 
Königs Zuftimmung zu vollfireden. So fügte ſich dieſer endlich 
und machte am 18. Mai zu Wien mit Preußen und Rußland 
feinen Frieden. Er trat 367 Duadratmeilen mit 864 400 Ein- 
wohnern an Preußen ab, nämlich alles außerhalb einer von 
Wieſe in der Gegend von Seibenberg an ber böhmifchen Grenze 
bis zur altenburgifchen Grenze bei Lucka gezogenen Linie, den 
Neuftädter Kreis und die voigtländifchen Enklaven im Reußiſchen. 
Das ſchwierige Geſchäft der Auseinanberjegung im einzelnen 


74 Erſtes Bud. Der Freiheitöfampf und feine Enttäuſchungen. 


wurbe bejonderen Kommiſſionen vorbehalten. Bon der Armee 
follten ale Gemeinen und Unteroffiziere in Zukunft dem Staate 
zugehören, dem ihr Geburtsort zufiel, Offiziere, Aerzte und 
Militärgeiftlihe wählen dürfen, welchem fie dienen wollten. 
Als infolgebefien bei den mit Blücher in Belgien im Felde 
ftehenden fähfijhen Truppen diefe Sonderung vorgenommen 
werben follte, meuterten fie und bebrohten ben greifen Feld⸗ 
bern an Leib und Leben, wurben dann aber bejchwichtigt. 
Sieben Rädelsführer wurden füfliert, die Fahnen zum Teil 
verbrannt und einige Bataillone aufgelöft und ben Englänbern 
zum Dienft in Oftindien übergeben — ein Zwiſchenfall, ber 
natürlih auch in Sachſen auf das gehäffigfte gegen Preußen 
außgebeutet wurde, während die Verantwortung dod vielmehr 
diejenigen traf, die durch ihr planmäßiges Hegen die Soldaten 
zum Bruch der Disziplin verleitet hatten. 

Inzwiſchen hatte Friedrich Wilhelm III. am 15. Mai von 
dem ihm als Großherzogtum Pofen zugefallenen Teil von 
Warſchau Beſitz ergriffen, wie er fi darüber am 3. Mai mit 
Rußland und Defterreich geeinigt hatte. Der Vertrag legte 
ben drei Herrichern bie durch Englands Polenfreundlichkeit ver- 
anlaßte vage und deutbare Verpflihtung auf, ihren polnifchen 
Unterthanen in Gemäßheit der ihnen zu gewährenden Staats: 
formen Inſtitutionen zu verleihen, die ihnen bie Bewahrung 
ihres Volfstums ſicherten. Mit der Erledigung der polniſchen 
und der fähfiihen Frage war das Haupthindernis der Rekon⸗ 
ftruftion Preußens befeitigt. Aber der Eigennug und bie 
Großmannsſucht Hannovers, Dänemarks Bemühen, für Nor: 
wegen in Deutſchland entſchädigt zu werben, und ber eng- 
berzige Krämergeift der Dranier forgten dafür, daß Preußen 
auch jegt mit feinem feiner berechtigten Anſprüche völlig durch» 
drang. Auch bier bewirkte erft die Notwendigfeit, angefichts 
des neuen Krieges die Einigkeit zu fihern, den endlichen Abs 
ſchluß, der Preußen namentlih Hannover gegenüber ſchwere 
und von dem König perfönlich ſchmerzlichſt empfundene Opfer 
auferlegte. Erſt am 29. Mai wurde der Vertrag mit Hannover 
unterzeichnet, nach dem Preußen den zu ber Auseinanderfegung 
mit Dänemark nötigen hannöverſchen Teil von Lauenburg und 


IV. Die Enttäufhungen des Friedens und bes Wiener Kongrefſes. 75 


einige Aemter nebft zwei Militärftraßen durch Hannover erwarb 
gegen das Bistum Hildesheim, Goslar, Oftfriesland und einen 
Teil von Lingen und Münfter. Am 4. Juni cedierte Dänemark 
gegen das Herzogtum Lauenburg und 2 Millionen Preußen 
feine Rechte auf das ihm als Erfag für Norwegen verheißene 
Schwediſch⸗ Pommern. Am 7. verzichtete Schweden gegen 
3Y Millionen auf feine pommerfhen Befigungen. Bon dem 
dur die Hertrümmerung ber franzöfifchen Herrſchaft freis 
gewordenen weſtdeutſchen Landen aber erhielt Preußen durch 
die Wiener Schlußafte vom 9. Juni den größten Teil feiner 
alten linkselbifhen Lande, dann Weftfalen nebft der Haupt: 
mafje des ehemaligen Kurfürftentums Köln, die nafjauifchen 
Fürftentümer Diez, Siegen, Hadamar und Dillenburg, Fulda 
und Weplar und etliche Trierer Stüde zwiſchen Mofel und 
Maas. 

Sich diefes Ausganges der Wiener Verhandlungen zu 
freuen, hatte Preußen wahrlich nit Grund. Nirgends, weder 
am Rhein, noch in Polen, noch in Sachſen, war es mit feinen 
berechtigten Forderungen durchgedrungen. Den Beſitzſtand von 
1805 hatte es nicht erreicht. An Einwohnern hatte es zwar 
eine halbe Million mehr als damals, an Flächeninhalt aber 
noch immer 600 Duadratmeilen weniger. Seine territoriale 
Geftaltung war um nichts gebeflert. Noch zerfiel es in zwei 
völlig voneinander getrennte Gebietsfomplere, die es in jedem 
Kriege, namentlich bei jedem innerdeutſchen Konflikt, vor bie 
Eriftenzfrage ftellten. Denn mitten inne lagen Staaten, die 
nur in ausgeſprochener Gegnerfchaft zu ihm eine Zukunft hatten, 
das vergrößerte Hannover, doppelt gefährlih als Anhängjel 
der engliſchen Großmadt und Stützpunkt ihres Strebens nad 
Hinberung der merfantilen und maritimen Entwidelung 
Preußens und Deutihlands, und das auf die Mleinere, aber 
reichere Hälfte feines Umfangs reduzierte Sachſen, wo alles 
in dem Gedanken an Vergeltung des angeblich erlittenen Un- 
rechts lebte und den baldigen Zerfall bes kunſtlichen preu= 
Bifhen Staatengebildes erhoffte. Und wo hätte man nicht ähn⸗ 
liche Wünfche gehegt! So unbefriedigend Preußens Erfolge 
fein mochten: fie waren zu groß, um nit Neid, zu Hein, um 


76 Crftes Bud. Der Freiheitstampf und feine Enttäuſchungen. 


mit dem Glauben an feine Zukunft Furt vor ihm und den 
guten Willen, mit ihm Frieden und Freundſchaft zu halten, 
zu erzeugen. Alles hing davon ab, wie Preußen die Fülle ber 
Aufgaben Töfte, die ihm nun geftelt waren mit der Pflicht, 
dieſe zunächſt rechter Lebensgemeinſchaft entbehrende Länder- 
maſſe zu innerer Einheit zu erheben und zum Staate zu ent- 
wideln. Dabei war es ausſchließlich auf fich felbft angemwiefen. 
Ningsum Hatte es nur Kinderung und Anfeindung zu ges 
wärtigen, vor allem da, wo es jeinen beiten Rüdhalt hätte 
finden müſſen — in Deutfchland felbft. 

Den Tag vor der Wiener Schlußalte, am 8. Juni, war 
die Akte unterzeichnet, die entiprehend dem zu Reichenbach, 
Langres und Chaumont für die künftige Geftaltung Deutich- 
lands aufgeftellten föberativen Prinzip die fouveränen deutſchen 
Staaten zu dem Deutichen Bunde Eonftituierte. Trotz des 
Scheins nationaler Einigung war dieſer locker gefügte Staaten= 
bund vielmehr förmlich darauf angelegt, die Einigung zu hin» 
dern, das Auffteigen Preußens zur Hegemonie auch nur in 
Norddeutſchland unmöglih zu machen, ben Mittelftaaten bie 
Befriedigung ihrer Selbſtſucht auf Koſten der Gefamtwohlfahrt 
zu ermöglichen, das damit über bie Nation verhängte Elend 
der Rleinftaaterei zu verewigen und fo Deutſchland Oeſterreich 
bienftbar zu machen, um deſſen europäifche Machtſtellung zu er- 
weitern und zu befeftigen. Es war ein Stüd verfehrter Welt, 
wenn in dem Bunbestage unter Oeſterreichs Vorfig dieſes famt 
Preußen, den vier anderen Königreichen und Baden, das heißt 
fünf Sechsteile des deutſchen Volles, im ganzen über nur 
27 Stimmen verfügten, während die 32 Kleinftaaten, das ſechſte 
Sechsteil, deren 42 hatten, obenein aber Einftimmigfeit er 
fordert wurde zu allen Beihlüffen über bie Grundgejege und 
die organiſchen Einrihtungen des Bundes, die Rechte feiner 
einzelnen Glieder und Religionsangelegenheiten. Und dieſe 
Beftimmungen wurden für Preußen dadurch nicht weniger hin⸗ 
derlih und demütigend, daß Humboldt wenigftens die Bufage 
durchſetzte, es folle nichts ohne vorherige Verftändigung zwifchen 
Preußen und Defterreih an den Bundestag gebracht werben. 
Sie mußte doch verfagen, ſobald es die Entſcheidung des prin- 


IV. Die Enttäufgungen bes Friedens und des Wiener Kongreſſes. 77 


zipiellen Gegenfages galt, in dem Defterreih und Preußen in 
betreff der deutſchen Zukunft zu einander ftanden. 

Und biefes Machwerk wurbe dem beutfchen Wolfe und 
Preußen in den Tagen auferlegt, wo wieber die preußifchen 
Waffen in ſchöner Gemeinſchaft mit den englifhen den als 
Störer des Weltfriedens und Feind ber Menſchheit geächteten 
Napoleon endgültig nieberwarfen und fo von neuem zeigten, 
wer Deutſchland nad außen zu vertreten befähigt und daher 
auch berechtigt ſei. Am 16. von Napoleon bei Ligny gefchlagen, 
rettete Blücher mit einer aufopfernden Treue, bie ſich leuchtend 
abhob gegen bie Preußen von allen Seiten bewieſene Untreue, 
den im Glauben an ihn ausbarrenden Wellington und ver- 
wandelte bie ihm drohende Niederlage in den herrlichſten Sieg. 
Der Tag von Belles-Alliance (18. Juni) enthielt die ver- 
nichtendfte Kritif des deutſchen Verfaſſungswerkes. Was Preußen, 
wenn es nicht von feinen Verbündeten gehindert wurde, auch 
militäriſch zu leiften vermochte, bewies die Ausnugung bes 
Sieges durch Gneifenau. Bereit? am 3. Juli ergab fi Paris. 
Zum zweitenmal zog Friedrich Wilhelm mit feinen Verbündeten 
als Sieger dort ein. Aber der zweite Parifer Friede (20. No— 
vember 1815) machte die Fehler des erften nicht gut, wenn 
auch Frankreih nun auf die Grenzen von 1790 beſchränkt 
wurde, die Kunſtſchätze zurüdgeben und eine Kontribution von 
700 Millionen zahlen mußte, bis zu deren Grlegung 
150000 Mann der Verbündeten in feinen öftlihen Provinzen 
blieben. Indem es von ben nun zurüdgenommenen Gebieten 
Saarlouis und Saarbrüden erhielt, wurde Preußen als Grenz 
büter Deutſchlands im Weften anerkannt. 








Zweiles Bud). 


Der Bau des Einheitsſtaates trotz 
Reflaurafion und Reakfim 
1815—1834. 


I. Per Sieg der Meakfion. 1815—1819. 


Scmerzlihere Enttäuſchungen, als fie in Paris und Wien 
betroffen hatten, bereitete den Patrioten die Entwidelung 
Preußens ſelbſt. Sie beherrfchte der Widerſpruch, an dem ber 
Freiheitskampf gefrankt hatte. Nur gezwungen war Friedrich 
Wilhelm II. feinem Volke in diefen gefolgt: jetzt hieß es, er 
jei ihm vorangegangen, habe es zur Erhebung begeiftert und 
mit fi fortgerifien. Er, dem nad Stägemann „beutiche 
Sprade und Dichtung fremde Götter waren wie die Heiligen 
ber katholiſchen Kirche“, wurde von einer pfeubopatriotif—hen 
Geſchichtſchreibung zum Träger gemadt der ideal nationalen 
Momente, die troß ihm eben Preußens Geſchicke rettend bes 
ſtimmt hatten. Dem lag politifhe Abficht zu Grunde. 

Das abfolute Königtum hatte 1806 aud in Preußen 
Bankerott gemacht, 1812 fi ſelbſt aufgegeben: jegt ſollte 1813 
fein Werk gemefen fein. Darin fanden ſich die Verehrer bes 
Abfolutismus und die Gegner der Reformen zufammen mit all 
denen, die zunächft Ruhe wünſchten. Und noch erfüllte weite 
Kreife des Bürgertums jener Duietismus, der bed Königs poli« 
tifches Prinzip ausmachte. Nach fo viel Anftrengung und Auf: 
regung wollte man den Frieden genießen. Für die Entwürfe 
der Patrioten, die dem Volke einen Anteil am Staate, wie 
es ihn 1813 fi genommen hatte, als Recht fihern wollten, 





I. Der Sieg ber Reaktion. 79 


hatte man wohl theoretiihe Sympathien, fand aber für bie 
politifhe Praris den alten halbpatriarchaliſchen Zuſtand be— 
quemer. Den weiter Strebenben blieb nur bumpfe Refignation. 

So konnte es geſchehen, daß das aus ber Erhebung er- 
wachſene Volksheer, das Deutſchland befreit Hatte, als Sig 
tevolutionärer Beftrebungen verſchrieen wurde. Für ihren Träger 
galt namentlich Gneifenau, dem man fogar Staatsftreichgelüfte 
andichtete. Als „Wallenfteins Lager“ verbädtigte man ben 
glänzenden, lebensfrohen militärifhen Haushalt, den er feit 
Ende 1815 als fommanbierender General in Koblenz führte. 
Bei dem Zaren wühlte man gegen bie „Sekte“ der preußifchen 
Militärs, die mit der allgemeinen Wehrpfliht den Aufruhr 
organifiert haben follte. In Wien, Petersburg und London 
beforgte man, Preußen durch fein Heer in eine Revolution 
geftürzt zu fehen. Der Mangel an jeber Autorität trieb es 
nad) Wellington einer folhen entgegen, und der Zar war darauf 
gefaßt, dem König demnächſt zu Hilfe eilen zu müffen. Ganz 
richtig aber erkannten bie Reaktionäre in Gneifenau ihren 
genialften Gegner. Wie Scharnhorft begriff er Heer, Volk und 
Staat als eine lebendige Einheit und wollte hier wie dort 
aud die Konſequenzen aus ber allgemeinen Wehrpflicht gezogen 
fehen. Dem Volksheer ſollte ber hohe Stand der Volkabildung 
und die Teilnahme bes Volkes am Staate geiftig und politiſch 
den rechten Inhalt geben. Denn um fi inmitten feiner Nach⸗ 
barn aufrecht zu erhalten, bebürfe Preußen bes dreifachen 
Primates der Waffen, der Wiſſenſchaft und ber Verfafjung. 

So ftießen glei nad dem Frieden die Gegenfäge wieber 
heftig zufammen, die im Frühjahr 1813 miteinander gerungen 
Hatten. Profeſſor Schmalz (geb. 1760, geft. 1831), der in 
Göttingen, Königsberg und Halle gelehrt hatte und ber erfte 
Rektor der Berliner Univerfität gewejen war, behauptete in 
einer Flugſchrift, die er, angeblih um eine irrige biographiſche 
Notiz über ihn zu berichtigen, 1815 veröffentlichte, ohne jeden 
Beweis das Beſtehen angeblih vom Tugendbund (Bd. ILL, 
©. 418) herſtammender geheimer Verbindungen in Preußen und 
verftieg fi im Fortgange der darüber entbrannten litterariſchen 
Fehde zu ber unerhörten Beſchuldigung, die fi mit ihrer 


80 Zweites Bud. Der Bau bes Einheitsftaates. 


„Teutſchheit“ brüftenden Geheimbündler ſeien ſchlimmer als bie 
Jakobiner, denn fie wollten „durch Krieg ber Teutſchen gegen 
Teutſche Eintraht in Teutſchland bringen und dur Mord, 
Plünderung und Nothzucht altdeutſche Redlichkeit und Zucht 
vermehren” — was er aus einem altertümelnd biblifch gefärbten 
Ausdrud herausbeutete, den E. M. Arndt in dem „Katechismus 
für den beutfehen Landwehrmann” (1814—15) gebraucht hatte. 
Daß die Erhebung von 1813 der Begeifterung des Volles ent: 
fprungen ſei, ſchalt er eine revolutionäre Fälſchung: das Volt 
habe nur feine Unterthanenpflicht erfüllt, wie jeder gute Bürger 
bei Feuerlärm zum Löfchen eile. Dieſe Verunglimpfungen 
wiejen die Patrioten eifrig zurüd. Der Kampf in ber Prefie 
erzeugte jo ftürmifche Erregung, daß der König am 6. Januar 1816 
feine Fortfegung verbot. Vergeblich hatten von ben fo ſchwer 
verleumbeten Patrioten Männer wie Stägemann, Niebubr, 
Süvern, Nicolovius, Schleiermacher, Marheinede, v. Savigny, 
Rüde, I. Bekker und andere in einer Immebiateingabe vom 
15. Dezember 1815 eine Unterfuhung erbeten, bamit der von 
Schmalz und anderen Schriftftellern verbreitete Wahn wider- 
legt und ihre Ehre gereinigt werde. Eine folde, wurben fie 
beſchieden, fei weder nötig noch rätlih, da die meiften von 
ihnen ja gar nicht beſchuldigt feien, zubem jeber ben Der: 
leumber verklagen könne, eine Unterfuchung aber den Parteie 
geift nur fleigern werde. Am fiherften werde die Beruhigung 
aller wohlgefinnten Bürger das Verbot weiteren Streites be: 
wirfen. 

Wie hatte fi alles gewandelt! Eben die Männer, bie 
Preußens Rettung ermöglicht hatten, ſahen ſich nichtswürdig 
verleumbdet und vom König ftatt gefchügt zur Ruhe verwiefen. 
Rechte Gemeinfhaft hatte er nie mit ihmen gehabt: nur bie 
dringende Gefahr hatte ihn vermocht, ſich ihnen zu verbünden. 
Als fie ſchwand, entzog er ſich ihnen wieder und ſchloß ſich 
um fo eifriger ihren Gegnern an. Seine böfifhe Umgebung 
gewann wieber Einfluß, indem fie feinen nie ganz beſchwich⸗ 
tigten Verdacht gegen die revolutionären Beftrebungen ber 
Patrioten nährte. Bon biefer Seite erhielt bie praftifch völlig 
wertlofe Heilige Allianz, zu ber unter dem Einfluß ber eitel 


I. Der Sieg ber Reaftion. 81 


frommen Frau v. Krüdener der Zar ſeine Verbündeten am 
26. September 1815 gewonnen hatte, für Preußen einen In— 
halt, der zwar dem in ber Aufllärung bes 18. Jahrhunderts 
wurzelnden Denken bes Königs fremb war, aber feinem mon- 
archiſchen Selbfigefühl ſchmeichelte. Beruhte doch diefer Drei- 
bund, der nach innen und außen die Vorſchriften der Religion 
des Heilandes, der Gerechtigkeit, Liebe und Friedfertigkeit zur 
Richtſchnur nehmen wollte, in der Ueberzeugung von der Gott⸗ 
loſigkeit der Revolution und ſchlug daher auch in dem Könige 
eine verwandte Saite an. Das Jahr 1813 Hatte feine Ab⸗ 
neigung gegen bie felbfithätige Teilnahme des Volkes am 
Staate nicht überwunden: er mißtraute ber Volkskraft, die jo 
leicht zu entfeffeln und fo ſchwer wieder zu bändigen war. 
Ihre ſpontane Erhebung hatte ihn in dem von Metternich an⸗ 
geregten Glauben an das Vorhandenfein geheimer Geſellſchaften 
(S. 41) beftärkt: er fühlte ſich verpflichtet, ſolchem Treiben 
mit unnachſichtiger Strenge entgegenzutreten. Auch traf diefe 
Steigerung feines autofratifchen Selbftgefühls mit einer Reaktion 
zufammen, bie fi in der ſtaatsrechtlichen Litteratur gegen bie 
fo lange herrſchende revolutionäre Doktrin erhob und zufehends 
erſtarkte. Was er fi in feiner nüchternen Art als Recht und 
Pflicht des Herrſchers zurechtlegte, das entwidelte feit 1816 
8.2. v. Haller (geb. 1768, geft. 1854), ein Enkel jenes Albrecht 
dv. Haller, dem fein Chriftentum verboten hatte, als Akademiker 
in Friedrichs II. Dienfte zu treten (Bd. I, ©. 58), in feiner 
„Reftauration des Staatsrehtes“, indem er bie Lehre vom 
Urfprung bes Staates aus einem Vertrag als Chimäre ver- 
warf und ihn auf das Naturgejeg zurüdführte, das ben Stärs 
teren zum Herrihen und ben Unmächtigen zum Dienen be— 
fimmt habe. Haller entwidelte fyfematifh, was dem König 
als felbfiverftändlich galt, und ließ den Widerftand der Höf- 
linge gegen bie Neuerungsluft der Patrioten als ein Eintreten 
für die von Gott gefegte Ordnung erſcheinen. 

In bitterem Spott erging fi Stein über bie „Inſekten 
und Pygmäen“, die wieber Iuftig trieben und grünten. Denn 
in ber Umgebung des Königs war niemand bem erſtarkenden 
reaktionären Einfluß gewachſen. Der treffliche Joh. v. Witz⸗ 

Brug, Preußiige Geihiäte. IV. 6 


82 Zweite Bud. Der Bau bes Einheitäftantes. 


leben (geb. 1783, geft. 1837), ber Leiter des Militärkabinetts 
und Generalabjutant, ein Mann von feltenen Gaben bes 
Geiftes und des Herzens, äußerte zwar feinem königlichen 
Freunde gegenüber freimütig auch feine politiſchen Anſichten, 
konnte und wollte aber body eigentlich politiſchen Einfluß nicht 
ausüben, wenn er auch bie SteinsHarbenbergifhen Reformen 
und bie neue Heeresverfaſſung gegen die höfiſche Minierarbeit 
fügte und vor allem die Einflüfterungen befämpfte, die den 
König gegen fein Volt einnehmen und an befien Treue irre 
machen folten. Nur hatte er dabei außer Boyen feinen zu- 
verläffigen Verbündeten, mochte auch feine mafellofe Perfönlich- 
keit Neibern und Gegnern feine Blöße bieten. 

Das war leider nur allzu fehr der Fall bei dem Manne, 
der nad) innen und außen die Staatsautorität vornehmlich zu 
vertreten berufen war. Harbenbergs Verhältnis zum König war 
ſeit dem Wiener Kongreß erfaltet. Daß er ſelbſt deſſen Politik 
durchkreuzt hatte (S. 70), ließ ber König dabei völlig außer 
acht. Auch war ber num fünfundfechzigjährige Hardenberg troß 
aller Unermüdlichkeit und Vielgewandtheit, Lebhaftigkeit und 
geiftigen Friſche doch in der Arbeit nicht mehr pünktlich genug, 
um bei ber Konzentration aller Staatsangelegenheiten in feiner 
Hand Verfchleppungen und Reibungen, Eingriffe von oben und 
Mebergriffe von unten zu hindern. Denn außer ihm hatte nur 
Boyen bei dem König unmittelbar regelmäßig Vortrag, alle 
übrigen Minifter waren, obgleid für ihr Reſſort verantwort⸗ 
lich, auf ihn als Vermittler angewiefen. Trotz ihrer äußer- 
lien Konzentration fehlte es ber Regierung daher an Eins 
heitlichkeit bes Entſchluſſes und des Handelns. Dann forderten 
Hardenbergs anſtößige Privatverhältnifie die Kritik heraus und 
lieferten ſeinen politiſchen Gegnern, auch den außerpreußiſchen, 
Waffen gegen ihn ſowohl wie gegen die von ihm vertretene 
liberale Richtung. Denn an ihr hielt er feſt und verband ſich 
dadurch die Patrioten, ſo oft auch ſie mit ihm unzufrieden 
waren. Schön nennt ihn deshalb den Chef des Departements 
des guten Geiftee. Darin waren alle einig, daß die reichs— 
ſtändiſche Verfaffung nur von ihm durchgeſetzt werben könne. 
Denn was fie gemeinfam durchlebt hatten, gab ihm beim Könige 


I. Der Sieg der Reaktion. 83 


trog aller Entfremdung noch immer eine unvergleichlihe 
Autorität. 

Von den Miniftern war der bes Innern, Schudmann, zwar 
tüchtig in feinem Reſſort, aber ein Gegner weiterer Reformen. 
Ihren ſchlimmſten Widerſacher jedoch hatten biefe in dem Polizeis 
minifter Fürften Wittgenftein. Ein glatter Höfling von ſchein⸗ 
barer Zurüdhaltung, war er ein Verehrer und Bertrauensmann 
und ſchließlich der Agent Metternihs am Berliner Hof. Er 
machte fih dem König unentbehrlih als „Spudnapf feiner 
üblen Laune” und flößte ihm auf Grund ber Berichte feiner 
Geheimagenten Mißtrauen gegen fein Boll ein. Der Finanz⸗ 
minifter v. Bülow, Harbenbergs Vetter, und ber Juftizminifter 
Kircheiſen beſchränkten ſich auf ihre Reſſorts. Doch ftieß erfterer, 
als ehmaliger weftfälifcher Beamter ohnehin unbeliebt, durch 
bureaukratiſche Rückſichtsloſigkeit an. Außerhalb bes Minis 
Reriums zählte zu Boyens und Hardenbergs Gegnern der ſchön⸗ 
tebnerifhe und füßlih kraftloſe Ancillon, den die Königin 
Zuife in - einer unglüdlihen Stunde zum Erzieher bes Kron⸗ 
prinzen berufen hatte: er blieb der zweibeutigen Rolle treu, 
die er 1813 gefpielt hatte, während des Königs Schwager, 
Luiſens Bruder, der flattlihe und ſchöne Herzog Karl von 
Medlenburg, als anerkanntes Haupt der Hofgefelihaft offen 
teaftionäre Tendenzen verfolgte und namentlid die Scharnhorfts 
Boyenſche Heeresorganifation befämpfte. Geflifientlih nährte 
er ben Gegenfag zwiſchen Garde und Linie und erbitterte bas 
durch ſelbſt Offizierskreiſe. Schon zeigten fi in ber Armee 
Nüdfälle in die alte Willkur und Tyrannei, indem die Dffis 
ziere die Mannſchaften wieder als Ganaille behandelten und 
beſchimpften. 

Durfte die patriotiſche Oppoſition demgegenüber auf einen 
Erfolg hoffen? Auch der Zuverfihtlichfte verzagte daran, als 
in ben erften Tagen bes Jahres 1816 der von Görres rebigierte 
„Rheinische Merkur“ verboten wurbe. Ohne eigentliches Parteis 
programm hatte er unter Mitwirfung ber beften Männer voll 
Begeifterung, wenn auch gelegentlich in ſcharfen Worten, den 
deutfchnationalen Gedanken vertreten. Eine freimütige Kritik 
der Regierung war alſo nicht mehr erlaubt: die Reaftionäre 


84 Zweite Buch. Der Bau bes Einheitäftantes. 


aber durften fehreiben, was fie wollten. Ihren Verleumdungen 
ein Ende zu machen, forderte Gneifenau im Frühjahr 1816 
den Abſchied. Zunächſt erhielt er nur längeren Urlaub. Vier 
Wochen fpäter gab man ihm ohne weiteres einen Nachfolger. 
Es ſcheint dem König eingerebet zu fein, er fei zum Führer 
des von der Armee geplanten Pronunciamentos beftimmt. 
Sein Rüdtritt war auch infofern ein Verluft, als feine ebenſo 
glänzende wie gewinnende Perſönlichkeit bei den Rheinländern 
für Preußen wirkſam Propaganda gemacht hatte. Auch der 
allgemein beliebte Oberpräfident Sad wurde nad) Stettin ver 
fegt, weil er das Mißfallen des rheinifchen Adels erregt hatte. 
Zuftus Gruner (geb. 1777, geft. 1820) aber, der einft in 
Berlin das franzöfifde Spionagefyftem durch die von ihm er- 
richtete geheime Polizei bekämpft, fi 1812 nad Oeſterreich 
gewandt und dort fein patriotifches Streben mit redhtlofer Haft 
in Peterwarbein gebüßt, dann aber ala Gouverneur von Berg 
ſich durch feinen Feuereifer für den neuen Kampf gegen Frank⸗ 
reich hervorgethan und dabei die Einheit Deutſchlands unter 
Preußen gefordert Hatte, wurde zwar in ben Staatsdienſt 
wieber aufgenommen, jebod als Gefandter in Bern beifeite 
geſchoben. 

Schöpferiſch zu wirken war eine ſolche Regierung unfähig. 
Bon entſchloſſener Wiederaufnahme der Reformen war nicht 
die Rede. Vielmehr legte man Hand an eine Rüdwärtsrevis 
dierung der neuen Ordnung, namentlich im Gebiet bes Agrar⸗ 
weſens. Schon die Beftimmungen ber interimiftiihen National» 
vertretung (Bd. II, S. 489) von 1811 über bie Ablöfung ber 
bäuerlichen Dienfte hatten einfeitig die Gutsherren begünftigt, 
waren aber trogdem als für diefe nadjteilig im September 1815 
außer Wirkſamkeit gefegt worden. Nun erging am 29. Mai 
1816 eine Deklaration des Ediktes von 1811, die das Recht 
auf Regulierung des Eigentumsrechts den Grundherren gegen- 
über bloß den fpannfähigen Bauern ließ, die einen dagegen 
als angefiebeltes Gefinde behandelte. Für biefe wurde die Be— 
freiung damit überhaupt illuforifh, da die Grundherren nun 
die Möglichkeit hatten, ihr Obereigentum allmählich zu Eigen- 
tum zu erweitern und die Bauern abhängig zu machen. Piel: 


I. Der Sieg ber Reattion. 85 


fah wurde altbäuerlicher Beſitz als ehemaliges Gutsland be= 
handelt, das der Gutsherr wieder einzuziehen berechtigt jein 
folte. Die Verarmung vieler Bauern infolge bes Krieges er- 
leichterte dies Verfahren, das manchen urſprünglich freien Klein- 
bauern um fein Eigentum bradte und mit Weib und Kind 
ins Elend trieb. 

Zu um fo höherer Ehre gereicht es dem preußiſchen Be: 
amtentum, baß es troß allebem die große organiſatoriſche Auf⸗ 
gabe, vor die es der Friebe ftellte, in einer Weife löfte, die 
den Stillftand ber nächſten Jahre jo gut wie die Stürme der 
fpäteren beftand. Seine neuen Erwerbungen brachten Preußen 
von 5 auf 10% Millionen Einwohner. Sie beftanden aus über 
hundert verſchiedenen Territorien mit entjprechend verſchiedenen 
Rehtsverhältnifien und Verwaltungen: bie endgültige Aus: 
einanderjegung mit ben bisherigen Herren erforderte ein Jahr- 
zehnt mühjeliger Arbeit. Doc ftelte ſchon am 30. April 1815 
ein Erlaß die Grundzüge der künftigen Orbnung feſt. Er 
teilte das gefamte Staatögebiet in 10 Provinzen und 28 Regie⸗ 
rungsbezirke. Erſtere wurden jpäter durch Bufammenlegung 
Julich⸗Kleve⸗Bergs mit Niederrhein und Weftpreußens mit Oft- 
preußen auf acht reduziert. Sie ftanden unter Oberpräfidenten, 
die bereits Stein in Ausfiht genommen (Bd. II, ©. 449), 
Hardenberg aber feiner Neigung für das Präfektenfyitem ge- 
opfert hatte. Die Inftruftion vom 23. Oftober 1817 gab ihnen 
freien Spielraum zu felbftändiger ſegensreicher Thätigfeit: nicht 
auf tote Berichterſtattung Bin, fondern auf Grund eigener 
Anſchauung und örtlier Unterfuhung follten fie die obere 
Leitung der gefamten Provinzialverwaltung führen. Bei ber 
Abgrenzung der Provinzen nahm man möglicft Rüdficht auf 
die alten Biftorif en und landſchaftlichen Verbände und machte 
ihnen zuliebe dem Partikularismus gelegentlich große Zugeftänd- 
niſſe: er follte mit ben Intereffen bes Staatsganzen durch bie 
geplante Nationalrepräfentation ins Gleichgewicht gebracht 
werben. 

Bis dahin fand der Staat das bie verſchiedenen Intereſſen 
zu verföhnen beftimmte Zentralorgan in dem am 20. März 1817 
ins Leben gerufenen Staatsrat. In ihm ſaßen bie Prinzen, 


86 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates. 


die Minifter und die Chefs ber anderen jelbftändigen Zentral⸗ 
behörden, die Feldmarſchälle und die fommandierenden Generale, 
ſowie bie Oberpräfidenten und endlich 34 durch das Vertrauen 
bes Königs berufene Männer aus allen Zweigen bes öffent lichen 
Dienftes, die Elite des Beamtentums in Staat, Heer und 
Kirche, die eine Fülle von Erfahrung, Kenntnis und Snitiative 
in fich vereinigte und eine moralifhe Autorität darftellte, wie 
fie faum je einer monarchiſchen Regierung zur Seite geftanden 
bat. Diefe beeinträchtigte freilich einigermaßen bie Nichtöffent- 
lichkeit der Verhandlungen. Sie betrafen alle Geſetze, bie 
Formulierung allgemeiner Verwaltungsgrundfäge, die Ent: 
ſcheidung von Streitigkeiten zwifhen den Minifterien und die 
Abfegung von Beamten. Auch Beſchwerden ber Unterthanen 
ſollten vor den Staatsrat gebradit werden. Was bereits Stein 
durch eine ſolche Körperjchaft hatte erreihen wollen (3b. II, 
©. 433), konnte diefe vollauf leiften. Ihre Aufgabe faßte 
Hardenberg in ber Rebe, mit ber er ihre Sigungen am 
30. März 1817 eröffnete, dahin zufammen: fie folle „das Be— 
ftandene in bie gegenwärtigen Verhältniffe des Staates, in bie 
Bildung bes Volkes und die Forderungen ber Zeit verftändig 
einfügen. Denn ber preußiſche Staat folle ber Welt zeigen, 
daß wahre Freiheit und gejeglihe Orbnung, Gleichheit vor dem 
Geſetz und perfönliche Sicherheit, Wohlftand des Einzelnen und 
des Ganzen, Wiſſenſchaft und Kunft, daß enblih, wenn es 
unvermeiblid if, Tapferkeit und Ausdauer zum Kampfe für 
das Vaterland am beften und fiherften gedeihen unter einem 
gerechten Monarchen“ — was freilich beinahe Hang, als wolle 
er fi von dem Verdachte republikaniſcher Reigungen reinigen! 

Diefe höhere Beftimmung freilid erfüllte ber Staatsrat 
fo wenig, wie er die nächſte und bringenbfte Aufgabe Töfte, 
bie Orbnung ber Finanzen. Gerabe babei gerieten bie in ber 
Regierung vorhandenen Gegenfäge zuerft heftig aneinander, 
offenbarten bie an leitender Stelle herrſchende Zerfahrenheit 
und veranlaßten neue ſchädliche Reibungen. Die vom König 
befohlene Prüfung der Finanzen durch Bülow (S. 83) hatte 
ein traurige Ergebnis. Obgleich die Koften bes Krieges noch 
lange nicht aufgerechnet waren, wies fie eine Staatsſchuld von 


I. Der Sieg ber Realtion. 87 


über 200 Millionen Thalern nad und den völligen Verfall bes 
Staatskredits. Die Höhe des jährlichen Fehlbetrages war noch 
gar nicht zu ermitteln. Deshalb wurde Bülom fhon in ber 
vorberatenden Kommiſſion des Staatsrates heftig angegriffen, 
namentlih durch Humboldt, der damals Gefandter in London 
war. Wenn er die Schuld auf Boyen ſchieben wollte, deſſen 
Heeresorganifation fo viel koſte, fo wurde er zwar von dieſem 
widerlegt durch den Nachweis, daß Preußen noch nie ein jo 
ftarfes und dabei jo wohlfeiles Heer befefien habe, leiftete aber 
doch der Militärpartei unter Karl von Medienburg Vorſchub 
in ihrem Streben nad} Herftellung ber fridericianiſchen Heeres- 
verfaffung. Jedenfalls war eine Entlaftung bes Volles unter 
ſolchen Umftänden nicht möglich. Als aber Bülow neue Ein- 
nahmen aus indireften Steuern ziehen wollte, ftieß er auf 
Widerftand, und nad) lebhaften Debatten beantragte der Staats: 
rat (20. Juni) beim König die Verwerfung feines Steuer- 
planes, empfahl aber zugleich die Neuordnung bes geſamten 
Steuerwejens, namentlich die gleihmäßigere Verteilung ber in 
den einzelnen Provinzen fehr verſchiedenen Grumdfteuer. Da- 
gegen fand Bülows Entwurf zur Reform des Zollweſens Bei: 
fall. Doch wurde erfterer auf Befehl des Königs noch in allen 
Provinzen Notabelnverfammlungen zur Begutachtung vorgelegt : 
fie lehnten ihn ebenfalls ab und empfahlen in der Mehrzahl 
bie Einführung einer abgeftuften Perfonenfteuer, bie denn au 
vorbereitet wurde und nachmals als Klafienfteuer ins Leben trat. 

So große Gegenfäge dieſe Verhandlungen in ber Regie- 
zung offenbart hatten: Hardenberg konnte, weſentlich aus per» 
fönlihen Rüdfihten, zu gründlichen Aenderungen ſich nicht ent- 
fliegen. Humboldt, der Führer der Oppofition, lehnte den 
Eintritt in das Minifterium ab. Wie in Ungnade kehrte er 
auf feinen Poften nad London zurüd. Erſt gegen Ende bes 
Jahres wurde Blow auf das von ihm mit Geſchick und Glüd 
vertretene Gebiet des Handels beſchränkt. Die Finanzen über: 
nahm Klewiz, ein tüchtiger Fachmann und befonnener Reform- 
freund, nachdem Hardenberg noch eine Generallontrolle zur 
Prüfung aller Staatsausgaben und ein Schagminifterium für 
den Schat, die Schuld und bie außerordentlihen Ausgaben 


88 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsftaates. 


abgezweigt hatte, die er felbft übernahm. Bon dem Innern 
mußte Schudmann die geiftlihen und Unterrichtsangelegen⸗ 
heiten, die er arg vernadhläffigt hatte, an den trefflichen Alten- 
ftein abgeben, der im Sinn der Patrioten für Preußen ben 
Primat der Wiſſenſchaft erftrebte. Aehnlich wurde das Juftiz- 
minifterium geteilt, indem Kircheiſen die Revifion der Geſetze 
und die Yuftigorganifation der neuen Provinzen, fo verdient 
er fih um fie gemacht hatte, dem Kanzler Beyme überließ, 
ber troß feiner Belehrung zum Liberalismus nach wie vor das 
Vertrauen bes Königs beſaß. Nur die Stellung Boyens und 
Wittgenfteins blieb unverändert. 

Gebefjert war damit nichts. Vielmehr erſchwerte die Ver- 
mehrung ber Köpfe im Minifterium dem Staatsfanzler bie 
Meberfiht der Geſchäfte und die Geltendmahung feines aus: 
gleihenden Einfluffes erft recht, vervielfältigte dagegen und 
verf&ärfte die vorhandenen Reibungen. Denn die Entſcheidung 
der prinzipiellen Frage hatte der Minifterwechjel nicht gebracht, 
von der die Zukunft Preußens abhing, je nachdem fie von ben 
Patrioten oder den Vertretern ber Reaktion in Heerweſen und 
Verwaltung beftimmt wurde. Auf die Dauer freilih war das 
Zufammenwirken eines Hardenberg und Boyen mit einem 
Schudmann und Wittgenftein unmöglid. Der in ihnen ver- 
körperte politifhe Gegenfag konnte höchſtens Gebiete unbeein- 
flußt laflen, wo es fi um ber politifchen Kontroverſe entrüdte 
rein techniſche und wirtſchaftliche Probleme handelte. Auch 
nahm Preußen wirklich während ber nächſten Jahre in unfchein- 
barer Arbeit eine folgenreihe Neugeftaltung der wirtſchaftlichen 
Grundlagen feines Dafeins vor, obgleich ein jäher politischer 
Umſchlag der Reaktion im Innern wie nad außen zur Herr⸗ 
ſchaft verhalf. Daß und wie das geihah, war aber mwieber 
weniger das Ergebnis allgemeiner, gewiſſermaßen geſchichtlich 
notwendiger Verhältnifjie ala das perfönliche Werk des Königs, 
ber, ein unbelehrbarer Autofrat, fein Volt von ber Weiter: 
verfolgung bes 1813 eingefchlagenen Weges zurüdhalten wollte 
und dabei gar nicht merkte, wie er einem fremden Willen und 
fremden Interefien dienſtbar wurde. 

Aus dem Geifte, der im Frühjahr 1813 die zu den Waffen 


1. Der Sieg ber Reattion. 89 


ftrömende preußiche Jugend erfüllt hatte, war nach dem Frieden 
zu Jena die deutſche Burſchenſchaft entiprungen. Eine von 
ſchönem Jdealismus getragene Reaktion gegen die Berrohung 
bes afademifchen Lebens, bebeutete fie für bie Stubentenfhaft 
etwa basfelbe, wie die Einführung einer menſchenwürdigen 
Behandlung der Soldaten 18078 für das preußifche Heer: 
aud fie wollte den höheren geiftigen und fittlihen Momenten 
zu ihrem Necht verhelfen. Zu ben Stubien zurüdgefehrt, 
ſchwärmten die Zünglinge für Vaterland, Freiheit und Ehre, 
für bie fie gefodhten hatten. Ganz befonders ſchmerzlich em⸗ 
pfanden daher gerade fie ben enttäuſchenden Ausgang bes Frei⸗ 
heitsfampfes. Wenigftens in ihrem Kreife fuchten fie die Ein- 
heit zu ſchaffen und baburd ber Nation ein Vorbild zu geben. 
Prabktiſch politifhe Abfihten, etwa auf Erzwingung ber von 
ihnen gewunſchten Orbnung, haben fie im allgemeinen nicht 
gehegt: kaum von einem Fleinen Kreife ift derartiges nad: 
weisbar. Aber fie hätten nicht deutſche Stubenten fein müffen, 
wenn fie nicht an der den nationalen Hoffnungen fo ganz zu⸗ 
wiberlaufenden Entwidelung der Dinge und deren Trägern ge: 
legentli ihren Spott ausgelaffen hätten. Das thaten denn 
auch am Schluß des wahrhaft erbaulich verlaufenen Wartburg- 
feftes (18. Oftober 1817) zum Gedächtnis ber Reformation 
und ber Schladt bei Leipzig, das von heilig bewegtem Patriotis- 
mus getragen war, improvifiertermeife einige kede Burfchen, 
indem fie die Werke übelberufener reaktionärer Autoren finn- 
bildlich den Flammen übergaben jamt Korporalftod, Haarzopf 
und Schnürleib als Symbolen altmodifhen Zwanges. Natür- 
lich wurde der Vorgang tendenzids ausgebeutet als Beweis 
dafür, daß bie akademiſche Jugend von revolutionären Be: 
ſtrebungen erfüllt fei. Das machte auch auf Unbeteiligte Ein: 
drud. Eine leidenfhaftlice litterarifche Diskuffion entbrannte 
und verleitete auch bie Verteidiger der Burſchenſchaft zu un: 
befonnenen und mißbeutbaren Worten, bie ihren Gegnern zur 
Waffe wurden. Daß Karl Auguft von Weimar bie Sache nicht 
tragiſch nahm und ber geharniſchten Beſchwerde des preußifchen 
Geheimerats v. Kamptz, deſſen „Genbarmeriefoder" mit ver: 
brannt worben war, Feine Folge gab, fteigerte die Entrüftung 


90 Zweites Bud. Der Bau bed Einheitäftaates. 


ber Reaftionäre: war er doch obenein ber einzige Fürft, welcher 
ber Verheißung der Bundesakte gemäß feinem Lande eine ftän- 
diſche Verfaffung gegeben Hatte. 

Des Königs Verhältnis zu ben Univerfitäten hatte das 
„Prügelmandat” von 1798 (8b. II, ©. 355) hinreichend ges 
kennzeichnet. Weber die Verjüngung der Königsberger und die 
Gründung der Berliner Univerfität, noch die Neubelebung von 
Wittenberg in Halle und von Frankfurt in Breslau (1811) 
und bie bevorftehende Eröffnung von Bonn hatten es geändert. 
Die Schmwärmerei ber gelegentlid unbändigen alademiſchen 
Jugend war ihm gründlich zuwider. Jegt ließ er überall nad 
der Beteiligung am Wartburgfefte Umfrage halten. Königs: 
bergs „guter Geift“ wurbe belobt, weil von bort niemand babei 
geweſen war. Altenftein mußte alle ſtudentiſchen Verbindungen 
bei Strafe der Relegation verbieten: die Univerfitäten, mo 
der „Geift der Zügellofigkeit“ nicht zu vertilgen fein würde, 
erklärte ber König auflöfen zu wollen. So übertriebene Strenge 
gab der Sade eine üÜbergroße Bedeutung und verleitete die 
akademiſche Jugend zu falſchen Borftellungen von ihrer Wichtig: 
feit. Die Entlarvung Kogebues als eines ruffiiden Spions 
trug die Erregung in alle national fühlenden Kreife. Sie fleigerte 
der Streit über die Deutſchtümelei der um Jahn (geb. 1778, 
get. 1852) gefammelten Turner. In alledem fahen die Regie: 
tungen nur Bethätigungen bes herrſchenden revolutionären 
Geiftes. Für ihn machte der König kurzweg die Profefioren 
verantwortlich. Weil fie, mußten bie Königsberger (18. Auguft 
1818) fi belehren laſſen, es an aufmerfjamer und weifer 
Leitung fehlen ließen, drohe die durch den Krieg aufgeregte 
akademiſche Jugend, ftatt dem heranwachſenden Geſchlecht Ehre 
und dem Baterlande Segen zu bringen, vielmehr beiben ver: 
derblich zu werben, und nötige bie Staatsgewalt, fie durch 
wilden Ausbruch zu vernichten. Vergeblich fuchte Altenflein 
mäßigend einzumirfen, während Karbenberg, verblenbet, dem 
König nachgab, um in ihm nur ja feinen Zweifel an feiner 
eigenen Gefinnung auflommen zu laflen und dadurch feinen 
eben ernſtlich in Angriff genommenen Verfafiungsplänen Hinder⸗ 
niffe zu bereiten. Schwer jolte er diefe Schwäche büßen. 


I. Der Sieg der Realtion. 9 


Im Oktober 1818 fonftituierte fih in Jena bie allgemeine 
deutſche Burſchenſchaft, eine freie Vereinigung der geſamten 
deutſchen Burſchenſchaft zu einem Ganzen, „gegründet auf bas 
Verhältnis der deutſchen Jugend zu der werdenden Einheit bes 
deutſchen Vaterlandes“. Es war nah bem Gefchehenen kaum 
zu verwundern, daß in ihr mande radikaler daten und in 
jugendlicher Hige mit Plänen zu revolutionären Thaten fpielten. 
Weil fie die Regierungen fi} vor ihnen fürdten fahen, glaubten 
biefe Jünglinge wer weiß was zu fein, und verftiegen fi) zu 
ihnen font fremder Verwegenheit. Teilte doch auf dem Aachener 
Kongreß, der die Räumung Frankreichs durch die verbündete 
Decupationsarmee einleitete, ber Zar den Monarden eine 
Denkirift „Ueber den gegenwärtigen Zuftand Deutſchlands“ 
mit, durch die der Staatsrat Stourbza ihn überzeugen wollte, 
daß Deutſchland feine Univerfitäten mit einer Revolution be- 
drohten, die zu beſchwören biefe mittelalterlihen Staaten im 
Staate befeitigt, die Studierenden als unmündige Staats: 
bürger behandelt und an fefte Lehrfurfe gebunben werben 
müßten. Mochte der Denunziant, ein walachiſcher Bojar, nad 
dem Urteil feiner Minifter von diefen Dingen auch ſprechen 
wie ber Blinde von ben Farben: ber König fanb hier Ge 
danken wieder, bie ihn jelbft befchäftigt hatten. Bei feiner 
Unfähigkeit, fi zu allgemeinen Anfhauungen zu erheben und 
ben inneren Zuſammenhang ber Dinge zu erfaflen, brachte er 
mit ben bier gerügten Erſcheinungen in Verbindung, was ihm 
fonft an feines Staates dermaligem Zuftande nicht behagte. 
Ihn beftärkte darin Wittgenftein, dem Metternich ebenfalls in 
Aachen eine Denkſchrift zuftellte über das Erizehungsweien, 
worin er unter Hinweis auf bie Univerfitäten und die Turnerei 
zu ſchleunigſter Ausrottung des Unfugs mahnte. So entftand 
die umfangreiche Rabinettsordre vom 11. Januar 1819. Auf 
die bewährte Treue und Hingebung feines Volkes, erflärte der 
König darin, könne er ſich nicht mehr unbedingt verlaflen; er 
fühle ſich verpflichtet, dem durch bie langen Kriegsjahre er 
zeugten Geift der Unruhe Fräftig entgegenzutreten, um bie 
Unzufriedenen von der leidenſchaftlichen Verfolgung unbejtimmter 
Biele abzuhalten. Auch das Minifterium fehle: es verfchleppe 


. 


92 Zweites Bud. Der Bau des Einheitäftantes, 


die Geſchäfte und fei uneinig. Die Hauptſchuld aber trage 
die Erziehung, welche die Jugend zu verfrühter Teilnahme am 
öffentlichen Leben verleite. Deshalb fordert er firenge Ueber⸗ 
wachung bes Unterrichtes und Vorſicht bei ber Auswahl ber 
Univerfitätslehrer. Der Turnunterriht fol an die Schulen 
gebunden und auf körperliche Abhärtung beſchränkt werben. 
Den Mißbrauch der Preffe fol ein Preßgeſetz abftellen, ohne 
jebod die Anregung von Verbefferungen unmöglich zu maden. 
Ueber die Ausführung im einzelnen erwartet er die Vorſchläge 
der Minifter. 

Das Mang ja ruhig und maßvol, wohl bank dem Ein» 
fluß Hardenbergs. Aber dahinter bargen ſich ftrenge Abfichten. 
Zwar wolle, ließ fi Altenftein, bie Kabinettsordre erläutern, 
am 16. Januar in Bezug auf die Univerfitäten vernehmen, ber 
König die freie Diskuſſion nicht beſchränken, könne aber nicht 
Lehrer dulden, die ſolche Grundfäge aufftellen und jo unnüge 
und unfhidlihe Dinge vortragen, wie bas unlängft einer ges 
than — ber Jenenſer Dfen ift gemeint —; geichehe es, fei 
fofort Anzeige zu machen. Dann werben bie Profefjoren be: 
lehrt, die Würde des ihnen anvertrauten Lehramtes würden 
fie am ſicherſten wahren, wenn fie fih nicht den nichtigen 
Scriftftellern des Tages gleichitellen, ſondern durch gelehrte 
Forſchungen und wiſſenſchaftlichen Vortrag tiefe Einfiht und 
ernfte Gefinnung darthun und verbreiten, die Wiſſenſchaft 
wahrhaft fördern und ihre Zuhörer durch Lehre und Schrift 
zu Männern bilden, die fern von ber feichtem Wifjen ent: 
fpringenden Anmaßung als gereifte Ratgeber an der Staats- 
verwaltung teilzunehmen verdienen. Abſonderlich illuftrierten 
freilich des Minifters Worte die Handlungen des Königs. 
Gleih am 11. Januar ließ er E. M. Arndt in Bonn einen 
Verweis erteilen wegen einiger Yeußerungen in dem 4. Teil 
bes „Geift der Zeit”. Die Turnpläge befahl er zu fliehen. 

Um diefelbe Zeit aber wurde auf Witlebens Empfehlung 
Humboldt in das Minifterium berufen, troß feines Sträubens: 
Hardenberg meinte ihn fo wohl am fidherften unſchädlich zu 
maden. Er ſollte namentlih den erfaflungsentwurf bes 
arbeiten. Noch durfte Arndt demnach hoffen, es werbe „ben 


I. Der Sieg ber Reaktion. 93 


Kit: und Rechtſcheuen nicht gelingen, dem guten und mutigen 
Sinn des Königs bange zu machen und zu hindern, was ganz 
Europa und befonders Deutſchland von Preußen erwarte“. 
Da gab die That Sands (23. März 1819) der Reaktion eine 
furchtbare Waffe in die Hand. Beftätigte fie nicht alles, was 
die Schmalz, Stourdza, Kampf u. |. w. über die Verwilderung 
der alademifhen Jugend gefabelt? Metternich wußte die Gunft 
des Augenblids zu benugen. Preußen aber ging ihm babei nicht 
bloß willig zur Hand: es eilte ihm voraus. Den Preußen 
wurde ber Beſuch Jenas verboten, bie Senate ber Landes- 
univerfitäten mußten hinfort monatlich über alle disziplinariſchen 
Vorkommniſſe Bericht erftatten, befonbere jofort melden. Aber 
die Kampg und Wittgenftein wollten aud die Häupter ber 
Batrioten treffen. Eine rechtloſe Hausfuhung brachte Arndt 
um feine Papiere. Gleiches geſchah dem Philologen Friedrich 
und dem Juriſten Karl Welder in Bonn: ihr litterarifches 
Eintreten für landſtändiſche Verfafiungen hatte fie in den Ges 
ruch der Demagogie gebracht. Aehnli ging es dem Arndt 
befreundeten Buchhändler ©. A. Reimer in Berlin. Jahn wurde 
(13./14. Juli) nächtlicherweile verhaftet und in Ketten nad 
Spandau geführt. Der Theologe de Wette in Halle büßte 
einen Trofbrief an Sands Mutter, feine Gaftfreundin, mit 
Verluft des Amtes. Beſchwerde, Proteft, rihterlihe Einfprade: 
alles blieb wirkungslos. Görres, der für Sands blutige That 
diejenigen verantwortlich machte, welche die deutſche Jugend 
um ihre nationalen Hoffnungen betrogen hatten, entzog ſich ber 
drohenden Verhaftung durch bie Flucht nah dem von ihm fo 
bitter gehaßten Frankreich. Wie bebauerten bie Urheber folder 
Gewaltthaten, nit auch gleich an Stein und Hardenberg 
kommen zu lönnen! Metternich war bereits auf dem Wege dazu. 

In Karlabab beſprach er mit den Miniftern Hannovers, 
Bayerns und Sachſens, was zu gefchehen Habe. Dann eilte er 
zu Friedrich Wilhelm nad Teplig. In Gegenwart Wittgen- 
ſteins hatte er mit ihm eine zweiftündige Unterrebung und 
erhielt die Zufage, der König werbe „ben gemagteften aller 
Schritte”, die Einführung einer Verfaflung, nicht thun, ohne 
fich zuvor mit ihm verftändigt zu haben. Er ſcheint ihn über: 


94 Zweites Bud. Der Bau bes Einheitsſtaates. 


zeugt zu haben, daß Hardenberg von der Demokratie abhänge: 
niemand finde fi in feiner Umgebung, der nicht entweder im 
Sinn der reinften Demokratie wirfe oder aftiver Teilnehmer 
an ber Verſchwörung gegen den preußifhen Thron wäre. Und 
derfelbe Hardenberg fette unter Aſſiſtenz Wittgenfteins mit 
Metternih am 1. Auguft die Punktation auf „über die Grund⸗ 
füge, nad welchen die Höfe von Defterreih und Preußen in 
den inneren Angelegenheiten bes Deutſchen Bundes zu verfahren 
entfehlofien find“, und nahm an ben Konferenzen teil, auf benen 
in den Tagen vom 6. Auguft bis zum 1. September mit Ver- 
tretern allein von Baden, Württemberg, Nafau und Medien: 
burg die den deutſchen Staaten aufzuzwingenden Maßregeln 
ärgfter Reaktion vereinbart wurden. Am 20. September nahın 
der Bundestag die „Rarlsbaber Beihlüffe” an, angeblich ein- 
ftimmig — denn ablehnende Boten wurben einfach verheimlicht. 
Ihrer Entftehung entiprad ihr Inhalt. 

Den Kern machte die Erklärung aus, bie in Artikel 13 
ber Bundesakte verheißenen Verfaflungen dürften nur bie in 
Deutſchland ſchon früher üblichen landſtändiſchen fein, nicht 
fremden Muftern nachgebildet. Des weiteren wurden bie Uni- 
verfitäten genau nad) dem Plane, den Adam Müller, ber öfter: 
reichiſche Generalfonful in Leipzig und Agent an mehreren 
einen deutſchen Höfen, feinem Freunde Gens an die Hand 
gegeben hatte, unter Polizeiaufficht geftelt, indem an jeder 
ein befonderer Regierungsbevollmäditigter den Geift beobachten 
follte, in dem die alademifchen Lehrer wirkten, um ihm eine 
auf bie kunftige Beftimmung der fubierenden Jugend bes 
rechnete heilfame Richtung zu geben. Wer bie Staatsorbnung 
untergrabende Lehren vorträgt, ift abzufegen und darf innerhalb 
bes Deutfchen Bundes ein öffentliches Lehramt nicht mehr bes 
kleiden. Die ſtudentiſchen Verbindungen, namentli die Bur- 
ſchenſchaften, werden verboten. Die wegen Teilnahme daran von 
einer Univerfität Entfernten bürfen auf feiner anderen zu= 
gelafien werben, auch nie ein Stantsamt befleiven. Endlich 
wird für ale Drudiäriften unter zwanzig Bogen die Zenſur 
zunächſt auf fünf Jahre eingeführt und jeder Bundesſtaat für 
bie in feinem Gebiet gegen einen anderen begangenen Preb- 


I. Der Eieg der Reattion. 95 


delikte gegenüber ber Geſamtheit bes Bundes für verantwortlich 
erklärt. Zur Unterfuhung der demagogiſchen Umtriebe wurde 
in Mainz eine Bentralunterfuhungstommifion errichtet. 
Befonbers eifrig, hart und gewaltthätig wurben biefe Be- 
ſchluſſe in Preußen vollfiredt. Wittgenftein und Kamptz waren 
Herren der Situation. Die von Kamptz unter Beihilfe Granos 
und Tafchappes geleitete Immebiatunterfuhungsfommiffion, die, 
jebes gejeglichen Bodens entbehrend, jeit dem 1. Oftober 1819 
für alle hierher zu zählenden Fälle einfah an bie Stelle ber 
ordentlichen Gerichte trat, entfaltete, durch eine ihr angeblich 
übergeorbnete Minifteriallommiffion völlig ungehindert, auf 
Grund des ihr von den Mainzer Kollegen reichlich gelieferten 
Materials bald eine fieberhafte Thätigfeit, und der König, 
in dem Wahn, daß bie beftehenbe Orbnung bedroht fei, wandte 
ben fie zu retten beftimmten Repreffiomaßregeln lebhafte per- 
Tönlice Teilnahme zu. Er war ganz einverftanden mit der neuen 
Lehre vom Hochverrat, die Kamptz zur Anleitung ber preußi- 
ſchen Richter zu einer feinen Abfihten entſprechenden Rechts 
fprehung entwidelte, wonach folder aud ohne alle gewaltfame 
ober ſonſtige gefegwidrige Handlung begangen werde durch die 
Vertretung ober Ausbreitung von Theorien, welche bie bes 
ſtehende Verfaſſungs- oder Staatsform ganz ober teilmeife 
ändern, untergraben ober auflöfen konnten, wenn fie all 
mählih Wurzel faßten. Hardenberg aber ſah ruhig zu: in 
unbegreifliher Schwäde ließ er bie Reaktion gewähren und 
meinte doch noch die Verfafjung zu ftande bringen zu können. 
Beging er damit nicht eine Art von moralifhem und zus 
gleich politiſchem Selbſtmord? Auch in Norddeutſchland ver- 
sihtete damit Preußen auf die führende Stellung Mit 
Recht durfte Metternich behaupten, Preußen habe Deſterreich 
einen Pla überlafien, den ein Teil bes deutſchen Volles ihm 
zugedacht Habe. Hardenberg wurbe fein übertriebener Opti- 
mismus zum Verhängnis. Daß er die bisher vertretene Ueber- 
zeugung innerlich bereits aufgegeben, nur zum Schein noch feſt⸗ 
gehalten habe, kann nicht behauptet werden. Schließlich hoffte 
er fie doch noch irgendwie durchfegen zu können. Perſönliche 
Momente wirkten mit. Zwifchen ihm und Humboldt hatte fih 





100 Zweites Bud. Der Bau des Einheitäftantes. 


umftänblihen und fchleppenden Verfahrens lag, erhielten die 
Unbeteiligten feine Kenntnis. Und felbft jene nichtsfagenden 
Protokolle wurden feit 1824 nicht mehr veröffentlicht. 

Am meiften lag Preußen natürlich die Entwidelung der 
deutſchen Wehrkraft am Herzen durch zwedimäßige Ausgeftaltung 
ber Bundeskriegsverfaſſung. Eine ſolche erforderte fein eigenes 
Intereſſe. Aber auch da hatte es zunächſt nur Enttäuſchungen 
und Niederlagen zu verzeichnen. Gewann durch die Zugehörig⸗ 
keit Preußens mit ſeiner bewährten Kriegsmacht der Bund 
außerordentlich an Sicherheit, ſo geſchah das Gleiche für Preußen 
doch nur dann, wenn es mit ſeinem ganzen Gebiete in den 
Bund eintrat und dieſer dadurch verpflichtet wurde, ihm gegen 
jeden Angriff auf einen Teil ſeines Gebietes Hilfe zu leiſten. 
Die Bundesakte aber nahm den Eintritt ber beiden Groß— 
mächte nur mit denjenigen ihrer Länder in Ausfiht, die ehe- 
mals zum deutſchen Reiche gehört hatten, ſchloß aljo die Pro- 
vinzen Preußen und Pofen aus. Für ben Fall eines Konflikts 
mit Rußland war Preußen daher der Bundeshilfe nicht ver- 
ſichert. Ein folder ſchien ja nun freilich vollends nicht zu be— 
fürdten, feit im Sommer 1817 die Vermählung der Prin- 
zeffin Charlotte mit dem Großfürften Nikolaus, des Zaren 
zweitem Bruber, die Allianz ber beiden Oſtmächte von neuem 
befiegelt hatte — nicht ohne lebhafte Erregung der öffentlichen 
Meinung darüber, da die Hohenzollern im Sätularjahr ber 
Reformation dem ruffiihen Hochmut und der Unduldſamkeit 
der griechiſchen Kirche den Webertritt der Braut zu dem orthos 
doren Glauben zugeftanden. Aber trogdem meinte ber König, 
in dem die Erfahrungen von 1807 unverwijchbar fortlebten, 
wenigftens die Möglichkeit nicht außer Berechnung lafien zu 
bürfen, daß er einmal von feinem öftlihen Nachbarn bebroht 
werde. Regte doch des letzteren phantaſtiſche Polenpolitif bie 
nationalen Aſpirationen auch der Preußen unterthänigen Polen 
in bedenklicher Weiſe an. Deshalb forderte der König, mit 
dem geſamten preußiſchen Staatsgebiet in den Bund aufs 
genommen zu werben. Davon aber fürdteten Defterreih und 
die übrigen Bundesſtaaten eine gefährliche Steigerung des 
preußiſchen Einflufies im Bunde. Auch wurden von Preußen 


I. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 101 


wirklich außer feinen alten Reichslanden nur Geldern, Schlefien 
und die Laufig aufgenommen. Mit Pofen, wo es ber energi- 
ſchen Vertretung der deutſchen Kulturinterefien bedurfte, blieb 
dem Bunbe das Land fern, das einft ein foftbarer kolonialer Ge— 
meinbefit bes deutſchen Volkes gewejen war, von bem auß ber 
Große Kurfürft die Zukunft feines Haufes gerettet, das weiter: 
Bin bie junge Königswürbe getragen und zulegt ben Anftoß 
zur Abſchuttelung ber Fremdherrſchaft gegeben hatte. Aber ber 
König ftand mit feiner Forderung allein. Auch Hardenberg 
und Humboldt billigten fie nicht, beide aus Sorge, Preußen 
tönne, wenn es bloß nod ein beutfcher Staat jei, an feiner 
Bedeutung als europäiſche Macht Einbuße erleiden. Dennoch 
mußte die Sache auf des Königs Befehl in Wien zur Sprade 
gebracht werben: natürlich ohne Erfolg. Denn Metternich 
befürchtete angeblich von ber alsdann eintretenden Aenderung 
ber bisher zwifchen den beiden deutſchen Großmächten im Bunde 
beftehenden Gleichheit eine Erſchutterung ihres guten Verhält: 
niſſes. Auch fei es ja doch jelbftverftändlih, daß, wenn ein 
Bundesſtaat in feinem außerdeutſchen Gebiete angegriffen würde, 
ber Bund für ihn eintrete, abgejehen davon, daß ein ruſſiſcher 
Angriff auf eine ber beiden deutſchen Mächte allein doch kaum 
denkbar ſei. Aber auch nach diefer Abweifung ließ ber König 
feine Forderung erft fallen, als ein Gutachten der auswärtigen 
Abteilung des Staatsrates fie für zur Zeit undurchſetzbar er 
Härte im Hinblid auf bie ablehnende Haltung der Bundess 
flaaten (April 1818). 

Damit war eigentlich auch bereits das Schidfal der Bundes« 
kriegsverfaſſung entſchieden. Die Eiferſucht Defterreihs und 
die geheime Furt der Mittels und Kleinftanten vor Preußens 
militärifchem Uebergewicht hinderte auf biefem Gebiete jede 
lebensfähige Organifation. Weber bie Einleitungen zur Her 
ftellung einer Matrifel für die Bemefiung der Stärke ber ein- 
zelnen Kontingente Fam man nicht hinaus. Sollte etwas ge 
leiftet, das Bundesgebiet glei jegt an ben ſchwachen Stellen 
wirkſam gefhügt werben, fo mußte bas allein wirklich leiſtungs⸗ 
fähige Preußen eintreten und Laften auf ſich nehmen, die eigent- 
li die Gefamtheit zu tragen gehabt hätte. Und jelbft babei 


102 Zweites Bud. Der Bau des Cinheitäftantes. 


noch ſah es fi gehindert und verdächtigt. Doch einigte & 
fi) mit Defterreih wenigftens über die Bunbesfeftung Mainz: 
jeber Teil jolte die Hälfte der Befagung ftelen, die Ernennung 
bes Gouverneurs ober Kommandanten alle fünf Jahre zwiſchen 
ihnen alternieren. Dafür aber mußte Preußen fich verpflichten, 
im Intereſſe Oeſterreichs, das bie Donauftraße gefichert zu jehen 
wünfhte, für Ulm als Bunbesfeftung einzutreten, während bie 
ſuddeutſchen Staaten eine ſolche am Oberrhein errichtet haben 
wollten. Für die Bundesfeftung Luremburg übernahm es nach 
einem mit dem Königreih ber Niederlande geichlofienen Ver: 
trag gar vier Fünftel der Befagung, ſowie den Gouverneur 
und den Kommandanten zu fielen. Das Befte aber zur Sicherung 
Deutſchlands gegen Weiten Ieiftete e8 bo auf eigene Hand, 
indem es mit einem Aufwand von Millionen feine rheinifchen 
Feſtungen durch General After ausbauen ließ. Koblenz mit 
dem Ehrenbreitftein gegenüber, Köln, Wejel, Julich und Saar: 
louis bildeten bald einen eifernen Gürtel gegen alle franzöſiſchen 
Gelüfte nach dem linken Rheinufer. 

Schwieriger noch als der wirkſame Schuß der deutſchen 
Grenzen dur ben Bund erwies fi bie Aufftellung eines 
Bundesheeres. Dazu empfahl der geniale Präfident des Erfurter 
Regierungsbezirks, v. Motz (1770—1835), ein geborener Kur⸗ 
heſſe, einen ähnlichen Weg, wie Humboldt zur wirffamen För- 
derung gemeinnügiger Zwecke vorgeſchlagen hatte (S. 99). 
In einer dem Staatskanzler im September 1817 überfandten 
Denkſchrift ſchlug er den Abſchluß von Militärkonventionen 
zwifchen Preußen und den Fleineren norbbeutfchen Staaten vor, 
angeregt wohl durch den ihm befannt gewordenen Plan Karl 
Augufts von Weimar zu einer gemeinfamen militärifchen Organi⸗ 
fation ber thüringifhen Staaten. Weimars und Sonders⸗ 
hauſens glaubte er ſicher zu fein, rechnete auch auf Kurheſſen 
und die Anhaltiner und erwartete den almählihen Anſchluß 
fämtlicher größeren und kleineren Fürften Norddeutſchlands. 
Da aber auch fo nur ein Teil der Webelftänbe, die feine un- 
glüdliche territoriale Geftaltung und bie Leiftungsunfähigfeit 
bes Bundes für Preußen mit fi braten, befeitigt wurde, 
empfahl Motz durch den Taufch verſchiedener Gebiete mit ben 


II. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 103 


füdlihen Nachbarn Preußen bis zum Main vorzuidieben und 
feine Zerreißyng in zwei getrennte Stüde abzuftellen durch bie 
Retrozeſſion Fuldas und bie Erwerbung von Hanau und einem 
Teil von Oberheflen, woburd alle norddeutſchen Bundesftaaten 
zu preußifchen Enflaven gemacht worden wären. 

Und derfelbe Staat, der fo das Bewußtfein feiner Pflicht 
gegen und feines Rechtes auf Deutſchland bethätigte, erniebrigte 
fich zum Handlanger Metternichs bei den Karlsbader Beſchlüſſen. 
Greller denn je bethätigte ſich darin der Widerſpruch, an dem 
ſein ganzes Dafein ſeit den großen Tagen des Jahres 1818 
krankte. „Es iſt eine Erbärmlichkeit,“ ſchrieb E. M. Arndt 
(19. Juni 1819) noch vor den unheilvollen Karlsbader Tagen, 
„wie die Heine Polizeijagb, worin bie deutſchen Regierungen 
fi ebenfo wie die unglüdlihe franzöfifde unter Ludwig XIV. 
und XV. verlieren, endlich die unfhäblihen Würmer ber Un- 
zufriedenheit zu Schlangen ber giftigften Bosheit erziehen 
werben.” Auch ift das thatſächlich das Kauptergebnis ber 
Demagogenverfolgungen gewefen, bie jahrelang wie ein Fluch 
auf Deutſchland und vor allem auf Preußen laſteten. Metter- 
nich freilich machte vor fih und feinen Mitauguren Fein Hehl 
daraus, daß fie auf einer Fiktion berubten. An eine von ber 
Burſchenſchaft drohende Gefahr Hat er nie geglaubt: er ver- 
lachte fie als unpraktiſches Puppenfpiel. Aber fie diente ihm 
als Vorwand, um die Profefioren zu treffen, auf bie fein 
ganzes Augenmerf gerichtet war, obgleich er auch ihnen wegen 
ihrer Unfähigkeit zur That Konfpirationen nit zutraute. Daß 
die Revolution auf den Univerfitäten erzeugt werbe, glaubte 
er nicht, wohl aber, daß ganze Generationen von Revolutionären 
dort gebildet würden. Ganz ähnlich dachte Friedrich Wilhelm. 
Ihm war die Schwärmerei der Burſchenſchaft nicht bloß un- 
verſtändlich, fondern verdächtig. Mit perfönlicher Erbitterung, 
mit einer Art von Ingrimm trat er ihr entgegen. Das gab 
der Demagogenverfolgung in Preußen einen befonbers ab» 
ſchreckenden Charakter. Selbſt Kaifer Franz verbat ſich bie 
Unterfuhung feiner Univerfitäten durch die Mainzer Zentral: 
kommiſſion, die fie erft recht in Unruhe und Verwirrung bringen 
würde. Preußen that, dank dem perfönlichen Eifer des Könige, 


104 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates. 


mehr, als Metternich verlangte. Arndt (S. 93) wurde auf 
Erfordern der Mainzer Kommiffion vom Amte. fufpenbiert. 
Eine Berichtigung der entftellten Auszüge aus feinen beſchlag⸗ 
nahmten Papieren, welche die Staatszeitung brachte, zu ver- 
anlafjen, erklärte fi auf des Mifhandelten Beſchwerde Karben: 
berg für außer ftande, da die Kommiſſion ihm nicht unterftellt 
fei. Ohne einer Schuld überführt zu fein und trog ber richter- 
li anerkannten Rehtswibrigfeit des Verfahrens wurde Jahn 
(S. 93) jahrelang in Haft gehalten. Juſtus Gruner, deſſen 
flürmifher Patriotismus den Reaktionären Tängft verbädtig 
war (S. 84), wurbe, als er im Spätfommer 1819 in einem 
Bade Gefundheit ſuchen wollte, aufgefordert, in die Nähe von 
Mainz zu fommen, um vor der Rommiffion vernommen zu 
werben, während die Berliner Staatszeitung ihn bereits ſchnöde 
verbädtigte: das verfhlimmerte feinen leidenden Zuftand fo, 
daß er im Februar 1820 ftarb, ohne daß bekannt geworben 
wäre, wie weit er ſchließlich in bie Unterfuhung verwidelt 
wurde. 

Und nit genug damit! Wahrhaft blutigen Hohn ſchleu⸗ 
berte bie fiegreiche Reaktion bem mißhandelten preußiſchen Volke 
ins Angefiht. Am Jahrestage ber Leipziger Schlacht wurden 
die Karlsbader Beſchluſſe für Preußen publiziert und zugleich 
willkürlich verſchärft, indem nicht bloß die weniger als zwanzig 
Bogen flarken, fondern überhaupt alle Drudiäriften ber Zenſur 
unterworfen wurden. Das als Appellationsinftanz eingefegte 
Oberzenfurfollegium gab natürlih nicht die geringfte Gewähr 
gegen Ungerechtigfeiten jeber Art. In der Nheinprovinz wurben 
die politifcden Prozefie ben Geſchworenengerichten entzogen, 
vor bie fie nad dem in Geltung gebliebenen Code Napoleon 
gehörten ; da es nach der Kriminalordnung vom 11. Dezember 1805 
gegenüber frevelhaften Angriffen und Umtrieben wider die innere 
Ruhe des Staates in der Monarchie nur Ein inneres Staats⸗ 
echt gebe, follten alle Vergehen der Art vor der dazu ein- 
geſetzten außerorbentlihen Kommiſſion abgeurteilt werben. Am 
5. September wurbe biefe Beftimmung auf alle Provinzen des 
Allgemeinen Landrehts ausgedehnt. Bei der Anftelung von 
Lehrern und Geiftliden ſprach überall die Polizei ein ent⸗ 


1. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 105 


ſcheidendes Wort mit. Inzwiſchen war das in Karlsbad be- 
gonnene Werk auf Konferenzen, die feit dem 15. November 1819 
in Wien ftattfanden, weitergeführt und wurde durch die Wiener 
Schlußakte vom 15. Mai 1820 vollendet, die ein Beſchluß des 
Bundestages am 8. Juni der Bundesakte ſelbſt gleichftellte. 
Hinfort fielen die möglicherweife günftiger deutbaren Beftim- 
mungen ber legteren unter ihre ſtreng realtionären Inter 
pretationen und Ergänzungen. Die Unterwerfung bes Bundes 
und mit ihm Preußens unter das Gebot Metternichs war er: 
reiht, mochte auch der Schein diesmal befier als in Karlsbad 
gewahrt fein, da wenigftens an ber formellen Beſchlußfafſung 
ale Bundesftaaten teilnahmen, allerdings nachdem bie fachlichen 
Abmachungen wieder zum voraus in dem um Metternich ver- 
jammelten vertrauten Kreife getroffen waren. Man gab in 
der Form nad, um in der Sade um fo ftrenger vorzugehen. 

Die preußifhe Regierung aber, die zu Wien ihre neue 
Zollordnung von 1818 gegen alle Einſprache entſchloſſen auf- 
recht erhielt, ſchien das auf ber. anderen Seite wieder gut 
machen zu wollen durch den Eifer, mit dem fie Die Demagogen- 
verfolgung betrieb. Rechtloſer Vergewaltigung ſah ſich jeder 
preisgegeben, ber dem Spürfinn ber von dem haßerfülten 
Kamptz (S. 89) geleiteten Inquifitoren Dambach, Tzſchoppe 
und Grano irgend verdãchtig erſchien, oft nur weil er in einem 
beſchlagnahmten Briefe genannt oder mit einem Inkulpaten per 
fönlih befannt war. Niemand war vor ihnen ſicher: die 
nichtigfte Aeußerlichkeit, der unverfänglichſte Ausdrud konnte 
einem zum DVerberben werben, namentli akademiſchen Kreifen 
Angehörigen. Was jegt auf bes Königs Befehl geſchah, ließ 
bas berüdtigte Prügelebift von 1798 (Bb. II, &. 355) weit 
hinter fi: es ftellte die Profefioren unter eine Art von 
moralifhem Knutenregiment. In Berlin wurden Schleier: 
machers Predigten poligeilid überwaht. In Königsberg, auf 
das die Karlsbader Beihlüffe angewandt wurben, obgleich es 
ja garnicht innerhalb des Bundesgebietes lag, kam ber hoch⸗ 
konſervative Hiftorifer Johannes Voigt in Unterfuhung, weil 
er in einem Privatgeipräd einem Studierenden gegenüber 
Sands That gelobt und fih auch im Kolleg ähnlich geäußert 


106 Zweite Bud. Der Bau des Einheitsſtaates. 


haben follte. In dieſem wie in faft allen Fällen ber Art lag Ueber- 
treibung ober Mißverftändnis vor. Denn, aufgeregt burch bie 
ſich überftürzenden Polizgeimaßregeln, braten die Studierenden 
oft die einfachſten fahliden Darlegungen mit ber Angelegen- 
beit in Verbindung, bie augenblidli für fie im Mittelpunkt 
des Intereſſes ftand. Auch hatte fi die Burſchenſchaft gleich 
nad ihrer Auflöfung (26. November 1819) neu Fonftituiert, und 
zwar nun wirklich als Geheimbund, wodurd fie für mande 
erft recht an Anziehungskraft gewann. Erſchien doch, was man 
ihr früher an revolutionären Plänen angebichtet hatte, jetzt 
faft als berechtigte Notwehr gegenüber unerhörter Vergewalti⸗ 
gung. Anbererfeits aber fühlte die Reaktion fi dadurch nun 
auch erft recht herausgeforbert, hielt jede Forreftionelle poli- 
zeiliche Repreffiomaßregel für erlaubt und proffamierte jchließ- 
lich überhaupt rechtloſe Willkür. Cine Kabinettsordre vom 
27. Juli 1821 gab den außerorbentlihen Regierungsbevoll⸗ 
mädhtigten bei den Univerfitäten die Befugnis, die nach ihrer 
Weberzeugung der Teilnahme an geheimen Verbindungen ver- 
dächtigen Studierenden ohne gerichtliche Unterſuchung und ohne 
Mitwirkung der akademiſchen Behörben von ber Univerfität zu 
entfernen. Eine Rabinettsordre vom 8. September verfügte gar, 
daß in allen den Fällen, wo die Strafgefege nur Feitungs- 
arreft erwähnten, auf Feftungsarbeit und Zuchthaus zu erfennen 
ſei, und nur Altenfteins entſchloſſener Widerftand Hinderte die 
Ausführung des entfeglihen Gedankens, die Teilnehmer an 
geheimen Verbindungen zeitweife bei der Strafklaſſe des Milie 
tärs einzuftellen. 

Erwieſen aber war von ben gegen bie fogenannten Dema= 
gogen erhobenen Anklagen eigentlich nichts. In ihrem 1822 
rebigierten Bericht gab die Mainzer Kommiffion zu, daß fie 
Schuldbeweiſe nicht Habe ermitteln können, und ftatt beftimmter 
Thathandlungen nur Berfuche, Vorbereitungen und Einleitungen 
gefunden habe, deren hiſtoriſche Gewißheit fie nur nach ber 
eigenen fubjektiven Ueberzeugung zu bemefien vermöge. Wohl 
aber verſuchte fie durch tendenziöfe Gruppierung bes völlig uns 
zureichenden Materials zu zeigen, alle fpäteren Umtriebe und 
geheimen Verbindungen feien aus benen hervorgegangen, bie 


I. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 107 


gegen bie franzöfifche Herrihaft und den Nheinbund gerichtet 
geweſen waren. Es war wenigftens Syſtem in der Sade: 
was Metternih im Februar 1813 eingeleitet hatte, als er 
von Preußen die Auflöfung der geheimen Geſellſchaften for: 
derte (S. 41), wurde jegt zu Ende geführt. Der Denunziant 
Schmalz (S. 79) war hoch übertrumpft. Denn bie bebenf: 
lichſten Umtriebe wollten die Mainzer Inquifitoren bei ben 
Regierungen felbft entdedt haben, namentlich in ber preußifchen 
und befonbers im Bureau bes Staatskanzlers. So ſchien das 
ganze Verfahren nur in Scene geſetzt zu fein, um bie von 
Metternich gegen Hardenberg erhobenen Beſchuldigungen (S. 94) 
als begründet zu erweifen und fo deſſen Verfafjungapläne zum 
Scheitern zu bringen. Aber obgleich dieſer Zwed bereits er- 
reiht war, begannen bie preußifchen Gerichte nun erft das 
Verfahren gegen die ihnen von ber Mainzer Kommiſſion über: 
wiefenen Verdächtigen. Doch reichte das Material nirgends 
aus. So blieb Arndts Sache bei dem Breslauer Oberlanbes- 
gericht liegen, aber auch er vom Amt fufpendiert. Aehnlich 
erging es Jahn: er erlangte Feine Freifprehung und wurde 
durch einen polizeilichen Gewaltakt wie gefährlich für bie bürger- 
liche Gefelihaft in Freiburg an ber Unftrut interniert. Und 
dabei konnten biefe beiden ſich fait glücklich preifen im Ver: 
glei mit den zahlreichen jugendlichen Opfern biejer Gemwalt- 
thaten, die an Leib und Seele elend zu Grunde gingen. 
Denn nachdem 1823 Karl von Medlenburg feinen könig⸗ 
lien Schwager duch eine Denkſchrift mit revolutionären 
Schredbildern und angeblih drohenden Aufftandsverfuhen von 
neuem angefeuert hatte und bald banad in dem Jünglings: 
bunde aud) wirklich eine ala Verſchwörung deutbare Vereinigung 
entbedt worden war, wuchs ber auf bie Univerfitäten ausgeübte 
Drud nun vollends ins Ungemefiene. Am 21. Mai 1824 ver: 
fügte eine Kabinettsordre, hinfort folten alle nad Art ber 
Burſchenſchaften organifierten Stubentenverbindungen nicht als 
ſolche, ſondern als verbotene geheime Verbindungen angeſehen 
und bie Teilnehmer friminalgefeglich beftraft werben, daneben 
aber auch mit Relegation und Unfähigkeit zu einem öffentlichen 
Amt, wozu auch die ärztliche Praxis zu rechnen fei. In allen 


108 Zweites Bud. Der Bau bes Einheitsftantes. 


biefen Fällen, die der gefeglih für fie geltenden akademiſchen 
Gerichtsbarkeit zu Unrecht entzogen wurden, follten „ber erfte 
Angriff und die Unterſuchung“ binfort der allgemeinen Polizei 
zuftehen und danach das Polizeiminifterium die Sache nach 
Befinden entweber an bie Juſtiz abgeben ober weitere Beftim- 
mung treffen. Ihm wurden dazu die außerorbentlicden Regie- 
rungsbevollmäctigten und bie Univerfitätsrichter unterftellt, 
Univerfitäten aber, deren Behörden ben nötigen Eifer vermiffen 
laffen würden, wurben mit dem Verluſt des Rechts zur Wahl 
bes Rektors bedroht. Den Schreden zu fleigern, wurben gleich- 
zeitig (2. Juni) die furchtbaren Strafurteile befannt gemacht, 
die das Berliner Kammergericht eben gegen eine Anzahl von 
Burſchenſchaftern gefält Hatte. Schudmann aber, ber ſeit 
Januar 1819 das Minifterium ber Polizei unter Kamptz als 
Direktor mit dem des Innern vereinigte, — Wittgenftein hatte 
das des Föniglichen Hauſes übernommen — erklärte in einem 
Erlaß vom 4. Juni, die fih immer ftärfer entwidelnde Renitenz, 
Geſetzwidrigkeit und Staatsgefährlicfeit der Burſchenſchaft 
muſſe endlich ausgerottet werben; bie bisher ergriffenen Maß: 
regeln hätten nichts genügt; noch ftehe bie deutſche afademifche 
Jugend in Bezug auf Gefinnung und Anhänglichkeit an Fürft, 
Vaterland und Verfaffung und in Rüdfiht auf Haß gegen alles 
Beſtehende und auf ben thörichten Irrwahn, zu deſſen Ver— 
beſſerung berufen zu ſein, unter dem unmittelbaren Einfluß 
eines ben vollen Thatbeſtand des Hochverrats in fi ver: 
einigenden und bie gewaltfamften Mittel zulafienden geheimen 
revolutionären Bundes. Als Burſchenſchafter Verurteilte jollten, 
fo wurde am 4. Auguft beftimmt, niemals mehr begnabigt 
werben, fondern immer mindeftens jechs bis acht Jahre Kriminal: 
feftungshaft zu verbüßen haben. Unb das geſchah alles, ehe die 
Karlsbader Beichlüfle, deren auf fünf Jahre berechnete Gültig: 
keit demnächſt ablief, am 16. Auguft 1824 auf unbeftimmte 
Zeit verlängert waren! Wieder ging Preußen Defterreih und 
den übrigen Bundesftaaten voran in unbarmberziger Verfolgung 
nur vermuteter Verbrechen! Metternich war entzüdt. Er ſah 
feine fühnften Erwartungen übertroffen. Wie mit Keulen ſchlage 
der König brein, rühmte er; Fürft Hatzfeld, der ultrareaftionäre 


IL. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 109 


preußiſche Gefandte in Wien, der aber viel mehr als dort 
feiner Regierung Stanbpunft in Berlin die Anfihten und ben 
Willen Metternichs vertrat, erſchien ihm wie ein moraliſcher 
Herkules und von feinem Vertrauensmann in Berlin, bem 
empfindfamen Wittgenftein, wollte er willen, er zittere ob bes 
zu Guten, berjelbe Wittgenftein, ber zunächſt etwas Preßfrei- 
heit zu gewähren empfahl, um auf Grund ber daraufhin ge 
thanen offeneren Aeußerungen nachher um fo firenger einzus 
ſchreiten. Friedrich v. Gent aber pries ben König als ben 
Retter von Deutihland und Europa und bewunderte bie un: 
geheuren Fortferitte, die Preußen unter ihm in ben letzten 
Jahren gemacht: wenn es nun noch katholiſch wurde, würbe 
es bie kräftigſte Stüge ber Welt jein. 

Wohl nahmen fi die Profefjoren mit Freimut und Ent- 
ſchloſſenheit ihrer außerhalb alles Rechts geftellten Studierenden 
an, und ganz vereinzelt blieb Herbart, damals auf Kants Lehr⸗ 
ſtuhl, mit feinem entfegten Glauben an bie buchſtäbliche Wahr: 
beit der gegen bie Burſchenſchaft vorgebrachten Anſchuldigungen 
und mit dem knechtiſchen Wunfche, der Regierung für die Ent- 
bülung und Hinderung fo furchtbarer Anſchläge beſonders zu 
danken. Deshalb wurde das Syftem Hleinlicher Beauffichtigung 
und hilandfer Benormundung allmählih auch auf fie und ben 
afademifchen Unterricht ausgedehnt. Die Vorlefungaverzeichnifie 
unterlagen einer ſchulmeiſterlichen Kritik, um daraufhin an die 
Dozenten Lob und Tadel zu verteilen. Völlig veraltete und 
längft nit mehr befolgte Statutenparagraphen follten mit 
einemmal wieder buchftäblich erfüllt werden; die fi Weigernden 
wurden mit Gehaltsiperre bedroht. Von Lehr- und Lernfreiheit 
blieb nichts übrig.” Durch Strafmandate hielt man die Pro- 
fefioren zu beftimmten Vorlefungen an und plante bie Einfegung 
von Studienlommiffionen, welche die Studierenden bei der Aus- 
wahl der zu belegenden Kollegien überwachen follten. Auch 
die Zenfurfreiheit der Univerfitäten wurde 1825 aufgehoben: 
alle von ihnen zu veröffentlihenden Schriften, auch die Doftor- 
diplome, follten vorher dem Regierungsbevollmächtigten vorgelegt 
werben. In Königsberg dachte die philofophifche Fakultät des- 
halb daran, letztere nur noch ſchriftlich auszufertigen. Und 


110 Zweites Bud. Der Bau bed Einheitäftantes, 


mit allebem meinte man auf den Geift ber Univerfitäten zu 
wirken! Die zu ahndenden Verbrechen aber waren das Tragen 
von bunten Mügen, langem Haar und altdeutjcher Kleibung. 
Die fo Betroffenen wurden von ber Univerfität ausgeſchloſſen, 
während denen, bie fich ſolch „unfittlihen Richtungen“ fern: 
hielten, beſondere Fürforge, Teilnahme und Förderung verheißen 
wurbe! 

Ein Einhalten auf diefer abjchüffigen Bahn war kaum 
noch möglich: felbft die Vergangenheit vergewaltigte man. Den 
Neubrud von Fichtes Reden an die deutſche Nation verbot die 
Zenſur 1824, ebenfo von Huttens Dialogen: fo freche Reben 
gegen die katholiſche Kirche feien nicht zu dulden. Die Berufung 
an das Oberzenfurfollegium (S. 104) blieb natürlich erfolglos. 
Die Zenfurbehörden anderer Bunbesftaaten wurben von ben 
preußiſchen als nicht fireng genug reftifiziert: der ganze um⸗ 
fangreide Brodhausfche Verlag, der doch bereits die ſächſiſche 
Zenſur paffiert hatte, mußte vor der Zulaffung auch noch die 
preußiſche paffieren. Den demagogiſchen Umtrieben im Kreife 
der befonbers beargwöhnten höheren Beamten auf die Spur zu 
kommen und Beweife für die Schuld ber Verdächtigten zu er: 
langen, nahm man unbebenflich feine Zuflucht zur Verlegung 
bes Briefgeheimnifjes: Stein, Niebuhr, Humboldt Hatten bas 
zu erfahren. In mander Leute Augen lag auf diefem Gebiet 
das Hauptverdienft des feit 1821 dem Poſtweſen vorgefegten 
Staatsrates Nagler. 

Daß Preußen unter biefen Umftänden feine Sympathien 
in Deutſchland gewann, war nur natürlih. Der alten rhein: 
bundleriſchen Abneigung der Süddeutſchen verhalf feine Haltung 
vielmehr zu dem bequemen Schein voller Berechtigung und 
moraliſcher Verbienftlichkeit. Es galt bald für außerdeutſch und 
ſchließlich fur undeutfh, und die Meinung gewann immer mehr 
Anhänger, eine befriedigende Geftaltung feiner nationalen Zu: 
Zunft habe Deutſchland nur zu hoffen, wenn es ſich ebenfo wie 
von Oeſterreich auch von Preußen löfe. In diefem Sage gipfelten 
die Debuftionen bed 1821 erfchienenen „Manuffripts aus Süd- 
deutſchland“, in dem unter dem Pſeudonym Guſtav Erichſon 
ein Kurländer, F. 2. Lindner, weniger feine eigenen Gedanken 


U. Im Dienfte der Metternichſchen Reattion. 111 


als die politiſche Weisheit König Wilhelms von Württemberg 
entwidelte. Er forberte Die Konftituierung eines reinen Deutſch⸗ 
lands mit Bayern und Württemberg als Kern, nahm alfo eine 
endgültige Zerreißung in Ausfiht und fuchte das zu recht: 
fertigen, indem er nachträglich die Rheinbundpolitik als bie 
eigentli nationale verherrlihte.e Wenn Gruners einftige 
Parole „Deutfchlands Einheit unter Preußen“ (S. 84) aus 
dem Süben jegt diefe Antwort erhielt, fo lag darin eine zwar 
ſcharfe, aber doch nur allzu bereditigte Kritik ber Politik 
Preußens, feiner deutſchen ſowohl wie feiner europäifchen, bie, 
zunächſt noch unfelbftändiger als jene, blind die von Metternich 
gewiefenen Wege verfolgte. 

Das Repreffivfyftem, deſſen eiferner Drud in Deutſchland 
jede nationale und liberale Regung nieberhalten follte, fand 
fein Seitenftüd in der Polizeiauffiht großen Stils, zu ber 
ſich die gegen Frankreich verbündeten Mächte durch den Parifer 
Vertrag vom 20. November 1815 geeinigt hatten, indem fie 
fi) aus eigener Machtvollkommenheit als Tribunal Eonftituierten, 
das auf regelmäßig wieberkehrenden Kongreſſen eine europäifche 
Diktatur übte. Dem Aachener Kongreß (S. 91) folgte im 
Herbſt 1820 der Troppauer, dem ber König mit ben beiden 
Kaifern beimohnte. Es galt, den fübeuropäiichen Revolutionen, 
namentlich der in Neapel, entgegenzutreten. Die näheren Ber: 
einbarungen wurden bann im Januar und Februar 1821 in 
Laibach getroffen. Während Defterreih in Neapel Orbnung 
machte, jollte ein ruffifches Heer die Erhebung Sardinien nieber- 
werfen. Auch auf Preußens Mitwirkung wurde gerechnet, und 
nur bes Minifters VBernftorff Befonnenheit — Hardenberg 
war bereits abgereift — bewahrte es vor einem Abenteuer 
von unüberfehbaren Folgen, indem er den Kongreß ebenfalls 
vorzeitig verließ. Aber ben Theorien ftimmte Preußen zu, 
welche das Laibaher Manifet vom 12. Mai entwidelte, in- 
dem bie Oſtmächte das Scheitern ber ſardiniſchen Erhebung als 
dur ihre unmiberftehliche Autorität bewirkt darftellten und 
ihr Recht und ihren Willen zur Intervention in allen ähnlichen 
Fällen verfündeten. Die hochtönenden Phrajen besfelben rebu- 
zierte damals Kamp in feiner „Völkerrechtlichen Erörterung“ 


112 Zweites Bud. Der Bau des Einheitäftantes. 


auf die einfachere Formel, in der Staatengejelihaft fei das 
Net der Intervention ebenfo unentbehrlih wie die Polizei 
für den einzelnen Staat. 

Nach diefer Schablone ließen ſich die ſpaniſche Revolution 
und die Erhebung der Griechen jedoch nicht abthun. Weber 
fie begann auf dem Kongreß von Verona (Herbft 1822) ber 
Zerfall des Polizeibundes der Großmächte. England trat für 
die Unabhängigkeit der fpanifhen Kolonien in Südamerika 
ein, und felhft Kaifer Alerander mußte bejorgen, fi dem 
moralifhen Drud nit auf die Dauer entziehen zu können, 
den bie nationalen und religiöfen Sympathien feines Volks 
zu Gunften ber Griechen auf ihn ausübten. Sein Tod (1. Des 
zember 1825) umd die inneren Gefahren, von denen fein Nach-⸗ 
folger Nikolaus fi mit dem Dekabriftenaufftand bedroht ſah, 
beſchleunigten den Umſchwung, ber nach vergeblihem Bemühen 
Metternich um Erhaltung des Friedens 1828 zu dem rufs 
fiſch⸗türkiſchen Kriege führte und die dem Erliegen nahen 
Griechen rettete. Da England an ber Erhaltung ber ſchwer 
bebrohten Türkei das größte Interefie hatte, Defterreih aber 
durch jeden Machtzuwachs für Rußland ſich jelbft gefährdet ſah, 
ſtand ihr Einſchreiten bevor und damit der Ausbruch eines 
europäiſchen Krieges. Er drohte vor allem Preußen zwiſchen 
Defterreih und Rußland hart ins Gedränge zu bringen. Um 
fo mehr bemühte ſich diefes um Herbeiführung eines Vergleiches. 
Dazu eilte General v. Müffling nah Konftantinopel. Aber 
erſt als die Ruſſen durch Diebitſchs verwegenen Marſch über 
den Balkan, der ihnen ſelbſt freilich leicht Hätte verhängnisvoll 
werben können, Konftantinopel zu bedrohen ſchienen, lenkte bie 
Pforte ein und ſchloß unter Vermittelung des preußifchen Be- 
vollmäctigten im September 1829 den Frieden von Adrianopel. 

Die europäifhe Stellung Preußens erfuhr durch dieſe 
Vorgänge eine weſentliche Beflerung. Aber indem es fich Dabei 
der Gefolgſchaft Defterreichs allmählich entzog, lief es Gefahr, 
unter dem Einfluß des intimen perfönlihen Verhältniſſes 
wwiſchen dem König und dem Zaren und durch ben pietätvollen 
Kultus der traditionellen Freundſchaft ber beiden Oftmächte in 
ähnlihe Abhängigkeit von Rußland zu geraten. Da bewirkte 


U. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 118 


die Julirevolution eine weitere Wandlung. Dem revolutionären 
Königtum ber Orleans gegenüber jo wenig wie ber nationalen 
Erhebung in Belgien ließ ſich König Friedrich Wilhelms nüchterne 
Belonnenheit duch den Eifer feines heißblutigen ruffifchen 
Schwiegerſohnes zur Anwendung des in Laibach proflamierten 
Rechts der Intervention verleiten. Deſſen prinzipielle Beftreitung 
durch die neue franzöfifche Regierung, die das geplante Ein: 
ſchreiten der Oſtmächte in Belgien alsbald durch eine Kriegs- 
ertlärung zu beantworten drohte, fteigerte die Gefahr eines 
europäifchen Konflikts, als der polniſche Aufſtand Rußlands 
Kräfte im Oſten band, und ber gleichzeitig erſte Einbruch ber 
Cholera in Europa Heimfuchungen herbeiführte, die den Wunſch 
nad Erhaltung des Friedens überall nur fteigern fonnten. 
So fand die belgifhe Frage dur das gemeinfame ver- 
mittelnde Eingreifen Europas eine friedliche Loͤſung. Den 
polnifhen Aufftand befämpfte Preußen zwar nicht unmittelbar, 
hinderte ihm aber doch in der Abwehr des ruſſiſchen Angriffs, 
indem es feine Grenze militärifch befegte — Gneifenau, ber den 
Oberbefehl führte, ſtarb dabei in Pofen an ber Cholera am 
23. Auguft 1831 — und beſchleunigte durch Vegünftigung ber 
Ruſſen bei Vorbereitung des legten vernichtenden Schlages 
gegen Warſchau fein endgültiges Erliegen. Diefer Erfolg fteigerte 
das Selbfigefühl des Zaren, der fi als Bändiger der Revo: 
lution fühlte, in einem Maße, das Preußens Selbftänbigfeit 
in ähnlicher Weife in Frage flellte, wie es Defterreihs Ein- 
fluß fo lange gethan hatte. Doc wußte man ſich bier befier 
zu wahren und hütete ſich troß ber perfönlichen Intimität der 
beiden Herricher, fih auf die Pläne bes Zaren tiefer einzu: 
laſſen, die Preußen in feinen Intereflen ganz fremde Verwide- 
ungen bineinzuziehen drohten. Auch des Zaren Verſuch, bei 
einer perfönlien Zuſammenkunft in Schwebt (Herbft 1833) 
feinen Schwiegervater für fein politifhes Syftem zu gewinnen, 
blieb erfolglos. Friedrich Wilhelm war dur die Erfahrungen 
der legten Jahre doch zu der Erkenntnis gelommen, daß Preußen 
nur in der Beſchränkung auf feine eigene Interefieniphäre und 
deren dann um fo fräftigere Vertretung politiſch in Europa 


etwas zu bebeuten habe. Allein durch bie Geltendm achung 
V rud. Preußtige Geſcichie. IV. 


114 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates. 


eines gejunden Egoismms konnte es ſich davor behüten, wie 
biaber fo oft, von den anderen Großmächten benugt und bann 
unbelsgnt beifeite geſchoben zu werben. Dem äußeren An- 
ſchein nad in der alten innigen Verbindung mit Deſterreich 
ſowohl wie Rußland, fing Preußen doch bereits an, fi innere 
li von beiden zu löfen und durch die geflifientlih minder 
ſtarke Betonung des alten Gegenfages zu Frankreich, das jenen 
beiden als Träger einer neuen fiegreihen Revolution boppelt 
verhaßt war und gefährlich erſchien, zwiſchen ben beiden gleich 
reaktionaͤren Kaiferreihen und ben überall die nationalen und 
liberalen Bewegungen begünftigenden Weftmächten eine Stellung 
zu gewinnen, die ihm eine größere Geltung im Rat der euro- 
päifhen Mächte verhieß. Noch Inüpfte e8 an jene die gemein- 
jame Sorge für die Behauptung ihrer polniihen Lande; auf 
diefe wies es die fortſchreitende Erkaltımg feines Verhältnifies 
zu Defterreih bin, das in bem Zollverein ben erften Schritt zu 
der Bredung jeiner Vorherrſchaft in Deutſchland befämpfte. 
Auch in Deutfchland erfuhr Preußens Stellung von bier 

aus eine Beflerung. Die Gefahr eines europätfhen Krieges, 
welche die Julirevolution heraufbeſchwor, brachte mit feiner 
militäriſchen Leiſtungsfähigkeit auch feine Unentbehrlichkeit wei— 
teren Kreiſen lebendiger zum Bewußtſein. In bewußtem Wider⸗ 
ſpruch gegen beide waren die 1821 getroffenen Beſtimmungen 
über die Bundeskriegsverfaſſung auf die Filtion gegründet, die 
Träger ber beutichen Wehrkraft feien eigentlich die Mittel: 
flaaten, und daher war ihnen die Stellung von vier Armee: 
corps von insgefamt 120000 Mann zugewieien, während 
Defterreih 97 000 und Preußen 80 000 Mann aufbringen, ben 
Feldherrn aber der Bundestag wählen follte. Zur Ausführung 
dieſes papiernen Programms war natürlich feither nichts ge 
ſchehen. Um fo größeren Eindrud machte nun die Erkenntnis 
von der thatfächlich Hilflofen Lage des Bundes im Falle eines 
Krieges, namentli in Süddeutſchland. Obenein traute man 
vielfach auch den eigenen Untertfanen nit. Es wäre freilich 
nicht zu verwundern geweſen, wenn biefe nach der Behandlung, 
die fie feit Jahren erfuhren, mit Frankreich fympathifiert hätten. 
Auch Frievrih Wilhelm drüdte diefe Sorge: er verlangte von 


II. Im Dienfte der Metternichſchen Reaktion. 115 


dem Minifter Vernſtorff geradezu ein Gutachten barliber, wie 
im Fall eines Nrieges die Ruhe im Innern aufrecht erhalten 
werben Inne. Der Minifter war ehrlich genug, als das beite 
Mittel die Abftelung der herrſchenden Mißbräuche zu bezeichnen, 
die zufammen mit dem Schmerz über bie Zerriffenheit Deutſch⸗ 
Ianbs ben gerechten Unmillen ber Unterthanen erregten. Gin 
Krieg dürfe daher nicht als im Dienfte der Legitimität geführt 
dargeſtellt werden, ſondern ala geboten zum Schu bes vater- 
landiſchen Gebietes. In diefem Sinne müffe das Volk wie 1813 
durch patriotiſche Schriften beichet werben. Die Wehrkraft 
zu Reigern, ſchien ihm ber ficherfte Weg der Abſchluß von Spezial 
verträgen mit einzelnen Regierungen. Alfo auch er riet, dabei 
son bem Bunde abzuſehen, empfahl das von Humboldt vertretene 
Prinzip (S. 99) und traf im weſentlichen mit Rotz' Vorſchlag 
zufammen (März 1822). Aber ber König wollte nicht ohne 
Deſterreich vorgehen. Durch General Röder lieh er zunachſt 
¶ Dezember 1830) in Wien den Vorſchlag madjen, im Fall bes 
Krieges drei Heere aufzuftellen, zwei preußtfche, das eine, durch 
die Eleineren norddeutſchen Rontingente verftärkt, an ber Mofel, 
das andere mit ben ſuddeutſchen Kontingenten zufammen am 
Der: und Mittelrhein, und ein öſterreichiſches in Schwaben. 
& war ſchon ein Erfolg und lehrte, wie bie Zeiten fi wan- 
delten, daß man in Wien einen folden Gedanken nicht einfach 
urudwies. Das verbot die Unficherheit der Lage und namentlich 
die Rüdfigt auf die Revolution in Italien. Doch zögerte marı 
die Entſcheidung moglichſt Hin. Deshalb Inüpfte Preußen durch 
General Rüble v. Liltenftern auch direkt mit den fuddeutſchen 
Staaten am, Seine Borfchläge fanden dort die befte Aufnahme. 
Die von ihm empfohlene Wahl eines ſuddeutſchen Bundesfeld⸗ 
berem fiel auf den Feldmarſchall Wrede. Nun proponierte Defters 
reich die Bildung zweier Heere, von denen eins, bie nord⸗ 
deutſchen Truppen, Preußen, das andere, bie ſuddeutſchen, es 
ſelbſt befehligen follte. Aber die von ihm durch General Elam 
in Berlin geführten Unterkanblungen blieben ohne Ergebnis. 
Dagegen traten ebendert im Mai 1832 militärifche Vevoll⸗ 
machtigte der fuddeutſchen Staaten, Sachſens und Hannevers 
zufonmen und nahmen bie preußiſchen Vorſchläge unverändert 


116 Zweites Bud. Der Bau de Einheitsſtaates. 


an. Es blieb für den Kriegsfall mit Zuftimmung Defterreichs 
bei ber Aufftelung von brei Heeren, zwei aus Preußen und 
Bundestruppen gemiſchten am Mittel- und Niederrhein und 
einem öfterreihifhen am Oberrhein. 

Nun kam der Krieg ja nicht zum Ausbruch, und biefe 
Vereinbarungen blieben ohne praftifhen Wert. Aber daß ſolche 
Verabrebungen hatten getroffen werden können, lehrte, daß 
man in Deutſchland zur Einfiht kam und zu begreifen anfing, 
wo wirklich militärifhes Wollen und Können vorhanden war. 
Und der darin bethätigte Stimmungswechſel Preußen gegen» 
über blieb nicht auf die militäriſchen Kreife beſchränkt. Eben 
um jene Zeit erihien bes Württembergers Paul Pfizer „Brief- 
wechfel zweier Deutſchen“, der überrajchend Fühn und folgerichtig 
für die Einigung Deutſchlanda unter Preußen eintrat, freilich 
unter ber Borausfegung, daß biefes in Fonftitutionelle Bahnen 
einlenkte. Pfizer nimmt einen aus Abgeordneten ber einzelnen 
Ständeverfammlungen beftehenden deutſchen Bundestag in Berlin 
in Ausfiht, dem der König von Preußen als alleiniger Ver: 
treter ſämtlicher deutſcher Fürften gegenüberftehen fol. Das 
Ausſcheiden Defterreihs aus Deutſchland war dafür felbftver- 
ſtändliche Vorausfegung. 

In Preußen felbft aber dachte man in dieſen Stüden über 
das militäriih Notwendige noch nicht hinaus. Der eben ges 
nommene vielverheißende Anlauf blieb ohne Fortſetzung. Mit 
dem Rüdtritt und Tod Bernftorffs und feiner Erfegung durch 
Ancilon befam die reaftionäre Partei wieder entſcheidenden 
Einfluß aud auf die Leitung des Auswärtigen. Erfterbend 
in bewundernder Hulbigung vor Metternid, war der neue 
Minifter nichts als ein gefügiges Werkzeug in deſſen Hand, unter 
feiner Leitung eifrigft bemüht, das durch die Yulirevolution 
erfütterte Syſtem ber Reaktion zu erneuen und zu feftigen. 
Die dur franzöſiſchen Einfluß gefteigerte liberale Agitation, 
in der die rabifalen Parteien vorzumalten anfingen, leiſtete 
dem unbeilvoll Vorſchub. Das Hambacher Feſt (27. Mai 1832) 
und das durch die erbitternde Steigerung bes Drudes provo⸗ 
zierte Frankfurter Attentat (3. April 1833) wurden ausgenutzt 
wie einft die That Sands. Schon in Vorbereitung befindliche 


1. Im Dienfte der Metternihfchen Reaktion. 117 


neue Zwangsmaßregeln wurden als ſittlich gebotene flaats- 
rettende Alte in Scene gefegt. Ancillon fonnte fi dabei in 
dem Glanze, als Gehilfe Metternichs mitwirken zu dürfen und 
Preußen in Bezug auf Preſſe, Verfammlungen, Univerfitäten 
u. ſ. w. einem Polizeifgftem zu unterwerfen, zu dem fein Volk, 
durch die Julirevolution zu feiner Ausſchreitung verleitet, nach 
feines eigenen mißtrauiſchen Königs Urteil eigentlich nicht ben 
geringften Anlaß gegeben hatte. Die Zentralunterſuchungs⸗ 
kommiſſion lebte in etwas abgeſchwächter Geftalt wieber auf, 
hauſte aber viel ſchlimmer noch als ihre mit größeren Macht: 
befugniffen ausgeftattet gewefene Vorgängerin. Das Kammer⸗ 
gericht entfaltete eine furdtbare Thätigfeit und wütete nament- 
li unter der afabemifchen Jugend. Neue Minifterialfonferenzen 
in Wien (Januar bis Juni 1834), deren Seele neben Metter- 
nich wieder Ancillon war, ſchmiedeten durch eine lange Reihe 
geheim zu haltender Beſchluſſe dem deutfchen und bem preußis 
ſchen Volle neue Feſſeln und erflärten das Syftem ber Dema- 
gogenverfolgungen eigentlich in Permanenz. 


II. Die Schwankungen der Berfaffungsfrage. 
1815—1823, 


„Da dreifache Primat der Waffen, der Konftitution, der 
Wiſſenſchaft ift es allein, der uns aufrecht zwiſchen den mäch⸗ 
tigen Nachbarn erhalten Tann,” hatte Gneifenau einft erklärt. 
Der Primat der Waffen war durch die allgemeine Wehrpflicht 
begründet, aber bereit# wieder bedroht dur die namentlich 
von Karl von Medienburg (S. 83) vertretene realtionäre Strör 
mung aud im Gebiete des Heerweſens, welhe den Beſtand ber 
Landwehr in Frage ftellte. War ein Primat der Wiſſenſchaft 
für Preußen noch möglig, wenn es, die Rarlabader Beichlüfie 
no übertrumpfend, feinen Univerfitäten die elementarften Be- 
dingungen bes Gebeihens entzog und Lehrer und Jünger ber 
Wiſſenſchaft auf die nihtigften Vorwände hin nahezu für vogel- 
frei erflärte? Die politiſche Richtung, die damit in Preußen 
zur Herrſchaft kam, wollte von einem Primat der Konftitution 
nichts wiſſen, fegte vielmehr alles daran, feine Gewinnung zu 
bintertreiben. Planmäßig und mit wachſender Crbitterung 
ſtemmte fie ſich dazu ber Richtung entgegen, in melde bie 
Entwidelung Preußens naturgemäß einzulenken im Begriff ftand, 
wenn man fie dem Walten ber feit Jahren in ihr herrſchenden 
Logik der Thatſachen überließ. 

Bereits in ber Denkicrift, die er im Mai 1806, beim 
Nahen der großen Krifis, aufgefett hatte, um dem König frei- 
mütig die im Staate herrſchenden gefährlichen Uebelftände dar- 
zuthun und in der Rabinettsregierung deren vornehmfte Quelle 
zu befeitigen (9b. III, S. 390), hatte Stein den Sat aufgeftellt, 
Preußen habe überhaupt Feine Staatsverfaflung, weil die oberfte 
Gewalt nicht zwifchen dem Oberhaupt und ben Stellvertretern 
der Nation geteilt jei. Er fah in ihm nur ein verhältnis. 


II. Die Schwankungen der Verfaffungsfrage. 119 


mäßig junges Aggreget von vielen einzelnen, durch Erbſchaft, 
Kauf und Eroberung zufammengebradhten Provinzen. Die in 
einigen von diefen vorhandenen Stände kamen nur als örtliche 
Korporationen in Betracht. Sie waren wohl geeignet, an ber 
BProsinzialverwaltung teilzunehmen, Tonnten dagegen auf bie 
allgemeinen Angelegenheiten nur lähmend und flörenb ein» 
wirten. Fir Stein war alfo das Ziel, auf das die politiſche 
Entwidelung Preußens gerichtet werden mußte, ſchon damals 
der Webergang von dem abjoluten Königtum zum Repräfentativs 
ſyſtem: er war ber intellektuelle Urheber desfelben für Preußen. 

Wie er ſich die Ausführung gedacht Kat, iſt nicht ſicher 
estennbar. In der Denkſchrift über die zwedmäßige Bildung 
der oberfien und Provinzialbehörben, die er zu Naffen 1807 
ausarbeitete und als Programm mit nad Memel brachte 
(3. II, 6.433), ſprach er zwar nicht ausdrüdlih von der 
Notwendigkeit einer Repräfentativverfaffung, empfahl aber 
doch im allgemeinen, die Regierung möge ſich durch bie Kennts 
niſſe und das Anjehen aller gebildeten Klaffen verftärken, in« 
dem fie diefe durch Weberzeugung, Teilnahme und Mitwirkung 
bei den Rationalangelegenheiten an den Staat knupfe. Das 
wird um jo mehr auf eine Nationalrepräfentation gebeutet 
werben dürfen, ala er felbft bezeugt, damals fei der König ber 
Bildung von Reihsftänden geneigt geweien. Auch hatte biefer 
in einem zur Beröffentlihung beftimmten Auffag, den ber 
Freiherr ihm im September 1808 zur Billigung vorlegte, feinen 
Anſtoß an den Worten genommen, bei ber Entwerfung bes 
Planes für die NReugeftaltung der Zivilverwaltung fei man „von 
einem repräfentativen Syſtem ausgegangen“, bas der Nation 
wirffamen Anteil an ber Gefeggebung fihern und fo Gemein- 
finn und Liebe zum Baterlande dauerhaft begründen fole. Und 
als Stein im November 1808 dem Zuſammenwirken jeiner 
einheimiſchen Gegner mit ben fremden Gemalthabern weichen 
mußte, fand in jeinem von Schön aufgeſetzten politiſchen 
Teſtament (Bd. II, ©. 468), das er feinen bisherigen Mit- 
arbeitern als Programm für die Zukunft Binterließ, auch bie 
Forderung einer allgemeinen Nationalrepräfentation ihren Platz. 
Wie er fi deren Einrichtung dachte, bleibt freilich unklar, 


120 Zweite Bud. Der Bau bed Einheitäftaates. 


wenn er bemerkt, jeber aktive Staatsbürger, er befige hundert 
Hufen oder eine, er treibe Landwirtſchaft oder Fabrikation 
ober Handel, er habe ein bürgerlihes Gewerbe oder fei durch 
geiftige Bande an den Staat gefnüpft, folle ein Recht auf 
Repräfentation haben. Bon ber Ausführung diefes Planes 
wird Wohl und Wehe bes Staates für abhängig erflärt, da 
nur auf dieſem Wege der Nationalgeift pofitiv erwedt und belebt 
werben könne. 

Auch hatte Stein die Verwirklihung feiner Abfichten be 
reits eingeleitet, indem er bie Ausarbeitung von Plänen für 
eine allgemeine Nationalrepräfentation anregte. Einen folden 
überreiähte ihm am 20. September der treffliche Binde (geb. 1774, 
get. 1844), einft fein Nachfolger in Münfter, dann an dem 
Neformmerk hervorragend beteiligt. Ein anderer rührte von 
dem aus Schlefien gebürtigen Staatsrat v. Rhediger her. Be— 
fonders beteiligt war an biejen Arbeiten Stägemann, deſſen 
prinzipielle Stellung dadurch genügend gefennzeichnet wird, daß 
er von ber durch Auerswald angeregten Reform bes oſt⸗ 
preußiſchen Provinziallandtages fo lange nichts wiſſen wollte, 
als „das fihere Fundament einer Einwirkung des Volkes auf 
die höchſte Gewalt” fehle. Auch Boyen hatte bereits im Sep- 
tember 1808 dem König eine Denkſchrift überreicht, welche die 
Entſcheidung über Krieg und Frieden einem aus Volksvertretern 
der ganzen Monarchie berufenen Landtage überweifen wollte, 
und Mitte Oktober hatten Scharnhorft, Gneifenau, Grolmann, 
Nicolovius, Süvern und andere über Annahme oder Verwerfung 
der Konvention vom 8. September durch Vertreter des Volles 
befohließen laffen wollen. Die Idee der Nationalrepräfentation 
war aljo bereits lebendig, das heißt allen politifch denkenden 
Preußen geläufig. 

Mit dem Sturze Steins ftarb fie wieder ab, gefliſſentlich 
zurücgedrängt zu Gunften einer Reform ber Provinztalftände. 
Diefer aber wiberftrebten die Privilegierten um fo hartnädiger, 
als fie dadurch noch mehr belaftet zu werben fürdteten. Auch 
Harbenberg dachte urfprünglid nicht an eine wirkliche Volks— 
vertretung, ſondern wollte nur ben einzelnen Verwaltungs: 
zweigen fachkundige Repräfentanten beiordnen. Aber ala er 


II. Die Schwankungen der Berfaffungsfrage. 121 


1810 an die Spige der Geſchäfte trat, Inüpfte er auch in 
diefem Punkte an die Steinen Anfänge an und nahm von 
den bisher entftandenen Arbeiten darüber Kenntnis, obgleich 
der Minifter Graf Dohna die Nation für eine Konftitution 
nod für nicht reif erklärte und meinte, in der gegenwärtigen 
unglüdliden Lage des Staates könne ein Experiment ber Art 
verhängnisvoll werben, da die durch fie gebotenen harten Maßs 
nahmen nur um fo beftigeren Widerftand finden würden. 
Selbft eine Berufung von Notabeln hielt er für gewagt, da 
fie entweber erfolglos bleiben oder ebenſo nachteilig wie ein 
Reichstag wirken werde. 

Da aber fein Finanzplan, von deſſen Realifierung zunächſt 
alles abhing, ohne die in irgend einer Form eintretende Mit- 
wirkung ber Nation nicht durchführbar war, befeftigte ſich Harden⸗ 
berg immer mehr in ber Weberzeugung von der Unumgänglic- 
teit des Repräfentativfuftens. Bereits in dem Ebift über bie 
Finanzen bes Staates vom 27. Oktober 1810 ließ er ben 
König erklären, er beabfihtige „ver Nation eine zwedmäßig" 
eingerichtete Repräfentation ſowohl in den Provinzen als für 
das Ganze zu geben, deren Rat er gern benugen merbe”. 
Das Prinzip alfo ſtand bereits feſt. Für die Ausführung fehlte 
noch ein beftimmter Plan, und die Meinungen der Beteiligten 
gingen weit auseinander. Hardenberg beabſichtigte eine bloß 
beratenbe Verfammlung, die „nad ben brei Grundlagen von 
Belt, Einfiht und Sitten“ gewählt werden, aber „ber Ver- 
waltung völlig fremd bleiben“ follte. 

Eine abfonderlihe Einleitung zur Verwirklichung folder 
Pläne war es freilich, wenn auf den 23. Februar 1811 durch 
bie Regierung ernannte Landesdeputierte ala Notabeln einberufen 
wurden, darunter fo wenig Städter und Bauern, daß die Ver: 
fammlung gerabezu zur Verteidigung der Abelsprivilegien be 
fimmt fehien. Auch bereitete fie dem Staatsfanzler große 
Schwierigkeiten, die auch fein gewaltfames Durchgreifen nicht 
befeitigte. Gerade dieſe abligen Herren lärmten gegen ben 
leeren Schein einer folden Repräfentation und forderten eine 
allgemeine ftändifhe zentrale Ratsverfammlung, deren Mit: 
glieder teils aus den Hauptklaſſen bes Volks erwählt werben, 


122 Zweites Bud. Der Bau bed Cinheitöftaates. 


teils durch die Geburt berufen fein follten. So wurde Harden⸗ 
berg weiter vorwärts gebrängt. Noch waren bie Rotabeln nit 
entlaflen, als am 7. September bas „Fernerweite Edikt über 
die Finanzen des Staates und bas Abgabenfyftem” die Zufage 
einer „zwedmäßig eingerichteten Repräfentation ber Nation” 
wieberholte, zugleich aber unter Hinweis auf die dazu nötigen 
längeren Vorbereitungen anorbnete, es follten zu ber fofort 
einzuberufenben Generalkommiſſion zur Regelung der Provinzials 
und Kommunalkriegsſchulden außer den vom König ernannten 
von jeber Provinz noch vier Mitglieder gewählt werben, zwei 
aus den Rittergutsbefigern, eines für bie großen und eines für 
die Heinen Städte und das flache Land, und aud die brei 
Hauptftäbte Königsberg, Berlin und Breslau je eines ent- 
jenden. Sie jollten „vorerft die Nationalrepräfentation kon⸗ 
ftituieren und bemgemäß von ihren Wählern Vollmacht er: 
halten“. Denn es liege bem König daran, in ber gegenwärtigen 
Epoche, wo wechſelſeitiges Vertrauen und patriotifhes Zus 
ſammenwirken notthun, fi mit achtbaren Männern aus allen 
Ständen zu umgeben, die das Vertrauen ihrer Mitbürger bes 
fäßen und bas feine verdienten. 

Diefe „interimiftifde Nationalrepräfentation” hat bis in 
den Sommer 1815 beftanden, obgleich aud ihre Verhandlungen 
nicht ganz nad) Wunj der Regierung verliefen. Denn ihrem 
Nomen entſprechend, wollte fie aud) wirklich ein Organ der Nation 
fein und ergriff als ſolches wiederholt energiſch bie Jnitiative. 
Vor allem verlangte fie dringend eine Konftitution, das heißt 
eine Geſchäftsordnung und die Feiftellung ihrer Kompetenz. 
Dabei aber kamen Punkte zur Sprade, bie für alles Ber- 
fafjungsleben prinzipiell wichtig find. Ja, zu foldem Preußen 
hinüberzuleiten hielt die Mehrheit eigentlich für den Beruf ber 
Verfammlung. Am 4. Juni 1812 ſchrieb fie dem Staats 
tanzler, als „von ber Nation gewählt” und beftimmt, „bas 
Band zwiſchen der Monarchie und der Nation, jowie zwiſchen 
den einzelnen Provinzen fefter zu Inüpfen“, wünſche fie mit einem 
königlichen Kommiſſar die der Nationalrepräfentation zu gebende 
Konftitution, ihre Wahl, ihre Organifation und ihre Befugniſſe 
au vereinbaren und nad) erfolgter Löniglicher Betätigung be 


UI. Die Schwankungen der Berfafjungäfrage. 123 


kannt gemacht zu fehen. Das lag nun freilich nicht in Harben- 
bergs Abfiht. Daher verſchärfte fi) ber Gegenfag zwiſchen 
ihm und ber Verfammlung. Ihrer Autorität thue es Abbruch, 
Hagte diefe, wenn fie, heute gefragt, morgen übergangen, Feine 
beftimmt umgrenzte Verantwortung habe. Alle zu erlaſſenden 
Edikte folten ihr zur Begutachtung vorgelegt und zur Ver: 
handlung darüber Rommiflare bes Stantsfanzlers geſchickt werden. 
Die Vorteile eines ſolchen repräfentativen Syftems zu rühmen, 
ſei unnüg, da die Völker der preußiſchen Monarchie durch bes 
Königs Verheißung zu der Hoffnung erhoben feien, jenes Reſul⸗ 
tat einer gebilveten Zivilifation befigen zu dürfen. 

Von alledem geſchah nichts. Ja, das Gendarmeriegejeh 
vom 30. Juli 1812 (8b. II, S. 480) erſchien, ohne ber Ver 
fammlung vorgelegt zu fein. Mit ihrer Entrüftung fliegen " 
deren Anſprüche. Man forderte für fie vollen Einblid in bie 
Finanzlage, Mitteilung des ganzen Inhalts der gegen Frank— 
reich übernommenen Verpflichtungen und die Aufficht über die 
mit der Befriedigung der franzöfiihen Requifitionen betrauten 
Beamten. Ja, am 28. Dftober erbat fie von dem König ben 
Erlaß einer Verordnung, nad) ber bie zur Ergänzung ber 
Armee nötigen Mannſchaften aus allen Klafien ber Staats- 
bürger genommen werben jollten, im weſentlichen alſo die all- 
gemeine Wehrpflicht. Das Verlangen nad einer Konftitution 
im Sinne von Geſchäftsordnung dedte wirklich Tonftitutionelle 
Forderungen: man wollte den Etat vorgelegt haben, Erinne⸗ 
rungen dazu machen und dem Monarchen bie Beſchwerden ber 
Nation vortragen und neue Gefege verwerfen können. Doch 
wear das nur als Proviforium gedacht: nad Vollendung ber 
Verfaſſung follte die Nationalrepräfentation definitiv Fon= 
ftitwiert werden. Die Verfammlung ging eben darauf aus, 
gewiſſe grundlegende Verfafiungabeftimmungen gleich jest für 
ſich durchzuſetzen und dann auf die endgültige Nationalvertretung 
zu Übertragen. Auch arbeitete Hardenberg mit Hilfe ber 
Staatsräte Hippel und Scharnweber einen Entwurf der Art aus, 

Als Nationaltepräfentation zu handeln, fehien bie Ver— 
fammlung mit dem Beginn der großen Krifis von 1813 vielen 
erſt recht befugt, ja verpflichtet. Als der ganzen Monardie 


124 Zweite Bud. Der Bau bed Einheitsſtaates. 


zugehörig, meinte man, müſſe fie bei dem König fein, ihm 
daher nad Breslau folgen. Obgleich die unruhigen Zeitver⸗ 
bältniffe, das Ausbleiben der Diäten, der Eintritt in bie Frei- 
willigencorpg und anderes mehr die Zahl der Mitglieder ber 
denklich verminderten, erklärte fie doch als Vertreterin aller 
Provinzen und aller Stände am 13. Februar dem König in 
einer Adreſſe, die Nation fei für die Ehre und Selbftändigfeit 
bes Thrones zu jedem Opfer bereit, forderte auch alle Märker 
und Sclefier, Pommern und Preußen, bie nicht ſelbſt als 
Freiwillige eintreten Fönnten, auf, nad) Kräften zur Ausrüftung 
anderer beizufteuern, da fo jeder Staatsbürger zur Rettung 
bes Vaterlandes mitwirken könne. Der Krieg machte ihren 
Verhandlungen ein Ende. Doc wurde fie, dur Neuwahlen 
ergänzt, im Februar 1814 nochmals berufen, um unter Leitung 
einer Föniglihen Immediatlommiffion an den Beratungen teil« 
zunehmen über zwedmäßige Ausgleihung ber Kriegslaften, die 
Erhaltung des Grunbbefiges, die Eigentumsverleihung an bie 
Bauern und anderes mehr. Es kam dabei zu ähnlichen Kon— 
flikten wie in der erften Seffion. Ueber den ihr angemwiejenen 
BWirkungsfreis hinausgreifend, richtete die Verfammlung, auch 
unter Berufung auf des Königs Verſprechen, an Hardenberg 
die Bitte, den Erlaß der Verfafjung möglicäft zu beſchleunigen. 

Gewiß haben die Beratungen der interimiſtiſchen National- 
tepräfentation dazu beigetragen, bie Fonftitutionelle Idee in 
Preußen einzubürgern. Auch den König kannte man als ihren 
Anhänger. In der Kabinettsordre vom 3. Juni 1814 über die 
Neuordnung ber Minifterien und die Kreierung bes Staats: 
rates ſprach er bie Abſicht aus, „über die Anorbnung ber 
ſtändiſchen Verfaflung und Repräfentation nach feiner Rüd- 
kehr Beſchluß zu faflen“. Auch waren auf dem Wiener Kon: 
greß die Vertreter der deutſchen Staaten zunächſt darin einig, 
daß dieſe repräfentative Verfaffungen erhalten follten, und zwar 
nad) Preußens Anſicht mindeftens mit dem Recht ber Steuer: 
bemilligung. Bon Württemberg, Baden und Hannover lagen 
die Entwürfe dazu bereits Anfang 1815 vor. Auch hatte fi 
Preußen mit Defterreih, Bayern, Hannover und Württemberg 
über gewiſſe Grundfäge geeinigt. Die Ausarbeitung des Ver- 


II. Die Schwankungen ber Berfafjungsfrage. 125 


fafjungsentwurfs wurde Stägemann aufgetragen. Anfang März 
ſcheint diefer dem Abſchluß nahe geweſen zu fein. Ob er aber 
mit den von ihm befolgten Prinzipien durchdringen würde, 
zweifelt er ernftlih. Auch Eichhorn erklärte, diefer Regierung 
nichts Ordentliches zutrauen zu fönnen. Die Meinungen gingen 
zudem über die wichtigſten Punkte noch weit auseinander. 
Während Stägemann allen Staatsbürgern Wahlrecht geben 
wollte, entwarf Zerboni di Spofetti, nachmals erfter Ober: 
präfident von Pofen, eine Verfafjung mit einem „Reichstag“, 
der aus ben Provinziallandtagen hervorgehen follte, in benen 
nur die großen Grunbbefiger in Stadt und Land wahlberechtigt 
waren. Die prinzipielle Entſcheidung aber ftand fo feſt, daß 
in den Patenten, durch die der König von ben ihm zugefallenen 
Gebieten Befig ergriff, die Einführung einer Verfaſſung in 
verfehiedenen Wendungen zwar, aber doch beſtimmt zugeſagt 
wurde. Den Nieberrheinländern und Pofenern (5. April) wurde 
die Bildung einer Nepräfentation verheißen, den Danzigern 
(15. Mai) die Teilnahme an der Konftitution, die der König 
allen feinen getreuen Unterthanen zu geben beabfichtige, ben 
Sachſen (22. Mai) neben der Erhaltung ihrer ſtändiſchen Ver: 
faſſung Anflug an die allgemeine, die der König feinen ge— 
famten Staaten gewähren wolle. Und das Gleiche gefhah mit 
faft denfelben Worten am 15. Juni für die Preußen wieder 
gewonnenen Gebiete, die Altmark, Magdeburg, den Saalekreis, 
Halberftabt u. f. w., den 21. für Weflfalen einer und bie 
oranifchen Lande andererjeit# und endlih am 19. September 
für Pommern und Rügen. In dem Aufruf an die Bewohner 
der Nieberrheinlanbe, der bie Befigergreifung begleitete, wurde 
zwar bie Verfaflung nicht erwähnt — wie Stägemann befennt, 
um ben Schein einer aus Furcht gemachten Konzeſſion zu vers 
meiden —, wohl aber die Zufage gegeben, daß die Steuern 
mit Zuziehung ber Unterthanen reguliert werben follten nach 
einem allgemeinen, aud für die übrigen Provinzen feitzus 
fRellenden Plane. Ein Glied in diefer Kette ift nun auch bie 
nachmals fo heiß umftrittene Verordnung vom 22. Mai 1815 
über die zu bildende Repräfentation des Volle. Sie darf 
daher nicht aus dieſem Zufammenhange gelöft und allein ber 


126 Zweites Bud. Der Bau des Einheitöftaates. 


trachtet und jedenfalls auch nicht auf eine etwa durch Karben» 
berg veranlaßte plöglihe Entſchlleßung des Königs zurüdgeführt 
werden. Vielmehr beftand offenbar urſprünglich die Abſicht, 
bereits in Wien eine vollſtändige Berfaffungsurkunde für Preußen 
berzuftellen unb entweder von dort aus oder gleich nach ber 
Nüdtehr des Königs in bie Heimat zu verkünden. Erft bie 
Schwierigkeiten, die fi bei ber Ausarbeitung ergaben und 
bie in Muße zu begleichen ber Wieberausbrud bes Krieges 
vollends nicht Hoffen ließ, bewirkten, dag man ſich darauf bes 
ſchränkte, jegt nur die Grundzüge ber Verfaflung gefeglich feft- 
zulegen, die Ausarbeitung im übrigen aber einer Kommiſſion 
überließ, die möglichſt bald in Berlin zufammentreten follte. 
Das Ergebnis dieſer Erwägungen und ber auf Grund ber- 
felben geänderten Dispofitionen ift der Erlaß vom 22. Mai 1815. 
Man beeilte ihn jo, um angefichts der erneuten Gefahr bem 
Volke ein Verſprechen zu geben, das es kampfesfroh und opfers 
freudig fiimmte und den dur die Enttäuf_ungen des Frei— 
heitsfrieges entfiandenen Unmut befeitigte. Der Erlaß ſtammt 
aus ber Feber Stägemanns. KHarbenberg billigte ihn und legte 
ihn dem König vor. Sachlich damit einverftanden, nahm biefer 
nur an dem Ausbrud „Reichsſtände“ Anftoß, und zwar, weil er 
ihn an bie ehemaligen deutſchen Neicheftände erinnere, mit 
denen ſich ihm die kläglichſten Vorftelungen verfnüpften; daher 
wurbe er durch „Landesrepräſentation“ erjeßt. 

Obgleich — jo führt anfnüpfend an die Verorbnung über 
die verbefferte Einrichtung der Provinzialbehörden vom 30. April 
ber Erlaß aus — in Preußen bisher die bürgerliche Freiheit 
und eine gerechte und geordnete Verwaltung in den Eigen- 
ſchaften ber Regenten und ihrer Eintracht mit dem Volk bie 
bei ber Unvollkommenheit und dem Unbeftande menschlicher 
Einrichtungen erreihbare Sicherheit gefunden habe, beabſichtige 
der König doch, fie dadurch noch fefter zu begründen, daß er 
zum Beweife feines Vertrauens in bie preußifche Nation und 
um ber Nachkommenſchaft die für die Regierung fo lange maß« 
gebenden Grimbfäge treu zu überliefern, fie vermittelft einer 
ſchriftlichen Urkunde als Verfaffung des preußiſchen Reiches 
dauerhaft bewahren laſſe. Dazu verfügt er die Bildung einer 


1. Die Schwankungen ber Berfaffungsfrage. 127 


nRepräfentation des Volles“. Die vorhandenen Provinzials 
fände jollen daher zeitgemäß erneuert, wo fie fehlen, ſolche 
eingerichtet werben. Aus ihnen fol die Verfammlmg ber 
Lanbesrepräfentanten gewählt werben, bie in Berlin alle bie 
perfönligen und Eigentumsrechte ber Staatsbürger mit Ein- 
ſchluß der Befteuerung betreffenden Gefegentwärfe beraten 
ſollen. Sur Organifation ber Provinzialftände und der Landes» 
tepräjentation, ſowie zur Ausarbeitung der Verfaſſungsurkunde 
nad) den aufgeftellten Grundſätzen follte, durch den aud zum 
Berfig berufenen Staatsfanzler ernannt, eine Kommiffion von 
einſichtsvollen Staatsbeamten und Eingejeflenen ber Provinzen 
am 1. September in Berlin zufammentreten. 

So gewiß biefer Erlaß vom 22. Mai 1815 nicht aus einer 
plöglien, durch Hardenberg bewirkten Aufwallung des Königs 
hervorging, jondern das Ergebnis jahrelanger Erwägungen 
war, ſo entſchieden war es doch ein Fehler, daß der Bau des 
Ionftitutionellen Einheitsftaates begonnen werben follte von den 
partifulariftiich zerfahrenen Provinzen, in denen bie neuerdings 
zufammengelegten Landſchaften nod nit miteinander ver- 
wachen waren. Einer Landesrepräfentation gegenüber konnten 
die alten ftändifchen Körperfaften nur verlieren, etwa nen 
formierte niit auffommen: beide waren daher ihre gef hmorenen 
Gegner. Auch ımter den hohen Beamten fehlte es nit an 
ſolchen, die wohl die Rechte der Stände erweitert fehen, aber 
von einem das ganze Land vertretenden Landtage nichts wiſſen 
wollten, weil ein folder die Selbftändigfeit des Lanbesheren 
bedrohe. Auch militärifcge Bedenken wurden laut. Man war 
der Kriegalaften müde und erfehnte Erleigterung: wirben nicht 
auch die Landesrepräfentanten ſolche Wünfche vertreten, fi 
vieleicht gar Karl v. Notted anſchließen, der bereits 1816 bie 
Parole ausgegeben hatte, jedes guten Bürgers Loſung fei bie 
Auflöfung der flehenden Heere und die Schaffung einer natio- 
nalen Wehrkraft? Trogdem beftimmte ber König bei ber 
Einrichtung des Staatsrats (20. März 1817) eine 22 Mitglieder 
zählende Kommiffion desfelben ausbrädlih für das Studium 
der BVerfafiungsfrage und die Vorbereitung bes Erlaffes ber 
Verfaſſung. Am 7. Zuli 1817 beſchloß biefe, zunächſt bie in 


128 Zweites Bud. Der Bau des Einheitöftaates. 


den Provinzen beftehenden und bie früheren ſtändiſchen Ber- 
hältniffe durch drei Kommiſſare an Ort und Stelle fubieren 
zu laſſen. Klewitz bereifte Brandenburg, Sachſen, Schleſien 
und Poſen, Beyme Pommern und Preußen, Altenſtein die 
weſtlichen Provinzen. Aber ihre Berichte ſteigerten die Ber- 
wirrung nur. Die Wunſche der Provinzen gingen nad) den 
entgegengefegteften Richtungen auseinander: Nur an Mangel 
an Gemeinfinn und Unluft, dem Ganzen Opfer zu bringen, 
waren fie alle gleih. Cs verminderte die Schwierigkeiten 
nit, daß ber König der Kommiffion feine Willensmeinung 
dahin Hatte kundthun laſſen, die fünftigen Stände dürften 
nur eine beratende Stimme haben und fi nie in bie Ber 
waltung miſchen. 

Bald danach fteigerte das Wartburgfeft bie Schwierigkeiten, 
die fi Harbenbergs Bemühen um Erfüllung jener Zufage ent» 
gegenftellten. Die Kämpfe, welche die ſuddeutſchen Verfafjungen 
veranlaßten, die Warnungen ber fremden Mächte vor ber 
Heraufbeſchwörung ähnlicher Gefahren und bie eifrige Minier: 
arbeit der Reaftionäre am Hof und im Staatsdienſt nährten 
des Königs autofratifhe Abneigung gegen jede Verkürzung 
feiner Macht und fein Mißtrauen gegen liberale Maßnahmen. 
Daß von den Vorkämpfern der Verfaſſung die einen nur eine 
Erweiterung bes alten Ständeweſens auf das Staatsganze, 
die anderen eine wirkliche Volksvertretung erftrebten, Tähmte 
ihre Aktion natürlich einigermaßen. Je ernfler man die Sache 
nahm, um fo ſchärfer wurden die Gegenfäge. Je offener von 
ber einen Seite die Erfüllung der gemachten Zufagen hinaus 
gehoben werben follte und bald in Frage geftellt war, um 
fo lauter erhob man auf der anderen Forderungen, welde bie 
Warnungen der Reaftionäre zu betätigen ſchienen. Namentlich 
im Rheinland wuchs die Ungebuld bes liberalen Bürgertums, 
während der Adel entſchieden gegen eine Verfaflung war. Aus 
den Kreifen des erfteren wurbe Harbenberg bei einem Beſuch 
in der Provinz im Januar 1818 auf Anlaß von Görres eine 
Adreſſe überreicht, die um endliche Ausführung des 13. Artikels 
der Bundesakte mahnte, wozu bie Bittfteler gebrungen fein 
wollten, nicht bloß als Bürger ber preußifhen Monarchie, ſon⸗ 


I. Die Schwankungen der Berfaffungäfrage, 129 


dern als „Teutſche“ durch Die Sorge um das Heil des gefamten 
Baterlandes. Das nahm der König ungnädig auf: er zürnte, 
daß man „freventlih“ an der Unverbrüclichkeit feiner Zufage 
geqweifelt habe, erklärte aber zugleich in einer Kabinettsordre 
vom 21. März 1818, den Zeitpunkt für die Gewährung ber 
verheißenen Verfaffung zu beftimmen, fei ausſchließlich feine 
Sache. 

Hardenberg verlor in dieſer ihm befonders. am Herzen 
liegenden Sache beim König beforglih an Terrain. Um fid 
ihr ganz wibmen zu fönnen, entlaftete er fi, indem er bie 
Generalfontrolle dem Grafen Lottum überliek, das Auswärtige 
aber dem bisherigen däniſchen Gefandten in Berlin, Grafen 
Bernſtorff, der, weniger optimiftif, ihn an Konſequenz und 
Widerftandöfraft übertraf und dadurch die Stellung Preußens 
einigermaßen befierte (S. 111). Eben deshalb erftanden ber 
Verfaſſung jegt neue Gegner, die fie im Intereſſe der unter 
fo großen Opfern hergeftellten europäiſchen Ordnung bekämpfen 
zu müſſen vorgaben. Schon in Nahen hatte Metternich dur 
Wittgenftein eine Denkſchrift an den König gelangen laffen, 
welche in grellen Farben die Gefahren ſchilderte, die Preußen 
aus dem Repräfentativfgftem erwachſen würden. Die Zentrals 
tepräfentation durch Volfsbeputierte bedeute die Auflöfung bes 
preußifhen Staates, ba fie entweber mit einer Revolution ein. 
treten ober zu ihr führen werde. Auch könne bie freie, ge: 
diegene militärifhe Kraft, die Preußen braude, neben bem 
Repräfentativfgftem nicht beftehen. Höchſtens Provinzialftände 
mit ftändifcher Gliederung feien zuläffig, wie fie die königliche 
Erklärung verheißen habe. Doc; bebürfe es da ebenfalls forg- 
famer Prüfung, weil auch diefe leicht zur Revolution führen 
tönnten; angefihts der augenfälligen Mifftände im Staate, für 
die der König nächſt der Uneinigkeit der Minifter namentlich 
die vorzeitige Teilnahme ber Jugend an den Staatsangelegen: 
heiten verantwortlih machte. Solde Vorftellungen machten 
auf Friedrih Wilhelm Eindrud: ihm entfprang die Kabinetts⸗ 
ordre vom 11. Januar 1819 mit ihrem peflimiftifhen Reforms 
programm (S. 91). Aber auch fie hielt feft daran, daß eine 
ſtändiſche Verfaſſung gegeben werben folle: ob biefe Begeichnung 

Prug, Preubiſche Geihiäte. IV. 


130 Zweite Bud. Der Bau des Einheitäftantes. 


gefliffentlih an die Stelle der verheißenen „Zandesrepräfen- 
tation“ (S. 126) gefegt wurde, mag bahingeftellt bleiben. Un- 
wahrſcheinlich ift es nicht nach dem, was vorhergegangen war, 
und dem, was folgte. 

In jenen Tagen wurde Humboldt in das Minifterium 
mehr genötigt" als berufen (S. 92). Auedrücklich erhielt er 
die Bearbeitung der Verfafjungsfrage zugeteilt. Ein entſchie⸗ 
dener Gegner Harbenbergs, follte er da mit ihm zufammen 
wirken. Ober folte er nur beifeite gehoben und unſchädlich 
gemacht werben? Denn ohne ſich mit ihm genauer ins Ein- 
vernehmen zu ſetzen, eilte ber Staatsfanzler, die Verfaſſung 
in feinem Sinne in Sicherheit zu bringen. Ober wollte er 
der hereinbrehenden Reaktion, die abzuwenden bei bes Königs 
Eigenart und dem fteigenden Einfluß der Wittgenftein u. |. w. 
feine Ausfiht war, rechtzeitig menigftens einen Damm ent⸗ 
gegenwerfen? Wenn man ihm nachſagte, auf die Runde von 
Sands That habe er Hagend die Verfafjung für unmöglich 
erklärt, fo war bei denen, die ſolches Gerede in Umlauf fegten, 
wohl der Wunſch ber Vater bes Gedankens. Vielmehr legte 
Hardenberg etwa vier Wochen danach, am 3. Mai, dem’ König 
den Entwurf der Verfaffung vor. Ihn teilte er in Teplig, 
wo fie die die Karlsbader Beſchluſſe anbahnende Punktation 
unterzeichneten (S. 94), Metternich mit, der fi) damit ein= 
verftanden erklärte. Er konnte das thun, da Preußen fi durch 
jene Punktation eben verpflichtet Hatte, als Repräfentation ber 
Nation nicht eine allgemeine, mit der geographiſchen und inneren 
Geftaltung feines Reiches unverträglie Volfsvertretung ein 
zuführen, fondern — und zwar erft nad) völliger Regulierung 
feiner inneren und Finanzverhältnifie — feinen Provinzen 
landſtändiſche Vertretungen zu erteilen und aus biefen einen 
Zentralausſchuß von Lanbesrepräfentanten zu bilden — Worte, 
denen bie beiden Staatsmänner zweifellos ganz verſchiedene 
Deutungen gaben. Während Metternich meinte, den Wortlaut 
der unbequemen Zufage vom 22. Mai 1815 mit feinen ver- 
faffungsfreundlichen Tendenzen in einen dem Könige vermutlich 
erwünfchten Einflang gebracht zu haben, hoffte Hardenberg in 
diefer dehn- und deutbaren Fafjung Raum zu gewinnen, um 


II. Die Schwankungen ber Berfafjungsfrage. 131 


feine konſtitutionellen Abfichten ehrlich zu verwirklichen. Schwer 
begreifli allerdings bleibt es felbft von einem fo unverbeffer- 
lien Optimiften, wie er die in Preußen bereit begonnene und 
in Karlsbad für Deutſchland organifierte Reaktion mit ben 
Demagogenverfolgungen, der Mißhandlung ber Profefloren und 
Stubierenden und ber Knebelung ber Preſſe gewähren laſſen 
und babei der Zuverfiht leben konnte, mit ber Verfaflung fein 
Werk zu frönen. Wollte er damit den perfünlichen Neigungen 
und Vorurteilen des Königs ein Zugeftänbnis machen, das diefen 
in ber für ihn wichtigften Frage zum Nachgeben beftimmen follte? 
Wollte er dem mißtrauiſchen Herrn eine Bürgfchaft dafür geben, 
daß Ausfchreitungen, wie fie jegt vorgelommen fein follten 
und fo unnachſichtig geftraft wurden, mit ber Verfaflung als 
folder nichts zu thun hätten und den Warnungen ihrer Gegner 
zum Trog nicht gefürchtet zu werben brauchten? Welch eigens 
tümliche, ſicher überfeine Berechnung diefem ſcheinbar wider⸗ 
ſpruchsvollen Verhalten zu Grunde gelegen haben mag: jeben- 
falls traf fie nicht zu und konnte nicht zutreffen. Denn fie 
berubte auf völliger Verfennung ber geiftigen und fittlichen 
Eigenart Friedrih Wilhelms und feiner höfiſchen Umgebung. 
Daß Hardenberg aber mit dem Eintreten für die Verfaſſung, 
wie man wohl gemeint, nur eine Komöbie gefpielt, den Ges 
banken daran aber in Wahrheit längft aufgegeben gehabt habe, 
ift eine umerweisbare Verdächtigung. Nur der Vorwurf trifft 
ihn, daß er in ber ihm eigenen Art, die Dinge leicht zu nehmen, 
und in dem Glauben an fein fo oft bewährtes Glüd auch aus 
diefem Wirrfal einen Ausweg nad) dem feft im Auge behaltenen 
Biel zu finden überzeugt blieb und daß er bei den weiterhin 
eintretenden neuen Verwidelungen, aus perjönlicher Feindſchaft 
gegen Humboldt, verblenbet eben der Partei Vorſchub leiſtete, 
welde die Verfaſſung Hintertreiben wollte und in der Be: 
feitigung Humboldts, Boyens und Beymes (S. 96) den erften 
Schritt zu feinem eigenen Sturze gethan zu haben meinte. 
Nachdem er feinen Entwurf entſprechend den in Teplig 
mit Metternich getroffenen Verabrebungen in einigen Punkten 
umgeftaltet hatte, legte er ihn am 11. Auguft abermals dem 
König vor. Zu feiner Beratung beftellte diefer einen Ausſchuß 


132 Zweites Bud. Der Bau bes Einheitöftantes. 


aus dem Staatsrate, dem unter bes Staatskanzlers Vorſitz 
mit Humboldt und Eichhorn auch Schudmann, Ancillon und 
der Präfident des Kölner Oberappellationsgerichts, Daniels, an⸗ 
gehörten. An das Edikt vom 22. Mai 1815 anknüpfend, ſuchte 
der Entwurf das Fundament der Verfafjung in einer auf dem 
Prinzip der Selbftverwaltung beruhenden Munizipal- und 
Kommunalordnung. Jedes Landkirchſpiel folte einen Depu⸗ 
tierten wählen, ber Chrift, Grunbbefiger, mündig und un- 
befolten fein follte. Dieſe Kirchipieldeputierten wählen bie 
Kreistagsdeputierten. Ebenſo verfahren die Meinen Städte. 
Dagegen follten die Rittergutsbefiger des Kreifes direkt eine 
Anzahl von Deputierten zum Kreistage wählen, während bie 
Stanbesherren das Recht der Teilnahme oder der Vertretung 
auch ohne Wahl haben. Die fo zufammengejegten Kreistage 
verwalten bie Kreisangelegenheiten und wählen bie Abgeord⸗ 
neten zu ben Provinziallandtagen. Diefe, denen ber Ober- 
präfident der Provinz präfibiert, und die Standesherren und 
eventuell ber Erzbiſchof und Biſchof der Provinz, dann bie 
Deputierten der großen Städte, ber Gutöbefiger, ber einen 
Stäbte und der Landkirchſpiele, möglicherweife aud Vertreter 
ber Univerfitäten angehören follen, haben alle Provinzial 
angelegenheiten unter fih, namentli das Provinzialſchulden⸗ 
und Krebitwefen, repartieren die quotifierten Abgaben und vers 
walten die Provinzialinftitute für Armen: und Krankenpflege. 
Ihre Einrichtung im einzelnen fol den befonderen Verhält⸗ 
niffen jeder Provinz angepaßt werden. Ueber Gejege und 
Einrichtungen, welche die ganze Monardie betreffen, können 
fie gutahtlih gehört werden. In ihnen wählt dann jeder 
Stand aus fi Deputierte zum allgemeinen Landtage. Der 
Verwaltung ganz fremd, beſchäftigt dieſe fi mit den die ganze 
Monarchie betreffenden Angelegenheiten. Die Zahl der Mit- 
glieder wünfchte Hardenberg möglichſt zu beſchränken und neigte 
daher auch mehr zu dem Ginfammerfyftem. Die Dauer ber 
Deputiertenmandate und die Häufigkeit der Landtagafeffionen 
ließ er ebenfo wie die Art der Abftimmung noch unbeftimmt. 
Wähldar follten innerhalb der genannten drei Kategorien alle 
Staatsbürger fein ohne Unterfchied des Standes und Gewerbes. 


II. Die Schwankungen der Berfafjungsfrage. 133 


Dffen blieb die Frage, ob die Beantragung neuer Gefege dem 
König vorbehalten bleiben ober aud dem Landtage zuftehen 
follte, ebenfo, was zu geſchehen habe, wenn ber Landtag einen 
Geſetzvorſchlag verwerfen follte. Auswärtige Verhältnifie, Polis 
zeiverordnungen und militärifche Angelegenheiten follte er jeden: 
falls nicht behandeln, feine Kompetenz alfo auf das in dem 
Erlaß vom 22. Mai 1815 bezeichnete Gebiet beſchränkt bleiben. 
Dann aber greift Hardenberg wieder weit darüber hinaus, 
wenn er ala Punkte, bie in die Verfafiung aufgenommen werben 
müffen, bezeichnet: Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Ges 
ſetz, Gleichheit ber chriſtlichen Konfeffionen und Duldung und 
Freiheit aller Religionsübungen, gleiche Pflichten gegen den 
König und den Staat, das Recht eines jeden, ein uns 
parteiifches richterlihes Urteil zu provozieren und binnen be- 
ſtimmter Seit verhört und jenem Urteil unterworfen zu werben 
— ein Prinzip, defien Anerkennung den Demagogenverfolgungen 
alsbald ein Ende gemacht hätte —, die in Preußen längft gel 
tende Unabhängigkeit der Gerite in ihren Urteilen und das 
Recht eines jeden, feine Bitten und Beſchwerden in geziemender 
Form an den Thron zu bringen. Schließlich regt er auch bie 
Fragen an nad) der Berantwortlichkeit der Minifter und Staates 
beamten, nad) der Prefreiheit und ihren Mißbräuchen, nad 
der öffentlichen Erziehung, der Deffentlichkeit der Gerichte und 
der fländifchen Verfammlungen. „Alles,“ fließt er, „muß 
darauf gerichtet fein, daß das monarchiſche Prinzip recht be- 
feftigt werde, mit dem wahre Freiheit und Sicherheit ber Perfon 
und des Eigentums ganz vereinbar find, und durch foldes am 
beften und bauerhafteften mit Ordnung und Kraft beftehen. 
Und der Grundfag werde aufrecht erhalten: Salus publica 
suprema lex esto!” 

Nach alledem ift es zu bedauern, daß der Konflikt, der 
Ende des Jahres 1819 innerhalb der Regierung ausbrach und 
zu einem erbitterten Ringen zwiſchen Hardenberg und Hum⸗ 
boldt führte, dieſen Entwurf verurteilt hat, hiſtoriſches Material 
zu bleiben. Es liegt doch etwas Tragifches darin, daß die 
beiden Männer, die im Grunde das Gleiche für das Wohl des 
Baterlandes erfirebten, eigentlih um Nebendinge und perfön- 


134 Zweites Bud. Der Bau des Einheitzftantes. 


licher Differenzen willen jo völig miteinander zerfielen, daß 
beide dem Staatsbienfte zu erhalten unmöglih wurde. Wenn 
Humboldt gegen bie übergroße Macht bes Staatskanzlers Sturm 
lief, um die Minifter felbftändig zu machen, fo überjah er, 
daß dadurch Hardenberg gerade in dem entſcheidenden Augen« 
blid der Autorität beraubt wurde, ohne melde er, wie bie 
Dinge lagen, die Verfaſſung nie durchſetzen konnte. Und wenn 
Hardenberg in der Abwehr dagegen zum Berteibiger der von 
jenem befämpften Karlsbader Beſchlüſſe wurde, fo vergaß er, 
daß er damit eben die liberalen Grundfäge vermarf, zu benen 
er fi) in feinem Verfaſſungsplan bekannte. Die Gegner biefer 
und bie Lobrebner jener waren ed, bie von ihrem Streite Ge— 
winn zogen. Der äußere Sieg Harbenbergs wurde dadurch 
innerlich mehr als aufgemogen. 

Dennoch meinte er nad) Humbolbts Nüdtritt völlig Herr 
der Situation zu fein. Trug der König doch Fein Bedenken, 
in der am 17. Januar 1820 ergangenen Verordnung wegen 
der künftigen Behandlung des geſamten Staateſchuldenweſens 
die Abſicht auszuſprechen, durch Unterordnung besfelben unter 
die Reichsſtände — er hat den früher beanftandeten Ausbrud 
(S. 126) bier durchgelafien — das Vertrauen zum Staate und 
zu feiner Verwaltung zu befeftigen und neue Anleihen nur mit 
Zuziehung und unter Mitgarantie ber künftigen reichsſtändiſchen 
Verfammlung aufnehmen zu laſſen, der die Schuldenverwaltung 
jährlich Rechnung legen follte, wie einftweilen dem Staatsrate. 
An demfelben 17. Januar verfügte er die Ausarbeitung der 
Kommunalordnung und am 12. Februar die Einjegung einer 
Kommiffion zur Entwerfung ber Gemeinde: und Kreisorbnung. 
Damit wäre die Bafis für die von Hardenberg geplante Ver- 
faffung gewonnen worden. Diefer Entwurf aber, der am 
7. Auguft eingereicht wurde, ftieß auf allgemeinen Widerftand, 
da er ben Gegenjag, ber in den ländlichen und kommunalen 
Verhältnifien zwiſchen dem Often und dem Weiten ber Mon- 
archie beftand, nicht auszugleichen vermochte, alte Rechte kränkte 
und neue Anſpruche unbefriedigt ließ. Namentlich den ftür- 
miſchen Unmillen der Vertreter der erfteren rief er hervor. Das 
feigerte des Königs Bedenken gegen Harbenbergs Plan. Ein 


II, Die Schwankungen ber Berfaffungsfrage, 185 


übriges that zu Troppau Metternich: noch nachträglich ließ er 
duch Wittgenftein eine Denkſchrift an Friebrih Wilhelm ge: 
langen, bie den Gebanten an eine wirkliche Repräjentation ber 
Ration zu Gunften allein von Provinzialftänden befämpfte. 
€r fand damals einen Verbündeten in dem Kronprinzen, ber 
vol romantifcher Vorliebe für alles Mittelalterlide und als 
Verehrer von Hallers Reftauration des Staatsrechts (S. 81) 
nur landſtändiſche Einrichtungen zulafien wollte. Daher wurden 
in die Kommiffion, bie der König Ende des Jahres 1820 zur 
Prufung und Umarbeitung bes fo heftig angegriffenen Ent⸗ 
wurfs ber Kreis: und Kommunalordnung ernannte, fah nur 
Gegner desfelben berufen. Den übelften Dienft aber leiftete dem 
Staatskanzler, der die Hoffnung auf einen Erfolg noch immer 
nicht aufgab, der Webereifer feiner Freunde. Im Jahre 1821 
veröffentlichte 3. 3. Benzenberg, einer ber eifrigften Vorlämpfer 
der neuen preußifhen Herrſchaft in den Aheinlanden, in ben 
bei Brodhaus erfcheinenden „Beitgenofien“ anonym einen nach ⸗ 
ber auch als Buch ausgegebenen Auffag „Weber bie Staats- 
verwaltung des Fürften Hardenberg” und ftellte darin deſſen 
ganze politiſche Wirkſamkeit dar als gerichtet auf bie Ein- 
führung eines Repräfentativfgftems, deſſen Sieg in Deutſch- 
land fier fei. Natürlich ließen des Staatsfanzlers Gegner 
fich nicht ausreden, er felbft habe biefen Panegyrilus ver: 
anlaßt. Befonbers auf den König machte das den ungünftigften 
Eindrud und verſchlechterte die Ausfihten für die Verfaſſung. 
Die Rommiffion empfahl dem König, nicht bloß die Kommunal 
ordnung zu verwerfen, fondern von dem Erlaß einer Ber: 
faffung für den Geſamtſtaat überhaupt abzufehen und bloß 
Provinzialftände einzuführen und die mit beren Vorbereitung 
zu betrauende Kommiſſion aus den einzelnen Provinzen Notabeln 
zu Rate ziehen zu lafien. Vergeblich widerſprach Hardenberg. 
Auch in dieſe neue Kommiſſion wurden biefelben Gegner feines 
Entwurfs berufen. 

Hardenbergs Niederlage war vollftändig. Sie befiegelte 
die Ernennung bes ehemaligen Minifters v. Voß (S. 77) zum 
Vizepräſidenten des Minifteriums und bes Staatsrats (16. Sep⸗ 
tember 1822): nicht bloß ein erbitterter perfönlicher Feind, 


1836 Zweites Bud. Der Bau bes Einheitäftaates. 


ein überzeugter Gegner der gefamten Reformgefeggebung wurde 
deren Schöpfer zum Vertreter gegeben, während dieſer von ben 
Arbeiten der Verfaſſungskommiſſion ausgefchlofien blieb. Die 
neuen revolutionären Bewegungen im Süben Europas fteigerten 
mit dem Eifer der durch Metternich noch leidlih zufammen- 
gehaltenen europäifchen Reaktion bie Zuverſicht der Vorkämpfer 
des altftändifchen Weſens in Preußen. Hardenberg war eigent- 
lich ſchon ein toter Mann, als er auf der Rüdreife von dem 
Veronefer Kongreß, zu dem er den König begleitet hatte, am 
26. November 1822 in Genua ftarb — zu fpät, um bie außer 
ordentlichen Verbienfte nicht ſchon halb vergefien zu fehen, die 
er fi weniger durch die Stärke bes Charakters als durch ge 
ſchicktes Sichanpaſſen, mehr durch ſelbſtgewiſſe Erfindungsgabe 
als durch in fittlidem Pathos wurzelnde ernfte ſtaatamänniſche 
Arbeit um Preußen und Deutſchland, ja um Europa erworben 
hatte. An feine Stelle trat Voß, der aber fon am 30. Ja⸗ 
nuar 1823 ſtarb. Kumboldts Berufung, die felbft dem Kron⸗ 
prinzen genehm war, unterblieb aus Ruckſicht auf die Kabinette 
von Wien und Petersburg. In biefer Verlegenheit nahm ber 
König den hochbetagten Feldmarſchall Kleift v. Nollendorf in 
Ausſicht: er ſtarb noch vor Antritt des Amts (17. Februar 1823). 
So blieb der Plag eines leitenden Minifters unbefegt: ber 
König wollte es nach alter Art felbft fein. Die Vermittelung 
zwiſchen ihm und ben Miniftern, in beren Kreis Aenderungen 
nit eintraten, obgleich ſchon Hardenberg ſolche empfohlen 
hatte, übernahm der bisherige Minifter des Schages, Graf 
Kottum (S. 87). Damit war eigentlich die Kabinettsregierung 
hergeſtellt. Wenn die ihr früher anhaftenden Mifftände jegt 
weniger bemerkt wurden, fo war das teils bie Folge ber ges 
wandelten Verhältnifle, teils das Verbienft der Pünktlichkeit, 
Ehrlichkeit und Selbftlofigkeit, mit der Lottum die Funktion 
eines Kabinettsminifters ohne den Titel eines ſolchen wahr: 
nahm. Das aber darf ihm als ein um fo höheres Verbienft 
angerechnet werben, als mit bem König nur ſchwer umzugehen 
war, ba berfelbe mit ber ihm ftets eigenen Neigung zu So— 
phiftereien, auch wo er im Unrecht war, es durchſetzen wollte, 
recht zu behalten. . 


II. Die Schwankungen der Berfaffungsfrage. 137 


Diefem Wandel entſprach ber Ausgang der Verfafiungs- 
frage. Das Ergebnis der eiligen und oberflächlichen Verhand⸗ 
lungen, welde die Rommiffion mit ben zur Auskunftserteilung 
geladenen Notabeln der einzelnen Provinzen führte, und bes 
dann in ihrem Schoße folgenden mühjamen Ringens um einen 
Ausgleich der da vertretenen ſchroffen Gegenjäge war das am 
3. Auguft, dem Geburtstage des Königs, verkündete Gefeg vom 
5. Juni 1823 über bie Einführung von Provinzialftänden. Es 
ſtellt fi dar als ein recht dürftiger Ausfchnitt aus Harbens 
bergs einftigem Entwurf (S. 132). In den acht Provinzen follten 
alle drei Jahre Provinziallandtage gehalten und deren Mit: 
glieder zu einer Hälfte aus den Rittergutäbefigern, zur anderen 
aus den ſtädtiſchen und bäuerlichen Grunbbefigern gewählt 
werben. Ihre Kompetenz blieb beſchränkt auf die gutachtliche 
Aeußerung über die Provinz betreffende Gefegentwürfe und die 
Beſchlußfaſſung über Provinzialangelegenheiten unter Vorbehalt 
der föniglihen Beftätigung. Die Verhandlungen waren nicht 
Öffentlich. Bon einer Nationalvertretung, die man interimiftifch 
ſchon einmal gehabt hatte, war nicht die Rede. Der Fonftir 
tutionelle Gebanfe, dem Stein einft in Preußen fo vielver: 
ſprechendes Leben gegeben hatte, war tot gemacht und damit 
die Entwidelung des preußiihen Staates im Sinne feines 
Berufes für Deutſchland auf ein Menfchenalter zum Stillſtand 
verurteilt. ’ 


IV. Die neue Boll-, Finanz und Sfeuerordnung 
und die Anfänge des Bollvereine. 1817—1834. 


Das Scheitern bes Verfaffungswerkes und bie Fortdauer 
des abfoluten Regiments galten ehemals allgemein für die vor: 
nehmfte Urſache des unerfreulihen Ganges, den bie Dinge in 
Preußen weiterhin nahmen. Erſt neuerdings ift aud die An- 
ſicht laut geworben, im Gegenteil fei erft duch die Nichtein- 
löfung der Zufage vom 22. Mai 1815 ermöglicht worben, 
was in Preußen während der nächften zwanzig Jahre organis 
ſatoriſch geleiftet wurde und feine wirtſchaftliche und politiſche 
Erneuerung anbahnte. Nach H. v. Treitſchke wären die admini⸗ 
ſtrativen Großthaten nicht vollführt, hätte die Regierung dabei 
mit einer Volkavertretung zu rechnen gehabt, weil dieſe ben 
ſchopferiſchen Zug wenn nicht gelähmt, fo doch beeinträchtigt 
haben würde. 

Dieſe Auffaſſung geht von ber unzutrefienden Annahme 
aus, bie Zufage vom 22, Mai 1815 fei dem König angefihts 
des neuen Krieges durch Hardenberg gewiflermaßen abgebrungen 
ober aufgerebet worden, um das Volk zu neuen Opfern mwilliger 
zu flimmen. Ihre Vorgeſchichte widerlegt das: fie war nicht 
ber Anfang einer neuen, fondern der vorläufige Abſchluß einer 
feit lange im Gange befindlichen Entwickelung. Auch ent: 
fpricht es nit den Thatſachen, wenn die glüdliche finanzielle 
und wirtfhaftliche Neuordnung Preußens jo jehr als das Wert 
ausfhließlih feines Beamtentums bargeftellt wird, daß man 
meint, bie Mitarbeit einer Nationalrepräfentation daran würde 
fie unmöglich gemadt haben. Als ob das Zufammenmwirken 
jener trefflihen Beamten mit patriotiſch denkenden Volksver⸗ 
tretern das Reformwerk hätte zum Scheitern bringen müſſen! 
Vielmehr darf behauptet werben, jene großen, für bie Zufunft 


IV, Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerorbnung. 139 


Preußens entſcheidenden organifatoriiden Maßnahmen feien 
durchgeführt vielmehr trog bes Ausfchluffes des Bürgertums 
von jeder Teilnahme daran. Und doch hatte ſich diefes 1813 
einer folden ebenfo fähig wie würdig gezeigt. Aber auch jegt 
nod war bie Zahl der Beamten nur Mein, die fi dem Bürger 
nit überlegen gewähnt und ihn von ber Teilnahme an den 
Öffentlichen Angelegenheiten ausgeſchloſſen zu fehen gewünſcht 
hätten, Vielen von ihnen gingen bie Reformen von 1808 darin 
ſchon zu weit, und fie machten fein Hehl aus dem Wunfche 
nad einer Revifion derſelben im reaktionären Sinne, Aber 
biefe Herren haben wohl bie Bauernbefreiung verfümmern und 
den vollen Ausbau ber Landwehr Hinhalten, aud die Einführung 
der feierlich zugejagten Volfsrepräfentation hindern können: 
die duch die Verhältniffe gebotenen Neuerungen jedoch, von 
denen bie Lebensfähigkeit des Staates abhing, zu bintertreiben, 
haben fie doch nicht vermocht. Zu deren Träger erwuchs in 
Preußen eben in jenen Jahren ein neues Beamtentum, voll 
Verftändnis für die Bebürfniffe der Zeit und Anerfennung für 
die Fähigfeit des Bürgertums, und durch die Erfahrungen ber 
legten Jahre belehrt von der Notwendigkeit einer deutſchen 
Richtung der preußiſchen Politit. Wie viel leichter würbe feine 
Arbeit, wie viel größer fein Erfolg geweſen fein, wenn es ſich 
dabei der Mitwirkung der Nation hätte erfreuen fönnen! Ges 
wiß wäre dann mit ben feubalen Reften, die ſich gegen bie 
Stein-Harbenbergfhen Reformen bisher behauptet hatten, 
ſchneller und gründlicher aufgeräumt worden und bie politifche 
Entwidelung Preußens würbe nicht um ein volles Menfchenalter 
hinter der Süddeutſchlands zurüdgeblieben fein. 

Aud haben an dem von jenen trefflihen Männern voll: 
braten Neubau des Staates, freilih ohne äußerlich erfenn- 
bare Bethätigung, die erftarfenden geiftigen und ſittlichen Kräfte 
des zum Bewußtjein feines politifhen Berufs erwachenden 
Bürgertums hervorragenden Anteil gehabt. Ohne fie wären 
‘jene Erfolge unmöglich geblieben. Gerade hier erwies ſich troß 
der andauernden Verfaſſungsloſigkeit und des Mangels an freier 
öffentlicher Diskuffion politiſcher Fragen, troß der Zenſur und 
trog der Knechtung der Univerfitäten ber Geift no immer 


140 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates. 


i&öpferif, der, in den Jahren der nationalen Wiedergeburt 
gewedt, im Freiheitsfampfe geftählt worden war. Mehr denn 
je hat er ſich gerade unter dem Drud der Reaktion bethätigt 
und in ftiller Arbeit eine befjere Zeit vorbereitet. Aud bie 
Regierung hat ihren Anteil daran gehabt. Reich erblühte das 
höhere Unterrichtoweſen unter der trog feiner bureaukratiſchen 
Neigungen weitherzigen Leitung des Minifters v. Altenftein, 
der bie mißhandelten Univerfitäten wenigftens vor dem wifjen- 
ſchaftlichen Ruin bemwahrte, mit dem bie Karlabader Beichlüffe 
fie bedrohten, und des von Humboldtſchem Geifte erfüllten Ge- 
heimrats Johannes Schulze (1786—1869), der ihnen in den 
Gymnaſien die humaniſtiſche Grundlage gab, aus ber alle gei- 
figen Großthaten des nächſten Menſchenalters emporgewachſen 
find und die man zum Dank dafür in unferen Tagen plan= 
mäßig zerflört. Auch die gleich nach ber Kataſtrophe von 1806/7 
in Angriff genommene Erneuerung bes Volksſchulweſens im 
Anſchluß an Peftalozzi wurde weitergeführt. Später erwarb 
fi da Adolf Diefterweg (1790—1866) große Verdienfte um 
die Lehrerbildung. So gewann Preußen im Gebiete der Volfe- 
bildung und der Wiſſenſchaft damals thatfählih den von 
Gneifenau geforderten Primat (S. 118). Berlin wurbe durch 
feine junge Univerfität das geiftige Zentrum Preußens, ohne 
daß babei das fpezififche Preußentum vorgeherrfät hätte. Dur 
den Frankfurter v. Savigny (1779—1861), den Babenfer 
Auguft Boedh (1785—1867), den Thüringer Leopold Ranke 
(1795—1886) und den Oberſachſen Karl Ritter (1779—1859) 
wurde es bie vornehmfte Pflegftätte für die neuen Wiſſenſchaften 
der hiſtoriſchen Rechts» und der Altertumskunde, der Geſchichte und 
der Erdbeſchreibung, während der Weltruf Aleranders v. Hum⸗ 
bolbt (1769—1859) es mit allen Fortſchritten der mächtig auf: 
firebenden Naturwiſſenſchaften verknüpfte. So ſchwand allmäh- 
lich die Vorherrſchaft, welche die den Realien allzu abgewandte 
philoſophiſche Spekulation bisher über das Denken ber Seit: 
genoffen ausgeübt hatte, mochte es aud auf einem Mifver- 
ſtändnis beruhen, wenn man den in Berlin lehrenden Hegel 
(1770—1831) auf Grund des von ihm aufgeftellten Satzes 
„Alles, was ift, ift vernünftig“ zum philoſophiſchen Vorkämpfer 


IV. Die neue Zoll, Finanz⸗ und Steuerorbnung. 141 


des preußiſchen Abfolutismus und zum Verteidiger ber Reaktion 
in den zwanziger Jahren hat ftempeln wollen. 

Auch die Künfte hatten ihren Anteil an diefem Aufſchwung. 
In der Plaftit fand J. Schadow (1764—1850) in Chriftian 
Rauch (1777—1857) den größeren Nachfolger, während Schinkel 
(1781—1841) dem erneuten preußifhen Staate architektoniſch 
imponierenden Ausbrud gab. Die Art aber, wie die bürger« 
lichen Kreife der Hauptftadt, und bald nicht diefer allein, friſch 
zugreifend zwar, aber doch auch recht kritiſch und gelegentlich 
nicht ohne ſtarkes Selbftgefühl an dieſer Entwidelung teilnahmen, 
zeitigte eine hohe geiftige Regſamkeit, die freilich bei dem 
Ueberwiegen der fünftlerifden und litterarifhen Intereflen den 
ftaatlihen Dingen nod ferner blieb, ala für die politiſche 
Entwidelung gut war. Zudem drehte ſich diefe Damals weniger 
um allgemeine Fragen von prinzipieller Bebeutung als um 
ehr beftimmte Probleme der politifhen Praxis, die ſich ihrer 
Natur nach der Erörterung in Laienkreifen entzogen und füg- 
li nur von den ſachlich daran beteiligten und techniſch darin 
Tompetenten Beamten gelöft werben konnten. In ihrem Zentrum 
fanden die Finanzen, deren Retabliffement die fernere Ent- 
widelung Preußens in erfter Linie bedingte. 

Bulows Verſuch zu einem folhen war mißlungen: er hatte 
die in der Regierung vorhandenen Gegenfäge erſt recht offen« 
bart und zur Beſchränkung Bülows auf den Reſſort des Han« 
dels geführt (S. 87). Dagegen hatte fein Zollgefegentwurf 
im Staatsrate Beifall gefunden und war dem Könige zur An- 
nahme empfohlen worden. Seine Durchführung fiel dem neuen 
Finanzminifter Klewig zu. Des Königs praktifher Sinn ftimmte 
den darin leitenden Gefihtspunften um fo mehr zu, als fein 
Rechtsgefuhl an dem entfittlichenden Schmuggel Anſtoß nahm, 
ber unter ber geltenden Zollorbnung großgezogen war. In 
Preußens wirtfaftlihem Leben begann damit ein neues Zeit⸗ 
alter. Daß das neue Zollgefeg daheim ſowohl wie in ben 
übrigen deutſchen Staaten heftig angefeindet wurde, ſich aber 
glänzend bewährte, begründete alabald feft Preußens Anfehen 
auf einem Gebiete, deſſen Bedeutung dem deutſchen Volke eben 
erſt recht empfindlich nahe gerüdt worden war durch ben Not: 


142 Zweites Bud, Der Bau des Einheitsſtaates. 


fand, den 1815 die Ueberſchwemmung bes Feftlandes mit eng« 
liſchen Manufakturen erzeugt hatte, durch die Mißernte von 
1816 und das Qungerjahr 1817. Dennod war Württembergs 
Antrag auf Ausführung des Artikels 19 der Bundesafte, der 
die Regelung des Handels durch den Bund in Ausfiht nahm, 
entgegen dem Ausfhußantrag ‘auf Aufhebung aller Beſchrän⸗ 
tungen bes inländifchen Getreidehandels an dem Widerſpruch 
Bayerns und Medienburgs gejcheitert. Preußen mußte außer 
dem zur endlichen Ordnung feiner Finanzen ſchleunigſt reichlich 
fließende Einnahmequellen erſchließen. Das war es, mas es 
veranlaßte, auf. diefem Gebiete allein und unter Berüdfichtigung 
ausſchließlich feines eigenen Vorteils vorzugehen. 

Vorbereitende Schritte waren bereits 1816 gefchehen durch 
Aufhebung des Derbots ber Gelbausfuhr und gleihmäßige 
Ordnung des Salzregals für alle Provinzen. Eine Verordnung 
vom 11. Juni verfügte die Aufhebung der Wafler-, Binnen- 
und Provinzialzöle und verhieß ein einheitliches und einfaches 
Kollfyftem für den ganzen Staat. Gegen ven fo eingeleiteten 
Uebergang von dem Prohibitivfyftem zu gemäßigtem Freihandel 
erhoben die Anhänger des erfteren, welde bie Hauptaufgabe 
ber Handelspolitik noch immer darin fahen, das Geld im Lande 
zu halten, lebhaften Widerſpruch, ala ob dadurch bie einheimische 
Produktion der ausländifhen Konkurrenz geopfert werben follte. 
Von einer zur Prüfung diefer Einwände beftelten Kommiſſion 
teilte die Mehrheit jolhe Befürchtungen und empfahl daher 
die Beibehaltung ber bisherigen Ordnung, während die Minder⸗ 
heit für die Neuerung eintrat als eine notwendige Ergänzung 
der Reformen von 1808. Diefe fiegte im Staatsrat. Am 
1. Auguft billigte der König das Prinzip der freien Einfuhr 
für ale Zukunft. Doch blieben noch beträchtliche Schwierig⸗ 
teiten zu überwinden. Namentlich ſchien die Verſchiedenheit, 
die rüdfihtlih der wirtſchaftlichen Verhältniffe zwifchen dem 
Weiten und dem Often der Monarchie obwaltete, die gleiche 
Behandlung beider in Bezug auf das Zollweſen auszuſchließen. 
Aber am 26. Mai 1818 wurde das einheitliche Zollgeſetz voll» 
endet. 

Es ftammte aus ber Feder des Generalfteuerbireftors Karl 


IV. Die neue Zoll:, Finanz und Steuerordnung. 143 


Georg Maafen (1769—1834), eines Klevers von Geburt, ber, 
vom Niederrhein her mit ben Verhältniffen der Preußen fonft 
noch fremden Großinduftrie vertraut, doch auch Die ganz anders 
gearteten Buftände ber öftlicden Provinzen kannte und fo, ohne 
fih an eine beftimmte nationalökonomiſche Doktrin zu binden, 
die Tonkurrierenden Interefien beider auszugleichen verftand. 
Zu dieſem Zwede gab er den Verkehr innerhalb ber preußifchen 
Grenzen ganz frei: es ſollte eine Intereſſengemeinſchaft ent« 
ftehen, bie bei feinem Gebeihen alle gewinnen ließ. Weiter 
galt es, die einheimifche Induſtrie zu fügen vor ber Er- 
drüdung dur die engliſche Konkurrenz, der fie nad Auf⸗ 
bebung ber Rontinentaliperre faft erlegen war, aber doch nicht 
in dem Maße, daß fie, fi völlig fiher wähnend, ben Antrieb 
verloren hätte, es jener gleich oder zuvorzuthun. Das war 
damals viel gewagt. Statt hohe Prohibitivzölle einzuführen, 
durch deren Kerabfegung beim Abſchluß von Handelsverträgen 
dem anderen Teil Zugeftändnifle abzugemwinnen waren, und fo 
kunftige Verfehrserleihterungen anzubahnen, wählte Maaßen 
glei niebrigere Zollfäge, in ber Zuverſicht, die Macht ber 
Verhältniffe werde die Nachbarn zu dem gleichen Verfahren 
nötigen, zumal hohe Schugzölle zur Beſchränkung ber Einfuhr 
und daher au der Einnahmen daraus zu führen brobten, 
währen bei fteigenber Einfuhr auch mäßige Zollſätze der Staats- 
taffe reiche Einnahmen verhießen. Verboten blieb nur die Ein- 
fuhr von Salz und Spielfarten. Die Rohſtoffe waren im 
allgemeinen zollfrei. Die Manufalturen traf ein Schutzzoll 
bis höchſtens zehn Prozent, während Kolonialwaren, bie über 
bie leicht kontrollierbare Seegrenze eingingen, einen Zoll bis 
zu zwanzig Prozent zu tragen hatten. 

Auch war Maaßen beftreht, die Erhebung ber Hölle zu 
vereinfachen, durch Verminderung ber dazu nötigen Beamten 
billiger zu machen und dem Handel unnötige Beläftigung zu 
exfparen. Daher erjegte er einmal die bisher geltenden nicht 
weniger als 67 verſchiedenen Tarife mit ihren 2776 Waren» 
Hafen durch einen einfachen überfihtlihen Tarif mit einigen 
wenigen Warenflaffen und berechnete den Zoll nicht nach dem 
Wert, fondern nah dem Gewicht. Das führte freilich zu 


144 . Zweited Bud. Der Bau des Einheitsftantes. 


Härten. Bei der Buntheit der deutſchen Landkarte machte von 
der Gefamteinfuhr Preußens die Durchfuhr nad ihm benad- 
barten oder von ihm enflavierten anderen Staaten einen bes 
trächtlichen Teil aus: etwa die Hälfte der über die eine Grenze 
kommenden Waren ging über die andere wieber hinaus. Diefen 
Durchgangsverkehr unverzollt zu laſſen, konnte theoretiſch billig 
erſcheinen, war in der Praxis jedoch unmöglich, weil der daraus 
entſtehende Schmuggel den Staat finanziell ſchwer geſchädigt 
haben würde. Deshalb wurde von jedem Zentner Durchfuhrs⸗ 
gut etwa ein halber Thaler Durchgangszoll erhoben. Das bes 
laftete freilich die Nachbarn Preußens ſchwer, gab aber dieſem 
Mittel an die Hand, fie mürbe zu machen, fo daß fie durch 
Konzeffionen ihrerfeits eine Erleichterung zu erfaufen fuchten. 

Am 1. September 1818 veröffentlicht, trat das Geſetz 
„über den Zoll und die Verbrauchsſteuern von ausländiſchen 
Waren und über den Verkehr zwifchen den Provinzen bes 
Staates” am 1. Januar 1819 in Kraft, ergänzt buch ein 
Geje vom 8. Februar, nach dem von inländischen Erzeugnifien 
nur noch Wein, Bier, Branntwein und Tabak eine von dem 
Produzenten an den Staat zu entrichtende Steuer trugen. 
Seine Wirkungen übertrafen die gehegten Erwartungen weit: 
die Zollerträge wuchſen ſchnell. Damit war nad) einer Seite 
hin der Boden frei gemacht für die Ordnung der Finanzen. 
Nach der anderen mußten dazu bie Staateſchulden reguliert, 
ihr Betrag genau feftgeftellt und bie Verzinfung und Tilgung 
geordnet werben. Ein Erlaß vom 17. Januar 1820 ſetzte dazu 
ihre Gefamtfumme auf 180 091 720 Thaler feft und beftimmte, 
daß, falls ber Staat zu feiner Erhaltung ober zur Förderung 
des allgemeinen Beften zur Aufnahme eines neuen Darlehens 
ſchreiten müffe, das nur mit Zuziehung und unter Mitgarantie 
der Tünftigen reicheftändifchen Verſammlung geſchehen dürfe 
(S. 77). Für diefe Schuld, ſoweit fie nicht Durch Spezial: 
hypothelen gefichert war, bürgte Das gefamte Vermögen bes 
Staates, insbefondere die Domänen, Forften und fälularifierten 
Kirhengüter, mit Ausſchluß jedoch derjenigen, die zur Aufs 
bringung von 2! Millionen Thalern für den Unterhalt der 
königlichen Familie, des königlichen Hofftantes und ber ſämt⸗ 


IV. Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerorbnung. 145 


lien prinzlichen Hofftaaten beftiimmt wurden. Das war flaate- 
rechtlich eine wichtige Neuerung. Während bisher für den Unter- 
halt des Töniglichen Hauſes aus ben Erträgen ber Domänen 
genommen werben konnte, fo viel gebraudt wurbe, galt dafür 
binfort ein beftimmter Sat, der im Verhältnis zu dem davon 
zu Leiftenden fehr befcheiden genannt werben durfte und das 
Töniglihe Haus aud für die Zukunft zu fparfamer Wirtſchaft 
nötigte. Daß dies freiwillig geſchah, erhöhte die moralifche 
Bedeutung des Schrittes. Ohne in die feinem autofratifchen 
Sinn gewiß befonders unerträglicde Abhängigkeit zu geraten, 
in ber bie Fürften fi in den Fonftitutionellen Staaten be- 
fanden, wo die Voltsvertretung die Zivilliſte zu bemilligen 
hatte, verzichtete der König doch darauf, größeren Aufwand 
aus dem bem Staate zugewiejenen übrigen Ertrag bes Domanial- 
vermögens beden zu Fünnen. 

Zur Verzinfung und Tilgung ber Staatsfuld wurden 
beftimmt ſämtliche Domänen» und Forftrevenuen, der Erlös 
aus ben gegen bares Geld verkauften Staatögütern und Ab- 
löfungen aller Art und die Salzrevenuen. Einem Wunſch des 
Staatsrates gemäß wurde dafür bie Hauptverwaltung ber 
Staatsihulden als bejondere, vom Finanzminifterium völlig 
unabhängige Behörde eingefegt. Rechenſchaft ſollte fie vor- 
läufig dem Staatsrate, kunftig den Reichsſtänden legen. Bu 
ihren fünf Mitgliedern zählte auch der ſchlicht bürgerliche 
Bankier Schidler, defien ſachkundiger kaufmänniſcher Beirat 
großen Nutzen ftiftete. Die neue Behörde bewährte fih dur» 
aus. Die vorfihtigen und geſchickten Operationen ihres Prä- 
fidenten Rother hoben troß gelegentlider Schwankungen ben 
tiefgefunfenen Krebit des Staates wieber: bereits 1825 ftanden 
die preußiſchen Staatsfhuldfcheine auf 90—91, 1829 erreichten 
fie den Pariftand. So blieb au die Verheimlihung ohne 
üble Folgen, deren die Regierung ſich im Anfang ſchuldig machte, 
indem fie über ben amtlich angegebenen Betrag hinaus zur 
Dedung ber dringendſten Bebürfniffe 60 Millionen Staatsfhulds 
feine zurüdbehtelt und damit, um ben Krebit nicht völlig zu 
ruinieren, bie Finanzlage weſentlich beſſer barftellte, als fie 
war. Aber auch ohne das war die Belaftung bes Dolkes ſehr 

Preuß, Preubiſche Geſchichte. IV. 


146 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates. 


ſchwer. Im Jahr 1822 famen bei einer Bevölkerung von 12 Mil» 
lionen von ber Staatsfhuld auf den Kopf 20 Thaler und 
25 Silbergrofgen. Unterftügt wurde Rother bei feinem er- 
folgreihen Wirken namentlich durch die ihm ebenfalls unter 
ftellte Seehandlung, feit ihrer Neuorganifation ein unabhängiges, 
aber ſtaatlich garantiertes Bankhaus, das bie Geldgeſchäfte des 
Staates bejorgte und feine Krebitoperationen unterflügte. Doch 
trieb fie ihrer urfprünglichen Beftimmung gemäß auch gewinn- 
reihen überfeeifhen Handel mit eigenen Schiffen. Gleichzeitig 
war auch die Bank, die Napoleons Räubereien völlig ruiniert 
hatten, vom Finanzminifterium gelöft: indem fie gegen jede 
Benutzung für die Staatsfinanzen dadurch gefihert war und 
binfort nur faufmännifche Gefchäfte trieb, arbeitete fie fih all» 
mählich wieder in die Höhe. 

Erſt nach folhen Vorbereitungen konnte man an die Ord- 
nung bes Staatshaushaltes gehen. Gleichzeitig mit der Schließung 
der Staatsfhuld (S. 144) am 17. Januar 1820 verfügte eine 
Rabinettsorbre, der Etat für 1820, den Hardenberg auf 
56 Millionen beftimmt hatte, was ein Defizit von I—12 Mil 
lionen bebeutete, dürfe die Summe von 50863150 Thalern 
nicht überfchreiten. Der Wirklichkeit freilich entſprach auch dieſe 
Zahl nit, da mit den für die Staatsfhuldenverwaltung jähr- 
lich nötigen 10 Millionen, den 2Ye ber Bivillifte und den zum 
voraus abgezogenen Sporteln und Erhebungsfoften, bie nicht 
in Rechnung geftelt waren, der Bedarf thatfählih 70 Millionen 
betrug. Alle drei Jahre follte der Etat neu aufgeftellt und 
veröffentlicht werden. Wie die zur Dedung des Bedarfs noch 
nötigen etwa 10 Millionen durch Steuern beſchafft werben follten, 
wurbe der Gegenftand heftigen Kampfes, in bem noch einmal 
bie ganze reformfeinblicde Gegnerſchaft des Staatskanzlers ſich 
dufammenfand. Unter Führung Ancillons verfocht fie im Staats: 
rat die Anfiht, der Staat müſſe feine Ausgaben unter allen 
Umftänden nad) feinen Einnahmen bemefien, alfo nie mehr 
audgeben, als er einnehme. Für den Haushalt eines Privat: 
mannes zutreffend, war biefes Prinzip unannehmbar für einen 
Staat, der im Hinblid auf feine Vergangenheit trog ber 
drüdenden Gegenwart für die Zukunft große Pläne hegen durfte 


IV. Die neue Zolls, Finanz: und Gteuerordnung. 147 


und dem feine Stellung daher Pflichten auferlegte, die er nicht 
ohne Schaden unerfült laſſen konnte. Von biefem Stand» 
punkt aus erflärte auch ber König nach erneuter Prüfung bes 
Staatshaushaltes weitere Abftrihe für unmöglich und hieß die 
ihm vorgelegten Steuergefege gut. Am 30. Mai abgejchloffen, 
wurben fie am 7. Auguft von ihm vollzogen. 

Sie waren das Werk des im Gebiete der Finanzwiſſen⸗ 
{haft und der Statiftif hochangefehenen Stantsrates 3. ©. Hoff- 
mann (1765—1847), einft des Nachfolgers von Kraus (Bd. III, 
©. 437) auf dem Königsberger Lehrftuhl. Die fon früher 
geforderte und aud in Ausficht geftellte Revifion der Grund: 
feuer in den einzelnen Provinzen unterblieb wegen ber bamit 
verbundenen Schwierigkeiten. Doch ſollte die Steuer nie mehr 
als ein Fünftel von dem Reinertrag bes verpflichteten Grund» 
ads betragen, anberenfalls jo weit herabgefegt werben. Neu 
eingeführt wurbe eine Klaffenfteuer, die vom fünfzehnten Jahre 
ab alle Einwohner zu zahlen Hatten, mit Ausnahme berjenigen 
der Mahl: und Schlachtfteuer zahlenden Städte, der im aktiven 
Militärbienft befindlichen und ber Empfänger von Almofen und 
Staatsunterflügungen. Sie flieg durch fünf Klaffen von 
monatlid) einem Groſchen in der unterften bis zu vier Thalern 
monatlich in der oberften. Weiter wurde den größeren Städten 
— im ganzen 132 — eine Mahl» und Schlachtſteuer auferlegt, 
erftere von allem zu vermablenden Getreide, letztere von allem 
geſchlachteten Vieh zu entrichten. Das dritte Geſetz führte eine 
Gewerbefteuer ein, für deren Bemeſſung die Städte insgefamt 
nad Wohlhabenheit und gewerblicher Betriebfamfeit in vier 
Gruppen unterfhieben wurden. Bei ihrer Verteilung folten 
die Verpflichteten in ber Weife mitwirken, daß bie Angehörigen 
der einzelnen Taufmännifchen und Gewerbebetriebe zu Gefell- 
ſchaften zufammentraten, und von diefen gewählte Abgeordnete 
die Einfhägung vornahmen. In Ausficht geftelt wurde endlich 
eine Stempelfteuer. 

Diejes Syftem von Gefegen bebeutete eine außerordentliche 
Anfpannung der Steuerfraft des Volles. Sie zu verfügen 
wurde dem König nicht leicht. Doch ließ fi eben ohne Ge⸗ 
fährbung höherer Stantszwede nicht weniger fordern. Beſonders 


148 Zweites Buch. Der Bau des Einheitsſtaates. 


belaftet wurde das Bürgertum, da ben Gemeinden zur Be- 
ftreitung ihrer eigenen VBebürfnifie erlaubt war, zur Klaſſen⸗ 
fteuer fowohl wie zur Mahle und Schlachtfteuer Zufchläge zu 
erheben. Trotzdem fah ſich der Staat auch jeßt noch zu größter 
Sparfamkeit genötigt. Doch wurde bald eine auffleigende 
wirtſchaftliche Entwidelung erkennbar, namentlich feit 1825 
v. Motz (S. 102) Klewig erfegte und nügliche Reformen ein- 
führte, zumeift in der Steuer- und Domänenverwaltung. Im 
Jahr 1828 ergab ber Staatshaushalt zum erfienmal einen 
Ueberſchuß von 44: Millionen. 

Damit wurden größere Aufwendungen für gemeinnügige 
Zwecke möglih, die fi wiederum reich lohnten. Das Poſt⸗ 
wejen gedieh unter Nagler zu ungeahnter Bedeutung. Neue 
Landftrafen vervielfältigten ben Verkehr. Auf Rhein und Oder 
begann die Dampfidiffahrt, der auch die Oftfeehäfen fichtliches 
Erbluhen verbankten. Die Bevölkerung nahm raſcher zu: 
1816-31 wuchs ihre Dichtigkeit auf die Duadratmeile um 
25 Prozent, von etwa 2000 auf 2520. Der Konſum ftieg 
entfprehend, und damit wuchſen die Zolleinnahmen und Steuer 
erträge. Die Gewerbe gediehen; für fie vorbereitende Schulen 
feigerten ihre Leiftungsfähigfeit. Schon machte fi die In» 
duftrie die Kraft des Dampfes dienftbar. Der Handel wurbe 
unternehmender und begann fi auf dem Meere heimifch zu 
maden. Ihm kam ber Schiffahrtsvertrag zu gute, ber 1824 
auf der Bafis der Gleichberechtigung mit England geſchloſſen 
wurde. Nah langen Verhandlungen, melde die Ohnmacht 
Preußens und die Hilflofigkeit des deutſchen Bundes draſtiſch 
iluftriert hatten, machte endlich die mit Holland gefchlofiene 
Rheinſchiffahrtsakte vom 31. März 1831 die Rheinſchiffahrt 
bis hinaus auf das Meer von ber chikandſen holändifchen Sperre 
frei und löſte damit nicht bloß ben preußifchen, fondern ben 
deutſchen Handel von einer Feſſel, die wirtſchaftlich ebenſo nach⸗ 
teilig wie politiſch unwurdig und national demutigend ge— 
weſen war. 

Der wirtſchaftliche Aufſchwung Preußens kam namentlich 
in dem Steigen des Geſamtwertes der verzollten Waren zum 
Ausdruck. Im Jahr 1828 berechnete man die Ausfuhr auf 


IV. Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerordnung. 149 


85, die Durchfuhr auf 104 und die Einfuhr auf 106 Millionen 
Thaler. Alfo hatten die Kaufleute der Londoner City bie 
epochemachende Bedeutung des Zollgefeges vom 26. Mai 1818 
richtig eingeſchätzt, als fie 1820 bei dem Unterhaufe eine ähn- 
liche Ordnung bes engliſchen Zollweſens erbaten. Der Deutiche 
freilich urteilte vielfach noch anders. Er eiferte gegen ben 
preußifchen Eigennug und beffen rüdfichtslofe Befriebigung auf 
Koften der Nahbarn. Während des Aachener Kongreſſes drang 
daher Metternich auf Die Abfchaffung der preußiſchen Zollorbnung, 
erreichte aber natürlich nichts. Zum Teil waren bie Klagen, 
die laut wurden, fachlich begründet. Nur war daran do 
eigentlich nicht Preußen ſchuld, fondern bie unglüdfelige Zer— 
riffenheit feines Gebietes, die auch ihm den von dem neuen 
Syftem gehofften Gewinn weſentlich fürzte. Hatte es doch mit 
nicht weniger ala 227 Duadratmeilen Entlaven und Exklaven 
zu rechnen. Die von ihm umſchloſſenen Heinftaatlihen Gebiets- 
teile, namentlich bie 41 Duadratmeilen ber thüringifchen Herzog⸗ 
tümer litten ſchwer unter dem hohen Durchfuhrzoll. Da bie 
verlangte freie Durchfuhr unmöglich zugeftanden werden fonnte, 
bot Preußen jenen Landftüden den Einfluß in fein Zollſyſtem 
unter Gewährung eines ihrer Einwohnerzahl entſprechenden 
Anteils an dem Ertrage feiner Grenzzölle. Doch blieben An- 
fang 1819 darüber in Berlin gehaltene Konferenzen noch ohne 
Ergebnis. Aber mit Schmwarzburg-Sondershaufen wurde — 
aus Scheu vor Defterreih nicht in Berlin, fondern im tiefften 
Geheimnis durch v. Mo (S. 102), damals Oberpräfidenten 
der Provinz Sachſen, weiter unterhanbelt, und am 25. Df- 
tober 1819 trat dasſelbe für einen Teil feines Gebietes dem 
preußifhen Zollſyſtem bei und partizipierte dafür an der Ge- 
famteinnahme nad) ber Ropfzahl der Bevölkerung der betreffenden 
Enklave. Diefer Verlauf war typifch für den Fortgang. Der 
Trieb der Selbfterhaltung nötigte von den erft fo zuverficht: 
lien Gegnern Preußens einen nad bem anderen zum An- 
ſchluß an dieſes, und fie ale befanden fi, nachdem ber erſte 
Unmut verraudht war, ſehr wohl dabei. 

Zunädft freilih war alles noch eitel Entrüftung. Die 
Ärenge preußifhe Grenzhut binderte den bisher fo lohnenden 


150 Zweites Bud. Der Bau des Einheitsſtaates. 


Schmuggel. Hier und ba witterte man zudem — fehr mit 
Unrecht — in Preußens Vorgehen etwas von dem gefährlichen 
Einheitöftreben. Auf den Wiener Konferenzen (S. 105) drang 
man nochmals auf Aufhebung einer Ordnung, die, wie man 
nun entbedt haben wollte, dem Artilel 19 der Bundesakte 
zuwiberlief (S. 142). Preußen beharrte auf feinem guten Recht, 
feine inneren Angelegenheiten ausſchließlich nach ſeinem Be: 
lieben zu orbnen. Auch befand es fih bei feinem Vorgehen 
entſchieden im Einklange mit dem Buge der Zeit. Schon 
wirkte der ehemalige Tübinger Profefior Friedrich Lift (1789 
bis 1846) agitatoriſch für eine deutſchnationale Wirtſchafts- 
politif, als deren Träger er freilich Turzfichtig den Bundestag 
in Ausfiht nahm, und in Wien legte der badiſche Staatsrat 
Nebenius den Plan vor zu einem allgemeinen beutichen Zoll⸗ 
ſyſtem, dem freilich die Ungleichheit der inneren Verbraude- 
feuern in ben deutſchen Staaten und bas Erfordernis ber 
Einftimmigfeit in Franffurt unüberwindlihe Hinderniſſe ent- 
gegenfegten. Was beide in dem richtigen Gefühl für das 
Wünfchenswerte, aber auf unfihere Theorien hin und ohne den 
gegebenen Verhältnifien gehörig Rechnung zu tragen, planten, 
war Preußen mit richtigem praftifchem Takt bereits auszuführen 
beſchäftigt. 

Seinen Gegnern blieb daher ſchließlich nichts übrig, als 
ſich der von ihm ſo erfolgreich angewandten Mittel auch ihrer⸗ 
ſeits zu bedienen. Nur mußte dazu, was dort über die aus— 
einandergehenden Wunſche der Provinzen hinweg die Staats: 
autorität einheitlich dekretierte, hier durch Verhandlungen von 
Staat zu Staat vereinbart werden. Daran fheiterten die Ber 
ratungen, bie im Herbft 1820 zwifchen ben thüringifchen Staaten, 
den beiden Heflen, Naffau, Bayern, Württemberg und Baben 
in Darmftadt geführt wurden — jehr nad dem Wunfche 
Metternichs, dem ein wirtſchaftlicher Zuſammenſchluß ber Fon 
fitutionellen ſuddeutſchen Staaten zum minbeften jo bedenklich 
erfchien, wie die Steigerung des Anfehens von Preußen. Denn 
biefes gewann mit feinem Bollfyftiem allmählich immer mehr 
Terrain, indem eine ganze Reihe von Aleinftaaten für ihre in 
ihm enflavierten Stüde demſelben beitraten, jo Bernburg, 


IV. Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerordnung. 151 


Rudolſtadt, Weimar, Lippe und Schwerin. Anhalt-Röthen 
freilich verfuchte einen anderen Weg. Beraten von dem öftere 
reichiſchen Generalfonful in Leipzig, dem Konvertiten Adam 
Müler, Gens’ Freund (S. 94), der fi) 1809 mit Hilfe Stäge: 
manns als Redakteur eines auf feinen Vorſchlag zu gründenden 
Negierungsblattes unter dem Titel „Preußiſche Chronik oder 
Preußiſche Hof: und Nationalzeitung” in Preußen eine Stellung 
zu ſchaffen verfucht hatte, führte ber Herzog durch ſtaatliche 
Begünftigung des Schmuggels einen erbitterten Zollfrieg gegen 
Preußen, deſſen golftätten an feinen Grenzen er als ein 
Attentat auf feine Souveränität anfah. Auf feine Klage gab 
ihm der Bundestag auch recht: gegen Preußen demgemäß vor= 
zugehen wagte er jebod nicht. Als aber biefes endlich uns 
barmberzig Ernſt machte und bie Elbe ſowohl beim Eintritt 
nad Anhalt-Röthen wie beim Austritt fperrte, gab auch er 
knirſchend nah und trat am 17. Juli 1828 dem preußischen 
Zollſyſtem bei. 

Inzwiſchen hatten am 18. Januar 1828 Bayern und 
Württemberg einen ähnlichen ZoMbund geſchloſſen, dem auch 
bie beiden hohenzollernſchen Fürftentümer beitraten. So zwiſchen 
zwei Zollvereine geftelt, geriet Heflen-Darmftadt in harte 
Bedrängnis. In diefer warb es bei Preußen um einen Handels⸗ 
vertrag. Dagegen erhob Maaßen ſchwere Bedenken. Ein An- 
ſchluß Darmftadts bradte die Zollgrenze, die für Preußen 
glüdlih auf 1073 Meilen reduziert war, wieder auf 1108, 
vergrößerte aber das Hollgebiet nur um 152 Duabratmeilen. 
So fand eine Verminderung der Einnahmen zu befürdten. 
Im Gegenjag dazu wies ber Direltor im auswärtigen Mini 
ſterium, Eichhorn, nachdrüdlich auf den politifchen Gewinn hin, 
den bie Verbindung mit Sübbeutfhland und namentlich die 
Feſtſetzung in dem wichtigen Mainz in Ausſicht flellte. Diele 
Erwägungen trugen den Sieg davon. Nicht den erbetenen 
Handelsvertrag gewährte Preußen Hefien-Darmftadt, fondern 
bot ihm ben Eintritt an in feinen Zollverein, und zwar unter 
Annahme des preußiſchen Zollfyftems, mit Beibehaltung jedoch 
der eigenen Hollverwaltung und Gewährung gleichberechtigter 
Anteilnahme bei etwaigen Aenderungen bes Zollgefeges von 


152 Zweites Buch. Der Bau bes Einheitsſtaates. 


1818. Daraufhin wurde am 14. Februar 1828 auf ſechs Jahre 
abgeſchloſſen. 

Dieſer Erfolg Preußens ſteigerte den Eifer ſeiner Gegner. 
Beſorgt um feine Ausfuhr, die ſich bei dem Erblühen feines 
Fabrikweſens unter dem Schuge feiner bisherigen Handelsfrei« 
beit glänzend entwidelt hatte, trat Sachſen im Herbft 1828 
mit Nurheffen, Hannover, den thüringifchen Staaten, Bremen 
und Frankfurt zu einem mitteldeutſchen Handelsverein zufammen, 
deſſen Glieder fid verpflichteten, bis Ende 1834 feinem anderen 
Bollverein anzugehören. Doch leiftete ber Handelsverein das 
Gehoffte nicht. Es fehlte ihm nicht bloß an dem nötigen Gelbe, 
um bie zur Umgehung Preußens nötigen neuen Straßen zu 
bauen, fondern infolge der auseinandergehenden Intereſſen der 
Teilnehmer auch an Einigkeit. Das meifte aber, um ihn um 
den Erfolg zu bringen, that die geſchidte Gegenwirkung Preußens. 
Dur einen überraſchenden Schachzug fnüpfte dieſes nämlich 
einerfeit mit dem württembergiſch-bayriſchen Zollverein an, 
von deſſen Ohnmacht man fi in Stuttgart und Münden au) 
bereits überzeugt hatte. Den geheimen Vermittler machte der 
Buchhändler Cotta bei einem Beſuche in Berlin 1828. Das 
Ergebnis war der Vertrag vom 27. Mai 1829, durch den ber 
preußiſch⸗darmſtädtiſche und der württembergiſch-bayriſche Zoll⸗ 
verein ſich gegenſeitig verpflichteten, bis 1841 alle Zölle auf 
Erzeugniſſe der Natur, des Gewerbefleißes und der Kunſt auf⸗ 
zuheben, einander gleich jetzt für gewiſſe Artikel gZollermäßigung 
zu gewähren und ihre Zollſyſteme einander möglichſt anzunähern. 
Zur Weiterführung der Zolleinigung follten jährlih Zoll: 
konferenzen Rattfinden, Sollverträge mit Nachbarſtaaten aber 
nur gemeinfam geſchloſſen werben. Den direkten Verkehr zwifchen 
den beiden Sollgebieten zu ermöglichen, ſetzte Preußen Mei- 
ningen und Gotha finanziell in den Stand, eine große Straße 
zu bauen, die, ohne das Gebiet des mitteldeutſchen Handels» 
vereins zu berühren, Hamburg mit Nürnberg verband und ben 
bisher über Frankfurt und Kaſſel geleiteten ſüd-norddeutſchen 
Verkehr aufnahm. Der Handelsverein war damit thatfählih 
bereits gejprengt. Als 1829 die Zeit ablief, für die er zumächit 
geſchloſſen war, verweigerten Meiningen und Gotha die Er- 


IV. Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerordnung. 153 


neuerung. Weimar tatifizierte fie nur unter Vorbehalt, und 
ſelbſt Sachſen, Naffau und Frankfurt machten Schwierigkeiten. 
Während num Hannover und Kurhefien mit Oldenburg und 
Braunfchweig einen neuen Bollverband vorbereiteten, brachte die 
Erſchutterung auch ber beutfchen Staaten buch die Julie 
revolution 1830 ihr Projekt gleich wieder zu Fall. Der Sieg 
der liberalen Sache in Kurheſſen hatte deſſen bisher bloß durch 
des Nurfürften Laune verhinderten Anflug an den preußiſch⸗ 
darmſtädtiſchen Zollverein zur Folge (25. Auguft 1831). Er 
gewährte Preußen endlich die volle wirtſchaftliche Verbindung 
feiner alten Provinzen mit den Rheinlanden. 

Die Erweiterung feines Syftems auf ganz Deutſchland 
war nur noch eine Frage ber eit: es konnte hinfort abwarten 
und fi ummerben laſſen. Daher blieben die Verhandlungen, 
die auf Antrag Bayerns und Württembergs über den Anſchluß 
bes fübdeutfchen Vereins begonnen wurben, vorläufig erfolg: 
108, weniger wegen ber ſachlichen Schwierigkeiten, welche bie 
Ungleichheit der Verbrauchsſteuern in den einzelnen Staaten 
veranlaßte, als weil Preußen den ſuddeutſchen Königreichen 
doch unmöglich ben verlangten Anteil an ber Leitung bes Ver- 
bandea einräumen konnte und namentlich kein gleichherechtigtes 
Mitwirken bei dem Abſchluß von Handelsverträgen. Schließlich 
gaben dieſe den anfangs erhobenen Anſpruch denn auch auf. 
Wieder aufgenommen, führten die Verhandlungen am 
22. März 1833 zu einem Vertrage, nad bem Bayern und 
Württemberg vom 1. Januar 1834 ab zunächſt auf acht Jahre 
dem preußiſchen Hollverein beitraten. Wenige Tage fpäter, 
am 30. März, kam die Einigung aud mit Sachſen zu ſtande, 
das bereit im Auguft 1830 vergeblich den Anſchluß nachgeſucht 
hatte. Der hohe Stand der ſächſiſchen Induftrie und das Ver- 
langen nad) deren befonberer Berüdfihtigung, ſowie die Sorge 
vor ſchwerer finanzieller Schädigung durch den Schmuggel an 
der böhmifchen Grenze ſprachen in Berlin entſchieden dagegen. 
Nun warben aud ſchon bie thüringifhen Staaten um Auf» 
nahme. Mit ihnen einzeln zu verhandeln, lehnte Preußen ab: 
erſt wenn fie fi) untereinander geeinigt hätten, fei ein Ver- 
trag mit ihrer Gefamtheit möglid. So bildeten fie am 


154 Zweites Bug. Der Bau bes Einheitöftantes. 


10. Mai 1833 einen thüringiihen Zoll: und Gandelaverein, 
der am 11. Mai dem Verbande der mit Preußen bereits ge- 
einten Staaten beitrat. Damit wurde diefer nun ein deutſcher 
Zollverein. Am 1. Januar 1834 fielen bemgemäß bie Boll- 
ſchranken, und ber Handelsverkehr hatte freie Bahn durch ganz 
Deutſchland. Auch der Steuerverein, zu dem am 1. Mai 1834 
Hannover fi mit Braunſchweig, Oldenburg und Büdeburg 
verband, beruhte im wefentlichen auf den gleichen Grundfägen 
wie der Zollverein und hielt mit diefem freundnachbarlich zu⸗ 
fammen. Der Zollverein jelbft wuchs 1835 um Baden und 
Naflau, 1836 um Frankfurt. 

Das Werk, das Motz begonnen und nad feinem Tobe 
fein Nachfolger Maaßen mit Unterflügung namentlih Eich 
borns (S. 151) und des Geheimrats L. Kühne weitergeführt 
hatte, übertraf in feinen Wirkungen auf die wirtſchaftliche 
Entwidelung Deutſchlands die Erwartungen feiner Urheber. In 
den nädften zehn Jahren wuchs die Ein- und Ausfuhr bes 
Zollvereina um nicht weniger als etwa 136, die gemeinfamen 
Einnahmen daraus um 9 Millionen Thaler, von 12 auf 21. 
Das brachte die Oppofition, die anfangs namentlih in den 
fübbeutf hen Kammern ſchon aus Antipathie gegen Preußen 
heftig geweſen war, bald zum Schweigen. In Preußen ba- 
gegen fehlte es nicht an Stimmen, welche die Benachteiligung 
Preußens durch die allzu felbftlofe Art der Abrechnung beflagten 
und dem Bollverein deshalb eine andere Drganifation gegeben 
zu fehen wünſchten. Doch drangen fie damit nicht durch. 
Andererjeits mar bort die Zahl auch derjenigen noch gering, 
welche die politifche Tragweite des Zollvereins richtig erfaßten. 
Sicherlich Hatte Preußen dabei nichts ferner gelegen als bie 
Abfiht, einen Schritt vorwärts zu thun in der Richtung auf 
die nationale Einigung Deutſchlands unter feiner Führung. 
Ya, es hatte auch nicht durch die Beſſerung ihrer wirtfchaft- 
lien Lage bie ihm im Zollweſen angeſchloſſenen Staaten 
fi gewiſſermaßen moralifc verbinden wollen. Vielmehr war 
es urſprünglich nur auf feinen eigenen Vorteil bedacht geweſen. 
Wie fehr aber dieſer mit dem ber übrigen deutſchen Staaten 
aufammenfiel, wurde ihm erft in ber Ausführung recht Mar. 


IV. Die neue Zoll:, Finanz: und Steuerordnung. 155 


Andererfeits ftieg feine Geltung bei den übrigen deutſchen 
Staaten, weil biefe fi) überzeugen mußten, daß doch eigentlich 
allein Preußen den Gejamtvorteil Deutſchlands recht wirkjam 
zu fördern im ftande fei. 

Weiter fahen und dachten nur wenige bevorzugte Geifter. 
Mot hatte das von Anfang an gethan. Bereits im Juni 1829 
batte er in einer Denkfchrift dargelegt, daß die kommerzielle 
Einheit der zum Zollverein zufammengetretenen beutfchen Staaten 
notwendig zu einer Ausgleihung und fehließlih zur Einheit 
des politifhen Syſtems führen müfje, daß die Verbindung 
Preußens namentlich mit ben ſuddeutſchen Staaten die mili- 
täriſche Sicherheit des deutſchen Sübens vollenden und ben 
Gegenſatz zwiſchen Süb und Nord bejeitigen werde, und daß 
fo erft ein in Wahrheit verbürgtes, im Innern und nad außen 
feftes und freies Deutſchland unter dem Schirm und Schug 
Preußens entftehen könne, 


Prittes Bud. 


An der Wende der Zeiten. 
1834—1847. 


I. Reaktivnäres Sfillleben. 18301840. 


Tr äußeren Behagens unerquidlichere und innerlich un- 
gefundere Zeiten hat der preußiſche Staat kaum durchlebt als 
das legte Jahrzehnt der langen, an Ereigniffen und Wechſel⸗ 
fällen reichen Regierung Friedrich Wilhelms III. Der fieberhaften 
Erregung des Freiheitsfampfes mit ihrer Ueberfpannung aller 
Kräfte war bei ber Mehrheit naturgemäß eine zuweilen an 
Apathie ftreifende Erſchlaffung gefolgt, gepaart mit leichtlebiger 
Genußſucht. Die ernfter Denkenden und weiter Strebenden 
mußten fi überzeugen, daß auf eine Erfüllung ber während 
der Erhebung gehegten Hoffnungen in abfehbarer Zeit nicht ge— 
rechnet werben durfte. Ein erbitterndes Gefühl der Enttäuſchung 
laftete auf dem Denken und Fühlen der Beten, zerriß und 
lähmte ihre Kräfte entweder oder forderte fie zum Ankämpfen 
gegen die beftehende Orbnung heraus. 

Was wußte die neue Generation noch von dem thatſäch— 
lihen Verlauf der Erhebung von 1813? Nur fehattenhaft 
und verblaßt jah fie durch einen ſich immer mehr verbichtenden 
Schleier Umriffe und Farben. Bon ben Männern, die damals 
kuhn handelnd vorangegangen, war Feiner mehr unter ben 
Lebenden. Zurüdgefegt, verfannt, verbittert waren die einen 
dahingegangen: ſchweigend hatten fie zufehen müſſen, wie die 


I. Reattionäres Stillleben. 157 


Geſchichte faſt planmäßig umgedichtet und durch eine tendenziös 
zurechtgemachte dynaſtiſche und politiſche Legende erfegt wurde 
— York (4. Oktober 1830), Niebuhr (2. Januar 1831), 
Stein (29. Juni 1831) und Gneifenau (31. Auguft 1831). 
Andere, wie ja zulegt auch Niebuhr, Stägemann und andere, 
hatten enttäufcht ober vefigniert ihre Ideale aufgegeben oder 
begraben und fih dem Zwange der nun einmal gegebenen 
Lage gefügt. Nur Schön waltete in unvermäftliher Jugend» 
lipleit und vol idealen Feuereifers noch feines Amtes als 
Oberprãſident der wieber vereinigten Provinz Preußen (S. 85), 
nit ohne einen gewiſſen Unmut barüber, daß trog ber 
Armut biefes Epigonenzeitalters an ftaatsmännifchen Ta— 
Ienten zu ber erfehnten wirklich leitenden Stelle aufzufteigen 
ihm doch verfagt blieb, um fo mehr fi fonnend in ber 
Erinnerung an bie von ihm handelnd mit durchlebte große 
Zeit und babei in wachſender Vereinfamung leicht geneigt, 
feinen Anteil daran zu überfhägen und in naiver Selbft- 
täufhung auf Koften anderer zu vergrößern. 

Wie einft Gneifenau es ruhig hatte geſchehen laffen, daß 
Schill zum Helden der Verteidigung von Kolberg gemacht 
wurde, und Scharnhorft den Ruhm des Tages von Preußiich- 
Eylau (Bd. II, S. 413) dem völlig unbeteiligten Leftocq ge 
gönnt hatte, fo waren die Helden des Freiheitslampfes, völlig 
der großen Sache Hingegeben, am menigften darauf bedacht 
geweſen, ihr perſönliches Verbienft vor Mit: und Nachwelt 
in das rechte Licht zu fegen. Selbfilos ließen fie dem 
Könige, der doch nur widerſtrebend und zweifelnd mitgegangen 
war, den ihm binterher offizids und offiziell angedichteten 
Ruhm, er fei ala begeifterter und begeifternder Führer in 
ber Richtung auf das von ihm gemwiefene Ziel vorangegangen 
und habe Heer und Volk zu tobesmutiger Erhebung gegen 
das frembe Joch mit ſich fortgerifien. Sollte Friedrich Wil- 
helm fi nicht zuweilen bewußt geworben fein, daß man 
ihn da mit Lorbeeren jhmüdte, die er in diefem Sinne jeden- 
falls nicht verdiente? Sollte in dem fheuen, ungelenten Wefen, 
das ihm troß feiner Volkabeliebtheit auch im Alter eigen blieb, 
nicht auch ein gewifjes daraus entiprungenes Unbehagen zum 


158 Dritte Bud. An der Wende ber Zeiten. 


Ausdrud gefommen fein? Wurzelte doch ein guter Teil ber 
Verehrung, deren er troß feiner bespotifchen Härte und troß 
feiner Unzugänglichfeit für bie Regungen ber heraufbämmernden 
neuen Zeit bei feinem Volke genoß, eben in biefer falfchen 
Vorſtellung von feinem Anteil an den großen Tagen bes 
Jahres 1813. Angefihts feiner gewinnenden, ſchlicht bürger- 
lichen, einfachen Art und feiner im Meinen fo augenfälligen, 
ehrlich beſchränkten Pflichttreue erlegte dem gegenüber eine 
begreiflicde Pietät denen Schweigen auf, die den wahren Sadjs 
verhalt kannten, zumal ber ſich einniftenden Legende mit wirk⸗ 
famen Waffen entgegenzutreten bamals nod nicht möglich war. 
An der richtigen Einfiht aber hat es doch nicht überall gefehlt. 
Ein Barnhagen (Tagebücher Bd. I, S. 61) war ſich ganz Mar 
darüber, daß bie Herftellung 1813 nur gefchehen fei, weil ber 
König nit einwirkte, ſondern überwunden und befeitigt war, 
überwunden durch die Franzofen, befeitigt durch York, Harbens 
berg, Scharnhorft, Blucher, und meinte, Preußen fei damals 
ein Gemeinmwefen geweſen ohne König, doch fei deſſen Namen 
geehrt und benugt worden. Und aud darin wird man dem 
trotz aller perfönlihen Verſtimmung fharfblidenden und ein- 
fihtigen Beobachter recht geben müfjen, wenn er urteilt: „Nach 
dem Siege ift der König wieder bervorgetreten, unb feitbem 
iſt auch alles wieder negativ in Preußen, und wenn gleihwohl 
fortwährend die größten Entwidelungen vorgehen und gedeihen, 
fo geſchieht es in Bahnen, wo die Hemmung nod) nicht hat ein: 
bringen können.” Dabei ift es vom völkerpſychologiſchen Stand» 
punkte aus interefiant, zu beobachten, wie in bemfelben Maße 
wie jenes unhiftorifhe Bild der Erhebung von 1813 die Herr- 
ſchaft gewann, die an den Greignifien gar nicht mehr beteiligte 
Königin Luiſe als bie eigentliche geiftige und fittliche Urheberin, 
als die ideelle Trägerin des von ihrem Gemahl angeblich Ge: 
thanen mit immer lichterem Glorienfheine umgeben wurde. 
Wie die Völker auch ſelbſtverſchuldetes Unheil einem als bem 
allein ober body vorzugsmweife dafür Verantwortlichen zuzu: 
ſchreiben pflegen, fo wurde hier eine nationale Großthat faft 
gewaltfam mit ber verbliddenen Königin in Verbindung ges 
bracht, bie, ohne eigentlich ſtaatliche Verbienfte, doch durch den 


1. Reaftionäres Stillleben. 159 


Zauber ihrer Perfönlicfeit und den verflärenden Glanz bes 
mit würbiger Faffung getragenen Unglüds und eines biefem 
ſchuldgegebenen frühen Tobes dem Herzen des Volkes jo un- 
endlich viel näher geftanden hatte und mehr gewefen war als 
ihr Gemahl, dem ſolche Gefühle erwedende Eigenſchaften ab- 
gingen. 

Politiſch wurde diefe Verfennung des geſchichtlichen Ver: 
laufs der größten Krifis, die Preußen und bie Hohenzollern bis- 
ber durchgemacht, infofern wichtig, ala von ihr aus dem höchſt 
ſchãätzbaren Privatharafter des Königs warme Anerkennung 
entgegengebradjt wurde und dieſer dadurch auf das Staata- 
ganze einen ſegensreichen Einfluß ausüben konnte. Dem ent⸗ 
fprang ein größerer Glaube an die volfsfreundlihen Abſichten 
des Königs, als fachlich gerechtfertigt war: er half weiten 
Kreiſen über anfangs ſchmerzlich empfundene Enttäuſchungen 
hinweg und ließ die Hoffnung auf künftigen Wandel zum 
Befleren nicht ganz erfterben. Politiſch tiefer angelegte und 
weiter blidende Männer freilih empfanden ſchmerzlich ben 
Gegenſatz zwifchen dem in großer Zeit erhofften und dem that- 
fächlih eingetretenen Zuftande. Während man im allgemeinen 
Ruhe erfehnte, Ruhe nach außen und im Innern, um fi un= 
geftört dem glücklich begonnenen wirtfhaftlihen Neubau bes 
ſtaatlichen fo gut wie des privaten Dafeins widmen zu können 
und befien Früchte behaglich zu genießen, litten dieje um jo 
mehr unter dem Gefühl der Enttäuſchung, als fie fih außer 
ſtande fahen, die erfehnte Beſſerung herbeizuführen. Des Königs 
zweiter Sohn, Prinz Wilhelm, der, durchdrungen von feiner 
politifhen und nationalen Bedeutung, dem militärifhen Beruf 
mit begeiflerter Pflichttreue Iebte, ftand keineswegs allein, wenn 
er (1824) einem Vertrauten gegenüber bie unmutige Yeußerung 
that: „Hätte bie Nation Anno 1813 gewußt, daß nah elf 
Jahren von einer damals zu erlangenden und wirklich erreichten 
Stufe bes Glanzes, Ruhmes und Anfehens nichts als die Er: 
innerung und feine Realität übrig bleiben würde: wer hätte 
damals wohl alles aufgeopfert ſolchen Refultates halber?“ 
Traf das Wort aud) zunächſt Preußens Stellung in Deutfch- 
land und Europa, fo galt e8 doch nicht minder von feinen inneren 


160 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten. 


Verhältnifien. Trogdem hatte die Julirevolution, bie felbft in 
Norddeutſchland hier und da die politifhen Wogen höher gehen 
ließ, Preußen nur oberflächlich berührt. Doc traute bie herr: 
ſchende Partei dem Minifter bes Innern, v. Schudmann, nicht 
die Thatkraft zu, die Ruhe unter allen Umftänden aufrecht zu 
erhalten, und nahm ihm deshalb mit einigen anderen Reſſorts 
namentlich bie eigentlie Polizei ab, die als Minifter des 
Innern und der Polizei der Regierungspräfident v. Brenn er- 
hielt, fo daß jener auf die Handels- und Gewerbeangelegen: 
heiten befchränft wurde. Aber ſelbſt die Beforgnifie erwieſen 
fih als unbegründet, die hier und da wegen ber Nheinprovinz 
laut wurden. Ein [nel unterbrüdter Arbeiterfrawall in Aachen, 
den ähnliche Vorgänge in dem benachbarten Verviers veran- 
laßten, entbehrte politifcher Bedeutung. Sole konnten jelbft 
ſchwarz zu fehen Geneigte auch den Zufammenrottungen nament= 
lich von Schneidergefellen nicht beimeffen, die etliche Abende 
in Berlin um das Schloß ftattfanden, obgleih das Militär 
verhöhnt und hier und da angegriffen wurbe, fo baß gewaffnetes 
Einfhreiten nötig wurde. „Es find eine ganze Mafle Menſchen 
arretiert,“ meldete (19. September) General v. Rochow dem 
beforgten Nagler: „eine Partie wird heute auf der Polizei 
ausgepeitſcht.“ Freilich hätten die Vorkämpfer ber Reaktion 
dieſe Gelegenheit gern benußt, um gewaltſam durchgreifend 
allgemeine Repreffivmaßregeln zu verhängen. Namentlich der 
die Truppen befehligende Herzog Karl von Medlenburg war 
darauf aus: ber mäßigende Einfluß des ruhigen v. Witzleben 
aber, ber wachſam während der Unruhen nicht von bes 
Königs Seite wich, ließ es nicht dazu kommen. Um fo mehr 
gab man von jener Seite bem Chef des Militärkabinetts liberale 
Neigungen ſchuld. Er follte um die Gunft des Volkes buhlen 
und Wilhelm v. Humboldt den Schwarzen Ablerorden und Sitz 
und Stimme im Staatsrat ausgewirkt haben, deſſen Bruber 
Alerander jene Kreife ala Vertreter liberaler Ideen befonders 
haßten und als die „encyklopäbifche Rage“ verfpotteten. Aber 
ſelbſt der leicht erregbare Kronprinz belachte jene September» 
tumulte: wie eine Reboute waren fie ihm vorgelommen und 
hätten nad) feiner Meinung mit einer Rute oder Peitſche bes 


I. Reattionäres Stillleben. 161 


ruhigt werben können. Auch er fah nichts von dem „gräßlichen 
ſchwarzen Genius“, der nad) General v. Rohom „feine Fittihe 
über Europa ausbreitete”. 

Aber mit fo ſchweren Sorgen ſich jene Herren auf der 
einen Seite trugen, von fo ungeftlümer Kampfluft waren fie 
auf der anderen erfüllt. Während fie den beiten Schug vor 
dem deutſchen Liberalismus in 180 000 Auffen an der Grenze 
fahen, jubelten fie dem momentan brohenden Krieg mit Frank⸗ 
reich als einem Kreuzzuge für die Legitimität entgegen und 
machten mit den königlichen Prinzen beim Champagner bem 
orleansſchen Königtum und feinen belgifhen Schäglingen groß: 
fprecherifch den Garaus. Und doch fahen fie dem Kriege nicht 
ohne geheime Befürchtungen entgegen. Der Zuſtand der rhei- 
niſchen Feftungen war nicht volllommen. Den rheinischen Regi—⸗ 
mentern trauten fie nit. Von ben deutſchen Liberalen er- 
warteten fie Uebles: nicht allein auf Frankreich müfle man 
aufmerffam fein, fondern auf alles, was liberal heiße. Und 
doc blidten die Herren mit Beratung auf das Bürgertum 
herab. Was biefes 1813 geleiftet, hatten fie längſt vergeſſen 
ober fie baten darüber wie Schmalz (S. 79). Sie verhöhnten 
&, als die Kriegsgefahr einen Kursſturz bewirkte: paniſcher 
Schrecken babe die Börfe in einen Kirchhof verwandelt. In 
ſeichten Witzen ergingen fie fih über die herrſchende „Ge: 
finnungscholera”. Wie erleichtert aber atmeten fie dann auf, 
als die Kriegsgefahr ſchwand, und nur die ehrlichen Fanatiker 
unter ihnen fahen in dem Verzicht auf gewaffnetes Einfchreiten 
einen Abfall von den für Preußen maßgebenden politiſchen 
Prinzipien und beflagten den Leichtfinn und die Genußſucht 
ihrer Standesgenoſſen, die im Jubel über das Wieberauftreten 
der Tänzerin Taglioni alsbald ale Sorgen vergafen. Als 
europäiſche Macht zu handeln, fo tröftete man fi in dieſen 
Kreifen, ſei Preußen ja leider nicht im ſtande, weil es — bie 
Landwehr habe! Diefe galt ihnen für ein größeres Uebel als 
eine Konftitution, weil man mit ihr nur einen Volks⸗, einen 
Meinungskrieg führen könne, — das heißt nicht einen Kabinetts- 
krieg aus nur dynaſtiſchen Gründen. 


Daß es in Wahrheit der Ausbruch bes polnifden Auf 
Brus, Preußilße Geitiäte. IV. 


162 Drittes Buch. An der Wende der Zeiten. 


ftandes und die dadurch veranlaßte anderweitige Beihäftigung 
des verbündeten Rußland war, was den Krieg im Weften ab: 
wandte, traf die Herren um fo. fehmerzlicher, als fie damit 
auch das als den Hort ber beftehenden Ordnung betrachtete 
Zarenreich von der Revolution unterwühlt fahen. Daß Preußen 
ihm wenigftens mittelbar zur Nieberwerfung des Aufftandes 
belfe (S. 113), war ihnen — zumal ber Zar den an der Grenze 
ftehenden Truppen eine Soldzulage zahlte — nur recht, weniger 
wohl bie völferrechtlich peinlich korrekte und menſchenfreundliche 
Behandlung, die es ben in fein Gebiet übergetretenen Polen 
gewährte, indem es fie, foweit fie Feine Gnabe zu erwarten 
hatten, nicht an Rußland auslieferte, fondern nad Amerika 
und Frankreich überführte. Auch das ſchließliche Erliegen des 
Rarliftenaufftandes in Spanien empfand die preußifche Reaktion 
als eine Enttäuſchung. 

Leidenſchaftlich war daher die Entrüftung diejer Kreife, 
als Preußen infolge der Loderung feiner Freundſchaft mit 
Rußland und ber Verſchärfung feines Gegenfages zu Oeſterreich 
ſich zu Louis Philipp beſſer ftellte und der Hof gar 1835 
ben Befuch ber beiden orleansſchen Prinzen empfing, die nicht 
bloß freundlich aufgenommen wurden, fondern durch ihre an= 
genehme Perjönlichkeit, ausgezeichnete Erziehung, Verftand und 
Takt allgemeine Sympathien gewannen. Der König jelbft 
unterftügte in der Folge die Werbung des franzöſiſchen 
Thronerben um Helene von Medlenburg. Das konnten die 
Leute nicht verwinden, die noch unlängft im Kriege gegen 
Frankreich Lorbeeren zu gewinnen gehofft und von einem neuen 
Einzug in Paris geträumt hatten. Namentlich Herzog Karl 
von Medienburg geriet darüber in „eine fo merkwürdige, un 
verfländige Wut“, daß er, wie ein Berichterftatter ſich derb aus- 
drüdt, „bald zum Teufel gefahren wäre“, und benahm fi dem 
König gegenüber „unter aller Kritik“. Ja, felbft defien Söhne 
Wilhelm und Karl begegneten ber Prinzeſſin, als fie auf der 
Neife nad Frankreih in Berlin weilte, mit demonftrativer 
Schroffheit. 

Im übrigen aber behauptete die reaktionäre Partei die 
Herrſchaft. Obgleich im Grunde ein beſchränkter Kopf und 


I. Realtionäres Stillleben. 163 


vol prinzlier und militärifher Hoffahrt, dabei Heinlich ehr- 
geizig und nicht one Bosheit, ftand ihr Führer, Herzog Karl 
von Medlenburg, am Hofe und im Heere do in hohem An: 
ſehen. Dazu halfen ihm auch feine von Schmeichlern über: 
trieben gepriefenen gejelligen Talente — er war ein gewandter 
Verſemacher und Schaufpieler. Um ihn fammelte fid feit ger 
ſchloſſen ein Kreis gleihgefinnter Hoher Militärs und Hof- und 
Staatsbeamten mit Rußland und Defterreih als Schutzmächten 
binter fih. Im Intereſſe des letzteren hatte bereits 1824 
General Steigentefh an einem Mann wie Savigny Anftoß ge- 
nommen, weil „ihm das Gejeg alles war“. Weil er einmal 
gemeint hatte, die Völfer müßten zuweilen aufgerüttelt werben, 
um ihre Kraft zu üben, galt der geniale Jurift für einen ver: 
kappten Revolutionär und fein Einfluß auf den Kronprinzen 
für gefährlih. Männern wie Gneifenau, Grolmann, Kraufened 
und anderen fprad General Diebitfh, der 1830 wegen ber 
belgif den Sade in Berlin unterhandelte, royaliſtiſche Gefin- 
nung ab. 

Das Ohr des Königs befaken denn auch neben dem mäch— 
tigen Wittgenftein, dem Hausminifter und Vertrauten Metter- 
nis, ber alte gallige Tauengien, die Generale v. Müffling, 
der, ein tüdhtiger Offizier und verdient um die Entwidelung 
bes Generaljtabes, doch als Politiker das Lob Ernft Augufts 
verfünbigte, und v. Rochow, deſſen Bruder ©. A. v. Room 
jeit 1834 dem Minifterium bes Innern und der Polizei (S. 160) 
vorſtand und der bei aller Straffheit doch bemüht war, un: 
nötige Härten zu vermeiden. Zu ihnen gejellte fi als der 
politiſch zwar unbebeutendften, dafür aber betriebfamften einer 
Ancilon, der „Hofpfaffe und Hofſchranze“, wie ihn Scharn- 
horſt genannt, ber in Vollendung einer für einen ehemaligen 
Prediger feit Wöllners Zeiten (Bd. III, ©. 258) in Preußen 
beifpiellofen Laufbahn 1832 nad) dem Tode Bernſtorffs Minifter 
bes Auswärtigen geworden war. Auch als folder geſchmeidig 
unb leifetretenb, paftoral wortreich und ein Meifter in ber Kunft, 
feine Anſichten denen ber Mächtigen anzupafien, erftarb er in 
Verehrung für Metternich und erbat es ſich von ihm als be— 
fondere Gunft, das Protokoll der Wiener Konferenzen von 1834, 


164 Dritte Bud. An ber Wende ber Zeiten. 


das die Geltung der Karlabader Beſchlüſſe verlängerte und 
diefelben zum Teil verfchärfte, unterzeichnen zu dürfen, ob: 
glei er der Schlußfigung nicht beigewohnt hatte — er, ber 
durch fein Hamäleonhaftes Schillern in allen Farben Hier und 
da ben Glauben erwedt hatte, er, ber einen Hauptanteil hatte 
an ber Einführung der Provinzialftände von 1823 (S. 137), 
werde Preußen zu Eonftitutionellem Leben hinüberleiten. Obs 
gleich fie ihn in der Stille für praktiſch unbrauchbar erklärten, 
ließen die Reaktionäre den bürgerlihen Minifter ſich doch ge- 
fallen, weil er, was fie bie Wahrheit nannten, vertrug und mit 
" Wittgenftein gut ftand. Aber während ber König Ancillon bei 
feinem Tode 1837 als unerfeglich beflagte, hatte bie Partei, 
der er fo befliffen gedient, alsbald fein anderes Intereſſe, als 
daß ja ein Adliger an feine Stelle trete. Weberhaupt kenn⸗ 
zeichnet Talentlofigkeit das höhere preußiihe Beamtentum jener 
Zeit, wo 1835 an die Stelle eines v. Mog und Maaßen ein 
Alvensleben (geb. 1794, geft. 1858) trat, ber zwar bie alten 
Tugenden ber Ordnung und Sparjamkeit im Finanzminifterium 
herrſchend erhielt, aber fonft den wachſenden Anforderungen 
der neuen Zeit ohne jedes ſchöpferiſche Vermögen gegenüber 
ftand. Als Maffiihe Vertreter der prinzipiellen und jedes Mittel 
anzuwenden entſchloſſenen Reaktion reihen fi biefem Kreife 
° ber Juftigminifter v. Kamptz und ber Generalpoftmeifter und 
Staatsminifter v. Nagler an. 

Kamptz (geb. 1769, geft. 1849), ein hartköpfiger Mediens 
burger, bedeutend und verdient als gelehrter Jurift, als Ver: 
waltungsbeamter aber gemaltthätig und beherrſcht von ber 
Leidenſchaft des Inquifitors, hat als Leiter der höheren Sicher: 
beitspolizei und ſeit 1824 zugleih an Stelle bes trefflihen 
Nicolovius Direktor im Kultusminifterium feinen Namen un« 
trennbar mit der Schmach ber Demagogenverfolgungen ver: 
Inüpft. Unter Beibehaltung der Mitgliebfehaft in der Mainzer 
Zentralunterſuchungskommiſſion zum Direktor im Juftizminiz 
fterium und Vorfigenden ber Juftizabteilung des Staatsrates 
ernannt, übernahm er 1832 proviforiih und 1834 endgültig 
das Juftizminifterium. Er war wohl ber verhaßtefte Mann 
feiner Zeit, den felbft feine Gefinnungsgenofien preisgaben und 


ostzeso, Google 


180 Dritted Bud. An der Wende der Zeiten. 


Menſchheit unter einem Hirten und in einem Glauben fi} zu: 
fammenfinden zu ſehen, jo daß bie „Reftauration ber Ge- 
finnung in politifher Hinſicht“ vollendet fein follte durd eine 
ſolche auch in religiöfer, den Triumph der katholiſchen Kirche 
über den Proteftantismus. Auch fonft waren die Vorkämpfer 
bes Abfolutismus und bes Junkertums oft zugleich ſolche des 
Ultramontanismus. Selbft der Hallenfer Hiftorifer Heinrich Leo 
(geb. 1799, geft. 1878), der in feinen Schriften für das gute 
Recht des Proteftantismus eintrat, verleugnete doch nicht die 
tiefinnerlide Verwandtſchaft beider. Indem er das Recht der 
Reaktion zu Gunften des Gottesgnadenfönigtums geſchichtlich 
und theoretifh zu erweiſen ſuchte, kam er für bie politiſchen 
Probleme der Gegenwart im weſentlichen zu ben gleichen Er- 
gebnifien wie der Konvertit Jarde. 

Wie völig hatte das offizielle Preußentum fich gewandelt, 
als deſſen philofophiicher Repräfentant und Panegyrifer einft 
Hegel (geft. 1831) von den einen gefeiert, von ben anderen ver- 
tegert worden war! So erftanden denn auch gerabe aus feinen 
jüngeren Schülern dieſem neuen preußifhen Syitem befonders 
eifrige Gegner. Namentlich die „Halifhen Jahrbücher“, die 
Arnold Ruge (geb. 1802, gef. 1880) feit 1838 herausgab, 
übten, ausgehend von dem Hegelihen Prinzip der Entwidelung, 
eine ſcharfe Kritif an den Zuftänden in Staat und Kirche ala 
unvereinbar mit ben natürlichen Bebingungen menſchlichen Da- 
feins und Wirkens. In anderer Weife thaten das Gleiche 
die als das junge Deutſchland bezeichneten Schriftfteler, die 
namentlich gegen die Romantik anfämpften, Karl Gutzkow 
(1811—78), Theodor Mundt (1808—61), Georg Kühne 
(180688) und Heinrich Laube (1806-1884), bie erften 
Vertreter bes modernen Litteratentums, von benen nament: 
li Gutzkow bereits in den dreißiger Jahren eine bebeutende 
Wirkfamfeit entfaltete, vielfah in Konflift mit der Zenfur 
und wegen Verhöhnung des Chriftentums mit Gefängnis be 
ftraft, aber wegen bes ihm eigenen ftarfen preußifchen Zuges 
doch aud gelegentlich in den herrſchenden Kreifen anerkannt. 
Der Bundestag freilich verbot infolge einer Denunziation bes 
Gutzkow einft befreundeten Wolfgang Menzel (1798—1373) 


I, Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 181 


am 10. Dezember 1835 bie Schriften des jungen Deutſchland 
jamt dem ganzen fonftigen Verlag der Hamburger Firma Hoff- 
mann und Compagnie. Aufzuhalten jebod war bie freiheitliche 
litterarifde Bewegung durch jolde Maßregeln nicht mehr. 
Machten ihr doch felbft die reaftionären höfiſchen Kreife all- 
mählich Zugeftändnifie. Es war ein Zeichen der Zeit, daß 1840 
Mundt, Laube und Gutzkow in Berlin leben und fchriftftellern 
durften und bes legteren Tragödie „Richard Savage” trotz 
aller Gegenbemühungen bes Minifters v. Rochow im Schau: 
fpielgaufe gegeben wurde mit einem Erfolge, ber einen noch 
vor kurzem für unmöglich gehaltenen Sieg des jungen Deutich- 
land bebeutete. 

Beſchãftigten diefe Vorgänge zunächſt nur bie Litterarifch 
intereffierten Kreife, fo veranlaßten eine allgemeinere und zu- 
gleich tiefere Bewegung die das kirchliche Leben erfüllenden 
Gegenfäge. Aud fie waren durch den Freiheitsfampf gezeitigt 
morben. Der flahe Nationalismus des 18. Jahrhunderts war 
für Preußen mit dem Fridericianiſchen Staate zu Fall gelommen. 
Wie das nationale Leben unter dem Drud der Fremdherrſchaft 
fi) überhaupt verinnerlichte und vertiefte, nahm darin auch 
die Religion wieder eine andere Stellung ein. Mit dem Könige 
hatte das preußifche Volk in den Jahren der Trübfal fie wieder 
hochhalten gelernt, Evangelifche jo gut wie Katholiken. Während 
aber bei jenen bie bogmatifchen Unterſchiede an Bedeutung ver- 
Ioren und das Gefühl der Gemeinfhaft in den wefentlihen 
Punkten des Glaubens erftarkte, in dem Mafe fogar, daß es 
mande glei in den Schoß ber katholiſchen Kirche trieb und 
Konverfionen Mode wurden, ſchärfte die Steigerung bes reli- 
giöfen Lebens in ber katholiſchen Kirche den dogmatiſchen Eifer 
und bewirkte eine ftärkere Bethätigung der hierarchiſchen Ten- 
denzen. Die fo lange herrſchende aufgellärte Duldſamkeit in 
der eigenen Kirche hörte auf; eine aggreffive Stimmung gegen 
Andersgläubige und Eroberungsluft gegen den Staat wurben 
herrſchend. So geſchah es, dag in Preußen die Staatsautori- 
tät, die der König für die Einführung einheitlichen Brauches 
in ber Landeskirche einfegte, von katholiſcher Seite ihre funda— 
mentalften Rechte in Frage geftelt ſah und das Mittelalter, 


182 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten. 


für das die Romantiker geſchwärmt, wirklich auflebte in der 
Geftalt eines neuen Kampfes zwiſchen Staat und Kirche. 

An die beften Traditionen hohenzollernſcher Kirchenpolitik 
hatte Friedrich Wilhelm III. angelnüpft, als er, tief ergriffen 
von dem 1806—13 Erlebten, gleih nad dem Frieden die 
ähnlich bewegte Stimmung feines Volkes benupte, um bie Ver- 
einigung ber lutheriſchen und ber reformierten Kirche in Preußen 
herbeizuführen. Beraten von feinem einftigen- Lehrer, dem 
teformierten Oberhofprebiger und Bifhof S. G. Sad und dem 
noch mit Kant befreundeten Iutherifhen Biſchof L. E. Borowski 
(1740—1831), ber ihm in ber ſchweren Königsberger Zeit nahe 
getreten war, und unterftügt von dem höfiſch gewandten Biſchof 
R. 3. Eylert (1770—1852), wanbte er fih an die freudige Er- 
regung bes proteftantifchen Gefühle durch die dritte Säkular- 
feier der Reformation und verlündete am 27. September 1817 
in ſchlichten, zu aller Herzen gehenden Worten feine Abficht, 
das Gedächtnis ber befreienden That Luthers dadurch zu be- 
gehen, daß er gemeinfam mit ben Lutheranern das Abenbmahl 
genöfle. Auf den damit eingefchlagenen Weg hoffte er fein 
Volt nachfolgen und fo die beiden Kirhen unter Wahrung 
ihrer VBejonderheiten von buldfamem Nebeneinander allmählich 
zu geiftiger Einheit auffteigen zu fehen. Cr hatte fi nicht 
getäufht. Denn die Union, die er als fein perfönliches 
Werk ins Leben rief, indem er am 30. Oktober fein Vorhaben 
in der Potsdamer Garnifonfiche ausführte, fand weithin das 
rechte Verftändnis und freubiges Entgegenfommen. Auf be 
fondere Bethätigung durch einheitlihe Kultformen verzichten, 
ftellte fie zunächft nichts dar als eine geiſtige Gemeinſchaft, ge 
gründet auf Duldung und VBruberliebe, und damit eigentlich 
den natärlihen Abſchluß der Entwidelung, welche das Ver- 
bältnis beider Konfeffionen unter den Hohenzollern feit dem 
Großen Kurfürften durchgemacht hatte. Wurbe fie auch hier 
und da von dogmatiſchen Eiferern, wie nachmals Leopold 
v. Gerlad, als „auswendig, auf Unwahrheit und Indifferentis- 
mus“ beruhend, bekämpft, fo fand fie doch auch in anderen 
deutſchen Landen Nahahmung. Nur in den Gebieten des auf 
die Reinheit feines Glaubens folgen firengen Luthertums, in 


II. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 183 


Sachſen, Medlenburg und Holftein wurde fie abgelehnt. In 
Preußen ſelbſt wiberfegten fih namentlih die reformierten 
Gemeinden der Rheinlande: die Einfügung in die neue preußifche 
Landeskirche bedrohte ihre alte republifanifche Selbftregierung mit 
ber Unterordnung unter bie oberftbifchöfliche Gewalt des Königs. 
Dem gab die Synode von Jülich: Rleves-Berg unter Betonung 
aud ber politiſchen Momente jharfen Ausdrud: fie wurde auf: 
gelöft, obgleich der König fi) mit dem Plan zu einer ähnlichen 
Verfaſſung der Landeskirche trug. Auch wurden 1819 Provinzial: 
fynoden als Vorftufen der künftigen Generalfynode einberufen. 

Es lag überhaupt in dem autokratiſchen Charakter bes 
Könige, gerade dieſe Seite feiner Iandesherrlihen Rechte und 
Pflichten befonders hochzuhalten und energiich geltend zu machen. 
Aus DOrbnungsliebe überall auf Herftellung moglichſter Uni- 
formität bedacht, nahm er an ber Ungleichheit ber kirchlichen 
Bräuche um fo mehr Anftoß, als manche willfürlicher Neuerung 
oder rationaliftifher Verflahung ehrwürbigen Herkommens ent- 
fprungen waren. Einheit auf biefem Gebiete verhieß aud bie 
Union zu Zräftigen. Wieder nahm ber König die Sade felbft 
in die Hand. Cr beteiligte fi fogar perjönlih an den um- 
ſtändlichen Vorarbeiten, durch bie zunädft eine ſichere Grunb- 
lage gewonnen, nämlich einmal feftgeftellt werden ſollte, was 
urfprüngli Brauch geweſen, und dann, was bermalen über 
haupt in Uebung ſei. Danach erft wurde im Anſchluß an bie 
Liturgie, die er für die Garnifonfichen in Berlin und Pots- 
dam vorgefehrieben hatte, unter Mitwirkung Wiglebens und 
Beirat Bunfens in Rom, 1821 eine Agende entworfen unb 
allen Gemeinden ber Landeskirche zur Annahme empfohlen. 
Aber während die Union, weil fie von befonderen äußeren 
Formen abfah, willig aufgenommen war, ftieß ber Verfuch zu 
einheitlicher Ordnung bes Gottesbienftes auf ernften Wider 
Rand. Der König und feine Berater hatten die Anhänglichkeit 
der Gemeinden an bie überflommenen Bräude völlig unter- 
ſchätzt. Eine heftige litterarifche Fehde entbrannte. Selbft 
die Union ſchien gefährbet. Verftimmt gab ber König bie 
Verfaffungspläne auf, mit denen er fih für die Landeskirche 
getragen hatte. Denn eine Generalfynobe wäre jegt bas wirk⸗ 


184 Dritte® Bud. An der Wende ber Zeiten. 


famfte Organ ber allgemeinen Oppofition geworben. Aber die 
Agende follte eingeführt werben. Der König griff dazu felbft 
. in ben litterarifchen Kampf um fie ein. In einem Büchlein 
„guther in Beziehung auf die preußifche Kirchenagende“ juchte 
er nachzuweiſen, es handle fi bloß um Herftellung des evan- 
geliſchen Gottesdienftes in feiner urfprünglihen reinen Geftalt. 
Eindrud machte er damit natürlich nicht. Erhielt doch für 
mande Gemeinde ber bisherige Brauch erft Wert, weil er be 
droht war. Jenem Schriftchen bes Königs trat, ſcheinbar ohne 
zu wiflen, wer es verfaßt, Schleiermader in einem platonifchen 
Dialoge ſcharf entgegen. Am heftigiten aber widerſtrebten der 
Agende die kleinen Gemeinden von Erwedten, die es in allen 
Provinzen gab. Als Altenftein beshalb 1825 in einer Ver 
fügung gegen die „verkehrten und unflatthaften“ Richtungen 
des „Pietiemus, Myſtizismus und Separatismus” eiferte, 
nahmen daran aud bie kirchlich freier Denkenden Anftoß. 
Zudem ſuchte die Regierung die wiberftrebenden Geiftlihen ber 
Landeskirche durch allerhand Chikanen fügfam zu machen, während 
fie die gehorjamen belohnte und auszeichnete. Nur dachte der 
König ſelbſt in diefen Dingen doch zu ernft, als daß Die Oppo- 
fition hätte ohne Eindrud auf ihn bleiben ſollen. Er Ientte 
ein: durch Neander (1789—1830), ben milden Geifteserben 
Schleiermachers, ließ er einen Nachtrag zu der Agende aus— 
arbeiten, der die Beibehaltung der in einzelnen Gegenden üb- 
lichen befonderen Bräuche geftattete. So kehrte 1830 der Friede 
wieder. Allgemein angenommen freilih war bie Agende nur 
theoretifch, in der Praxis blieb vielfach alles beim Alten. Am 
fpäteften und in eigentümlihen Formen erfolgte der Ausgleich 
in dem proteftantijden Teile der Nheinprovinz, Kleve, Berg 
und Marl. Um des Friebens willen ftelte der König die 
Synoden wieber ber und ließ fie über die Annahme ber vers 
befierten Agende entſcheiden. Seitdem entwidelte ſich in ber 
evangeliſchen Kirche Nheinlands und Weftfalens ein friiches, 
träftiges Leben, das nicht bloß für die Union ein glänzendes 
Zeugnis ablegte, fondern auch hoffen ließ, es werde durch die 
Uebertragung der bort bewährten Verfaflung auf die Landes- 
tirhe dieſe ähnlich verjüngt werben. 


U. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 185 


Unbeugjam in ihrem Widerftand gegen die Agende blieben 
nur bie Altlutheraner Schlefiens. Geleitet von übereifrigen, 
am Buchftaben hängenden Geiftlihen, meinten fie durch ihre 
Annahme ihre Seelenheil zu gefährden. Als die Regierung 
ihren Eigenmächtigfeiten mit ernften, aber gefeglihen Mitteln 
entgegentrat, klagten fie über Gewalt und Glaubensverfolgung. 
Im Kampf für ihre Autorität begingen dann freilich auch die 
Behörden unnötige Härten, die unvereinbar waren mit bes 
Königs feierliher Erklärung, die Union folle niemandem auf- 
gezwungen werben. So wanderte jhließlid ein Teil der Alt- 
lutheraner aus, nicht ohne daß von jeiten der Regierung ver- 
fucht worden wäre, ihnen die Erklärung abzubringen, daß fie 
auswanberten, um ihre wirtſchaftliche Lage zu verbefiern, nicht 
um freie Neligionsübung zu haben. Der üble Eindrud wurde 
dadurd nicht aufgehoben, daß um biejelbe Zeit 400 evangelifche 
Zillertaler, die um ihres Glaubens willen ihre Tiroler Berge 
verlaflen hatten, in Schlefien gaftlid aufgenommen und bei 
Schmiebeberg angefiebelt wurben. 

Zeigten ſchon dieſe Vorgänge ſchwache Eeiten der Union, 
fo mußten andere, die fi innerhalb der auf ihr beruhenden 
Landeskirche abfpielten, ernite Sorge erweden wegen bes In— 
balts, welcher der in ihr geichaffenen Form gegeben werben 
würde. Denn gerade da ftießen die Gegenfäge heftig zufammen. 
In dem Kampfe gegen den überlebten Nationalismus ſowohl 
wie gegen bie, welche dank ber von der Union gelafjenen Frei- 
beit auf ihre Art jelig werben wollten, gewann jeit dem Enbe 
der zwanziger Jahre der aus ber Grafihaft Mark ftammende 
€. W. Hengftenberg (1802—61) eine führende Stellung. Seine 
„Evangeliſche Kirchenzeitung“ verfocht die unbedingte Autorität 
der Bibel, die wörtliche Verbindlichkeit des Dogmas und das 
Recht und die Pflicht des Kirchenregiments, beiden Anerkennung 
zu erzwingen. Dabei verfhmähte er nicht die unfauberen Mittel 
des Horchens und Denunzierens, wie bie auf feine Veranlaffung 
in ihren Kollegien belauſchten und daraufhin verbädtigten 
Hallenjer Profeffjoren Wegfcheider und Gefenius zu erfahren 
hatten. Doch lag das ja im Geifte ber Zeit, und Hengitenberg 
gewann in den höheren Kreifen um jo mehr Anhang, als ber 


186 Drittes Bud. An der Wende ber Zeiten. 


Kronprinz und feine gläubigen Freunde ähnlich baten, dieſe 
Richtung alfo bald die Staatsautorität hinter fi zu haben 
gewiß war. Schon ſahen fi} gefeierte Gelehrte von der pofi- 
tiven Richtung eines Marheinede und Neander an Einfluß 
dur Hengftenberg überflügelt, ber, trotz litterariſcher Frucht: 
barkeit bei der dogmatijchen Gebundenheit feines Denkens zu 
wirklich wiſſenſchaftlichem Schaffen unfähig, eigentlih als 
Bamppletift in die Höhe kam, von den einen geprieien als 
auserwähltes Werkzeug Gottes, von den anderen gehaßt als 
unverföhnliher Feind modernen Geifteslebens. Noch freilich 
drang er in dem Kampfe, zu dem 1835 das Erſcheinen von 
D. Strauß’ „Leben Jeſu“ den Anftoß gab, nicht völig durch 
gegenüber der altpreußiſchen Toleranz und Achtung vor der 
Wiſſenſchaft: das von ihm geforderte Verbot des Buches für 
Preußen unterblieb auf ein Gutachten Neanders. Aber bie 
Zukunft gehörte ihm. Mit wachſendem Befremden fah man, 
wie das äußerlihe Zurfhautragen ber Frömmigkeit Mode wurde, 
ohne daß in den fi damit brüftenden Kreifen bie Sittlichkeit 
geftiegen ober die frivole Luft am Ballett gefunfen wäre, 

Auch im Katholizismus hatten die Freiheitskriege bas 
teligiöfe Gefühl neu belebt, zumal Napoleon durch feine Ver- 
folgungen ber Kirche Sympathien gewonnen hatte. Zudem war 
mit ber Reaktion gegen den einftigen Franzoſenkultus und der 
Verherrlihung des altdeutihen Weſens durch die Romantik 
ein förmlicher Kultus des Mittelalters eingeführt. Er kam 
auch dem hergeftellten Papfttum zu gute und leiftete den wieber- 
auflebenden hierardifgen Tendenzen wirkſam Vorf hub. Der 
höhere deutſche Klerus freilich teilte diefe Richtung zunächſt 
nit. In den Anfhauungen der Aufklärung aufgewachſen, 
rationaliftiih angehaucht und gelehrte Theologen, waren die 
deutſchen Prälaten duldfam in dogmatifhen Dingen, fried- 
fertig gegen Andersgläubige und gute Staatsbürger, ſahen fi 
aber deshalb bald von jener neurömiſchen Richtung unkirch— 
licher Lauheit bezichtigt. 

Auch Preußen hatte 1815 fein Verhältnis zur Tatholifchen 
Kirche neu zu orbnen, zumal bie Neuerwerbungen bie Zahl 
feiner katholiſchen Unterthanen beträchtlich vermehrt hatten. 


II. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 187 


Bei den deshalb in Rom geführten Verhandlungen fam es buch 
feinen Gefandten Niebuhr der Kurie in allem bereitwilligft ent- 
gegen. Dennod enthielt die Bulle „De salute animarum“ 
(1821), durch die Pius VII. die Erzbistümer Köln und Poſen 
und die Bistümer Trier, Münfter, Paderborn, Breslau, Kulm 
und Ermeland errichtete, nicht die ausbrüdliche Anerkennung 
der Rechte des Staates, obgleich diefer für die Ausflattung 
der Bistümer und Kapitel und die Unterhaltung zahlreicher 
Pfarreien bedeutende Leiftungen auf fih nahm. Nur in einem 
pãpſtlichen Breve wurde fie in unbeftimmten, beutbaren Worten 
ausgefproden. Dennoch ging alles, die Bejegung der Bis- 
tümer, die Ordnung ihres Verkehrs mit Rom und wo fonft 
Kirche und Staat zufammenzumirken hatten, ganz nad) Wunſch 
und in befter Eintracht vor fih. Ja, der Staat Half fird- 
liche Neuerungen, die Rom verwarf, unterbrüden. Befonders 
verdient machte fih um dieſe erfreuliche Entwidelung Graf 
Spiegel, der als Erzbiſchof Ferdinand Auguft feit Ende 1824 
den Kölner Stuhl inne hatte, ein aufgeklärter Theologe und 
deutſcher Patriot, der durch feinen gelehrten Freund Georg 
Hermes in Bonn feinen Klerus philoſophiſchen Studien und 
dadurch einer freieren und milderen Denfweife zuzuführen 
firebte — im Gegenjag zu dem eifernden Münfterer General- 
vifar und Weihbiſchof Drofte-Vifhering, der den Beſuch ber 
Vorlefungen Hermes’, als diefer no in Münfter las, ver 
boten hatte. Auch bewirkte Spiegel, was vom Stanbpunfte der 
Kirche kein Kleines war, die Anerkennung des ſtaatlich ver- 
ordneten Buß und Bettages als eines Fatholifchen Feiertages. 

Diefes friedliche Verhältnis trübte feit 1825 die Frage 
nad) den gemiſchten Ehen. Ihre Einfegnung, die das Tridenter 
Konzil ſchlechtweg verboten hatte, war 1741 durch Benedikt XIV. 
geflattet worden für die Fälle, in denen die künftigen Gatten 
zum voraus gelobten, ihre Kinder katholiſch zu erziehen. Wo 
das nicht geſchah, bot ber Brauch der paifiven Aſſiſtenz der 
katholiſchen Geiftlihen einen Ausweg, die Gemüter zu beruhigen. 
Die preußifche Regierung aber hatte fi mit einem berartigen 
Notbehelf nicht begnügt, fondern für ihre öftlichen Provinzen 
die Sache 1803 duch eine urfprünglih für Schlefien er 


188 Drittes Bud. An der Wende ber Seiten. 


gangene Deklaration zum Landrecht dahin geordnet, daß bie 
Kinder aus gemifchten Ehen dem Belenntnis des Vaters folgen 
follten. Da Schwierigkeiten daraus bisher nit entftanden 
waren, führte bie Regierung 1825 biefe Ordnung auch in den 
Rheinlanden ein für alle Die Fälle, wo der Ehevertrag nicht aus— 
drüdlich anderes vereinbarte. Zugleich wurde den Geiftlihen 
unterfagt, das Verſprechen ber katholiſchen Kindererziehung zu 
verlangen. Da nun am Rhein Mifchehen damals befonbers 
häufig waren, weil von ben borthin gefommenen preußiſchen 
Beamten und Offizieren viele Töchter bes Landes heirateten, 
erwedte bie Bejeitigung bes bisherigen Brauches den thörichten 
Verdacht, das Land folle auf diefem Wege allmählich prote- 
ſtantiſch gemacht werben, und ftieß daher fofort auf plan- 
mäßigen Wiberftand. Ohne vorherige — angeblih natürlich 
ftets freiwillige — Zuſage der katholiſchen Kindererziehung 
fegnete fein Geiftlicher mehr eine gemischte Ehe ein. Mahnungen 
blieben vergeblih: man müfle Gott mehr gehorchen als den 
Menſchen, hieß es, als ob das Wort den Ungehorjam gegen 
die Staatsgeſetze legalifiere. Die rheiniſchen Biſchöfe wunſchten 
den Frieden und bemühten ſich bei dem Papſte um einen für 
den Staat annehmbaren Ausgleih, allen voran der treffliche 
Spiegel. Das that au) der in Rom 1824 an Niebuhrs Stelle 
"getretene Karl Joſias Bunſen (S. 183), ein hochbegabter und 
kenntnisreicher, aber phantaftifch veranlagter Mann, der, mehr 
nad dem Gefühl als verftandesmäßiger Erwägung handelnd, 
den vatifanifhen Diplomaten nicht gewachſen war, zumal er, 
wie faft alle proteftantiichen Staatsmänner, das wahre Weſen 
der fatholifchen Kirche nicht Tannte. Das gilt namentlich auch 
von dem Minifter v. Altenftein, der bie Sade mit faft un= 
begreiflicher Sorglofigfeit und bureaukratiſcher Verblendung 
behandelte, ohne eine Ahnung von dem zu haben, was ſich 
damals in der katholiſchen Kirche vorbereitete. Bunſen wähnte 
den Frieden geſichert, als Pius VIII. 1830 an die rheiniſchen 
Biſchöfe ein Breve erließ, das zwar die Einſegnung gemiſchter 
Ehen von dem Verſprechen der katholiſchen Kindererziehung 
abhängig machte, aber durch eine gefliſſentlich unklare Wort⸗ 
faſſung zweifelhaft ließ, ob die alte Aushilfe der paſſiven Aſſiſtenz 


I. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 189 


in gewiſſen Fällen nicht auch in Zukunft noch Platz greifen 
dürfe. Crreiht war damit thatſächlich gar nichts. Dennoch 
machte die preußiihe Regierung das für fie unannehmbare 
Breve zur Bafis weiterer Verhandlungen, während bei ber 
Unausgleihbarfeit der obwaltenden prinzipiellen Gegenfäge eine 
wirkliche Verftändigung doch überhaupt ausgefchlofen war. 
Sich dieſer Erfenntnis in feiner Friebensliebe verſchließend, 
vereinbarte Spiegel mit Bunjen eine Deutung des Breve, die 
eine ben bejcheidenen Anfprüchen bes Staates entſprechende 
Praris ermöglichte, und erteilte im Einverftändnis mit feinen 
Suffraganen von Trier, Münfter und Paderborn 1835 den 
Pfarren eine entiprehende geheime Inftruftion. Man begnügte 
fh alfo mit einem Privatablommen, das ben Nachfolger 
Spiegels nicht band und das bie Pfarrer als den Firchlichen 
Geboten entgegen um fo weniger zu befolgen braudten, als 
ſchon fein geheimer Charakter Zweifel an feiner Rechtsver⸗ 
binblidfeit erweden mußte. Diesmal hatte v. Rochow nur zu 
recht, wenn er meinte, Spiegel und Bunfen hätten eine Kon— 
vention gemacht darüber, wie das geiftlihe Breve zu um— 
gehen fei. 

So entbrannte der Kampf nur heftiger. In ihrem Ge- 
wiſſen bebrängte Pfarrer vermeigerten der biihöflihen In— 
ſtruktion den Gehorfam. Die Prefie nahm fih der Sade 
eifrig an. Auch politifch wurde fie ausgebeutet, um von neuem 
die Unvereinbarfeit preußifden und rheiniſchen, proteſtantiſchen 
und katholiſchen Weſens zu erweiſen. Hatten die nicht recht 
gehabt, die 1830 gemeint Hatten, die Rheinländer follten das 
Beifpiel der Belgier nahahmen und fi ber Herrichaft bes 
Ketzerſtaates entziehen? Bisher kaum beachtete Dinge, wie 
die Kommandierung katholiſcher Soldaten zu dem proteftantifchen 
Militärgottesdienft und anderes mehr erhielten num Bedeutung 
und wurden agitatorifch ausgenugt. Der Einfluß der ertremen 
Elemente wuchs. Um nicht für unfirhlich zu gelten, mußten 
aud die ruhigeren und verſöhnlicheren mitgehen, zumal jene 
der Zukunft ſicher zu fein glaubten, da der Kronprinz bei einem 
Beſuche in der Rheinprovinz deutlich zu erkennen gab, daß er 
den Standpunkt ber Regierung nicht teile. Inmitten biefer 


190 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten. 


Krifis ſtarb am 2. Auguft 1835 Spiegel, deſſen Autorität das 
Aeußerfte bisher abgewandt Hatte. Cs bleibt eine der un= 
begreiflichften Verirrungen Bunfens, daß er, noch ehe er ben Tod 
Spiegels erfahren hatte, zu feinem Nachfolger den ehemaligen 
Generalvikar des Bistums Münfter, Clemens Auguft v. Drofte: 
Viſchering, empfahl. Ein bis zu mittelalterlicher Askeſe frommer 
Eiferer, ein erbitterter Gegner der Hermesſchen Theologie 
(S. 187) und rüdfihtslofer Vertreter hierarchiſcher Prinzipien, 
war er ſchon in feiner früheren Stellung mit ber Regierung 
mehrfach in Konflift geraten und Hatte feine kirchlichen Wurden 
niebergelegt und, faft wie ein Heiliger verehrt, als ſchlichter 
Priefter gelebt. Selbft der Kardinalſtaatsſekretär bezeichnete 
diefe Kandidatur derb als eine Tollheit der Regierung Wie 
Bunſen auf fie verfallen, bleibt ein Rätjel. Hatte der Kron- 
prinz den Mann empfohlen, befien Frömmigkeit auch dem König 
imponierte? Hat der von Altenftein mit diefer Sache betraute 
ultramontane Geheimerat Schmebbing fi dadurch ein be- 
fonderes Verdienſt um feine Kirche erwerben wollen? Doch 
verlangte die Regierung von Drofte die Anerkennung der zwifchen 
Spiegel und Bunfen vereinbarten Deutung bes Breves 
Pius’ VIII, begnügte fi aber mit einer fragmürbigen Er- 
klärung, er wolle den in betreff der gemifchten Ehen zur Zeit 
geltenden Zuftand aufrecht erhalten „gemäß der auf Grund 
jenes Breves getroffenen Uebereinkunft“. So wurde er im 
Dezember 1835 zum Erzbiſchof gewählt und am 29. Mai 1836 
inthronifiert. 

Inzwifchen aber hatte die römiſche Kirche den einft von 
ihm eröffneten Kampf gegen den Hermefianismus aufgenommen. 
Eine Bulle Gregors XVI. vom 26. September 1835 verdammte 
etliche Säge bes bei dem rheinischen Klerus einft hochgefeierten 
und einflußreihen Lehrers, und der Erzbiſchof unterfagte ben 
Klerikern feiner Diözefe den Beſuch der Vorlefungen der jene 
Vhilofophie vertretenden Bonner Profeſſoren. Sahli hatte 
die Regierung nichts dagegen einzuwenden: nur bag er ohne 
ihre Genehmigung gegen vom Staat beftellte Lehrer vorging, 
tabelte fie, verpflichtete aber doch die betreffenden Profefloren 
amtlich, über die verworfenen Hermesihen Schriften nicht mehr 


II. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 191 


zu handeln. Das genügte aber Clemens Auguft nit mehr: 
er verlangte von ben theologifhen Lehrern und den zu weihenben 
jungen Klerifern die Unterzeichnung von ihm aufgeftellter Thefen, 
die jene Lehren ausdrüdlich verwarfen und von benen eine fie 
verpflichtete, in allen Fragen der Lehre und Disziplin bem 
Erzbiſchof zu gehorchen und von ihm nur an ben Papft zu 
appellieren, die Staatsautorität alſo für fie einfach ausfchaltete. 
Offenbar wollte er fi) des Klerus für den Kampf verſichern, 
ben er, durch bie bisherigen Erfolge ermutigt, in Saden ber 
gemiſchten Ehen eröffnen wollte. 

Eine belgiſche Zeitung veröffentlichte die geheime In— 
ſtruktion, die Spiegel und feine Suffragane ihren Pfarrern 
wegen ber paffiven Affiftenz bei ber Eingehung von gemifchten 
Ehen erteilt hatten (S. 189). Als dem Breve Pius’ VIIL 
widerſprechend wurbe fie von der Kurie verworfen; der Erz- 
biſchof erflärte fih für nicht daran gebunden, ba er fie an- 
gebli nicht gefannt habe, und zerriß fo die vor ber Wahl 
eingegangene Verpflichtung. Damit entbrannte in dem Rhein- 
lande der Kampf zwiſchen Kirche und Staat. Aus Friebene- 
liebe aber und Scheu vor ber wachſenden Erregung ber 
Bevölkerung trat die Regierung zuerſt milber auf, als ihrer 
Autorität dienlid war. Statt Gehorfam zu fordern und zu 
erzwingen, unterhandelte fie durch den Minifter v. Room, 
durch den von Rom herbeigerufenen Bunfen, durch den Regie 
rungspräfidenten Grafen Stolberg mit dem Erzbiſchof und bot 
ihm ſchließlich Straflofigkeit an, wenn er abdanken wollte. 
Natürlich beharrte er nun erft recht. Die Kurie flug einen 
berausforbernben und drohenden Ton gegen Preußen an. Die 
ultramontane Prefie, voran der ehemalige deutſche Patriot 
Görres (S. 83), fiel wie eine wilde Meute über Preußen 
ber. Sie ſchien wirflih aus den Nheinlanden ein zweites 
Belgien machen zu wollen. 

Das zwang bie Regierung endlich zu fräftigerem Handeln. 
Da er fich der Abdanfung hartnädig weigerte, wurde der Erz— 
biſchof am 20. November 1837 jamt feinem Sekretär und 
Rapları Micelis, ber aber vorher feinen Briefwechfel noch hatte 
vernichten Fönnen, verhaftet und nad Minden abgeführt, wo 


192 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten. 


er unter leichter Auffiht in einem Privathaufe wohnend, fpa- 
zieren gehend, Billard fpielend und Pfeife rauchend ein be- 
quemes Martyrium durchmachte. Der Eindrud war ein mädj- 
tiger. Im allgemeinen freute man fi) ber Strenge gegen den 
Erzbiſchof, während feine eifrigften Anhänger gar eine Erhebung 
der Rheinprovinz erhofften. Eine päpftlihe Allokution vom 
10. Dezember 1837 aber beſchuldigte Preußen eines Attentates 
auf bie Freiheit der Kirche und ber Verachtung ber biſchöf⸗ 
lihen Würde: die Rechte der Kirche und des heiligen Stuhles 
trete es mit Füßen. Dennod war die Stellung der preußiſchen 
Regierung nit ungünftig. Das Kölner Domkapitel dachte 
verſöhnlich, wollte auch, wie die Regierung, den erzbiſchöflichen 
Stuhl als erledigt anjehen und demnach handeln, doch ließ die 
Kurie den deshalb gewählten Kapitelvifar nur als Stellvertreter 
des angeblid nur zeitweife an ber Uebung feines Amtes ver- 
binderten Erzbifchofs gelten. Trogdem wollte der König (28. Ja- 
nuar 1838) den Geiftlihen, wenn fie auf das Verſprechen ber 
tatholifchen Kindererziehung verziteten, Erkundigungen über 
die Abfihten der Eheleute geftatten und in zweifelhaften Fällen 
die Entſcheidung dem Biſchof überlaflen, gab damit alfo ben 
von der Regierung bisher eingenommenen Standpunkt that- 
ſächlich preis und verzichtete auf die 1803 eingeführte und 
bisher auch kirchlicherſeits anerkannte Ordnung. _ Nod weiter 
ging in Rom auf eigene Verantwortung Bunfen, indem er bie 
Wegführung Droftes als eine nur vorübergehende Mafregel 
darftellte und den König als klagenden Teil dem Schiedaſpruch 
des Papftes unterwerfen wollte. Natürlich fteigerte ſolche 
Schwäche die Anſprüche der Kurie: fie lehnte es ab, weiter zu 
unterhandeln, bevor der Erzbiſchof nicht Hergeftellt fei. So 
mußte Bunfen im April 1838 abberufen und damit der Bruch) 
in aller Form erflärt werben, 

Nur z0g man in Berlin daraus auch jegt nicht die richtigen 
Ronfequenzen. Wohl erwog man bie Neuordnung ber firliden 
Angelegenheiten in ben Rheinlanden allein durch Staatsgeſetz. 
Die Oberpräfidenten berieten Darüber, eine befondere Kommiffion 
begann die Vorarbeiten. Weiter aber fam man nit. In 
den Kreifen der Regierung felbft gingen bie Meinungen ſehr 


II. Geiftige Bewegungen und kirchliche Kämpfe. 193 


auseinander. Die Erregung in ben Rheinlanden wuchs. Alle 
Katholiken Deutſchlands fympathifierten mit ihnen, beſonders 
demonftrativ ber bayrifhe Hof. Bon Münden aus verherrlichte 
Görres Drofte als einen neuen Athanafius und ſchmähte Preußens 
Beharren und fi) Verfioden im Unrecht, das, nad) allen Seiten 
nad ſophiſtiſcher Beſchönigung greifend, die ſchuldige Genug- 
thuung weigere und dadurch das verlegte Rechtsgefuhl immer 
aufs neue reize und verlege; höhnte über die „rohen und un- 
geſchlachten Ausbruche des ftarren Knochenmannes“, dem man 
zu viel Ehre anthue, wenn man ihn einen Geift nenne; den 
Ungeift, das böfe Gefpenft, das im preußifhen Staate umgehe 
und Unheil anrichte, zur Gewalt, zum Niedertreten alter Rechts- 
anfprüde, zur Befeitigung aller Konfordate aufforbere und 
fi dabei als vernünftig, freifinnig und verſöhnlich rühme. 
Wie wenig aber begriff man auf evangelifcher Seite die Be- 
deutung des Kölner Kirchenftreites für die Zukunft des modernen 
Staates und ber modernen Kultur! Eigentlich allein Karl 
Gutzkow vertrat diefe großen Gefihtspunkte: mit ſtürmiſcher 
Berevfamteit befämpfte er Görres in ber Flugſchrift „Die 
zote Müte und die Kapuze” (1838). Weniger dem Geift bes 
Proteftantismus und der norddeutſchen Eigentümlichkeit gelte 
jener Angriff als allen den durch ſchwere hiſtoriſche Geburten 
gezeitigten Nefultaten der Gewiſſens-, Denk: und Redefreiheit, 
ber bürgerlihen Rechtsgleichſtellung, ſtaatsrechtlichen Verpflich-⸗ 
tungen und Gewährleiſtungen, der Wiſſenſchaft, der Kunſt und 
ber Litteratur. 

Sole Gefihtspuntte waren ber Regierung freilich fremd, 
zumal die Rüdfiht auf einen baldigen Thronwechſel mandem 
Burüchaltung auferlegte. Machte der Kronprinz doch fein Hehl 
daraus, daß er das Geſchehene mißbillige. So hatte die Kurie 
gewonnenes Spiel. Nach Droftes billigen Lorbeeren lüftern, 
fagten ſich aud die Biſchöfe von Münfter und Paderborn von 
der Vereinbarung wegen der gemifchten Ehen los. Erzbiſchof 
Dunin von Pofen verbot feinem Klerus in einem Hirtenbrief 
die Einjegnung von folden ohne das Verſprechen katholiſcher 
Kindererziehung und bedrohte bie Geiftlichen, die denfelben dem 
Verbot der Regierung gemäß von der Kanzel zu verlefen fich 

Vrud, Preubiſche Geihiäte. IV. 


194 Drittes Bud. An der Wende der Beiten. 


weigerten, mit firhlihen Benfuren. Deshalb vor einen Staats- 
gerichtshof geftellt, verweigerte er jede Antwort und wurde 
abgejest und zu ſechsmonatlicher Haft verurteilt. Unter der 
Bedingung bes Verbleibens in Berlin begnabigt, kehrte er doch 
nad Pofen zurüd und. wurde nun in Kolberg feſtgeſetzt. Die 
preußifchen Bifchöfe, mit alleiniger Ausnahme bes Fürftbifchofs 
Sedlnitzky von Breslau, erklärten herausfordernd ihr Einver- 
ſtändnis mit den beiden Erzbifhöfen. Dem gegenüber wollte 
es denn freilich wenig bedeuten, daß Dunin in Haft blieb und 
Drofte wenigftens nicht hergefielt wurbe, mochte ihm ber König 
aud mit Rüdfiht auf feine Kränklichkeit im April 1839 er- 
lauben, nad; dem Droftefhen Familiengut Darfeld bei Münfter 
zu überfieveln gegen das Verſprechen, nicht gegen den Willen 
der Regierung nad Köln zurüdzufehren. Thatſächlich behauptete 
alfo die Hierardjie die durch keden Angriff dem Staat ab- 
gewonnene Pofition, der Staat verzichtete auf ihre Wieber- 
eroberung und beſchränkte fi auf eine matte Defenfive. So 
fonnte die Kurie warten: des greifen Königs Tage waren ge- 
zählt, der Thronwechjel aber eröffnete ihr die günftigften Aus- 
fihten. 


II. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 
1840—1844. 


Um 14. Mai 1840 ftarb Altenftein, ein Geift von feltener 
Tiefe und freiem und eigentümlihem Gedankengange, einer 
der legten Vertreter der großen Reformzeit. Freilich hatte auch 
er ber Reaktion Zugeftänbnifie machen, ja fie den Univerfitäten 
gegenüber vertreten müflen. Aber indem er fie vor ber geiftigen 
Nacht bewahrte, die fie bebrohte, rettete er Preußens Zukunft. 
Der König war feit Ende April ernftlih leidend, und das 
Vollk hielt feft an dem fataliſtiſchen Glauben, aud im 19. Jahr⸗ 
hundert müfle das Ende des vierten Jahrzehnts einen Thron- 
wechſel bringen. Darüber vergaß es bie ſchwebenden Irrungen 
und umgab des Königs Krankenlager ehrerbietig mit liebender 
Teilnahme, zumal bie Gefahr eines Krieges mit Frankreich, 
welche die ägyptiſch⸗türkiſchen Wirren heraufbeſchworen, eine 
hochgehende patriotifche Erregung entfeflelte. Man freute fi, 
im Gegenfag zu dem demonftrativ erneuten Napoleonfultus 
an ber Seine, auch des großen Königs Andenken wieder mehr 
zu Ehren gebracht zu fehen. Die Akademie wurbe mit ber 
Herausgabe feiner Werke beauftragt, und am 1. Juli legte 
der Kronprinz in Vertretung bes Vaters den Grundftein zu 
dem von Rauch zu ſchaffenden Friedrichsdenkmal. Wenige 
Tage danach verfehlimmerte fi des Königs Zuftand. Am 
Nachmittag des erften Pfingftfeiertages (7. Juni) trat der Tod 
ein. In dem Charlottenburger Maufoleum an der Seite der 
Königin Luife wurde Friedrih Wilhelm III. zur legten Ruhe 
beftattet. " 

Anders als hundert Jahre früher die Regierung des großen 
Königs (Bd. II, ©. 234) fand diefe einen verföhnenden Ab- 
ſchluß in der aufrichtigen Trauer bes Volkes. Indem es vor 


196 Drittes Bud. An ber Wende ber Zeiten. 


allem des Außerordentlichen gedachte, das es unter ihm erlebt 
hatte, fette feine Erinnerung den Verftorbenen am liebſten mit 
dem Jahre 1813 in Verbindung und gemöhnte fich vollends, 
in ihm feinen Urheber und Träger zu fehen, während er ſelbſt 
noch eine ganz befondere Heimfuhung darin gejehen, daß er 
damals den Jakobiner hatte fpielen müflen. Diefe legendare 
Anfhauung wurde dann gleihfam fanktioniert, indem fein 
Nachfolger den Heimgegangenen enthufiaftiih als den „Helden⸗ 
könig“ feierte, während doch das Unheil zumeift dadurch über 
Preußen gebracht war, daß er, ohne fefte Prinzipien und Kon— 
flikte möglichft zu vermeiden beftrebt, immer wieber verfuchte, 
einander ausfchließende Richtungen zu vereinigen. Das war 
feine moralifhe Schuld: er wollte das Gute und glaubte es 
zu thun. Es war eine intellektuelle: ihm fehlte die Erkenntnis. 

Das beftätigte die Art, wie er Preußens Entwidelung 
auch für die Zukunft in den von ihm verfolgten Weg bannen 
wollte. Dazu hatte er 1838 als Inſtruktion für feinen Nadj- 
folger ein politijches Teftament entworfen. Jede Minderung 
der Fönigliden Macht abzuwenden, wollte er den Webergang 
Preußens zu der einft von ihm ſelbſt verheißenen Eonftitutionellen 
Staatsform dauernd unmöglih machen, wie einft Joachim I., 
aud ein Frembdling in feiner Zeit, Haus und Land an die alte 
Kirche zu binden gedacht hatte (Bd. I, S. 194). Freiwillig, 
fo führte er aus, Habe er durch Regelung der Staatsverwaltung, 
Schaffung des Staatsrates und der Provinzialftände und Ein- 
führung der Städteorbnung feinen Unterthanen ungeftörte Orb- 
nung und Geredhtigkeit verbürgt, ohne die Gewalt des Thrones 
zu mindern. Denn auf dem unumfchränkten Königtum beruhe 
Preußens Stellung in Europa. Deshalb joe auch Feiner feiner 
Nachfolger ohne Zuziehung fämtliher Agnaten die beftehende 
Staatsverfafiung ändern, namentli nicht die föniglide Macht 
dur Umgeftaltung der ftändifhen Verhältniſſe beſchränken 
dürfen. Durch die Ordnung des Staatsſchuldenweſens von 1820 
(S. 134) fei ein Weg geöffnet zu gefeglicher Befriedigung etwa 
eintretender außerorbentliher Geldbebürfnifie durch Aufnahme 
einer von den Neiheftänden garantierten Anleihe. Wie aber 
er felbft biefe reicheftändifche Verfammlung nur aus den Pro- 


IH. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 197 


vinzialftänden habe entnehmen wollen, ſolle auch fein Nachfolger 
fie nicht anders ins Leben rufen bürfen, als indem er aus 
jedem der vier Stände ber Provinziallandtage je einen Ab- 
georbneten wählen und biefe, mit einer von ihm zu beftim- 
menden Anzahl von Mitgliedern des Staatsrates vereinigt, 
nad deſſen Gefhäftsorbnung als Reiheftände über eine etwa 
aufzunehmende Anleihe und über nichts anderes beraten laſſen. 
Dieſe Beftimmung hatte er zum Hausgefeg erheben wollen, war 
aber geftorben, ehe Wittgenftein die nötigen Schriftftüde hatte 
berftellen laffen können. Doch ſcheint verſucht worden zu fein, 
der Aufzeichnung noch im legten Augenblid durch feine Unter- 
ſchrift Gefegeskraft zu geben, die Fürftin von Liegnig aber fi 
geweigert zu haben, dazu die Hand zu bieten. Es lag für ben 
Nachfolger alfo nur ein Wunfch des Vaters vor, nicht eine 
rechtliche oder auch nur moralifche Verpflichtung. 

Aber Frievrih Wilhelm IV. dachte nicht bloß ebenfo 
abſolutiſtiſch, ſondern feine auf Hallers Lehren (S. 81) fußende 
politifhe Ueberzeugung murzelte zudem in feinem befonberen 
teligiöen Denken. Diefes brachte ihn in um fo fchrofferen 
Gegenfag zu den günfligen Strömungen ber Seit, als bei ihm 
nicht der Verftand den Ausſchlag gab, jondern das Gefühl, 
defien außerorbentliche Erregbarkeit ihn über die Berechtigung 
der es beftimmenden Impulſe nur allzu leicht täuſchte und doch 
mit dem Glauben an feine überlegene eigene Einfiht erfüllte. 
So dachte er die öffentlide Meinung durch Zugeftändnifie in 
Nebendingen über die Verſagung deſſen hinwegzutäuſchen, was 
fie in Konfequenz der Entwidelung Preußens forderte. Diefer 
ftemmte er ſich entgegen und traute fih damit, wie Metter- 
nich treffend urteilte, eine Kraft zu, bie er nicht hatte und 
die fein Menſch haben kann, die Kraft, die Dinge aufzuhalten. 
Er werde, befürchtete der öfterreihifhe Staatsmann bereits 
damals, alles in Verwirrung bringen, fein Land und Deutic- 
land, zumal er in ihm ein eigentümliches Gemiſch hervor- 
ragender Eigenfchaften und gewiſſer Fehler erfannte, unter 
legteren namentlich die Neigung, alles aufzurühren und feine 
Gaben möglihft ins Licht zu fegen. Dieje Worte gingen in 
Erfülung. Unmogliches unternehmend, fah der König das für 


198 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten. 


unerfchütterlid Gehaltene zufammenftürzen und ging barüber 
ſelbſt piyhiih zu Grunde. So ummeht feine Biftorifche Er- 
ſcheinung ein erſchütternder Hauch der Tragif, und feinem 
faum völlig ergründbaren, an Widerſprüchen reihen, zugleich 
anziehenden und abftoßenden Weſen gerecht zu werben, wird 
man fon bei der Beurteilung feiner Anfänge den Ausgang 
nit unbeachtet laſſen dürfen, der mit einer Fülle der Hoff⸗ 
nungen unvergleihlihe Gaben bes Herzens und bes Geiftes in 
Nacht begrub. Hat do von allen fhönen und guten Eigen: 
ſchaften, die den Menſchen zieren können, Friedrich Wilhelm IV. 
feine gefehlt, außer der eines ftarfen und bemußten Willens. 
Ihn gibt nit die Natur allein: er muß entwidelt, geſchult 
und durch Selbſtzucht geftählt werben. Hier liegt die tragiiche 
Schuld des Königs. 

Auch zwiſchen ihm und feinem Water wiederholte ſich der 
in ber Reihe der hohenzolernfchen Herrſcher gewöhnliche Gegen- 
fag. Faſt nichts hatte er äußerlich und innerlih mit jenem 
gemein. Was er von der Mutter mitbefommen Hatte, ver- 
mögen wir nicht zu jagen. Dazu kennen wir das geichichtliche 
Bild der letzteren noch nicht genau genug. Dagegen gemahnt 
mander Zug in ihm an den reihbegabten und temperament- 
vollen, aber der Seldftzucht entbehrenden Großvater. Gegen- 
über dem nüchternen, aber tüchtigen Vater, der, ohne Selbft- 
vertrauen, ein bejcheidenes Mittelmaß nirgends überragte und 
auch andere nicht gern überragen ſah, kennzeichnete ihn geniale 
Ueberſchwenglichkeit, die, das eigene Können überſchätzend, fi 
von ähnlich veranlagten Naturen mächtig angezogen fühlte und 
auf nüchternere, aber praktiſch veranlagte leicht herabjah. War 
bei dem Vater alles firenge Regel und bis zur Pebanterie 
ſtrenge Orbnung geweſen, fo ließ fi der Sohn gern gehen 
und liebte es nicht bloß als Anabe, der ihn umgebenden kon— 
ventionelen Schranken gelegentlich zu fpotten. Plöglihe Um- 
ſchläge und jähe Stimmungswechfel waren bei ihm gewöhnlich. 
Den ſchweigſamen, abgeriffen redenden Vater erkannte niemand 
wieder in biefem geborenen Redner, dem die zuftrömende Ges 
danfenfüle fi ungejucht in ſchwungvolle Worte und wohl: 
gerumbete Perioden fügte. Dagegen war er im Zuftand ber 


I. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 199 


Erregung in ben Worten nichts weniger als wähleriſch. Doch 
gingen ſolche Ausbrüche j nel vorüber und wirkten nicht weiter 
nad. Denn äußerft fenfitiv und impulfin, wurde er zumeift 
von den Wallungen feines Herzens und einer raftlofen Phan- 
tafie geleitet, — was ihn ala Menſch liebenswert und intereffant 
maden, dem Herriher aber die Erfüllung feiner ſchweren 
Pflihten unendlich erſchweren mußte. 

Vielfeitig gebildet, empfänglich für alles Gute und Schöne, 
voll jeltenen Verftändniffes für die Wiſſenſchaft und künſtleriſch 
hoch veranlagt, entbehrte Friedrich Wilhelm doch des uns 
befangenen offenen Blids für die gegebenen Verhältniffe, daher 
des guten Willens und der Fähigkeit, fi in fie zu ſchiden und 
der firengem Pflictgefühl entipringenden Gewiſſenhaftigkeit. 
Erfült von dem folgen Bewußtſein der mit der Krone über- 
tommenen Rechte, gewann er der Alltagsarbeit des Regierens 
feinen Gefhmad ab: man Magte bald über Unordnung in 
den Papieren und Verwirrung in ben Geſchäften. Selbft 
wichtige Dinge blieben liegen. Ueberhaupt war er zum Handeln 
ſchwer zu bringen. Wohl befahl er das Nächſte und ordnete 
auch Ferneres an, änderte aber leicht den Entſchluß, vergaß, 
was er verfügt hatte, und befahl erhobener Einfprade uner- 
achtet das Gegenteil. Er kannte weder Folgerichtigfeit noch 
Nachhaltigkeit des Handelns. Diefes entiprang bei ihm der 
Laune des Augenblide, nicht feften, der wechfelnden Lage gegen- 
über gleihmäßig beobachteten Grundfägen. 

Diefe ungünftige Entwidelung einer fo rei veranlagten 
Natur wird fi zum Teil aus den auf fie einwirkenden Ver— 
bältniffen erflären. Ancillon, den die Königin Luife in einer 
unglüdlihen Stunde zum Erzieher ihres Erfigeborenen be- 
rufen hatte, war mit feiner Ueberſchwenglichkeit und feinem 
Wortreihtum, die oft Unentſchiedenheit, zuweilen Zmeideutigfeit 
verbargen, wahrlih nicht der Mann geweſen, um in feinem 
Högling ftrenges Pflichtgefuhl und entichlofiene Feſtigkeit zu 
entwideln. Auch waren die Eindrüde, die diefer in der Jugend 
empfing, geeignet, viel mehr als die Verftanbesthätigleit das 
Gefühlsleben zu entwideln. Das Jahr 1813 beftärkte ihn in 
dem Glauben an ben bejonderen Schuß, den Gott dem von 


200 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten. 


ihm gejegten Rönigtum gewähre. In biefer Vorftellung von 
dem Königtum von Gottes Gnaben murzelte fein politifches 
Denken. Was er aber fo, hochgehenden Gefühle, ala Glaubens- 
gewißheit empfand, fah er erft politiſch wirkſam in Alexanders I. 
beiliger Allianz, welche die Politit den Geboten bes Heilands 
anpaſſen wollte, und in der ftaatsrettenden Thätigfeit Metter- 
nichs und dann durch Haller zu einem Syftem ausgebaut 
(S. 81), das ihm durch den Schein logiſcher Folgerichtigkeit 
imponierte. Auf diefem Grunde weiter zu bauen, bie Revo» 
Iution auch ferner nieberzuhalten, den Triumph ber in dem 
erneuten Glauben wurzelnden Reftauration zu vollenden und 
fo in Preußen den riftlihen Staat zu verwirklihen — das 
war bie Miffion, zu ber er ſich berufen glaubte. 

Wohl bezeugt bie ideale Höhe dieſes Stanbpunftes ben 
Schwung feines fittlihen Pathos. Mit den ihm zunächſt ge- 
ſtellten Aufgaben hatte er nichts gemein, nichts mit der fo 
ganz anders gearteten Wirklichkeit, unter deren Zwang es zu 
handeln galt. Erhaben über fie, wollte der König ein fein 
Volk erwedender Prophet, ein die Welt belehrender und be- 
kehrender Apoftel fein und überfah oder vergaß darüber das 
Niedrigere, aber Nähere und Dringenbere. Daraus entfprangen 
für ihn immer neue Kollifionen zwiſchen Ideal und Wirklid- 
teit, die ihn ſchmerzten und entmutigten, dann demütigten und 
exbitterten und ſchließlich feine Kraft brachen und feinen Glauben 
an die Menſchheit vernidhteten, bis fein Gemüt ſich verbüfterte 
und er von Gott der fündigen Welt zur Zuchtrute gefegt zu 
fein waähnte. 

Heute pflegt man folde Vorgänge aus einer ererbten un- 
glüdlichen Veranlagung herzuleiten und hebt jo die moralifche 
Verantwortlicfeit des einzelnen auf. Dafür fehlt hier jeder 
Anhalt. Wohl aber tritt in dem König früh ein Zug hervor, 
der zu ber verhängnisnollen Entwidelung den Schlüffel geben 
Tann. Sein Wefen krankte an innerer Unmwahrheit, deren er 
ſich teils aus Unluft, teile aus Unfähigkeit, die Dinge zu 
fehen, wie fie waren, zunächſt gegen ſich ſelbſt, dann gegen 
andere ſchuldig machte. Aus Scheu vor unliebfamen Konflikten, 
die feine Ideale bedrohten, täufchte er ſich über die ihnen feinb- 


III. Die Anfänge Friedrih Wilhelms IV. 201 


lie Wirklichkeit hinweg, indem er fi und anderen bie Mög- 
lichkeit einer Verftändigung zwifchen der realen und feiner 
Phantaſiewelt vorfpiegelte in der Hoffnung, ſchließlich doch 
durchzudringen. Dadurch machte er den zum Zufammenwirken 
mit ihm Berufenen diefes bald ſehr ſchwierig, oft unmöglich: 
ähnlich wie der Vater wollte er ftets recht haben und nahm, 
das zu erreichen, wie jener zu argen Sophiftereien feine Zuflucht. 
So erſchien er nit bloß widerſpruchsvoll, fondern zweideutig, 
und das erjchütterte und untergrub allmählich feine Stellung, 
denn es brachte ihn au um das Vertrauen feines Volkes. 
Je verfhiedenartigere Hoffnungen er bei der Vielſeitigkeit feines 
Weſens erwedt hatte, um fo mehr und fehmerzlihere Ent: 
tãuſchungen bereitete er. Bewußt aber war er ſich wenigftens 
anfangs biefer Unwahrheit kaum, fpäter aber dürfte auch an 
feiner jubjeftiven Wahrhaftigkeit zumeilen zu zweifeln fein. 
Wenn man ihn ala einen Romantifer auf dem Throne be 
zeichnet hat, fo trifft au das fein Weſen nit. In eine 
Seit geftellt, deren Tendenzen feiner auf mittelalterliche Ideale 
gerichteten Denkweiſe durchaus wiberftritien, hatte er fo wenig 
des Vaters politiihen Mut umd derb zugreifende Art, deren 
Bethätigung nieberzuhalten, wie den größeren moraliſchen Mut, 
der geſchichtlichen Notwendigkeit ins Auge zu fehen und buch 
ihre Anerkennung feine perfönlichen Liebhabereien dem Gebeihen 
des Staats unterzuorbnen. Indem er jenes nicht konnte und 
dieſes nicht wollte, zu jenem als Fürft zu ſchwach, zu dieſem 
im Glauben an fein von Gott ftammendes Konigsrecht zu ſtark 
war, geriet er, wo es Mare Entjheidung und entſchloſſenes 
Handeln galt, in widerſpruchsvolles Schwanken, das die Freunde 
irre machte und die Feinde reizte, ihn felbft aber des Friedens 
beraubte und den Staat fhließlih einer Krifis entgegentrieb, 
deren ihm ungünftigen Ausgang er niemals verwand. 

Mit größerem Jubel war nie ein König auf dem Thron 
begrüßt worden. Alle Herzen flogen ihm zu. Jeder erwartete 
für das, was ihn drüdte, von ihm das erlöfende Wort. Die 
neue Seit, ber jein Vorgänger fih hart verfagt hatte, ſchien 
in ihm ihren Vertreter zu finden. Die Leutfeligfeit, mit der 
er fich fo ungegwungen und herzlich gab, bie Fülle von Geift 


202 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten, 


und Gemüt, die er entwidelte, indem er für jebe ber ihn 
huldigend umdrängenden Deputationen eine beziehungsreiche 
Antwort hatte, der Freimut, mit dem er bei aller Pietät gegen 
des Vaters Andenken doch dem Fortſchritt huldigte, und die 
weiten, wenn aud unbeftimmten Perfpeftiven, die er dafür 
eröffnete, gewannen ihm begeifterten Beifall. Sobald es aber 
zu handeln galt, war er ben einen zu liberal, den anderen 
nicht liberal genug. Jene vermerkten es übel, daß er bisher 
geübtes Unrecht als ſolches anerkannte und abftellte. Eine 
Amneftie gab den auf den Zeitungen ſchmachtenden Burſchen⸗ 
ſchaftern die Freiheit. Jahns Internierung und Arndts Su: 
ſpenſion (S. 107) wurden aufgehoben, Die außerordentliche Unter- 
fuhungsfommiffion befeitigt. Preußen ſchickte fih an, wieder 
den Plag an ber Spige des geiftigen Lebens von Deutſchland 
einzunehmen. Rüdert und die Gebrüder Grimm wurden nad 
Berlin berufen. Der legteren Zugehörigkeit zu den Göttinger 
Sieben gab diefem Schritt befondere Bedeutung. Auch Dahl: 
mann fam 1842 als Profeflor nah Bonn. Der Pflege der 
Kunft eröffnete die Berufung von Cornelius (1783—1867) 
und Felix Mendelsfohn-Bartholdy (1809 —47) frohe Ausſichten. 
Stein, Hardenberg, Gneijenau und York follten Statuen er: 
richtet werden. Der Orden pour le mörite wurde durch eine 
Friedensklaſſe für Kunft und Wiffenfhaft erweitert. Daß bei 
alledem Alerander v. Humboldt als Berater und Vermittler 
thätig war, verflimmte freilich die reaftionären Kreiſe. Um 
fo mehr billigten fie die damit kaum vereinbare Berufung des 
Erlanger Profefiors F. 3. Stahl (1802—61) an die Berliner 
Univerfität. In ihm gewann ihre Geiftesarmut einen fharf- 
finnigen und ftreitbaren Verbündeten. Denn in feiner „Redhts- 
und Staatslehre” Hatte Stahl eine neue ſtaatsrechtliche Theorie 
entwidelt, die, gegründet auf den perjönlichen Gottes: und 
den chriſtlichen Offenbarungsglauben, den Staat darftellte ala 
beruhend in göttlider Vollmacht und daher verpflichtet, feine 
Ordnungen in allem dem göttlichen Gebot anzupaffen und auch 
die dieſem entfremdete Wiſſenſchaft zur Umkehr anzuhalten. 
Sie traf mit des Königs innerfien Gedanken und Wünfchen 
zufammen und gewann auf feine Stellung zu den politiſchen 


II. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 203 


Fragen der Zeit großen Einfluß. Bedenken erregte aud bie 
Berufung Schellings (1775—1854), deſſen unklare Offen- 
barungsphilofophie, die Geltung Hegels zu brechen beflimmt, 
nit bloß ernfte Kritik, fondern auch bitteren Spott heraus- 
forderte. Helle Entrüftung aber erregte es, als der übel- 
berufene Haflenpflug, des heſſiſchen Kurfürften ſkrupelloſer 
Handlanger bei Bejeitigung der Verfaflung von 1830, als Rat 
beim Obertribunal verforgt wurde. Selbſt den Toleranteften 
war ein folder Eklekticismus denn doch zu weitherzig. 

Auch jonft offenbarte die neue Regierung beſorglichen Mangel 
an feften Grunbfägen und feßte gleichzeitig Kräfte in Bewegung, 
die gegeneinander wirken mußten. Während zum Entjegen 
des Minifters v. Room Schön bejondere Gunft genoß, der 
Rammergerichtspräfident v. Grolmann (1781—1856), Alerander 
v. Humboldt und General v. Boyen (Juli 1840) in den Staate- 
rat berufen wurden, der legtere im Februar 1841 fogar das 
Kriegaminifterium wieder übernahm, bei alem Verdienſte, Talent 
und Eifer dod den gewandelten Verhältniffen nicht völlig ge- 
wachſen, zumal die Reaktionäre in der Armee und aud des 
Königs Bruder, der Prinz von Preußen, an feinem Liberalis- 
mus Anftoß nahmen und ihn ala Demokraten verfchrieen, wurde 
in dem Kabinettsminifterium Graf Lottum (S. 136) durch 
General v. Thile erfegt, einen myſtiſch ſchwärmenden Frömmler, 
der in Friebrih dem Großen einen fo argen Heiben ſah, daß 
er höchſtens feine hiſtoriſchen Schriften gedrudt jehen wollte. 
Obgleich er fih rühmte, die Menſchen als Kunſtwerk zu be 
traten und zu beurteilen, vergriff fi der König bei der 
Belegung der wichtigften Aemter. Als Gelehrter eine Leuchte 
feiner Wiſſenſchaft, fpielte Savigny feit dem März 1842 als 
Minifter der Geſetzgebung eine üble Role. Geradezu unheil- 
voll aber wurde die Berufung des bisherigen Direktors im 
Auswärtigen Amte 3. A. F. Eichhorn (1779—1850) an die 
Spitze des Kultus und Unterrichts. Einft als Patriot bewährt, 
ein Gehilfe Harbenberge und verdient um den Zollverein 
(S. 154), und als deshalb in Wien mißliebig von Friedrich 
Wilhelm II. zurüdgefegt, erhielt er im Auguft den Reflort, 
ber, ihm bisher völig fremd, jegt befondere Schwierigeiten 


204 Dritte Bud. An ber Wende der Zeiten. 


bot, weil gerade er ben König lebhaft intereffierte und zu 
perfönliher Einmifhung befonders reizte. „Schaffen Sie mir 
das Altenſteinſche Pad weg: es find ja doch nur Hegelianer und 
Rationaliften,“ follte er Eichhorn bei der Ernennung vor- 
geihhrieben haben. Und wirklich wurde der Freund Niebuhrs 
und Schleiermachers der Träger eines Syftems, das Preußen 
ſchweren Schaden that und namentlih die Univerfitäten um 
die ſelbſt zur Zeit der Demagogenverfolgungen gewahrte geiftige 
Freiheit zu bringen drohte. 

Was Altenftein damals forgfamft gehütet und Liebevoll 
gepflegt hatte, follte jegt ausgerottet werden. Ein förmlider 
Kriegszuſtand herrſchte bald zwiſchen Eichhorn und der Mehr: 
beit der Univerfitätslehrer, die fih für die Vertretung ihrer 
Anfihten und Rechte gelegentlich ſchulmeiſterlich zurechtgemiefen 
fahen. Mipliebige Privatdozenten wurden befeitigt, fi neu 
babilitierende follten nur auf eine beftimmte Zeit zugelaſſen 
werben. Der alabemifche Unterricht follte ftatt in Vorträgen, 
in dialogiſcher Form erteilt und fein Erfolg durch regelmäßige 
Prüfungen fhulgemäß überwacht werben. Für die höheren 
Säulen wollte Eihhorn von Staats wegen Lehrbücher aus 
arbeiten laſſen, und zwar zunähft für die Geſchichte. Ent: 
fremdete er fo ſchnell den geiftig führenden Teil der Nation 
dem König, fo erregte bie Behandlung der Volksſchule, deren 
geiftigen Vater Peſtalozzi durch ein Denkmal ehren zu helfen 
ber König ablehnte, weil nicht der rechte Krifllide Sinn dabei 
fei, nach ausſchließlich kirchlichen Geſichtspunkten nicht geringere 
Bedenken. Alles drehte ſich da um dem Religionsunterridt. 
Weil er das befämpfte, wurde ein Mann von dem BVerbienfte 
Diefterwegs an ber Spite des Berliner Schulwefens unmög- 
lid. Dem materiellen Elend aber, das auf den preußiſchen 
Volkeſchullehrern laftete, wurde ebenjo wenig abgeholfen wie 
dem Mangel an Schulen, bie nicht entfernt ausreichten, um 
auch nur der Mehrzahl der ſchulpflichtigen Kinder den geſetz⸗ 
lichen Unterricht zu fihern. Den heftigften Wiberftand aber 
fand Eichhorn, als er im Bunde mit Savigny in Webereins 
fimmung mit den Anregungen, bie der König 1842 aus Eng⸗ 
land heimgebracht.hatte, und getragen von bem Beifall der Gerlach 


I. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 205 


und Thile auch die Grundlagen bes gejellihaftlihen Lebens 
in bem gleichen frömmelnden Sinne zu ordnen unternahm durch 
ein Eheſcheidungsgeſetz, das mit ben freien Grunbfägen bes 
allgemeinen Landrechts bredien und Gottes Wort, wie jene 
Srömmler es verftanden, zur Herrihaft bringen follte, aber 
ſelbſt bei gut Kirchlichen auf fo entſchiedenen Widerftand ſtieß, 
daß es wenigftens in ber urfprünglich beabfichtigten Faſſung 
nit durchgeſetzt werden konnte, obgleih, wie der Prinz von 
Preußen im Staatsrat enthüllte, die Gerlah und Genoffen 
namentli in Pommern Zuftimmungserflärungen provozierten. 

Zu alledem fiimmte die Behandlung der Preſſe. Wohl 
hatte der König erklärt, eine verfländige und mohlmeinende 
Beipredung von Gegenftänden auch ber Verwaltung folle nicht 
gehindert werden. Nur veranlaßten bie Zenforen, deren Lage 
freilich recht peinlich war, durch Willkur und Chifane immer 
neue Klagen. „Die Zenfur ift eine Sauerei von einem Ende 
bis zum anderen,“ ſchalt ber König. Denn für jener Ver: 
fehen machte die öffentlide Meinung ihn verantwortlid, da in 
feinem Namen Verbote erlafien, Unterfuhungen geführt und 
Strafen verhängt wurden. Es wollte aber doch nichts be: 
deuten, wenn er im Oftober 1842 die Preßbeſchränkungen auf 
das durch die Karlsbader Beſchlüſſe urfprünglich feftgefegte Maß 
zurüdführte. Drudigriften von. über zwanzig Bogen blieben 
zenfurfrei, wenn Verfaſſer und Verleger auf dem Titelblatt 
genannt waren. Für die Tagesprefle mar damit aber jo wenig 
gewonnen wie dur die Einjegung eines Oberzenfurgerihts, 
in dem wenigſtens einige Richter Pla fanden, wirklih in 
gerichtlichen Formen verhandelt und eine Begründung der ver: 
Öffentlichten Erfenntnifie gegeben wurde. Won Freiheit ‘der 
Preſſe aber wollte der König nichts mehr wiſſen, feit fie ihn 
vielfach perſönlich angriff.. Veſonders kränkte es ihn, daß die 
junge politiſche Dichtung, die ihn erft auch gefeiert hatte, bald 
nur noch Hohn und Spott für ihn hatte. Freilich verſchuldete 
er das zum Teil felbft durch die unbedachte Art, wie er den 
damals hochgefeierten Georg Herwegh zum Vertreter einer ge 
finnungstüdtigen Oppofition zu ftempeln ſuchte, dann aber, 
als dieſer ihm derb abjagte, polizeilich verfolgen ließ. Aehn- 


206 Dritted Bud. An der Wende der Zeiten. 


lich erging es F. Zreiligrath. Hoffmann von Fallersleben büßte 
feine „Unpolitifhen Lieber” mit dem Verluft feiner Profeſſur 
in Breslau, während die giftigen Pfeile, die Heine von Paris 
aus abſchoß, die Hamburger Buchhändler Hoffmann und Kampe 
entgalten, beren gefamter Verlag in Preußen verboten wurde. 
Der König fühlte fi nicht verftanden und fing an eine Zeit 
zu haſſen, die feine Fürftenliebe mehr kannte. Denn die Schuld 
an ben beflagten Uebeln ſah er nur bei ben Gegnern und ihrer 
Agitation in der Preſſe. Ihr wollte er Einhalt thun, indem 
er auf diefem Gebiete ohne Ruckſicht auf die gegebenen Ber- 
bältniffe mit ber ihm eigenen fubjeltiven Willkur die ihm 
gutdünfende Ordnung als die allein berechtigte proflamierte. 
Nah wie vor wolle er, erklärte er am 4. Februar 1843, die 
Wiſſenſchaft und ihre Mitteilung von jeder Feflel frei jehen, 
um ihr den gebührenden Einfluß auf das geiftige Leben ber 
Nation zu ſichern. Auch der Tagesprefle wolle er da, wo fie, 
ihres wahren Berufs eingedenk, ſegensreich wirken könne, alle 
zuläffige Freiheit geftatten. Aber er wolle nicht die Auflöfung 
der Wiſſenſchaft und Kitteratur in Zeitungsfchreiberei, nicht 
die Gleihftellung beider in Würde und Anfprühen und nicht 
die ſchrankenloſe Verbreitung verführerifher Irrtümer und ver 
derblicher Theorien über die heiligften Angelegenheiten der Ges 
ſellſchaft in Kreifen, die leichter Zeitungsleftüre zugänglicher 
feien ald Produkten ernfter Wiſſenſchaft. Wieder war hier eine 
richtig erfannte Wahrheit entwertet duch unduldfamen Ueber: 
eifer in ihrer Geltendmadhung. 

Dafür mahte man vielfah bes Königs Umgebung und 
insbefondere ben Einfluß gemiffer Vertrauensmänner verant: 
wortlih. Das waren lauter Gegner der liberalen Beitrichtung. 
Zwar ſah fi) die alte Beamtenhierardie zurüdgebrängt. Auch 
Ariftofraten und Militärs kamen nad ihrer Meinung nicht 
gebührend zur Geltung. Denn am wirkjamften empfohlen wurbe 
man jegt bei Hofe durch Frömmigkeit. Ihr verdankte der Oberft, 
nadmalige General Leopold v. Gerlah (1790—1861), der 
Chef des Militärfabinetts, feinen Einfluß, ein Betbruber in 
Uniform, ber fi berufen glaubte, fein aus Haller und Stahl 
kombinierte chriſtliches Staatsideal durch den von ihm beein 


HI. Die Anfänge Friedrih Wilhelms IV. 207 


flußten König verwirklichen zu laffen. Fromm jein oder wenig: 
ftens fi vor den Augen der maßgebenden Kreife fromm zeigen 
wurde Mode. Es dauerte nicht lange, jo waren für bie vor« 
nehme Welt Betflunden, was ehemals eine partie fine, wo 
Heiraten geftiftet, Beförderungen gemacht und Geſchäfte eins 
geleitet wurden. Die Beamtenfhaft folgte dem Beifpiel des 
Hofes, denn der König fand vollends Gefallen daran, feit 
er 1842 bei feinem Beſuche in England zur Taufe bes 
Prinzen von Wales die halb römiſchen Kultformen der eng- 
liſchen Hochkirche mit ihrer jelbftgefälligen Schauftellung ber 
Frömmigkeit Tennen gelernt hatte. Preußen follte mit der 
engliſchen Sonntagsheiligung beglüdt werben. Die Theater 
mußten an den Vorabenden ber hohen Kirchenfeſte geſchloſſen 
bleiben. Beraten von Bunſen, ſchien der König die Anglifierung 
der preußiſchen Lanbesfirhe zu erfireben. Dadurd gewann 
ber hochgebilbete, geiftig erjtaunlich bewegliche und formgewandte 
Mann, der trog feiner Gefühlsfchwelgerei und feinem bes 
geifterten Optimismus in allen Sätteln gerecht ſchien, auf den 
ihm geiftesverwanbten König einen geradezu verhängnisvollen 
Einfluß, und es lag nicht an ihnen beiden, wenn er nicht zu 
einer politifc leitenden Stellung berufen wurde. Neben ihm 
trat dem König Oberft v. Radowitz nahe, der den kurheſſiſchen 
Dienft hatte verlaffen müfjen, weil er fich der Rurfürftin gegen 
ihren rohen Gatten ritterlih angenommen hatte, aud ein 
Mann von vieljeitiger Bildung und auf den verſchiedenſten Ge 
bieten bilettierend, ein guter Katholik und als folder ebenfalls 
romantiſch ſchwärmend für die Herrlichkeit des Mittelalters, 
doch auch ein warmherziger Patriot und als Staatsmann nicht 
ohne eine gewiſſe Genialität, aber aud da nur Dilettant. 
Gleich fein erftes diplomatiſches Auftreten verſprach nicht eben 
viel. Angefihts des drohenden Krieges mit Frankreich, wurbe 
er im Oktober 1840 mit General v. Grolmann nad Wien 
geihidt, um eine Verbefierung der Bundesfriegsverfaflung zu 
betreiben. In betreff berjelben blieb es freilich bei dem 1832 
Zereinbarten, doch nahm man endlich ben Ausbau Raftatts 
und Ulms zu Bunbesfeftungen in Angriff und erftrebte Die gleich" 
mäßigere Ausbildung der Bundesarmeecorps durch bie Ein. 


208 Drittes Bud. An der Wende ber Zeiten. 


führung von Militärinfpektionen. Gern vergalt Defterreich durch 
diefe wertlofen Zugeſtändniſſe das überſtürzte Entgegenkommen 
Preußens, das unaufgefordert erklärte, jeden Angriff auf das 
öfterreichifche Jtalien als gegen ſich ſelbſt gerichtet anfehen und 
dem Bunde für diefen Fall die vollommenfte Solidarität vor⸗ 
ſchlagen zu wollen. Nun fam es ja infolge von Thiers’ Sturz 
nicht zum Kriege, und das Erwachen des deutſchen National 
gefühls, dem Nikolaus Beders: „Sie follen ihn nicht haben ben 
freien deutſchen Rhein,“ glüdlihen Ausdruck gab, kam nicht 
Preußen und nicht feinem hochgemuten König zu gute. 

Denn undeutſch war die Politit, melde diefer in der 
wichtigften der von ihm zunächft zu löfenden Fragen, dem Kölner 
Kirchenftreite, verfolgte. Auch widerſprach fie den Vorftellungen 
von dem gottgefegten Recht des Königtums, bie er font fo 
emphatiſch bekannte. Daß er des Vaters Standpunkt nicht 
teile, hatte ſchon der Kronprinz allzu deutlich zu erfennen ges 
geben (S. 193). Aber was er jest that, übertraf doch alle 
Befürchtungen. Daß er dem leidenden Drofle noch größere 
Freiheit geftattete, war nur zu loben. Aber mit Staunen ſah 
man, daß Dunin ohne befonbere Verpflichtung nad Poſen 
zurüdkehren durfte. Wie ein Triumphator empfangen, nahm 
er in betreff ber gemijchten Ehen alabald wieder den alten 
Standpunkt ein. Der Konflikt erneute fi) fofort, nur daß der 
Staat die Vertreter feiner Gerechtſame jegt nicht mehr fügte. 
Der Biſchof von Breslau, Sedlnitzky, dankte ab; er trat jpäter 
zum Proteftantiemus über. Auch in der Kölner Sahe war 
der König bereit, der römischen Kurie ben geforderten Preis 
für den Frieden zu zahlen, nur wollte er dabei die Genug» 
thuung haben, daß das als fein perfönliches Werk erfchien. 
Dur) einen perſönlichen Vertrauensmann, Graf Brühl, unter: 
handelte er jeit dem Sommer 1840 in Rom. In Sachen ber 
gemifchten Ehen hatte ja bereits Friedrich Wilhelm III. prin- 
zipiell nachgegeben (S. 192). Sie fpielten feine Rolle mehr 
in dem Ausgleih, den im September 1841 Brühl und der 
Rarbinalitaatsfekretär Lambruschini durch den Austaufch ſchrift⸗ 
licher Erklärungen vereinbarten. Der Staat verzichtete nun 
aud auf das Königliche Placet, gewährte freie Biſchofswahlen 


IN. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 209 


nad den Vereinbarungen von 1821 (©. 187) und ftellte bie 
Entſcheidung aller theologiſchen Fragen, aljo auch das Schidjal 
ber Hermefianer, der Kirche anheim. In betreff Droftes einigte 
man fi dahin, daß er, in ehrenvoller Weife aus Köln ent» 
fernt und von den einft gegen ihn erhobenen Anſchuldigungen 
ausbrüdlic losgeſprochen, auf Koſten der preußifchen Regierung 
anderweitig verforgt, die Erzbiözefe aber mit feiner Zuftimmung 
bis zu feinem Tode von einem Koadjutor mit dem Rechte der 
Nachfolge verwaltet werden follte. Für diefe wichtige Stellung 
wurde der derzeitige Biſchof von Speier, Johannes Geiffel, 
außerjehen, ein Mann von allgemeiner Bildung, mannigfacher 
litterarifcher Bewährung und großen adminiftrativen Talenten 
und dabei troß feiner ftreng römiſchen Denkweiſe von gewinnenden 
Formen, vor allem aber ein geborener Diplomat. Das bewies 
er durch die Art, wie er zwifchen ben widerftreitenden Faltoren, 
der Kurie, der Regierung und dem ftarren Drofte, vermittelte, 
die nötige Uebereinftimmung berbeiführte und babei doch feinen 
Diözefanen gegenüber der Vertreter der von Drofte bekannten 
Prinzipien blieb. Wirkli gab der König Drofte die verheißene 
Ehrenerflärung, die bei Geiſſels Amtsantritt im Januar 1842 
im Staatsanzeiger veröffentlicht wurde. Indem er befannte, 
er babe den Erzbifchof revolutionärer Umtriebe nie für ſchuldig 
gehalten, erflärte er feine Verhaftung geradezu für ungeſetzlich. 
So vollendete die Mebernahme der Verwaltung der Kölner 
Diözefe durch Geiffel am 4. März 1842 die Nieberlage der 
preußifchen Regierung, zumal berfelbe nicht bloß durch einen 
feinem Wortlaut nah mit Eichhorn vereinbarten Hirtenbrief 
Droftes eingeführt wurde, fondern feinerfeits erklärte, ganz 
nad deſſen Grundfägen verfahren zu wollen. Diefer erhielt 
den Karbinalspurpur — die Hälfte des Gehaltes zahlte die 
preußiſche Regierung — und zog fi in das Privatleben zurüd, 
in den Augen ber Kirche nad wie vor rechtmäßiger Erzbiſchof 
von Köln (geft. 19. Dftober 1845). Und dennod bejubelten 
die Gerlach und Genofien biefen Ausgleih als „glänzend“. 
Weit überlegen hatte fi die kuriale Diplomatie den 
preußifchen Staatsmännern gezeigt. In der Frage der ger 
miſchten Chen bereits Siegerin, hatte fie die Fatholifierenden 
Prus, Preubiſche Geſchichte IV. 14 


210 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten. 


Neigungen bes Königs benugt, um auch in anderen weit- 
gehende Zugeftänbnifie zu erlangen. Die Leitung der Klerikal« 
jeminarien, welde die theoretiſch vorgebildeten Alerifer für die 
Seelforge praktiſch ſchulen, gab der Staat völlig aus der Hand. 
Die die Hermesſche Philofophie vertretenden Bonner Profefioren 
blieben zwar im Amt, doch wurden neben ihnen Firdhlich recht⸗ 
gläubige beftellt und dieſe wie alle katholiſchen Religionglehrer 
in ber Ausübung ihres ftaatlihen Lehrauftrages abhängig ges 
macht von der Erteilung ber Erlaubnis dazu aud dur bie 
Kirche (missio canonica). Die bifhöflihe Disziplin über den 
Klerus wurde thatſächlich von jeder ſtaatlichen Kontrolle be- 
freit, da Eichhorn das theoretifch feftgeftellte Recht des Staates, 
als Rekursinftanz angerufen zu werben, ſelbſt als eine praktiſch 
wertlofe juriſtiſche Fiktion bezeichnete. Und noch nicht genug 
mit alledem! Unter dem Schuß dieſes Friedens ſetzte bie 
katholiſche Kirche den in offener Auflehnung begonnenen Er: 
oberungszug gegen den Staat fort, vom Staat ſelbſt geförbert, 
der ihr verblendet in feinem Verwaltungsapparat das Organ 
dazu ſchuf, indem er einer früheren Anregung bes Königs von 
Württemberg ‚gemäß in dem KRultusminifterium eine beſondere 
Abteilung für katholiſche Angelegenheiten errichtete. 

Selbft ein Nagler hatte zu Beginn bes Kirchenſtreites ger 
meint, ein Triumph der Hierarchie fei faft unmöglich: es ger 
nüge, ihr durch Seftigfeit das Spiel zu verderben. Der Abfolutift 
und Reaktionär hatte genau fo wie die liberalen Gegner ber 
aufftrebenden Hierarchie das perfönliche Moment nicht in Rech» 
nung gezogen, vermöge deſſen jeßt in Preußen bie prinzipiell 
Harften Dinge unberedenbar verwirrt wurden. Als er, bes 
Vaters Politik verleugnend, Ehre und Recht des Staates Rom 
gegenüber preisgab, war bas nicht des Königs Abſicht und er 
fich deffen, was er damit that, nicht bewußt, fondern er meinte 
nur der Kirche als folder zu erweiſen, was er ihr als Chrift 
und Fürft ſchuldig war. Denn in feinen Augen war es Pflicht 
bes Staates, feine Ordnungen in allem dem Gebote Gottes 
anzupafien. Er gewährte der katholiſchen Kirche, was er als 
Recht auch feiner Kirche anfah und ihr durch Eichhorn zu ges 
währen auf dem Wege war, beachtete nur nicht, daß in der 


I. Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV. 211 


Landeskirche der oberfte Bifhof und der Träger der Staats- 
autorität eine Perfon waren. So war es denn au nicht bloß 
tünftlerifhes Intereſſe, was ihn für den Kölner Dom und 
deſſen Vollendung begeifterte. Vielmehr brachte er dadurch dem 
mittelalterlihen SKirhentum eine Qulbigung bar, bie ben 
Proteftanten mit gutem Grunde Anftoß gab. Der Unterſchied 
der Konfeffionen wurde in unklarer Gefühlsfhwärmerei ver: 
büft, als ob er in einer höheren Einheit ausgleihbar wäre. 
Schon trauten mande dem phantaftifhen Sinn bes Königs 
einen Plan der Art zu. Die Errichtung eines evangeliſchen 
Bistums in Jerufalem in Gemeinihaft mit England ſchien die 
Vorſtufe dazu. Diejelben Saiten ſchlug das Kölner Dom: 
baufeit (2. September 1842) an, zumal es zugleich den Frieben 
mit Rom feiern follte, mochte daneben auch in Erinnerung 
an bie unlängit beftandene Gefahr eines Krieges mit Franf- 
reich der beutjchnationale Ton ſtark mitklingen. Die Hod- 
romantifche katholiſierende Geiftesrihtung des Königs bethätigte 
fih auch in der Erneuerung des Schwanenordens Kurfürft 
Friedrihe IL (8b. I, S. 154), in dem bie Proteftanten 
Tatholifhen Mariendienft, die Katholiken proteftantiihe Ent⸗ 
artung jahen. Man bedauerte, den König fi in Altertümeleien 
verlieren zu fehen in einer Zeit, die andere Dinge verlange 
als ein Lieblofen der Vergangenheit. Der Gegenjat der Kon- 
feffionen, den er verhüllen wollte, verfhärfte und verbitterte 
fi. Die herausfordernde Haltung des katholiſchen Klerus trieb 
alle Gebildeten zur Abwehr des mittelalterlihen Dunkels, das 
unter dem Schuß der Föniglichen Romantik hereinzubrechen drohte. 
Als eine Herausforderung an die Kultur des Jahrhunderts wurde 
es empfunden, daß Bifhof Arnold 1844 die in Trier aufs 
bewahrten Heiligtümer, zumal den ungenähten Rod Chrifti, 
ausftellte und ungezäblte Mafjen fie zu verehren dorthin pil- 
gerten, au die üblihen Wunder nicht ausblieben. Selbft in 
der katholiſchen Kirche erhob ſich Widerſpruch. Johannes Ronge, 
ein ſchleſiſcher Priefter (1813—87) ſchrieb „Gegen das Gögen- 
feft zu Trier an den daſigen Biſchof als an ben Tetzel bes 
19. Jahrhunderts“ und fammelte in Breslau eine Heine Ge- 
meinde Gleichdenkender um fid. Cine ähnliche Bewegung ver- 


212 Drittes Bud. An der Wende ber Zeiten. 


anlaßte ein junger Priefter Johann Czersfi in Schneidemühl. 
Ihre Vereinigung führte zu dem Verſuche einer Erneuerung ber 
katholiſchen Kirche auf nationaler Grundlage und unter An: 
lehnung an bie Iutherif he Reformation in deutſch-katholiſchen 
Gemeinden. An innerer Halbheit und Inkonſequenz krankend, 
hatten fie in Preußen zudem die Regierung entſchieden gegen 
fih. Sie verbot die VBenugung der von duldſamen prote- 
ſtantiſchen Gemeinden ihnen eingeräumten Kirchen, geftand den 
Amtshandlungen ihrer Geiftlichen Feine rechtlichen Wirkungen zu 
und behandelte ihre Glieder als bürgerlich nicht vollberechtigt. 
Und babei ftanden fie der päpftlichen Kirche gegenüber doch 
nit weſentlich anders als die Altlutheraner der Union gegen- 
über, denen der König nad ber Thronbefteigung Glaubens- 
freiheit gewährt hatte. Aber diefe waren Vorfämpfer bes 
Buchſtabens, dem bie Deutih-Katholiten ebenfo wie die auf 
dem Boden bes Proteftantismus entftandenen Vereine ber Licht⸗ 
freunde und Proteftantifhen Freunde ben Geift des Chriften- 
tums entgegenfegten. Für fie war daher in dem Preußen 
Friedrich Wilhelms IV., Eichhorns und Gerlachs fein Platz. 
Diefe religiöfen Kämpfe und kirchlichen Gegenfäge aber wirkten 
auf das Bol um fo verflimmender und aufreizender, als ihm 
die fo heiß erfehnte thätige Teilnahme an dem Staate nad 
wie vor verfagt blieb. 


IV. Berfalfungsexperimente. 1840—1847. 


Friedrich Wilhelm III. Hatte bie Verfafungsfrage zum 
Schweigen gebradt, fein Volk ſich einftweilen in Geduld be- 
ſchieden. Bon feinem Nachfolger aber als dem Träger einer 
neuen Zeit erwartete es das erlöfende Wort, während er doch 
als Verehrer mittelalterlihen Ständeweſens bereits Harben- 
bergs Entwürfe erfolgreich belämpft hatte, bie Bufage vom 
22. Mai 1815 für unverbindlich erklärte und nur den Erlaß 
vom 17. Januar 1820 gelten ließ, ber für fünftige Anleihen 
die Mitgarantie der Reichsſtände forderte. Wie dieſe zu ge- 
falten feien, wußte er freilich felbft no nit. Um fo ent» 
ſchiedener erfaßte die öffentliche Meinung das Ziel, mußte fi 
aber trog aller Gutgläubigleit bald überzeugen, daß man noch 
weit bavon entfernt fei. Wohl hätte fi dur ein Kompromiß 
ein Webergang anbahnen laſſen, der menigftens aus ber bis- 
herigen Stagnation wieder zur Bewegung hinübergeleitet und 
den Glauben an weiteren Fortſchritt geftärkt hätte. Wie leicht 
wäre damals die noch fo genügfame öffentlihe Meinung zu 
gewinnen geweſen, hätte fie fi einem Willen gegenüber ge⸗ 
ſehen, der ſich durch irgend eine, wenn auch beſcheidene pofitive 
Leiſtung bethätigte! Daß bies nicht geihah, daß ber König 
fein Volk ohne Lofungswort ließ, wurbe verhängnisvoll. Statt 
als Führer voranzugehen, wurbe er vielmehr ber Gegenftand 
des Ringens zwiſchen der Reaktion, bie ihn durch die Ber- 
quidung von Politit und Religion an ber empfindlichſten Stelle 
faßte, und den Liberalen, bie ungebuldiger andrangen. Beide 
wollten feine Autorität benugen, um Siele zu erreichen, die 
nit bie feinen waren. So fah er fi bald nad) biefer, bald 
nad) jener Seite zur Abwehr genötigt, verftand fi mit feinem 
feiner Minifter recht und beflagte ihre Uneinigfeit. Von einer 


214 Drittes Buch. An der Wende der Zeiten. 


Verfaſſung wollten die einen überhaupt nichts wiflen, bie 
anderen höchſtens die Provinzialftlände ausbauen, und nur 
einzelne hielten das Einlenfen in Tonftitutionelle Bahnen für 
geboten, weil bloß dann Preußen eine leitende Stellung in 
Deutichland gewinnen könne. So hing aud) hier alles von 
dem König perſönlich ab, und das führte bei feiner unberechen- 
baren Impulfivität zu Konflikten ſelbſt da, wo folde ſachlich 
nit begründet waren. 

Der König wollte zunächſt gemäß dem legten Willen des 
Vaters (S. 196) die Stände der einzelnen Provinzen zur 
Huldigung verfammeln und babei befiimmen, daß fie je vier 
Deputierte wählten und dieſe mit 32 von ihm zu ernennenben 
Staatsratsmitgliedern als Reichsſtände anerkannten. Dann 
werde er freier und mächtiger baftehen als vorher. Daß die 
Provinzialftände zu einem ſolchen Anerkenntnis nicht legitimiert 
waren, überfah er. Nachmals hat er geklagt, fein Vorhaben 
fei gefcheitert an dem Widerfprud der Minifter und den fonft 
von ihm um Rat Gefragten: nur Boyen habe e& gebilligt. Auf 
diefelbe Art hat er alle Zeit die Verantwortung für begangene 
Fehler von fi abzumwälzen geſucht: den Königlichen Mut des 
eigenen Willens bat er nie befefien. Zunächſt geichah daher 
überhaupt nichts. Doc wurden die Stände ber beiden nit 
dem deutſchen Bunde angehörigen Provinzen Preußen und Poſen 
auf Anfang September zur Erbhuldigung nad) Königsberg ge: 
laden. Indem er fie aufforderte, altem Braud gemäß anzu: 
geben, welche Privilegien fie beftätigt zu fehen wünſchten, und 
zwölf Mitglieder ber Ritterſchaft als Vertreter bes Herren- 
flandes zu wählen, fingierte er zwiſchen den 1823 auf neuer 
Grundlage und zu neuen Sweden gejdaffenen und den alten 
preußifchen Ständen einen Bufammenhang, der thatſächlich 
nit beftand, und mutete daraufhin jenen einen Schritt zu, 
der durch Schaffung einer vollendeten Thatſache jeine mittel- 
alterlich ftändifhen Ideale der Verwirklihung näherte. 

Wieder lag die Entſcheidung über das Schidfal Preußens 
in der alten Oſtmark, und wieder bewährte deren Bevölferung 
zum Heil des Ganzen richtigen politifhen Takt und tapferen 
Freimut. Jubelnd empfangen, zog das Herrſcherpaar am 


IV. Berfoffungserperimente. 215 


29. Auguft in Königsberg ein. Gewann bie Liebenswürbigkeit 
des Königs aller Herzen, jo ermedte die Art, wie er ben Ober« 
präfidenten v. Schön auszeichnete, politiſche Hoffnungen, die 
gelegentliche Aeußerungen zu einzelnen Landſtänden fteigerten. 
Auf dem preußiſchen Provinziallandtage hatte flets regeres 
Leben geherrſcht; die parlamentarifhen Formen hatten da leicht 
Eingang gefunden, und ohne den Widerfprug der Regierung 
wäre auch die vorgefchriebene Sonderung ber Stände in dem 
Sigungsfaale längft bejeitigt gemeien. So überrajchte es kaum, 
daß am 5. September Schön in ber Eröffnungsrebe bie ver- 
heißene Aſſekuration der ftändifchen Privilegien ala Weberbleibfel 
aus ber Zeit bezeichnete, wo Klöfter und Zünfte für Kultur- 
träger gegolten hätten, und ſich auch gegen die Wahl von 
Vertretern eines Herrenftandes ausſprach. Diefe wurde ein 
fimmig abgelehnt, in betreff der Aſſekuration aber auf An- 
trag des Königsberger Kaufmanns Heinrich, den auch der Adel 
lebhaft unterftügte, am 6. September mit 89 gegen 5 Stimmen 
beſchloſſen, den König zu bitten, er möge gemäß ber Ver: 
ordnung vom 22. Mai 1815 einer in Berlin zu ernennenden 
Kommiſſion mit Zuziehung der Provinzialftände die Ausarbeitung 
einer ſchriftlichen Urkunde als Verfafjung des preußifchen Reichs 
nad) den in befagter Verordnung feftgeftellten Grundſätzen aufs 
tragen und dieſe Verfafjung der preußifhen Nation verleihen. 

Die Tragweite des Beſchluſſes, der fih genau dem Wort- 
laut der angezogenen Erlaſſe anfchloß, wurde erft allmählich 
offenbar. Auch entbehrte die wohl von Schön infpirierte Hals 
tung der Stände nicht einer gewiflen überlegenen Feinheit gegen- 
über dem wohlberechneten Vorgehen bes Königs. Wollte biefer 
den Landtag durd die Fiktion, die Stände von 1823 feien 
eins mit den alten preußiſchen, zu einem ihn für bie Zukunft 
bindenden Schritte vermögen, fo acceptierte derjelbe dieje, ins 
dem er bie übliche Hulbigungsgabe von 100000 Gulden bar 
brachte, aber auf die Erneuerung der veralteten flänbifhen 
Privilegien verzichtete, weil fie nur dem Teil, nicht dem Ganzen 
zu gut kämen, wohl aber aud in Zukunft beredhtigt fein wollte, 
vor jeder Erbhuldigung die Wünfche des Landes an den Thron 
zu bringen, und nur die Erfüllung der Zufage vom 22. Mai 1815 


216 Dritte Bud. An der Wende der Zeiten. 


erbat. Die den Beſchluß begründende Denkſchrift führte dies 
jelbe maßvolle, loyale und vertrauensvolle Sprache, die auf 
dem Landtage gehört war. 

Dem entſprach auch ihre Aufnahme. Zunächft zwar braufte 
der König auf, wurbe aber durch Schön beſchwichtigt und be- 
kannte, eigentlich dasſelbe zu wollen wie die Stände, ja deutete 
an, auch er plane einen allgemeinen Landtag, wie ihn jene 
als das befte Mittel bezeichnet hatten, um den aus jo ver- 
ſchiedenartigen Teilen beftehenden Staat innerlich feit zufammen- 
zufügen. Entzüdt meinte Schön, der König fei liberaler als 
er. Dagegen fuchten die Reaftionäre, obenan der Prinz von 
Preußen, ber das Vorgehen der Stände iloyal ſchalt, und 
- Rohow den König zu fchroffer Ablehnung zu beftiimmen. In 
dieſem Wiberftreit der Meinungen erließ der König auf bie 
Denkſchrift am 9. September einen Landtagsabſchied, deſſen 
befliſſen milde Faſſung ſeine wahre Geſinnung nicht erkennen 
ließ und fo Mißverſtändniſſe, die ſie ausſchließen ſollte, erſt 
recht veranlaßte. Bereits fein Vater, jo führte er aus, habe 
nad reiflicher Prüfung beſchloſſen, zum Heil feines Volks fi 
„von ben herrſchenden Begriffen einer jogenannten allgemeinen 
Volfsvertretung fern zu halten“ und „ben auf geſchichtlicher 
Entwidelung beruhenden und ber deutſchen Volkseigentümlich- 
keit entſprechenden Weg einzufhlagen“, und deshalb die pro⸗ 
vinzialftändifche Verfaflung geſchaffen. Dieſen Weg wolle er 
weiter verfolgen, das begonnene Werk getreulich pflegen und 
einer für das Vaterland und jeden Landesteil eriprießlichen 
Entwidelung entgegenführen. So könnten die Stände feinen 
Abſichten für die Inftitution des Landtages voll vertrauen. 

Danach durften dieſe fi im mwefentlihen mit dem König 
einig glauben, zumal Schön durch die Verleihung des Ranges 
eines Staatsminifters und des Schwarzen Ablerorbens bemonz 
ſtrativ ausgezeichnet wurde. Der Verlauf der Huldigung am 
10. September beftärkte fie darin. Dicht gedrängt erfüllte eine 
feierlich bewegte Menge den altertümlihen Schloßhof. Allen 
ſichtbar, thronte der König auf hohem Altane. Nach Anſprachen 
des Kanzlers und ber Landtagsmarfhäle für Preußen und 
Poſen, von denen ber legtere die nationalen Wünfche der Polen 


IV. Berfaffungserperimente. 217 


berührte, wurde bie Huldigungsformel verlefen und von den 
Berfammelten nachgeſprochen, als fi der König erhob und 
eine jener Anſprachen hielt, wie fie nur von ben Lippen eines 
gottbegnadeten Redners fließen. Die Rechte wie zum Schwur 
erhoben, gelobte er, ein hriftliher König zu fein, bat Gott 
um den Fürftenfegen, der dem Gefegneten bie Herzen ber 
Menfchen zueignet und aus ihm einen Mann nad) dem gött: 
lien Willen macht, ein Wohlgefallen den Guten, ein Schreden 
den Frevlern, pries die oft beneibeten Vorzüge Preußens, bie 
Einheit von Fürft und Volk und aller Stände im Dienft bes 
gemeinen Wohls und feine unvergleihlihe Wehrkraft und ſchloß: 
„So wolle Gott unfer preußifches Vaterland ſich felbft, Deutich- 
land und der Welt erhalten, mannigfach und doch eins, wie das 
edle Erz, das, aus vielen Metallen zufammengejhmolzen, nur 
ein einziges ebles ift, feinem anderen Roft unterworfen als 
allein dem verfhönenden der Jahrhunderte.” Toſend entlud 
fich die allgemeine Begeifterung. So viel konnte man ſich bei 
diefen Worten denken, daß jeder der Erfüllung feiner Wünfche 
ficher zu fein glaubte. Auch die preußifchen Stände legten 
fi) den Landtagsabſchied demgemäß aus, zumal einer Depus 
tation gegenüber ber König am 11. September ausbrüdlich ihr 
Recht anerkannte, die an ihn gerichtete Bitte auszuſprechen, 
auch das Geſetz vom 22. Mai 1815 als gültig bezeichnete, die 
Gründe entwidelte, die feinen Bater beftimmt, fein urjprüng- 
liches Vorhaben aufzugeben, dann barthat, was bie in Eng- 
land geſchichtlich entftandene Verfaſſung nah Deutfchland zu 
übertragen unmöglich madje, und fi gegen alle auf Pergament 
geſchriebene Staatsgrundgefege ausſprach, aber mit der Er- 
klärung ſchloß, er wolle gar nicht ohne Stände regieren, viel 
mehr fei die zweddienliche weitere Entwidelung und Ausführung 
bes ftändifchen Lebens das innigfte Streben feines Herzens. 
Zu ähnlichen Scenen wie in Königsberg fteigerte ſich auch 
die Huldigung ber übrigen ſechs Provinzen in Berlin am 
15. Oktober. Zwar verftimmte es, daß — freilich nur aus 
Raummangel — die Vertreter des Herrenitandes, der Ritter 
ſchaft und der Geiftlicleit in ben Gemädern bes Schlofies 
empfangen wurden, bie ber Stäbte und des Bauernftandes 


218 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten, 


aber draußen im Luftgarten im Regen ftehen mußten. In ber 
Anfprahe an jene verhieß der König wieber eine einfache, 
väterlihe, deutſche und chriſtliche Regierung, nicht eine ſo— 
genannte glorreihe mit Geſchutzesdonner und Pojaunenton, in 
der an legtere wiederholte er das Königsberger Gelöbnis, for: 
derte dann die Verfammelten auf, ihm beizuftehen in ber 
Entfaltung der Eigenſchaften, die Preußen groß gemacht, Ehre, 
Treue, Streben nad Licht, Recht und Wahrheit, Vorwärts: 
ſchreiten in Altersweisheit und heldenmltiger Jugendkraft und 
zu ihm zu ftehen in guten und böfen Tagen, und ihn deſſen 
mit einem ehrenfeften Ja zu verfihern. Danach fuhr er fort: 
„Dies Ja war für mich, das ift mein eigen, das laſſ' ich nicht, 

das verbindet uns unauflöslih in gegenfeitiger Liebe und 
Treue, das gibt Mut, Kraft, Getroftheit, das werbe ih in 
meiner Sterbeftunde nicht vergeflen. Der Huldigungseib, ber 
dann folgte, ſchien faſt überflüffig. 

Solche Reden bejubelten vor allem die Abfolutiften. Bei 
den Liberalen begann bereits bie Ernüchterung. Denn am 
4. Oftober hatte der König Rochow befohlen, die ben preußifchen 
Landtagsabſchied betreffenden Aktenſtücke zu veröffentlichen, damit 
ſich nicht die Anſicht feftfege, er habe fi für eine Entwidelung 
der Landesverfaffung im Sinn der Verordnung vom 22. Mai 1815 
erklärt. Das machte allen Zlufionen ein Ende, und bie gut⸗ 
gläubigen Enthufiaften, die bisher in feinen Worten gefunden, 
was fie wunſchten, fahen ſich enttäuſcht. Damit wandelte fi 
die Stimmung. Nod zwar glaubte man fo fehr an den guten 
Willen des Königs, fein hiſtoriſches Verftänbnis und fein Rechts: 
gefühl, daß man ihn durch Gründe zu überzeugen hoffte. Daß 
aber die Regierung diefe Erörterungen in der Preſſe möglichft 
hinderte, fteigerte die Erregung und zog immer weitere Kreife 
in den fi erhigenden publiziftiichen Kampf. 

In biefen trat ſogar Schön ein. Bon dem Driginalent- 
wurf zu Steins politifhem Teftament (Bd. II, ©. 468), das 
eine allgemeine Nationalvertretung vorfah, um dem unums 
ſchränkt bleibenden Königtum die Vollswünfhe zu vermitteln 
und fo fegensreicheres Wirken zu ermöglichen, ließ er ein 
Fakſimile anfertigen und überfandte es (14. Dezember) dem 


IV. Berfaffungserperimente. 219 


Könige. Die Abfiht war unverkennbar. Jener aber wollte 
fie nicht verftehen. Schön ſcheint damals gehofft zu haben, 
endlich zu einer leitenden Stellung aufzufteigen. Bereits Ende 
Dftober hatte er unter dem Titel „Woher und wohin?“ eine 
Betrachtung ber politifchen Lage verfaßt. Ohne fi als Autor 
zu nennen, ließ er fie jeßt in einer beſchränkten Anzahl von 
Exemplaren bruden und einigen vertrauten Freunden zugehen. 
Natürlich wurde fie bald befannt, und da aud ihr Urfprung 
nicht geheim blieb, erregte fie gewaltiges Auffehen. Auf Ro: 
chows entrüftete Anfrage wollte Schön fie als ein Denkmal ber 
Zeit verfaßt und zur Deponierung im Archiv beftimmt haben, 
um fie erft ber Nachwelt bekannt werben zu laſſen. Darüber 
gab es ſcharfe Auseinanderfegungen. Auch der König war tief 
gekränkt, nahm aber Schöns Entlaſſungsgeſuch nit an, fon= 
dern erhielt ihm gutmütig feine Hulb. 

Dabei gab der Schrift mehr als ihr Inhalt der Verfaſſer 
Bedeutung. Denn in feiner doftrinär formelhaften Weife 
leitete biefer die herrichende Unzufriedenheit davon her, daß das 
Volt, durch fortgeihrittene Bildung zur Teilnahme an ben 
Staatsangelegenheiten befähigt, dod davon ausgefchlofien fei. 
Das habe der preußiiche Landtag auf bes Königs Anfrage 
pflichtgemãß erflärt: nicht gegen den König, nur gegen feine 
Beamten richte fi feine Bitte. Wohin ihre Erfülung führen 
werde, zu zeigen, fehildert er das Eonftitutionelle Syftem. Die 
Generalftände werben bie Verwaltung aller National» und 
KRommunalangelegenheiten an fi) nehmen, die Finanzen beauf- 
fihtigen und an der Juftiz Anteil haben, fo daß weniger Beamte 
nötig find. Die bewaffnete Macht wird mit dem Volke in 
Verbindung gefegt und das Volk jelbft wehrhaft gemacht werben 
Tonnen. Das wird ben Geift der Gefeggebung fegensreich be 
einfluffen und auch das Beamtentum beffern, da es, dem Könige 
genau befannt, gegen die Stände weder mit Uebermut nod) 
mit Frivolität wird auflommen können. „Die Zeit der väter: 
lichen, der Patrimonialregierung,“ fo ſchließt Schön, „iſt vor⸗ 
bei. Wenn man bie Zeit nit nimmt, wie fie ilt, und das 
Gute daraus ergreift, fo ftraft Die Zeit.“ 

Viel größer war die Wirkung der „Vier Fragen, beant⸗ 


220 Drittes Bud. An der Wende ber Zeiten. 


wortet von einem Oftpreußen“ von dem jübifchen Arzt Dr. Jos 
dann Jakoby in Königsberg. Eine Angelegenheit, bei ber bis- 
ber das Gefühl eine allzu große Rolle geipielt, behandelte 
diefer mit der feinem Stamme eigenen Verſtandesſchärfe nur 
nad juriftifhen und hiſtoriſchen Gefihtspunften und fiellte fie 
fo in ihrer Einfachheit üuberraſchend Elar. Auch ſtach fein offenes 
Vorgehen vorteilhaft ab von dem doch nicht ganz unzweideutigen 
Schöns. Beſtimmt, den für das Frühjahr 1841 einberufenen 
preußifchen Ständen überreicht zu werden und daher zunächft 
nur lithographiert ala Handſchrift verbreitet, war die Schrift 
unter ſächſiſcher Zenfur zu Leipzig in ſchwacher Auflage ger 
drudt, auf Reklamation Preußens aber beihlagnahmt und nun 
ohne Zuthun des Autors neu gebrudt und verbreitet worben. 
Auch dem Könige hatte fie Zakoby, ſich als Verfaſſer nennend, 
überfandt und gegen falfhe Deutung feinem Ehug empfohlen 
(23. Februar 1841). Aber bereits am 21. März verfügte dieſer 
auf Rochows Bericht gegen Schöne dringende Einſprache die 
gerichtliche Verfolgung. 

Jakobys Vorbild war Sieyds’ Schrift für den dritten 
Stand. Die That des preußiſchen Huldigungslandtages in 
ihrer Bedeutung darzulegen, behandelte er vier Fragen. Was 
wünfchen die Stände? Die Antwort: „Selbfländige Teilnahme 
der felbftändigen Bürger an den Angelegenheiten des Staates“ 
begründete er durch den Nachweis, daß von einer folgen faum 
der Schein vorhanden fei. Berechtigt aber find die Stände zu 
dieſem Wunſch im Bewußtſein ihrer Mündigfeit und der Mündig- 
ſprechung vom 22. Mai 1815. Als Antwort jedoch wurbe ihnen 
Anerkennung ihrer Treue, Abweifung ihrer Anträge und Ver: 
tröftung auf einen fünftigen unbeftimmten Erſatz trog der 
Rechtsverbindlichkeit des Gefeges vom 22. Mai 1815. Die vierte 
Frage, was bie Ständeverfammlung nun zu thun habe, be— 
antwortet Jakoby dahin, fie müffe, was fie bisher als Gunft 
erbeten, num als erwiejenes Recht in Anſpruch nehmen. 

Je mehr in dieſer Sache bisher die Phraje geherrſcht 
batte, Hinter der fi Unklarheit und Unentſchloſſenheit ver- 
bargen, um fo überzeugenber wirkte biefe unbarmberzige Logik. 
Den Eindrud fteigerte der Ausgang des Prozeffes gegen Jakoby. 


IV. Berfaffungderperimente. 221 


Von der Anklage auf Hodverrat, den man in der Antwort 
auf die vierte Frage ſah, ſprach ihn der Kriminalfenat des 
Kammergerichts am 5. April 1842 frei, verurteilte ihn aber 
wegen fredden, unehrerbietigen Tadels, Verfpottung der Landes⸗ 
gefege und Majeftätsbeleidigung zu zweieinhalb Jahren Feſtung 
und Verluft der Nationalkofarde. Auf feine Berufung wurde 
er im Januar 1843 von dem Überappellationsjenat bes 
Kammergerichts unter v. Grolmanns Vorfig überhaupt frei- 
geſprochen. Das Erkenntnis, defien Wortlaut damals Jakoby 
bezeichnenderweiſe nicht erhielt, übte nicht nur an dem erflen 
Urteil eine vernichtende Kritik, ſondern ftellte auch muftergültig 
die Grundfäge feſt, die in politifhen und Prefprozefien den 
Richter leiten ſollen. 

„Eine kurze Inſtruktion und ein Zeughaus für bie Eonftis 
tutionelle Oppofition“ nannte Varnhagen die „Vier Fragen”. 
Selbft die im Frühjahr 1841 zufammentretenden Provinzial- 
landtage belebten fie. Wenn zudem das Berufungspatent vom 
3. Februar deren Wiederkehr für jedes zweite Jahr zuficherte, 
beichräntte Deffentlihfeit der Verhandlungen gewährte und bie 
Bildung von Ausihüffen anordnete, um die Regierung ges 
gebenen Falls zu beraten, fo fam das Zugeftändnis zwar zu ſpät 
und war dürftig, ließ aber doch weiteres Nachgeben hoffen, 
zumal in eben jenen Tagen Boyen, der als Hauptvertreter bes 
Konftitutionalismus galt, Kriegsminifter wurde. Trogdem ent- 
309 fi) ber preußifhe Landtag einem Antrag auf Erneuerung 
der Bitte um eine Verfafjung durch die Erklärung, er vertraue, 
daß ber König aus eigenem Antrieb das Nötige anorbnen werde. 
Aehnlich ging es anderwärts. Auf die Klagen über den Zenſur⸗ 
zwang erfolgten leere Vertröftungen. Anträge auf Ausdehnung 
der Wählbarkeit für die ftäbtifchen Abgeordneten blieben ohne 
Erfolg. Selbft den auf ihre Vorlagen ergangenen Landtags: 
gutachten ſchenkte die Regierung feine Beachtung. Die Bres: 
lauer Bürgerfhaft aber, die bei dem fchlefifhen Landtag um 
Neicheftände petitionierte, wurde barſch zurechtgewieſen. 

Dabei ſchien der König doch an ber Haltbarkeit feiner 
bisherigen Stellung zu zweifeln, wenn er am 21. Juni 1842 
die Bildung eines Ausfhufles der Stände mit dem Wunſche 


222 Dritted Bud. An der Wende der Zeiten. 


motivierte, auch während die Provinzialftände nicht tagten, 
ſtändiſche Gutachten hören zu fönnen. Derfelbe folte in Funktion 
treten, wenn bie Anfihten der Provinziallandtage über Geſetz⸗ 
entwürfe weit auseinandergingen ober bei deren Beratung in 
den höheren Inftanzen neue Momente hervorträten und eine 
Ausgleihung wunſchen ließen. Bedenklich war feine Zufammen- 
fegung durch die Bevorzugung des Grundbefiges. Bon 98 Mit- 
glievern waren 46 Vertreter des Herren- und Ritterftandes, 
32 der Städte und 20 der Landgemeinden. Ständeweiſe ge- 
wählt, bedurften fie zudem der königlichen Beſtätigung. So 
war biefe Schöpfung wenig geeignet, bie Volksſtimmung an- 
gefihts des nahen Dombaufefies zu heben. Und doch ſchien 
das ihr einziger Zwed. Denn ein fahliher Grund für die 
Berufung der „Vereinigten Ausfchüffe“ auf den 18. Oftober 1842 
lag nit vor, zumal die Regierung erklärte, in ben beiden 
zur Beratung geftellten Fragen, einem Steuererlaß von 123 Mil- 
lionen Thalern und der Mebernahme der Zinsgarantie für 
geplante Eifenbahnbauten, habe fie fich bereits fchlüffig gemacht. 
So verlief die Seffion matt und unbehaglid. Dean fiimmte 
den Vorlagen verflaufuliert zu, weil man nicht anders konnte, 
wurde dabei aber das Bewußtfein nicht los, etwas zu thun, 
was zu thun man eigentlich nicht beredhtigt war, fonbern den 
Reichsſtänden hätte überlafien müflen, konnte jedod; unter dem 
Zwange ber vorgefchriebenen Gejchäftsorbnung das nicht zur 
Sprade bringen, was ale erfülte. Einzelne Anläufe dazu 
blieben vergeblich. Alle Welt erging ſich in abfälligfter Kritik 
über das neue zwed- und zielloje Experiment. 

Nur der König war zufrieden. Mit Worten des Dantes 
entließ er am 10. November die Ausihüffe, in denen er ben 
bisher fehlenden Zentralpunkt geſchaffen zu haben glaubte. In 
dunkler Rede rühmte er ihre im biefer Art einzige Unab: 
hängigfeit, da fie — nad Haller — fowohl Vertreter eigener 
wohlerworbener Rechte und ber Rechte der fie aborbnenden 
Stände, als auch Ratgeber der Krone feien. Und auf biefem 
Grunditein wollte er aufbauen, was er Verfafjung nannte. Am 
8. November legte er den Plan dazu feinen Miniftern vor. 
In den konftitutionellen Weg einzulenfen, führte er dabei aus, 


IV. Berfafjungserperimente. 223 


fei für Preußen unmöglid. Was es brauche, habe es in den 
Provinzialftänden und den Dereinigten Ausſchüſſen. Wenn 
aber auferorbentlihe Umftände eine Anleihe oder Erhöhung 
ber direften Steuern nötig machen würben, ſollten ſämtliche 
Provinziallandtage als Dereinigter Landtag berufen werben 
und das Recht der Steuerbewilligung haben. Nur angefichts 
eines Krieges wollte er dies nicht zugeftehen, vielmehr follte 
dann der Staatsfhuldenverwaltung nur eine ſtändiſche Depu= 
tation beigegeben werben. Auch die regelmäßige Berufung bes 
Landtages lehnte er ab, obgleich das Gejeg vom 17. Januar 
1820 der Staatsfhulbenverwaltung jährlide Rechenſchafts— 
legung vorſchrieb. Freilich zweifelte er ſelbſt, ob die Stände 
auf ein foldes Abkommen eingehen würden. Die Minifter 
waren überzeugt, auf das Net der Mitwirkung bei Kriegs- 
anleihen würben fie nicht verzichten, da das ein Eingriff in 
die Rechte der Fünftigen Reichsſtände fei. Auch hier land der 
König alfo allein, nur daß er, anders als ſonſt, auf die Aus- 
führung deshalb nicht verzichtete. 

So geftaltete fih das Verhältnis zu den Provinzialland- 
tagen von 1843 noch umerquidlicer. In Pofen wuchs mit ber 
politifhen die nationale Erregung. Die Bitte um Reichsſtände 
wies ber König ab, da der Erlaß vom 22. Mai 1815 ihn nicht 
binde. Aud mit der Benfur blieb e& beim Alten. Ja, den 
Poſenſchen Ständen wurde gedroht, wenn fie ferner fo ſchlechten 
Geift zeigten, werde man fie nicht wieder berufen. Auch der 
preußifche Provinziallandtag fam vergeblich auf feine frühere 
Bitte zuruck. Einen Regierungsantrag, der bie Beleidigung 
verftorbener Mitglieder der Föniglihen Familie unter harte 
Strafe ftellte, lehnte er ab, weil damit jede Geſchichtsforſchung 
aufhören würde. Am Rhein ermog man auf die Kunde von 
der nad) Pofen ergangenen Drohung den Antrag auf Errichtung 
eines Bundesgerihts zum Schug gegen königliche Willkür, und 
als der zur Begutachtung vorgelegte Strafgefegentwurf ein= 
ftimmig abgelehnt war, kamen 1500 Kölner nah Düffeldorf, 
um dem Landtage eine Dankadreſſe zu überreihen und einen 
Fadelzug zu bringen. Gegen ben ungnäbigen Landtagsabfchieb 
wollte man durch Verzicht auf den Karneval demonfirieren. 


224 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten. 


Der König aber blieb dabei, nichts werde ihn vermögen, den 
Gang feiner Regierung zu übereilen ober eine andere Richtung 
einzufchlagen als bie bei der Huldigung bezeichnete: Verſuche, 
ihn dazu zu drängen, werde er mit Nahdrud zurüdweilen. 

Die Stimmung verbüfterte fi immer mehr. Die Fröm⸗ 
melei, die in den Verhandlungen über den Savigny-Eihhorn- 
ſchen Entwurf eines Eheſcheidungsgeſetzes (S. 205) fi ab» 
ſchredend breit machte, und die Begünftigung bes Adels, die 
bei einzelnen Konflikten herausforbernd zu Tage trat, fleigerten 
die Unzufriedenheit. Das bebrüdte das Gemüt bes Königs, 
reizte ihn aber auch zu ſchärferen Repreffiomaßregeln, nament: 
lic feit für das Attentat, das am 26. Juli 1844 ber che 
malige Bürgermeifter bes Städtchens Storkow, Tſchech, er 
bittert durch die Verfagung der Verwendung im Staatsdienft, 
gegen ihn ausführte, von ber Reaktion ber verberbten Geiftes- 
richtung der Zeit fchuld gegeben wurde. Cher hätte man bie 
bis zum Hohn gleihgültige Haltung des Volkes und das fentis 
mentale Bedauern ber Gebilbeten über die Vollftredung bes 
Tobezurteils ber Art zuichreiben können, wie der König des 
Volkes Herzen faft geflifientlich von ſich ftieß. Und noch Schlim- 
meres drohte, ſeit infolge ihrer Niederlagen in dem Jacobyſchen 
und anderen Prozeffen die Regierung die Unabhängigkeit des 
rRichterſtandes antaftete. Das Geſetz „von dem gerichtlichen 
und bdisziplinelen Verfahren gegen Beamte” vom 29. März 
1844 ſtellte die Richter unter einen Disziplinarhof, fo daß 
das vom Landrecht für jedes Einſchreiten gegen einen Richter 
vorgeſchriebene gerichtliche Verfahren nur noch für gemeine und 
eigentliche Amtsverbreden galt. So ſchuf der Juſtizminiſter 
v. Mühler, der auch den preußifchen Anwälten die Teilnahme 
an dem nah Mainz ausgefchriebenen deutſchen Advofatentage 
verbot, die Handhabe, um nicht gefügige Richter auf dem 
Disziplinarwege zu befeitigen — eines der dunkelſten Blätter 
in der trüben preußifchen Geſchichte jener Jahre. 

Der Mißſtimmung gaben die Provinzialftände von 1845 
neue Nahrung. Namentlich in den weſtlichen Provinzen ſchlug 
die Oppofition bereits einen f&härferen Ton an, und Männer 
wie Harkort, Hanfemann und v. Vinde gewannen raſch an 


IV. Berfafjungsegperimente. 225 


Popularität. Man wußte, daß der König an einer Verfaflung 
arbeitete, und traute ihm zu, daß er feine Stellung zu ver- 
beſſern verfuchen würde, indem er die Welt durch beren Ver: 
kundigung bei Eröffnung der Provinzialftände überrafchte. Es 
geſchah nichts. Wohl aber zeigte Johann Jacoby in einer 
Flugſchrift „Das Löniglide Wort Friedrih Wilhelms II“, 
daß dieſer eine auf Volfsvertretung gegründete Verfaſſungs⸗ 
urkunde verſprochen, fein Verſprechen aber nicht erfüllt habe, 
diefes daher feinen Nachfolger rechtlich und moraliſch binde 
und die Provinzialftände verpflichtet jeien, feine Erfüllung zu 
beantragen. Auf dem ſchleſiſchen Landtage forderte Graf Renard 
Reichsſtände mit zwei Kammern, der rheinifche ließ die Bitte 
darum zwar nicht förmlich als Petition, doch als Wunſch an 
den König gelangen. Seine Umgebung riet diefem zum Ein- 
ſchreiten gegen die Provinzialftände. Doc fand fein Entſchluß 
zum Erlaß einer Verfaſſung bereits fe. Mit einer folgen 
Verfammlung in Berlin hoffte er befier zu fahren ala mit den 
acht Landtagen, die lauter Oppofition wären und die Rolle 
von Reihsftänden fpielen wollten. Auf Unfinn, Frevel, Ueber: 
treibung war er gefaßt, rechnete aber auf den guten Geift ber 
Nation. Seine Verfaſſung follte echt deutſch werben: mit 
franzöfifchen Einrichtungen könne er nicht regieren. Wieber 
alfo ftand bei ihm nur die Negative feit. Sie formulierte er 
Ende November 1844 in einem Schreiben an Metterni da» 
bin, er wolle feine Nationalrepräfentation, feine Charte, feine 
periodiſchen Reichstage und keine Reichstagswahlen. So hoffte 
ex, „jedes fernere Begehren des Fortihritts nach ben Theorien 
des Tages nahdrüdlih und wohlgemut zurüdzumeifen”. 

Nur überfah er, dab die finanziellen Verhältniſſe jeder 
Repräfentation ein Schwergewicht geben konnten, das ihn doch 
auf bie gefürdtete fehiefe Ebene drängte. Auch die Zufage 
einer regelmäßigen Belanntmahung des Etat? (S. 146) war 
nicht gehalten: unter der neuen Regierung war fie nur 1841 
erfolgt, mit 55867000 Thalern abſchließend. Die Ausgaben 
wuchſen, obgleih man gegenüber der Verſchwendung im biplo- 
matiſchen Dienfte vielfah über Knauſerei, namentlih beim 
Militär, klagte, mochte auch Boyen den Sold der Offiziere 

Brup, Breubiige Gefäiäte. IV. 15 


226 Drittes Bud. An ber Wende ber Zeiten. 


und Unteroffiziere erhöht, die Brotrationen der Mannſchaften 
vergrößert und bie Infanterie mit Perkuffionsgewehren bes 
waffnet haben. Bor alem forderten die Eifenbahnen wachſenden 
Aufwand. Die Luft zu ihrem Bau flieg bei der Regierung, 
jeit die 1840 vollendete Bahn von Magdeburg nach Leipzig 
fich glänzend rentierte. Auch militäriſche Gefihtspunfte hatte 
bie Kriegsgefahr 1340 dafür nahe gelegt. So war nicht nur eine 
ganze Anzahl neuer Bahnen konzeſſioniert worden, ſondern bie 
Regierung plante bereits 1842 ein Eifenbahnneg von 220 Meilen, 
vor allem die Verbindung Berlins mit Königsberg. Die Er- 
neuerung bes 1841 ablaufenden (S. 153) Zollvereins, dem 
jegt Lippe, Walded und Braunſchweig beitraten, auf zwölf 
Jahre (8. Mai 1841) verhieß weiteres Steigen des Verkehrs. 
Aber die Mittel, namentlich für die Oftbahn, waren nur durch 
eine Anleihe zu ſchaffen: der in dem Erlaß vom 17. Januar 1820 
vorgejehene Fall trat ein. Um fo mehr wunſchte der König 
die Verfaffung na feinem Willen fertig zu flellen, ohne die 
gelbbewilligenden Körperſchaften. 

Die Beiprehung mit den Miniftern im November 1842 
(S. 222) war ohne praktiſche Folgen geblieben. In Fluß kam 
die Sache erft 1844, wo, niemandem zur Freude, Bunfen nad 
Berlin berufen wurde, um fi) in einer Reihe von Denkſchriften 
über die Verfaflungsfrage zu äußern. Ihre Bearbeitung hatte 
im übrigen Graf von Arnim-Boigenburg (1803—68), der 1842 
Rochow im Minifterium des Innern erfegt, als diefer den mit 
ihm unzufriedenen Frömmlern hatte weichen müfjen. Doch 
konnten er und ber König fih in prinzipiellen Fragen nicht 
einigen. Arnim hielt die regelmäßige Einberufung ber Reichs— 
fände alle vier Jahre für unerläßlih, der König wollte fie nur 
für den flänbifchen Ausſchuß zugeftehen, der als Vertretung 
der nad feinem Belieben zu verfammelnden Reichsſtände bei 
der Staatsfhulbenverwaltung mitwirken follte. Denn er firebte 
alles zu vermeiden, was nad wirklich Eonftitutioneller Be— 
ſchränkung des Königtums ausfah. Dem diente au bie von 
ihm geplante gefünftelte Abftimmung in den aus ber DVer- 
einigung der acht Provinziallandtage hervorgehenden Reichs— 
fländen. Sie follte nad den drei Kurien der Ritterſchaft, 


IV. Berfaffungserperimente. 227 


des Bürger: und des Bauernftandes gefchehen, die durch bie 
Mehrheit von zwei Kuriatfiimmen gegebene Entſcheidung aber 
erſt rechtsgultig fein, wenn fie durch bie neu zu bildende vierte, 
die Herrenkurie, beftätigt war. Diefe follte die Elite bes 
abligen Großgrundbefiges mit ben Mebiatifierten vereinigen, 
um das ben legteren nad bes Königs Meinung einft wiber- 
fahrene Unrecht einigermaßen gut zu machen. Beraten jedoch 
folten bie vier Kurien gemeinfam und fi außer über bie 
Finanzen gutachtlich über allgemeine Landesgefege äußern, auch 
in allgemeinen Angelegenheiten Petitionen und Beſchwerden 
vorbringen dürfen, dazu aber nit in Berlin tagen, fondern 
etwa in Brandenburg, um nicht dem Einfluß ber hauptftäbtifchen 
Menge ausgefegt zu fein. 

Ein äußerft funftreiher Apparat erzeugte alſo doch nur 
einen fonftitutionellen Schein. Die den ganzen Bau krönende 
vierte oder Herrenkurie aber galt es gar erft zu ſchaffen, und 
felbft die Elemente dazu waren nur in drei Provinzen vor= 
handen. Das ganze fogenannte Verfaſſungswerk begann alfo 
mit einem Rückſchritt in das mittelalterlihe Ständeweſen. 
Dennod that der Zar, dem ber König fein Vorhaben mit« 
teilte, als ob Preußen dadurch zum Herbe der deutjchen Revo: 
Iution werben müßte. Arnim dagegen mollte ber öffentlichen 
Meinung weitere Zugeftänbnifie machen und ſchlug Periodicität 
der Reiheftände und ein Zweikammerſyſtem vor, wozu aus 
dem anerkannten Herrenftande und Mitgliedern der Ritter⸗ 
ſchaft ein Oberhaus gebildet werben folte. Da diefe Differenzen 
unausgleihbar waren, trat er im Mai 1845 zurüd. Gein 
Plan war damit befeitigt. Zur Beratung bes feinigen aber 
ernannte ber König eine Kommiſſion, der neben Arnims Nas 
folger v. Bodelſchwingh, dem bisherigen Finanzminifter, die 
Minifter der Juſtiz, Savigny und Uhden, der Mühler erſetzt 
hatte, des Auswärtigen v. Ranig und der brandenburgiſche 
Landtagsmarſchall v. Rochow angehörten und fpäter der Fürft 
von Solms:Lih, der Hausminifter v. Thile (S. 203) und der 
neue Finanzminifter Rother (S. 145) zugefelt wurden. In 
ihrem gegen Ende 1845 erftatteten Bericht widerriet fie die 
Bereinigung der Provinziallandtage zum Reichstage, ber ſicher 


228 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten. 


größere Rechte erfireben werde, und empfahl als Reichsſtände 
bie entſprechend zu verftärfenden Vereinigten Ausihüfle zu 
Eonftituieren. Aber fie verwarf auch den Herrenftand, das 
reichsſtändiſche Bewilligungsrecht, den ftändifhen Ausſchuß und 
die Entfernung der Verfammlung aus der Hauptftabt. Was 
blieb da von des Königs Entwurf noch übrig? 

Nach neuen Verhandlungen fand endlich am 11. März 1846 
eine gemeinfame Sigung ber Kommiſſion und bes Staats- 
minifteriums ftatt, welcher der an des letzteren Spitze ſtehende 
Prinz von Preußen präfibierte. Er war ein Gegner ber Ber: 
fafjungspläne feines Bruders. Schon im Januar 1845 hatte 
er feine Bedenken freimütig dargelegt. Der König, dadurch 
fehr verftimmt, fürdhtete, er werde auf Grund von bes Vaters 
letztem Willen (©. 196) eine förmliche Rechtsverwahrung eine 
legen, und ließ vorbeugend die Unzuläffigkeit einer ſolchen 
juriftifh erweifen. An den folgenden Beratungen hatte ber 
Prinz nicht teilgenommen, jebodh im November dem Könige 
Mobifitationen feiner Pläne vorgeſchlagen, um jebe Minderung 
der königlichen Macht abzuwenden. Anders jedoch als fein 
koniglicher Bruber ließ er fih belehren. Als am 11. März 1846 
die von ihm geftellte Frage, ob eine ſtändiſche Zentralver- 
waltung notwendig fei, alle Stimmen bis auf zwei bejahten, 
erklärte er, bie ihm bisher nicht völlig Kar geworbene Note 
wenbigfeit nun auch anzuerkennen. Auch fonft wurde des Königs 
Entwurf angenommen, von den meiften freilih nur, weil 
Widerfland gegen den Willen des abjoluten Königs hier vollends 
ausfichtslos war. Nah Schluß der Beratungen, Mitte Dezember, 
machte der Prinz, der fi durchweg in der Minderheit befunden 
hatte, feine Bedenken nochmals geltend. Er verlangte aus- 
brüdliche Anerkennung bes Rechts des Könige, den Vereinigten 
Landtag aufzulöfen, und Schaffung eines Oberhauſes. Auch 
von dem Steuerbewilligungs- und dem Petitionsrecht bejorgte 
er Schwierigkeiten, namentli wenn fie militärijhe Dinge be— 
teäfen, und empfahl wiederholt bie Befragung der Agnaten. 
Jedenfalls hielt er feinen Bruder für bie Meberleitung in ben 
neuen Zuftand nicht für geeignet und hätte es am liebſten 
gefehen, wenn biefer die Verfafiung zwar fertiggeftellt, die 


IV. Berfafungserperimente. 229 


Ausführung aber feinem Sohne überlaffen hätte. Denn daß 
er jelbft dem Bruder folgen würde, hielt er nad menſch⸗ 
licher Berechnung für ausgeſchloſſen. 

Der König meinte recht finnvoll zu handeln, als er bie 
Verfaſſung am 3. Februar 1847, dem Jahrestage des Aufrufs 
„An mein Volt”, veröffentlihte: die Parallele wirkte jedoch 
nit günftig. Dem Patent fehlte die minifterielle Gegen: 
zeihnung. Der König nahm es als fein perjönliches Werk in 
Anſpruch: was er gewährte, follte die freie Gabe feiner Gnade 
fein. Bezugnehmend auf das Staatsfhulbengejeg vom 17. Ja 
nuar 1820 und das über die Provinzialftände vom 5. Juni 1823 
erklärte er bei Einführung neuer und Erhöhung beftehenber 
Steuern und bei Anleihen die Provinziallandtage als Ver: 
einigten Landtag verfammeln, die Vereinigten Ausſchüſſe aber 
alle vier Jahre berufen zu wollen, und räumte beiden für 
innere allgemeine Angelegenheiten Petitionsrecht ein und wollte 
fie auch über Gefegentwürfe der Art gutachtlich Hören. Näheres 
beftimmten drei von dem Staatsminifterium gegengezeichnete 
Verordnungen. Die erfte glieberte ben Dereinigten Landtag, 
deſſen Berufung durchaus im Belieben des Königs fland, in 
zwei Rurien, die umgeteilt gelafjene Dreiftänbefurie und bie 
Herrenturie der Fürften und Stanbesherren. Nach ber zweiten 
folte der ben Landtag vertretende Ausſchuß alle vier Jahre 
zuſammenkommen, nad ber dritten außerdem eine Deputation 
von fünf Mitgliedern jährlih die Rechenſchaft der Staats: 
ſchuldenverwaltung entgegennehmen. Indem er bie Steuer: 
erhöhung „an die im Weſen deutſcher Verfaſſung begründete 
Zuftimmung der Stände” band, meinte ber König über bes 
Vaters Zufagen hinaus dem Volk einen Beweis des Vertrauens 
zu geben, und verfah fi von feiner bewährten Treue und 
Ehrenhaftigkeit fräftiger Unterftügung für feine auf des Vater 
lanbes Wohl gerichteten Beitrebungen. 

Das Patent fand nirgends Zuftimmung. Abfolutiften und 
Reaktionäre beklagten die Minderung ber fönigliden Macht. 
Der ritterſchaftliche Adel war in höchſter Aufregung. In feinem 
Sinn übte v. Bulow-Cummerow eine vernichtende Kritik an 
Preußens dermaligem Zuſtand und dem Patent. Der König 


230 Dritte Bud. An der Wende ber Zeiten. 


ſchidte ihm das Buch ungelefen und mit dem Ausbrud feiner 
Ungnade zurüd: er habe jeinem Volk ein Gefchent gegeben, 
das rein als ſolches anzunehmen und nit zu Eritifieren fei. 
Die Liberalen, die namentlih an bem neuen Hertenftand als 
einem unglüdlihen Zwittergeihöpf Anſtoß nahmen, fanden 
die in dem Patent enthaltenen Vorftellungen des Königs ge: 
miſcht aus neueren Begriffen, mittelalterlien Bildern, fälſch⸗ 
lich hiſtoriſch genannten Formen, feinem Zeitalter entſprechend 
und feinen höheren Grundſatz folgerichtig darſtellend, Phan- 
tafien, nicht Gedanken. Andere wandten darauf das Wort an: 
„Wir baten dich um Brot und du gabft uns einen Stein,“ 
mit dem der Stabtgerichtsrat a. D. Heinrih Simon zu Bres: 
lau, befannt als einer der fcharffinnigften preußiichen Juriften, 
feine Schrift „Annehmen ober Ablehnen?” begann. Sie zeigte, 
wie das feit einem Menſchenalter erfehnte Verfaſſungswerk jegt 
begonnen werde gegen beftehendes Recht und gegen beftehende 
Verfaffung, da das Patent dem Volke feine wenigen ftändifchen 
Rechte nehme und der Krone neue Rechte beilege, erfterem aber 
nichts von dem gewähre, was es zu fordern habe, und deshalb 
abgelehnt werden müfle. In feinem Falle aber feien die ſtän⸗ 
diſchen Deputierten ohne ausbrüdliche Vollmacht ihrer Wähler 
befugt, eine bindende Erklärung abzugeben. Denn nad) feier: 
lichem königlichen Verfprehen habe das preußiſche Volt das 
Recht auf eine in ſchriftlicher Verfaſſungsurkunde niebergelegte 
Konftitution mit jährlich zu verfammelnder Voltsvertretung zur 
Beratung aller die perſonlichen und Eigentumsredhte der Staats: 
bürger berührenden Gefege, alleiniger Bewilligung von Staats» 
anleihen und Ueberwahung des Schuldenweiens. Doch wies 
die Schrift zugleich aud) den Weg zur Verftändigung. Denn 
„Liebe ift mehr als ftarre Geſetzlichkeit, jofern erftere beftehen 
kann mit Recht und Gewiſſen“. Daher — fo riet er — 
ſollten die Stände zwar der Ladung nad) Berlin folgen, aber 
jeder einzelne ausdrüdlih erklären, er komme nicht ald Depu- 
tierter im Sinn bes Patents vom 3. Februar, fondern nur 
als Glied feines Provinziallandtages, befien Rat der König 
begehrte. Auch die Gefamtheit follte eine bindende Aeußerung 
über den Verfaffungsentwurf als dazu infompetent ablehnen, 


IV. Berfaffungsegperimente. 231 


aber von fi aus Vorſchläge zu einer wirklich reichsſtändiſchen 
Verfaflung machen. 

Des Königs Sache war jo gut wie verloren, nod ehe er 
am 11. April 1847 den Vereinigten Landtag eröffnete. Die 
Nebe, mit ber er das that, verbarb vollends alles. Sie Hang 
berausforbernd und fpielte den Kampf auf bas perfönliche 
Gebiet hinüber. Indem er die liberalen Forderungen gleichſam 
ala fittlich anftößig brandmarkte, erklärte er, keine Macht ber 
Erbe werde ihn bewegen, das natürliche Verhältnis zwiſchen 
Fürft und Volt in ein Eonventionelles, Eonftitutionelles zu 
wandeln und zuzugeben, daß fi zwiſchen Gott im Himmel 
und fein Land ein beſchriebenes Blatt gleihfam als zweite 
Vorſehung eindränge, um mit feinen Paragraphen zu regieren. 
Die ſchlechte Prefie untergrabe die alte heilige Treue, und der 
Liberalismus bedrohe das Beftehende in Staat und Kirche. 
„Ich und mein Haus,” fo befannte er dem gegenüber, „wollen 
dem Herrn dienen.” Hoffentlich) werde auch fein Volt von 
dem Mitregieren von Repräfentanten nichts willen wollen. 
Die Verfammelten ermahnte er, nicht Meinungen zu repräfen- 
tieren, fondern als Vertreter und Wahrer der eigenen Rechte, 
der Rechte der Stände, mit dem Geifte diefer uralten Ein- 
richtungen ſich zu durchdringen und ihm gewiſſenhaft zu raten 
und Petitionen einzureihen. Sonft drohten Konflikte mit der 
Krone, „die nad dem Geſetze Gottes und des Landes und nad 
eigener freier Beftimmung herrſchen, nicht aber nach dem Willen 
von Majoritäten” regieren könne und dürfe. Ließen die Stände, 
ſtatt Männer in die Ausſchüſſe zu wählen, die vor allem Feinde 
des ſchmachvollen Joches feien, das, den Namen ber Freifinnig- 
teit brandmarlend, eine irreleitende Meinung ihnen auflegen 
wolle, fi nad der Rolle jogenannter Volfsrepräfentanten ge: 
lüften, würde er fie nie berufen haben. 

Wer die Rebe, die das von ben Beften bes Volkes Gewollte 
als umftürzlerii, ja gottlos bezeichnete, verftanden hatte, war 
von ber Ausfichtslofigkeit weiterer Verhandlungen überzeugt und 
riet zu fofortiger Heimkehr. Denn troß ber Verherrlichung 
des glüdlihen England und feiner Verfaſſung als des Werkes 
einer Erbweisheit ohne gleichen öffnete fie eine unüberbrüd- 


232 Dritted Bud. An der Wende der Zeiten. 


bare Kluft zwiſchen dem fich ſelbſt vergötternden abfoluten 
Königtum und allem modernen Verfafiungsweien. Dem Ein- 
fluß der politifch erfahrenen und beweglichen Nheinländer, wie 
Hanfemann, Bederath und Camphaufen, die fi mit den Oft 
preußen verftändigten, denen fi bie Pofener anfchloffen, war 
es zu banken, daß man fehließli doch eine Verftändigung zu 
verfuchen, eine Adreſſe an den König zu richten beſchloß. Ihr 
Bortlaut wurde der Gegenftand heftiger Debatten, in benen 
ſich eine ungeahnte Fülle von politifchen und rebnerifhen Gaben 
offenbarte. Allen voran ftand der weftfälifhe Landrat Georg 
dv. Binde, dem Hanfemann, Bederath und Mevifien vom Rhein, 
der Oftpreuße Auerswald, ber Pommer v. Schwerin und der 
Sälefier Milde fih anſchloſſen. Wie die Adreſſe ſchließlich mit 
484 gegen 107 Stimmen angenommen mwurbe, ftellte fie ein 
Kompromiß dar zwiſchen anfänglih unvereinbar fcheinenden 
Meinungen. Sie forderte zwar nicht die Periodizität der Land⸗ 
tage, wahrte jedoch entſchieden den durch die Erlaffe von 1815 
und 1820 gefchaffenen Rechtsboden, ſprach zugleih aber das 
Vertrauen aus, bes Königs Weisheit werde eine befriedigende 
Löfung zu finden wiſſen. Aber deſſen Antwort vom 22. April 
lautete fchroff ablehnend und verlegte durch den ſchulmeiſternden 
Ton. Beftehende Rechte zu wahren, fei allein feine Sade; 
ein anderes Patent als das vom 3. Februar gebe es nicht; 
es räume ben Ständen größere Rechte ein, als fein Vater ver- 
beißen, und fei entwidelungsfähig. Die auf dem vorgejchriebenen 
Wege ihm überreichten Anträge werbe er prüfen und genehmigen, 
joweit fie nit die Rechte der Krone und die Landeswohlfahrt 
ſchädigten. Aber er machte dod ein wichtiges Zugeftänbnis: 
der Vereinigte Landtag ſollte alle vier Jahre berufen werben. 
Durfte man danach nicht hoffen, noch mehr zu erreichen? 
Denn, wie Hanſemann gemeint hatte, man konnte doch nicht 
immer weiter von Gnabe und Vertrauen leben, ſondern wollte 
endlich fein Recht. Als aber 142 oppofitionelle Deputierte eine 
förmlihe Rechtsverwahrung einzulegen verjuchten, wurde fie 
aus formellen Gründen niit angenommen. Doch konnte bie 
Negierung die Erörterung ber ihr unbequemen prinzipiellen 
Fragen nicht hindern. Nach langer Stille erfülte Preußen jo 


IV. Berfafjungserperimente. 233 


ein ſtürmiſch bewegtes politiiches Xeben, in bem bie alten 
Parteiunterſchiede fih auflöften und neue Gemeinſchaften bie 
fo lange wirkſamen ftändifden und landſchaftlichen Sonderungen 
befeitigten. Schulter an Schulter ftritten Adlige und Bürger 
für die freiheitlihe Entwidelung Preußens. Man ftaunte über 
die Gewanbtheit im parlamentarifchen Kampfe, welche fie ent⸗ 
widelten, und in der fie weniger in ben Vertretern der Regie- 
tung ebenbürtige Gegner fanden, als in ben ähnlich begabten 
tapferen Vorlämpfern des altpreußiſchen abfoluten Königtums, 
obenan dem Deihhauptmann Dtto v. Bismard-Schönhaufen. 
So ſprach fi) der Landtag aus für feine zweijährige Berufung, 
Beſeitigung ber ihn zu vertreten beftimmten Ausfhüffe, Un- 
erläßlichkeit feiner Zuftimmung zur Kontrahierung von Staats: 
ſchulden und zur Uebernahme von Sinsgarantien feitens bes 
Staates, bie ſcharfe Beſtimmung feines Rechts bei ber Be- 
fleuerung, Anerkennung feines Auffichtsrechts über die Ver— 
waltung der Domänen und Regalien und Abhängigkeit aller 
Verfaffungsänderungen von feiner Zuftimmung. Che ihm damit 
nicht die Rechte wirklicher Reichsſtände eingeräumt feien, weigerte 
er fi, irgend welde dieſen zuftehende Befugniffe auszuüben, 
und lehnte daher ſowohl die beantragte Staatögarantie für 
die zu errichtenden Landrentenbanken, wie bie Anleihe zum 
Bau ber Oftbahn ab. Da anbererfeits der König, der bie 
bereits begonnenen Arbeiten an ber Oftbahn zornig fofort ein- 
äuftellen befahl, am 2. Juni erflärte, auf die fonftigen Be- 
ſchluſſe nicht eher befinden zu können, als bis allen Beftim- 
mungen bes Februarpatentes nachgekommen, alfo auch die Wahl 
für die Ausſchuſſe und die Staatsfhulbendeputation vorgenom- 
men fei, jo ſchien man an einen toten Punkt gefommen, wo 
weder ein Vorwärts noch ein Ruckwärts möglih war. Doch 
drang bier ſchließlich der König durch. Während alle, welche 
biefen Landtag für nicht berechtigt hielten, die ihm durch das 
Patent zugeſprochenen reichsſtändiſchen Funktionen zu üben, 
Tonfequenterweife die eine Anerkennung bes Patents enthalten- 
den Wahlen, die provinzweife gefchehen follten, hätten ver 
weigern müfjen, thaten das am 25. Juni nur 58: 157 wählten 
unter Vorbehalten, die Mehrheit, 284 wählten ohne ſolche und 


234 Drittes Bud. An der Wende der Zeiten. 


ſtellten ſich Damit auf den Rechtsboden des Patents. Die erfteren 
tadelte der König ſcharf, die Vorbehalte erklärte er für hin- 
fälig und verfügte, daß bie Staatsfhuldendeputation und bie 
ſtändiſchen Ausſchüſſe die ihnen zugeteilten Befugniſſe ausüben 
follten, bis es ihm beliebe, das Patent vom 3. Februar zu 
ändern. Er hielt fi für den Sieger: thatfähli war das 
Verfafjungserperiment, an das er feine ganze gottbegnabete 
Autorität gejegt hatte, im mefentlihen mißlungen. Dumpf 
gärende Verftimmung griff im Lande um fid. Denn ohne 
bie gejeglich geficherte Periobicität des Landtages blieb alles 
weſen⸗ und wertlojer Schein. Selbft in gut königstreuen Kreifen 
tãuſchte man ſich darüber nicht, mochte auch Kanitz in einer 
Hirfularnote an bie preußifhen Gejandten den Verlauf bes 
Landtages als höchft befriedigend und allen Wunſchen des 
Königs entſprechend barftellen. Wie die Dinge in Wahrheit 
lagen, lehrte der jubelnde Empfang, ber trog aller polizeilichen 
Hinderungen dem Hauptrebner der Oppofition, Hanfemann, bei 
feiner Heimkehr in Aachen bereitet wurde. 

Am 17. Januar 1848 traten bie Vereinigten Ausſchüſſe 
jufammen, um ben Entwurf eines neuen Strafgefeges zu be- 
gutachten. Obgleih Graf Schwerin, Camphaufen und Auers- 
wald unter Zufimmung von mehr als dreißig Abgeordneten 
fofort erklärten, irgend eine weitere Arbeit dürfe ihnen nicht 
zugemutet werben, da das ein Eingriff in die Rechte bes Land- 
tages fein würde, und Gamphaufen eindrudsvoll nahwies, da 
bie Regierung vergeblich den Schein zu erweden ſuche, ala ob 
über die Verfafjung ein Einverftänbnis erzielt worden fei, 
nahmen die Verhandlungen bei fteigenber Lebhaftigfeit doch 
einen ſachlichen Verlauf, der freilich zu vielfachen Aenderungen 
des außerorbentlih harten Entwurfs führte: die barbarifche 
Verſchärfung der Todesſtrafe durch Handabhauen, das Auf- 
ſtecken des abgehauenen Kopfes, die Prügelftrafe und die Ver— 
mögenseinziehung murben verworfen. Auch die Beftimmung 
fiel, die das bloße Beraten einer Nenderung der preußifchen 
Verfaflung ſowie der des deutſchen Bundes mit Arbeitshaft 
von einem halben bis ſechs Jahren bedrohte. Schwieriger aber 
wurde die Lage, als auch ber Ausfhuß zur Kontrolle bes 


IV. Berfaffungserperimente. 235 


Staatshaushalts zufammentreten follte. Als Lohn der Fügiam- 
feit in dieſem Punkt, womit ihm dann in allem Gehorfam 
geleitet jein würde, ftellte der König die Gewährung der 
Periobicität des Landtages in Ausfiht. Nachher ſchien aber 
davon nicht weiter die Rebe fein zu follen. Da traf die Mel- 
bung ein von ber fiegreichen Revolution in Paris. Eine un- 
geheure Gärung machte fi alsbald bemerkbar, melde bie 
Kunde von dem Eindrud der Parifer Ereigniffe auf Suddeutſch- 
land noch fleigerte. In der Erkenntnis, dag nun das Ein- 
Ienten in Fonftitutionelle Bahnen unvermeidlich fei, allein 
ſchwerere Konflikte abwenden könne, erklärte der König beim 
Schluß der Ausfhußfigung am 7. März, daß er den Landtag 
binfort jedes vierte Jahr berufen und die Vollmacht der ihn 
bisher vertretenden Ausſchuſſe entſprechend einschränken werbe. 

Das Zugeftändnis kam zu fpät. Einige Monate früher 
wäre es mit hellem Jubel begrüßt worden und hätte ben größten 
Eindrud gemadt: jegt erichien es als ein Ausflug der Furcht 
und beftimmt, die weitergehenden Forderungen abzumenben, 
die alsbald laut wurden. 


Viertes Bud. 


Revolution und Reaktion. 
1848—1858, 


I. Die MWärzlage 1848. 


m Februar 1848 ſchien Friedrich Wilhelm IV. mit feinen 
Verfafiungsplänen am Ziel zu fein. So urteilten bedauernd 
auch liberale Kreife. Dann trat ein Umfchlag ein, aber nicht, 
wie man gemeint hat, duch bie ftörende Einwirkung ber dur 
bie Revolution plögli in den Vordergrund gerüdten deutſchen 
Frage. Den Ausfhlag gaben vielmehr auch Hier individuelle 
Momente. Der König wollte immer nur ben Schein einer 
Verfaffung, und auch die von ihm bereits gemachten Zugeftänd- 
niſſe ſollten nicht eine wirklich Tonftitutionelle Staatsorbnung 
anbahnen, fondern nur bie fie Erftrebenden beſchwichtigen und 
zum Verzicht auf weitergehende Forderungen gewinnen. Das 
gelang nicht, vielmehr entfrembete und erbitterte er jo bie 
Eonfequenten Vorkämpfer der Sache bes Abjolutismus, die auch 
er im geheimen fefthielt. Den Zeitgeift, den er verabjcheute, 
gewiſſermaßen abzufinden, wollte er das Königtum von Gottes⸗ 
gnaben mit Eonftitutionellen Sieraten verbrämen, im Weſen aber 
unverändert beibehalten. Wieber offenbart ſich hier feine innere 
Unwahrheit. Ihr entiprang auch die Art, wie er, Fein Freund 
mühjamer politiſcher Arbeit und ftets bereit, fie mit bem ge: 
nußreicheren Sichergehen in lockenden Phantafien zu vertaufchen, 
neuen Impulſen bereitwillig nachgab, fi) unbequemer Sorgen 
entſchlug und über das Scheitern bes einen Entwurfs tröftete, 
indem er enthufiaftifch einen anderen aufgriff. Als er jah, daß 


I. Die Märztage 1848. 237 


er in ber preußifchen Verfaflungsfrage fein Ziel nicht erreihen 
konnte und durch die Macht der Thatſachen zu einem nicht 
gewollten Ausgang gedrängt zu werden fürdten mußte, lieh 
er plöglih von jenem ab, um auf ein noch viel ferneres zu⸗ 
ueilen. Neue Enttäufhungen, neues erbitterndes Mißlingen, 
neue bemitigenbe Niederlagen konnten nicht außbleiben. 

Die Unflarheit und Unfertigfeit der preußifhen Zuſtände 
war boppelt bedenklich bei dem Steigen ber nationalen Er- 
regung in Deutſchland. Im Norden gab die Bedrohung Schleswig» 
Holfteins durch die Dänen allen nationalen Beftrebungen einen 
feften Mittelpunft. Bereits im September 1846 war zugleich 
mit biefer Frage auf der erfien Germaniftenverfammlung in 
Frankfurt am Main die nah ber Schaffung eines deutſchen 
Parlaments erörtert worden. Im Often erhob ſich das Polen- 
tum feindlich gegen alles Deutſche. Als Herd gemeingefährlicher 
nationaler Agitation wurde die Nepublif Krakau durch ein 
Abkommen der Oſtmächte Defterreich einverleibt. Die geplante 
Infurgierung des preußifchen Polen vereitelte die Wachſamkeit 
ber Behörden. Die Schuldigen, obenan Mieroslawsti, mehr 
Franzofe als Pole, harrten der Aburteilung durch das Kammer- 
gericht, getröftet Durch die jentimentalen Sympathien bes liberalen 
Bürgertums. Es war juriſtiſch anfechtbar, aber politifch richtig, 
daß die Regierung das längft vorbereitete Geſetz über bie 
Deffentlichleit des Strafverfahrens am 7. Juli 1846 zunächſt 
für Berlin ergehen ließ und auf den Polenprogeß anmanbte, 
So konnte die Verlogenheit der nationalen polnifhen Agitation 
und Preußens gutes Recht in monatelangen Verhandlungen 
(2. Auguft bis 17. November 1847) vor aller Welt ar gelegt 
werben. Bon 251 Angellagten wurben 18 freigeſprochen, 
116 gingen wegen mangelnden Beweifes leer aus, gegen 109 
wurde auf Zuchthaus und Feſtung, gegen 8 auf den Tob 
erkannt. 

Derjelbe König aber, in deſſen Namen bier die Staates 
autorität ausländiſchem Verf hwörertum gegenüber fo energiſch 
wahrgenommen wurbe, trat ihr anderwärts aus politifhen und 
kirchlichen Vorurteilen jelbft entgegen. In dem die Schweiz 
zerreißenden Vürgerfriege waren feine Sympathien bei bem 


238 Viertes Buch. Revolution und Reaktion. 


reaftionären und ultramontanen Sonderbunde. In feinem 
Intereſſe wollte er Neuenburg, das feit 1815 wieder durch 
Berfonalunion mit Preußen verbunden, zugleich aber Kanton 
der Eidgenoffenichaft war, als neutral anerkannt fehen, anberen- 
falls zu den Waffen greifen. Nach ihrem Siege aber, den man 
in Berlin wie eine Nieverlage empfand, ignorierte die Eid- 
genoſſenſchaft ſolche Anſpruche einfach, zumal Radowitz, Preußens 
Geſandter in Karlsruhe und Militärbevollmächtigter in Frank— 
furt, ſich, wie es ſcheint, mit den jeſuitiſchen Leitern des 
Sonderbundes ziemlich tief eingelaſſen hatte. Neuenburg zahlte 
ruhig die ihm wegen Unterlaſſung der ſchuldigen Hilfe von der 
Eidgenoſſenſchaft auferlegte Buße. Auch daß ein Handſtreich 
die auf Löſung von Preußen hinarbeitende radikale Partei ans 
Nuder brachte, mußte der König ruhig Hinnehmen, da ihn 
Metternih im Stich ließ und fein Werben bei dem von ihm 
nun plöglih als Hort der europäiſchen Ordnung gepriefenen 
Louis Philipp vergeblich blieb. " 
Aber auch wo es beredhtigte preußifche Interefien zu ver- 
treten galt, verfagte feine Politik. Vertrauensſelig hatte fie 
Krakau Defterreich überantwortet, ehe eine von ben Bedingungen 
erfüllt war, die fie zur Sicherung namentlich des fhlefifhen 
Handels geftellt hatte. Nachher mahnte fie vergeblih darum. 
Die Einfügung Krafaus in das öſterreichiſche Mautfyftem kam 
für Schlefien einer Handelsſperre ziemlich glei. Dem Wiener 
Kabinett wirklich ernft entgegenzutreten, Tonnte man fi in 
Berlin jedoch nicht entſchließen, um nicht vor ber Welt bie 
Erſchutterung einer Freundſchaft einzugeftehen, bie man für 
den Frieden Europas und zum Schuß gegen bie Revolution 
für unentbehrlich hielt. Als man dann aber endlich doch un= 
geduldig wurde, wandte Metternich zur Beſchwichtigung einen 
geihidt auf des Königs Eigenart berechneten Kunſtgriff an, 
indem er im März 1847 eine deutſch-öſterreichiſche Kanbela- 
vereinigung vorſchlug, die auch bie Krakauer Frage erledigen 
follte, natürlich aber von ihm weder ernftlich betrieben, noch 
auch nur beabiitigt wurde. Die Sache geriet in Stilftand, 
fobald Preußen in der Hoffnung auf größeren Gewinn feine 
bisherigen Forderungen fallen ließ, und wurde auch in Berlin 


1. Die Märztage 1848. 239 


bald über den Sorgen vergefien, die ber Vereinigte Landtag 
mit ſich brachte. 

Inzwiſchen war die Frage nad) der Neugeftaltung Deutſch- 
lands in dem von friſchem politiſchen Leben erfüllten Süben 
nahbrüdli aufgenommen. Im Mittelpunkt ftand der Ge- 
danfe eines deutſchen Parlamente. Daß da ohne Preußen 
nichts gelingen konnte, war Mar. Konnte biefes aber erfolg- 
reich mitwirken, folange es felbft einer Ronftitution entbehrte? 
Daß er von einer folden nichts willen wollte, hatte der König 
dem Vereinigten Landtage gegenüber unzweideutig zu erkennen 
gegeben. Vielleicht aber Eonnte er der aller Denken erfüllenden 
deutſchen Frage eine Wendung geben, welche die Leitung der 
Bewegung an die Regierungen brachte und durch fehnelle Be- 
friebigung ber bringendften Forderungen die weitergehenben 
beſchwichtigte und fo wirklich prinzipielle Zugeftänbniffe ab- 
wandte. Ein folder Erfolg konnte auch auf die Entwidelung 
Preußens günftig einwirken, indem er des Königs Autorität 
dem eigenen Volke gegenüber fleigerte. Hierin wurzelte Radowitz 
Programm. Danach jollte der König, was er durch das Miß- 
lingen feiner Pläne in Preußen verloren hatte, in und durch 
Deutſchland wieder gewinnen. Denn mehr als ein anderer 
Regent bebürfe er bes Vertrauens, der Sympathie, ja ber 
Begeifterung feines Volles. Sie zu gewinnen, müſſe er fi 
mit dem befjeren Geifte der Nation verbinden und fi zum 
Vorkämpfer ihrer teuetiten Güter und Wünfche aufmerfen. 
Es follte alfo die beim preußifchen Volke erzeugte Verftimmung 
wett gemacht werben buch bei dem deutſchen erwedte Be- 
geifterung. Als ob diefe denſelben Idealen gegolten hätte wie 
bie des Könige! Es galt, das Volk mit fi fortzureißen, 
damit es nicht den von ihm gewollten, fondern ben vom König 
vorgejchriebenen Weg gehe! 

Sm einer „Denkſchrift über die vom Deutſchen Bunde zu 
ergreifenden Maßregeln“ legte Radowitz bie Einzelheiten diejes 
gewagten Planes am 20. November 1847 dem König vor. 
Eine Fülle der Gaben ſchüttete der phantafiereihe Mann dem 
deutſchen Volke in ben Schoß — ein Bundesgericht, gemein- 
ſchaftliches Straf, Handels, Wechſel- und Heimatrecht, Frei- 


240 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


zügigfeit, Einheit von Münze, Maß und Gewicht, des Poft: 
und Eifenbahnwejens und anderes mehr, während er Preußens 
verheißungsvollſte Schöpfung, den Zollverein, dem Bundestag 
unterordnen, bie Forderung nad) Teilnahme des Volkes an den 
Bundesgeſchäften aber realifieren wollte durch Zuziehung von 
Sachverſtändigen aus allen Teilen Deutſchlands zu ben Arbeiten 
der Bunbestagafommiffionen, welde bie Ausführung der Re— 
formen vorbereiten folten. Diefe wollte er, wenn nötig, 
ohne und gegen Defterreih durchſetzen und gegen Klein: und 
mittelftaatlihe Oppofition fihern dur Bildung von Sonder⸗ 
vereinen — ein dem König unfaßbarer Gedanke. Dagegen 
meinten beide, Preußens Verhältnis zu ben Bundesſtaaten und 
zur Zufunft Deutſchlands fei vor allem abhängig von ber 
Geftaltung des Verhältniſſes zwiſchen Krone und Ständen in 
Preußen ſelbſt: der Brechung ber Königsmacht werde der Um- 
ſturz der Bundesverfaſſung folgen, fo daß der Bund um feiner 
ſelbſt willen jene gegen die Eonftitutionelen Sumutungen ihrer 
Stände fügen, alfo dur Annahme der Reformvorſchläge ihre 
moralifhe Autorität ſtärken müſſe. 

Der König war am wenigften fähig, den Trugſchluß zu 
erfennen, auf dem ber fünftlide Bau der Radowitzſchen Politik 
beruhte. Ein übriges zu ihrem Mißlingen that die Langfam- 
keit des Handelns. Im November 1847 ging Radowig zwar 
nad Wien, aber nicht um fein Programm durchzuſetzen, fondern 
um eine internationale Vermittelung in dem Schweizer Bürger- 
triege zu betreiben. Man Eonnte es in Berlin nicht über das 
Herz bringen, Oeſterreichs augenblidliche Verlegenheit zur Er- 
jwingung von Zugeftändnifien in Deutjchland zu benugen, 
Was an Radowitz' Plan weſentlich war, ber Gebante, 
die Leitung der nicht mehr aufzuhaltenden deutfchen Bes 
wegung ben Regierungen zu fihern, war damit aufgegeben, 
und es geſchah eben das, was er hatte vermeiden wollen. 
Indem die zweite babifche Kammer im Februar 1848 die Er- 
richtung einer Vertretung der deutſchen Ständelammern beim 
Bundestage anregte, gab fie die Parole aus, die man von 
Preußen erwartet hatte. Nun von der Bewegung, bie er hatte 
führen wollen, bedroht, dachte Friedrich Wilhelm auf Abwehr 


I. Die Märztage 1848. 241 


und trat damit in einen Gegenfag zu der eben vorbereiteten 
Wendung. Die revolutionären Erhebungen in Sizilien, Sar- 
dinien und Toskana beftärkten ihn barin und gaben feinem 
Streben nad) Bundesreform einen entſchieden antitonfiitutionellen 
Charakter. Am 21. Februar wies er feinen Gefandten an, in 
Bien den Erlaß einer gemeinfamen Aufforderung an ſämtliche 
Mitglieder des Deutſchen Bundes vorzuſchlagen zur Verein- 
barung gegenfeitiger Hilfe zum Zmwed der Aufrediterhaltung 
ber öffentlichen Ordnung, wobei fämtlihe Bunbesregierungen 
fi verpflichten follten, fi Feine die zu Recht beftehenben 
Verfafjungen verlegenden Konzeffionen abbringen zu laſſen. 
Am 22. Februar wurden die Minifter angewieſen, die dur 
das Radowitzſche Reformprogramm bedingten Aenderungen ber 
geltenden Gejege vorzubereiten. Der König meinte auf dem 
Boden einer ausgefprohen antifonftitutionellen Politik bie 
Bundesreform durchführen und das deutſche Volk zu bes 
geiftertem Anſchluß gewinnen zu können, um fo die in Preußen 
entftandenen Schwierigkeiten zu löſen. 

In Wien gefiel der Gedanke an einen ſolchen deutſchen 
Fürftenbund: ehe man jedoh an die Ausführung ging, war 
er durch die Ereigniſſe überholt. Am 27. Februar Fam bie 
Nachricht vom Sturz Louis Philipps und der Verkündigung 
der Republif in Paris. Am 28. hielt der König einen Krons 
rat. Enger Zufammenfhluß der Regierungen ſchien ihm nun 
vollends geboten. Vor allem aber wollte er die gefährliche und 
verhängnisvolle Waffe der deutjchen Nationalität ben deutſchen 
Demagogen entreißen. So formulierte er bie Aufgabe gegen- 
über feinem um bie Ruhe in Deutſchland ſchwer beforgten ruf- 
ſiſchen Schwager, als er am 2. März Rabowig mit feinem 
Neformprogramm nah Wien ſchickte. Unter dem Drud ber 
Lage war es bort bereit? am 10. März angenommen. Am 
15. einigte man fi über die in Wien und Berlin zu ver- 
öffentlihende Erklärung und bie Berufung eines Fürftenkon- 
grefies nach Dresden auf den 25. März, um den wohlbegrün- 
beten nationalen Entwürfen zu entſprechen. 

Mitte März war man da angelangt, wo man vier Monate 


früher hätte fein können, und daher wieder von den Greignifen 
Prus, Preußiſche Geſchichte. IV. 


242 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


überholt. Während der König, ohne Verftändnis für die im 
Süden fiegreihe nationale Bewegung, ein Großes zu thun 
wähnte, indem er ben Vereinigten Ausſchüſſen bei ihrer Ent« 
laflung die Zufage ber regelmäßigen Berufung des Vereinigten 
Landtages mit auf den Weg gab (S. 235), hatte jein Gefandter 
am Bunbestage, Graf Dönhoff, die Führung der nationalen 
und Eonftitutionellen Sade übernommen, weil wenn je, fo 
jest Preußen fi) unter allgemeinem Beifall der Leitung Deutſch⸗ 
lands bemächtigen und eine kraftvolle Reformpolitif durch⸗ 
führen könne. Als Vertreter des abweſenden Präfidialgefandten 
veranlaßte Dönhoff am 29. Februar die Einfegung eines Aus— 
ſchuſſes, um über die Lage des Bundes zu berichten und Vor- 
ſchläge zu ihrer Beſſerung zu maden, und am 1. März die 
Veröffentlihung einer von ihm verfaßten Anſprache an bie 
Nation, die alle um das Wohl des Vaterlandes beforgten 
Deutſchen zur Wahrung der Eintracht und der gefeglihen Ord⸗ 
nung einlud, da der Bundestag wie für Deutſchlands Sicherheit 
nad außen auch für die Förderung feines nationalen Lebens 
im Innern forgen wolle. Ohne rechtzeitige Leitung fürchtete 
er Sübbeutfhland der Republik verfallen zu fehen: nur durch 
das konſtitutionelle Syftem, meinte er, könne das verhindert 
werden. Ein deutſches Parlament freilich, wie es in jenen Tagen 
(5. März) die in Heidelberg verfammelten füb- und weſtdeutſchen 
Abgeordneten forderten, plante er nicht, fondern nur eine 
Nationalvertretung beim Bunde, wie fie am 9. März Baden 
in Frankfurt beantragte. Bon dem Fürftentage erwartete er 
eine Verſchärfung der Gegenfäge, von Preußens offener Feind- 
ſchaft gegen bie Tonftitutionelle Richtung aber ben völligen 
Bruch. 

Die Entſcheidung lag alſo in Berlin. Das hatte Bobdel- 
ſchwingh längft erfannt, und es war nicht feine Schuld, wenn 
fie nicht ſchon in der gebotenen Richtung erfolgt war. Bon 
der Notwenbigleit einer Verfaſſung für Preußen war er durch⸗ 
drungen. Seit dem Vereinigten Landtag eigentlid Premier: 
minifter, fuchte er au den König davon zu überzeugen. Aber 
trog alles Bemühens würde er kaum durchgedrungen fein, 
wären ihm nicht die Parifer Ereigniffe zu Hilfe gefommen. 


1. Die Märztage 1848. 243 


Sie gewannen ihm in Preußen jelbft zahlreiche Bundesgenoflen. 
Wie leicht bisher felbft die vorgejchritteneren Liberalen zu 
befriedigen gewejen wären, lehrte die Adreſſe der Oſtpreußen 
vom 7. März, in ber dem Dank für bie Bewilligung der 
Periodizität des Landtages nur die Bitte um feine möglichft 
baldige Berufung beigefügt war. Dagegen verlangten Adreſſen 
aus Köln, Elberfeld, Wefel, Dortmund, Trier und anderen Orten 
bereits eine nad) einem neuen Wahlgefeg zu wählende Volke— 
vertretung mit entſcheidendem Stimmrecht. Auch ber an ben 
Heidelberger Verhandlungen beteiligte Aachener Daniel Hanſe⸗ 
mann (S. 234) riet Bodelſchwingh, den Zufammentritt des 
Landtages zu befchleunigen und die ihm zur feiten Begründung 
politiſcher, bürgerlicher und kirchlicher Freiheit vorzulegenden 
Gefege rechtzeitig durch eine Rommiffion vorbereiten zu laflen. 
Auch empfahl er die Berufung von Deputierten der beutjchen 
Bundesſtaaten nach Frankfurt zu bewirken, um mit ben deutſchen 
Fürften die Reform des Bundes einzuleiten. Sicherlih waren 
& demnach nicht dieſe rheinländifhen Kreife, von denen 
damals die Rede gehen und geglaubt werben konnte, fie 
hätten Anſchluß an Defterreich geplant und bei erfter Ge— 
legenheit abfallen wollen, um Erzherzog Johann an ihre Spige 
zu ftellen. 

In Berlin herrſchte bereits bebenklihe Erregung. Seit 
dem 6. März wurden Bolfsverfammlungen in ben Selten 
Mode, einem dem Tiergarten benachbarten Gartenlofal vor 
dem Brandenburger Thor. Schon wurden weitergehende For 
derungen laut. In einer Adrefie wollte man Preß- und Rede- 
freiheit, die Berufung bes Vereinigten Landtages und eines 
deutſchen Parlaments vom König erbitten. Da ihre Annahme 
nit zu erwarten ftand, ſchwoll die Maſſe der Teilnehmer 
immer mächtiger an. Bereits am 9. März wurden militärifche 
Vorfihtsmaßregeln nötig. Sie verfiimmten und reisten. Am 
9. berieten au die Stabtverorbneten unter gemaltigem Zu— 
lauf eine Adreſſe an den König, die Maßregeln für bie 
arbeitenden Klaſſen und die Bildung bürgerliher Schutzwachen 
erbat. Am 11. wurbe fie beſchloſſen. Das Hervortreten der 
Arbeiterbevölterung zeigte die Verſchlimmerung der Lage. Das 


244 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


dadurch vollends gebotene vertrauensvolle Zufammengehen von 
Regierung und Bürgertum hätte ſich von felbft ergeben, wäre 
die Entſcheidung, die jegt an leitender Stelle fiel, fofort 
kundgethan und geſchidt benugt worden. Aber auch das ge 
ſchah nicht. 

In jenen Tagen überzeugte fih ber König, daß feine 
deutfchen Pläne ohne eine Verfaffung in Preußen unmöglich 
feien. Nicht das Intereffe Preußens, die Rüdficht auf Deutich- 
land gab darin bei ihm ben Ausſchlag. In ber beutichen 
Frage wollte er die preußiſche löfen und meinte dabei gegen- 
über den revolutionären Staaten und der freien Preffe fih 
nur mittels einer Verfafjung halten zu fünnen. So ging er 
endlich — am 8. oder 9. März — auf Bodelſchwinghs Wünſche 
ein. Eine Prollamation „An mein Bolt“, beihloß er am 
11., ſollte all die in legter Zeit eingegangenen Adreſſen und 
Petitionen beantworten. Auch eine Anſprache an das deutſche 
Volk follte vorbereitet werden. Am 12. wurde die Berufung 
bes Allgemeinen Landtages beſchloſſen, um eine Verfaſſung zu 
beraten, welde die Gefeßgebungsgewalt und das Befteuerungs- 
recht zwiſchen König und Volk teilen, die Vollziehungsgewalt 
aber dem König überlafien folte, um fie durch ein der Krone 
und den Ständen verantwortlies Minifterium auszuüben. 
Zur Abwehr der revolutionären Erhebung in Süd: und Mittel- 
deutſchland ſollte bei Kreuznach und in Thüringen je ein 
Armeecorps aufgeftellt werden, angeſichts der Spannung mit 
Frankreich aber am Rhein der Prinz von Preußen das Kom⸗ 
manbo übernehmen. 

Aber ehe am 14. März das Patent über die Einberufung 
des Landtages auf den 27. April erſchien, hatte ih die Lage 
wieber verfhlimmert. Eine neue tumultuierende Volfaver- 
fammlung in ben Selten führte am 13. zu mehrfachen blutigen 
Yufammenftößen, deren Opfer nit gerade bie Schuldigen 
waren. Denn ſchon verriet das planmäßigere Vorgehen ber 
Maflen eine geheime Leitung, wohl durch Fremde, die im 
Intereſſe der internationalen Revolutionspartei Preußen durch 
einen Aufruhr in der Hauptſtadt an jeder Aktion nad außen 
hindern wollten. Unter der Hand erhielt die Regierung Runde 


1. Die Märztage 1848. 245 


von deren Plänen und konnte jo wenigftens das bereits am 
Nachmittag des 15. von einem Pöbeleinbruch bedrohte Schloß 
noch rechtzeitig fügen. Am Gebrauh der Waffen hinderte 
der Gouverneur General v. Pfuel die Truppen. Die in ber 
Nachbarſchaft errichteten Barrikaden zu jäubern, genügten einige 
Schuſſe. 

Die Stimmung war alſo bereits fieberhaft erregt, als 
am 16. März der Sieg der Revolution in Wien bekannt wurde. 
Die Unbändigkeit der Menge wuchs. Sie im Zaum zu halten, 
mußte ſchließlich Militär aufgeboten werden. Da das nicht 
ohne Blutvergießen abging, ſtieg die Erbitterung gegen die 
Truppen. Noch aber waren alle Beſonnenen und Gemäßigten 
zu gewinnen durch ein offenes Wort, das jeden Zweifel an 
der Ehrlichkeit der Abſichten des Königs ausſchloß und kräftiges 
Handeln verbürgte, wenn zu Trägern bes neuen Syſtems Männer 
berufen wurden, bie das Vertrauen bes Volkes befaßen. Auch 
das erkannte Bodelſchwingh. Schon am 12. Hatte er dem 
König erklärt, die neue Bahn, die Preußen jetzt gehen müſſe, 
wenn es ſich ſelbſt erhalten und Deutihland zum Stügpunft 
werben folle, brauche friihe, auf anderen Wegen noch nicht 
abgenugte Kräfte. Zur Durchführung des konſtitutionellen 
Prinzips, deſſen Anerkennung er mit Hilfe der Ereignifie dem 
König abgerungen hatte, meinte er in ben Augen bes Volles 
nicht der rechte Mann zu fein: fie müfle in eine Hand gelegt 
werben, welche bie öffentliche Meinung in diefem Punkte nicht 
gegen fi habe. Am 17. erbat er daher förmlich feine Ent- 
laſſung. Gleichzeitig aber erfuhr die Regierung, das am 15. 
wie zur Probe im Meinen Verſuchte jolle am 18. im großen 
und ernftlih ausgeführt, mittels einer Mafjendeputation an 
den König das Schloß genommen und bie Erfüllung aller For- 
derungen erzwungen werben. Die Revolution follte beginnen. 

Was vernünftigerweife gefordert werben konnte, war ber 
König ja bereits entfchloffen, zu bemilligen. Durch fofortige 
Belanntgebung dieſer Thatſache wollte Bodelſchwingh die Krone 
vor dem Schein eines auf fie ausgeübten Zwanges fügen: 
vielleicht war der drohende Sturm jo abzuwenden. Dem ftimmte 
ein nächtlicher Minifterrat bei. Sofort entwarf Bodelſchwingh 


246 Biertes Bud. Revolution und Reaktion. 


das Patent, nad) bem ber Landtag bereits am 2. April zus 
jammentreten follte zur Beratung über die preußifche Ver— 
fafjung, da die geplante Bundesrepräfentation aus ben Ständen 
aller deutſchen Länder in allen deutſchen Staaten KRonftitutionen 
notwendig made. Deutſchland verhieß es eine bundesſtaatliche 
DOrganifation, eine Wehrverfaffung nach preußiſchem Mufter, 
dann Flotte, Bundesgericht, Aufhebung aller Zollſchranken und 
Vreßfreiheit, die für Preußen ein Gefeh vom 17. März fofort 
einführte. Durch Gegenzeihnung diefes Patents folten nad 
Bodelſchwinghs Abſicht die neuen Minifter fih dem Volke em« 
pfehlen. Nur waren noch feine zur Stelle. Der frühere Finanz: 
minifter v. Alvensleben (S. 164) Iehnte den Auftrag zur Bil- 
dung eines Minifteriums ab. Graf Arnim-Boigenburg (©. 226) 
erbat ſich Bedenkzeit. So geſchah, da Gefahr im Verzuge war, 
eben das, mas Bodelſchwingh hatte vermeiden wollen: am 
18, früh erſchien das Patent mit den Unterfchriften der alten 
Minifter, obenan des Prinzen von Preußen. 

Sein Belanntwerden fetzte die Stadt in freudige Be: 
wegung. Deputationen, obenan eine rheiniſche unter des Ober: 
präfidenten Eihmann Führung, melde die befannten for: 
derungen vorzutragen gefhikt waren, hatten bem König nun 
für die bereits erfolgte Gewährung zu banken. Bei Herrlidem 
Better ſtrömte alles nach dem Schloßplag, den eine wogende 
Menge erfülte, während bürgerlide Schutzmannſchaften das 
Schloß abfperrten, in deſſen Höfen und Portalen Truppen 
bereit ftanden. Allmählich änderte fih das anfangs friedliche 
Bild. Hier und da wurden Zweifel laut an der Chrlichfeit 
der Regierung. Jedenfalls, meinten andere, fei ben Proletariern 
damit nicht geholfen. Nach Mittag begann, von unfichtbarer 
Hand geleitet, ein Drängen gegen die Schloßportale. Man 
forderte den Abzug der dort ftehenden Truppen. Dabei erhigte 
die Menge fih ſchnell. Im Einverftändnis mit ihr wichen 
die bürgerlihen Schutzmannſchaften zurüd. Volksredner traten 
auf. Bodelſchwingh, der Ruhe ftiften wollte, ſah fich bebroht. 
Schon drang das Tofen der Maſſe bis in die Gemächer des 
Schloſſes. Man mußte auf defien Sicherung denken. General 
v. Pfuel war nicht zur Stelle. So befahl der König gegen 


I. Die Märztage 1848. 247 


zwei Uhr dem kommandierenden General des Garbecorps, 
Generalleutnant v. Prittwig, den Schloßplag zu fäubern. Im 
Schritt und ohne das Gewehr aufnehmen zu lafien, führte 
biefer felbft eine Schwadron Garbebragoner über den Luftgarten 
und die Schloßfreiheit nad dem Plag, geriet mit ihr aber 
durch das Volk ins Gebränge und wurde felbft umringt. Da 
tam aus ben anderen Schloßportalen unter Trommelwirbel 
Infanterie. Gewehr auf Schulter, drängte fie bie Menge nad 
der Rurfürftenbrüde. Gegen dieſe ging, um den Pla vollends 
zu fäubern, ein Zug von ber Breitenfiraße her ſchußfertig vor. 
Aus ihm fielen zwei unſchädliche Schüffe, der eine, indem ein 
Stochſchlag aus der Menge das Zündhütchen auf dem Gewehr 
eines Unteroffiziers traf, der andere durch die Ungeſchidlichkeit 
eines Gemeinen. 

Schon bei früheren Tumulten hatten bie Truppen die 
Waffen gebraucht. Auch jest wi die Menge zurüd. Nur 
waren ihre geheimen Leiter, mögen es nun polnifche oder inter- 
nationale Emiſſäre geweſen fein, jegt fo weit gerüftet, daß 
fie den willkommenen Zwiſchenfall benugen Eonnten. Für den 
Fall des Gelingens follen fie auch ſchon eine proviforifche 
Regierung in Bereitſchaft gehabt haben. Man ſchrie Verrat, 
that, als hätten die Truppen die durch die Proflamation in 
Sicherheit gewiegte Bürgerihaft meuchleriſch überfallen. Die 
Züge fand Glauben. Nach Race rufend, eilten Arbeiter, Bürger, 
Studenten zu den Waffen. An offenbar zum voraus befiimmten 
Plägen erhoben fi Barrikaden und fperrten die Stabt vom 
Schloß ab. Dennoch rang man nur mit Mühe dem König 
um vier Uhr den Befehl zum Angriff ab. Seinem Traum 
von ber Treue der Berliner, in dem er fi trog ber legten 
Ereigniſſe gewiegt hatte, folgte ein furchtbares Erwachen. Für 
das Gefeht in Straßen und Häufern ungefchult, waren die 
Truppen anfangs im Nachteil. Allmählich kamen fie vorwärts. 
Gegen Abend trat eine Paufe ein: auf Bitten bes Biſchofs 
Neander, der vermitteln zu können hoffte, gebot ber König 
Halt. Es war für die Offiziere nicht leicht, dem Befehl Ge: 
horſam zu ſchaffen. Befonders bemühte fi darum der Prinz 
von Preußen. Den eben durch Radowiz brieflich angeregten 


248 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


Gedanken, der König jollte mit den Truppen, etwa 14 000 Mann, 
die Stadt räumen und draußen Stellung nehmen, ließ man 
wieber fallen. Um neun Uhr wurde der Kampf aufgenommen. 
Bald waren die Truppen, obgleich fie viel Verwundete hatten, 
überall im Vorbringen. Erft um Mitternacht hielten fie ein. 

Im Schloſſe fpielten inzwifchen unbeſchreibliche Scenen. 
Hofleute, Militärs, Beamte, Deputationen drängten ſich durch⸗ 
einander, auch ungerufen zu Rat und Hilfe Herbeieilende: 
wie in einer Wachtſtube oder auf der Börfe ging e8 zu. Der 
König war faffungslos. Bald meinte und Elagte er, bald brütete 
er apathiſch vor fi Hin. Dem Heulen der Sturmgloden, dem 
Donner der Kanonen, dem Knattern ber Gewehre hielten feine 
Nerven nicht ftand. Da erſchien, von Bodelſchwingh berufen, 
der weftfälifhe Landrat v. Vinde, der beredte Führer der Oppo- 
fition auf dem Xereinigten Landtage (©. 232). Eben an- 
gelommen, wollte er auf dem Wege zum Schloſſe die Truppen 
in trauriger Verfaffung, die Burgerſchaft zum äußerften ent» 
ſchloſſen gefunden Haben: er riet, fie durch Zurüdziehung ber 
Truppen zu beſchwichtigen. Generale fanden das lächerlich. 
Aber Vindes Antwort, morgen würden die Herren nicht mehr 
laden, ging anders in Erfüllung, als er dachte. Um Mitter⸗ 
nacht berichtete Prittwig über die Lage. Er war ſicher, das 
bisher gewonnene Gebiet zu behaupten, im Notfall etliche Tage. 
Auch blieb immer der Ruckzug aus der Stadt und deren Ber 
lagerung. Eine beftimmte Weifung erhielt er nit. So dachte 
er am anderen Morgen den Angriff zu erneuern und ben Sieg 
zu vollenden. 

Auf den König aber hatte Vindes Rebe Eindrud gemadt, 
befonders die von ihm aufgeworfene Frage, was werben follte, 
wenn das Volk fiegte? Er begriff nicht, wie bie Berliner, 
bie er fo zärtlich zu lieben behauptete, gegen ihn fechten könnten. 
Da mußte ein unfeliger Irrtum obwalten, den aufzuklären 
genügen werde, um alles ins Gleiche zu bringen. Aus dieſen 
Gedanken heraus entwarf er alsbald einen Aufruf „An meine 
lieben Berliner”. Einem furzen, feine furchtbare Erregung 
wieberfpiegelnden Bericht über die legten Ereignifle folgte ein 
berebter Appell an die Einwohner feiner geliebten Vaterſtadt. 


1. Die Märztage 1848. 249 


Er beſchwor fie, zum Frieden zurüdzufehren und die Barrikaden 
zu befeitigen: dann follten bei feinem föniglihen Wort bie 
Straßen und Pläge von den Truppen geräumt und nur das 
Schloß, das Zeughaus und einige andere Gebäude noch furze 
Zeit bejegt gehalten werben. „Hört,“ fo ſchloß er, „Die Stimme 
Eures Königs und vergefiet das Geſchehene, wie ich es ver- 
geſſen will und werbe in meinem Herzen, um ber großen Zur 
kunft willen, die unter dem Friedensfegen Gottes für Preußen 
und duch Preußen für Deutfhland anbreden wird.” Vom 
militärifhen Standpunkt ſchien gegen die Proflamation wenig 
einzuwenden, da fie den Rüdzug ber Truppen davon abhängig 
machte, daß die Barrifaden befeitigt würden. Auch das war 
korrekt, daß der König den Entwurf an Bodelſchwingh fandte 
und ihm vor ber Publikation jede Aenderung daran freigab. 
Der Minifter ließ ihn einfach abdruden und am nähften Morgen 
befannt machen. Bei den Militärs erregte der Aufruf ernfte 
Bedenken: gewiſſe Punkte, erklärten diefe, müßten von ben 
Truppen gehalten, diefe Überhaupt um das Schloß Fonzentriert 
werben, während eine bereits früh acht Uhr erfchienene Bürger: 
beputation unter dem Oberbürgermeifter Krausnid die Erſetzung 
der Truppen durch bewaffnete Bürger forderte. Ueber dieſe 
Frage gerieten bei einem vom König gehaltenen engeren Rat 
Bodelſchwingh und fein befignierter Nachfolger Arnim-Boigen- 
burg heftig aneinander, da Arnim die Truppen fofort, Bodel⸗ 
ſchwingh erft nad Entfernung der Barriladen zurüdziehen 
wollte. Schlieglih wurde die Deputation im legteren Sinn 
beſchieden und angewiefen, demgemäß auf ihre Mitbürger ein- 
zuwirken. Jedenfalls befierte dieſe Unentſchiedenheit die Stellung 
der Truppen nit. 

Bald danach aber erſchien unter Führung des Bürger- 
meifters Naunyn eine neue Deputation. Sie meldete, in ber 
Königaftabt jeien bereits drei Barrifaden abgetragen, und fors 
derte als Gegenleiftung die Zurüdziehung der Truppen. Der 
Prinz von Preußen wollte zunächſt die Richtigkeit jener An⸗ 
gabe feftftellen laſſen — fie war thatfächlich unbegründet. Aber 
froh über das vermeintlihe Entgegenommmen feiner lieben 
Berliner bielt der König das nicht für nötig. Er zog fi mit 


250 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


Bodelſchwingh und Arnim in fein Kabinett zurüd. Was dort 
in der nächften Viertelftunde geſchehen ift, wiſſen wir nicht. 
Jedenfalls wurde ber bisher eingenommene Standpunkt aufs 
gegeben. Heraustretend teilte Bodelſchwingh den Verſam⸗ 
melten als Willen des Königs mit, es follten, da mit ber 
Wegräumung der Barrifaden begonnen und das Ende aller 
Widerfeglichleit zu erwarten fei, die Truppen die Straßen und 
Pläge räumen und nur das Schloß, das Zeughaus und andere 
Öffentliche Gebäude ſtark bejegt halten. Das hieß, mie bie 
Dinge lagen, freilich den fiegreihen Truppen die Schmad des 
Nüdzuges vor den fo gut wie niebergeworfenen Rebellen aufs 
erlegen, entſprach auch nit dem Wortlaut der Proflamation. 
Außer fi warf der Prinz von Preußen feinen Degen auf den 
Tiſch: er könne ihm nicht mehr mit Ehren tragen. Mit ihm 
erklärte Prittwig die Ausführung des Befehls für militäriſch 
unmöglih: fo verzettelt und ohne Verbindung miteinander 
feien die Truppen verloren; dann müfle er fie fhon in ihre 
Quartiere abrüden laſſen. Diefe Einwände fertigte Bobel- 
ſchwingh, froh, der fo lange getragenen minifteriellen Bürde 
endlich entlebigt zu werden, mit dem Rufe ab, an des Königs 
Worten dürfe nicht gebreht und gedeutelt werben. Ja, über 
feine Amtabefugnifle Hinausgreifend, forderte er die anweſenden 
Dffigiere auf, fhleunigft den Befehl den Truppen zu über 
bringen. 

Wurde er befolgt, fo war ber König nad) einer fiegreichen 
Straßenſchlacht wehrlos der Revolution überantwortet. Des: 
halb änderte Prittwig den Befehl auf eigene Verantwortung: 
nur die vorgeſchobenen Poſten ſollten die Truppen zurüdnehmen, 
fonft ihre Stellungen behaupten, bis die Barrifaden wirklich 
befeitigt wären. Dann eilte er mit dem Prinzen von Preußen 
zum König, der mit Arnim die Zufammenjegung des neuen 
Minifteriums beriet. Außer fi, das Gefiht mit den Händen 
dedend, erklärte diefer, den Befehl zum Rüchzug nicht gegeben, 
fondern an dem in ber Proffamation getroffenen Abkommen 
feftgehalten zu haben. Nun war es zu fpät. Auf jene erregte 
Weiſung Bodelſchwinghs Hin waren die Offiziere zu den Truppen 
geeilt, und diefe hatten mit Elingendem Spiel, gefolgt von der 


I. Die Märztage 1848. 251 


ob diefer unerwarteten Wendung jubelnden Menge, den Rüd- 
zug angetreten, auf bes Prinzen von Preußen und Prittwig’ 
Anordnung zunähft nad dem Schloffe. Ihres Bleibens war 
dort freilich nicht. Sie konnten dort weder verpflegt, noch 
bei ihrer erbitterten Stimmung von Zufammenftößen mit der 
Menge abgehalten werden. Gegen zwölf ließ Prittwig fie 
daher in ihre Kafernen und Quartiere abrüden. Nur im 
Schloß blieben fieben und im Zeughaus eine Compagnie zurüd. 
Vielfah wurden die Abziehenden verhöhnt, mußten die Mufit 
einftellen und wurden gedrängt und geflogen. Aber auch biefe 
harte Probe beftanden fie mit tadellofer Mannszucht. Diefe 
zu erhalten ließ fi} aber bei der erzwungenen Unthätigfeit 
inmitten ber Verführungen der Hauptftabt nicht hoffen. Des- 
halb ftellte Prittwig den Regimentskommandeuren frei, unter 
Umftänden ihre Truppen auf eigene Verantwortung aus Berlin 
zu führen. Infolgedeſſen war diefes am Morgen des 21. jo 
gut wie entblößt von folden. Die Revolution war janktioniert. 

Jetzt kam der König auf den Plan ber Flucht aus Berlin 
zurüd. Sie wurde befhloffen. Schon fand im Schloßhof ein 
unſcheinbarer Wagen am Fuß der zu den Tönigliden Ge— 
mädjern führenden Wendeltreppe bereit, als durch die Menge, 
die nun wieder freudig bewegt den Schloßplag erfüllte, eine 
Schar bedenklicher Erſcheinungen fi) Bahn brad, in der Mitte 
ein Möbelmagen mit Leihen von Barrikadenkämpfern. Auf 
Andringen des Polizeipräfidenten v. Minutoli, dem Arnim und 
der für das Kultusminiflerium befignierte Graf Schwerin: 
Putzar zuflimmten, trat das Königspaar auf ben Balkon, um 
den Volkshelden eine öffentliche Anerkennung zu geben. Schmäh: 
reben tönten ihm von unten entgegen. „Die Müge ab!“ rief 
man dem Könige zu, und er entblößte fein Haupt. Eben wollte 
er dann zum Wagen Hinabfteigen, als gemeldet wurde, von 
der anderen Seite, den Linden und über den Lufigarten her 
nahe ein ähnlicher Kondukt, ein leichengefülter Möbelmagen 
von einer tobenden Menge begleitet. Da man die Zu: und 
Durchgänge freigegeben und bie im Schloß gebliebenen Sol: 
daten in die Treppenhäufer und Korridore zurüdgezogen hatte, 
fand derjelbe bald im Schloßhof, auf der Wendeltreppe und 


252 Viertes Bud. Revolution und Reattion. 


am Eingange der königlichen Gemächer. Da erft hielt man 
die Eindringlinge auf, denen wohlorganifiert von verſchiedenen 
Seiten ähnliche Leichenzüge gefolgt waren. Schauerliher und 
demütigender wiederholte fi) die Scene, die eben auf dem 
Ballon nah dem Schloßplag Hin geipielt hatte. König und 
Königin mußten auf die in den Hof führende Galerie treten 
und inmitten ber bebenden Hofgefellihaft barhäuptig die Leichen 
der Freiheitsfämpfer grüßen, die unter den Klängen bes 
Chorals „Zeus meine Zuverſicht“ vorbeigeführt wurben. Erft 
das Herbeieilen von Scharen gemwaffneter Bürger vom Luſt⸗ 
garten her machte der Schredensfcene ein Ende: von Grauen 
vor folhen Bundesgenoffen erfaßt, fäuberten diefe den Schloß- 
hof und fiherten den König vor weiteren Gemwaltthaten. 

Frei aber war dieſer darum doch nicht. Erſchöpft durch 
die furchtbaren Erlebnifje der legten Zeit, ſchwankend zwiſchen 
knirſchender Wut und bebender Furt, aber noch immer ohne 
Mare Einfiht in die Lage, in dem Wahn befangen, das Opfer 
einer ſataniſchen Verfhwörung der „europäiſchen Schuftenſchaft“ 
geworben zu fein, blieb er ein Spielball der auf ihn ein- 
flürmenden Eindrüde und ein Werkzeug in den Händen feiner 
Umgebung. Es rächte fih furdtbar, daß er die durch die 
Verhältniffe gebotene Entfernung aus der Hauptſtadt unter 
lafien hatte, erft aus Unentjchlofenheit, dann auf Andringen 
Arnims. Getrennt von ben tapferen Männern, deren Rat er 
am 18. März Lleinmütig verjhmäht hatte, mußte er eine 
Demütigung nad der anderen über fich ergehen laſſen. Ob— 
gleich überzeugt, damit einen ſchweren Fehler zu begehen, ließ 
er fi am 20. März die Begnadigung der acht zum Tode ver: 
urteilten polniſchen Kocverräter, obenan Mieroslamstlis 
(S. 237), abbringen. Und am nächſten Tag ließ er fih durch 
den bisherigen Gejandten in Paris, Heinrich v. Arnim, ber das 
Auswärtige übernommen hatte, gegen feine beſſere Einficht zu 
jenem unmürdigen Umritt durch die Straßen beftimmen, durch 
ben er, mit ben deutſchen Farben geſchmückt, begleitet von 
Miniftern, Generalen, Bürgern und Studenten, die Profla- 
mation befräftigen follte, durch die er, angeblich eine längft 
gehegte Abſicht ausführend, unbelehrt durch die damit bisher 


1. Die Märztage 1848. 253 


gemachten Erfahrungen, in unverbefierliher Selbſttäuſchung in 
dem Augenblid, da ihm die Zügel der Regierung in Preußen 
entfallen waren, die Hand nad) der Leitung Deutſchlands aus- 
firedte, indem er von der Vereinigung ber deutſchen Fürften und 
Völker unter ihm Rettung aus den eigenen Gefahren erhoffte. 
„Preußen,“ jo ſchloß er, „geht binfort in Deutfchland auf.” 
Aehnlich überſchwenglich Hang die Anſprache, durch die feine 
Minifter der deutſchen Nation kundthaten, er habe fih an bie 
Spige bes Geſamtvaterlandes geftellt als konſtitutioneller Fürft, 
als der König bes neuen, wiedergeborenen Deutſchland. 

Diefe Erklärungen zogen ihm Oeſterreichs bittere Feind: 
ſchaft zu. Wider befieres Wiffen höhnte man in Wien offizids, 
erſt das Röcheln ermorbeter Bürger habe ihn an das beutjche 
Volt erinnert, und am 24. März proteftierte Oeſterreich aus⸗ 
drüdlich gegen jede einfeitige Nenderung ber Bundesverfaffung. 
Und auch mit Rußland verdarb es der König in feiner Schwäche. 
Obgleich er am 23. März eine Polendeputation — mit dem 
Dichter Kraſchewoki und dem Erzbiſchof Przyluski wagte Mieros: 
lawski ihm unter die Augen zu treten — von der Ausfichts- 
lofigfeit ihres Unabhängigfeitsftrebens zu überzeugen verfucht 
hatte, ftellte er doch dur einen Erlaß vom 24. dem Groß- 
herzogtum Poſen eine den nationalen Wunſchen der Polen 
entiprechende Reorganifation in Auaficht, deren Koften mit dem 
Deutſchtum die preußifche Staatseinheit zu tragen haben, 
die außerdem aber von Rußland als eine direkte Bedrohung 
empfunden werben mußte. 

Das Schlimmfte aber war doch bie tiefe, fo nie dageweſene 
Verfiimmung, die fi infolge ber Märztage ber Armee be: 
mädtigt hatte. Auch kam fie in umerhörter Weife zum Aus- 
drud, Es hatte die Erbitterung noch gefteigert, daß der Prinz 
von Preußen, der am 18. und 19. März Recht und Ehre der 
Armee mannhaft vertreten und ſich ebenſo als echten Soldaten 
wie als befonnenen Menſchenfreund bewährt hatte, weil bie 
Menge ihn für den Urheber des Blutbades auf dem Schloß⸗ 
plag anfah undihre Leiter in ihm ihren gefährlichen Gegner 
befeitigen wollten, um das Wolf nicht herauszuforbern, auf Be— 
fehl des Königs das Land zunächſt verlaffen mußte und nad 


254 Viertes Buch. Revolution und Reaktion. 


London ging, angeblich, um ber englifhen Regierung über ben 
Stand der Dinge vertraulich Bericht zu erflatten. Am Tage 
feiner Abreife, die bei der gebotenen Heimlichkeit von Unein- 
geweihten und Uebelwollenden natürlih als Flucht gebeutet 
wurde, den 22. März, fand, wie eine nationale Trauerfeierlich- 
teit hergerichtet, das Begräbnis der 183 auf den Barrifaden 
Gefallenen ftatt. Wieder nahm ber Zug feinen Weg am Schloß 
vorbei: freiwillig erihien der König, feine Gemahlin neben 
fih, auf dem Balkon und entblößte das Haupt vor dem Leichen» 
zuge. In aller Stille dagegen wurden am 24. die im Straßen- 
kampf getöteten 18 Soldaten beftattet. Den Tag darauf be— 
gab fi) der König nach Potsdam, wo ihn Bodelſchwingh und 
der in heißem Kampfeseifer als getreuer Mann feines Königs 
für die Erhaltung der altpreußifhen Monarchie eintretende 
Bismard bereit? am 21. vergeblich erwartet hatten. Wie ein 
armer Sünder, befangen, gebeugt, ſchleichend trat er unter 
die im Marmorfaal des Schloffes verfammelten Offiziere, mit 
eifigem Schweigen empfangen. Verlegen und unzufammen= 
hängend ſprach er zu ihnen. Gr wiberlegte das Gerücht, daß 
er unfrei jei: auch die Truppen möchten der erfahrenen Unbill 
vergeflen. Er lobte ihre Haltung, aber au Berlin und ben 
DOrbnungsfinn feiner Bürger: von deren Wunſch wollte er bie 
Rückkehr der Truppen in die Hauptſtadt abhängig machen. 
Er that, als ob er nicht dem Todesmut feiner Soldaten, fon- 
dern der Aufopferung ber Berliner feine leiblihe und feine 
politiſche Eriftenz, die Erhaltung des Thrones verdankte. Ein 
Murten ging durch die Reihen, man ftieß unmutig die Säbel- 
ſcheiden auf. Daß der König nachher auf eine leife Bemerkung 
des Rriegaminifters, General v. Rohr, um ein Mißverfländnis 
auszuſchließen, feine Worte dahin richtig ftellte, daß er natür- 
lich erft nach dem Abzug der Truppen den Bürgern zu Dank 
verpflichtet fei und der Armee die geleifteten Dienfte nie vers 
geflen werde, verſchlimmerte die Sache höchſtens. Auch jegt noch 
wollte er die Wahrheit nicht anerkennen, fondern ſuchte fi 
und andere über fie zu täufchen und bie furdtbare Wirklich: 
keit zu eigener Beruhigung dur freundliche Phantafiegebilde 
unſchädlich zu machen. 


OD. Die konflitwierende Bafionalverfammlung und die 
Berfaflungsokfroyierung. 
April 1848 bie Januar 1849, 


Wie bat ein König ſich tiefer gebemütigt gefühlt als 
Friedrih Wilhelm IV. nad den Märztagen, aber auch nie 
vereinfamter und ratlofer. NKlagend um die verlorene Liebe 
feines Volkes und unfähig, fi in die neue Zeit zu ſchicken, 
ſah er ale feine Ideale zertrümmert und konnte ſich doch nicht 
jagen, vol feine Pfliht gethan zu haben. Vielmehr wußte 
er, daß er gerade die eifrigften Vorkämpfer des Königtums 
ſich entfrembdet hatte. Damals forderte Bismard den Prinzen 
Karl auf, gegen des Königs erzwungene Einräumungen ein 
preußifches Banner aufzumerfen. Es wurde abgelehnt, weil 
fie ja vor dem Aufruhr freiwillig gemacht feien. Der Prinz 
von Preußen erklärte, ſollten nod einmal die Truppen im 
Stich gelaffen und alles preiögegeben werben, fo werde auch 
er alles daran jegen. Bon ben Miniftern verftand fi ber 
König mit feinem. Seine Vertrauten beftürmten ihn mit ben 
entgegengejeßteften Ratſchlägen. Rabowig empfahl, er möge fih 
„effazieren“, alles den Miniftern überlaflen, gegen die Bourgeoifie 
aber einen Rüdhalt ſuchen im Proletariat. Andere wollten 
zuffifhe Hilfe anrufen, während die Minifter des Auswärtigen 
und bes Krieges, 9. v. Arnim und General v. Reyher, mit 
Bunfen und anderen Polenfreunden von einem Krieg mit Ruß- 
land die Löfung aller Schwierigkeiten hofften. Die preußifche 
Frage hatte der König in der deutſchen löfen wollen: nun 
brachte ihn diefe auch in jener zum Scheitern. Beider Ver- 
quidung aber ergab immer neue Rollifionen zwiſchen Preußens 
hiſtoriſchem Recht und angebliher Pflicht gegen das künftige 


256 Bierted Bud. Revolution und Reaktion. 


Deutſchland, das ohne eigene Machtmittel nah innen und 
außen doch allein von Preußen vertreten werben konnte. 

Am 31. März trat in Frankfurt das Parlament zufammen. 
Indem es für die Wahlen zu der Eonftituierenden beutfchen 
Naotionalverfammlung Oft: und MWeftpreußen dem Deutichen 
Bunde einfügte, machte es Preußen aus einer europätjchen 
Macht zu einer bloß deutſchen. Es bedrohte feinen Befigftand, 
indem es die Entſcheidung über Pofen zwar aufſchob, aber 
die Teilung Polens für ſchmähliches Unreht und feine Her- 
ftelung für eine heilige Pflicht des deutſchen Volkes erklärte. 
Am 2. April wurde in Berlin der zweite Vereinigte Landtag 
eröffnet. Zwar hatte Heinrich Simon nit allein die Anſicht 
vertreten, jegt gelte e8 vielmehr die Berufung einer Eonftituieren- 
den Verfammlung auf Grund eines befonderen Wahlgefeges. 
Dod hatte der König bereits am 22. März Deputationen aus 
Breslau und Liegnig erklärt, dem Landtage folle ein Wahl- 
gefeg mit Urmahlen vorgelegt werden, um eine bie Intereſſen 
bes Volles ohne Unterſchied der religiöfen Bekenntniſſe um- 
fafiende Vertretung auf breitefter Grundlage herbeizuführen, 
und das Minifterium die Umgehung des Landtages ala Alt 
des Abfolutismus verworfen. Die öffentlihe Meinung billigte 
das, zumal ber Erjag Arnim-Boigenburgs (29. März) durch 
Camphaufen und die Webernahme der Finanzen durch Hanſe— 
mann das Minifterium liberaler geftaltete. Auch veröffentlichte 
es am 6. April einige mit dem Landtage vereinbarte Grund- 
lagen ber fünftigen Verfaſſung: Aufhebung aller Ausnahme- 
gerihte und der Disziplinierbarkeit der Richter, Verfammlungs: 
und Vereinsrecht und für die Volfsvertretung Mitwirkung bei 
allen Gefegen und Feftftellung des Staatshaushalts, ſowie das 
Recht der Bewilligung von Steuern und Anleihen. Auch das 
Geſetz vom 8. April über die Wahl der zur Vereinbarung der 
Verfaffung zu berufenden Berfammlung war liberal. Aktives 
Wahlrecht gab es jedem unbefcholtenen Preußen, ber 24 Jahre 
alt und feit ſechs Monaten ortsangehörig war, das paffive 
jedem 30 Jahre alten. Am 6. April wählte der Landtag auf 
Wunſch der Regierung die nach dem Bundestagsbeſchluß vom 
30. März auf Preußen treffenden 113 Abgeordneten für das 


I. Die Tonftituierende Nationalverfammlung. 257 


deutſche Parlament. Doch wurde biefe Wahl am 10. wieber 
annulliert und eine neue angeorbnet nad) den vom Vorparlament 
getroffenen Beſtimmungen. So ganz ſchien ber Liberalismus 
der Zukunft Preußens Herr zu fein, daß ber eifrigfte Bor- 
tämpfer des altpreußifchen Königtums, VBismard, gegen bie 
Dankadreſſe an den König ſtimmte, weil zu einer foldhen kein 
Grund fei, wenn bie Krone felbft Erde auf ihren Sarg werfe, 
und er damit warten wolle, bis man auf bem neuen Wege 
wirklich zu einem einigen deutſchen Vaterland und geſetzlich 
geordneten Zuftänden gelangt fein werde. 

Die Ausfiht dazu war damals freilich gering. An zwei 
Stellen war Preußen bereits kriegeriſch beichäftigt, und zwar 
an ber einen für und an ber anderen gegen eine nationale 
Revolution. Denn eine folhe war die Erhebung Schleswigs 
und Holfteins gegen Dänemark. Trogbem hatte der König 
auf 9. v. Arnims Rat am 24. März dem Herzog von Auguften- 
burg feinen Schuß zugefagt, weniger zu ernftem Handeln ent⸗ 
ſchloſſen, ala um die jener Sache ficheren nationalen Sympathien 
für fi) zu gewinnen. Auf Wunſch des Bundestages, der bie 
proviforifche Regierung in den Herzogtümern anerkannte, ſchickte 
er Truppen nad) Holftein, wie er in Kopenhagen erklären ließ, 
um die Republif abzuwenden. Aber der Ueberfall der ſchleswig⸗ 
holſteiniſchen Truppen durch die Dänen bei Flensburg am 
9, April und ihr Rüdzug nad) der Eider machte den Krieg un= 
vermeidlih. Wrangel eroberte Schleswig, drang in Jutland 
ein, bejegte Fribericia und fehrieb zum Erſatz für ben ſchweren 
Schaden, den die bänifhen Kaper dem preußiſchen Kandel 
thaten, eine Kontribution aus. Dann trat ein Stilftand ein, 
und bald ſtand Preußen vor der Frage, ob es völlig ifoliert 
einen ausfihtslofen Kampf gegen eine erbrüdende Uebermacht 
wagen wollte. 

Schneller und glüdliher Töfte fi die Krifis in Pofen. 
Infolge der königlichen Zufage vom 24. März (S. 252) war 
zur Reorganifation der Provinz eine aus Deutfhen und Polen 
gemischte Rommiffton unter General v. Willifen beftelt. Ges 
tragen von ben Sympathien ber preußiihen Demokratie, bie 
mit Heinrih Simon geradezu die Uebergabe der Provinz an 

Drug, Perubiiäe Gejälätt. IV. 


258 Biertes Bud. Revolution und Reattion. 


die Polen forderte, obgleich damit eine halbe Million Deutſcher 
700 000 Polen überantwortet worden wäre, erhoben bie Polen 
ungemefiene Anfprüche, und Willifen gab ihnen nad. Wollten 
doch manche das Polentum gleich möglihft national abgefondert 
geſtellt ſehen, damit dereinft fein endgültiger Abfall ohne Er- 
fchütterung geſchähe! Daß die Regierung die deutichen Be- 
zirke Poſens deutſch erhalten wollte und dem Bunde einver- 
leibte, hieß eine neue Teilung Polens. Unter Mieroslawsfi 
erhob fi die Nationalpartei. Anfangs im Vorteil, bewies 
der Aufruhr doch nur das unverbefierlihe Barbarentum der 
Polen in greulihen Blutthaten gegen Deutfche und Juden, 
hatte aber boch in den bie Bauern aufhetzenden Geiftlichen die 
katholiſche Kirche wieder zur Bundesgenoſſin. Erſt General 
v. Pfuel ftellte als Diktator die Ordnung her. Dennoch ver- 
langte das Minifterium hinterher die Benfionierung des Generals 
v. Colomb, der kraftvoll für die Deutſchen eingetreten war: 
ber König verweigerte fie mit einer bei ihm feltenen Seftigfeit. 

Inzwiſchen waren von den nah dem Wahlgefeg vom 
8, April am 1. Mai gewählten Wahlmännern am 8. Mai bie 
402 Abgeorbneten für die preußifche fonftituierende National 
verfammlung gewählt, einer für jeden landrätlichen Kreis und 
jede nit einem folden zugehörige Stadt, je zwei für die 
Städte mit 60000 Einwohnern und ein weiterer für jede 
40000 mehr. Da die befannteren Politiker meift nad Frank- 
furt geſchictt waren, fehlte e8 Hier an Erfahrung, Blid für 
das Wefentliche und politifhem Takt. Auch waren die gelehrten 
Berufsarten mit 258 Abgeordneten allzu ſtark vertreten. Auf 
den Großgrundbefig und das Kapital famen kaum 50, auf den 
Bauernftand 100. Dann fehlte noch die zu raſcher parlamens 
tarifcher Arbeit unentbehrliche Sonderung nad Parteien. Da 
nun nicht gleich konkrete Aufgaben vorlagen, bildeten ſich bie 
Parteien nicht nach fachlichen, realpolitiihen Gefihtspunften, 
fondern nad politifhen Doktrinen. Die Linke, zeitweife über 
100 Mitglieder ſtark, unter dem Obertribunalrat Walded 
(1802—70), einem Mann von echt mwetfälifcher Kernkraft und 
ibealem Radikaliomus, und Johann Jacoby, deſſen ftrenge 
logiſche Konſequenz ber BVielgeftaltigfeit des politiiden Lebens 


U. Die Eonftituierende Nationalverfammlung. 259 


doch nicht gerecht wurde, beanſpruchte auf Grund der Volks— 
fouveränität für die Verfammlung das Net, die Verfaſſung 
von fi aus feſtzuſtellen. Die etwa um die Hälfte ftärkere 
Rechte dagegen wollte die Verfaflung mit der Regierung ver- 
einbaren, um ſowohl die Erbmonardie in Ehren und Würden 
zu erhalten, als auch die großen Prinzipien politifher und 
veligiöfer Freiheit zu verwirfliden und dem Volke durch Selbft- 
verwaltung in der Gemeinde und eine gewählte Vertretung 
Anteil am Staatsleben zu fihern. Dazwiſchen ftanden die 
beiden Zentren. Während beide gegenüber den Befchlüffen der 
Volfsvertretung der Krone nur ein fufpenfives Veto zugeftanden, 
wollte das rechte unter dem um das Eiſenbahnweſen verdienten 
H. v. Unruh (180688) nit vor Vollendung der Verfaffung 
auseinandergehen und betonte das linke unter dem General: 
landſchaftsrat Rodbertus überhaupt ſtärker die demokratiſchen 
Prinzipien. 

Nicht, wie die Linke als Anerkennung der Volksſouveräni— 
tät verlangte, in der für die Sigungen zunächſt beftimmten 
Singafademie, fondern im Schloffe wurde die Verfammlung 
am 22. Mai vom König mit einer farblofen Rebe eröffnet, die 
von der Vereinbarung ber Verfaſſung eine noch engere Ver— 
bindung zwifhen Volt und Dynaftie, einen günftigen Einfluß 
auf Deutfhland und die Hebung des arg banieberliegenden 
wirtfhaftlichen Lebens erhoffte. Die erften Sigungen leitete 
als Alterspräfident der 1842 aus dem Amte geſchiedene Schön 
wenig glüdlih. Beſſer machte die Sache ber als erfter Präfi- 
dent gewählte Schlefier Milde (S. 232). Da aber die Ge: 
ihäftsordnung, die Hanſemann der in ber belgifhen Kammer 
geltenden nachgebildet hatte, den Schwerpunkt der Verhand⸗ 
lungen in bie Abteilungen legte, blieb das Plenum lange ohne 
rechte Beſchäftigung, und da es nachher jelbft die wichtigften 
Fragen nur einmal erörterte, waren feine Abftimmungen ben 
in folden Verfammlungen waltenden Aufälligleiten ausge— 
fegt. Daher ohne rechtes Einheitsgefühl, wurde es von ber 
Linken dur Anträge, die nah außen wirken follten, für 
ihre Zwecke benutzt. So gab der Gang ber Verhandlungen 
bald denen vet, die an einen Erfolg nicht hatten glauben 


260 Bierted Buch. Revolution und Reaktion. 


wollen, und leiftete denen Vorſchub, die einen ſolchen nicht 
wünfcten. 

Doch war daran zum Teil auch das Minifterium ſchuld. 
Zwar hatten liberale Maßregeln feine Stellung befeftigt. Das 
erſt am 28. Januar errichtete anftößige Oberfonfiftorium hatte 
& am 15. April aufgehoben, am 19. zur Aufrechterhaltung 
der öffentlihen Ordnung und Sicherheit der Bürgerwehr die 
Befugnifie der bewaffneten Macht verliehen und am 6. Mai 
bie körperliche Züchtigung als gerichtliche Strafe abgeſchafft, 
fowie durch Errichtung eines befonderen Minifteriums für Handel, 
Gewerbe und öffentlide Arbeiten für die arbeitenden und ges 
werbetreibenden Klaſſen geforgt. Aber es that nichts, um fi 
der Leitung der Eonitituierenden Verfammlung zu verſichern. 
Mit Staunen vernahm v. Unruh bei der Ankunft in Berlin 
von dem Minifter des Innern, Alfred v. Auerswald, daß noch 
feine Vorlage fertig fei, felbft die Verfaſſung nicht. Das 
bat fi ſchwer gerädt. 

. Während das am 18, Mai eröffnete Frankfurter Parlament 
dur die Veftimmung, in allen bie deutſche Verfafiung be- 
rührenden Fragen ſollten feine Beſchluſſe denen aller Einzel- 
Iandtage vorgehen, die Autorität der Berliner Verfammlung 
einſchränkte, ſuchte ein Teil von deren Linken die für diefelbe 
beanſpruchten größeren Rechte der eigenen Regierung gegen» 
über durchzuſetzen, indem er die Maſſen aufbot. Das erzeugte 
in Berlin eine Gärung, die jeden Augenblid mit gewaltfamem 
Ausbrud drohte, die Freiheit der Beratung aufhob und bald 
vielen eine Reaktion wünſchenswert machte. Der vorgelegte 
Verfaffungsentwurf der Regierung ftieß, obgleich er durchaus 
auf der belgiſchen Verfaſſung beruhte, bei den Liberalen auf 
Widerftand, während der König ihn als ein „elendes belgifches, 
ſchlecht ins Preußiſche überfegtes Machwerk“ verhöhnte und 
dadurch ermutigt die Camarilla ſich organifierte, die unter 
General Leopold v. Gerlad und feinem Bruder Ludwig, dem 
Präfiventen des Appellationsgerichts zu Magdeburg, auf einen 
gewaltfames Einſchreiten rechtfertigenden Konflift hinarbeitete, 
in der Nationalverfammlung aber die Parteigegenfäge ſich über 
Nebenfragen unheilvoll erbitterten. 


I. Die tonftituierende Rationalverfammlung. 261 


Die liberalen Minifter wünjchte der König loszuwerden und 
ſuchte dauernd nah einem Erſatz. Dennoch jahen diefelben 
ihre Stellung von der Linken planmäßig untergraben. Erft 
verlangte dieje die Errichtung eines Nationaldenfmals für die 
im Straßenfampf Gefallenen. Am 8. Juni beantragte ber 
Abgeordnete Berends die Anerkennung der Revolution durch 
die Erklärung, die Rämpfer vom 18. und 19. März hätten ſich 
um das Vaterland wohl verdient gemadt. Kaum drang da— 
gegen eine Tagesordnung durch, welche die Bedeutung der März- 
ereignifle und das Verdienft der Kämpfer als unbeftreitbar 
bezeichnete, aber Eonftatierte, Aufgabe der Verfammlung fei 
nicht Urteile abzugeben, fonbern mit ber Regierung bie Ver⸗ 
faffung zu vereinbaren. Die Gärung der Maffen wuchs ſchon 
bebenklich: fie hinderten die Wegführung von Waffen aus dem 
Zeughaufe und bedrohten den Abgeorbneten Prediger Sydow 
und den Minifter 9. v. Arnim an Leib und Leben, fo daß 
ſchon am 9. Juni ber liberale Ahgeorbnete Harkort, ein Mann 
hochverdient um bie wirtſchaftliche Entwidelung feiner rheinifchen 
Heimat, bewährt auf dem dortigen Provinziallandtage und 
nicht bloß allezeit maßvoll und befonnen, fondern auch voll fel- 
tenen Mutes gegenüber der Menge und ben fie leitenden 
Führern, den Antrag fellte, die Berfammlung, die in Berlin 
nicht frei fei, in eine andere Stadt zu verlegen. Bu kraft⸗ 
vollem Einfhreiten gegen das wühlende Demagogentum hatten 
die Minifter jo wenig wie der König den Mut. Die Bürger- 
wehr war teils nicht fähig, teils nicht gewillt, die Orbnung 
aufrecht zu erhalten. Die Agitatoren hatten freie Bahn. Am 
14. Juni zerftörte der Pöbel die neu angebrachten Gitter an 
den Schloßportalen, forderte von der Rommandantur Waffen 
und brad nachts in das Zeughaus ein, das bie Befagung auf 
die falfjche Meldung von bes Königs Flucht räumte. Als General 
Aſchoff mit einem Bataillon herbeieilte und es wieder ein- 
nahm, waren bereits beträchtliche Waffenmengen geraubt. Jetzt 
endlich rief der König Truppen aus Magdeburg und Branden- 
burg herbei: die Minifter aber erzwangen dur bie Drohung 
mit Nüdtritt Gegenbefehl. Während die Rechte dringend 
militäriſchen Schug für die Nationalverfammlung forderte, 


262 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


beantragte wie zum Hohn gegen fie und bie Regierung der 
Abgeordnete Uhlih die Erklärung, bie Nationalverfammlung 
bebürfe feines Schuges, fondern ftelle fi unter den der Ber: 
liner Bevölferung. 

Infolge diefer Ereigniffe und ber Verweifung ber Ber- 
faffung an eine von Walded präfidierte Rommiffion am 15. Juni, 
bie ihre völlige Umarbeitung erwarten ließ, trat noch im Laufe 
des Juni das Minifterium zurüd, außer Hanſemann und 
Neyhers Nachfolger, General v. Schredenftein. Den Vorfig 
übernahm der Oberpräfident Rudolf v. Auerswald, den Handel 
Milde, den Kultus (4. Juli) v. Ladenberg, die Juftiz der bie- 
berige Kriminalbireftor Märker und das neugeſchaffene Departe- 
ment der Landwirtſchaft der Stettiner Syndikus Gierke. Die 
augenfälligfte Leiſtung der neuen Regierung war die Errichtung 
einer ftarfen, militäriſch organifierten Schutzmannſchaft dur 
den Minifter-des Innern Kühlwetter, die zwar die Ordnung auf 
Straßen und Plägen berftellte, aber durch ihr gemaltthätiges 
Vorgehen vielfache Klagen veranlafte. Die Nationalverfamm- 
lung fam dem Minifterium zunächſt entgegen, indem fie die 
vorbereitete ſcharfe Adreſſe an den König fallen ließ und ſo— 
wohl feine Haltung dem am 29. Juni gewählten Reichsverwejer 
gegenüber wie die Räumung Jütlande und bie Anfnüpfung 
von Unterhandlungen mit Dänemark billige. Auch erfolgten 
liberale Reformen. Die geheimen Konduitenliften in der Zivil- 
verwaltung und die erimierte Gerichtöbarkeit fielen. Es 
entftanden bie Gefege zum Schuß ber perfönlichen Freiheit und 
über die Errichtung der VBürgerwehr. Die Befreiung des bäuer- 
lien Grundbefiges durch Ablöfung der gutsherrlichen Laften 
und Einſchränkung des Jagdrechts und bie Heranziehung ber 
adligen Güter zur Grundfteuer wurden eingeleitet. Die darin 
enthaltene Bedrohung ihrer materiellen Interefien verfchärfte 
die Oppofition der adligen Herren. Unter v. Bülow-Kummerow 
(S. 223) bildeten fie einen „Verein zum Schuß bes Eigen- 
tums“, der genau den von ihren Vätern 1808 den Steinſchen 
Reformen gegenüber eingenommenen Standpunkt verfodt. Denn 
mit Leopold v. Gerlach fahen die Herren in der damaligen 
Agrargefepgebung eine kommuniſtiſche Revolution und bildeten, 


II. Die tonftituierende Nationalverfammlung. 263 


namentlih aus der Mark und Pommern in Berlin zufammen- 
frömend, ein förmliches „Junkerparlament“, das in der feit 
dem 1. Zuli erjheinenden „Neuen Preußiſchen“ oder „Kreuz 
zeitung“ ein fehr geſchicktt geleitetes und höchſt wirffames Organ 
erhielt, an dem auch Bismard fleißig mitarbeitete. So er- 
neuerte fi) der Bund zwiſchen dem grumbbefigenden Abel, den 
abſolutiſtiſch denkenden Hoffreifen und dem reaftionären Bes 
amtentum und gewann und organifierte durch die über das 
ganze Land verbreiteten Preußenvereine das Ruhe erfehnende 
Bürgertum für die vorbereitete Reaktion. 

Das gab auch dem Könige wieder mehr Halt. Mit dem 
Verfafiungsentwurf erklärte er die äußerfte Grenze ber mög⸗ 
lichen Konzeſſionen erreicht zu haben. Auch dachte er bereits 
auf Mittel, um diefelben unwirkſam zu maden. Deshalb 
erſchien der Camarilla die in der Verfafjung vorgejehene Fort- 
dauer aller bisher geltenden Gefege jo wichtig, Sie ficherte 
die Erhaltung der Provinzial: und Kreisftände, fo daß nad 
Gerlachs Ausdrud die neue Konftitution „wie ein Incubus auf 
dem Lande tfoliert liegen blieb“. Schon erwog ber König ge 
legentlich die Möglichkeit eines militärifhen Staatöftreiches: 
er wollte die Nationalverfammlung auflöfen, eine neue be- 
rufen, einen anderen Berfaffungsentwurf vorzulegen verheißen 
und fo wieder in den Vollbefig der monarchiſchen Gewalt 
tommen. In Stunden des Berzagens date er dann wieder 
an Abdankung. Unausgefeßt aber ſuchte er nah neuen Mini« 
ſtern: Schön, Alvensleben, Bodelſchwingh und Vincke wurden 
in Betracht gezogen, zum Teil auch angegangen, aber fchließ- 
lich doch nicht berufen. Anbererfeits wurde aber auch dem 
Anerbieten der Katholiken, in der Nationalverfammlung in allen 
Fragen für die Regierung zu flimmen, falls diefe der Fatholi« 
fen Kirche zur Ausftattung mit Grundeigentum verhelfen 
wollte, doch nicht mähergetreten. So wäre bie National 
verfammlung Herrin der Lage geweſen, hätte fie ſchnell eine 
annehmbare Verfaſſung zu ftande gebracht. Aber fie verlor 
toftbare Zeit mit der Verhandlung von der Linken einge 
brachter radifaler Anträge und arbeitete dadurch der Reaktion 
in bie Hände. 


264 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


Infolge eines blutigen Zufammenftoßes, der am 31. Juli 
in Schweibnig zwiſchen Militär und Bürgerwehr ftattgefunden 
hatte, beantragte am 9. Auguft der Abgeorbnete Stein, ber 
Kriegsminifter folle an die Offiziere die bienftlihe Mahnung 
richten, fi reaktionären Beftrebungen fern zu halten, Kon- 
flitte mit dem Zivil zu vermeiden und durch Annäherung an 
die Bürger zu beweifen, daß fie aufrichtig und ernſtlich zur 
Verwirklichung eines konſtitutionellen Rechtszuſtandes beizu- 
tragen bereit ſeien. Ein Zuſatzantrag Schultze verlangte gar, 
den durch ihre politiſche Ueberzeugung daran Behinderten ſolle 
der Austritt aus der Armee zur Ehrenpflicht gemacht werden. 
Mit einer Stimme Mehrheit fiegte die Linke, da die Minifter 
ihr unbegreiflicerweife mit feinem Wort entgegentraten. Aber 
die Ausführung des Beſchluſſes erklärten fie für unmöglid: 
fein Zwed fei im weſentlichen erreicht durch einen Wechſel der 
Garnifon in Schweibnig und die Warnung der Offiziere vor 
reaftionären, aber auch vor republifanifchen Beftrebungen. Das 
genügte der Linken natürlich nit. Der Antrag Stein wurde 
aufgenommen: ihn wie überhaupt die Beſchluſſe der Verſamm⸗ 
kung auszuführen, fo wollte Walded erflärt jehen, jei Pflicht 
der Regierung. Man verlangte aljo ein Mitverfügungsredht 
über die Armee. Es durchzuſetzen, ließ man ben üblichen 
Apparat fpielen: das Volt wurde aufgeboten. Die Debatten 
begannen am 4. September; auf den 6. vertagt, gingen fie 
erſt am 7. abends zu Ende. Der „rebelifhe Antrag Walded“ 
wurde, vom Minifterium vergeblich befämpft, mit 210 gegen 
143 Stimmen angenommen. Sein Urheber und Stein wurden 
von der jubelnden Menge im Triumph nad Haufe geleitet. 

Daß der Beſchluß rechtswidrig fei, darin waren bie 
Minifter mit dem Könige einig. Aber fie verweigerten bie 
Gegenzeichnung einer Botſchaft, die er deshalb erlaflen wollte, 
und erbaten ihre Entlaffung. Es genüge, meinten fie, wenn 
der König in dem dieſe ablehnenden Schreiben fein Einver- 
ſtändnis mit ihnen zu erkennen gebe. Das verwarf jener als 
eine Komödie: jebenfals hätte es die Lage nad; Feiner Rich⸗ 
tung geklärt. Damit war der Nücdtritt des Minifteriums 
Auerswald entfgieden. Nur der Erfag machte Schwierigfeiten. 


I. Die konftituierende Ratioralverfammlung. 265 


Die widerſprechendſten Vorſchläge ſchwirrten durcheinander. Graf 
Arnim, der Krefelder Bankier Hermann Bederath (1801—70) 
wurde genannt. Während der König dieſem nicht bloß ben 
Erlaß jener Botſchaſt, fondern au die Zurüdziehung der be— 
reits angenommenen liberalen Gefege (S. 262) und bes Ver: 
faflungsentwurfes und die Auflöfung der Nationalverfammlung 
zumutete, empfahl Bülow-Kummerow ein Minifterium aus der 
Mehrheit mit Grabom als Präfiventen und Waldeck als Zuftiz- 
minifter. Wollte er ben Teufel mit Beelzebub austreiben? 
An der Erwägung der verſchiedenen Möglichkeiten nahm auch 
Bismard lebhaften Anteil. Der König verfiel ſchließlich auf 
General v. Pfuel: der populäre General (S. 245) ſchien ihm 
geeignet, die Menge durch einen liberalen Schein zu befhwich- 
tigen und fo den Webergang zur Reaktion zu vermitteln. Endlich 
am 21. September trat das neue Minifterium ins Leben: unter 
Pfuels Vorfig übernahm der Oberpräfident der Nheinprovinz, 
v. Eichmann, das Innere, der von Sachen, v. Bonin, die 
Finanzen, Graf Dönhoff das Auswärtige. Den Kultus be- 
hielt Ladenberg. 

„So wären wir denn an bem erften praktiſchen Reftau- 
rationsverſuch angekommen,“ ſchrieb Leopold v. Gerlach be 
friedigt. War doch bereits am 16. September General Wrangel, 
nach Abſchluß des Waffenſtillſtands mit Dänemark (6. Auguſt) 
aus Holſtein zurüdgefehrt, zum Oberbefehlshaber in den Marken 
ernannt und fammelte etwa 50000 Mann um Berlin. Die 
Rede, mit der er fih am 17. in Potsdam den Offizieren vor- 
ftellte, flug einen lange nicht gehörten zuverfihtlihen Ton 
an. Er lobte die Truppen für das während der Märztage in 
Berlin Geleiftete, mahnte aber auch zur Verföhnlichkeit: zu⸗ 
nächſt jedoch gelte es, den Gehorfam gegen das Geſetz herzu⸗ 
ftellen, ohne ben die vom König gewollte Freiheit nicht beftehen 
Tonne. Aehnli ließ fi in Breslau General Graf Branden- 
burg vernehmen, dem Schlefien die Erhaltung der Ruhe ver- 
dankte. Andererfeits genügte Pfuel bem Steinſchen Antrag 
einigermaßen durch einen auch die Offiziere nicht kränkenden 
Erlaß, und der König beflätigte bie liberalen Gejege. Doch 
zeitigte ber endliche Eintritt des Plenums in die Verfafjungs- 


266 Bierted Bud. Revolution und Reattion. 


beratung alsbald neue heftige Konflikte ſowohl mit der Regie— 
rung wie mit dem Frankfurter Parlamente, vor denen die ver- 
mittelnden Halbheiten Pfuels verfagten. 

Als der am 26. Juli vollendete Verfaffungsentwurf ber 
Kommiffion, der ganz den Stempel Waldeckſchen Geiftes trug, 
am 12. Dftober im Plenum zur Verhandlung fam, war bie 
Stimmung wieber ftarf erregt, da ber König dem Beſchluſſe, 
die Todesſtrafe abzuſchaffen, die Zuftimmung verweigert hatte. 
Daß man nun glei im Eingang aus dem Löniglichen Titel 
das „von Gottes Gnaden“ ftrih, empfand er als ein Attentat 
auf das Heiligfte und gab am 15. Oktober in ber Antwort 
auf bes Präfidenten Grabow Geburtstagsglüdwunfd feiner Ent- 
rüftung lebhaften Ausbrud: Fein Recht laſſe die Verfammlung 
unangetaftet; aber das „von Gottes Gnaden“ ihm zu nehmen, 
fei feine irdiſche Macht ſtark genug, vielmehr fühle er fi 
durch Gottes Gnade fähig, den Aufruhr und die Aufrührer zu 
zerſchmettern, wo er fie finde. Da bie Minifter ſich weigerten, 
diefe Antwort zugleih mit der Rede Grabows befannt zu 
machen und das Gottesgnadentum dem modernen Denken gegen- 
über für unmöglich erklärten, war ihr Rüdtritt unvermeidlich, 
zumal ber König auch bie Vereidigung des Heeres auf bie Ver: 
faffung ablehnte, weil fie ihn um alle feine Offiziere bringen 
würde. Dennoch befhwor er die Minifter, zu bleiben und ihm 
in die Breſche zu folgen, die er mit jener Rebe in den Lug und 
Trug ringsum gelegt zu haben glaubte, und in ihr eine breite 
Gaſſe für Recht und Freiheit zu öffnen. Denn trog alles 
Suchens verzweifelte er daran, Nachfolger für fie zu finden. Die 
Nationalverfammlung aber erklärte am 31. Oktober auf einen 
Antrag Berends den Adel und die Adelsprädikate für abgefchafft 
und verbot die Verleihung von Orden — ein Beſchluß, deſſen 
doftrinärer Radikalismus Preußens großer Vergangenheit Hohn 
ſprach. Ihr auf diefem Wege weiter zu folgen, mußte jeber einiger- 
maßen Befonnene Bedenken tragen. Und ſchon hatte fi auch 
anderwärts ein ähnlicher Wandel vollzogen. In Paris und in 
Frankfurt war die Reaktion eingeleitet, ihr Sieg in Oeſterreich, 
wo eben in jenen Tagen Windifchgrä den Wiener Aufruhr 
nieberwarf, verhieß dem preußiſchen Königtum ben lange ver- 


II. Die Tonftituierende Rationalverfaommlung. 267 


mißten Rüdhalt wiederzugeben, während die Linke es zum 
Schutz ber Wiener Empörer einzugreifen nötigen wollte, zugleich 
aber in einer Frage ber nationalen Politit zu dem Franf- 
furter Parlament in einen ſcharfen Gegenfa geriet. 

In Preußen waren viele unzufrieden mit der Art, wie 
man in Frankfurt Preußen in Deutihland aufgehen laſſen 
wollte. Daß feine Truppen die deutſche Kokarde tragen jollten, 
bilfigten auch Liberale nit. Dagegen wollte man in Berlin 
den Polen nationale Zugeſtändniſſe machen; in Frankfurt ver- 
trat man ihnen gegenüber endlich Deutfchlands Recht. Des: 
halb beantragte Walded, Erlafje der Zentralgewalt und des 
Parlaments über innere Angelegenheiten einzelner Länder jollten 
nit ohne Zuftimmung ber preußiſchen Volksvertreter Gefeges- 
kraft haben. Seinen gefunden preußiſchen Partikularismus 
ſetzte er gegen Preußens deutſches Interefie ein. Aber che 
die Sade zum Austrag kam, erfolgte die Kataftrophe ber 
Nationalverfammlung. 

Auch fie veranlaßte ein Antrag Walded. Auf die Kunde 
von der Bedrängnis Wiens wollte er die Regierung auffordern, 
zum Schuß ber dort gefährdeten Volfsfreiheit ale dem Staate 
zu Gebote fiehenden Mittel und Kräfte ſchleunigſt aufzubieten. 
Man wußte noch nicht, daß das Schidfal der Kaiſerſtadt ſich 
bereit? erfüllt hatte, ala am Abend des 31. Oktober der An- 
trag zur Beratung fam. Cs herrſchte fieberhafte Erregung. 
Dichte Volksmaſſen umlagerten da‘ Schaufpielfaus, wo die 
Verfammlung jest tagte, die volfsfeindlichen Abgeordneten an 
Leib und Leben bebrohend: einige hatten bereits Stride zur 
Hand. In einer Mafienpetition erhob der Pöhel feine Stimme 
für die Wiener Brüder. Endlich machte die Bürgermehr bie 
Eingänge frei. Unter ihrem Schuß raffte fich Die Mehrheit auf. 
Der Antrag Walde wurde mit 229 gegen 113 Stimmen ver- 
worfen zu gunften eines Antrages Rodbertus, ber die betreffende 
Aufforderung an die Zentralgewalt in Frankfurt richtete. Zum 
Blutvergießen fam es nicht, obgleich, wie es hieß, Agenten 
ber Reaktion die Menge zu Gewaltthaten zu verloden ſuchten, 
um einen Vorwand zu gemaffnetem Einfchreiten zu ſchaffen. 
Doch mußte Pfuel durch Jacoby und Jung vor der Volksawut 


268 Biertes Bud. Revolution und Reaktion. 


geihügt und bis in die Nacht in der Nachbarſchaft verborgen 
gehalten werben. 

Diefe Vorgänge beftimmten den König enblih, dem An- 
drängen feiner Vertrauten gemäß nahbrüdlih Ordnung zu 
ftiften. Als den Mann dazu hatte ſchon früher Gerlach den 
in Schlefien kommandierenden General Grafen Brandenburg 
(1792—1850) empfohlen. Auf ihn machte jegt namentlich 
auch Bismard aufmerffam. Gerlach) vermittelte. Sein Bruder 
Ludwig und der Hallenfer Profeflor Heinrich Leo nahmen an 
den vertraulichen Beratungen teil. Ohne ſtaatsmänniſchen Chr- 
geiz, aber auch ohne eigentlie ſtaatsmänniſche Begabung, 
drängte fi ber Sohn Friedrich Wilhelms II. und der ſchönen 
Sophie Dönhoff (Bb. II, S. 250) nicht zu der ihm angetragenen 
Rolle: er übernahm fie, weil dem König und feinen Beratern 
fonft niemand dazu geeignet ſchien. Aus militärifhem Pflicht: 
gefühl folgte er dem Auf feines hartbedrängten Föniglichen 
Neffen. Zudem empfand diefer vor einem Minifter Löniglichen 
Geblüts Reſpekt und wagte nicht, ihm fo unmwürbig zu be- 
gegnen wie ben ihm aufgendtigten Miniftern, und zeigte ihm 
gegenüber eine von jenen nie erreichte Fügfamleit. Die herbe 
Sachlichkeit und, wenn nötig, Rüdfichtslofigkeit Brandenburgs 
imponierte ihm. Schlug diefer auch gelegentli einen herz» 
lien Ton an, jo behandelte er den König doch meift wie ein 
unmünbdiges Kind. Auch war er mit ben höfifchen Verhält- 
niffen vertraut genug, um die Camarilla und ihr Haupt Leo- 
pold v. Gerlach von vornherein in die gebührenden Schranken 
zu verweilen. Das war um fo wichtiger, als er mit ihr feines» 
wegs ganz übereinftimmte. Denn bie einfache Rückkehr zum 
Abfolutismus, wie fie jene träumte, Fam für ihm nicht in 
Frage: vielmehr folten die von der Krone bisher gemachten 
Zugeſtändniſſe in der Hauptſache erhalten bleiben. Indem er 
das burchießte, leitete er im Widerſpruch eigentlich mit ber 
Abfiht, in der man ihn an bie Spige ber Geſchäfte berief, 
Preußen hinüber in die vom König noch immer nicht ernftlich 
gewollten Bahnen Tonftitutioneler Entwidelung. In einem 
anderen Sinn, als ihn die Reaktion mit diefem Schlagwort 
verband, wurde er der Minifter der rettenden That. Das 


1. Die Eonftituierende Nationalverfammlung. 269 


fol ihm auch die Nachwelt nicht vergefien, obgleich der von 
ihm gewonnene Erfolg von feinen Nahfolgern kleinlich im 
Intereſſe ihrer Partei ausgenugt und dadurch um ben rechten 
Segen für das Ganze gebracht wurbe. 

Am 1. November trat das Minifterium Pfuel zurüd und 
Brandenburg übernahm die Bildung des neuen Rabinetts. Auf 
die ihr am 2. gemachte Anzeige davon richtete die National: 
verfammlung eine Adreſſe an den König, in ber fie ein Mini» 
ſterium Brandenburg als ein Experiment bezeichnete, das un« 
heilooll enden müfle. Widerfirebend empfing der König in 
Potsdam die fie überreihende Deputation. Ohne fie einer 
Antwort zu würdigen oder zu entlafen, wollte er fi zurüd- 
ziehen, als Johann Jacoby, obgleich der König die erbetene 
Erlaubnis zum Reben barſch verweigerte, ihm unziemli die 
Bemerkung mit auf den Weg gab: „Das tft das Unglüd der 
Könige, daß fie die Wahrheit nicht hören wollen.” Nun war 
jebe Vermittelung ausgeſchloſſen. Auf beiden Seiten rüftete 
man zu einem entſcheidenden Schlage. Aber erſt am 8. No- 
vember war das Minifterium Brandenburg notbürftig bei ein: 
ander, indem unter dem Borfit Brandenburgs Ladenberg das 
Kultusminifterium, der Kommandant von Saarlouis, General- 
major v. Strotha, das des Krieges und der bisherige Direktor 
im Minifterium des Innern, Otto v. Manteuffel (1805—82), 
biefes übernahm. Ein Schrei der Entrüftung antwortete auf 
die Nachricht von biefer Kombination. Er galt befonders Mans 
teuffel. Auf dem Vereinigten Landtage einer der Wortführer 
der äußerflen Rechten, feit ihn Bodelſchwingh in das Minis 
Rerium gezogen hatte, der Hauptträger des Rückſchritts, kenn⸗ 
zeichnete gerade er die neue Regierung als entſchieden reaktionär. 
Obgleich ein wohlgefäulter, Tenntnisreiher Beamter, war er 
doch durchaus Bureaufrat, ein Mann der niedrigen Gefihts- 
punkte und ber kleinen Mittel, von glattem und Eonziliantem 
Weſen, geſchidt in der Behandlung des unberehenbaren Könige 
und voll Reſpekt gegen die Männer der Camarilla, denen er 
feine Ernennung verdankte. Anfangs hatte er ſich gefträubt: 
erſt Bismarcks eindringliches Zureden ſtimmte ihn um. Mit 
ihm als „Kornak“, dem er traute und der ihm ſagte, was er 


270 Viertes Bud. Revolution und Realtion. 


thun könne, war Brandenburg, mit flantsredhtlien Fragen 
unbefannt, bereit, feinen Kopf zu Markt zu tragen. Doch 
rührte das Programm, nad dem nun gehandelt wurde, nicht 
von Manteuffel her: es war im mejentliden von Gerlach 
infpiriert und das Minifterium infofern wirflih das ber 
Camarilla. Zu jeinen Gunften verzichtete der König auf die 
von ihm geplante fofortige militärifhe Aktion. Deshalb wurde 
auch Bismard nicht in die Regierung gezogen: er ſchien dem 
König nur zu brauden, „wenn das Bajonett ſchrankenlos 
waltete”. So fam Manteuffel auf den Plag, an dem er ein 
Jahrzehnt die Entwidelung Preußens beherrſcht hat, nicht fo= 
wohl der geiftige Träger als ber dienftwillige und geſchickte 
Vollfiteder der von anderen gewollten Reaktion, und jehr mit 
Unrecht hat man ihn neuerdings zu einem verfannten Genie 
und gleihjam zum Vorläufer Bismards ftempeln wollen. 

Am 9. November verlas Brandenburg in der National- 
verfammlung eine königliche Orbre, welche dieſe, da fie bei 
den wieberholten anardiftifhen Bewegungen in Berlin ber zur 
Löfung ihrer Aufgabe nötigen Freiheit entbehre, vertagte und 
ihre Beratungen am 27. in Brandenburg aufzunehmen aufs 
forderte, jede frühere Sigung aber für ungeſetzlich erklärte. 
Den der Verfammlung zugeteilten Bureaubeamten wurde jede 
weitere Thätigfeit für fie verboten. Mit den Miniftern ent⸗ 
fernten fi die meiften Abgeordneten ber Rechten. Die übrigen 
beſchloſſen noch in aller Eile, dod in Berlin weiter zu tagen, 
da die Regierung nicht das Recht habe, die zur Vereinbarung 
der Verfaffung berufene Verfammlung vor Erfülung ihres 
Auftrages zu vertagen, zu verlegen ober aufzulöfen und bie 
denno dazu ratenden Beamten die Befähigung zur ferneren 
Bekleidung ihrer Stellungen verwirkt hätten. Auch am 10. 
wurde noch eine Sigung gehalten. Ein da verlefenes Schreiben 
Brandenburgs erklärte alle nad der Vertagung gefaßten Be: 
THlüffe für ungültig und verfaffungswibrig. Die Antwort war 
eine Proflamation an das preußifhe Volt, die aufforberte, 
die Abgeordneten in der Verteidigung ber errungenen Freis 
heiten zu unterftügen, ſich dabei aber fireng auf dem Boben 
des Geſetzes zu halten. Da erfolgte die militärifche Befegung 


II. Die konftituierende Nationalverfammlung. 271 


des Schaufpielhaufes. Ohne Widerftand war Wrangel in die 
Stadt eingerüdt. Die zum Schuß der Verfammlung beftimmten 
Bürgerwehren daten erregt an Widerftand: Unruh hinderte 
fie daran und wandte dadurch Blutvergießen ab. Unter Proteft 
wid man ber Gewalt. Doch kam man jowohl am 11. wie 
am 12. anberwärts zufammen. Die Bürgerwehr, deren Kom 
manbant fie zur Auflöfung ber Verfammlung gebrauchen zu 
lafien verweigert hatte, wurde am 11. aufgelöft. Gleichzeitig 
erging eine königliche Proflamation, die kurz die Gründe für 
diefe Maßregeln barlegte und in Erinnerung an die Geſchichte 
des Töniglichen Haufes und feine Stellung zum Volt um Be: 
währung bes alten Vertrauens bat, zugleich aber feierlich ver 
fierte, an den Eonftitutionellen Freiheiten werde nichts ver: 
fümmert werben, ber König fi} vielmehr beftreben, ein guter 
Tonftitutioneller Fürft zu fein. Am 12. erfolgte die Berhängung 
des Belagerungszuftandes über Berlin und ben Umfreis von 
zwei Meilen. Nun wurben bie Situngen bes Reſtes ber 
Nationalverfammlung militärifc verhindert. Aber die Ruhe 
blieb gewahrt. Die gebotene Waffenablieferung volljog fi in 
Drdnung. Denn ber Bürgerfland atmete erleichtert auf und 
war froh, fi mit Leben und Eigentum in Sicherheit zu wiffen. 
Den Pöbel hatten die Agitatoren ber Linken Hinter fi ges 
habt: die befigenden Klaſſen dachten nicht daran, für die 
Nationalverfammlung mit Gewalt einzutreten. Noch einmal 
gelang es deren Neften, am 15. November eine kurze Sigung 
zu halten: einftimmig wurde erklärt, das Minifterium fei 
nicht berechtigt, über Staatsgelder zu verfügen und Steuern zu 
erheben, folange die Nationalverfammlung nicht ungeftört in 
Berlin weiter tagen fünne. Folge geleiftet aber wurbe biefer 
Aufforderung zur Steuerverweigerung nur vereinzelt. Doc 
fam es bier und da zu Tumulten und felbft zu Blutvergiehen, 
wie in Breslau, Düffeldorf und Erfurt. Berlin nahm bald 
das alte Ausfehen wieder an: die zweifelhaften Erſcheinungen 
mit Kalabreſer und Hahnenfeder verfhwanden. Aus der Ber 
amtenjhaft und dem Dffiziercorps wurden die als ſchwach ober 
gar als unzuverläffig erfannten Elemente entfernt. Wie aber 
die Reaktion fo erftarkte, wuchſen ihre Anfprühe und rüdte 


272 Vierted Buch. Revolution und Reaktion. 


fie ihr Biel weiter hinaus, und nur völlige Verfennung ber Lage 
und unverbefierlihe Selbſttäuſchung konnte die Zentralgewalt 
und das Parlament in Frankfurt veranlafien, in Berlin eine 
Zermittelung zu Gunften der Linken zu verſuchen. Sie miß- 
lang natürlid. . 

Was nun aber weiter gefchehen follte, darüber war bie 
Regierung felbft noch unfhlüffig, während im Einverftänbnis 
mit ihrem Gemahl die Pringeffin von Preußen bereite am 
24. November in einer Denkſchrift darlegte, daß, wenn, wie zu 
fürdten ſcheine, eine Verftändigung mit der Nationalverfamm- 
lung nicht gelinge, als äußerfter und gefährlichfter Schritt nur 
die Auflöfung und bie Oftroyierung einer Verfaflung, vor 
behältlih ihrer jpäteren Revifion dur) die darin verheißene 
Nationalverfammlung in zwei Kammern übrig bleibe. Aehn- 
lich dachte, von Leopold Ranke beraten, au Manteuffel, wäh- 
rend die Camarilla nun von einer Verfallung überhaupt nicht 
mehr geſprochen haben wollte. Daß es ſchließlich doch geſchah, 
und zwar auf Grund des Entwurfs der Nationalverſammlung, 
traf den König wie ein Blitz aus heiterer Höhe: er war außer 
ſich, daß er diefen „Wii“, von dem er bie völlige Desorgani- 
fation des Landes fürchtete, dann aud noch beſchwören follte. 
Gerlach beklagte das als „ein elendes Refultat“ und war außer 
fih, daß man nad allen Siegen do immer wieder mit der 
Revolution unterhandle. Er riet, wenn die Verfammlung in 
Brandenburg nicht befehlußfähig würbe und die Ausftoßung ber 
hochverräteriſchen Mitglieder verweigerte, ein Wahlgeſetz für 
zwei Kammern zu oltroyieren, nach dem für das Unterhaus 
150 Mitglieder von den Bürgern der Stäbte, 150 von ben 
Grundbefigern und 150 von den Urwählern gewählt würden, 
das Oberhaus aber Standesherren, Oberbürgermeifter, Ber 
treter ber Univerfitäten und acht Juriften bilden follten: nur 
mit Urwahlen als einer lets wiederkehrenden Revolution möge 
man Preußen verſchonen. Selbft die Aenderungen, welche die 
Minifter auf fein Andringen an dem VBerfaflungsentwurf vor« 
nahmen, machte ihn dem König nicht annehmbarer: dergleichen 
zu unterſchreiben oder gar zu beihmwören, koönne er vor Gott 
nicht verantworten, und aud Gerlach ſchien der urſprüngliche 


II. Die tonftituierende Rationalverfammlung. 273 


Entwurf noch annehmbarer ober leichter annehmbar zu machen. 
Die papierenen Verfaflungen, meinte er, taugten überhaupt 
nichts und ſollten alle befriegt und überwunden werben; 
nur frage es fi, ob dazu bie Zeit ſchon gefommen fei. Die 
Wege der Camarilla und des durch fie eingejegten Minifteriums 
trennten fih. Jener zu folgen, waren Brandenburg und 
feine Kollegen doch zu befonnen, namentli wollten bavon 
Ladenberg und ber neue Juftizminifter Rinteln nichts wiflen. 
Unabhängig voneinander wandten fi der erfle und Branden- 
burg jelbft um Rat und Hilfe an den berühmten Romaniften 
8. ©. Keller (1799—1860), einen geborenen Schweizer, ber 
feit 1842 an ber Berliner Univerfität lehrte: indem er bie 
„Sharte Walded“ oberflächlich bearbeitete, wurde diefer nad 
8. v. Gerlach der eigentliche Vater der preußiſchen Verfaſſung, 
während Brandenburg, ber fi) anfangs auch lebhaft gefträubt 
hatte, durch Einfegung feiner Autorität und Manteuffel dur 
beſchwichtigendes Zureden auf den König einwirkten, ber freilich 
ſchließlich nur mitging, weil er, trat diefes Miniſterium zurüd, 
ein anderes ihm annehmbares zu befchaffen als unmöglich er⸗ 
kannte. Wieder aber wandte der unfluge Mebereifer der Gegner 
die Sache für ihn noch unverhofft günftig. 

Die Nationalverfammlung war am 27. November in Bran⸗ 
denburg nicht beſchlußfähig und blieb es, da die Linke nur 
vorübergehend erſchien, um bie Einberufung ber gleich mit ges 
wählten Stellvertreter zu hindern, wie ſchon vorher 168 Ab: 
georbnete gemeinfam öffentlih bie Minifter förmlich des Hoch⸗ 
verrats befhuldigt und von neuem für nicht berechtigt zur 
Steuererhebung erflärt hatten, zumal ein Staatshaushalt für 
1849 nicht vereinbart fei. Diefem nicht bloß unflugen, ſon⸗ 
bern auch unmwürbigen Spiel, das jebe ein Ergebnis verheißende 
Verhandlung ausfhloß, machte die Regierung am 5. Dezember- 
ein Ende. Eine konigliche Verordnung löfte die Nationalver- 
fammlung auf, weil das Werk, zu bem fie berufen, ohne Ver: 
legung der Würde der Krone und Nachteil für die Landes- 
wohlfahrt mit ihr nicht länger fortgeführt werben könne. 
Gleichzeitig oftroyierte ber König, mie er fagte, entſprechend 
den dringenden Forderungen des öffentlichen Wohls u unter 

Bruß, Preußtige Geidiäte, IV. 


274 Bierted Bud. Revolution und Reaktion. 


möglichfter Berüdfihtigung ber von den erwählten Vertretern 
des Volks ausgegangenen Vorarbeiten eine Verfaflungsurfunde, 
vorbehaltlich der kunftigen Revifion auf dem durch fie vor 
geſchriebenen orbentlihen Wege der Gefeßgebung. Es war im 
wejentlihen der Entwurf der Nationalverfammlung, wie ihn 
Keller zurecht gemacht, noch ſchlechter alfo, als Gerlach ges 
fürdtet, aber wenigitens ohne Zivillifte, ohne Volksſouveräni⸗ 
tät und ohne Verlegung ber Armee, für die freilich bie 
Vereidigung auf die Verfaffung vorgefehen war, und mit 
dem zu allem brauchbaren Artikel 105, wonach in Abwefenheit 
der Kammern in dringenden Fällen unter Verantwortlichkeit 
des gefamten Staatsminifteriums Verorbnungen mit Geſetzes⸗ 
kraft erlafien werben fönnten, jedod ben Kammern bei ihrem 
nädften Zufammentritt zur Genehmigung vorgelegt werben 
follten. Endlich brachte der 5. Dezember noch die Einberufung 
der durch die oftroyierte Verfaflung eingeführten Kammern auf 
den 21. Februar 1849 und bie Aufzählung einer langen Reihe 
von Gejegentwürfen, bie zur Vorlage bereitgeftellt werben follten. 
Am 6. erſchien dann noch ein interimiftifches Wahlgeſetz, nach 
dem ſowohl die 180 Mitglieder der erfien wie die 350 ber 
weiten Kammer durch inbirefte Wahlen ernannt werben follten. 
Aber auch indem er all das gut hieß, war der König innerlich 
leidenschaftlich dagegen und fügte fi) nur einem Zwange, den 
bei erfter Gelegenheit abſchütteln zu [fönnen, fein heißefter 
Wunſch war. Er haßte die liberale Oppofition, bie ihn fo 
weit gedrängt hatte, und ſchalt auf die Liberalen, die Auerd« 
wald, Schwerin, Camphaufen u, |. w., die alles verbarben, als 
Hundsfotte. 


II. Die Enlſtehung der Verfaſſung und das Scheitern 
in der deuffchen Frage. 
1848— 1852. 


Waren die von dem Minifterium Brandenburg verfügten 
Maßregeln ein Staataftreih, fo Tann diefer doch ähnlichen 
Vorgängen früherer und fpäterer Zeit nicht ohne weiteres gleich⸗ 
geftelt werben. Sie vernihteten fein bisher anerkanntes Recht 
bes Volles oder feiner Vertretung, verlegten fein feierlich ge⸗ 
gebenes Verfprechen, brachen feinen Eid. Die Kronrechte wurden 
nicht willkurlich erweitert. Freiwillig fegte fi das abfolute 
Königtum gewiſſe Schranken, teilte von feinen Hoheitsrechten 
die einen mit der fünftigen Volfsvertretung und band die 
Webung ber anderen an deren Zuflimmung. Die abſolutiſtiſch 
dentenden Hoffreife hatten von dem Miniflerium ganz anderes 
erwartet. Nachdem die Vereinbarung der Verfaffung mit ber 
dazu berufenen Wolfsvertretung geſcheitert fei, meinten fie, 
tönne von einer folden überhaupt nicht mehr die Rebe fein, 
und der König fei jeder Verpflichtung entledigt, da man ihm 
ihre Erfühung unmöglich gemacht habe. Die Camarilla ins- 
befondere zürnte dem König wegen ber Oftroyierung: fie blidte 
auf den Prinzen von Preußen, traute aber auch ihm nicht 
recht. Die Armee war tief verfimmt: am liebften hätten die 
Dffiziere den König, in dem fie das Unglüd bes Landes fahen, 
und ben grüßen zu müffen fie gefliffentlich vermieden, abdanken 
fehen. Aber auch die Liberalen wurden des Gewinnes nicht 
froh, den Die oftroyierte Verfafiung trog aller Mängel für fie 
bebeutete. Die legten Ereigniffe hatten das Vertrauen zu dem 
König vollends vernichtet: ohne Glauben an feinen guten Willen 
und feine Ehrlichkeit erwartete man eine rüdfihtslofe Reaktion. 


276 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


Auch bildete Die Regierung das unter dem Schutz bes Be 
Togerungszuftandes eingeführte Repreſſivſyſtem in einer Weife 
aus, die allem Ronftitutionaliemus Hohn ſprach. Sein Träger 
war vornehmlih Manteuffel, freilich nicht immer aus fi, ſon⸗ 
dern gebrängt durch ben Webereifer untergeorbneter Organe, 
die ſich nad) oben empfehlen wollten. Nicht ſowohl ihr politifches 
Prinzip als die ſittlich verwerflihe Art feiner Durchführung 
brachte die Regierung zu ben Beften bes Volkes in einen 
immer feindlicheren Gegenfag. . 

Anfangs freilich ſchien eine friedlide Entwidelung zu 
hoffen. In den nad dem Wahlgefet vom 6. Dezember 1848 
gewählten und am 26. Februar 1849 eröffneten Kammern 
übermwogen die Gemäßigten, welche die oftroyierte Verfaſſung 
amendieren und zu einem brauchbaren Staatsgrundgeſetz aus- 
geftalten wollten. Die Linke freilich beftritt ‚deren Nechts- 
beftänbigkeit, und ihr Führer Walded warnte die Mehrheit 
vor dem Sihdrängen zur Knechtſchaft. Dennoch war man auf 
dem Wege zur Verftänbigung als alles wieder gefährdet wurbe 
durch die Einwirkung eben ber deutſchen Frage, die der König 
im Sinn Radowig’ (S. 239) und 9. v. Arnims (S. 252) aus 
gefpielt hatte, um ſich in Preußen Luft zu machen: jegt ſollte 
fie deſſen in geordnete Bahnen eingelentte Entwidelung neuen 
Stürmen preisgeben. 

Den Wiberfinn der Unterordnung Preußens unter den 
Neihsverwefer und fein Minifterium mit bem preußiſchen 
General Peuder als Kriegs: und dem Krefelder Kaufheren 
Bederath als Finanzminifter hatten die Verhandlungen über den 
Malmder Waffenftillftand erwiefen, den das Parlament erft 
verworfen, dann anerkannt hatte, da es Preußen weber zum 
Gehorfam zwingen, noch den Krieg fortjegen konnte, am 
18. September aber felbft greulihem republifanifhem Aufruhr 
faft erlag. So war foftbare Zeit verloren und Defterreih nach 
der Unterwerfung Wiens bereits wieder aftionsfähig, als der 
Kampf ber Groß: und Kleindeutſchen um das preußiſche Erb- 
kaiſertum die deutſche Frage löfen ſollte. Er ergab den deutſchen 
Bunbesftaat ohne Defterreih und die Wahl Friedrich Wil: 
helms IV. zum beutfchen Kaifer am 28. März 1849. Wovon 


III. Die Entftehung der Berfaffung. 277 


biefer vor Jahresfrift in ſchwungvollen Phrafen fi und anderen 
vorgeſchwärmt hatte, ſchien verwirklicht: er konnte der konſti⸗ 
tutionelle König bes neuen Deutſchland werden (S. 253). Bei 
ihm lag die Entſcheidung über deſſen Zukunft. 

Innerlich hatte er fie längft getroffen. Das Frankfurter 
Verfaſſungswerk entbehrte für ihn jebes Rechtsbodens. Die 
Krone, die man ihm bot, erklärte er für unannehmbar und 
verglih fie ber von dem Straßenpflafter genommenen Louis 
Philipps. Er halt fie einen „imaginären Reifen aus Dred 
und Letten gebaden, verunehrt dur ben Qubergerud ber 
Revolution von 1848°. Und doch reizte ihn ihr Glanz! Er 
grübelte über die Art der Einigung Deutſchlands unter Preußen 
und ließ mit Defterreih unterhandeln. Daß biefes dafür nicht 
zu baben jei, fand für jeben Unbefangenen feſt: nur ber 
König ließ auch darin nit von feinen Illuſionen. Jedenfalls 
aber wollte er nichts ohne vorhergehende Buftimmung der beutfchen 
Fürften thun, und es geſchah wohl deshalb, daß Radowitz mit 
etlihen Anhängern des preußiſchen Erblaifertums dem Parla- 
ment ausbrüdlich das Recht abſprach, ohne Zuflimmung ber 
Regierungen die Verfafjung endgültig feftzufegen und bie Kaifer- 
krone zu vergeben. Man pflegt dieſe Haltung des Königs heute 
als ein Gluck für Preußen und Deutſchland zu preifen, benen 
die Annahme der gebotenen Krone verhängnisvoll geworben 
fein würde. Und dod hat damals ein Mann von bem ges 
ſunden realpolitifen Blick unb ber friſchen Thatkraft des 
Prinzen von Preußen die Sache ganz anders angejehen, ebenfo 
feine hochherzige und geiftvolle Gemahlin, die durchaus national 
benfende Enkelin Karl Augufts. Und wer vermöchte zu fagen, 
welchen Gang die Dinge genommen haben würben, wenn ber 
König fi anders entſchieden hättet Ob Preußen bann au 
nad Warſchau und Olmüg geführt worden wäre? Und konnte 
ihm noch Schlimmeres begegnen? Nicht die Verhältnifie, die 
Individualität Friedrich Wilhelms wurde Preußens und Deutſch⸗ 
lands Verhängnis. Denn wie fo oft bei feiner inneren Uns 
wahrhaftigkeit dedte fi auch jegt der Sinn feiner Worte 
nicht mit feiner eigentlihen Meinung, und fein Rein follte 
eigentlid ein bebingtes Ja fein. Und auch dabei geriet er noch 


278 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


mit fich felbft in Widerſpruche. Denn eine nachträgliche Legali- 
fierung der Revolution, auf bie fein Plan doch ſchließlich 
binauslief, war unvereinbar mit dem Gottesgnabenfönigtum, 
zu dem er ſich befannte: er hätte damit bie Ergebnifie jener 
acceptiert und wäre felbft ein Revolutionär geworben, nur daß 
er bie Verantwortung bafür anderen zuſchob und durch fie ge: 
bedt fein wollte. 

Am 3. April empfing er bie Kaiferdeputation des Parla- 
mentes unter Führung des Präfidenten Eduard Simfon. Seine 
Antwort, die vorher im Minifterrate feitgeftelt war, machte 
die, wie man geglaubt hatte, glüdlich vollendete Neugeftaltung 
Deutihlands nachträglich abhängig von der Zuftimmung ber 
deutfchen Fürften, obenan der Könige, und dem Einverftänbnis 
Oeſterreichs mit dem engeren Bunbe, der, vereinigte er Preußen 
bloß mit den Kleinftaaten, nad) feiner Anficht nicht ein Bundes— 
ſtaat fein, fondern auf ein Schugverhältnis binauslaufen würde. 
Wenn er, fo erflärte er, anders handelte, würbe er heilige 
Rechte verlegen und feierliche Zufagen breden. Die Regie: 
rungen hätten jetzt zu prüfen, ob die Verfaſſung geeignet jei, 
ihm die Löfung der durch einen jo ehrenvollen Antrag geftellten 
Aufgabe zu ermöglichen. In jebem Falle aber fei er bereit, 
Deutſchland nad innen und außen als Schwert und Schild 
zu dienen. 

Der Eindrud war tief niederfhlagend. Mit patriotiihem 
Schmerz fahen die Deputierten das Werk ſcheitern, das fie in 
faft einjähriger felbfiverleugnender und von Gefahren aller Art 
umbrängter Arbeit vollendet hatten. Des Königs Forderungen 
muteten dem Parlament die Selbftaufgabe zu. Daß es fie 
über fi} verhängen würbe, ftand bei ber Lage ber Dinge und 
der Stimmung in Frankfurt nicht zu erwarten. Ein verhängnis- 
voller Konflikt drohte. Vieleiht war er abzuwenden, wenn 
ber König, wie man vorfälug, auf Grund der Reichever- 
faflung die Leitung Deutfchlands für feine eigenen Lande und 
die den Frankfurter Beſchluſſen beitretenden Staaten übernahm. 
Das aber hätte bie Anerkennung ber Reichsverfaſſung durch 
ihn vorausgefegt: fie war ausgeſchloſſen. Mit vollem Recht 
beutete die Deputation feine Antwort trog allem verhülenden 


II. Die Entftehung der Verfaffung. 279 


Beiwerk ale Nein, erklärte ihren Antrag für abgelehnt und 
reiſte ab. Den deutſchen Kaifer hatte fie in Berlin nicht ges 
funden, äußerte fie fih in Weimar, außer einem in Weiber: 
röden. Daß man ihn fo beim Wort nehmen würde, hatte der 
König nun aber doch nicht erwartet. Sofort ließ er feine 
Antwort anders beuten. Eine Zirkulardepeihe aus Mans 
teuffels Feder teilte fie nebft der Begründung ben preußifchen 
Gefandten an den deutſchen Höfen mit, erklärte aber zugleich 
des Königs Bereitwilligfeit, an bie Spige eines aus ber freien 
Entſchließung ber Einzelftaaten hervorgehenden deutfchen Bundes⸗ 
ſtaates zu treten, zu beilen Vorbereitung er Bevollmächtigte 
nad Frankfurt zu fhiden bat. Das Parlament freilich bes 
ſchloß, an der Reichsverfaſſung und dem Reichswahlgeſetz feſtzu⸗ 
halten. Und in den nächſten Wochen nahmen nicht weniger 
als 28 Bundesftaaten, das heißt außer ben Königreichen alle, 
die Verfaffung an. Bayern und Gannover verhielten fi im 
Einverftändnis mit Defterreih ablehnend. In Sachſen ftärkte 
Preußen felbft den Widerftand und veripra im Notfall Hilfe. 
In Württemberg dagegen mußte die Regierung dem Drud ber 
Öffentlichen Meinung ſchließlich nachgeben. Der fo weſentlich 
veränderten Lage Rechnung zu tragen, empfahl Friedrich Wils 
helm mehr als ein Moment. Auch kam das Parlament ihm 
weit entgegen. So j&hidte der König, den umzuſtimmen Bederath 
nad Berlin geeilt war, Camphaufen nah Frankfurt: er ers 
hielt die Zufage einer Revifion ber Reichsverfaſſung im konſer⸗ 
vativen Sinn. Anbererjeits aber ſuchte die zweite preußifche 
Rammer die Regierung zur Erfülung der nationalen Wünfche 
zu drängen, indem fie am 21. April, obgleih Brandenburg 
jedem Gedanken an Nachgiebigkeit der Regierung fein „Nies 
mals“ entgegenfegte, mit 175 gegen 159 Stimmen einen An- 
trag Robbertus annahm, der die Anerkennung der Reichsver⸗ 
faffung befürwortete. Bei feinem Naturell konnte das den König 
in feiner ablehnenden Haltung nur beſtärken. Daraus ent 
fprangen neue Widerſpruche. Während feine Minifter auf das 
Miptrauensvotum vom 21. April bie Auflöjung ber zweiten 
Kammer planten, berief er den auf einem ganz anderen Boben 
ſtehenden Rabowig zu fi und beauftragte ihn mit der Ber 


280 Bierted Bud. Revolution und Reaktion. 


arbeitung der deutſchen Angelegenheiten. Daraus entwidelte 
fi zwiſchen Manteuffel und Rabowig eine Gegnerſchaft, welche 
die Aktion des einen wie bes amberen lähmen mußte, zu- 
mal erflerer dem Nebenbuhler durch allerlei fragmürbige Um⸗ 
triebe entgegenarbeitete. Die unerläßlihe Vorausfegung für 
das Gelingen ber Pläne, die biefer verfolgte, vernichtete dann 
obenein ber Bruch des Minifteriums mit ber zweiten Kammer 
und fein neuer Staataftreih. Rüdfihtslofe Reaktion im Innern 
und nationale Einheitspolitit nad außen waren damals vollends 
nit miteinander zu verbinden. Am mwenigften war biefer 
König geeignet, ſolche Gegenſätze auszugleichen. 

Als am 26. April die zweite Kammer auf Antrag Walbeds 
die wieberholt heftig angegriffene Verlängerung bes Belage- 
rungszuftandes für ungejeglih erklärte und feine Aufhebung 
verlangte, wurbe fie unter gleichzeitiger Vertagung ber erften 
am 27. aufgelöt. Am 28. erging bie endgültige Abfage nad 
Frankfurt. In einem Schreiben an Camphaufen erklärte Branben- 
burg die Reichsverfaſſung für unannehmbar, weil das all» 
gemeine und gleiche Wahlrecht für die Zukunft die Möglichkeit 
biete, die oberfte Gewalt gefeglich zu befeitigen und die Republif 
einzuführen. Zugleich aber wurden die deutſchen Regierungen 
eingeladen zur Beihidung in Berlin zu haltender Konferenzen 
über die Verfaffungsfrage. Damit war das Parlament bei— 
feite geſchoben. Seine Zerfegung madte nun raſche Fort: 
ſchritte. Der Einfluß der radikalen Partei wuchs. Sie wollte 
die Reichsverfaſſung ohne Preußen durchſetzen und rief zum 
Kampf für fie auf. So drohte ein Bürgerkrieg, eine neue, 
in ihrem Verlauf unüberfehbare deutſche Revolution. Wirklich 
kam es Anfang Mai in Dresden zum Aufftand, ben bie zu 
Hilfe geſchidten preußiſchen Garden (6. und 7. Mai) blutig 
nieberwarfen. Die Schmähungen gegen die Befiegten, in benen 
fi) des Königs Dankerlaß an die heimkehrenden Truppen er- 
ging, konnten die Erbitterung nur fleigern. Dem Bruch des 
Reichsfriedens, defien Preußen fih durch das Einfchreiten in 
Dresden ſchuldig gemacht haben follte, beſchloß das Parlament 
unter dem Drud ber Radikalen am 10. Mai mit allen Mitteln 
entgegenzutreten. Damit ſchwand jede Möglichkeit einer Ver⸗ 


IN. Die Entftehung ber Berfaffung. 281 


ſtändigung. Am 14. erklärte Preußen die Mandate feiner 
Vertreter für erlofhen, während die von Frankfurt aus ver» 
anlaßte gewaffnete Erhebung für die Reichsverfaſſung auch 
feinen inneren Frieden bereits gefährbete. An einzelnen Orten 
weigerte die eingezogene Landwehr den Gehorfam, und wie 
in Berlin und Königsberg, fam es aud in Elberfeld und 
Iſerlohn, in Düfleldorf, Krefeld und anderwärts zu blutigen 
Bufammenftögen. Aber die Ordnung wurde fehnell hergeftellt, 
während in Heſſen⸗Darmſtadt, der Rheinpfalz und Baden ber 
Abfall der Truppen den Sieg des Aufruhrs entſchied. Weberall 
follte Preußen nun helfen. So wurbe es, wozu Friedrich Wil: 
beim fi) in ber Antwort an die Raiferdeputation bereit erflärt 
hatte (S. 273), zunächſt nad innen als Schild und Schwert 
Deutſchlands bewährt und feine Unentbehrlichkeit aller Welt 
erwiefen. Ihn dabei zu unterftügen, rief der König am 15. Mai 
fein Volk in die Waffen, indem er zugleich bie Löfung der 
deutfchen Frage von neuem in die Hand nahm. Daheim und 
in den übrigen deutſchen Ländern, erflärte er nämlich, gelte 
es, Drbnung und Geſetz herzuftellen, damit Deutſchland bald 
der mit Recht verlangten und erwarteten Einheit und Freiheit 
teilhaftig werbe, jener durch eine einheitliche Exekutivgewalt, 
fähig, feinen Namen und feine Interefien nad außen würdig 
und Fräftig zu vertreten, dieſe gefichert durch feine Volksver⸗ 
tretung mit legislativer Befugnis, wie er fie auf Grund bes 
Neihsverfafjungsentwurfs mit den fi ihm anſchließenden 
deutſchen Regierungen zu ſchaffen bemüht jei. In immer heil 
Iofere Widerfprüche verftridte ſich feine Politik: in Holftein 
fanden feine Truppen für eine nationale Erhebung im Felde, 
anberwärts fochten fie gegen folche. Die Reichsverfaſſung hatte 
er verworfen: jetzt erftrebte er doch nichts weſentlich anderes, 
als fie hatte leiften jollen. 

Konferenzen bazu begannen am 17. Mat in Berlin. Defter- 
reich zog fi bald davon zurüd, ebenjo Bayern. Ihr Ergebnis 
war (26. Mai) das Dreilönigabündnis Preußens mit Sachſen 
und Hannover zur Errihtung eines deutſchen Bunbesftants auf 
Grund einer vereinbarten neuen Reichsverfaſſung, welche bie 
Leitung Preußen zumwies, mit einem Furſtenkollegium zur Seite 


282 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


und einem in Staaten: und Volkshaus zerfallenden Reichstag, 
der von den nach der Höhe ber Steuern in brei Klaſſen ge- 
teilten Wählern indirelt ernannt werben ſollte. Die vorläufige 
Leitung übernahm ein aus Bevollmächtigten ber Verbündeten 
beftehenber Verwaltungsausfhuß in Erfurt. Beſcheiden und 
nüchtern im Vergleih mit dem hohen Flug, den man in 
Frankfurt genommen, hatte dieſes Radowitzſche Projekt, in den 
gegebenen Berhältnifien wurzelnd, jedenfalls ben Vorzug der 
Ausführbarkeit. Aber eben deshalb handen fi Sachſen und 
Hannover nur für den Fal daran, daß außer Defterreich fämt- 
lihe deutſche Staaten, namentlih Bayern, beiträten; fonft 
wollten auch fie zu nichts verpflichtet fein. Die wirkfamfte 
Propaganda für das neue Bunbesprojeft aber machten doch 
die preußiſchen Truppen, die unter dem Prinzen von Preußen 
den Aufftand in der Rheinpfalz und in Baden in blutigem 
Kampfe niederſchlugen. Eine wertvolle moraliſche Unterflügung 
gewährte ihm die Erklärung, melde die Mehrzahl der einft der 
Frankfurter Erbfaiferpartei angehörigen Abgeordneten auf einer 
Zufammenkunft in Gotha (26. Juni) zu gunften der neuen 
Richtung der preußiſchen Politik abgaben. Diefem zwiefachen 
Drud gab auch Bayern ſcheinbar nach. Doch ging ſein Miniſter 
v. d. Pfordten bei ven Verhandlungen mit Radowitz und Bran« 
denburg nur darauf aus, Defterreihs Aufnahme zu erwirken 
und fo den engeren Bund zu vereiteln, indem er zugleich Preußen 
eigennügigen Machtftrebens verdächtigte. Daß inzwiſchen Defter: 
reich mit ruffiicher Hilfe den Aufftand Ungarns bemältigte, gab 
allen Gegnern Preußens einen ſtärkeren Rüdhalt. 

Vor allem aber ließ die fteigende Reaktion in Preußen 
dort fo wenig wie auswärts rechten Glauben an ben Ernft 
ſolcher Einheitsbeftrebungen auflommen. Am Tage nad dem 
Erlaß der fie verfündenden Proflamation, am 16. Mai, war 
Balded, der Führer der Linken, verhaftet worden. Die ehren: 
rührige Zumutung feiner fervilen Kollegen am Obertribunal, 
fein Amt als unvereinbar mit feiner politiiden Ueberzeugung 
nieberzulegen, hatte er gebührend zurüdgewiefen. So follte 
er auf andere Weife unſchädlich gemacht werden. Auf die Denun: 
sation eines angeblichen Mitfehuldigen, des Ladendieners und 


II. Die Entftehung der Berfafjung. 283 


Spions Ohm, wurde er mittels gefälfchter Briefe hochverräteri- 
fer Umtriebe begichtigt zur Herſtellung einer einigen unteil- 
baren fozialdemofratifhen Republik in Deutſchland. Ihn auf 
Grund des Belagerungszuftandes vor ein Kriegsgericht zu ftellen, 
ging nicht an, da feine mit Beſchlag belegten Papiere auch 
nit einen Schatten von Beweis für dieſe unfinnige Anklage 
ergaben. Daher Fam er unter ber Anklage, um eine hochver⸗ 
räterifche Unternehmung gewußt und bavon nicht Anzeige ges 
macht zu haben, nad fechsmonatliher Unterfuhungshaft vor 
das Geſchworenengericht. Die Verhandlungen führten zu einer 
furchtbaren Niederlage ber Regierung, da der Staatsanwalt 
ſelbſt bekennen mußte, e& liege ein Bubenftüd vor, angezettelt, 
um einen Mann zu verderben, dem Polizeipräfidenten Hinkel⸗ 
bey aber, ber demfelben wohl nicht ganz fremd war, von dem 
würdigen Präfidenten Taddel fein unziemliches Auftreten ernfts 
lich verwiefen wurde. Jubelnd geleitete das Volk den Frei: 
geſprochenen am 3. Dezember nach Haufe. Die Handlanger der 
Reaktion freilid waren außer fih und fanden mit Leopold 
v. Gerlad das Betragen biefes Gerichtshofes „abſcheulich“. 
Inzwiſchen aber war ein neuer Staatsſtreich erfolgt, in- 
dem das Wahlgejeg vom 6. Dezember 1848 am 30. Mai durch 
ein anderes oftroyiertes erfegt worden war. Diejes befeitigte 
einmal bie geheime Abftimmung als unvereinbar „mit ber in 
allen übrigen Zweigen bes Staatslebens laut und mit Recht 
geforderten Oeffentlichkeit· und geeignet, ben fo „bebeutungs- 
vollen Wahlakt mit einem Schleier zu verhülen, unter dem 
alle die Beftrebungen, welche das Licht ſcheuen, fi verbergen 
Tonnen“. In Wahrheit ftellte bie Deffentlichkeit der Wahl alle 
von ber Regierung irgendwie Abhängigen mit ihrer Abftimmung 
unter beren Kontrolle und gab dieſer die Möglichkeit, fie dabei 
zu ihren Gunften zu beeinfluffen. Dann erfegte das oftroyierte 
Wahlgeſetz, „um nicht den Fleiß, den Befig und die Intelligenz 
dem Uebergewicht der Kopfzahl zu opfern,“ bas allgemeine gleiche 
Wahlrecht dur das Dreillafienwahligftem, das den wenigen 
Neihen, die das erfte Drittel des von ihrem Bezirke aufs 
gebrachten Steuerbetrages entrichten, ebenfo viel Wahlmänner 
zuteilt wie ber ſchon größeren Zahl derer, die das zweite, und 


284 Viertes Buch. Revolution und Reaktion. 


wie der Menge der Minberbegüterten, die das legte Drittel 
aufbringen, jo daß die Stimme bes reihen und daher hoch⸗ 
befteuerten Urwählers hundert-, ja taufendmal fo viel wert war 
wie bie des beſcheidener Situierten. Trog fo rückſichtsloſer 
Begünftigung der Reihen und der Aufhebung der Wahlfreiheit 
für weite Kreife ift diefes Wahlfyftem noch heute in Geltung. 

Diesmal hatte die Regierung ein von ihr felbft erft ge: 
fegtes Recht willtürlih aufgehoben, um die Wahl einer ges 
fügigen zweiten Kammer und durch fie die ihr genehme Revifion 
ber Verfaſſung zu erreigen. Dazu wurde am 10. Juni auch 
die Preſſe noch mehr beſchränkt und am 29. das Berfammlungs« 
recht gekürzt, vor allem aber am 10. Juli die Unabhängigkeit 
der Gerichte aufgehoben durch die Beſtimmung, daß Richter, 
bie, ohne kraft eines andermeitigen Berufes zu freimütiger 
Aeußerung ihrer Meberzeugung berechtigt ober verpflichtet zu 
fein, durch öffentliche Kundgebung ertremer Anfihten das Ver 
trauen in bie unter ihrer Mitwirkung zu fällenden Urteile er 
ſchutterten, bisziplinarifh abgeurteilt und auch unfreiwillig 
verfegt werben follten, da fie ja auch dazu entjcheiden berufen 
feien, wo es fid um die Frage handle, ob ein Staatsbürger 
wegen einer von ben Organen ber Staatsregierung behaupteten 
Verlegung der Gejege zu beftrafen fei. Die Verwaltungs: 
beamten machte eine weitere Verordnung vom 11. Juli vollends 
zu willenlofen Werkzeugen bes jebesmaligen Minifteriums. 
Unter ſolchem Drud ergaben die Wahlen dann freilich eine 
fihere Mehrheit für das Minifterium, zumal die bisherige Linke 
ben Fehler beging, wegen ber Rechtswidrigkeit des oftroyierten 
Wahlgefeges fih der Wahl zu enthalten. Die Oppofition in 
ber zweiten Kammer, in der nicht weniger als 200 Beamte 
faßen, bildete ein Meines Häuflein Altliberaler. Dennoch drang 
die Regierung nicht in allen Stüden durch, fo ſchlagfertig 
Manteuffel, um Argumente nie verlegen, fie auch vertrat, und 
als fie dann unter vielfahem Streit mit dem launenhaften 
König, der feinen Miniftern gegenüber zwiſchen Bezeugungen 
zärtlichen Vertrauens und beleidigendem Schelten ſchwankte, 
fo daß ein Miniftermechfel wiederholt nur mit genauer Not 
vermieden wurde, gegen Ende bes Jahres trogbem ihrem 


1. Die Entftehung der Verfafjung. 285 
Biele ganz nahe war, wurden ihr unerwarteterweife von dem 
Könige ſelbſt Schwierigkeiten bereitet, bie alles wieder in Frage 
fellten. 

Je näher ber Augenblid kam, wo er ben ihm in ben 
Tod verhaßten Ronftitutionalismus durch den Eid auf die Ver- 
faſſung als für alle Zeiten und unantaftbar gültig anerkennen 
Tote, defto Frampfhafter rang Friedrich Wilhelm um einen 
Ausweg, auf dem er fi diefer vermeintlichen äußerften 
Demütigung entziehen könnte. Auch beftärkten ihn von feinen 
Intimen mande in biefer Abfiht und wollten ihm zu ihrer 
Verwirklihung verhelfen. Vielleicht gaben, meinte der durch 
den Kämmerer Schöning an ihn gelommene Geheimerat Sägert, 
der Leiter des Taubſtummenweſens, ben General v. Gerlach 
als Abb& de l'épée verfpottete, die Kammern ihm ihrerfeits 
die Handhabe zu einem Staatsftreih, der, alles feither Ges 
ſchehene gleihfam auslöfchend, bireft auf den Vereinigten Land: 
tag zurüdgreifen und jo feinen alten ſtändiſchen Verfafjungs- 
plänen zur Verwirklichung verhelfen könnte. Zu feinem Bedauern 
trat ein folder Zwiſchenfall aber nicht ein. Als daher um 
Weihnachten die Revifion der Verfaflung, im weſentlichen ganz 
nad dem Willen des Minifteriums — felbft der anftößige 
Artikel 105 (S. 274) war, wenn aud in etwas veränderter 
Faffung angenommen — beendet war, bezeichnete er plöglich 
den Miniftern nicht weniger ala 17 Punkte, in denen fie noch 
geändert werben müßte, wenn er fie beſchwören follte. Sie 
betrafen unter anderen bie Bildung ber erfien Kammer, wo 
er noch immer mit feiner erblichen Pairie durchzudringen hoffte, 
die Fideifommiffe und andere Fragen, in denen feine mittelalters 
lien Anſchauungen den modernen feindlich gegenüberftanden, 
während andere ihn einig zeigten mit den realtionärften Genoffen 
der Camarilla. Nicht genug, daß er für Aburteilung von 
Hochverrat und Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates 
einen befonderen Staats:, das Heißt alfo Ausnahmegerichts- 
bof forderte: er wollte au, daß alle Beamten, auch die richter⸗ 
lien, wegen Ungehorfams gegen eine Verordnung follten fo- 
fort abgefegt werben können. Der Artikel „die Wiſſenſchaft 
und ihre Lehre ift frei“, ſollte geftrihen werben, weil fonft 


286 Viertes Bud. Revolution und Reattion. 


„jeber rote Profefior den Freibrief habe, Ludwigs XVI. Er: 
morbung und anderes ala gut zu lehren“. Ferner ſollte 
die Zuftimmung des Landtages nur für die Erhebung ber» 
jenigen Abgaben unerläßlih fein, die in ber „Ehe zwiſchen 
Staat und Landtag“ neu votiert werben würben, aber nicht für 
die Forterhebung der bereits beftehenden, vor diefer „bigamen 
Ehe“ erzeugten. 

Sole Forderungen ftelten alles in Frage. Sie fämtlih 
zu vertreten waren feldft diefe Minifter außer ftande, und auch 
nur die witigften der Kammer abzuringen, war wenig Aus- 
fit. Wer aber würbe, fehieven Brandenburg und Manteuffel 
aus als Berater, dieſem unberechenbaren, unzuverläffigen König 
an die Seite treten wollen? Selbſt fein Herzensfreund Rabo- 
witz, den Brandenburg, jo wenig er mit ihm harmonierte, 
doch nad dem Nüdtritt H. v. Arnims herbeigeholt hatte, weil 
mit dem König nicht fertig zu werben war, urteilte bereits 
ebenfo, es ſei mit ihm nicht auszufommen, nichts gerate in 
feinen Händen, er könne eben niit regieren. Diesmal jedoch 
ſchien jelbft die Scheu vor den peinvollen und immer bemütigen- 
den Aufregungen einer Minifterfrifis auf denſelben feinen Ein: 
drud zu machen, obgleich Leopold v. Gerlah die dann ein- 
tretende Lage als das größte Unglüd anfah, das Preußen 
treffen Tönne, weil fie die moraliſche Exiſtenz des Königs zu 
vernichten drohe. Da riefen die Minifter Rabowig zu Hilfe, 
oder, wie ber König es nachher ausdrückte, „ließen ihn wie 
einen Kettenhund auf ihn los“. Und der Zauber feiner Per- 
fönlichleit bewährte fi wieder: er rang dem König den Ver- 
sicht mwenigftens auf einige feiner nachträglichen Forderungen 
ab. Zmmerbin mutete die königliche Botſchaft, die unter Gegen- 
zeihnung der Minifter am 7. Januar 1850 an die Kammer 
erging, dieſer noch eine Reihe ſtarker Konzeffionen an das un: 
bekehrbare Vorurteil des Königs zu, der nun einmal fein fou= 
veräned Ich auch den beredhtigtften Intereſſen der Gefamtheit 
als allein maßgebend entgegenzufegen beliebte. Und es gelang 
Manteuffel, in mehrtägigen heißen Debatten bie Mehrzahl ber 
töniglihen Wünfche durchzuſetzen. Das jest nit Erreichte 
hoffte man fpäter nachzuholen. Denn von der Camarilla wurden 


III. Die Entftehung der Berfaffung. 287 


nicht nur weſentliche Verfaſſungsartikel, fondern die ganze 
Verfaſſung als proviforiih angefehen. Und Proviforien ers 
Härte General Gerlah in allen Konftitutionsfragen für bes 
ſonders vorteilhaft. Trogdem fträubte fi) der König nach wie 
vor gegen ben Eid, dur den er nad feiner Gemahlin Ans 
ficht zum Präfidenten herabfanf. Er wollte nur mit Vorbehalt 
ſchwören. Wieder fiimmte Rabowig ihn um. Am 31. Januar 
erflärte er fein Einverftändnis mit der Verfaffung, wie fie nun 
vorlag. Nun beforgten die Minifter aber, er möchte durch 
feine Rede bei ber Eibesleiftung alles verderben: am liebften 
hätten fie es geſehen, er hätte auf eine Anſprache überhaupt 
verzichtet und ſich auf Leiftung des Eides beſchränkt. Brieflich 
bat ihn daher Brandenburg „fußfällig“, was er da fagen 
wolle, aufzufgreiben und wenigftens ihm und Manteuffel mits 
zuteilen: bas Vertrauen zu ihnen habe er doch verloren und 
behalte fie nur in Ermangelung eines Beflern bei. Er unter: 
zeichnete ſich „mit der Treue eines fortgefloßenen Hundes Br.“ 
Seiner Bitte verhalf die erneute Einwirkung von Radowitz 
denn auch ſchließlich zur Erfüllung. 

Dennod war die Rebe, mit ber ber König am 6. Februar 
1850 die feierlihe Handlung im Weißen Saal des Berliner 
Schloſſes einleitete, in mancher Hinficht fehr bedenklich, fand 
aber freilich eben deshalb den Beifall der offenen und ver- 
Tappten Abfolutiften. Wenig glücklich betonte fie bie Ent- 
ftehung ber Verfaflung in einem Jahre, das die Treue wer- 
dender Geſchlechter vergebens mit Thränen aus der Geſchichte 
Preußens zu tilgen wunſchen werde. Ein Werf des Augenblide, 
trage fie an fi den breiten Stempel des Urfprungs in den 
Tagen, da im buchſtäblichſten Sinn des Wortes das Dafein 
des Vaterlandes bedroht war, und fei in bie jegige Form erft 
gebracht durch die aufopfernde Treue von Männern, bie feinen 
Thron gerettet. Indem auch fie die befiernde Hand daran 
legten, haben, fo bemerkte der König weiter, die Kammern 
ihm ein Pfand dafür gegeben, daß fie die vor der Sanktion 
begonnene Arbeit der Vervollommnung auch nachher nicht 
laſſen, fondern das Werk auf verfaflungsmäßigem Wege ben 
Lebensbebingungen Preußens immer entſprechender geftalten 


288 Biertes Bud. Revolution und Reattion. 


helfen wollten. In biefer Hofinung könne er es beftätigen. 
Auch künftig erwarte er von ber Treue feines Volles und 
feiner Vertreter Hilfe gegen die, welche die von ihm verlichene 
Freiheit zum Dedel der Bosheit mahen und gegen ihren Ur: 
beber Fehren würden, indem fie die Verfaſſung betrachten 
möchten gleihfam als Erſatz für die göttliche Vorfehung, die 
Geſchichte und die alte heilige Treue. Der in alledem an 
gedeutete Vorbehalt wurde aber auch noch ausbrüdlich gemacht, 
indem der König es als Lebensbebingung bes neuen Schwurs 
binftellte, daß ihm das Negieren mit biefem Gefeg möglich 
gemacht werde. „Denn,“ fo fagte er, „in Preußen muß ber 
König regieren, und Ich regiere nicht, weil es alfo mein 
Wohlgefallen ift — Gott weiß es —, fondern weil es Gottes 
Ordnung iſt, darum will ich auch regieren!” Und dann wieber- 
holte er, es mit feierlihem „Ja, ja“ befräftigend, das bei 
der Königsberger Hulbigung geleiftete Gelöbnis (S. 218) und 
das vor dem Wereinigten Landtage abgelegte Belenntnis 
(S. 231) und verpflichtete fi mit „Ja, ja, das will ich, fo 
Gott mir helfe“ feierlich, wahrhaftig und ausbrüdlih, vor 
Gott und Menſchen die Verfaffung des Landes feſt und uns 
verbrühlich zu halten und in Wehereinftimmung mit ben Ge: 
fegen zu regieren. 

Jebenfalls war das ein ungemöhnlicher Eid. Aber er ent- 
ſprach der ungewöhnlichen Eigenart des Schwörenden. Indem 
er nicht die Geftalt, in ber die Verfaſſung vorlag, betonte, 
fondern ihre urfprünglihe Mißgeftalt und ihre fpätere noch 
fortzufegende Vervolllommnung, befhwor er fie nicht als etwas 
Unveränderlides, fondern fein Eid galt vorgreifend jener Ver: 
faſſung ber Zukunft. Auch bier tritt wieder jeine Unwahrs 
baftigfeit gegen fih und andere zu Tage, bis zu einem ge: 
wiſſen Jefuitismus gefteigert. Damit jein Eid beftehen könne, 
fol die Verfaffung ihm angepaßt werben. Das beweift eine 
arge Verwirrung ber Begriffe und die Unfähigkeit, die jüngfte 
Entwidelung zu verftehen und ihren Ergebnifien Rechnung zu 
tragen. Das Königtum von Gottes Gnaden fand für ihn 
nad wie vor über der Verfaffung und über dem Verfaffungs- 
eid. Was er am 6. Februar 1850 mit feinem Volke ſchloß, 


IN. Die Entftehung der Berfafjung. 289 


war nicht ein ehrlich gemeinter und als endgültig angefehener 
Friede, fondern ein Waffenftillftand, den im rechten Augenblid 
zu kundigen er ſich vorbehielt. In diefem Punkte war er mit 
der Camarilla einig. 

Dennoch war gerade in jenem Zeitpunkt felbft ein folder 
Waffenſtillſtand ein Glüd für Preußen. Der Fortgang ber 
mit dem Dreilönigsbündnis (S. 281) eingeleiteten Unions- 
politit hatte zu Verwidelungen geführt, die eine kriegeriſche 
Auseinanderfegung mit Defterreich zu gebieten ſchienen. Nur 
war ber Gedanke daran dem König gerade fo unfaßbar wie der 
eines wirklich verfaffungsmäßig beichränkten Regiments. Aber 
aud bier drängte ihn die Wucht ber Thatſachen zunächft auf 
einen Weg, den zu verfolgen durchaus gegen feine Weberzeugung 
war und von dem er jhon, als er ihm betrat, möglichft bald 
wieber loszulommen begehrte. Der Kampf der in feiner Um» 
gebung ringenden Parteien entbrannte daher auf diefem Ge: 
biete befonders heftig und warf den von fremdem Einfluß ab- 
bängigen König zwiſchen jo unverföhnbaren Widerſprüchen hin 
und ber, daf mit feiner Würde zugleich das Anfehen Preußens 
ſchwer gefhädigt wurde und ihm endlich die Unterwerfung 
unter einen fremden Willen als Rettung aus jeldftverfchuldeten 
Gefahren erſchien, obgleid er die Verantwortung auch dafür 
anderen zufchob. 

Bayern und Württemberg waren dem Dreilönigsbunde 
fern geblieben. Entſprechend dem von ihnen gemadten Vor— 
behalt (S. 282), defien Bedeutung in Berlin völlig verfannt 
war, hatten fi) infolgebeflen au; Hannover und Sachſen davon 
zurüdgezogen und (21. Oftober 1849) ihre Bevollmächtigten 
aus dem Erfurter Verwaltungsrate abberufen. Klarer und 
konſequenter war biefe Politif freilih als die Preußens, das 
inzwifchen, verblendet fich felbft entgegenarbeitend, zur Reftaus 
ration bes Bundestages und damit bes ungebefierten Deutſchen 
Bundes den erften Schritt thun half. Die zarten, aber Klug 
geleiteten Hände ſehr zielbewußter fürftliher Frauen ſchurzten, 
To feheint es, die Mafchen des Netzes, in benen es ſich fangen 
follte. Einem Familientage, den Friedrich Wilhelm und feine 
Gemahlin mit deren Schweftern und Schwägern, dem „eönige 

Brug, Preufifge Geihicte. IV. 


290 Viertes Buch. Revolution und Reaktion. 


lichen und dem kronprinzlichen Paare von Sachſen, und ihrem 
Neffen, dem jugendlichen Kaifer von Defterreih, Anfang Sep- 
tember in Pillnig hielten, folgte am 30. der Abſchluß bes 
Interim, nad dem zum Zweck ber Erhaltung des Deutſchen 
Bundes Defterreih und Preußen im Einverftändnis mit dem 
abtretenden Reichsverweſer die Ausübung der Zentralgewalt 
für den Deutſchen Bund übernehmen und durch eine Kommif- 
fion, zu der fie je zwei Mitglieder ftellten, bis zum 1. Mai 
1850 führen follten, falls nit bie der freien Vereinbarung 
der einzelnen Staaten überlafiene Verfaflungsfrage früher ge— 
ordnet würde. Auch die dem Dreilönigsbund beigetretenen 
Staaten ließen dieſes Vorgehen Preußens gutgläubig als mit 
bemfelben vereinbar gelten. Als num aber der Erfurter Ver⸗ 
waltungsrat, dem Radowitz präfidierte — mas nicht hinderte, 
daß er nachher Preußen zunächſt auch in der im Dezember auf 
Grund des Interims gebildeten Rommiffion vertrat —, auf 
Ende Januar 1850 die Wahlen für die Volfavertretung des 
nun offiziell als Union bezeichneten engeren Bundes ausfchrieb, 
weigerten fi Sachfen und Hannover, dem nadzulommen, und 
Defterreich proteftierte Dagegen als eine Verlegung ber Pflichten 
Preußens gegen den Deutfhen Bund. So war, beharrte Preußen 
auf dem eingefchlagenen Wege und hielt die ihm zugefallenen 
Staaten feft zufammen, der Moment ber Auseinanderjegung 
mit Defterreih nahe gerüdt. Der Aufftände in Ungarn und 
Stalien Herr geworden und der Hilfe des feines Schwager 
Plänen feindliden Zaren gewiß, rüftete fich dieſes, die Vor- 
herrſchaft in Deutſchland im Notfall mit Waffengewalt zu be⸗ 
baupten. Auf des großiprecheriihen Radowitz eigenmächtige 
Drohung mit einer preußifhen Mobilmahung, begann es in 
Böhmen Truppen zu Eonzentrieren. Auch ließ fi das Mini- 
fterium Brandenburg-Manteuffel, ſcheinbar mit Radowig einig, 
von den Kammern am 18. Februar 1850 eine Anleihe von 
18 Millionen zu rechtzeitiger Waffnung gegen die Feinde der 
Ordnung bewilligen. Die wiberftrebend und mit geheimem 
Vorbehalt beſchworene Verfaffung bewährte ſich demnad als 
wirffame Stüge für eine Fräftige auswärtige Politil. Eine 
folde ließ die Haltung Preußens auch fonft erwarten. Der 


II. Die Entftehung der Verfaffung. 291 


Verwaltungsrat berief bie in dem Verfaffungsentwurf vorgefehene 
NReihsverfammlung auf den 20. März ein. Hannovers end» 
gültige Losfagung beantwortete er durch eine Klage bei dem 
Bundesſchiedsgericht, Preußen durch den Abbruch ber diplo- 
matifhen Beziehungen. 

Um fo enger aber verbanden fih nun in Berlin aud alle 
dem Gedanken ber nationalen Einheit als einer Frucht der 
Revolution feindlihen Mächte zu gemeinfamem Gegenwirken. 
Dachte doch der König troß zeitweiliger nationaler Anwand⸗ 
kungen im Grunde genau fo wie fie und erlag eigentlich gegen 
feine politifhe Ueberzeugung dem Zauber, den die Perfönlidh- 
teit feines Herzensfreundes Radowitz auf ihn ausübte, während 
diefen im Minifterium in aller Heimlichkeit, aber mit fteigendem 
Eifer Manteuffel, an der Spige der Camarilla mit wachjjender, 
aud vor den bedenklichſten Mitteln nicht zurüdichredender Er⸗ 
bitterung General v. Gerlach, parlamentarifch aber namentlich 
Bismard ebenfo heftig wie ſchlagfertig befämpfte. Dort freute 
man fi jebes neuen Hinderniſſes, das ber Union bereitet 
wurde, und fie durchzuſetzen, den Krieg unvermeidlich erfcheinen 
ließ. Denn daß der König zu einem ſolchen nicht zu vermögen 
fei, waren diefe Herren ſicher. Konnte er doch auch in biefer 
Krifis ben einander ausſchließenden Möglichkeiten gegenüber 
nit zur Entſcheidung fommen, ſchwankte zwiſchen halbem 
Widerftand und halbem Nachgeben und verlegte ſich ſelbſt da⸗ 
dur alle anfangs noch möglichen Wege, bis ihm ſchließlich 
nur noch ber von den triumphierenden Gegnern gewieſene blieb. 

Der Abſchluß des von Bayern geleiteten Vierkönigsbund⸗ 
niffes am 17. Februar 1850, das nur ben Bwed hatte, bie 
Leitung ber Bunbesreform Preußen zu entwinden, ſchien zu 
nächſt zwar befien Energie zu fleigern. Aber ber Gedanke, 
nun durch ſchleunige Annahme des Verfaffungsentwurfs feitens 
des Erfurter Parlaments bie Union als vollendete Thatſache 
binzuftellen, widerftrebte dem König, weil er einige liberale 
Beftimmungen darin geändert haben wollte, wibrigenfalls auch 
er ausſcheiden müfle. Nun wurde das zwar glüdlich abgewandt, 
indem bie Mehrheit zu Erfurt beiden Forderungen gerecht 
wurde, durch Annahme des von ben verbündeten Regierungen 


292 Bierted Buch. Revolution und Reaktion. 


vorgelegten Verfafiungsentwurfs im ganzen die Union konſti⸗ 
tuierte und dann durch eine feinen Wünfchen entſprechende 
Reviſion dem König den Vorwand nahm, fi von Radowitz' 
Werk Ioszufagen. Aber die Anerkennung ber Verfaſſung ſprach 
er doch nicht aus: fie hätte zum Bruch mit Deſterreich geführt. 
Angefihts des Ganges ber Dinge zu Erfurt nämlich hatte 
biefes bereits am 19. April alle deutſchen Staaten außer 
Preußen, das bei ihm bisher vergebli um eine Verlängerung 
des am 1. Mai 1850 ablaufenden Interims geworben hatte, 
zur Beſchickung einer von ihm als Präſidialmacht des Deutſchen 
Bundes zu leitenden Konferenz eingeladen, an deren Bejchlüffe 
aud die nicht vertretenen gebunden fein folten. Preußen er 
bielt von diefer Perfidie zufällig Kenntnis, wies das Projekt 
aber trogdem nicht einfach als Bedrohung mit bundeswidriger 
Vergewaltigung zurüd, fondern erklärte fih (22. April) zur 
Teilnahme bereit, wenn bie Einladung von ben beiden deutſchen 
Großmächten gemeinſam erlaflen und die Zufammenkunft nicht 
als Fortfegung des Bundestages behandelt, die Union aber 
anerkannt und zu forporativem Handeln zugelaflen würde. 
Durch dieſes ſchwächliche Entgegenkommen gab Preußen bie 
Union eigentlich bereits auf: ihr gegenüber konnte Schwarzen⸗ 
berg des ſchließlichen Sieges gewiß fein und fi alles erlauben 
zu dürfen glauben. Auch fonft arbeitete alles an der Auflöfung 
der Union: hier fuchten die Regierungen von ihr loszukommen, 
bort befämpften fie bie liberalen Volksvertretungen als gefähr- 
lich für die Freiheit. Beſonderen Eifer entwidelte in Kur: 
heſſen, an die Spite der Regierung zurüdgelehrt, der fo Tange 
in Preußen verforgt gewejene (S. 203) Haffenpflug. So ficher 
fühlte fih daher Schwarzenberg der Zukunft, daß er am 
26. April im Namen des Bundespräſidiums bie deutſchen Staaten 
aufforberte, zum Mai Bevollmächtigte nach Frankfurt zu ſchicken, 
um auf Grund der Bundesafte von 1815 und der Schlußafte 
von 1820 eine proviforifhe Zentralgewalt zu bilden und bie 
Bundesverfaſſung zu revidieren. Daß legteres nicht zu ernit 
gemeint war, verftand fi von felbft. 

Aber au auf diefe Herausforderung blieb Preußen die 
rechte Antwort ſchuldig. Wie an allem, was fi nur in muh⸗ 


IH. Die Entftehung der Berfaffung. " 293 


feliger Arbeit fördern ließ, hatte der König auch an der Union 
bereits die Zuft verloren, fand aber nod nit den Mut, fi 
ihrer durch einen raſchen Entſchluß zu entlebigen, fondern hoffte 
das durch andere gethan zu ſehen. Der Gerlachſche Kreis da- 
gegen ſah mit unverhohlener Genugthuung Preußen „die Lappen 
der Union einen nad) dem anderen vom Leibe gerifien” werben 
und erging ſich in tugendhafter Entrüftung über die „Unreblid- 
teit einer Politik“, welde die Dinge behandle, als ob man 
fie wollte, und fie fid dann abſchlagen laſſe. In ber Kreuz: 
zeitung eröffnete fie einen wütenden Kampf gegen ben „Slo- 
vaken“ Radowitz, der Preußen durch das Bündnis mit ber 
Revolution ins Verberben ftürzen wolle. Von den Miniftern 
ließ Brandenburg den föniglihen Günftling gewähren, ber des 
Auswärtigen, v. Schleinig, der befondere Vertrauensmann der 
Prinzeffin von Preußen, bemühte fih um bie Durchſetzung des 
Erfurter Programms, Manteuffel aber, der den König am 
richtigſten beurteilte und für feine geheimen Abfichten die feinfte 
Witterung hatte, ließ fi von feinem Beirat in biplomatifchen 
Dingen, Legationsrat Küpfer, bereits bie Argumente dafür 
vortragen, daß Preußen am beiten thue, die Union aufzugeben 
und fih mit Defterreih zu verftändigen und zu verbünden. 
Au die Rammermehrheit ſah bereits in der Herftellung bes 
Bundestages die einfachfte Löſung aller Schwierigkeiten. Der 
König aber, unfähig einer diefer Parteien rüdhaltlos beizu- 
pflichten, ſchlug wieder einen Mittelweg ein, der in eine Sad- 
gafle führte. Auf Anregung des liberal und national denkenden 
Herzogs Ernſt II. von Koburg lud er die verbündeten Fürften 
auf den 8. Mai nad Berlin. Nur der König von Sachſen, 
der Herzog von Naflau und der Großherzog von Heflen er- 
ſchienen nicht: letzterer ließ ſich herausfordernderweiſe durch feinen 
kurfürſtlichen Vetter vertreten. Mit dieſem kam Haſſenpflug. 
Stolz darauf, daß die Hefien hier die erfte Violine fpielten, da 
von ihrer Haltung das Schidjal der Union abhing, trat er, 
wie Gerlach, der ihn freilih ale „Staatsmann“ hochſchätzte, 
klagt, „mit parvenuhafter Rüpelei” auf und verfuchte ſogar 
Radowitz, weil er nicht Minifter war, von den Beratungen 
auszufchließen. Weber über die Verfaffung noch über das Ver- 


294 Bierted Bud. Revolution und Reaktion, 


halten dem Frankfurter Kongreß gegenüber einigte man fi 
völig und begnügte fih ſchließlich mit einem Proviforium bis 
Mitte Juli. Aus den Worten, mit denen der König am 
16. Mai den Fürftentag ſchloß, Hang bereits bie Ueberzeugung, 
dag auch dieſes Experiment gefceitert und die Union aufs 
gegeben fei. Wenn er dennoch gewillt ſchien, fie mit Gewalt 
durchzufegen, fo war das nur ein Auffladern feines preußiſchen 
Chrgefühls unter dem faszinierenden Einfluffe von Radowitz. 
Sept begann zwifchen diefem und Manteuffel der Entſcheidungs⸗ 
kampf, in welchem legterer mit der Camarilla die dem König 
imponierenbe Autorität des jeder Einigung Deutſchlanda feind⸗ 
lihen Zaren hinter ſich wußte, 

An demjelben 16. Mai, an dem ber Fürftentag ausein- 
anderging, Fonftituierten fih in Frankfurt unter Graf Thun 
als Präfivialgefandten die Vertreter der vier Königreiche, Kur- 
befiens, der Niederlande und Dänemarks (für Luremburg und 
Holftein) als Bundestag. Verhandlungen, die unter Ver— 
mittelung des Zaren, mit dem Ende Mai der Prinz von Preußen 
in SHernowice bei Warſchau zufammentraf, geführt wurden, 
blieben erfolglos, obgleich Defterreih unter dem Drud innerer 
Schwierigkeiten und feines ruffiihen Beſchützers nicht bloß das 
anfängliche Verlangen nad Aufgabe ſowohl der Union wie ber 
oftroyierten Verfafiung, von ber es einen nachteiligen Einfluß 
auf feine deutſchen Unterthanen fürdhtete, fallen ließ, fondern 
Preußens Verzicht auf die Union fogar vergelten wollte durch 
Preisgabe des reftaurierten Bundestages und Regelung ber 
deutfhen Frage durch alle beteiligten Staaten auf freien Kon: 
ferenzen. Denn noch überwog in Berlin der Einfluß Radowitz'. 
Da entftanden neue Verwidelungen über Holftein. Nachdem 
die auf Grund des Malmder Waffenftillftandes in London ger 
führten Verhandlungen an dem Uebermut der Dänen gefcheitert 
waren, hatte der Krieg im Frühjahr 1849 wieder begonnen, 
ohne daß die unter General v. Prittwig in Zütland eingerüdten 
Preußen, durch diplomatiſche Rüdfichten gehindert, etwas hätten 
leiften fönnen. Ja, ihre Unthätigleit machte die öffentliche 
Meinung verantwortlich für die Niederlage, welche die fchleswig- 
holſteinſche Armee am 6. Juli 1849 bei Fridericia erlitt. Da 


III. Die Entftehung der Berfafjung. 295 


es eine deutſche Zentralgewalt nicht mehr gab, ſchloß Preußen 
nun auf eigene Hand mit Dänemark Waffenſtillſtand. Lang- 
wierige Verhandlungen in Berlin führten angeſichts des drohen⸗ 
den Konflifts mit Defterreich unter dem Drud Rußlands und 
der möglichen Einmifhung Frankreichs endlich am 2. Juli 1850 
zu einem Frieden, ber die Herzogtümer ihrem Schidfal über: 
ließ. Befiegelt wurde dieſes durch das Londoner Protokoll vom 
2. Auguft 1850, das die Einheit des däniſchen Geſamtſtaates 
garantierte. Zwar trat Preußen ihm nicht bei, bemühte fi 
aber doch der eingegangenen Verpflihtung gemäß um bie 
Ratifilation des Friedens durch die übrigen deutſchen Staaten. 
Zu biejer aber erflärten bie Mittelftaaten allein den Bundes» 
tag für berechtigt, deſſen Eriftenz Preußen überhaupt nicht 
anerfannte. 

Auch die Spannung mit Defterreih wuchs. Diefes beftritt 
Preußen nun fogar das Recht zum Abſchluß von Militärs 
Tonventionen mit ben Kleinſtaaten, durch Die e8 wenigſtens einigen 
Erſatz für die zerfalende Union zu ſchaffen fuchte, wollte feine 
Mitwirkung nicht zulafen bei der Reorganifation der badiſchen 
Armee und bereitete ihm auch fonft, wo es konnte, Hinder⸗ 
niſſe und Schwierigkeiten. Weil jedoch in der Sache bes 
dänifchen Friedens Rußland zu Preußen ftand, es dieſe alfo 
nicht wohl zum Bruch treiben konnte, kam Defterreich Preußen 
unerwartet weit entgegen und wollte ihm nicht bloß gemein⸗ 
ſame Erekutive und Wechfel im Vorſitz des Bundes einräumen, 
fondern auch die Bildung eines engeren norbbeutfhen Bundes 
zulaſſen. Da aber inzwiſchen die Dänen Schleswig erobert 
hatten, Holftein jedoch noch widerftand, gelang es Schwarzen« 
berg, indem er biefes durch nachträglichen Beitritt zu dem 
Londoner Protofoll preisgab, Rußland von Preußen zu trennen 
und legteres vollends zu ifolieren. Von Bugeftändnifien war 
nun nit mehr die Rede. Am 2. September wurde mit der 
Eröffnung bes engeren Rats des Bundestages, von deſſen 
17 Stimmen freilid zunähft nur 11 vertreten waren, bie 
Reftauration des Bundes ins Werk gefegt, und eine glüdliche 
Fügung bot Preußens Gegner Gelegenheit, feine Autorität 
alsbald in einer Sache zur Geltung zu bringen, wo Preußen, 


296 Viertes Buch. Revolution und Reaktion. 


nachdem es den Moment zum Handeln verfäumt, fi vor die 
Wahl geftellt ſah, ob es unter den ungünftigften Umftänden 
einen Kampf um fein Dafein wagen oder fi ihnen beugen 
wollte. Die Handhabe dazu bot der kurheſſiſche Verfaflungs- 
ftreit. Um die Union allein wäre es trotz Radowitz fo weit 
nie gelommen. Freilich meinte der König, durch ihre Preis- 
gabe würbe fi) Preußen „avilieren”, ſchalt aber ihre Verfafjung 
einen „Wiſch“ und kam zurüd auf fein phantaſtiſches Ideal 
eines großen Mittelreiches unter dem gefrönten und gejalbten 
Raifer von Defterreih als Römiſchem Kaifer, neben dem Preußen 
bas „eigentliche Deutſchland“ mit einem Königskollegium neben 
fi regieren müßte. 

Als Haffenpflug, deſſen Treiben namentlih den Prinzen 
von Preußen mit ber äußerften Entrüftung erfüllte, den Wider: 
ſtand des Landes unter dem Zwange bes Kriegszuſtandes mili⸗ 
täriſch brechen wollte, weigerte fi die Armee ſolches Schergen- 
dienftes. Mit dem Kurfürften nad Frankfurt entweichend, rief 
der Minifter die Hilfe des eben aufgelebten Bundestages an, 
der froh war, buch ihre Gewährung feine zweifelhafte Autoris 
tät zur Anerfennung bringen zu können. Die beſchloſſene 
Yundeserefution aber enthielt eine ſchwere Bebrohung Preußens, 
da fie das feine öftlihen und weſtlichen Provinzen trennende 
Land ihm feindliden Truppen ausantwortete. In Kurheſſen, 
das zudem nominell noch der Union angehörte, follte Preußen 
getroffen und dauernd unfähig gemacht werben, ſich ber Füh- 
rung in Deutfchland zu bemächtigen, die es zu gewinnen eben 
auf dem Wege gewejen war. Meinte doch felbft ber greife 
Metternich, jegt fei der Augenblid gelommen, um Preußen 
zu bemütigen, und wohin man ftrebte, verriet des Grafen 
Thun Frage an einen naſſauiſchen Diplomaten: „Wie lange 
glauben Sie denn, daß Preußen noch die Aheinlande befigen 
wird?“ Alte Pläne hoffte man alfo jegt verwirklicht zu ſehen. 

In Berlin rechnete man zwar bereits im Juli mit ber 
Möglichkeit eines öſterreichiſchen Angriffs, erkannte aber doch 
nit die ganze Größe ber Gefahr. In den leitenden Kreifen 
herrſchte Heillofe Verwirrung. Die Camarilla wollte vor allem 
von ber Union losfommen, „die reellen Dinge in ihr, bie 


III. Die Entftehung ber Berfaffung. 297 


wirklich Leben hätten, die Preußen allein Deutichland gewähren 
tönne, retten, das heißt es aus den Wirren des Konftitutionalis- 
mus erlöfen”. So dachten mit Gerlah von den Miniflern 
jest nit bloß Manteuffel, fondern aud Brandenburg und 
Schleinitz. Der König aber, im Grunde mit ihnen einig und 
mit ber Union als einem Werk ber Revolution innerlich fertig, 
erlag noch dem Einfluß von Radowitz und ſchien entſchloſſen, 
den von ihm gewieſenen Weg energiſchen Handelns zu verfolgen, 
ſo daß Brandenburg ſelbſt ſchließlich des Vielgehaßten Er— 
nennung zum Miniſter des Auswärtigen veranlaßte (23. Sep⸗ 
tember). Als ſolcher wies dieſer die Einmiſchung des Bundes- 
tages denn auch energiſch zurüd und gab feinen Erklärungen 
durch militärifhe Maßnahmen Nahdrud. Die Gegner blieben 
die Antwort nicht ſchuldig. Perfönlih ſchloſſen der Kaifer 
von Defterreih und die Könige von Bayern und Württemberg 
am 11. Oftober zu Bregenz ein Schuß: und Trugbünbnis, 
das 20000 Mann gegen Preußen ins Feld ftellte. 

Für diefes Bing alles von der Haltung ab, die Rußland 
einnehmen würde. Es zu gewinnen, ging Graf Brandenburg 
Mitte Oftober nah Warſchau, wo ber von Schwarzenberg be= 
gleitete Raifer von Defterreih mit dem Zaren zufammentreffen 
folte. Letzterer wollte vor allem das noch gegen bie Dänen 
fechtende Holftein entwaffnen, demnädft in der kurheſſiſchen 
die legte noch unbezwungene revolutionäre Bewegung in Deutfch- 
land nieberwerfen. Beides hoffte er durch Defterreih mit Hilfe 
des erneuten Bundestages zu erreichen und lehnte es baher ab, 
auf diefes zu Gunften ber von Preußen gemachten Vergleiche: 
vorſchlãäge einzuwirken, die wenigftens eine teilmeife Bundes: 
reform und bie Orbnung der holſteiniſchen und kurheſſiſchen 
Sade durch die beiden deutſchen Großmächte wollten. Seinem 
Unmwillen über Preußens Widerftreben gab er im gefliffentlich 
geringiägiger Behandlung Brandenburgs verlegenden Ausbrud. 
Auch waren ſchon bayriſche und öfterreihif—he Truppen unter 
Fürft von Thurn und Taris nah Heffen unterwegs. Die zur 
Verbindung feiner beiden Gebietshälften unentbehrlichen Etappen⸗ 
fragen zu fihern, ließ Preußen den General v. d. Gröben 
einrüden: er folte jene nötigenfalls gewaltfam hindern. Zum 


298 Viertes Buch. Revolution und Reaktion. 


Kriege jedoch wollte es der ar nicht kommen lafien, riet viel: 
mehr Schwarzenberg dringend zur Verfländigung. Was aber 
Brandenburg mit diefem am 28. Oftober vereinbarte, war ein 
voller Sieg Deſterreichs, kaum verhült durch einige formelle 
Zugeftändnifie an Preußen. Denn während er die Union 
preisgab und fi mit fehe fragmwürbigen Vertröflungen auf 
eine befjere Stellung Preußens im Bunde begnügte, die zu 
regeln von beiden Mächten gemeinfam zu berufenden freien 
Konferenzen der deutſchen Staaten vorbehalten blieb, Rimmte 
er dem Fortgange ber vom Bundestage eingeleiteten Mafregeln 
in Heſſen und gegen Holftein bei, verließ alfo den von Rado- 
wig als auswärtigem Minifter eben eingeſchlagenen Weg. 

In Berlin aber fand Brandenburg heimfehrend die Lage 
vielmehr friegerifh gewandelt. Am 29. Oftober war beſchloſſen, 
den Einmarſch der Bayern in Kurheſſen mit der Mobilmachung 
der ganzen Armee zu beantworten. Radowitz ſchien Sieger, 
die Camarilla, die mit den Geſandten Rußlands und Defters 
reiche, Budberg und Profefh, im Einverfländnis war, dem 
Srliegen nahe. Aber nod war nit mobil gemadt. Die 
Friedenspartei im Minifterium, nun dur Brandenburg ver- 
ſtärkt, fürchtete durch diefen Schritt dem Krieg unvermeidlich 
zu maden. Der König rang in taufend Zweifeln. Er ſchalt 
die unpreußifhe Art feiner Minifter, meinte aber dur bie 
Mobilmachung den Erfolg einer völlig friedlichen Politik erft 
recht zu ſichern. Er wollte „fh nur den Helm auffegen und 
das Schwert umgürten, aber Worte bes Friedens ſprechen“. 
Gegen weitere Unterhandlungen auf Grund der Warſchauer 
Abmahungen aber erhob Radomig mit Ladenberg und dem 
Handelsminifter v. d. Heydt Einſprache: er drang auf gewaffneten 
Widerftand gegen bie Bayern, volle Kriegsbereitihaft und Bes 
rufung der Kammern, um den Krieg zur Volksſache zu machen: 
ſonſt müſſe er zurüdtreten. Aber auch Brandenburg und Mans 
teuffel machten ihr Verbleiben im Amte von der Annahme ihres 
Programms abhängig. Noch am 1. November kam die Nach- 
richt, daß die Bayern die heſſiſche Grenze überfhritten und 
Hanau befegt hätten: gegen Brandenburgs Willen wurde 
Gröben nun angemwiefen, von Fulda nad Kaſſel vorzurüden. 


TIL. Die Entftehung der Berfaffung. 299 


Aber alebald ſchreckte der König wieder zurüd vor den Folgen 
ſolcher Energie. Dazu Fam feine krankhafte Furcht vor einem 
Minifterwechfel, wenn Brandenburg und Manteuffel zurüd: 
traten. Die Camarilla, die den preußiſchen Einmarſch in Heflen 
als „grobe Ungerechtigkeit“ verſchrie, ftürmte mit allen Mitteln 
auf ihn ein, um ihn von dem verhaßten Günftling zu trennen. 
Dem allen war der König nit gewachſen. So nahm er, 
nachdem er vergeblich verſucht hatte, auf feine Art zwiſchen 
den Gegenfägen zu vermitteln, ſchließlich feine Zuflucht wieder 
zu dem ihm einft von Gerlach angeratenen „Sich effazieren”, 
indem er fi} den ihm zu ſchweren Eöniglihen Pflichten ent- 
30g, aber auch feine königlichen Rechte aufgab. Das erklärt, 
was geſchah. 

In dem Minifterrat am 2. November fließen die Gegen- 
fäge hart aufeinander. Der König vertrat eine unbaltbare 
Mittelftelung: er wollte mobilifieren, aber au unterhandeln, 
Holftein fügen, aber zur Einftellung des Kampfes gegen die 
Dänen anhalten, in Hefien bleiben, aber bloß bie Etappen- 
ftraßen befegen, dagegen der Union entfagen und die milis 
täriſchen Maßnahmen für bloß defenfive erflären. Aber fo: 
wohl Radowig, zu dem ber Prinz von Preußen ftand, wie 
Brandenburg beharrten. Des Königs ſchließliche Entſcheidung 
aber war für beide gleich überrafchend: fie bewies nur von 
neuem feine Unfähigkeit, den Thatſachen in das Geficht zu fehen. 
Er hatte doch zu viel preußiſches Ehrgefühl, um nicht mit 
Radowitz, den er zubem recht eigentlich als „feinen“ Minifter 
anfah, zu ſympathifieren. Da aber, erklärte er, die Mehrheit 
— (gu Brandenburg und Manteuffel hielten die Minifter des 
Krieges, der Finanzen und Juſtiz, v. Stodhaufen, Rabe und 
Simons) — auf ihrer Anfiht beharre und er fi von ihr 
nit trennen wolle, lafje er ihr freie Hand und wunſche nur, 
daß fie ihren Beſchluß nie zu bereuen haben möge. Derjelbe 
ging dahin, daf der bayriſche Vormarſch in Heſſen ungehindert 
bleiben follte, wenn er die preußifhen Etappenftraßen nit 
gefährbete. Preußen beugte ſich dem Willen Oeſterreichs und 
Rußlands. Kaum hatte Brandenburg die betreffende Depeſche 
nad) Wien entworfen, als er ſchwer erkrankte. Noch ehe er fein 


300 Bierted Buch. Revolution und Reattion. 


Werk vollendet, ftarb er am 6. November, nach des den Zus 
fammenhang nod immer nicht begreifenden Königs Meinung 
aus Kummer über den ihm von Defterreich gefpielten Betrug 
und das Unrecht, das er Radowitz gethan haben follte, von 
der fiegreiden Reaktion alsbald als ihr Held gefeiert. Hier 
liegt der Urfprung der Vrandenburg-Legende (Bd. I, ©. 35). 

Radowitz fhied aus dem Minifterium. Die Trennung 
von dem ebenfo zärtlich geliebten wie bewunderten Freunde 
war für den König bei der ganzen Sade das Schmerzlichfte, 
und die Net, wie er dem in einem unklugerweife veröffentlichten 
Briefe an ihn Ausdrud gab, forderte die Kritik nur allzu 
ſehr heraus. Sonft machte er kaum ein Hehl aus ber Freude, 
die leidige Sache los zu fein, ohne, wie er meinte, für- bie 
Art ihrer Erledigung verantwortlich gemacht werden zu Fönnen. 
Wohl ging ihm die Schmad nahe, die für Preußen drohte: 
er ſchob fie feinen Miniftern zu und baute zugleich gegen fpäteres 
träftiges Handeln derfelben vor, indem er erflärte: „Kommen 
fie mir zu fpät mit der Mobilmachung, fo thue ich es nicht, 
dann untermerfe ich mich jedem Frieden, ſchon jegt if es zu 
fpät u. ſ. w.“ Die fi erneuende und verfhärfende Krifis fand 
ihn alfo bereits völlig entfchloffen. 

Die Leitung des Auswärtigen fiel proviſoriſch Manteuffel 
zu. Bon jeher ein Gegner der Union, war er bereit, den 
Frieden ſelbſt um einen noch höheren Preis zu erfaufen, als 
ihn Brandenburg hatte zahlen wollen. Doc ſchien ihm der 
Uebereifer der Gegner das unmöglih zu mahen. Während 
die Bayern fi in Heflen ausbreiteten, jammelte Deflerreich 
Truppen an ber Grenze, rüftete Sachſen und drohte Rußland, 
wenn Preußen Heffen nicht räumte, mit Krieg. Selbſt Frant- 
reich machte Miene, fi anzufchließen. Dem gegenüber bielt 
felbft Manteuffel Sicherheitsmaßregeln für geboten, ſchon um 
durch den Schein des Handelnwollens die Unruhe des Königs 
und die Entrüftung des Prinzen von Preußen zu beſchwichtigen. 
Am 6. November, während Brandenburg im Sterben lag, 
erging der Befehl zur Mobilmachung. Er fand im Lande 
jubelnden Wiederhal. Der König jelbft meinte den Geift 
von 1813 neu aufleben zu fehen und ſchien den verlorenen 


IN. Die Entftehung ber Verfaffung. 301 


Glauben an fein Volt wieberzugewinnen. Das drohte ben 
Leitern der großen politiſchen Intrigue das Konzept völlig zu 
verrüden. Für den äußerſten Fall freilich ftand ihre Hoffnung 
auf Rußland. Auch war es weſentlich Scheu vor diefem, was 
den König binderte, jenen Regungen nadzugeben, und als 
Defterreidh ben Beginn ber Konferenzen über die Bundesreform 
davon abhängig machte, daß zuvor Heflen geräumt und die 
Bundeserelution in Holftein zugelafien, auch die Union förm⸗ 
lich aufgelöft wäre, befahl er Gröben, den Vormarſch einzu: 
fielen und auf die Etappenftraße zurüdzugehen. Aber noch 
ehe das geſchah, Fam es am 8. November bei Bronzell zu 
einem Vorpoftengefecht, bei dem auf öſterreichiſcher Seite einige 
Jäger, auf preußiſcher ein Trompeterſchimmel verwundet 
wurden — das vielbejpottete einzige Blutvergießen in dieſem 
unrühmliden Scheinfeldzug, der nad Manteuffel freilih nur 
zur Erhaltung des Friedens, nicht in der Abficht eines Krieges 
unternommen war. Schleunigft bewilligte daher Manteuffel, 
als Prokeſch nun feine Päſſe forderte (9. November), Defler: 
reihe Forderungen und machte nur die Räumung Heſſens 
abhängig von beftimmten Zufagen über die Dauer und den 
Zwed der Bundeserefution und von ber Anerkennung des 
Rechts Preußens auf die dortigen Etappenftraßen. Diefe ftellte 
Oeſterreich zwar in Ausfiht, verlangte aber die Freigebung des 
Weges für die Erelutionstruppen nad) Kaflel, angeblich weil 
nur fo deren Verpflegung gefigert war. Die Einzelheiten dachte 
Manteuffel mit Schwarzenberg perfönlich zu ordnen. Da er: 
ging am 25. in aller Form ein öſterreichiſches Ultimatum, 
das die Deffnung ber Straßen auf Kaſſel bis zum 27. forderte, 
wibrigenfalls die Bundestruppen fie’ erzwingen würben. Das 
war ſchließlich alfo doc der Krieg, Auch der König ſchien 
endlich an der Grenze der Nachgiebigfeit angelangt: hatte er 
doch am 21. November bei der Eröffnung der Rammern er: 
Härt, Preußen habe in Heſſen ein gutes Recht zu verteidigen 
und werde bis zu feiner Anerkennung in Waffen bleiben, 
obgleich eine ſolche Ausficht ihn mit Entjegen erfüllte Mehr 
denn je offenbarte fi daher in diefem Wiberftreit feine 
Neigung, fih und amdere über die wahre Lage zu täuſchen, 


302 Vierte Buch. Revolution und Reaftion. 


bloß um der Notwendigfeit eines Entichlufies überhoben zu 
fein, für den er ſelbſt bie Verantwortung hätte auf fich nehmen 
müſſen. Seinen Miniftern wurde er nicht müde, zu erflären, 
daß er noch genau fo benfe, wie am 2. November, aljo mit 
der Minderheit für Beharren auf dem durch Radowitz ein= 
genommenen Stanbpunft jei, zugleich aber zu beteuern, er wolle 
feine ganze Autorität einfegen, um bie von der Mehrheit ge- 
wollte Löfung des Konflikts mit Deſterreich durch Nachgiebigkeit 
zu ermöglien. So widerſpruchsvollem Weſen gegenüber ver- 
zagte ſchließlich auch Manteuffel: gemeiniam mit Stodhaufen 
und Simons reihte er am 26. November früh feine Entlafiung 
ein. Der König wollte davon nichts hören: er befahl ihr 
Verbleiben im Amte und umterwarf fi) vollends ihrem doch 
niemals ernftlich befämpften Willen, froh, das innerlich flets 
erfehnte Ziel num doch noch zu erreichen, ohne, wie er meinte, 
vor der Welt dafür verantwortlich gemacht werben zu können. 

Nun hatte Manteuffel ſchon in einem früheren Minifterrat 
den Gedanken ausgeſprochen, jelbft in Wien die Verftändigung 
herbeizuführen, ohne daß der König ihn aufgenommen hatte. 
Jetzt Fam er mit Erfolg darauf zurüd: „als Weberbringer guter 
Botſchaft“ befahl ihm der König, zu Schwarzenberg zu eilen. 
Diefer freilich zeigte zunächſt feine rechte Luft, ihm die ge- 
wünfchte Zuſammenkunft zu bemilligen, und nur mit Mühe 
vermochte ihn der preußifche Gefandte, Graf Bernftorff, den 
Vorſchlag wenigftens zur Kenntnis feines Kaifers zu bringen 
und befjen Entſcheidung einzuholen. Diefer, der ebenfalls den 
Frieden wollte, befahl ihm, nicht bloß darauf einzugehen, 
fondern Manteuffel fogar bis nad Olmüg entgegenzureifen. 
Damit war bie Sade fo gut wie entſchieden. Denn in 
Preußen hatten nun die Männer des Friedens um jeden Preis 
das Heft in Händen, mochte auch der König, in feiner bis- 
berigen Rolle verharrend, ſich den Anſchein geben, als ob er 
bei mangelndem Entgegenfommen doch noch die Waffen zu 
ergreifen entjchlofjen fei. Er gab Manteuffel ein eigenhändiges 
Schreiben an feinen Faiferlihen Neffen mit, worin er als 
ber Aeltere, der drei Feldzüge und die größten Schlachten bes 
Jahrhunderts mitgemacht und daher wiſſe, was der Krieg ift, 


III. Die Entftefung der Berfaffung. 303 


dem Swanzigjährigen die Schwere der Verantwortung vorbielt, 
die er auf fi} laden würde, wenn er es trog Preußens Ver: 
föhnlichteit zum Kriege treiben würde: als Sieger werde er 
ein eifernes Volk finden, das, ein Herz und eine Seele mit 
feinem König, feinen Naden keiner Gewalt beuge. Er prie 
Manteuffel als das entfchievene Haupt ber Friebenspartei, 
deſſen Scheitern feine mit Krieg drängenden Gegner in Preußen 
zur Herrſchaft bringen werde. Er betont das unfäglich ſchwere 
Opfer, das dieſes durch den Verzicht auf die Unionsverfaflung 
gebracht Habe, und erwartet ala Gegenleiftung Nachgiebigkeit 
in Kurheſſen, wo er felbft ja nur frieblihe Waffen gebrauche 
und das Land und feine wirklich biederen, nur zum Heinen 
Teil verführten Heſſen zur Unterwerfung unter die landes⸗ 
herrliche Autorität zu beflimmen ſuche. Anderenfalls fei ein 
neuer Dreißigjähriger Krieg zu befürdten und vielleicht bie 
Einmifhung Frankreichs und Entehrung Deutſchlands durch 
diefen alten Exbfeind, gegen den fi gemeinfam zu wenden 
Deſterreichs und Preußens ſchönſter Beruf fei. Gleichzeitig 
aber wurde Manteuffel zu weiterer Nachgiebigkeit bevollmächtigt. 
Denn es war doch ein weiterer ſchwächlicher Rüdzug, wenn 
Preußen die Furheffiihe Frage jegt dadurch löſen wollte, daß 
es fi erbot, in dem Verfaſſungsſtreit zu vermitteln und fo 
die Bundeserefution gegenftandslos zu machen. Manteuffel 
aber ließ fi von Schwarzenberg, mit dem Meyendorf, der 
ruſſiſche Gefandte in Wien, erfhienen war, in den zweitägigen 
Verhandlungen noch viel weiter zurüdbrängen. Denn duch 
die am 29. November unterzeichnete Punktation erkannte 
Preußen den Bundestag als zu Necht beftehend an, zog feine 
Truppen bis auf ein Bataillon, das in Kafjel bleiben follte, 
aus Heflen zurüd und ließ feine Kommiſſäre gemeinſchaſtlich 
mit Öfterreihifchen in Holftein die Ordnung herftellen, das Land 
entwaffnen und ber Fremdherrſchaft ausliefern, geftattete auch 
den Öfterreihif_den Truppen dazu den Durchmarſch. Mit der 
beiberfeitigen Abrüftung madte es den Anfang. Troß des 
Widerſpruchs, den der Prinz von Preußen, Ladenberg und 
v. d. Heydt dagegen erhoben, wurbe diefes Abkommen in Berlin 
unverändert beftätigt. Der König nahm es wie felbftverftänd- 


304 Bierted Bud. Revolution und Reattion. 


lich Hin, obgleich eine vertrauliche Miſſion, mit der er Radowitz 
nad) England ſchidte, geeignet war, feiner angebli über ihn 
fiegreichen Minifter Altion noch im legten Augenblid zu burd: 
kreuzen, wenn man bort auf fein nur notbürftig verhülltes 
Berben um Hilfe einging. Das geſchah freilich nicht. Man: 
teuffel aber brachte das Geichehene unter dem Hohn ber ent- 
rüfteten öffentlichen Meinung und dem leidenſchaftlichen Tadel 
der eben nod von patriotifchen Hoffnungen und patriotiſcher 
DOpferfreubigkeit erfüllten Kammern, bie freilich nad feiner 
Anfiht die auswärtige Politit weder machen konnten noch 
durften, in die Formel: der Starfe tritt einen Schritt zurüd, 
ohne darum das Ziel aus dem Auge zu verlieren. Weitere 
unliebfame Verhandlungen machte er durch ſchleunige Ber: 
tagung ber Kammern unmöglid. 


IV. Reaktionäre Willkürherrſchaft. 
1851— 1858. 


Man hat das Olmüger Abkommen mit der Zwangslage 
Preußens entſchuldigen wollen. War es doch einen Krieg zu 
führen auch militärifch außer ftande, weil ein großer Teil ber 
Armee nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht mobil gemacht 
werben fonnte, da die Stämme fi in Baden oder ſonſt außer: 
halb ihrer Mobilifierungsbezirke befanden. Um fo größer ift 
die Verantwortung derer, die es in diefe Lage braten. An 
letzter Stelle trifft fie den König. Wiederum ſich ausſchließende 
Biele gleichzeitig verfolgend, trieb er auch hier ein gefährliches 
Spiel mit einander feindlichen Kräften, die im reiten Augen- 
blid zufammenzuzwingen jelbft ein flärferer Wille nicht ver: 
mocht hätte. So blieb er bei dem Widerftreit feiner politifchen 
Meberzeugung und feiner romantifhen Neigungen auch jetzt 
abhängig von anderen und handelte felbit in ben Momenten 
ſcheinbar perfönlicfter Entfchließung unter fremdem Einfluß. 

So fpielte fi aud in ben Ereigniffen, die fih an den 
Namen Olmüg Inüpfen, weniger eine hochpolitiſche Haupt- 
und Staatsaftion ab als eine höfifche Intrigue. Nicht politifche 
Prinzipien, fondern Höflingsfaftionen rangen miteinander um 
die Herrihaft über den König, Denn daß diefer Radowitz 
zuliebe einen Krieg führen würde, konnte im Ernft niemand 
erwarten. So weit reichte auch dieſes Herzenäfreundes Eins 
fluß nit. Beruhte er doch darin, daß er gewiſſe Lieblings- 
ibeen des Königs, dem er durch Gedanfenreihtum und geiftige 
Beweglichkeit imponierte, aufnahm und ihm jcheinbar fireng 
logiſch, fat mathematifch ausgeftaltet zurücbbrachte und jo mit 
dem Schein der Berechtigung und der Ausführbarkeit umgab — 


weshalb Bismard ihn als den „Garderobier der Phantafie des 
Bruß, Preußiſche Geſchichte. IV. 


306 Viertes Bud. Revolution und Reaftion. 


Königs” verfpottet hat. Das galt auch von dem Grund- 
gedanken feiner deutfchen Politil, von Deutfhland aus müſſe 
Preußen reftauriert werden. So war im November 1850 
weniger Rabowit als der König ber Befiegte, befiegt nicht durch 
Defterreih und Rußland, jondern durch die Gamarilla unter 
Gerlad, die Olmüg als ein Glück anſah, das zu erreichen fie 
vor feinem Mittel zurüdichredte, auch ſolchen nit, die dem 
Sandesverrat zum Verwechſeln ähnlich fahen. 

Der König freilich hielt ſich auch Defterreih gegenüber 
für den Sieger. Als Ladenberg wegen der Konjequenzen von 
Olmütz demiffionierte, wollte er ihn allen Exnfles überzeugen, 
von Drohungen Defterreichd ſei nicht die Rede, die militärifchen 
Vorgänge in Heffen feien „zur höchften Ridichl” der Bayern 
ausgefchlagen und die Konferenzen über die Bundesreform fänden 
„auf feinen Wink“ ftatt in Wien in Dresden flat. Er war 
mit dem ſchließlichen Ausgang ber Krifis eben ganz einver- 
ftanden. Gelegentlich freilih ging ihm doch die Erkenntnis 
auf, daß vielmehr er durch die Partei Gerlach befiegt fei. 
Auch rühmte fi diefe laut des Sieges und nahm das Ver- 
bienft in Anſpruch, Radowitz feit dem Mai 1848 Fonfequent 
befämpft und nicht bloß die Minifter, fondern auch den Zaren 
und ſelbſt Defterreih gegen ihn aufgehegt zu haben. hr 
frommes Haupt freilich befannte, der Sieg fei unverbient und 
„mur aus Gnade“ gewonnen und deshalb auch „in irbifcher, 
praktiſcher Hinficht gefährlich”, das Heißt unverbauli und 
unbenugbar bei ber Unfähigfeit der Sieger. Er madt ſich 
Vorwürfe darüber, daß er, anderer Anſicht als der König, 
nicht zurüdgetreten, fondern „aus eigener Machtvollkommenheit“ 
im Amte geblieben fei, konſtatiert aber doch mit Befriedigung, 
daß er, nun dem König gegenüber zu einer felbftändigen 
Stellung aufgeftiegen, endlich als eigene politiihe Macht und 
Parteihaupt anerkannt fei. Nur traut er dem Frieden nicht 
recht und fürdtet, fein fanguinifcher Bruder überfhäge bie 
Bedeutung des Sieges, wenn er bereits die Stellen „nad 
einem Syſtem“ vergeben wolle. Dann aber entwirft er ſelbſt 
ein Programm, nad dem gehandelt werben fole. Nicht 
Preußens Stellung in Deutihland und nit des legteren 


IV. Reaktionäre Willkürherrſchaft. 307 


Zukunft war in Olmütz entſchieden: mas ba augenblidlih 
verjehen war, hätte fih — wie Bismard treffend hervorhebt — 
durch geſchicktes und kraftvolles Auftreten in Dresden und im 
Notfall durch einen Krieg, zu dem man dann gerüftet fein 
Ionnte, gut machen laflen. Entſcheidend war Olmüg für das 
Innere Preußens. Endgültig entfagte der König jedem Paktieren 
mit der Revolution, das heißt ehrlicher Verftändigung mit 
dem Liberalismus, und unterwarf ſich der Reaktion, als beren 
Gefangener er aufmerffamen Beobachtern ſchon feit lange er- 
ſchienen war. Dadurch erft hörte Preußen auf, für Defterreih 
gefährlich zu fein, und wurbe durch eigene Schuld unfähig zur 
Erfülung feines deutſchen Berufs. 

Nicht in der Äußeren, in der inneren Politik wurde 
Dlmüg Preußens Verhängnis. Unter dem Zwange ber euro- 
päifhen Reaktion follte es deren Grunbfäge auch ba zur 
Herrſchaft bringen. So fah die Lage auch der Prinz von 
Preußen an, wenn er Manteuffel gegenüber ironiſch der Ver- 
wunberung barüber Ausbrud gab, daß in Olmüg nicht auch 
die Aufhebung der Verfaffung Preußen auferlegt worben fei, 
die ihm ſchon in Warſchau der Zar, Meyendorf und Schwarzen- 
berg in einem Atem anempfohlen hätten. In dieſer Hoffnung 
nahm die nun gebietende „Kleine, aber mächtige Partei” getroft 
die neuen Demütigungen bin, welche bie höchft ungenaue Aus- 
führung der Olmüger Punktation für Preußen ergab. In 
Dresden, wo der diplomatiſch ungefehulte Bureaukrat Manteuffel 
neben dem wie ein Triumphator auftretenden Fürften Schwarzen- 
berg eine traurige Rolle fpielte, wurde der Bundestag unver- 
ändert hergeſtellt. Schleswig und Holftein überantworteten 
preußiſche und öfterreihifhe Kommiffäre den Dänen, und 
unter Zuftimmung Preußens ordnete ein zweites Londoner 
Protokoll die Erbfolge gegen das Landesrecht. Preußen fah 
nicht bloß ruhig zu, wie in Kurheſſen öſterreichiſche und 
bayrifhe Bajonette das Haflenpflugiche Regiment berftellten: 
& unterftügte es moralifh, indem es bie Oppofition zur Füg- 
famteit mahnte. Manteuffel aber gab bie tapferen Männer, 
die bei der Verteidigung ihres Landesrechts bie Schranken der 
Geſetzlichkeit einzuhalten und Gewalt zu vermeiden gefucht 


308 Vierte Buch, Revolution und Reaktion. 


hatten, als „Revolutionäre in Schlaftod und Pantoffeln“ dem 
Gelächter feiner Gefinnungsgenoflen preis. 

„Es ſoll entſchieden mit der Revolution gebrochen werben,“ 
verkündete er am 8. Januar 1851 in der zweiten Rammer bei 
der Verteidigung der Politit von Olmütz als das Prinzip der 
Regierung und erntete dafür des Königs befonderen Beifall 
und das Lob der Kreuggeitung. Genügt freilih war beren 
Leitern damit um jo weniger, als fie ihm weder die anfäng- 
liche Mitarbeit an dem Erfurter Werke, fo ungern und eigent- 
lich nur zum Schein er fie geleiftet hatte (S. 291), vergeffen 
hatten, noch für die Zukunft recht trauten, zumal er die als 
oppofitionel verſchrieenen höheren Beamten nicht fofort be 
feitigte. Ja, weil er den Entwurf ber Kreis: und Gemeinde 
orbnung ber Verfafiung entſprechend geftaltete, rechneten fie 
ihm nicht mehr zur Camarilla. Almählich aber befferte ſich 
das Verhältnis, zumal ein Erjag für ihn kaum zu befchaffen 
war. Auch wurden bie „oppofitionellen” SOberpräfidenten 
ſchließlich doch befeitigt, troß des Widerſpruchs bes Prinzen 
von Preußen felbft v. Auerswald, und bald konnte Gerlach 
die Ernennung eines Kleiſt-Retzow für die Aheinprovinz und 
Puttkamer für Pofen als „Großthaten“ verkünden. Damit 
ftieg die Hoffnung auf Erreichung der ihm vorſchwebenden Biele. 
Nicht die Verfaſſung allein follte falen, fondern mit ihr die 
ganze „auflöfende” Gefeggebung der Jahre 1807—20, bie an 
ber Verſchuldung des Grunbbefiges ſchuld fein und Preußen 
wirtfhaftlih zu jedem Kriege unfähig gemacht haben follte. 
Es galt demnach nicht bloß die Herftellung des vormärzlichen 
Zuftandes, fondern deffen, was die Herren im vertrauten 
Kreife nad) Hallerſcher Art falbungsvoll als die von Gott 
gewollte Orbnung priefen. Danach durfte jet nicht mehr 
bie Rebe fein von einer Einheit des Volles gegenüber dem 
König und der Möglichkeit, daß es als ſolches Rechtsſubjekt 
fein, Freiheiten befigen könnte. Denn nur Gott ihrem Schöpfer 
und Erlöfer gegenüber fei bie gefalene Menſchheit als Einheit 
zu denken: ihrer Obrigfeit gegenüber fei fie weſentlich gebrochen 
und gefpalten. „Der König ift von Gottes Gnaben Obrigkeit 
zur Bändigung bes Fleiſches; ebenfo ift der Gutaherr, ber 


IV. Reattionäre Willkürherrſchaft. 309 


Vater u. f. w. königlichen Rechtens von Gottes Gnaben, aber 
niemals ift bas die Einheit bes Volkes, die weientlih un- 
organisch und uneinheitlich ift, bis daß fie im König bie Ein- 
heit gefunden hat.” 

Von ſolchen Sägen ausgehend und im Hinbli auf ſolche 
Ziele entwidelt Gerlad fein Programm für Preußens innere 
und äußere Politit. Boran fteht die Befiegung der Revolution 
in Deutſchland. Dazu fordert er eine Militärherrſchaft über 
ben Bund, befiniert aber in demfelben Atem beutfche Freiheit 
als Freiheit der Fürfien der Sentralgewalt gegenüber. Dann 
fol die Reftauration in Neuenburg und in Frankreich folgen. 
Im Innern gilt es einmal dem „abfterbenden, impotenten, 
toten Konftitutionalismus” die ſtändiſche Monarchie zu fub- 
ftitutieren, die Kirche aber auf bie Konfeffion zu gründen. 
Wenn einzelne feiner Parteigenofien meinten, man müffe fi) 
auch der materiellen Intereſſen der niederen Stände annehmen 
und die Bauern aus ben Händen ber Juden und Wucherer 
emanzipieren, ſo erflärte unter fpöttiihem Hinweis auf 
Heinrich IV. von Frankreich Gerlach es für thöriht, die Armen 
reich machen zu wollen, pries dagegen als et ſtaatsmänniſch 
die Forderung, die Reaktion dürfe nicht auf ber ſchiefen Ebene 
ftehen bleiben, jondern müſſe die Freiheit berftellen, 3. 8. 
die Freiheit Erbpachten zu fließen, beftändige Reallaften 
aufzulegen, Jagden auf fremdem Grund und Boden zu er- 
werben und anderes mehr. Um gründlich und konſequent zu 
verfahren, müſſe man auch Hand anlegen an das Korporationg- 
tet, die Innungen, das Recht ber Städte, fih Statuten 
zu geben und „gewiflermaßen die Handelsfreiheit und vieles 
andere nodj“. 

rRadikaler konnte man freilich nicht vorgehen. Nur waren 
folhe Ziele nicht geraden Weges zu erreichen. Die Vorftufe 
war bie flänbifhe Monardjie. Daher jollte an das 1823 
Begonnene angelnüpft werben, um ben Konftitutionalismus 
mit einer ftändifhen Grundlage zu unterbauen und „in feiner 
jegigen Form langweilig zu machen“: denn „er muß abtrodnen, 
aber nicht abgefänitten werden“. Dazu die Rammern all⸗ 
mählih in die Stände aufgehen zu laſſen, jollten nicht die 


310 Vierted Bud. Revolution und Reaktion. 


BVrovinziallandtage, die auch zum Konftitutionalismus neigten, 
fondern die Kreis und Kommunalftände zu möglichſter Be— 
deutung erhoben werben. Am liebften freilich hätte biefer 
Voltsbeglüder gejehen, die Abgeorbneten wären vom König 
ernannt und durch die Wahlmänner nur beftätigt, ober e& 
wäre ein dem bei den DOffizierswahlen üblichen ähnliches Ver— 
fahren eingeführt worden. Daß Manteuffel fchließlich auf dieſe 
ſtändiſchen Pläne einging, galt ihm als erfreulicher Beweis 
von Mut und der erfte ernfte Schritt zur Befeitigung ber 
Verfaſſung. Denn obgleich die auf diefer beruhende Provinzial» 
ordnung vom 11. März 1850 alle älteren Gejege über Kreis: 
und Provinzialftände aufgehoben hatte, wurden 1851 dennoch 
die Provinziallandtage einberufen und verhandelten, als ob fie 
noch zu Recht beftänden, mochten auch etliche Städte die Wahlen 
dazu verweigern und andere förmlich proteftieren, anderwärts 
die Gemwählten die Annahme bes Mandates als ungeſetzlich 
und fogar einige Standesherren ihr Erſcheinen als unberedtigt 
ablehnen. Jeſuitiſch deutete man jetzt des Königs Wort in 
der Nebe vom 6. Februar 1850, die um ihn Berfammelten 
und die Landtage nad ihnen (S. 287) müßten ihm helfen 
gegen die, welche die Verfafjung an die Stelle der göttlichen 
Vorſehung jegen wollten, auf die Provinziallandtage, und der 
märfifhe dankte dem König ausdrücklich dafür, daß er durch 
feine Berufung jene angebliche Zuſage eingelöft habe. Die 
dort dominierenden Junker verftanden, wozu fie berufen waren, 
und brannten vor Eifer, die Totengräber der Verfaflung zu 
werben. 

Wenn mohlmeinende Beurteiler die Anfiht vertreten 
haben, im Grunde ſei der König, den fie ala Gefangenen ber 
Reaktion barftelen, mit alledem doch nicht einverftanden ge- 
wejen und habe fih nur dem von der Gamarilla auf ihn 
geübten Zwange gebeugt, fo ift biefe den Thatſachen und feiner 
fonftigen Haltung gegenüber nicht erweisbar. Vielmehr war 
die Berfaffung loszuwerden auch fein fehnlichfter Wunſch. Nur 
jollte dabei Fein Buchftabe von ihr gebrochen werden! Deshalb 
verwarf er auch ben Gedanken an ihre Revifion durch ben 
Staatsrat. Vielmehr follten die Minifter, die ihn zu dem 


IV. Reaftionäre Willfücherrfgaft. 311 


Eid darauf genötigt hätten, ihn auch von ihr befreien, damit 
fie nicht ferner „wie ein Kabaver” erhalten werben müſſe. 
Denn in dieſem „Wiſch“ ſah er das Unglüd Preußens: folange 
es eriftiere, werbe er alles Gute hindern. Trogdem zog er fi 
wieder auf die Politik des „Sich effazierens” (S. 255) zurüd. 
Selbſt verbefiern wollte er die Verfaffung nit, wohl aber 
Verbefjerungen genehmigen, um bie man ihn bitte, auch fie 
ganz befeitigen, wenn man ihn darum erſuche. Dann mollte 
er einen „Freibrief“ geben, der mehr Freiheiten enthalten 
ſollte als fie, und zur Wahrheit machen, was er immer gewollt, 
„freie Könige und freie Völker“. Auch er ſah daher in der 
ſtändiſchen Monarchie nur ein Durchgangsſtadium. Doc) jchien 
man davon abjehen zu können, als am 22, Mai 1850 ein 
geiftesfranfer entlafjener Garbeartillerift Sefeloge ein, Attentat 
gegen ben König ausführte und ihn leicht am Arm verwundete. 
Obgleich die That jedes politifchen Charakters entbehrte und 
jelbft der Spürfinn des Aſſeſſors Stieber, den der König mit 
dem befonderen Auftrag, das Geheimnis der Flucht Kinkels 
aus Spandau zu enträtfeln, dem Polizeipräfidenten v. Hinckeldey 
als Chef der politifhen Polizei förmlich aufgenötigt hatte, 
und ber feine bemagogifche Vergangenheit durch eine ent: 
ſprechende Großthat vergefien zu machen brannte, ein Komplott 
nit erweifen konnte, fuchte man doch fie politifch zu ver- 
werten. Der traurige Zuftand des Landes wurde dafür ver- 
antwortlid gemacht. Jetzt fei es Zeit, meinte ber König, daß 
die Minifter die Verfaſſung verlegten und es gerade heraus- 
fagten: man müfle zeigen, daß es im Lande Dinge gebe, die 
doch noch höher ftänden als die Verfaſſung. Habe die Minifter- 
verantwortlickeit überhaupt Sinn, jo müffe fie angefihts des 
blutenden Königs in Kraft treten. Es wurde Manteuffel ſchwer 
verdacht, daß er ſolche Zumutungen ablehnte und mit feinem 
Nüctritt drohte. Aufgegeben aber war die Sache damit noch 
nit. Drang doch der Zar darauf, daß ber König bie Ver- 
faffung zurüdziehe als unvereinbar mit dem Wohl feines 
Volles. Der Armee fei er ſicher und im Notfall ruſſiſcher 
Hilfe gewiß. Sonft fei der Zuſammenbruch Preußens unab- 
wendbar: bann freilich fei er bereit, es mit Gottes Hilfe 


312 Vierted Bud. Revolution und Reaktion. 


wieder aufzurichten, jo wie es Friedrich Wilhelm III. Hinter- 
laſſen. Er wollte an ber Grenze erſcheinen, eine preußifche 
Standarte aufftellen und alle alten treuen Preußen um biefe 
jammeln. Manteuffel fand ihn noch bei einem Beſuch zu 
Warſchau im Frühjahr 1851, wie er ſcherzend an Bismard 
berichtet, wie ein Ichneumon gegen die NKrofobilseier bes 
Konftitutionalismus, überzeugte ihn aber doch, daß dieſes ſich 
ſelbſt abfpielende Syftem durch gewaltfame Angriffe nur die 
ihm fonft fehlende Kraft erhalten könne. So geihah jchließ- 
lich nichts, aber nicht ohne Neid ſprachen im September 1851 
der König und Manteuffel dem Kaifer von Defterreih und 
Schwarzenberg ihre Glücwunſche aus zu der ohne Widerftand 
vollzogenen Aufhebung der öfterreichifchen Verfaſſung. 

Man ſelbſt kam namentlich deshalb nicht fo weit, weil 
der König und bie Camarilla fo wenig wie das Minifterium 
und bie feubale Partei in fih und untereinander einig waren. 
Des erften unberechenbare Launenhaftigkeit, bie, nicht immer 
krankhaft, gelegentlich wohlberechnet beftimmten Abſichten dienen 
follte, erſchwerte die Gefhäftsführung aufs äußerfte. Ihn in 
der gleihen Richtung zu erhalten, war faft unmöglid. Den 
Rabinettsrat Markus Niebuhr und Gerlah, die den Verkehr 
zwiſchen ihm und den Miniftern zumeift vermittelten, brachte 
er faft zur Verzweiflung durch feine Unluft zu einem Entſchluß 
und bie Plöglichfeit, womit er einen ihm endlich abgerungenen 
wieber fallen ließ. Der fromme Soldat freilid ſah auch darin 
nur eine geredhte Strafe feiner Sünden. „Es hat immer 
wunderliche Herren gegeben,” tröftete er fi, „und wirb immer 
welche geben, und es ift eben Gottes Wille, daß er uns zur 
Bändigung des Fleiſches von ſchwachen jündigen Menſchen 
regieren läßt.“ Gelegentlich aber, 5. B. bei dem eigenfinnigen 
Beharren bes Königs auf ber von jenem nicht gebilligten 
Umgeftaltung ber erften Kammer ober wenn Gerlach in feiner 
Ehrlichkeit des Königs gefliffentlih verhüllte wahre Meinung 
anderen offen ausſprach, gerieten fie heftig aneinander, freilich 
nur, um, einander unentbehrlich, ſich ſchnell wieder zu ver- 
föhnen. Mit Wiſſen nicht bloß, auch im Auftrage des Königs 
griff Gerlah über den Kopf und Hinter dem Rüden ber 


IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 313 


Minifter in den Gang der Geſchäfte ein und unterhielt fogar 
mit den auswärtigen Mächten einen jenen unbefannten Brief- 
wechſel. Denn mit dem Minifterium, namentlih Manteuffel, 
waren beide feineswegs immer einverftanden. Des Königs 
Verkehr mit demfelden durchmaß alle Formen, von enthufiafti- 
ſchen Beifald- und Vertrauensbezeugungen bis zu unwürdigem 
Scelten und Schimpfen. Im Gefühl feiner Unentbehrlickeit 
kam ber eine, aus Scheu vor ben Schreden eines Minifter- 
wechſels der andere über ſolche Krifen hinweg, bie bei größerer 
Selbſtachtung beider bald hätten zum Brude führen müſſen. 
Bei Manteuffel beflagte Gerlah bald abfolutiftifhe Gelüfte, 
bald ſchwächliche Nachgiebigkeit gegen ben Konftitutionalismus. 
Auch den König beunruhigten gelegentlich feine angeblichen 
Staatsftreichpläne. Hätte er doch Stellung nehmen müffen 
und wäre ins Gebränge geraten zwifchen feiner Scheu vor 
energifhem Handeln und den geheimften Wünfchen feines 
Herzens. Hätte fih dergleichen ohne fein Zuthun durchführen 
laffen und er bloß bie reife Frucht Hinzunehmen gehabt: fofort 
hätte er zugegriffen. 

So gut aber wurde es ihm nit. Wohl empfahlen in 
feiner Umgebung mande Stimmen das Beiſpiel Napoleon 
Bonapartes und Franz Joſephs nachzuahmen, obgleich bei dem 
im ganzen der Regierung günftigen Gange der Verhandlungen 
in ben Kammern und der Geduld, womit der gejeglihe Sinn 
des Volles die wachſende Beamtenwilllür hinnahm, jeder 
Vorwand dazu fehlte Doch wies der König den Plan nicht 
einfach ab. Er fragte Bunfen um Rat, der ihn nahbrüdlichft 
vor einer folden Schädigung feines Seelenheild warnte. Das 
nannten die thatenluftigen Herren der Camarilla „Liberales 
Geihwäg“ und fegten ihm in einer für den König fehr ver- 
führerifchen Debuktion die Behauptung entgegen, einen fünb- 
haften Eid zu brechen, fei tugenbhafter als ihn zu Halten, und 
fragten, ob Herodes etwa gefündigt haben würde, wenn er 
der Herodias den eidlich verſprochenen Kopf des Täufers vor- 
enthalten hätte. Erſt ein Mann von ebenfo ftreng reaftionärer 
Gefinnung, wie unbeirrbarem evangeliſch fittlihem Urteil, der 
Oberpräfident von Sachſen, v. Senfft:Piljah, machte diefen 


314 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


gewiflenlofen Treibereien ein, Ende, indem er den König be 
ſchwor, fi) durch) fein frommes Sophisma von dem Wege ber 
Chre und Treue ablenfen zu lafien, benn nie werde das be 
dächtige und Fräftige norbbeutfche Volk einen Eidbruch feines 
Königs verwinden und verzeihen. 

So blieb es dabei, daß bie Verfafiung nicht direkt be- 
feitigt, aber auf verfafjungsmäßigem Wege unwirkjam gemacht 
werben ſollte. Als erfien Schritt dazu begrüßte Gerlach bie 
Vermerfung des Gefeges über die Miniflerverantwortlichkeit, 
die dem Konftitutionalismus „die Spige abbreche“. Weiter 
kommen ließ fi mit ben wirklichen ober angeblichen Lüden 
der Verfaflung, deren eine folhe nad Gerlah nie genug 
haben fonnte. Der Träger ber damit vorgezeichneten inneren 
Politik aber wurde weniger Manteuffel felbft als fein Nad- 
folger im Minifterium des Innern, v. Weftphalen. Er erfreute 
ſich daher auch der bejonderen Gunft der Camarilla, die ihm 
und feinem Kollegen vom Kultus, Karl v. Raumer, bald nad 
rühmte, daß fie wirklich etwas zu ftande gebracht hätten. 
Bon ihm flammt jene kunſtreiche Verfafjungs: und Gefeges- 
interpretation, bie den Maren Wortlaut entweder wegdeutete 
ober in fein Gegenteil verkehrte. Da die unteren Inftanzen 
feines Refiorts darin Hinter ihm nicht zurüdbleiben wollten, 
entftand bald eine befonbere Regierungslogik, die fi mit nie 
verfagender Geſchmeidigkeit immer dem gerade zu erreichenden 
abminiftrativen Zwed anpaßte. Durd die Fiktion, die in dem 
I. Titel der Verfaffung verfündeten Rechte der Preußen feien 
nur theoretiih gemeint und erft durch ſpäter zu erlaflende 
Spezialgefege praktiſch durchzuführen, wurden bie wichtigften 
liberalen Verfaffungsbeftimmungen faktiſch aufgehoben, wie die 
Gleichheit vor dem Gefege, Befeitigung der Standesnorredhte, 
die Freiheit bes religiöfen Bekenntniſſes und die Bildung neuer 
Religionsgeſellſchaften mit öffentlicher Religionsübung , bie 
Aufhebung ber gutsherrlihen Polizei und anderes mehr, und 
damit der Weg geöffnet für eine dem Geifte der Verfaflung 
zumiberlaufende reaftionäre Gefeggebung, der eine zunächſt an 
fein Gefeß gebundene Verwaltungswilllür planmäßig vor 
arbeitete. Gegen liberale Einrichtungen und Perfonen galt 


IV. Reaftionäre Wilfürherrichaft. 315 


alles für erlaubt: für fie gab es bald fein Recht und fein 
Gefeg mehr, wenn, was die herrſchende Partei als Recht des 
Staates oder als zu deſſen Wohlfahrt erforderlich bezeichnete, 
durchgeführt werben foltee Je niedriger das ausführende 
Organ war, um fo rüdfichtslofer verfuhr es in dem ftolzen 
Bewußtſein, fih um das Königtum verdient zu machen und 
ein Recht auf befonderen Dank zu erwerben. Darin lag das 
Demoralifierende biefer „Raatsrettenden Anarchie“. Das ehren- 
werte preußifhe Beamtentum wurde mit ben bebenklicäften 
Elementen durchſetzt, und um nicht in ihrem Fortkommen 
gefhädigt oder gar verfolgt zu werben, verzichteten manche 
bald auf Widerftand und beugten ſich Dem herrſchenden Syſtem. 
Auch in den bürgerlichen Kreifen griff diefe politiſche Entfitt- 
lichung um fih. Der Gemwerbtreibende und ber Kaufmann 
hüteten fi, das Mißfallen der Reaktion zu erregen, deren 
Diener ihm in Heinen und großen Dingen ſchaden konnten. 
Der einftige Präfident der Nationalverfammlung, v. Unruh 
(S. 271), mußte ſchließlich Preußen verlaflen, weil um feinet- 
willen die Regierung ben von ihm geleiteten großen techniſchen 
Unternehmungen alle mögliden Schwierigfeiten bereitete und 
das Gebeihen unmöglid machte. Und das war nit ber 
einzige Vorgang der Art. Auch die geſellſchaftliche Aechtung 
liberaler Perſönlichkeiten durch das jervile Beamtentum und 
die ihm nadeifernden Kreife war Feine feltene Erſcheinung. 
Bemühten fi doch weite Kreife, ihre gute Gefinnung recht 
augenfälig zu bethätigen. Dazu boten bie über das ganze 
Land verzweigten „Preußenvereine“ und ber ähnlich geartete 
„Treubund“ reichlich Gelegenheit. Dieſe waren nicht fchleht- 
weg minifteriel. So fehr fie vielmehr den preußiſchen Patriotis- 
mus und bie Königstreue gepachtet zu haben glaubten, empfingen 
fie doch ihre Parole zumeift von der mit Manteuffel gelegent- 
lich bitter hadernden Kreugzeitung, die als Organ ber feubalen 
Partei nun unter ber Redaktion Wageners eine Macht wurde, mit 
der Regierung und Camarilla reinen mußten. Der Prefrieg, 
den Ryno Quehl, ein Mann von dunkler Vergangenheit und 
in den Märztagen als Demagoge kompromittiert, dann ein 
befonbers bienftbeflifienes Werkzeug der Reaktion und als 


316 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


Neferent der Zentralitelle für Preßangelegenheiten einer ber 
einflußreichften Gehilfen Manteuffels, gelegentlih gegen fie 
führte, fegte mit der feudalen Partei Hof und Regierung in 
Atem und wurde ala ſchwere Gefahr für die gemeinfame Sache 
durch einflußreihe Perſonlichkeiten faft diplomatiſch beglichen, 
jo daß Duehl ſich wieder ganz feiner Hauptaufgabe widmen 
konnte, der jeder Art von Polizeiwillfür preisgegebenen liberalen 
Preſſe das Dafein möglichſt zu erſchweren. Denn wie in ber 
Wahl ihrer Werkzeuge, jo war die herrſchende Partei jfrupelfrei 
au in der ihrer Mittel. Die Polizei war allmächtig. Ver 
geblih warnte der Prinz von Preußen Manteuffel davor, 
gegen bie au von ihm gefürchteten Demokraten und Super 
Eonftitutionellen „nur Polizeiſtaatliches wirken zu laſſen“; man 
müfje auch Vertrauen zum Volke zeigen und nicht Deſterreich das 
Odium feines neuen Polizeiftaates auch auf Preußen werfen 
laſſen; natürlich machte er damit feinen Eindrud. Namentlich 
in Berlin jelbft führte Polizeipräfident v. Hindeldey, der nad 
dem Urteil eines Manteuffeljden Vertrauten ohne politifches 
Prinzip, nur fein eigenes Ich im Auge hatte, ein Willfür- 
regiment, das ſich feiner Gefeglofigfeit gelegentlich rühmte. 
Niemand war davor ſicher und jein oft von ſchmutzigen 
Subjeften bedientes Spionierfyftem ftellte nicht bloß Minifter 
und Generale, fondern felbft den Thronerben, ber ber herrichen- 
den Partei fchon wegen feiner Verbindung mit dem um bas 
„Preußiſche Wochenblatt” gefammelten, ſorgſam polizeilich 
beobachteten Kreife von hohen Beamten höchft verdächtig war, 
unter geheime Auffiht, ja, ſetzte ſich mit Hilfe beſtochener 
Diener und Subalternbeamten in den Befig ihrer Korreſpondenz 
und Tagebücher. Denn den Häuptern der Camarilla traute 
Manteuffel jo wenig, wie fie ihm. Ein Diebftahl der Art, 
ber zwar nicht im Auftrage, aber doch im Intereſſe Manteuffels 
verübt war und einen erjchredenden Einblid in bie fittliche 
Verkommenheit der herrſchenden Polizeiwirtfchaft eröffnete, 
wirbelte zwar gewaltigen Staub auf, hatte aber ſchließlich 
feine weiteren Folgen. Hincdeldey insbeſondere blieb fo feit 
in ber Gunft des Königs, daß er ſelbſt der Gamarilla unbequem 
murbe. Weberhaupt wurde biefer die Erfahrung nicht erfpart, 


IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 317 


die Cliquen ber Art gewöhnlich machen. Ihren Einfluß zu 
behaupten, Fönnen fie ber Bundesgenoſſenſchaft untergeorbneter 
Perſonen nicht entbehren und müfjen nicht felten ſchließlich 
die Gewalt mit diefen teilen. So jah auch biefe eine niedriger 
ftehende, bald aber beforglich einflußreihe jüngere Camarilla 
auffommen, bie den Geheimrat Sägert, den Kämmerer 
Schöning mit Stieber (S. 285) und andere unter Hindeldey 
als Haupt vereinigte. Des letzteren Geltung bei dem König 
wurde felbft dem Minifter Weftphalen unbequem. Aehnlich 
wie Rabowig griff er einzelne von den dem König befonders 
am Herzen liegenden Gedanken auf, um fie ausführbar zu 
geftalten, das Verdienft darum aber ſchmeichelnd jenem einzu= 
räumen. Das Ziel feines Chrgeizes war die Stellung eines 
Generalpolizeidireltors, um das in Berlin durchgeführte polizei- 
liche Willtürregiment in ganz Preußen zur Herrſchaft zu bringen. 
An Nahahmern fehlte es ihm ohnehin nicht, wie z. B. in 
Königsberg der Polizeidirektor Peters im Bunde mit dem 
General v. Plehwe und unterftügt von dem übelberufenen 
Emil Lindenberg, einem vielfach beftraften, aber immer be- 
gnadigten Subjeft, das bei dem berüchtigten Briefbiebftahl 
eine Rolle gefpielt hatte, jahrelang eine förmliche Schredens- 
herrſchaft führte. Schlieglid aber zog ſich Hindeldey durch die 
Art, wie er im Interefje Manteuffels auch die gelegentlich 
ſcharf oppofitionelle Kreuzzeitung mißhandelte, Die Todfeindſchaft 
der Junker zu. Als er dann gar, einer vertraulichen Weifung 
des Königs folgend, gegen die hochadligen Spielhöllen einſchritt 
und, beshalb zur Rede geftellt, aus Rüdfiht auf den König 
es unterließ, fi durch ben ihm gewordenen Befehl zu beden, 
wurde er von Herrn Hans v. Rochow⸗Pleſſow am 10. März 1856 
im Duell erſchoſſen — ein Vorgang, der auf ben fi mit: 
ſchuldig fühlenden König einen tiefen Eindrud machte und 
feine wohl ſchon begonnene geiftige Erkrankung befchleunigte. 
Die Art aber, wie Rochow, vom König begnadigt, von feiner 
Partei wie ein Held gefeiert wurde, zeigte auch dem Kurz- 
fitigften, wie tief krank der Staat war, in dem eine Partei, 
weil fie der Regierung unentbehrli war, fi mehr noch wie 
diefe ſelbſt ungeftraft über Recht und Geſetz hinwegſetzen durfte. 


318 Vierted Bud. Revolution und Reaftion. 


In welchem Lichte erfchien dem gegenüber das von beiden 
ihren politifhen Gegnern gegenüber beliebte Verfahren. Die 
politiſchen Prozeſſe riffen nit ab, und wenn man — wie 
das bei dem gegen die 42 Steuerverweigerer (S. 273) an» 
geftrengten ber Fall war —, damit nicht durchdrang, wurde 
gegen bie irgendwie Beamteten das bes Erfolges ftets fichere 
Disziplinarverfahren angewandt. Der Appellationsgerichts- 
bireftor Temme wurde vom Geriht als Steuervermeigerer 
freigeſprochen, durch lekteres aus dem Staatsdienft entfernt 
unter Verluft aller durch 33 Dienftjahre erworbenen Rechte. 
Unabhängige Leute aber wurden wirtfhaftlich oder wenigftens 
in ihrer geſellſchaftlichen Stellung möglichſt gefhädigt. Unter 
diefen Verhältniffen gedieh das Denunziantentum zu furchtbarer 
Blüte. Die Lorbeeren Ohms (S. 283) ließen einzelne Streber 
nicht ſchlafen. War feine Verfhwörung zu entdeden, fo ftifteten 
fie eine, um bie von ihnen Perleiteten dann den Gerichten 
zu überliefern. Der Prozeß Labendorf gab dafür ein er- 
ſchreckendes Beiſpiel Wie ſehr fih aber auch manche Gerichte 
ber herrſchenden Reaktion anzupaſſen bemüht waren, ſollte der 
Oberbürgermeiſter Ziegler und andere mehr erfahren. Selbſt 
der Armee blieb dieſes Treiben verführender Spione und 
Denunzianten nicht fern. Gewiſſe Leute beargwöhnten deren 
Liebe zu dem Prinzen von Preußen, der zwar eine Konſtitution 
auch noch als „Farce“ anſah, ſich aber offen als Gegner des 
herrſchenden Syftems befannte, und deshalb ſamt feiner Ge- 
mahlin am Hofe vielfach verdächtigt und angefeindet wurde. 
Er hielt auch zu dem Kreife einfihtiger Edelleute und hoher 
Beamten, die um der Zukunft Preußens willen dieſe Reaktion 
mißbilligten und der von den Gerlachs infpirierten Kreuzzeitung 
das „Preußiiche Wochenblatt” entgegenftellten. Daß ber Prinz 
im Frühjahr 1851 mit feinem Sohne zur Weltausftelung nad 
London ging, beunruhigte die Neaktionäre jo fehr, daß 
Manteuffel die Reife zu hintertreiben fuchte, indem er durch 
den Hinweis auf bie von ben bort verfammelten „verruchten 
Menſchen“ drohenden Gefahren an die Furt des Prinzen 
appellierte. Und nun berief der König gar im Herbſt 1852 
Radowitz an die Spige des Militärbildungsweiens und fo 


IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 319 


wieber in feine Nähe. Doc wagte Manteuffel nit, wie man 
ihm riet, feine Entfernung durch Stellung der Kabinettsfrage 
zu erzwingen, obgleich jener nicht bloß an feiner deutſchen 
Politik fefthielt, durch die er einft ein hergeftelltes deutſches 
Raifertum mit preußifcher Spite, Elſaß zurüdgemonnen und 
Frankreich, auf feine wirklichen natürlichen Grenzen beſchränkt, 
unſchädlich gemacht zu fehen erwartete, ſondern auch den König 
zu überzeugen ſuchte, eine Konftitution fei ber befte Schug 
fowohl bei revolutionären Erſchütterungen mie bei großen 
äußeren Gefahren. 

Der Tod Nabowig’ (25. Dezember 1853) befreite feine 
Gegner von weiterer Sorge. Ihr Vorhaben, die Verfaflung 
direft zu befeitigen, hatten fie bereits aufgegeben, da Weft- 
phalens Methode, fie durch fie ſelbſt unwirkſam zu machen, 
fih durchaus bewährte. Sogar der Generalabjutant jah mit 
Befriedigung, wie gut die Kammern zur allmählihen Her- 
ſtellung einer ſtändiſchen Monarchie zu brauchen waren. Eilten 
fie babei doch gelegentlich ſelbſt dem Minifterium zu fehr, und 
die Camarilla wünfdte, auch der König möchte fi bei und 
mit ihnen für bie Neftitution des preußiſchen Staates begeiftern. 
Bitter klagte fie, daß durch fein Beharren auf der Umgeftaltung 
der erflen Kammer im Sinn eines Herrenftandes, in dem er 
ſelbſt einzelne Siege der Linken willlommen hieß, bie Ritter- 
ſchaft, der feit 1848 die Kommunalordnung, Juſtiz, Kirchen- 
patronat, Steuerfreiheit, abhängiges Grundeigentum, Fidei— 
fommnifje entzogen feien, vollends um bie ihr gebuhrende 
Stellung bringe. Daß bei foldem Durch- und Gegeneinander 
ber Beftrebungen innerhalb ber Regierung arge Verwirrung 
einriß und die Einheitlichfeit der Verwaltung verloren ging, 
war freilich nicht zu verwundern. 

Die erfte auf Grund ber Verfaflung berufene Landtags- 
feffion war infolge des Sturmes, der fih in ber zweiten 
Kammer gegen die Politik von Olmütz erhob (S. 304), bald 
durch Vertagung unterbrochen. Nach dem Wiederzufammentritt 
den Kampf bei ber Adreßdebatte wieder aufzunehmen, war bie 
Eonftitutionelle Partei nicht farf genug: mit wenigen Stimmen 
Mehrheit wurde ihr Vorhaben durch Uebergang zur Tages: 


320 Vierte Bud. Revolution und Reaktion. 


orbung vereitelt. Um fo heftiger entbrannte ber Kampf auf 
dem Gebiete der inneren Politik, wo bie Regierung zunächſt 
freilih noch feinen entſcheidenden Vorteil gewann. Das 
änderte fi 1852. Dank rüdfichtslojefter Beeinfluſſung der 
Wahlen gewann das Minifterium eine fihere Mehrheit. Die 
Wahlen von 1855 verftärkten fie noch: fie ergaben die „Zand- 
ratolammer“, in der von den 350 Abgeordneten der Linken 
etwa ber vierte Teil angehörte, und Altliberale, wie Patow 
und Harkort, die äußerſte Linke bildeten, alle übrigen zur 
Regierung flanden, darunter 72 Landräte und einige 40 andere 
unmittelbare Staatsbeamte. Denn anders als in ferviler 
Negierungsfreundlichkeit politiſch thätig zu fein, war für bie 
Beamten vollends ausgeſchloſſen durch das neue Disziplinar- 
geſetz vom 21. Juli 1852 und bie gefeglihe Feftlegung ber 
durch die Verordnung vom 10. Juli 1849 für die Richter 
eingeführten entfpredienden Beftimmungen. Der Preſſe war 
ſelbſt eine ſachliche Kritit der Regierungsmaßregeln faft un- 
möglich gemacht durch das Preßgefeg vom 22. Mai 1851. Das 
Gefeg vom 3. Mai 1852 entzog auch noch die Preßprozeſſe 
den Geſchworenengerichten. So gerüftet konnte die Reaktion 
endlich recht an die Arbeit gehen. Gerlach blieb kaum noch 
etwas zu wünſchen übrig. Der Freigebung ber Errichtung 
von Fideilommifien (5. Januar 1852) und der Herftellung 
der Privilegien der ehemaligen Reihsunmittelbaren (Juni 1854) 
folgte am 14. April 1856 die der gutsherrlichen Polizei und 
weiter der Widerruf der Teilbarfeit des Grundbefiges und der 
Ablöfung der Grundlaften. Die Gemeindeordnung vom 
11. März 1850 wurde den 21. Mai 1852 fiftiert und die that- 
ſächlich bereit hergeſtellten Kreis- und Provinziallandtage 
(S. 310) als gefeglicde Inftitution erneut. Die Herrlichkeit 
der Junker erhob fi in neuer Glorie. Sie fühlten fi als 
Sieger weniger über die Revolution als über das Minifterium 
und den König. Das abfolute Königtum war fehr nach ihrem 
Sinn, wenn es ſich jo ganz ihrem Willen beugte. Als Hindeldey 
das nicht überall gelten laſſen wollte, ließen fie ihm nieber- 
ſchießen (S. 317). Nur in einem Punkte mußten fie fi 
ſchließlich dem König fügen, wollten fie es nicht ganz mit ihm 


IV. Reaftionäre Willtürherrigaft. 321 


verberben oder ihn gar zum Bunde mit ben Gegnern treiben. 
Durch das Gefet vom 7. Mai 1853 erfolgte die von ihm 
bartnädig erftrebte Umgeftaltung der erften Kammer, zum 
Teil dank der für feine Wünſche eintretenden Vermittelung 
des vorurteilsloferen und klüger rechnenden Bismard, des 
nunmehrigen preußifchen Bundestagsgefandten. Durch eine 
Verordnung vom 12. Dftober 1854 trat fie ins Zehen. Von 
der englifhen Pairie, die dem König als deal vorſchwebte, 
blieb das feit dem 30. Mai 1855 fogenannte Herrenhaus noch 
weit entfernt. Doch glaubte er nun den feften Punkt gewonnen 
zu haben, von dem aus er feine weiteren ſtändiſchen Pläne 
werde verwirklichen Fönnen. Denn mit dem bisher aud für 
die erſte Kammer geltenden Prinzip ber Wahl wurde gebrochen. 
Außer den volljährigen königlichen Prinzen und den Häuptern 
der fürftlich hohenzollernſchen Linien Sigmaringen und Hechingen, 
die am 7. Dezember 1849 ihre Länder an die Krone Preußen 
abgetreten hatten, jollten dem Herrenhaufe angehören bie 1847 
in die Herrenkurie berufenen und neu zu berufenden Standes- 
herren als erbliche Mitglieder: alle übrigen ernennt der König, 
wenn auch gemiflen Kategorien, wie den Inhabern der vier 
großen Landesämter im Königreih Preußen und den Kron- 
fyndicis, als ſolchen eine Anwartſchaft auf die Berufung zufteht 
und bie ftändifen Verbände, die großen Städte und bie 
Univerfitäten Vertreter zur Einberufung präfentieren. Doc 
kann ber König aud Mitglieder aus befonderem Vertrauen, 
und zwar in unbefchränfter Zahl ernennen. So wurde das 
Herrenhaus, völlig gleichberechtigt neben die nun als Abgeord⸗ 
netenhaus bezeichnete zweite Kammer geftellt, zwar ein Bollwerk 
gegen den Liberalismus, aber ebenſo ein Hindernis für jede 
liberale Regierung, zumal feine Zufammenfegung und redt- 
liche Stellung nad ber Verfaffung nicht ohne feine eigene 
Zuftimmung geändert werden kann. Auch Prinz Wilhelm, der 
diefe Schöpfung feines Bruders fonft freudig begrüßte, weil fie 
wie das englifche Oberhaus auf dem nad) feiner Anſicht allein 
richtigen Prinzip beruhte, ſah nachmals ihren Hauptfehler in der 
Schwierigkeit der Remebur, wenn fie in Oppofition mit ber Regies 


rung geriet, da dann biejer allein ber Pairsſchub als mittel blieb. 
Drug, Preußiihe Geſchichte. IV. 


322 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


Auch General Gerlach hatte den König hierbei bekämpft, 
war überhaupt, fo fehr er das geſchehene Gute anerkannte, 
mit dem Gange der inneren Politik doch nicht durchweg ein 
verftanden. Um fo mehr befriedigte ihn die Entwidelung auf 
geiftigem, namentlich firhlihem Gebiete. Karl v. Raumer 
(1805—59), der am 19. Dezember 1850 Labenberg als Kultus- 
minifter erfegt hatte, war der Mann nad) feinem Herzen, der 
einzige von den Miniftern, urteilte er, der einen Begriff von 
den Dingen hatte, auf die es anfam. Die Stahlſche Forderung, 
die Wiſſenſchaft müfle umkehren (S. 202), wollte er wörtlich 
erfüllen, indem er rüchſichtslos jede freiere Regung in Schule, 
Kirche und Univerfität erbrüdte. Auch im Gebiete des geiftigen 
Lebens ſchien Preußen dem Banne des Siegers von Olmüg 
verfallen zu follen und zu berjelben troftlofen Verfumpfung 
verurteilt zu fein mie die beutjchen Lande Defterreiche. 
J. G. Droyfen hatte nicht fo ganz unrecht, wenn er Ende 1852 
vol patriotiſchen Schmerzes an Th. v. Schön ſchrieb: „ALS ſich 
Preußen Defterreih beugte, wurde eine zweihundertjährige 
Geſchichte Lügen geftraft, warb das geiftige Leben der Nation 
bis zur Reformation hinauf verleugnet, warb ber rettende 
Gedanke, der, in dem Preußen feine Stärke und feinen Beruf 
bat, totgeſprochen.“ Die Zeiten Wöllners ſchienen wieber- 
gelehrt, nur daß der vervolllommnete Verwaltungsapparat 
und das fügjame Entgegentommen weiter Kreiſe größere Erfolge 
ermöglichten. Niemals ift das gefamte geiftige und zum Teil 
das fittlihe Leben bes preußifchen Volkes jo ſchwer bebroht 
gewejen wie damals. Wohl war es Raumer ernft um bie 
von ihm vertretenen Prinzipien, und mit peinlicher Pflichttreue 
waltete er feines Amtes. Dennoch bleibt fein Syftem eine 
der dunfelften Partien in dem Bilde jener Jahre. Es wurde 
dadurch nicht weniger ſchädlich, daß der König die Krone auch 
jegt mit dem Glanze bochherzigen Mäcenatentums umgab. 
Der ftolze Ruppelbau der Schloßfapelle, das von Kaulbach mit 
Fresken geihmücte Neue Mufeum, die Herftelung der Burg 
Hohenzollern und die freigebige Förderung ähnlicher Unter: 
nehmungen, die Errihtung von Denkmälern für Gneifenau 
und Scharnhorft, zu der fein Vater ſich nicht hatte überwinden 





IV. Reoltionäre Willkürherrſchaft. 323 


tönnen, und die Ausſchmückung der Schloßbrüde mit Krieger: 
gruppen, bie in ihrer antiken Nadtheit den prüden Frömmlern 
ſchweres Aergernis gaben, all das änderte doch nichts an ber 
Thatfache, daß im Namen besjelben Königs ber zur Pflege 
aller geiftigen Intereſſen im Staate berufenfte Minifter plan= 
mäßig alles bas befämpfte, verfümmerte ober erftidte, was 
Preußen groß gemacht und geiftig und fittlich zur Neberwindung 
auch ber furchtbarſten Schidjalsfchläge befähigt hatte. AN das 
war jegt vergefien: es fam allein noch auf Erzielung deſſen 
an, was man „korrekte Gefinnung“ nannte. 

Vor allem ſuchte Raumer dazu fi) mit der Schule der 
Zukunft zu bemädtigen. Die Kindergärten Friedrich Fröbels 
verbot er, weil er ihn mit feinem Neffen Julius Fröbel ver- 
wechfelte, blieb aber dabei auch nad Aufklärung des Irrtums, 
weil fie angebli auf demokratiſchen Prinzipien beruhten. Im 
Dftober 1854 ergingen dann durch den Dezernenten für 
Seminar» und Vollsfhulmefen A. W. F. Stiehl (1812—78) 
ausgearbeitete Regulative für ben Unterricht in ben evangelifchen 
Scähullehrerfeminarien für die Vorbildung evangelischer Seminar: 
präparanden und über Einrihtung und Unterricht der evangeli- 
ſchen einklaffigen Elementarſchule. Sie follten die Erziehung 
der Jugend in riftliher und vaterländifher Gefinnung und 
häuslicher Tugend fihern. Obgleich fie in pädagogiſcher und 
didaktiſcher Hinſicht einen Fortſchritt bezeichneten, wurden fie 
doch durch die Art ihrer Anwendung unter bem herrſchenden 
Syſtem ein bejonders wirkfames Mittel, um das heranwachſende 
Geſchlecht demielben zu unterwerfen und bas Streber- und 
Mudertum groß zu ziehen. Auch auf dem höheren Schulmefen, 
fo fehr es unter Leitung bes feft im Boden des Humanismus 
wurzelnden, aber au für bie neuen Bildungselemente ber 
Zeit empfängligen 2. Wieſe gebieh, laftete der Geift ber 
Frömmelei und des Servilismus, der jenen Tagen überhaupt 
die Signatur gab. Seiner vermochten jelbft die Univerfitäten 
fih nit zu erwehren. Doch fehlte es gerade ihnen nie an 
Männern, die mutig für die Freiheit der Wiſſenſchaft und 
ihrer Lehre eintraten und gelegentlich ihre Stimme warnend 
und mahnend weithin vernehmen ließen. Die akademiſchen 


324 Viertes Bud. Revolution und Reaftion. 


Feftreden eines Böchh (S. 140) in Berlin und eines Zobed in 
Königsberg wurden Ereigniſſe, welche die fiegestrunfene Reaktion 
die Grenzen ihrer Macht inne werben liegen. Um fo ſchwerer 
traf fie die jüngere Generation ber Alabemiker. Des Königs 
Weiſung, niemand zu beförbern, der 1848 politifch oder kirchlich 
bervorgetreten, wurbe namentlich ihnen gegenüber befolgt und 
mandje bedeutende Kraft aus Preußen verbrängt ober lahm 
gelegt. Die außerorbentlihen NRegierungsbevollmädtigten, 
welde die Karlsbader Beſchlüſſe überlebt hatten, wurden 
Profeſſoren und Studierenden gegenüber vielfach wieder wie 
zur Zeit ber Demagogenverfolgungen eine höhere Polizei, 
mochten auch nicht alle e8 dem Hallenfer Pernice gleihthun, 
von dem Männer wie der Theologe Karl Schwark, der Hiftorifer 
Mar Dunder, der Litterarhiftoriler und Dichter Robert Prug, 
der Naturforſcher Burmeifter und ber Archäologe Ludwig Ro 
ſich amtlih und außeramtlih förmlich mißhandeln laſſen 
mußten. 

Am fehwerften laſtete diefer Drud auf den theologifchen 
Fakultäten. Mit Gerlach einig in dem Streben, die Kirche 
auf die Konfeffion zu gründen, ließ Raumer bie Union bloß 
äußerlich gelten, verwarf aber den „Unionismus“ als Trennungs- 
mittel und Schiboleth des ſubjektiviſtiſchen und negierenden 
Beitgeiftes. Daher kam er den geſchichtlichen Sonderbefenntnifien 
als durch die Union ungerecht behandelt weit entgegen, freilich 
im Widerfpruh mit der Verfafjung nicht au den Deutich- 
Tatholifen und ben freien Gemeinden. In biefem Sinne 
wurden ber im Juni 1850 errichtete Oberfirchenrat, der trotz 
ber wachſenden Oppofition ber liberalen Geiſtlichkeit, wie eines 
Jonas, Sydow, Lisco, die Kirhe ohne Rüdfiht auf die 
Verfafiung nad des Königs Willen regieren ſollte, und bie 
Konfiftorien bejegt und bie theologifchen Fakultäten möglichſt 
der Richtung Hengftenberge (S. 185) zugeführt. Aeußerlich 
war ber Erfolg ja unleugbar, nur daß ihm die inneren, geiftigen 
und fittlihen Zuftände nicht entſprachen, fondern Heuchelei 
und Scheinheiligfeit weithin die Herrfchaft gewannen. Selbft 
in hochkirchlichen Kreifen konnte es nur Befremden und Be- 
forgnis erweden, wenn bei dem Orbensfeft 1851, ale Biſchof 


IV. Reattionäre Willkürherrſchaft. 325 


Neander das Gebet begann, König und Königin nieberfnieten 
und der ganze Hof und dann alle Anweſenden begleichen thaten, 
und im April Präfident v. Gerlach beantragte, jede Sitzung 
der Kammer follte mit Gebet eröffnet werben. 

So fehr ihn die zunehmende augenfällige Kirchlichkeit 
befriebigte, ganz einverftanden mit Raumers kirchlicher Wirk: 
famfeit war ber König doch nit. Er ſah in der Begünftigung 
des Ronfeflionalismus eine Gefahr für die Union und für bie 
Pläne, mit denen er fi für die Verfafjung der evangelifchen 
Kirche trug. Denn während Raumer die durch die Revolution 
erihütterte Hoheit bes Königs über die Landeskirche voll wieder 
zur Geltung bringen wollte, war ihm der in ber Reformation 
geſchichtlich gewordene und durch die Gefeßgebung anerfannte 
landesherrliche Episfopat ein „Greuel“, dem er „widerfagen” 
zu fünnen wünfchte „wie dem Satan in der Taufe”: ihm gab 
er bie Wehrlofigkeit der evangelifchen Kirche Rom gegenüber 
ſchuld und wunſchte fie „auf eigene Füße zu ftelen“ und 
„mit eigenen Organen auszurüften”. Dazu erftrebte er eine 
Nachbildung der apoftolifhen Gemeindeverfaflung, eine Vielheit 
von Meinen Kirchen mit Diafonen und Bijchöfen, die, zuerft 
von ihm ernannt, weiterhin von der Kirche felbft und im 
Namen ihres göttlihen Hauptes beftellt und etwa von ben 
Erzbiſchöfen von Canterbury, Upfala oder Abo geweiht werben 
ſollten. Neben ihnen follten die KRonfiftorien fortbeftehen und 
periodiſch General: und Provinzialfynoden tagen. Ein erfter 
Verſuch, die Verwirklichung diefes Projekts anzubahnen, ben 
er Pfingften 1846 mit ber Berufung einer preußiſchen General: 
fonode gemacht Hatte, war natürlich gefcheitert. Aber auch 
der Sturm der Revolution lehrte ihn darin nicht anders 
denfen, nur daß er, noch autofratifher fühlend, hier um fo 
mehr gebieten zu Fönnen meinte, als ber Liberalismus ihm 
auf kirchlichem Gebiete direkte Konzeffionen nicht abgebrungen 
hatte. Beraten von dem Hofprebiger Strauß und dem pommer: 
ſchen Superintendenten Einen, von dem er in biefen Dingen 
ganz beſonders gut verftanden zu fein erflärte, hielt er an 
feinem Episkopalſyſtem feit, ohne damit der Verwirklihung 
näher zu fommen. Indem er aber nun im Intereſſe besfelben 


326 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


die Union fefter anzuziehen, durch eine Kabinettsorbre vom 
7. Januar 1853 den Qutheranern Pommerns eine neue Abend: 
mahlsformel aufnötigen wollte, veranlaßte er heftige kirchliche 
Kämpfe, die ihn zu Raumer und Gerlach in ſcharfen Gegenfat 
braten. Auch auf diefem Gebiete war es ihm befchieben, bei 
allem Enthufiasmus doch mehr zerftörend als aufbauend zu 
wirfen. 

Daß unter folden Umftänden das Verhältnis des Königs 
zu der großen Mehrheit feines Volkes immer übler wurde, 
war nur natürlih. Die refpektlofeften Aeußerungen über 
ihn waren bis tief hinab an der Tagesordnung: niemals 
hatten die Prozeſſe wegen Majeftätsbeleidigung eine fo er: 
ſchreckend hohe Zahl erreiht und waren fo ſehr Gegenftand 
der Erluftigung für viele geweſen, welde die ausgeftoßenen 
Schimpfreden wohlgefällig wiederholten, die, kamen fie von 
Höflingen oder hohen Beamten, ungeftraft blieben. Ließ ber 
König fi einen guten Witz auch auf feine Koften wohl ger 
legentlih gefallen, jo erbitterte ihn foldhes Gerede doch je 
länger je mehr, er entmwöhnte fi immer mehr der Gnade und 
Milde und atmete nur nod Strenge, Haß und Rachſucht: ber 
furchtbare Gedanke ftieg in ihm auf, feine Regierung, die ihm 
felbft nur eine Laſt war, folle vor allem fein Volk züchtigen, 
und fuchte dann in Nebendingen Erholung, die feine Phantafie, 
jeine romantiſchen und fünftlerifhen Neigungen angenehm 
beſchäftigten. Wie er einft über bie liebevolle Beihäftigung 
mit den Mänteln, welche die Ritter vom Schwarzen Adler 
künftig tragen follten, das nahende Grolen der Revolution 
überhört hatte, vergaß er jegt die Sorgen ber Regierung zeit- 
weilig über die Stiftung des Hohenzollernſchen Hausordens und 
die Reorganifation des Johanniterordens (Oftober 1852). 

Nicht glüclicher als in der inneren war Friebrih Wilhelm 
in der auswärtigen Politi. Was da etwa erreicht wurde, 
war weniger von ihm gewollt als es ihm durch die Verhält- 
niffe, die ftärfer waren als er, aufgenötigt wurde. Die Kur: 
beffiihe und die Holfteinshe Frage waren für ihn abgethan. 
Daß beiden für ihn der Makel des Revolutionären anhaftete, 
half ihm über die damit verbundenen Demütigungen hinweg. 


IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 327 


Ein Aufleben der letzteren dachte er unmöglich zu machen, 
indem er mit Hilfe Bismards den Herzog Chriftian von Auguften- 
burg vermochte, fein Erbredit gegen Geld an Dänemark abzu: 
treten, und nachträglich dem Londoner Protokoll vom 8.Mai 1852 
(S. 307) beitrat. In Frankfurt blieb im weſentlichen noch 
alles beim alten. Wohl entwidelte fi dort Bismard ohne 
diplomatifche Schule vermöge feines durch fein Beamtenvorurteil 
befangenen freien Blicks, feiner durchaus fachlich gerichteten 
frohen Thatenluft und feines ftolzen preußiichen Patriotismus 
raſch zu einem Meifter in der Diplomatie und machte der 
Empfehlung feines Gönner und Freundes Gerlah bald in 
einer Weife Ehre, welche biefem nicht mehr ganz genehm war, 
blieb aber in dem täglichen Kampf mit Defterreich doch noch 
auf die Defenfive beihränft. Und während er bort feiner 
großen Beftimmung entgegenreifte, ftritt man in Berlin bar- 
über, ob er feinem Vorgänger v. Rochow zunächſt als Lehrling 
ober als Aufpafjer beigegeben fei, und fpottete über Manteuffel, 
der aljo bereits fo weit fei, daß er feine Feinde anjtellen 
müfle! 

Als General Gerlah nah dem Olmüger „Siege“ das 
Programm entwarf, das er und bie Seinen, wie Auerswald 
Hagte, als ufurpierte Vertreter der „Guten im Lande” das 
große Wort führend, der Regierung vorfchrieben, hatte er 
auch die Reftauration in Neuenburg und in Frankreich gefordert 
(S. 309). Hier wie dort warteten feiner arge Enttäufchungen. 
Selbft Kaiſer Nikolaus erfannte den revolutionären Abenteurer 
auf dem franzöfiichen Throne ſchließlich an, und im Krimkriege 
gewann biefer gar die leitende Stellung in Europa. Die 
Rolle Preußens dabei war weder geſchickt noch rühmlih. Sie 
offenbarte die Zerfahrenheit der Regierung und einen erjhreden- 
den Mangel an Entſchlußfähigkeit. Härter no als in ben 
Tagen von Olmüg prallten die Parteien aufeinander und 
fuchten ſich des ſchwankenden Königs zu bemächtigen, bei dem 
ſchließlich die Scheu vor den Wechfelfälen eines Krieges den 
Sieg davontrug. Die Camarilla war zu fehr daran gewöhnt, 
Rußland als die Vormacht im Kampfe gegen bie Revolution 
zu verehren und bem bei bes Baren Befuchen in Berlin einen 


328 Viertes Buch. Revolution und Reattion. 


das preußifche Selbfigefühl zumeilen verlegenden Ausdrud zu 
geben, als daß fie den Gebanfen an die Brechung bes auf Europa 
laftenden ruffifhen Einfluffes hätte faffen können. Auf ber 
anderen Seite betrieb ein Kreis angefehener Politiker, obenan 
neben dem Prinzen von Preußen ber Kriegsminifter v. Bonin 
und Bunfen in London, den Anſchluß an die Weſtmächte, ver 
ohne Krieg Rußland dem Willen Europas zu beugen verhieß. 
Keines von beiden geſchah. Denn ber König ging feinen 
eigenen Weg. Die faft naive Zumutung, Preußens Neutralität 
durch die Reftauration Neuenburgs zu erfaufen, lehnten die 
Weſtmächte natürlih ab. Das angeblich Deutſchland zu fihern 
beftimmte Bündnis, das er, plötzlich in bie diplomatiſchen 
Verhandlungen eingreifend, aus eigener Initiative am 
20. April 1854 mit Defterreih einging, um es der Altions⸗ 
freiheit zu berauben und ben Weſtmächten fern zu halten, 
leiftete dies nicht, führte aber, als man es gegen Rußland 
zu wenden verfuchte, zu ber Entlaffung Bunfens und Bonins 
und ſcharfen Auseinanderfegungen zwiſchen den königlichen 
Brüdern. Denn ber Prinz von Preußen machte fein Hehl 
aus feinem Unwillen über die unpreußiſch ſchwache Politik des 
Königs. In der Armee gärte es: fogar von einem aus ihren 
Neihen einzulegenden Proteft war bie Rede. Daß der Friede 
zwiſchen den Brüdern wenigftens äußerlich hergeſtellt wurbe, 
war weſentlich ber vermittelnden Thätigfeit Bismarcks zu 
danfen. Als dann gar Defterreich fi im geheimen mit den 
Weitmächten verftändigt hatte und, num von Rußland bedroht, 
Preußen auf Grund jenes Vertrages mit gegen biefes aufzu— 
treten nötigen wollte, verfagte der König fi dem auf das 
entfchiebenfte und war jelbft zu militärifchen Vorfihtsmaßregeln 
nit zu beflimmen, wie fie unter gleichzeitigem Appell an bie 
Opferfreubigfeit feines Volles nunmehr Bismard dringend 
befürwortete. Preußens europäifche Stellung wurde durch 
diefe Politik ſchwer gefhäbigt. Zu dem Parifer Kongrefie, 
der im Frühjahr 1856 dem für Rußlands Macht fo verhängnis- 
vollen Krieg ein Ende machte, ließ man es erft nachträglich 
zu. Und felbft das durfte noch für einen Erfolg gelten. 
Preußen war tief gefunfen, und man konnte zweifeln, ob 





IV. Reattionäre Willkurherrſchaft. 329 


es auf ber abſchüſſigen Bahn würde einhalten fünnen. Konnte 
doch felbft ein Mann des königlichen Vertrauens wie Kabinetts- 
tat Niebuhr feinen Unmut nicht mehr unterdrüden. Weniger 
Mangel an Wahrheit nah außen als an Wahrheit gegen fi 
ſelbſt wirft er Preußens Politif vor: man geftehe ſich nicht 
die eigentlihen Motive ein, fondern fpiegele ſich beftändig 
vor, die einzelnen Akte feien Konfequenzen ber richtigen Grund: 
gedanken der Politif; man fürchte immer aus bem europäifchen 
Konzert — das nit eriftiere — binausgebrängt zu werben 
und feine Stellung ala Großmadt zu verlieren — die man 
längft nicht mehr habe. Und ein Bismard befreunbeter 
preußiſcher Diplomat beklagte Preußens eben vollzogene halbe 
Mediatifierung und das Umfichfrefien des Gifts unpreußifcher 
Gefinnung auch bei dem Adel, wie fie fi in ber fervilen 
Anbetung eines fremden Monarhen — des Zaren — be: 
thätige, ſowie in dem Verhöhnen jebes berechtigten preußifchen 
Ehrgeizes und dem Vorherrſchen feiger Friedensliebe. Auch 
Manteuffel erkannte die Unhaltbarkeit diefer Zuftände und in 
der Abficht, damit auch dem König gegenüber nicht zurüd- 
zubalten, legte er zu Beginn des Jahres 1856 bie ihn immer 
mehr quälenden Zweifel und Sorgen in einer Denkſchrift' aus: 
führlih dar, die im ber beabfihtigten, aber unterbliebenen 
endgültigen Redaktion dem Könige felbft vorgelegt werben 
follte, aber augenſcheinlich nicht vorgelegt worden iſt. Jeden⸗ 
falls wäre ihr eine gnädige Aufnahme nicht zu teil geworben, 
da fie mit überraſchender Klarheit und einem den Per: 
fafler ehrenden Freimut durch die Kritik, die fie an dem 
Herrſcher jelbft übte, die vornehmfte Duelle aller Uebel 
aufdedte, freilih nur indiret, indem fie treffend darthat, 
welcher Eigenſchaften ein preußifcher Herrſcher bedürfe, um 
feine Aufgabe zu löſen. Verlangt wirb von ihm vor allem 
völlige Unterordnung unter die Interefien des Staates. Auf 
das entſchiedenſte verwirft der Minifter den Gebanfen an 
einen Staatsftreih, der den König und bie Dynaftie ſchwer 
gefährden werde, und erweiſt die Notwendigfeit und den Segen 
der Verfaffung. Beſonders ſcharf wendet er ſich gegen bas 
Syftem Raumer. In der evangelifen Kirche fei ein Partei: 


330 Vierte Bud. Revolution und Reaktion. 


tegiment proflamiert, das bie Union gefährbe und weite Kreife 
der Evangelifchen mit ihren tüchtigen Geiftlichen in die Oppo= 
fition dränge, bie geiftlihe Jugend aber zur Heuchelei und 
Liebebienerei anleite. Mit dem größten Mißtrauen blicke, 
befennt er, die Bevölkerung auf das herrſchende Syſtem. 
Schuld ift daran namentlich der Verfall der Verwaltung, bie, 
bisher ein Mufter von Disziplin, Gemiflenhaftigkeit und 
Intelligenz, dieſen Ruf einzubüßen im Begriff fei, weil ber 
einheitlihe Wille zur Leitung des gefamten Staatsorganismus 
fehle. Mit fharfen Worten zeichnet er das dafür namentlich 
verantwortliche Treiben der Camarilla, deren von ber Kreuz 
zeitung offen befannte Tendenz, an die Stelle bes Königtums 
von Gottes Gnaden ein Junker: und Pietiftenregiment zu 
fegen, den allgemeinen Haß und Hohn der Nation auf fih 
geladen habe. Unerträglich erſcheint ihm auch Hinckeldeys 
Machtſtellung, und die zunehmenden Klagen über Polizeiwillkür 
laffen ihn von dem Syftem und dem Geift der Verwaltung 
für Dynaftie und Land Unheil beforgen. Aus dem allen er= 
klärt fi ihm das Sinken von Preußens Anſehen im Ausland. 
Ohne Bunbesgenoffen ift es ohne Einfluß auf die europäischen 
Angelegenheiten und unter ben Großmächten nur noch gebulbet. 
Konnte ein Staatsmann eine vernichtendere Selbſtkritik üben? 
Ihre Richtigkeit wurde nur zu bald beftätigt. 

Der König hatte den Verluft Neuenburgs nicht verſchmerzt. 
Aber auch die orientalifhen Wirren boten feine Gelegenheit, 
& zurüdzugewinnen (S. 308). Deshalb verfudte, für den 
Fall des Gelingens der Gutheigung in Berlin fiher, Die dortige 
toyaliftifhe Partei Anfang September 1856 eine gewaltfame 
Reftauration. Aber der Putſch mißlang. Seine Führer fahen 
fih in der Gewalt der fiegreihen Demokraten als Rebellen 
an Leib und Leben bedroht. Dadurch fühlte der König, feit Hindel- 
deys Tod in einem Zuftande krankhafter Erregung (S. 317), 
feine Ehre fo ſchwer bedroht, daß er zum Schwert greifen zu 
müffen meinte. Denn die Eidgenofjenfchaft machte die Ent: 
laffung ber Gefangenen von feinem vorhergehenden Verzicht 
auf alle Rechte auf das Ländchen abhängig, ben er dagegen 
erſt nad) Erfüllung feines Verlangens leiften wollte. Obgleich 


IV. Reaftionäre Willkürherrſchaft. 331 


ber Bund auf Betreiben Oeſterreichs Preußen aud bier nur 
Schwierigkeiten bereitete, wollten bie fübdeutihen Staaten ihm 
doch den Durchmarſch geftatten: feine Drohung ber Pfand» 
nahme von Baſel und Schafihaujen konnte aljo verwirklicht 
werden. Das machte in Bern doch Eindrud, und fo bewirkte 
die von dem König nachgeſuchte Vermittelung Napoleons II. 
eine friedliche Wendung. Die Eidgenoſſenſchaft fügte ſich dem 
von Paris her auf fie ausgeübten Drud, entließ die Gefangenen 
und jhlug den Prozeß nieder. In Paris trat eine Konferenz 
ber unbeteiligten Mächte zufammen und brachte, nicht ohne 
Kampf mit des Königs launenhaft wechjelnder Haltung, einen 
ſchließlich von beiden Teilen angenommenen und am 26. Mai 1857 
vollgogenen Vertrag zu ftande, wonach die Schweiz den an dem 
Putſch Beteiligten Straflofigfeit gewährte, die Koften besfelben 
übernahm und die Kirche für die 1848 eingezogenen Güter 
entſchädigte, während der König unter Verzicht auf bie an= 
fängli verlangte Entihädigung von zwei Millionen alle 
Rechte auf Neuenburg aufgab, aber für fi und feine Nach: 
folger den fürftlihen Titel davon beibehielt. 

Der Verlauf diefes Handels erinnerte einigermaßen an 
Olmütz. War aber einerjeits Preußens Kriegsdrohen noch 
bebentlicher, weil es fih um eine unhaltbare, ja eigentlich 
thatfächlich bereits aufgegebene Pofition handelte, fo war ber 
Ausgang doch glimpflicher, da der König feine weſentlichſten 
Forderungen durchſetzte und fo feiner voreilig ins Spiel ges 
brachten perſönlichen Ehre Genüge geihah. Darüber, daß er 
als Beſchützer offenbarer Rebellen gegen ihre rechtmäßige 
Obrigkeit auftrat, half ihm bei feiner Neigung zu jefuitifchem 
Denken der Haß gegen die Demokratie hinweg. Auch blieb 
Preußen nicht ohne anderen Gewinn aus bem leidigen Handel. 
Die Annäherung an Frankreich befierte feine europäiſche Stellung 
um fo mehr, als auf der anderen Seite Rußland es ihm 
dankte, daß es während bes Krimfrieges die feindlichen Abſichten 
ber perfiden öfterreichiichen Politik vereitelt hatte. So erlangte 
Preußen dem Wiener Kabinett gegenüber größere Aftions 
freiheit. Denn bisher hatte es nad) dieſer Seite feine Unab- 
bängigfeit nur in ber Vertretung bes Zollvereins gewahrt, 


332 Viertes Bud. Revolution und Reaktion. 


indem es den von den Königreichen begünftigten Verſuch Oeſter⸗ 
reichs, feine Aufnahme in den Zollverein zu erzwingen, erfolg» 
reich befämpfte und zugleich die Gefahr einer Sprengung bes 
Zollvereins abwandte. So wurde der 1841 erneute und durch 
den Anſchluß von Lippe-Detmold, der Graffhaft Schaumburg 
und Luxemburg erweiterte Zollverein 1853 auf fernere zwölf 
Jahre verlängert. Er umfaßte nun nad) Eintritt auch Hannovers, 
Dldenburgs und Büdeburgs 9000 Duadratmeilen und 35 Mil: 
lionen Einwohner. Defterreih war jhließlih froh, einen 
Handelsvertrag bewilligt zu erhalten (19. Februar 1853). 

Die tiefe Verfiimmung und Entmutigung aber, bie in 
folge der inneren Zuftände damals auf ihm lafteten, ließen 
das preußifche Volk auch diefes Erfolges nicht froh werben, 
wie man eigentlih aud nur Spott bafür hatte, ala die 
preußische Regierung durch den Ankauf eines Teils der einftigen 
deutſchen Flotte und die Erwerbung des oldenburgiſchen Hafen- 
Örthens Heppens am Jahdebuſen (20. Juli 1853) den erſten 
Schritt that zur Errichtung einer Flottenftation an der Nordſee. 
Damit wurde der Plan zur Gründung einer Flotte, der flüchtig 
bereits 1815 aufgetaucht war, in unſcheinbarer Form zwar, 
aber doch ernftlih wieder aufgenommen. Die Kreugzeitung 
hatte dafür zunähft nur Hohn und Spott; aber aud bie 
Liberalen zudten dazu nur mitleidig die Schultern. Denn 
ehe nicht der im Innern auf ihm laftende Bann gebrochen 
war, blieb Preußen zu erfolgreicher nationaler Politik unfähig. 
Und um der jüngeren Diplomatenſchule, welche die Aenderung 
bes Verhältnifjes zu Oeſterreich als unerläßlich betrieb und 
dafür zum Entfegen des Gerlachſchen Kreifes fih an Frankreich 
anzulehnen feine Bedenken trug, zur Bethätigung Raum zu 
geben, bedurfte es einer ſachlicheren Auffaſſung der Lage und 
eines entſchlußfähigeren Willens, als fie Friedrih Wilhelm IV. 
gegeben waren. 


Hünftes Bud. 


Die neue Bera und der Konflikt. 
1858—18686. 


I. Die neue Mera. 1857— 1859. 


Seitiger, als die einen gefürchtet, die anderen zu hoffen 
gewagt hatten, wurbe Preußen von dem Banne ber Reaktion 
erlöft dur ein Ereignis, das, tief erfhütternd, dort das 
unmutige Wiberfireben fteigern, bier bie Freude an bem ein- 
tretenden Wandel verfümmern mußte. Im Herbit 1857 befiel 
den König eine Krankheit, die fortfchreitend ihn geiftiger 
Umnachtung überlieferte. Den aufmerffamen Beobachter bürfte 
fie kaum überrafht haben. Längft an bem „wunderlichen 
Herrn“ (S. 312) bemerkte befremdliche Erfheinungen erwiefen 
fi nun als Symptome des bereits begonnenen geiftigen Ber: 
falls — die unberehenbare Launenhaftigkeit, der Umſchlag 
von einem Extrem in das andere, von unföniglicher Ausgelaſſen⸗ 
heit zu dumpfem Hinbrüten und einfamem Weinen, von übers 
ſtrömender Zärtlichkeit zu beleidigendem Schelten, von befpoti- 
{chem Eigenfinn in Meinen, zu völliger Gleihgültigfeit in ben 
wichtigſten Dingen. In militärifhen Kreifen führten mande 
ſchon fein Verhalten in den Märztagen auf die Krankheit 
zurüd. Jene Schredenszeit mag ben geiftigen Zuſammenbruch 
beihleunigt haben. Die Sorgen während bes Krimkrieges, 
der Schmerz um Neuenburg und ber Nerger über Defterreichs 
Zeindfeligfeit in der Frage nad der Bejegung der Bunbes- 
fetung Raftatt thaten ein übriges, zumal fein hochgeſpanntes 
tönigliches Selöftgefühl dabei immer wieber feine Ohnmacht 


334 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


der rauhen Wirklichkeit gegenüber erfahren mußte. Dazu famen 
törperlihe Anftrengungen auf einer politifh refultatlofen 
Reife nah Wien und Dresden. In Pillnig traf ihn ein 
Schlaganfall. Die Folgen ſchienen zwar bald überwunden. 
Aber während der Manöver bei Halle (Anfang September) 
erſchreckten ſein äußerer Verfall und Beweiſe momentaner 
Unzurechnungsfähigkeit. Scheinbare Beſſerung erlaubte ihm 
jedoch, die herkömmliche Thätigkeit fortzufegen. Bald aber 
wurden die Stunden dumpfen Hinbrütens häufiger, das Ge- 
dächtnis fegte aus, Namen und Worte fehlten, und wenn er 
auf der einen Seite eine feierliche Kabinettsordre erließ, um 
zu beftimmen, der Namen Köln folle hinfort mit K gefchrieben 
werden, und dann in einer Sigung des Minifteriums elf 
Todesurteile beftätigte, ala ob es fih um bebeutungslofe 
laufende Geſchäfte handelte, jo wußte er offenbar nit, was 
er that. Ober befiel ihn wieder die feit dem März 1848 
gelegentlih zu Tage getretene Wahnvorftellung, zu eigener 
Buße fei er von Gott allem fündhaften Wefen zur Zuchtrute 
gelegt? 

Damit fah die Eleine, aber mächtige Partei das Ende 
ihrer Herrſchaft fommen. Deshalb fuchte fie die Anerkennung 
feiner Regierungsunfähigkeit möglichit hinauszufchieben, viel- 
leicht ganz zu umgehen, unterftüßt von ber Königin, die dabei 
neben politiihen Motiven der begreifliche Wunfch leitete, dem 
Kranken, der fich feines Zuftandes zeitweilig qualooll bewußt 
war, jede jhäblihe Aufregung fernzuhalten. Der Camarilla 
tam die Krankheit gerade jegt ſehr ungelegen. Hatten ben 
König doch eben in legter Zeit feine antifonftitutionelen Pläne 
wieder lebhaft beſchäftigt. Im Juni hatte er die Minifter 
angewiefen, auf „eine andere Redaktion der Verfaſſungsurkunde 
zu benfen, wodurch alle Lüge und aller falſche Konftitutionalis- 
mus daraus entfernt würde, aber nicht die ftändifche Freiheit”. 
Es fei eine Schande und ein Unglüd für Preußen, daß bie 
Gefeggebung, ftatt in ben Händen des Königs, in denen ber 
drei fogenannten Faktoren liege. An ihr follten die" Stände 
vielmehr nur da Anteil haben, wo ihre eigenen ober ber 
einzelnen Rechte in Frage kämen, auch Steuern und Anleihen 


1. Die neue Xera. 335 


zu bemilligen, aber nicht bie Etats feftzuftellen haben. Dieje 
wollte er vielmehr einer Kommiſſion aus Miniftern, Geheime: 
täten und Abgeorbneten zumeifen, die unlängft aus Anlaß 
mit den Kammern entftandener Differenzen zur Einleitung 
einer Finanzreform berufen war. In feinem Gutachten ſprach 
fh Weftphalen für Vefeitigung der Verfaſſung aus und ihren 
Erſatz dur einen königlichen Freibrief (S. 311). Manteuffel 
dagegen wollte, auch fernerhin von jeder totalen Umgeftaltung 
der Verfafjung abfehend, „nad praktiſchen Bebürfniflen einen 
Paragraphen nad dem anderen befeitigen und höchſtens — 
mit realen Freiheiten, wie Dezentralifation, Selfgovernment 
u. ſ. w. vorgehen“. So dachte aud) Gerlah: durch Ausmerzung 
ber ſchädlichen Paragraphen „jollte die Verfafjung in ihrer 
unpraktiſchen Blöße zu einem warnenden Monument bes Unfinns 
der Vorfahren werden”. Nur fürchtete er, e8 werde überhaupt 
nichts geihehen, da der König „dermalen nicht thätigen 
Geiſtes“ fei. 

Am 6. Oktober traf diefen ein neuer Anfall. Erholte er 
ſich auch körperlich wieder, jo ftand doch für feine Intimen 
feft, daß er nicht regierungsfähig fei, es wohl auch nie wieber 
werben könne. Alles war für fie nach Gerlad bedroht — 
„Stände, Dereinigter Landtag, Herrenhaus, Oberfichenzat, 
Sansfouci und feine Bauten, Künftler, Freundſchaften, Humor 
und vor allem das wirklich riftlicde Sündengefühl”. Vierzehn 
Tage, drei Wochen konnte wohl ohne König und Regentfchaft 
fortregiert werben. Was aber dann? Daß allein der Prinz 
von Preußen in die Lüde einzutreten berechtigt fei, ftand feft. 
Um fo mehr hielt er fi zurüd, erklärte ſich aber bereit, zu 
thun, was die Minifter von ihm verlangen, ihm entgegentragen 
würden. Das ſetzte biefe in Verlegenheit. Nun hatte ber 
Prinz weber die Verfaffung beſchworen, noch feinen Plag im 
Herrenhaufe eingenommen, bie neue Ordnung alfo nit un— 
zweibeutig anerkannt. Vielleicht ließ fih alfo an bie legten 
Entwürfe des Königs anknüpfen. Diefe abfolutiftiihe Tendenz 
vertrat in ber Camarilla des Königs Flügeladjutant und 
Chef des Militärfabinetts, Oberft Edwin v. Manteuffel, ein 
Vetter des Minifters: er wollte dem Prinzen über den Kon- 


336 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


Ritutionseid, den angeblih aud der König von ihm nicht 
geleiftet zu fehen wünfchte, hinweghelfen und fo mit der „un= 
preußifhen und verderblihen” Verfaſſung „abfahren“, fand 
damit jebod feinen Beifall. Denn diefe Kreife mißtrauten 
dem Prinzen, den fie als Gegner ber Reaktion und als Freund 
eines Auerswald Fannten. Ohne Eid, fürdteten fie, könne er 
von den Liberalen, in deren Sinn aud) feine kluge Gemahlin 
auf ihn einwirkte, zu gefährlichen Konzeſſionen vermocht werben. 
Die Königin hätte es am liebften gefehen, wenn ber Kranke 
einfad mündlich feinen Bruder einftweilen zum Vertreter be: 
ftelte. In der Verfaffung war ein Fall, wie er nad ber 
Anſicht der herrſchenden Partei hier vorliegen jollte, nicht 
vorgejehen, nur für den dauernder Verhinderung des Königs 
verfügte fie die Einfegung einer Regentſchaft unter Mitwirkung 
der Kammern. Diefe zu vermeiden, hielt man die Fiktion 
feſt, der König werbe genefen und felbft wieder regieren, und 
wählte deshalb ſchließlich mit Zuftimmung bes Prinzen, der 
ängſtlich jeden Schein zu vermeiden fuchte, ald verlange er an 
des unglüdtiden Brubers Stelle zu treten, einen völlig außer: 
halb bes Rahmens ber Verfafjung liegenden Weg, indem man 
den König am 23. Oktober in einem lichten Augenblid vor 
Zeugen eine ihm von ber Königin vorgelegte Ordre unter 
zeichnen ließ, durch die er dem Prinzen für drei Monate die 
Stellvertretung in den Regierungsgefchäften übertrug. Diefer 
übernahm fie mit ber Erflärung, fie nad den ihm wohl⸗ 
befannten Intentionen des Königs führen zu wollen. 

Daß damit jede Aenderung des Syftems ausgeſchloſſen 
war, machte des Prinzen Stellung äußerft peinlih. Ein aus: 
geſprochener Gegner Weftphalens und Manteuffels, mußte er 
dod mit ihnen regieren. Für feine mafellofe Ehrlichkeit famen 
weber bes einen noch des anderen verfaflungsfeindliche Abfichten 
in Betracht, aber die Verfafiung zur Wahrheit werben zu 
laſſen, war er doch außer ftande. Kein Freund von Kon— 
ftitutionen, meinte er do, dba, wo fie einmal eriftierten, 
müßten fie gehalten und dürften nicht durch gezwungene 
Interpretationen verfälfcht werden, da die fonftitutionelle Idee 
in das Volfsbewußtfein eingedrungen fei und Feindſchaft gegen 


1. Die neue Xera. 337 


fie Mißtrauen des Herrichers gegen das Volk befunde Wie 
grundverſchieden war doch ſchon danad fein ganzes Wefen von 
dem des Bruders. Jenes geniale Unregelmäßigfeit in der 
Arbeit kannte er nicht. Spät in die Geſchäfte eingeführt — 
zu des Vaters Zeiten war er ihnen ganz fern geblieben und 
erft ald Vierundvierzigjähriger auf Veranlaffung des Bruders, 
dem er einft folgen follte, in fie eingeführt, hatte er fi 
peinliche Pflichttreue und Pünktlichkeit auch im Kleinften an: 
geeignet. Wo jener unbelehrbar längſt als unrealifierbar 
erwiefene Ideen eigenfinnig fefthielt, lernte er aus dem Ge: 
ſchehenen, ließ fich überzeugen oder brachte auch feine Ueber: 
zeugung refigniert dem Wohl des Staates zum Opfer. Bild: 
ſamkeit, Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit und Selbftlofigkeit treten 
gleich jegt als die vornehmften Züge an ihm hervor. Sie im: 
ponierten auch den Gegnern. Indem er die ihm durch des 
Bruders Auftrag gezogenen engen Schranken peinlich einhielt, 
innerhalb derjelben aber feine Autorität neben fi duldete 
und daher nicht nur den Generaladjutanten, deſſen „Intriguen= 
geift“ er kannte, ausſchaltete, ſondern auch die Angelegenheiten 
des Töniglichen Haufes, die man ihm vorzuenthalten verfuchte, 
für fih in Anſpruch nahm, gewann er jelbit der Camarilla 
Lob für feinen Takt, feine Pietät, fein rückſichtsvolles Be— 
nehmen und überraſchte fie dadurch, daß er „ganz negativ, 
keinen Gedanken, Feine Abfiht zu erkennen gab und feine 
Velleitãt beging“. Den Herren imponierte die vornehme paflive 
Haltung, mit der er die Unnatur der Lage binnahm und 
weder dem Minifterpräfidenten noch Edwin v. Manteuffel wider: 
fpra und es ruhig gefchehen ließ, daß, als ber König nad 
Ablauf der drei Monate nicht genefen war, am 6. Januar 1858 
die Stellvertretung in gleicher Weife auf dieſelbe Zeit erſtreckt 
wurde, obgleih er eine Vollmacht auf unbeftimmte Zeit vors 
gezogen haben würde. Nach Gerlah waren die Rechte des 
Königs jedoch nicht übertragbar. Eine Abdankung aber erſchien 
der Camarilla als das Schlimmfte, angeblich wegen ihrer An- 
fechtbarkeit im Falle der Genejung des Könige. Das Gleiche 
wiederholte fi noch zweimal, obgleich die abnorme Lage felbft 


Gerlah das Eingeftändnis abdrang, wer es mit dem Lande 
Prug, Vreubiſche Geihiäte. IV. 22 


338 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


gut meine, mülle dem Prinzen raten, zu regieren, ala ob ber 
König längft tot wäre (14. April). Dennoch machte die 
Camarila auf noch im Sommer 1858 einen Verfuh, das 
Unvermeiblihe abzuwenden. Die Königin follte ein Schreiben 
ihres Gemahls an den Prinzen veranlafien, worin er für bie 
Stellvertretung dankte und, nun Binreihend gefräftigt, felbft 
regieren zu wollen erflärte. Die Gefchäfte wären dann unter 
der Kontrolle der königlichen Unterſchrift durch die Königin 
von den dazu berufenen ober ſich darbietenden Herren vom 
Hofe geführt worden. Preußen follte aljo, wie Bismard, 
der dabei mitzuwirken entſchieden ablehnte, ſich derb ausbrüdte, 
mit einer „echten Haremswirtſchaft“ beglüdt werden. Das 
ebenfalls duch Bismard veranlaßte energiſche Einfchreiten des 
Prinzen, der unter folden Umftänden auch feine militärifche 
Stellung nicht beibehalten zu können erklärte, brachte die 
Intrigue, der, wie es ſcheint, auch Manteuffel ihren Lauf 
ließ, zu Fall. 

Jedenfalls mußte fie den Prinzen überzeugen, daß die 
bisherige Art der Stellvertretung ferner unmöglich fei. Auf 
Grund der Verfafiung verlangte er daher die orbnungsmäßige 
Beſtellung zum Regenten; eine bloße Mitregentſchaft, durch die 
er auch weiterhin in Abhängigkeit erhalten worden wäre, 
perhorreszierte er entſchieden. Von den Miniftern wollten 
Manteuffel, dem der völlig illegale Zuftand allmählih un— 
heimlih wurde, Simons, v. d. Heydt und v. Maſſow, der 
Hausminifter, einer Forderung nachgeben, gegen bie fi} rechtlich 
nichts einwenden ließ, mochte Gerlach ihre Erfüllung aud) als 
den größten Sieg des Konftitutionalismus beflagen, weil fie 
die Stände zum Schiedsrichter über den König made. Die 
anderen widerſprachen, bejonders heftig Weftphalen. Da aber 
die Lage feinen anderen Ausweg ließ, verftändigte man fid. 
Auch die Königin fügte fi in dag Unvermeidlie. Denn man 
fürchtete, längerer Widerftand könne den Prinzen beftimmen, 
mit den Kammern allein vorzugehen, im Intereſſe bes Landes 
biefe gegen ben König aufzubieten und fo einen Präcedenzfall 
übelfter Art zu fchaffen. Dem Könige jelbft, der fi feiner 
Unfähigfeit wohl bewußt war, wurde der Schritt erleichtert 


1. Die neue Aera. 339 


durch die Ausſicht auf eine von dem Nerzten empfohlene Reife 
nad dem Süben. Am 7. Oktober legte ihm die Königin in 
Sansfouci in der genau vereinbarten Wortfaſſung die Kabinetts- 
orbre vor, durch die er angeſichts ber bevorftehenden Reife und 
feiner zur Zeit noch andauernden Verhinderung ben Prinzen 
erſuchte, bis zu feiner Genefung „bie königliche Gewalt in ber 
alleinigen Verantwortlicfeit gegen Gott nad beftem Wifjen 
und Gemifen in feinem Namen als Regent auszuüben” und 
fih aud von den Angelegenheiten des königlichen Haufes nur 
die feine eigene Perfon betreffenden vorbehielt. Schmweigend 
hörte er der Verlefung aufmerkfam zu und unterzeichnete ohne 
jede Bemerkung, — hielt fi dann beide Hände vor das 
Gefiht und weinte einige Thränen. Dann verließ er das 
Bimmer. 

Thatfählih war damit ein Thronmechfel vollzogen. Denn 
niemand glaubte an eine Genefung des Königs. Aber auch 
einen Syſtemwechſel verfündeten alsbald mande Anzeichen. 
Unter der koniglichen Kabinettsordre fiand der Name Wet: 
phalens nicht mehr. Entrüftet über feine Haltung in der 
Regentiaftsfrage, hatte der Prinz bereits am 6. Oktober 
feine Entlaſſung verfügt, den Schritt dann aber auf Manteuffels 
Erſuchen als augenblidlih inopportun aufgefhoben. Denn ber 
Minifterpräfident hoffte das ganze Minifterium dem neuen 
Herrn als unentbehrlich aufzubringen. Da verweigerte Weit 
phalen die Gegenzeichnung jener Ordre: am 10. Oktober wurde 
er deshalb durch den bewährten, einft von der Reaktion aus 
feinem Oberpräfidium verbrängten Flottwell erſetzt. Die 
Camarilla war außer fi, und Gerlach befhuldigte Manteuffel, 
Simons und v. d. Heydt, durch ihre Nachgiebigkeit alles ver- 
dorben zu haben. Faft revolutionär erſchien es ihm, nun gar 
den Landtag zu berufen, damit er nad) Artikel 56 der Ver- 
faſſung die Notwendigkeit der Regentſchaft anerfenne Mit 
der Regentſchaft, grollte er, fei die Sowveränität halb zum 
Fenſter binausgeworfen. Schlagend freilid wurden folde 
Tiraden wiberlegt dur den Verlauf der Furzen Landtags- 
ſeſſion. Ohne Diskuffion und einftimmig erfannten beide Häufer 
in gemeinfamer Sigung die Notwendigkeit der Regentſchaft 


340 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


an und fanftionierten fomit die Handlungsweiſe des Prinzen, 
— ein erfreuliches Zeichen politiſcher Einfiht und Mäßigung: 
in dieſem wichtigen Augenblid entfagten alle Parteien ihren 
befonberen Wunſchen und ſcharten fi in lange nicht gefannter 
Einmütigkeit um das neue Staatsoberhaupt. Daß aud die 
Herren von der Rechten das thaten und ſich nicht, wie fie anfangs 
wollten, der verfaffungsmäßigen Votierung der Regentihaft 
wiberfegten, war zum Teil das Verbienft des aus Frankfurt 
berbeigeeilten Bismard. Am 26. Oktober leiftete der Prinz- 
regent vor dem Landtage den Eid auf die Verfaſſung. Damit 
war die neue Regierung völlig konſtituiert: aus eigenem Recht 
an des Königs Stelle zu handeln befugt, gab der Prinzregent 
nun aud feine ſcheinbar meinungslofe Paffivität auf und 
handelte in bem vollen Bemußtfein des aud ohne Krone ihm 
aufgelegten königlichen Berufes. 

Daß ihm bejondere Sympathie entgegengebraht, Großes 
von ihm erwartet worden wäre, läßt fih nicht fagen. Man 
tannte ihn ja nicht und hatte weber von feiner Denkweiſe 
noch von feinen Fähigkeiten ein Bild. Wohl war die in ben 
Märztagen ihm angeheftete Verleumbung widerlegt. Aber daß 
er vor allem Soldat war, ſchien mandem bedenklich. Zwar 
wußte man, daß er die Politik des Bruders nicht billigte. 
Aber auch als Genofie des Kreifes, defien Organ das 
„Preußiſche Wochenblatt” war, gab er für die Erfüllung weiter 
gehender Wunſche feine Gewähr. Von feinen Anlagen hatte 
man feine befonders günflige Meinung. Die Art, wie er fi 
während der Stellvertretung nad des Bruders Vorbild 
„effaziert“ hatte, ſchien das zu beftätigen. Nur wenige Ver- 
traute hatten einen Blick in fein Inneres gethan. Denn 
defien Reichtum und Tiefe lag mehr im fittliden als im 
intelleftuellen Gebiete. Er mar fein probuftiver, fein jehöpferi« 
ſcher Geift, jondern mehr auf das Empfangen gerichtet, da 
aber in unvergleihlidem Maße befähigt, das Empfangene 
unter Wahrung feiner Selbftändigkeit fo zu verarbeiten, daß 
& ganz in fein Denken und Fühlen überging, gleichſam ein 
Stud feines Lebens wurde, und fo fchließlih ihm und anderen 
wie in ihm entiprungen erſchien. Denn bier beruhte dieje 


1. Die neue era. 341 


Anpaffungsfähigfeit, die ſonſt fo leicht zu Charakterlofigfeit 
führt, in einer feit in ſich gegründeten fittlihen Perfönlichkeit, 
die alles Zweibeutige, Unlautere ober gar Unmahre von fih 
ftieß und, im fteter Selbftzuht und Selbftprüfung mit fid 
jelbft einig zu fein beftrebt, al ihr Thun und Laſſen maß an 
dem mit feltener Tiefe erfaßten und feft im Auge behaltenen 
Begriff der Pflicht. Prinz Wilhelm Hatte nichts von ber 
Genialität feines unglüdlihen Bruders: wohl aber paarte 
fi) in ihm auf das glüclichſte die ruhig, faft ſchwerfällig be— 
fonnene Art des nüchtern verftändigen Vaters mit der tiefen 
Gemütsinnigfeit der lebhaft empfindenden Mutter. Cinander 
bald mäßigend, bald anfeuernd, haben biefe Eigenſchaften ihn 
befähigt, bis in das höchſte Alter neue, ja ihm urfprünglich 
wiberftrebende Ideen aufzunehmen und mit der Wucht feiner 
fittlichen Energie verwirklichen zu helfen. Obne felbft ſchöpferiſchen 
Geiftes zu fein, wurde er fo der Schöpfer eines neuen Preußen 
und eines neuen Deutfhland. An fi fein großer Mann, ift er 
doch, fi felbft fait unbewußt, für Mit: und Nachwelt die 
volllommenfte Verförperung einer großen Zeit geworden. Reich 
an berzgewinnenden, menſchlich liebenswürdigen Zügen, bietet 
jein Bild, wie es fi in drei Jahrzehnten in unerſchöpflicher 
Zebensfülle ausgeftaltete, eigentlich feinen an fi) großen Zug, 
und do ift es als Ganzes wahrhaft Hiftorifch groß. Wohl 
ward ihm gerade in dem kritifcften Augenblid das Fürften 
fo felten beſchiedene Glüd zu teil, einen Berater zu finden, 
der ihm glei) war in rüdhaltlofer Offenheit, unverbrüchlicher 
Wahrheitsliebe und Hingebender Treue, weit überlegen aber 
an ſchöpferiſcher Geiftesfraft, fröhlihem Wagemut und mit der 
Sicherheit des großen Menſchenkenners die in ihm ſchlummernden 
Kräfte des Geiftes und des Willens in Thätigkeit fegte und 
auf das Ziel richtete, das er alle Zeit in dem jehnenden Herzen 
feftgehalten, aber jo zu erreichen niemals für möglich gehalten 
hatte, das Glüd und die Größe Preußens. Wie des Prinzen 
Stärke ohnehin mehr im der Negative lag, indem mehr als 
nüchterne politiſche Berechnung fein fittlihes und patriotiſches 
Gefühl ihm fiher finden ließen, mas als nicht recht und nicht 
gut zurüczumweifen war, das bat der enttäufchende Verlauf der 


342 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


erften Jahre jeines Regimentes gelehrt. Yon dem beften Wollen 
erfüllt, fand er doch in ſich felbft fo wenig wie bei feinen 
Gehilfen den Mut und die Kraft, aus dem Bruch mit der als 
verwerflich preisgegebenen Vergangenheit für Gegenwart und 
Zukunft die richtigen Konfequenzen zu ziehen, und geriet fo 
in Halbheiten und Widerfprüde, die ihn an allem und viele 
an ihm irre machten. 

Nicht ſowohl feine politifden Prinzipien, als die Art, 
wie es fie vertrat, machte dem Prinzregenten bie Beibehaltung 
des Minifteriums Manteuffel unmöglich. Konfervativ wollte 
aud er regieren, aber mit Ehrenmännern, und ba er in feiner 
Pietät ‚gegen den Bruder auch die Verdienſte Manteuffels 
anerkannte, dachte er zunächſt daran, ihm perfönlich verbundene 
Vertrauensmänner unter deſſen Vorfig in einem Kabinett zu 
vereinigen. Dazu aber wollten diefe fich natürlich nicht hergeben. 
Als nun aber die Minifter jelbft, nach Gerlachs Urteil freilich 
nur Stolz und faljche Delikateſſe vermeidend, in einem Bericht 
am 30. Dftober ihr Verbleiben im Amt als notwendig bar- 
ftellten, befchloß er, neue, bisher noch nicht angefeinbete 
Perſonen unter dem Vorſitz bes als liberal und national 
denkend befannten Fürflen Anton von Hohenzollern in bie 

. Regierung zu berufen. Am 3. November erklärte er Manteuffel, 
feine Anfihten wichen prinzipiell und formell von denen bes 
Minifteriums zu fehr ab, um bie nötige Einmütigfeit des 
Handelns zu ermöglichen, der Blid auf die Zukunft aber 
nötige ihn, der Vergangenheit nicht überall Rechnung zu tragen. 
So mild die Form und fo freigebig der Prinz mit ben ber- 
kömmlichen Belohnungen war — Manteuffel lehnte alles ab 
und nahm ſchließlich nur die Brillanten zum Schwarzen Adler⸗ 
orden an: thatſächlich wurden doch die Minifter, bie nicht 
gehen wollten, von ihm weggeſchickt. Das fteigerte den Ein- 
drud auf die öffentliche Meinung: wie von einem Alp befreit, 
atmete fie erleichtert auf, vermutete nun aber bei dem Prinzen 
weitergehende Abſichten, als er hegte. 

Schon daß in dem neuen Minifterium, wie es am 6. No— 
vember ins Amt trat, Simons und v. d. Heydt blieben, fenn- 
zeichnete es ala ein weſentlich Eonfervatives. Mit der Vergangen⸗ 


I. Die neue Aera. 343 


beit follte nicht gebrochen, jondern es follte nur bie ſorglich 
beſſernde Hand angelegt werden, wo fi Willkürlihes oder ben 
Bedürfniffen der Zeit Widerftreitendes zeigte. In biefem Sinne 
entwidelte ber Prinz am 8. November in einer Anſprache an 
das neue Minifterium fein Programm. Es gelte vor allem die 
rechte Erkenntnis der vorhandenen Bebürfnifie in Wahrheit, 
Gefeglickeit und Konfequenz: nur fo werde die Regierung 
reinen Gewiſſens, ſtark und allem Böfen entgegenzutreten 
berechtigt fein. Im einzelnen betonte er die Notwendigkeit 
größerer Aufwendungen für das Heer, tadelte ſcharf die kirch⸗ 
liche Mißwirtſchaft, welche die Religion zum Dedmantel politie 
fer Beftrebungen mißbrauche und eine Orthoborie, Heuchelei 
und Scheinheiligfeit geoßgezogen habe, die man entlarven müfle, 
ehe es zu fpät fei. Diefe Worte trafen den dunkelften Punkt 
in dem bisherigen Syſtem. Der Jubel über fie ließ mande 
Unklarheit und Lüde des Programms überfehen. An ſolchen 
fehlte es nicht. Da war die Rede von moralifhen Eroberungen, 
die Preußen durch weile Gefege im Innern und Pflege der 
Einigungsmomente in Deutſchland machen folte. Diefe Phrafe 
offenbarte eine ganz unrichtige Vorftellung von ber wahren 
Natur der deutſchen Frage. Was war der reale Inhalt der 
ſchwungvollen Erklärung, die Welt müfle willen, daß Preußen 
überall das Recht zu ſchützen bereit ſei? Und wenn ſchließlich 
gefordert wurde, Preußen müfle dur Befonnenheit, Energie 
und Konfequenz feiner Politik erfegen, was ihm an materieller 
Macht fehle, fo lag darin ein unpolitifches Eingeſtändnis der 
Schwäche, nad dem der Redner aus ber Geſchichte der letzten 
zehn Jahre wenig gelernt zu haben ſchien. 

Solch realpolitiſche Anſchauungen aber waren jener Zeit 
nod fremd. Sie dem preußifhen Volfe anzuerziehen, bedurfte 
es noch einer harten Lehrzeit. Ihr Anfang war die neue 
Aera, welche die beften Abfihten und den reinften Willen ſcheitern 
fah, weil in der Politik nicht ideale, fondern reale Momente 
der Macht den Ausfchlag geben. Auch des Prinzregenten neuen 
Beratern war biefe Erkenntnis, die fih Bismard in Frankfurt 
erſchloß, noch nicht aufgegangen. Bon dieſen patriotiſchen 
Ehrenmännern war Feiner ſtaatsmänniſch hervorragend begabt, 


34 Fünfte Bud. Die neue Aera und der Konflitt. 


und 8. v. Gerlad hatte nicht ganz unrecht, wenn er das neue 
Minifterium impotent ſchalt, obgleih er von der Berufung 
des ohne Portefeuille eintretenden Rudolf v. Auerswald 
(&. 308), des als liberal bewährten vertrauten Jugendfreundes 
des Prinzen, und v. Patows, ber der Reaktion freimütig 
entgegengetreten war, zum Finanzminifter ſchweren Anſtoß 
nahm. Der Kriegsminifter v. Bonin war zur Seit bes 
Rrimkrieges mit dem Prinzen ala Gegner Rußlands bitter 
angefeindet worden (S. 328). Auch v. Bethmann-Hollweg, ein 
angefehener Gelehrter, ftand dem Prinzen feit Jahren freund: 
ſchaftlich nahe, während der Minifter des Auswärtigen, 
v. Schleinig, einft ein Vorkämpfer der Union, feine Berufung, 
wie es ſcheint, dem Einfluß der Prinzeffin verbanfte, die bes 
arglofen Gemahls Politit unmerklich entfchiebener Tiberal zu 
geftalten firebte. Dazu zu helfen war auch Flottwell, obgleich 
ein ehrlicher Anhänger der Verfaſſung, nicht der Mann. Der 
Fürft von Hohenzollern aber ftügte das Minifterium zumeift 
durch die Popularität, die er dem Verzicht auf die Souveränität 
und die Abtretung feines Ländchens an Preußen (1848) ver 
dankte. So entbehrte fein Minifterium der politifhen Einheit 
und wurde nur buch bie perfönliche Verbindung ber einzelnen 
Mitglieder mit dem Negenten zufammengehalten. Auch wollte 
dieſer felbft feinen Syftemmechjel vollzogen haben, fondern 
legte Wert darauf, die Kontinuität mit des Bruders Regierung 
auch innerlich gewahrt zu haben 

So begann die neue Aera mit einem inneren Widerſpruch, 
der offen zu Tage treten mußte, ſobald ftatt unbeſtimmt ver- 
beißungsvoller Worte Thaten gefordert wurben. Die Reaktion 
hatte es an folden nicht fehlen lafjen: bie gleiche Konſequenz 
erhoffte das Volk von ihren fo plöglich ans Ruder gefommenen 
Gegnern. Daher fein Jubel bei dem Belanntwerben des 
Minifterwechfeld und der Anſprache des Negenten an bie 
Männer jeines Vertrauens; daher feine Enttäujhung und Ver: 
flimmung, als die Thaten ausblieben und es fi allmählich 
überzeugen mußte, baß der Wandel fein prinzipieller fein, 
fondern auf bie Methode beſchränkt bleiben folle. Zwar wurde 
dur die Neuwahlen, für die Flottwell den Beamten die bis- 


1. Die neue Xera. 345 


ber übliche Beeinfluffung unterfagte, bie bisherige Rechte gleich- 
ſam weggefegt — von ihren 224 Mitgliedern kehrten nur 38 
wieder. Aber die großen liberalen Reformen erfolgten nicht, 
obgleich, um der Regierung ihrerfeits nicht Schwierigkeiten zu 
bereiten, bie ehemalige Linke dem Wahlkampf felbftverleugnend 
fern geblieben war. Dennoch beunrubigte den Prinzregenten 
das Wahlergebnis: nicht eine freudige Zuftimmung zu feinem 
Programm entnahm er ihm, fondern daß man feinen Worten 
einen anderen Sinn unterlege und ihm durch die Minifter, 
deren Parteigenofjen bie fihere Mehrheit hatten, weitere Zu: 
geftändniffe abdringen und ein die Vergangenheit rüdhaltlos 
verleugnenbes liberales Regiment aufnötigen wolle. Ihm felbft 
wurde der Widerfpruh, an dem bie neue Aera krankte, bamit 
bereits unbehaglich fühlbar, zumal der Wandel in Preußen 
auch auf die übrigen deutſchen Staaten mächtig einwirkte. 
Ueberall wurden die jo lange als ausfichtslos ruhenden nationalen 
Beſtrebungen, die au für den Prinzen eines revolutionären 
Beigefämads nicht entbehrten, eifriger.und planmäßiger als 
früher erneut. Es ſchien faſt, als ob, wie einft Rabowig 
gewollt, die Wiederaufnahme der deutfchen Frage zur Löfung 
der preußifchen beitragen folle, während Bismard vergeblich 
darzuthun fuchte, daß jene nur von dem Standpunkt ber 
europäifchen Politik aus angegriffen werben könne, ihre Löfung 
aber die der anderen einfchließen werde. 

Am meiften und dankbarften empfand man den Segen 
der neuen Aera in dem Gebiete bes geiftigen Lebens. Die 
Preſſe konnte wieder ihre hohe und verantwortliche Aufgabe 
erfülen. Eine große Zahl bisher ruhender Talente wurde 
durch fie der politiſchen Tagesarbeit gewonnen und immer 
weitere Kreife zu verfländnisvollerer Teilnahme daran ge— 
bildet. Getreu ihrem in einer großen Vergangenheit wurzeln- 
den Berufe fonnten die Univerfitäten wieder nicht bloß die 
Wiſſenſchaften, fondern auch deren Verbindung mit dem ge— 
famten nationalen Leben pflegen. Aus den Reihen ihrer aus 
politiſchen Gründen fo lange zurüdgefegten Lehrer erftanden der 
neuen Aera einige der tüchtigften Vorkämpfer und Mitarbeiter. 
Der Hiftorifer Mar Dunder, einft wegen feiner vernichtenden 


346 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


Kritit von Olmütz verfolgt, wurde von Tübingen nad Berlin 
berufen, als Geheimrat attadjiert dem Minifterpräfidenten 
Hohenzollern und im Auswärtigen Amte und ber Prefie be 
ſchäftigt. Auch in die höheren Schulen zog wieber ein freierer 
Geift ein. Schwerer war es, die Volksſchule, die vermöge der 
Negulative von 1854 (S. 323) ganz der Raumerſchen Richtung 
unterworfen war, aus dieſen Banden zu löſen. Am beftigiten 
aber entbrannte der Kampf auf dem kirchlichen Gebiete, wo 
bie bisher herrſchende Partei einen mohlbefeftigten Beſitzſtand 
verteidigte. Unterftügt wurde fie dabei aus politifhen Gründen 
von den num in bie Oppofition gedrängten Junfern, die fi) den 
Anſchein gaben, als ob fie Thron und Altar gegen revolutionäre 
Minifter zu verteidigen hätten. Vornehmlich ftießen dieſe 
Gegenfäge in dem Gebiete der Chegefeggebung zufammen. 
Bereits unter Friedrih Wilhelm IV. hatte diefe eine ähnliche 
Rolle gefpielt (S. 204), da die politifde und kirchliche Reaktion 
ihre firengen Anſchauungen namentlih in Bezug auf Ehe: 
ſchließung und Eheſcheidung zur Herrihaft bringen wollte. 
Doch war man über gewifje formale Befimmungen, welche bie 
bisherige Wilfür abftellen ſollten, nit binausgefommen und 
auch bei der Aufnahme der dem Könige fehr am Herzen liegen: 
den Sache in den Jahren 1854—57 war eine Einigung nit 
erreicht worden. Der König jelbft nahm dabei eine merkwürdige 
Stellung ein, indem er, damit die evangelifhen Pfarrer nicht 
Shen wider ihr Gewiſſen einzufegnen genötigt werden könnten, 
die Einführung der Zivilehe forderte. Damit aber ftieß er 
gerade in feiner nächften Umgebung auf Widerftand. Au 
ein noch 1857 gemachter Verſuch dazu war geſcheitert. Daher 
hatten fi die auf biefem Gebiete herrſchenden Mißſtände fo 
vermehrt und die ihnen entjpringenden Konflikte jo verſchärft, 
daß das Minifterium ber neuen Aera fie abzuftellen eilte. Es 
griff dazu, freilih aus anderen Gründen, auf des Königs 
Gedanken zurüd, indem es die Hinbernifje, welche die orthobore 
Geiftligfeit der Wiederverheiratung Geſchiedener bereitete, 
durch Einführung der Notzivilehe befeitigen wollte Doch 
brachte es den mit dem Abgeorbnetenhaufe vereinbarten Geſetz⸗ 
entwurf in dem Herrenhaufe noch nicht zur Annahme. 


I. Die neue Xera. 347 


Gegenüber diefem Mangel an Erfolgen im Innern war 
& faf ein Glüd für das Minifterium, daß eine große euro: 
päifhe Krifis alles Intereffe auf das Auswärtige Fonzentrierte, 
mochte ihr Verlauf aud nur aufs neue die Gebrechen offen- 
baren, die Preußens geringe Geltung unter den Großmächten 
verſchuldete und der Einſicht Bismards Anhänger gewann, 
nur von ber europäifhen Politik aus fei Preußen in Deutſch⸗ 
land zu dem gebührenden Einfluffe zu verhelfen. 

Der Neujahrstag 1859 ftellte Europa plöglih vor bie 
Gefahr eines öfterreichifch-frangöfifhen Krieges um Stalien. 
Daß dabei nicht bloß der Deutfche Bund, fondern auch Preußen 
dem Kaiſerſtaate zur Rettung feines Befiges und feiner Macht⸗ 
ſtellung in Jtalien Heeresfolge leiften werde, galt in Wien 
ala felbftverftändlih, obgleih die dur den Kampf um ben 
Zollverein und das Beſatzungsrecht in Raſtatt erzeugte Spannung 
mit Preußen durch die Aufnahme der fehleswig-holfteinifchen 
Frage noch verfchärft war. Aber die Zeiten hatten ſich geändert. 
Während in Süddeutſchland die von Wien ber geflifjentlich 
erregte öffentliche Meinung zum Kriege gegen Frankreich Drängte, 
blieb der Norden ruhig und bewahrte man namentlih in 
Preußen eine Befonnenheit, die zeigte, daß man DOlmüg 
nicht vergefien und über die Intereſſengemeinſchaft mit 
Defterreih anders urteilen gelernt hatte. Zu der Kühnheit 
eines Bismard freilih erhob fih in den Regierungskreiſen 
fonft niemand: der Gedanke, Deſterreichs Bedrängnis zu einer 
Löfung der deutſchen Frage im preußiſchen Sinn zu benugen, 
hatte bes allzu thatenluftigen Bundestagsgefandten „Ralt- 
ſtellung“ in Petersburg zur Folge. Aber der Gang der Dinge 
nötigte ben Prinzregenten auf einen Weg, ber unbewußt von 
einer ähnlichen Erwägung ausging und, wenn er Fonfequent 
verfolgt worden wäre, zu einem ähnlichen Ergebnis geführt 
haben würde. Das Werben Defterreihd um Hilfe wurde von 
Berlin aus beantwortet erft duch das Erbieten zur Der: 
mittelung, bie Defterreih, bemilligte es feinen dortigen Unter: 
thanen die allgemein als unerläßli anerkannten Reformen, 
feinen ttalienifhen Befig erhalten follte, dann, nad; deren 
ſchließlicher Ablehnung dringender erneut, durch die Erklärung 


348 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


der Neutralität, ber die gleichzeitig befohlene Kriegsbereitſchaft 
der Armee Nahdrud gab. Als dann der erſte Zuſammenſtoß 
für Defterreih ungünftig ausging, erklärte der Prinzregent 
nochmals feine Bereitwilligleit, zu vermitteln; verlangte aber 
zugleich auf bie bereits früher geftellten Bedingungen hin den 
Oberbefehl über das Bundesheer. Das Wiener Kabinett lehnte 
das nicht ab, wünſchte jedoch die fchriftlihe Feftlegung dieſes 
Abkommens. Dann hätte es Preußen in der Hand gehabt, 
Frankreich gegenüber bloßftelen und fo zu ſich herübernötigen 
Tönnen. Preußen verweigerte dies jedoch als unvereinbar mit 
der Stellung eines Vermittlers, hielt aber fachlich fein Aner: 
bieten aufrecht und wollte je nad) dem Erfolge der Vermittelung 
meiter handeln, wie es feine Pflichten als europäifhe Groß: 
macht und der hohe Beruf Deutſchlands erheifchten (14. Juni). 

Es war doch bezeichnend für den Wandel der in Berlin 
herrſchenden Auffaſſung, daß die europäifche Großmachtsſtellung 
Preußens fo vorangeftellt wurde. Dem entſprach auch die gleich: 
zeitige Mobilmachung von ſechs Armeecorps (180 000 Mann) 
und ber Antrag, die beiden ſüddeutſchen Bundescorps in der 
Stärke von 60 000 Mann beobadtend aufzuftellen. Oeſterreich 
aber genügte das alles noch nicht, zumal bie nationale Be— 
wegung in Italien mit der Verjagung der Regierungen von 
Toslana, Modena und ber Romagna revolutionär wurde. Biel: 
mehr erhob es, ale ob es noch das Preußen von Warſchau und 
Olmütz vor fih hätte, Anfprüce, deren Erfüllung Preußen 
zu feinem heerespflichtigen Vaſallen herabgejegt hätte, während 
diejes doch eben im Rat der Großmächte den ihm gebührenden 
Platz wiebergewinnen wollte. Es erflärte (22. Juni) Preußen 
für von Bundes wegen verpflichtet, fein Gejamtgebiet zu ver- 
teibigen und feine Schughoheit über die italienischen Klein- 
ftaaten erhalten zu helfen. Trotzdem ſuchte Preußen England 
und Rußland für eine Vermittelung zu gewinnen, damit fie 
Franfreih zur Räumung der Lombardei, Defterreih zur Bes 
willigung ber nötigen Reformen in feinen italienifchen Provinzen 
nötigen bülfen. Zugleich aber machte es num feine ganze Armee 
mobil und beantragte in Frankfurt die Zufammenziehung auch 
der beiben norddeutſchen Bundescorpe. Bald waren jeine 


I. Die neue era. 349 


Truppen nah dem Rhein in Marſch. Fiel es Frankreich in 
den Arm und rettete Defterreih Italien, fo gewann es eine 
ſchiedsrichterliche Stellung in Europa, und niemand hätte ihm 
dann die Hegemonie aud in Deutſchland vorenthalten Fönnen. 
Es war daher nur konſequent, wenn der Prinzregent gleich 
jegt den unbejchräntten Oberbefehl über die Bunbesarmee 
forderte, und wie ein Hohn mußte es erfcheinen, wenn bagegen 
Defterreih beantragte, ihm bdenfelben im Einflange mit ber 
Bunbesfriegsverfaffung vielmehr unter der Autorität des 
Bundestages und Mitwirkung von defien Kommiſſarien anzu: 
vertrauen. Aber noch ehe die Sache zum Austrag kam, trat 
in Stalien eine überrajchende Wendung ein. Am 24. Juni bei 
Solferino entſcheidend geſchlagen, ſchloß Franz Joſeph am 
8. Juli in Villafranca einen Waffenſtillſtand. Ihm folgte 
nach einer perſönlichen Begegnung ber beiden Kaiſer (11. Juli) 
ein Präliminarfrieden (15. Juli), der Defterreich die Lombarbei 
toftete, ben Stalienern aber den Verzicht auf die verheikene 
Einheit und Freiheit auferlegte. 

Alfo auch mit biefer erften großen, unter Einfegung 
feiner ganzen Macht durchgeführten Aktion hatte das Preußen 
ber neuen Aera nicht den gewünfchten Erfolg. Deſterreichs 
Territorialbeftand blieb nicht ungekürzt, die militärifche Leitung 
des Bundes erhielt es nicht. Frankreich grolte ihm wegen der 
ihm bereiteten Hinderung, Oeſterreich, weil es nicht auch diefen 
Verluft von ihm abgewandt. Napoleon III. entſchuldigte feine 
Inkonſequenz vor Italien und der Welt mit dem Hinweis 
auf den fonft unvermeidlichen Krieg mit Preußen und Deutich- 
land; Franz Joſeph machte in dem Manifeft, dur das er 
feinen Völkern den Frieden fund that, in verlegendfter Weife 
Preußen verantwortlih für den Verluft der Lombardei, indem 
er ihm Bruch der alten Bundestreue vorwarf. Den Prinz- 
regenten, der fi bewußt war, nur das Beſte Gejamtdeutich- 
lands gewollt zu haben, empörte ſolche Verleumbung: in ſcharf 
gefaßten Erklärungen ließ er fie als folde erweifen. Der 
daraus entfpringende Preßfrieg fleigerte ſich zu einer Leiden- 
ſchaftlichkeit, welche die hier zufammenftoßenden Gegenfäte als 
unausgleihbar kennzeichnete. Doc blieb Preußens Haltung 


350 Funftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt. 


nicht umbelohnt. Selbft im Süden brad fi angefichts der 
legten Creigniffe bier und da die Erkenntnis Bahn, daß 
Defterreih fo wenig wie ber Bund Deutfhland zu ſchützen 
vermöge, fondern allein Preußen dazu nicht bloß entſchloſſen, 
ſondern aud fähig fei. Der einft fo leidenſchaftlich befämpfte 
Gedanke an die Hegemonie Preußens gewann aud dort An= 
bänger. Für ihn Propaganda zu machen und bie öffentliche 
Meinung für Preußen als den Staat ber beutfhen Zukunft 
zu gewinnen, ftelte fi ber im Herbſt 1859 zu Frankfurt 
am Main unter Leitung des Gannoveraners R. v. Bennigfen 
gegründete Nationalverein zur befonderen Aufgabe. Bon ben 
preußenfeindliden Mittel- und Nleinftaaten angefeindet und 
verfolgt, fand er in dem dem Prinzregenten verwandten und 
befreundeten Herzog Ernft I. von Koburg einen verftänbniss 
vollen und tapferen Proteftor, erlangte aber doch nur in 
Norddeutſchland Einfluß. 





I. Die deuffche Frage und die Beeresreorganifafion. 
1857—1862. 


Wenn von moralifhen Eroberungen Preußens, wie fie 
der Prinzregent in der Anſprache an feine Minifter gefordert 
hatte (S. 343) überhaupt geſprochen werben fonnte, fo war 
der Ausdrud berechtigt angefihts des Wandels, den bie 
Stellung Preußens Europa und Deutfchland gegenüber durch 
feine Haltung während des italienifhen Krieges erfahren hatte. 
Allerdings hatte es das, mas es eigentlich erftrebt, ſchließlich 
ja nit erreicht. Wenn aber nachmals Bismard die Politif 
Preußens in jener Krifis befonders abfällig beurteilt hat, 
indem er fie ala das Werk der Prinzeffin von Preußen und 
des von ihr an die Spike bes Auswärtigen gebrachten 
Minifters Grafen Schleinig darftellt und in ihr nichts fieht 
als das gewohnheitsmäßige Beftreben, fi den Beifall der 
deutſchen Zürften, des Kaifers von Defterreih und zugleich 
der deutſchen Preffe zu erwerben, und fie herleitet aus dem 
unflaren Bemühen um einen idealen Tugendpreis für Hins 
gebung an Deutſchland, fo entipringt das doch zum Teil ber 
begreifliden Mißſtimmung über die Erfolglofigkeit feiner eigenen 
Bemühungen ihr eine andere, Defterreih feindliche Richtung 
zu geben. Außerdem wirft dabei mit feine durch fpätere Vor⸗ 
gänge gefteigerte Abneigung gegen des Prinzregenten nad 
politifdem Einfluß firebende Gemahlin und ihren ihm befonders 
antipathiſchen Günftling. Anbererjeits aber offenbart ſich darin 
doch auch bie Geringihägung, die ber größte Realpolitiker, 
den Deutfchland hervorgebracht hat, gegen die in der Gefchichte 
wirkenden idealen Mächte eigentlich allegeit empfunden hat. 
Thatfähli aber wurde Preußen eben jegt zum erfienmal 
wieder als ein Faktor anerfannt, mit bem bie europäifche 


352 Fünfte Bud. Die neue Aera und der Konflitt. 


Politit unter allen Umftänden zu reinen hatte, und ber baher 
auch in Deutſchland felbft nicht ungeftraft überfehen werben 
durfte. Sogar in Defterreih, das feiner Erbitterung über bie 
ihm angeblich bereitete Enttäufhung in ganz ungewöhnlichen, 
faft beleidigenden Formen Ausdrud gegeben hatte, drang 
bald die Weberzeugung dur, daß man Preußen doch auch in 
Zukunft nit entbehren könne, und der Prinzregent, obgleich 
man ihn vor Europa bloßzuftellen verfuht hatte, war edel 
genug, auch feinerfeits die Hand zur Verföhnung zu bieten. 
Als ein politifcher Fehler, wie Bismard ihn darin fieht, ift 
das auch durch den fpäteren Verlauf der Dinge nicht erwiejen 
worden. Wie nicht felten, ift auch Hier das Urteil Bismarcks 
über politifche Fragen ber Vergangenheit irregeleitet durch die 
Erfolge, die er in fpäteren Zeiten auf anderem Wege unter 
weſentlich anderen Umftänden gewonnen bat. 

Obgleich aber der Standpunkt, den der bamalige preußifche 
Bundestagsgeſandte Defterreich gegenüber vertrat, mit dem 
feiner Regierung feineswegs übereinftimmte, trug doch aud 
er bazu bei, das während des italienifchen Krieges durch des 
Prinzregenten Haltung gehobene Anjehen Preußens weiter zu 
fleigern. Er erfcheint babei als der Erbe des einft von ihm 
fo bitter verfpotteten Radowitz, der nad) feinem Sturze bie 
Weberzeugung ausgefprodhen hatte, mit Defterreich gebe e8 feinen 
Frieden, feine Verftändigung; das Deutfche Reich müſſe alfo 
gegen Defterreih gegründet und auf bie rein deutſchen Lande 
beſchränkt werben; nur duch den Krieg mit Defterreich laſſe 
ſich die Revolution vermeiden. Seit Jahren empfahl er eben. 
falls feiner Regierung Zurüdhaltung auch gegen die übrigen 
deutſchen Höfe, damit fie genötigt würden, Preußens Gunft 
dur Entgegenfommen zu erwerben. Gegen Oeſterreich führte 
er am Bunbestage einen zähen, täglichen und ftündlichen Kampf, 
deſſen Erfolglofigfeit ihn almähli an ber Möglichkeit einer 
Beſſerung des Verhältniffes ber beiden deutſchen Großmächte 
verzweifeln ließ. Er ging dabei darauf aus, das Wiener 
Kabinett zu überzeugen, daß Preußens Bruberliebe nit uns 
erjhöpflih und ber Weg nad Mähren no nicht vergefien 
fei. Denn Defterreihs Furcht vor Preußen, fo meinte er, 


I. Die deutfche Frage und die Heeresreorganifation. 353 


werde dem Frieden förberliher fein, als wenn es mit völliger 
Sicherheit auf Preußens Hilfe rechnen Fünne. Unmöglich, fo 
bemühte er fih in Berlin begreiflich zu machen, könne Preußen 
am Bunbestage dauernd im Stande ber Notwehr bleiben und 
werde befiere Zuftände am erften herbeiführen, wenn es den 
thatſächlichen Beweis bafür liefere, daß ohne fein Einverfländnis 
der Bund überhaupt nichts zu leiften vermöge. Er that bar, 
daß Preußen in Frankfurt lebiglih auf das Gewicht feiner 
eigenen Macht angewieſen fei und auf die Kräfte, welde ihm 
die Kraft feiner eigenen Entjchlüffe verleihen werde. Ihm 
felbft war bereits die Erkenntnis aufgegangen, daß die Inter 
efien des Deutſchen Bundes und die deutſch⸗nationalen Inter 
effen nicht identiſch jeien, und ihre Iandläufige Identifizierung 
Har geworben als eine Fiktion, die Preußen zerftören müſſe, 
weil fie den der nationalen Idee in Deutichland eigenen 
Nimbus in den Dienft feiner Gegner ftele. Er fah in dem 
Bunde längft nichts mehr als eine Anftalt zur äußeren und 
inneren Sicherheit des Bundesgebietes und wollte ihm eine 
andere Bebeutung in Zukunft nicht zugeftanden willen, damit 
der Irrtum endlich aus der Welt geihafft werde, daß Preußens 
Gefinnung gegen Deutihland nah feiner Fügfamfeit gegen 
die Beihlüffe der Mehrheit der Bundesverfammlung bemeſſen 
werden müfle. Bei dem Fortgange nad) Petersburg faßte er 
das Ergebnis feiner Frankfurter Erfahrungen kurz dahin zus 
fammen: „Ich ſehe in unferem Bundesverhältnis ein Gebredhen 
Preußens, das wir früher oder fpäter ferro et igni werben 
heilen müſſen.“ 

So weit war man in Berlin natürlich noch nicht, aber 
ein ähnliches Ziel, nur weniger ſcharf umriffen und beftimmt 
ins Auge gefaßt, ſchwebte doch aud dem Prinzregenten bei 
der Haltung vor, die er infolge des italieniſchen Krieges, den 
Bismard gern ganz anders benugt geſehen hätte, Oeſterreich 
und dem Bunde gegenüber einnahm. ebenfalls griff er au 
nad Abwendung der Gefahr den eigentlichen Kernpunkt ber 
deutſchen Frage mit größerem Nahbrud auf als bisher, in= 
dem er die endlide Neuordnung ber Bundeskriegsverfaſſung 
betrieb und den Antrag ftellte, von ben Bundescorps bie 

Brus, Preudiſche Geſchichte. IV. 23 


354 Funftes Buch. Die neue Aera und ber Konflikt. 


beiden norddeutſchen dem preußifhen, bie beiden jüdbeutfchen 
dem öfterreichifchen Heere anzufügen und damit bie heile Frage 
nad) der Beftellung eines Bundesfeldherrn umging. Ein wies 
viel größeres Gewicht diefem Antrage im Hinblid auf Preußens 
wehrhafte Haltung in ben legten Monaten jegt auch von ben 
Gegnern beigemeffen wurde, bewies bie plögliche fieberhafte 
Geſchäftigkeit, mit der die Mittelftaaten Preußen in der öffent: 
lihen Meinung den Rang abzulaufen ſuchten. Im November 
verfammelten fi ihre Minifter in Würzburg und entwarfen 
ein weit umfaſſendes verheißungsreihes Reformprogramm, 
das den Bund im Sinne eines Bundesſtaates vervolllommnet 
haben würde, aber natürlich nit ernft gemeint, fondern nur 
zu Blenden beftimmt war. ebenfalls konnte Preußen das Netz 
derartiger Künfte und Liſten zerreißen, fobalb es in biefer 
Richtung wirklich ernft handelte. 

Den beften Beweis aber für die Nichtigkeit bes Weges, 
den Preußen mit feiner Politit 1859 eingefchlagen hatte, gab 
die Art, wie der Kaiſer der Franzoſen, der do allen Grund 
hatte, ihm zu grollen, fi vielmehr um ein freundliches Ein- 
vernehmen mit ihm bemühte und burd feine Vermittelung 
auch die übrigen deutichen Staaten von feinen friedlichen Ab: 
fihten zu überzeugen ſuchte. Er hatte fi) bald fagen müſſen, 
daß der von ihm wenigitens eingeleitete Verfuh, den Prinz 
regenten zu ſich herüberzuziehen und durch eine Vergrößerung 
Preußens in Deutſchland zu einer gleichen Gefälligkeit gegen 
Frankreih auf Koften Deutſchlands zu gewinnen, nicht bie 
geringfte Ausfiht auf Erfolg habe, während die neuen Um: 
mälzungen in Stalien in ganz Deutichland wachſende Sorge 
vor feinen Abfihten erregten. Zwar war am 20. Januar 1860 
ein franzöſiſch-deutſcher Handelsvertrag geſchloſſen, der durch 
die Pflege der gemeinſamen wirtſchaftlichen Intereſſen beide 
Völker einander enger zu verbinden verhieß, aber der Prinz⸗ 
regent glaubte doch dem in Deutichland herrſchenden Mißtrauen 
gegen Napoleon III. fo weit Rechnung tragen zu müflen, daß 
er jorgfältig alles vermied, was auf das Vorhandenfein eines 
geheimen Einverftänbniffes mit ihm hätte gebeutet werben können. 
Deshalb Iehnte er des Kaifers wieberholtes Anjuhen um eine 


II. Die deutſche Frage und die Heeredreorganifation. 355 


perjönlihe Zufammenkunft zunächſt unter Vorwänden höflich 
ab, und als es dennoch dringender erneut wurde, machte er 
die nun nidt mehr zu verweigernde Zufage davon abhängig, 
daß als unerläßliche Vorausfegung für die dabei etwa zu führen 
den Verhandlungen die Unverleglichfeit des deutſchen Gebietes 
von feiten Frankreichs ausdrücklich anerkannt werde, gab auch, 
als dies bereitwiligft geſchah, ſämtlichen deutfchen Regierungen 
davon Kenntnis. Als Ort ber Begegnung wurde Baden-Baden 
vereinbart. 

Dennoch zeigten fi die übrigen deutſchen Fürften zunächſt 
höchſt beunruhigt. Auf die Kunde von ber bevorftehenden 
Zufammenkunft fühlten plöglih die Könige von Bayern, 
Hannover und Württemberg das Bedürfnis, gerade um biejelbe 
Zeit ihrerfeits in Baden-Baden die Kur zu gebrauden. Run 
blieb kaum etwas anderes übrig, als auch den König von Sachſen 
zum Erſcheinen einzuladen. Ebenfo eilten die Großherzöge von 
Heſſen und von Weimar, ſowie ber Herzog von Nafjau herbei. 
Andererfeits veranlaßte die Sorge vor einer nachteiligen Be: 
einflufung des Prinzregenten durch die um ihn verfammelten 
reaktionären Fürften, welde die Gelegenheit zu benugen dachten, 
um denſelben nicht bloß zum Verzicht auf die Reform ber 
Bundeskriegsverfaſſung, ſondern auch zur Aufgabe feiner liberalen 
Politik im Innern zu beftimmen und womöglich zu gemein: 
ſamem Einfereiten gegen ben ihnen befonbers verhaßten 
Nationalverein (S. 350) mit fi fortzureißen, den Herzog 
Ernft II. von.Roburg, nad Baden zu kommen, obgleich fein 
Erſcheinen der preußiſchen Regierung wegen feines anerkannten 
Liberalismus und feiner eifrig nationalen Haltung mit Rüd: 
fit auf die anderen Fürften ſehr unerwünſcht war. Da nun 
aud ber Großherzog von Baden als Landesherr anwejend war, 
fand der Kaiſer ber Franzofen, als er am 15. Juni 1860 in 
Baden-Baden eintraf, einen flattlihen Kongreß von deutſchen 
Fürften verfammelt. Einig freilich waren biefelben nur in ber 
Genugthuung, mit ber fie die Beteuerungen feiner Friedens: 
liebe entgegennahmen, während fie im übrigen in ſcharf ge: 
trennte Gruppen zerfielen. Auch Napoleon III. war von dieſer 
Wendung der Dinge wenig erbaut. Mit dem Prinzregenten, 


356 Fünftes Buch. Die neue Aera und ber Konflikt. 


wie er gehofft, im tiefften Vertrauen politifhe Verhandlungen 
zu führen, fand er unter biefen Umftänden feine Gelegenheit. 
Denn die eine Unterrebung, die beide am Abend des 15. Juni 
hatten, betraf auch nur die allgemeine Lage und den zunächſt 
ſehr ungünftigen Eindrud, den bie Einverleibung Savoyens 
in Frankreich in Deutſchland hervorgebracht hatte, obgleich es 
fih dabei nad franzöfifher Auffaffung nur um eine Ent: 
ſchädigung für die Sardinien gegen Oeſterreich geleiftete Hilfe 
gehandelt haben follte. Der Kaifer konnte ſich darüber nit 
täuſchen, daß troß aller Beteuerungen feiner Friedensliebe die 
deutſchen Fürften ihm nicht recht trauten und auch ferner vor 
ihm auf der Hut fein zu müffen meinten. 

So lag die Bedeutung des Badener Fürftenkongrefies viel 
mehr in ben Vorgängen, bie fi, nachdem der Kaifer am 
Abend des 17. Zuni enttäuſcht abgereift war, zwiſchen dem 
Prinzregenten und den anwejenden deutſchen Fürften abfpielten. 
Aber auch fie waren mehr harakteriftifh für die herrichenden 
Stimmungen und Abfihten als wichtig durch politifhe Er- 
gebniffe. Solche waren eigentlich überhaupt nicht zu verzeichnen. 
Den vier Königen fo wenig wie den brei national denkenden 
Fürften von Baden, Weimar und Koburg gelang es, den 
Prinzen für ihr Programm zu gewinnen. Dem wieberholten 
Anfturm der Fürften gegenüber erklärte er in einer Art von 
Thronrede, die im weſentlichen von dem Herzog von Koburg 
und dem als Begleiter bes Fürsten von Hohenzollern erſchienenen 
Mar Dunder (S. 324) berrührte, daß er fomohl in ber 
preußifchen wie in der deutſchen Politik die bisher verfolgte 
liberale Richtung weiter einhalten werbe, ohne ſich durch ihren 
Widerfpruh darin hindern zu laflen, im übrigen die Unver- 
letzlichkeit Deutſchlands unter allen Umftänden zu fügen ent- 
ſchloſſen ſei und deshalb hoffe, daß fie fi ihm allmählich 
nähern würden. Die Zumutung eines gemeinſchaftlichen Ein— 
ſchreitens gegen den Nationalverein lehnte er mit würbiger 
Entſchiedenheit ab. Ueberhaupt ſchloß der Prinzregent perfön- 
lich zu Baden nad allen Seiten bin glänzend ab: jedermann 
rühmte fein einfaches, natürliches, mwürbiges Benehmen dem 
Kaiſer Napoleon gegenüber, dem er jehr gefiel und imponterte; 


1. Die deutſche Frage und die Heeresreorganifation. 357 


auf bie deutſchen Fürften aber machte fein männliches, offenes 
und energiſches Auftreten einen ſehr wohlthätigen Eindrud 
und überzeugte fie, daß es ihnen nicht gelingen werde, ihn nad) 
ihrer Pfeife tanzen zu laffen oder zu einer Syflemänderung zu 
bewegen, vielmehr fühlten fie fi) alle unwillkürlich als Vaſſallen 
Preußens, und das mar jedenfalls ein erfreuliches und ein 
neues Symptom ber Zeit. Die erfie von ben moraliſchen 
Sroberungen, die er für Preußen gefordert, hatte ber Prinz: 
regent unbemwußt felbft gemacht. Daran änderte e8 nichts, daß 
er, als König Mar II. von Bayern in ihn drang, er möge bie 
Spannung mit Defterreih vollends begleihen und dazu feine 
Anträge auf Reform der Bundeskriegsverfaſſung fallen laſſen, 
zumal dieſe Deutſchland ber Gefahr einer endgültigen Zwei— 
teilung durch die Mainlinie ausfegten, das zwar ablehnte, 
aber fi doch damit einverftanden erflärte, daß ber König 
eine perfönliche Begegnung zwiſchen ihm und dem öfterreichifchen 
Kaiſer herbeizuführen verfuche. 

Schon dieſe eigentlich überrajchende Wendung ließ erkennen, 
daß bie Badener Zuſammenkunft nad feiner Seite hin das 
Gehoffte geleiftet hatte, ſondern eher als ein neuer Mißerfolg 
der preußiſchen Politik anzufehen war. Wie der Prinzregent, 
den fein gefunder natürlicher Takt auch Hier richtiger geleitet 
hatte als das Für und Wider abwägende politiſche Erörterungen, 
nur wiberfirebend darauf eingegangen war, fo erwies fie fi 
glei in ihren nächften Folgen als ein Fehler, der die Stellung 
Preußens nad) allen Seiten hin verſchlechterte und es nötigte, 
gleich wieder in bie eben verlafiene Bahn der Verftändigung 
mit Deſterreich einzulenfen. Das Verhältnis zu Frankreich war 
dur) die Enttäufhung, die Napoleon IIL erfahren hatte, nicht 
gebefiert, und die Verwirklichung von Bismards Gedanken an 
eine franzoſiſch⸗preußiſche Allianz wieber in weite Ferne gerüdt. 
Die deutſchen Fürften, die fi in Baden mißtrauiſch eingedrängt 
batten, waren erft reiht von Unmillen und Sorge gegen 
Preußen erfüllt, da fie es in ber liberalen Richtung beharren 
und entſchloſſen jahen, wenigitens die Reform bes Bunbes- 
friegswefens nicht wieder im Sande verlaufen zu lafien. 
Um fi gegen die drohende Anfeindung von biefen beiden 


358 Fünfte Bud. Die neue Aera und ber Konflikt. 


Seiten zu fihern, blieb Preußen nichts übrig, als bie Her⸗ 
ftellung des alten Verhältniffes zu Deſterreich anzubahnen, deſſen 
gründliche Wandlung ober Zerreißung doch eben die erfte Be— 
dingung war für jede eriprießlihe Umgeftaltung bes Bundes. 
Eine ſolche aber jegte voraus, daß Defterreih auf den von 
ihm wie etwas Selbftverftändlides beanſpruchten Vorrang vers 
sichtete und Preußen wenigftens den von ihm geforderten und 
nad ber Meinung eines großen Teiles des deutfchen Volles 
ihm auch gebührenden Play neben fi einräumte. Es dazu 
zu nötigen, fehlte nad) dem Verlauf des Badener Kongreſſes 
Preußen zunächſt jebe brauchbare Handhabe. Selbit fo national 
denkende Fürften, wie Herzog Ernft II. von Koburg und bie 
Großherzöge von Baden und Weimar, empfahlen unter ben 
nun gegebenen Umftänden ein freundfhaftliches Verhältnis zu 
Defterreih und wünſchten ein ſolches darauf gegründet zu fehen, 
daß der Kaiſerſtaat für die Verteidigung Venetiens beutfcher 
Hilfe verfihert, dafür aber auch angehalten würde, fi durch 
den endlichen Bruch mit der Reaktion und bie Einführung 
eines liberalen Regiments im Innern in ben Augen bes 
deutſchen Volkes bündnisfähig zu maden. 

Unter diefen Umftänden fand der König von Bayern mit 
feiner Vermittelung aud) in Wien bereitwilliges Entgegenfommen. 
Man entſchloß ſich dort nicht bloß, wie ber Prinzregent ver: 
langte, den erften Schritt zu thun, fondern ließ auch die Vor: 
behalte gelten, von denen jener die Zufammenkunft abhängig 
machte. Namentlich verbat er ſich jehr entſchieden das Erſcheinen 
der deutſchen Könige, die ungelaben herbeieilen und das Spiel 
von Baben-Baben wiederholen wollten. Ohne Zeugen trafen 
daher der Prinzregent und Franz Jofeph Ende Juli in Teplig 
zufammen. Eine vollfommene Ausgleihung der vorhandenen 
Gegenfäge war natürlich auch hier nicht zu erreichen. Nament- 
li) wollte der Habsburger nichts wiſſen von einem Verzicht auf 
das Ehrenrecht feines Haufes, an ber Spitze Deutſchlands zu 
ſtehen, und lehnte felbft ben vorgeſchlagenen regelmäßigen 
Wedel im Vorfig des Bundestags ab. Auch in betreff der 
von ihm gewunſchten Reformen im Innern gab er zwar ent: 
gegenfommende, aber doch nur unbeftimmte Erflärungen, 


U. Die deutſche Frage und die Heeredreorganifation. 359 


wollte jebenfalls bindende Verſprechungen in biefer Hinficht 
nit machen. Selbft in Bezug auf die brennende Frage ber 
Bunbdeskriegsverfaffung kam man feinen Schritt vorwärts, 
fondern nahm nur eine neue gemeinfame Beratung bes babei 
einzuflagenden Weges durch militärifche Autoritäten in Aus« 
fit. So kam es denn aud über die Stellung Preußens zu 
einem künftigen franzöfifhen Angriff auf den Defterreich ver- 
bliebenen Teil Italiens nit zu einem beftimmt formulierten 
Vertrage. Doc; gaben des Prinzregenten mündliche Erklärungen 
dem Kaifer die erfreuliche Gewißheit, daß er in biefem Falle 
auf die Hilfe Preußens und Deutihlands rechnen könne. 
Damit hatte er alles erreiht, was Defterreih unter ben 
damaligen Verhältnifien irgend hatte hoffen Tönnen. Ya, es 
gewann momentan fait den Anfchein, ala ob es wieder eine 
leitende Stellung gewinnen folte, und gegenüber den von 
Frankreich drohenden Gefahren die Großmächte fi wieber jo 
gruppieren würden, wie zur Zeit des Kampfes gegen Napoleon I. 
Trug man fi doch in Wien gar mit dem Gebanken an eine 
Erneuerung ber heiligen Allianz, die beftimmt ſchien, den 
Gegenfag zwiſchen dem reaftionären Europa und dem revo— 
Iutionären Frankreich und deſſen Schüglingen zu erneuern. 
Dazu fam es nun allerdings nit, immerhin aber führte bie 
in Petersburg deshalb gegebene Anregung zu einem perfön: 
lien Zufammentreffen des Zaren Alerander mit dem Prinz« 
regenten und bem Kaifer, bas in ben Tagen vom 22. bis 
26. Dftober in Warſchau ftattfand. Praktiſche Ergebniſſe hatte 
es nit, da der Prinzregent fich nicht dazu beftimmen ließ, 
wie ber Zar wollte, feine Mißbiligung ber von Frankreich 
protegierten revolutionären Politif Italiens burd den Abbruch 
der diplomatiſchen Beziehungen zu dem Turiner Hofe in einer 
auch Frankreich treffenden Weife zum Ausdrud zu bringen. 
Ebenſo wenig freilih war bei ihm aud) von einer Anerkennung 
des neuen nationalen Königreihe im Süden ber Alpen bie 
Nede, fo laut fie von den Liberalen gefordert wurde als ges 
boten durch das Intereſſe Deutſchlands und geeignet, Preußen 
die Sympathien ber liberalen Welt zu gewinnen. 

Diefe unentſchiedene und wiberfpruchsvolle Haltung 


360 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


Preußens fteigerte die herausforbernde Kecheit der Mittel: 
ſtaaten, deren Minifter wiederum in Würzburg getagt hatten 
und die Reform der Bunbeskriegaverfaffung auf ihre Weife 
zu förbern dachten, nachdem der ſchwächliche dualiftifche Vorſchlag 
Preußens (S. 353) am 2. Mai vom Bundestage mit allen 
Stimmen gegen bie Preußens abgelehnt worden war. Auch 
der Kurheſſiſchen Frage, die des Kurfürften Verlangen nad 
Uebernahme der Garantie für die von ihm dem Lande auf- 
gezwungene neue Verfaffung durch den Bund an die Frank— 
furter Verfammlung gebracht Hatte, ſuchten fie dem energifcher 
auftretenden Preußen zu entwinden und zur Steigerung ihres 
Anfehens zu benugen. 

Nirgends alfo Hatte die Regierung ber neuen Xera einen 
wirklichen Erfolg aufzuweifen, ja, nit einmal das Lob ent- 
ſchloſſenen und folgerihtigen Handelns konnte fie beanſpruchen. 
Auch im Innern ging es trog mandem verheißungsvollen 
Anlauf und mander löblihen Maßregel im einzelnen nicht 
viel befier, weil man überall den offenen Bruch mit ber Ver: 
gangenheit ſcheute und aller liberalen Verheißungen ungeachtet 
im Grunde fonfervativ blieb, zum Teil aus Rüdfiht auf die 
Eigenart des Prinzregenten, von dem das Minifterium fürchtete, 
durch entſchloſſenes liberales Vorgehen würde er an dem ein- 
geihlagenen Weg irre gemacht und vollends auf ber rechten 
Seite einen Rüdhalt zu fuchen gedrängt werben. Daher fam 
es nirgends über halbe Maßregeln hinaus, obgleich es jchein- 
bar an innerer Einheit gewonnen hatte, feit der Leiter bes 
Innern, Flottwell, durch den mohlmeinenden, aber unruhig 
fpringenden und leicht übereilten Grafen Schwerin und der 
aus ber Manteuffelihen Zeit übernommene Juſtizminiſter 
Simons durch Bernuth, einen Mann von altpreußifcher Tüchtigs 
keit und Achtung vor der Unabhängigkeit des Nichterftandes, 
erjegt worden war. Den Gegnern, bie nur bes Augen: 
blids harten, wo fie in die als ihnen gebührend angejehene 
leitende Stellung zurückkehren würben, konnte ein jo vor 
fichtiges und unficheres Auftreten freilih nicht imponieren. 
Sie hatten in dem Herrenhaufe eine feſte Pofition, ber, wie 
die Dinge einmal lagen, mit verfaffungsmäßigen Mitteln kaum 


I. Die deutfhe Frage und bie Heeresreorganifation. 361 


beizufommen war. An feinem Widerftande ſcheiterte namentlich 
bie weitaus wichtigſte gefeßgeberiihe Maßregel, die es im 
Anſchluß an die 184849 gemachten Anfänge durchzuführen 
galt, die Regulierung der Grundfteuer, durch welche der bis— 
ber ungerecht begünftigte ablige Grundbefig endlich zu ben 
Staatslaften gebührend herangezogen werben follte. Das traf 
die Regierung um fo ſchwerer und wurbe für ihre Zufunit 
um fo verhängnisvoller, als die Durchſetzung der Grunbfteuer 
und bie durch fie erwartete Erſchließung einer neuen reichlich 
fließenden Gelbquelle eine von ben Bebingungen war, von 
denen bas Gelingen des von dem Prinzregenten mit ganz 
befonderem Eifer in Angriff genommenen großen Werkes einer 
gründlichen Reorganifation bes preußiichen Heerweſens abhing. 

Diejes beruhte in feiner damaligen Geftalt allerdings 
noch auf dem Geſetz vom 3. September 1814, bas bie all- 
gemeine Wehrpflicht eingeführt hatte (S. 65). Danach mar 
jeder waffenfähige Preuße verpflichtet, bei der Linie drei Jahre, 
bei der Referve zwei und danach je fieben Jahre bei ver Land: 
mehr erften umb zweiten Aufgebots zu bienen. Linie und 
Landwehr erften Aufgebotes waren als Feldarmee gedacht, 
während die Landwehr zweiten Aufgebots im Kriegsfall bie 
Befagung ber Feftungen ftellen follte (S. 64). Um jährlich 
ohne größeren finanziellen Aufwand eine größere Anzahl von 
Refruten einftellen und ausbilden zu können, hatte Friedrich 
Wilhelm III. 1833 die Dienftzeit bei der Infanterie auf zwei 
und bei ber Zußartillerie auf zweieinhalb Jahre beſchränkt. 
Doch war man bereits 1852 auch für erftere wieder zu zwei 
und einem halben Jahr gelommen. Aber auch biefe erwiefen 
ſich als ungenügend, um eine gleihmäßige Ausbildung der 
Truppen zu voller Kriegstüctigfeit zu verbürgen. Deshalb 
war man 1856 trog des lebhaften Wiberfpruds ber Kammern 
zu der dreijährigen Dienftzeit als unerläßlic für bie Erhaltung 
der preußiſchen Wehrkraft zurüdgefehrt. Doc erhoben fi 
babei im Laufe ber Zeit neue und außerordentlich ſchwere 
Mebelftände. Als ber Schöpfer bes Wehrgeſetzes von 1814, 
Boyen (S. 64), die Einftelung von jährlihd 40000 Mann 
in Ausfiht nahm und die Zahl und Stärke der Linien: 


362 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


regimenter bementipredend fo feitfegte, daß bie regelmäßige 
Ausbildung diefer 40000 Rekruten gefihert wurde, hatte 
Preußen zehn Millionen Einwohner, während es jegt deren 
achtzehn zählte, fo daß jährli 65 000 brauchbare Dienftpflichtige 
zur Verfügung ftanden, von denen bie vorhandenen Regimenter 
jebod nad wie vor nur 40000 einzuftellen und für bie Wehr: 
traft Preußens nutzbar zu machen erlaubten. Das große 
Prinzip ber allgemeinen Dienftpfliht galt bemnad nur in ber 
Theorie, für die Praris hatte es feinen Wert verloren. Damit 
war aber aud feine erziehliche Bedeutung für die ganze Nation 
wefentlid beeinträchtigt. Nicht mehr als eine Einrichtung, 
deren man ſich ftolz vor anderen Völkern rühmte, wurde fie 
angefehen, fondern als Duelle vielfacher Ungerechtigkeit und 
wirtſchaftlicher Schädigung für weite Kreife. Da ber Land» 
wehr erften Aufgebotes im allgemeinen bie Wehrpflitigen im 
Alter von 25 bis 32 Jahren angehörten, wurben bei ihrer 
Einziehung, wie die Mobilmahungen von 1849, 1850 und 
1859 gezeigt Hatten, auch viele verheiratete Männer und 
Familienväter unter die Waffen gerufen, während Taufende 
von jungen kräftigen Leuten bienftfrei daheim blieben, weil bie 
beſchränkte Zahl der Regimenter fie einzuftellen und militäriſch 
auszubilden nicht erlaubte. Ferner war bei den legten Mobil- 
madungen als ein großer und leicht äußerft gefährlicher 
Mebelftand zu Tage getreten die mangelhafte Ausbildung der 
Landwehroffiziere, die obenein ihre erft bei der Mobilmadung 
zufammentretenden, baher nicht feftgefügten und oft unzuver⸗ 
läffigen Truppenkörper fo gut wie gar nicht fannten und bei 
ihnen ebenfowenig Vertrauen wie Autorität befaßen. Mit 
einzelnen Landwehrbataillonen hatte man 1848 in Pofen und 
1849 in Baden in biefer Hinſicht fehr üble Erfahrungen 
gemacht. Diefe hatten den Prinzen von Preußen ſchon damals 
von ber Notwendigkeit einer Aenderung dieſer Verhältniſſe 
überzeugt. Auch Konnte es das Vertrauen bes Volkes auf das 
Heer und feine Buverfiht und Opferfreubigfeit im Fall eines 
Krieges wahrli nicht fteigern, wenn Taufende von Familien 
ihre Väter, Söhne oder Brüder, die ala Landwehrmänner 
im Felde flanden, unter der Führung von Männern wußten, 


II. Die deutſche Frage und bie Heeresreorganiſation. 363 


die der rechten Schulung für ihren militärifhen Beruf ent» 
bebrten. 

Dieſe Uebelftände waren allgemein anerkannt, auch bereits 
Erwägungen angeftelt, wie fie befeitigt werben könnten, 
namentlich im Kreife der militärifhen Vertrauten des Prinzen 
von Preußen. Die Nüdtehr zu der dreijährigen Dienfizeit 1856 
war weſentlich deſſen Werl, und von ihm gebrängt, hatte 
felbft der militärifhen Interefien wenig zugänglide König 
zulegt biefen Fragen Iebhaftere Teilnahme zugewandt. Nach-⸗ 
dem bereits im Juli 1857 ber Oberftleutnant von Claufewig 
einen umfafienden Reorganifationsplan entworfen hatte, gab 
der Prinz gleich nad Uebernahme der Stellvertretung dem 
Minifterium die Erwägung aller hierher gehörigen Fragen auf. 
Im Februar 1858 legte Claufewig in einer zweiten Denkſchrift 
dar, daß, nachdem die Einwohnerzahl Preußens auf achtzehn 
Millionen gewachſen, zur Ausbildung der num jährlich vor⸗ 
bandenen waffenfähigen Mannſchaft auch die Zahl der Regimenter 
verboppelt werben müfle. Unabhängig davon hatte General 
v. Roon, anerkannt als einer der zufunftsreichiten Offiziere ber 
Armee und längft von dem Prinzen freundſchaftlichen DBer- 
trauens gewürdigt, ſich eingehend mit biefen Problemen bes 
ſchäftigt und einen eigenen Plan zu ihrer Löfung entworfen. 
Eine Unterredung, die er am 25. Juni 1858 zu Babelsberg 
mit dem Prinzen darüber hatte, wurde entideidend für bie 
Zukunft des preußifchen Heeres und damit Preußens. Sie 
ergab ihre volle Webereinftimmung in ben grundlegenden An: 
ſchauungen, während bie abweichenden Anſichten Roons bem 
Prinzen fo erwägenswert ſchienen, daß er ihre fchriftlihe Dar: 
legung forberte. Sie ift ihm gegen Ende Juli zugegangen. 
Roon zeigte darin, wie Preußen, um feine Miffton zu erfüllen, 
vor allem einer durch gute Finanzwirtfhaft ermöglichten 
Steigerung feiner Streitbarfeit bebürfe. Er dedte die Mängel 
feiner gegenwärtigen Militärorganifation auf und zeigte, durch 
welche Reformen fie bejeitigt werden könnten. Dabei übte er 
namentlid an ber Landwehr eine feharfe Kritil. Er ſah in ihr 
eine politifh falſche Inftitution, weil fie dem Ausland nicht 
mehr imponiere und für bie äußere wie für bie innere Politik 


364 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


nur zweifelhafte Bedeutung Habe, aber auch eine militärifh 
falſche und ſchwache, weil fie des eigentlichen richtigen, feften 
Soldatengeiftes entbehre und feine von den ſicheren bisziplinari= 
ſchen Handhaben biete, ohne die fein zuverläffiger militäriſcher 
Organismus gedacht werben könne. Daher wollte er fie mit 
der Linie innig verfehmelzen und mit geeigneten Führern ver: 
ſehen. Die dazu von ihm vorgefchlagenen Maßnahmen forderten 
zur wörtliden Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht die 
gejeglihe Feſtlegung ber dreijährigen Dienftzeit unter mög— 
lichfter Schonung der finanziellen Kräfte des Landes. 

Glei in der Anfprade, die er am 8. November an die 
neuen Minifter hielt, verfünbete ber Prinzregent den Entſchluß, 
die NReorganifation alsbald in Angriff zu nehmen (©. 343). 
Preußens Heer, fagte er, muß mädtig und angefehen fein, 
um, wenn es gilt, ein ſchwerwiegendes politifches Gewicht in 
die Wagſchale legen zu können. Cine vierzigjährige Er— 
fahrung, fuhr er fort, und zwei kurze Kriegsepifoden haben 
gezeigt, daß manches, mas ſich nicht bewährt, abgeändert 
werben müfle. Sparſamkeit fei dabei übel angebradht, und 
es wäre ein ſchwerer Fehler, wollte man ſich mit einer wohl: 
feilen Heeresverfafiung brüften, die im Moment der Entſcheidung 
nit genüge. Doch fand bei dem Kriegsminifter Bonin weber 
der Clauſewitzſche nod der Roonſche Entwurf rechte Bereits 
willigfeit. Vielmehr ergaben die Ende 1858 und zu Anfang 1859 
geführten Verhandlungen, daß er mit feinen bureaukratiſchen 
Mitarbeitern die Sache nur mit Anftand loszuwerben ſuchte. 
Roons Feuereifer jo wenig wie das Eintreten bes Fürften 
Hohenzollern überwand diejen pajfiven Widerftand. Der Prinz 
regent aber, in feiner Dankbarkeit für die geleifteten Dienfte 
und ber Anhänglichfeit an bewährte Mitarbeiter, übte gegen 
Bonin, aud als er die Sache unter immer neuen Vorwänden 
hinauszögerte, eine faft ſchwächliche Nachſicht. Dann hinderte 
der italienifche Krieg weiteres Vorgehen, während die dadurch 
veranlaßte Mobilmahung die vorhandenen Mebelftände von 
neuem offenbarte. 

Kaum jedoch war ber Friebe hergeftellt, als der Prinz 
regent das Neformmerf in Angriff nahm, indem er bei der 


U. Die deutſche Frage und die Heeresreorganifation. 365 


Demobilmachung aus eigener Machtvollkommenheit die Kriegs: 
formationen im wejentlihen beftehen ließ und fo die Cadres 
ſchuf, um mit Hilfe der Referve und der jüngeren Landwehrs 
jabrgänge die Zahl der Infanterieregimenter zu verdoppeln 
und zehn neue NKavallerieregimenter zu errichten. Daß bie 
Sade, noch bevor der Plan endgültig feitftand, endlich in 
Gang fam, war fein perfönliches Verdienſt. Dadurch ftellte 
er feine geheimen Gegner vor eine vollendete Thatſache, mit 
der fie fi abfinden oder vor ber fie weichen mußten. Die 
Verhandlungen mit Bonin führten nicht zur Verftändigung, 
obgleih im Kriegsminifterium General v. Voigts-Rhetz auf 
der Bafis ber Clauſewitzſchen Denkſchrift einen einheitlichen 
Plan, der von dem Roons abwich, ausgearbeitet hatte. Bonin 
ſuchte die Forderungen möglichſt Herabzufegen, wohl aus Scheu 
vor dem Unmut, den eine ftarfe Belaftung bei dem Volke zu 
erregen drohte. Roon mar nachzugeben bereit, während der 
Prinzregent entſchieden die höheren Anſprüche vertrat und in 
einer von ihm ſelbſt präfibierten Kommiffton gegen Bonins 
Widerſpruch durchſetzte. Dieſer erflärte fie angefichts ber 
wirtſchaftlichen Lage des Landes für undurchführbar und ver: 
fagte endgültig feine Mitwirkung zur Durchſetzung bes Ent: 
wurfes, den ber Prinzregent felbft in einer Schlußrebaftion 
in allen Einzelheiten feftftellte. Ausſcheidend erhielt er das 
rheinifche Armeecorps. Am 5. Dezember trat Roon an feine 
Stelle, obgleich der Plan, wie es ihn nun zu vertreten galt, 
teineswegs ganz feinen Ideen entſprach. Ihm aber kam es nicht 
auf die Form an, fondern auf die Sade, in ber er eine 
Lebensfrage für Preußen ſah. Ihr zum Siege zu helfen, 
machte er in Einzelheiten felbftlos weitgehende Zugeftändniffe. 
Die Vermehrung ber Regimenter von 36 auf 72 ermöglichte 
binfort jährlich ftatt 40 000 Dienftpflichtige deren 63 000 ein- 
zuſtellen. Bon der Landwehr erften Aufgebotes wurden die 
drei jüngften Jahrgänge, meift unverheiratete Leute, als Kriegs: 
referve ber Linie zugefügt, die vier älteren follten aus ber 
aktiven Feldarmee ausgefchieden und mit bem zweiten Aufs 
gebot nur noch zur Befegung der Feflungen verwendet werben. 
Damit fielen die bei den legten Mobilmachungen bemerkten 


366 Fünfte Bud. Die neue Xera und der Konflikt. 


Uebelftände fort, wurde eine Steigerung der Zahl von 200 000 
auf 400000 ermöglicht und gelangte das große Prinzip der 
allgemeinen Wehrpflicht wiederum praktiſch zur Geltung. Trotz⸗ 
dem ftellte fi bie öffentlihe Meinung der Reorganifation 
entgegen. Bei ber Schwäche ber neuen Aera auch in ber aus— 
wärtigen Politik ſchien ein fo Foftfpieliger Friegerifcher Apparat 
unnüg. Man beforgte ſchwere wirtfhaftlihe Nachteile, wenn 
jährlid etwa 20000 junge Leute mehr auf drei Jahre dem 
Ermerbsleben entzogen würben. Bor allem aber empfand man 
ſchmerzlich die vermeintlihe Herabjegung der Landwehr, die 
von ben Freiheitsfriegen her ein Nimbus umgab, der für dieſe 
Zeit nicht mehr beredtigt war. Da man wußte, daß Leute 
wie General Gerlah fie als eine demokratiſche Einrichtung 
gehaßt hatten, witterte man bahinter reaftionäre Abſichten. 

Sie traute man namentlich dem neuen Kriegsminifter zu. 
Und doch lag Albrecht v. Roon (geb. 1803) nichts ferner, wenn 
er auch alles an die Durchbringung des Werkes fegte. Während 
biefes in ber Hauptſache der Prinzregent als fein Eigentum 
in Anſpruch nehmen durfte, erſchien es daher den Ferner⸗ 
ſtehenden als das Roons, dank feiner aufopfernden Hingebung, 
nie verfagenden Schlagfertigfeit und trog aller Leidenſchaft 
des Kampfes immer ritterlihen Wornehmheit, die auch den 
Gegner achtete. Roon ift eine der Lichtgeſtalten in der neueren 
preußifchen Geſchichte, ein Edelmann im beiten Sinne bes 
Wortes, von ungewöhnlicher Bildung und anerfanntem wiflen- 
ſchaftlichen Verdienft, Soldat mit Leib und Seele und als 
folder unermüdlich arbeitend an feiner und feiner Waffen- 
genoſſen Vervolllommnung, ein feuriger Patriot und voll bes 
geifterter Rönigstreue darauf bedacht, feine von ber Hofluft 
gefährdete Unabhängigkeit auch nach oben hin zu wahren, und 
dabei von herzgeminnender Liebenswürbigfeit, vol kindlich 
frommen Glaubens und ein treuer Freund feiner Freunde. 
So hat er während der nächſten Jahre Ungeheures geleiftet, 
zumal er bald aud für die Fragen ber allgemeinen Politik 
der Träger ber Entwidelung und als folder ber des Uebergangs 
aus der neuen Aera in eine andere Epoche wurde. 

In das Minifterium Hohenzollern-Auerswald paßte er 


MI. Die deutſche Frage und bie Heeredreorganifation. 867 


freilich nicht Binein, war da vielmehr ein Fremdling unter 
feinen liberalen Kollegen. Das beeinflußte auch deren Stellung 
zur Reorganifation. Obgleich der Prinzregent es angeregt 
hatte, ſetzte das Minifterium ſich doch nicht ſolidariſch für fie 
ein. Das erllärt den weitern Derlauf. Unter heftigen 
Debatten wurde der Entwurf von der Kommiſſion des Ab⸗ 
georbnetenhaufes in einer für die Regierung unannehmbaren 
Weiſe umgeftaltet und deshalb am 5. Mai 1860 zurüdgezogen. 
Die Regierung forderte für die Zeit vom 1. Mai 1860 bis 
30. Juni 1861 drei Millionen „zur Aufrechterhaltung und 
Vervollfländigung derjenigen Maßregeln, welche für die fernere 
Kriegsbereitſchaft und die erhöhte Streitbarkeit des Heeres 
erforderlih und auf ben bisherigen gefegliden Grundlagen 
thunlich find“. Sie ließ fi alfo an einem Proviforium ger 
nügen, wo der Natur ber Dinge nah nur ein Definitivum 
in Frage kommen konnte, und erzeugte den Schein, als ob 
fie gewillt und in der Lage fei, die mit jener Summe einges 
leitete Reorganifation rüdgängig zu machen, wenn die Volks— 
vertretung fi von ihrer Notwendigfeit nicht überzeugen und 
die zu ihrer Aufreterhaltung nötigen Mittel endgültig nicht 
bewilligen follte. Sie that das in der Meinung, das vor 
Erlaß der Verfaffung unbeftrittene Recht des Königs, die Zahl 
der jährlich einzuftellenden Mannſchaften feſtzuſetzen, gelte auch 
jegt noch, und es verftehe ſich von jelbft, daß deren Vermehrung 
die Beſchaffung ber zur Ausbildung ber Eingeftellten nötigen 
Negimenter zur Folge haben müſſe, was in legter Ronfequenz 
das Budgetrecht der Volfsvertretung iluforifh machte. Wie 
wenig man biefer Ronfequenz fi damals bewußt war, bewies 
die Thatſache, daß die Forderung faſt einftimmig bewilligt 
wurde. Die Neugeftaltung des beinahe verboppelten Heeres 
wurde alsbald durchgeführt: bereits im Sommer wurben ben 
neuen Regimentern ihre Namen verliehen. Sie wieder auf: 
zulöfen, war danad unmöglich. 

Die öffentlihe Meinung aber hatte die Volksvertretung 
in dieſer Sade nicht Binter fih. Die Zufammenkünfte von 
Teplig (S. 358) und Warſchau (S. 359) ließen fie eine neue 
Annäherung an Defterreih befürchten, zumal auch das König: 


368 Fünfte Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


reich Stalien nit anerkannt wurde. Die Unzufriedenheit 
fteigerten gemifie Vorgänge im Innern. Gegen Ende des 
Jahres 1860 offenbarte der Prozeß gegen den Polizeikommiſſar 
Stieber unerhörten Mißbrauch der Amtsgewalt, an dem 
hohe Regierungsbeamte, wie der Berliner Polizeipräfident 
v. Zedlitz und felbft der inzwiſchen abgetretene Juſtizminiſter 
Simons mitſchuldig waren. Schwerin aber als Minifter des 
Innern ließ es dem gegenüber durchaus an ber nötigen Energie 
fehlen. Wie die Stimmung fi) bereits wandelte, bewies die 
Wahl Waldes zum Abgeordneten. Doch hofften noch mande 
die drohende Krifis abgewandt zu fehen, als am 2. Januar 1861 
der König endlich von feinem Leiden erlöft wurde, das ihn feit 
Jahren lebendig begraben hatte. Schien doch fein Bruder nun 
als König von all den Nüdfichten befreit, bie bei feinem in 
diefen Dingen zartbefaiteten Gemüt eine begreiflihe Pietät 
ihm bisher auferlegt Hatte. Auch fehlugen die Thronrede, mit 
der er am 14. Januar die Kammern eröffnete, und die Ans 
ſprache „An Mein Volt“ einen entihloffenen Ton an, indem 
die Notwendigkeit einer endlichen Reform der Bundeskriegs⸗ 
verfaffung und eine dem Rechte und der Ehre Deutſchlands 
entfprechende Löſung der heſſiſchen und der holſteinſchen Frage 
betont wurden. 

Die danach gehoffte Wendung aber trat au jegt nicht 
ein. Indem er nod im Januar die Fahnen der neuen Regi« 
menter weihte, befiegelte König Wilhelm die Reorganifation 
feierlichſt: ihr Widerruf war nun vollends unmöglid. Auch 
wurben die Mitel dazu, freilich beträchtlich gefürzt, von neuem, 
jebod wieder nur proviforifh, für 1862 bewilligt, während 
die endlihe Annahme der Grundfteuer durch das Herrenhaus 
die wichtigfte finanzielle Vorausfegung für fie ſchuf. Unter dem 
Eindrud diefer Vorgänge und des andauernden Stillftandes 
im Innern trat die Oppofition entſchloſſener auf. Aus einer 
als Junglitauen bezeichneten Gruppe oftpreußiicher Abgeord⸗ 
neten — Hoverbed, Forkenbed, Koſch, J. Jacoby und andere — 
entftand durch Anſchluß Gleichdenkender in den übrigen Pro= 
vinzen, wie Virchow, F. Dunder, v. Unruh, Th. Mommſen und 
anderer, im Sommer 1861 die deutfche Fortſchrittspartei, deren 


I. Die deutſche Frage und die Heeredreorganifation. 369 


Programm das durch eine wirklich liberale Gejeggebung völlig 
umzugeftaltende Preußen zum Träger der von einem Parlament 
beratenen deutſchen Sentralgewalt berief. 

Das alles erfüllte König Wilhelm mit wachſendem Miß- 
trauen. Seine Anſchauungen wurzelten zu tief in der Ver 
gangenpeit, um davon nicht abgeftoßen zu werben. Doch ſuchte 
er in ber ihm eigenen Art auch jegt zwiſchen beiden Ertremen 
zu vermitteln und ben Konflitt für fein Gefühl durch einen 
Ausgleich zu löſen, den andere leicht mißdeuten Fonnten. 
Darüber geriet er zunächſt in ernfte Differenzen mit dem 
Minifterium. Er wollte nah altem Brauch die Erbhuldigung 
geleiftet haben, recht nad dem Wunfch der Junker, weil damit 
die ſtändiſche Verfaſſung als das eigentliche Staatsrecht Preußens 
bingeftellt worden wäre. Seine Räte erklärten das für un- 
vereinbar mit der Verfaffung, nahmen aber ſchließlich das 
vom König vorgefchlagene Kompromiß an, das die Erbhuldigung 
durch die Krönung erjegte. Sie fand am 18. Dftober 1861 in 
Königsberg flatt. Aber während der König, tief innerlich 
bewegt und anbädtig erhoben, darin einen Aft erblicte, der 
das Königtum von Gottes Gnaden mit dem modernen Ver 
faſſungsweſen verföhnen follte und feinem dadurch zum Auss 
drud gebrachten göttliden Recht die Heiligen Pflichten gegen 
jein Vol gegenüberftellte, ſahen viele darin ein Schaugepränge, 
das aud ihn wie feinen Bruder in überlebten mittelalterlichen 
Anſchauungen befangen erſcheinen ließ. Auch daB Graf 
Säleinig, der „Mignon“ der Königin (S. 344) im aus: 
wärtigen Amte durch den entfchlofieneren Bernſtorff erſetzt 
murde, änderte die Verſtimmung nicht, obgleih der neue 
Minifter auch der preußiſchen Politik mehr Haltung und 
Kraft gab. 

So fielen die Wahlen Anfang Dezember für die Regierung 
ungänftig aus: die Liberalen, darunter 100 Vertreter der 
Fortſchrittspartei, hatten eine erdrüdende Mehrheit. Auch fie 
war von dem redlichſten patriotifhen Willen befeelt, aber ohne 
praktiſch⸗politiſche Einfiht und unter dem Einfluß des unvers 
bältnismäßig ſtark vertretenen NRichterftandes, der, wie man 


klagte, Politik nad den Paragraphen des Landrechte Nnaqhen 
Prug, Preubiſche Geſchichte. IV. 


370 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt. 


wollte, allzu geneigt, den fonftitutionellen Formalismus über 
die real ausfhlaggebenden Momente zu jegen. Die liberalen 
Vorlagen der Regierung, die fie für die Reorganifation ges 
winnen follten, Gefege über die Minifterverantwortlickeit und 
die Aufhebung der gutsherrlihen Polizei, machten feinen Ein= 
drud, da fie im Herrenhaus doch durchfalen würden. Während 
diefes die Militärvorlage unverändert annahm, befämpfte in 
der zu ihrer Beratung beftellten Rommiffion des Abgeordneten⸗ 
hauſes die Oppofition namentlih die von Roon für unent= 
behrlich erklärte dreijährige Dienftzeit. Den Bruch aber führte 
eine ſcheinbar rein formale Frage herbei. Ein Antrag Hagen 
forderte, im Staatshaushalt follten nicht bloß die Hauptfummen 
der einzelnen Titel aufgeführt, fondern er follte bereits für 
das laufende Jahr fo fpezialifiert werden, daß bie einzelnen 
Teilfummen nur für die angegebenen bejonderen Bwede ver- 
wendet werden dürften. Der Gedanke war nicht neu. Bereits 
im März 1851 hatte die gleiche Forderung Friedrich Wilhelms 
Entrüftung erregt, der ber Kammer jedes Recht auf Feftftellung 
der Spezialetats abſprach: nie könne die Kammer einen Minifter 
für Meberfchreitungen einzelner Titel des Spezialetats verant- 
wortlid maden, wenn er nur im ganzen die im Kauptetat 
bewilligte Summe fefthielte. Der Antrag Hagen aber follte 
gerabe der Militärverwaltung die Schiebungen unmöglich machen, 
durch die fie aus Eriparnifien bier Mehraufwendungen dort 
gebedt und fo durch Hebertragungen die Reorganifation durch⸗ 
geführt hatte. Dennoch mollte der Finanzminifler v. Patow 
das Budget des nächſten Jahres fo fpezialifiert vorlegen und 
alein nod für biejes Jahr davon abgefehen wiflen. Nur das 
verbitterte Mißtrauen der Oppofition gegen die Regierung, bie 
ihr in der deutſchen Frage nicht entſchloſſen genug vorging, 
erklärt es, daß der Antrag trogdem durchging. Das ftellte den 
Beftand der Reorganifation thatfählih in Frage, und ber 
König fah fein Lebenswert, das er gutgläubig bereits in 
Sicherheit gewähnt hatte, ſchwer bebroht. Längft irre geworben 
an der Möglichkeit einer liberalen Politit, brach er innerlich 
jest vollends mit ihr, zog aber doch noch nicht die rechten 
Ronfequenzen daraus. Er bewilligte dem Minifterium, das 


1. Die deutfhe Frage und die Heeredreorganifation. 371 


außer Roon die Vorlage nur lau vertreten hatte, die erbetene 
Entlaſſung nicht. Doch wurde Hohenzollern durch den Prinzen 
von Hohenlohe⸗ Ingelfingen, den Präſidenten bes Herrenhauſes, 
als interimiſtiſchen Präſidenten erſetzt, was die Unklarheit 
der Lage nur ſteigerte, da innerhalb des Miniſteriums nun 
fünf gegen fünf Stimmen ſtanden. Am 11. März wurde das 
Abgeordnetenhaus aufgelöft. Ueber das weitere Vorgehen aber 
konnten fi) die Minifter mit dem Könige nicht einigen. Ihren 
Rat, die Oppofition durch weitere liberale Zugeftänbniffe zu 
gewinnen, wies er entſchieden zurüd: er fürdhtete, dadurch auf 
eine abjhüffige Bahn geführt zu werden, auf ber fein Ein- 
halten mehr möglich fein würde. So ſchieden am 17. März 
Auerswald, Schwerin, Patow und Bernuth aus, nur Roon, 
v. d. Heydt und Bernflorff blieben im Amt. Die drei Konfer- 
vativen hatten die liberale Mehrheit aus dem Nat der Krone 
verdrängt. Das war das Ende der neuen era. Denn nur 
vorübergehend und faum ernftlich gemeint tauchte der Gebanfe 
auf an ein Minifterium v. d. Heydt: es ſtieß in den leitenden 
militärifhen Kreifen auf entſchiedenen Widerftand, da ein 
ſolches vor allem durch Erſparniſſe im Militäretat, aljo auf 
Koften der Reorganifation, eine Verftändigung mit ber Volle: 
vertretung gejudht haben würde. Davon wollte man um fo 
weniger etwas hören, als gewifje Kreife in ber Stille hofften, 
infolge der Rammerauflöfung ausbrehende Unruhen würden 
den erwunſchten Vorwand zu den von ihnen empfohlenen 
Gewaltmaßregeln geben. 


III. Der Konflikt. 1861—1864. 


Ar politifhes Syftem krankte die neue Aera von An— 
beginn an einem inneren Widerſpruch, der fie das zu werben 
binderte, was ihr Name verhieß. Ja, eigentli war fie über: 
haupt fein politiſches Syftem. Denn nicht die Weberein- 
fimmung in gewiſſen grundlegenden politifden Anſchauungen 
batte den Prinzregenten und die von ihm berufenen Minifter 
zufammengeführt, fondern neben älteren perjönlichen Bes 
siehungen die gemeinfame Gegnerfhaft gegen die Reaktion. 
Politiſch ſtreng konſervativ, fah erfterer in der Verfaſſung ein 
notwenbiges Uebel, mit dem man fi einrichten müfle, be- 
kämpfte aber das Syftem Manteuffel, und zwar aus morali: 
{hen Gründen, wegen ber fittlid) verwerflichen Mittel, deren 
es ſich bediente. Auerswald und feine Mitarbeiter dagegen 
hatten dieſes politiſch bekämpft und wollten es durch eine 
ganz neue Ordnung erſetzen, konnten damit aber nicht Ernſt 
machen aus Furcht, dabei von dem Prinzen im Stich gelaſſen 
zu werden, während dieſer ſeinerſeits die Sorge nicht los 
wurde, die Miniſter könnten ihm weiter zu gehen veranlaſſen, 
als mit feinen Prinzipien vereinbar war. Diefer Widerſpruch 
hatte die Aktion des Minifteriums der neuen Aera frühe ge— 
lähmt. Das Anfchwellen der Oppofition gegen fein Wehrgeſetz, 
defien Annahme er von Bedingungen abhängig gemacht ſah, 
die zu erfüllen ihm fein Gemiflen verbot, ließ den König 
bereit 1861 bei der wachſenden Agitation namentlich in ber 
Hauptſtadt die Wiederkehr von Zuftänden wie im März 1848 
befürchten: er ſah im Geifte bereit8 von neuem Barrikaden 
bauen. Ohne beftimmte Pläne für die Zukunft war er doch 
feit Webernahme der Krone vollends durchdrungen von ber 
königlichen Pflicht, Preußen für jede Eventualität zu voller 


III. Der Konflitt. 373 


Waffenfähigfeit zu erheben und fo Demütigungen, wie es fie 
unter feinem Bruber erfahren hatte, für alle Zeit unmöglich 
zu maden. Auch die Löfung der deutſchen Frage in einem 
für Preußen annehmbaren Sinne war er überzeugt, damit 
anzubahnen. Berfafjungsfeindlicde Abſichten Tagen ihm babei 
um fo ferner, als er mit ber Feftfegung der Zahl der jährlich 
einzuftelenden Mannſchaften nur ein altes Recht des oberften 
Kriegsherrn zu üben meinte, das durch die Verfaflung nicht 
aufgehoben war. Auf der anderen Seite aber wird man doch 
auch gegen bie Oppofition nicht im Ernft die Anklage erheben 
tönnen, fie babe die der Krone verfaffungsmäßig zuftehenden 
Rechte mindern ober gar die preußiiche Wehrkraft ſchwächen 
wollen: aber fie folgerte aus der Vergangenheit und der ſchwäch⸗ 
lichen Haltung des Minifteriums Hohenzollern-Auerswald, auch 
für die verſtärkte preußiſche Heeresmacht fei eine den gehrachten 
Opfern entſprechende Verwendung im Dienft der nationalen 
und ber liberalen Sache nicht zu erwarten, und wollte deshalb 
felbft bie teilmeife Bewilligung der erhobenen Forderungen 
abhängig machen von Zugeſtändniſſen im Innern, die ein 
Einlenten in die von ihr verlangte Politif auch nach außen 
verbürgten. Eine Verftändigung war daher unmöglich, folange 
die Vorausfegungen für eine nationale und zugleich liberale 
Aktion der preußiſchen Politik fehlten. Die Möglichkeit einer 
ſolchen erſchloß auf der einen Seite die fchleswig-holfteinifche, 
auf der anderen die kurheffiihe Frage. Aber weder Schleinig 
noch Bernftorff Hatte den friſchen Wagemut beſeſſen, fie jo weit 
zu treiben, während ſchon 1861 mande einfichtige Politiker 
der Meinung waren, Preußen bebürfe der Aktion nach außen, 
um das Fieber im Innern zu lindern. 

Innerli war König Wilhelm mit ber neuen Aera längſt 
fertig: ihr Mißerfolg beftärkte ihn in der Weberzeugung, daß 
Preußen nur fonfervativ regiert werben fünne. Es mag dahin⸗ 
geſtellt bleiben, ob Edwin v. Manteuffel, der Chef des Militär- 
tabinetts, ſchon im Beginn ber Negentichaft der Vertreter 
abfolutiftiicher Tendenzen (S. 335), an dem fehließlichen Sturz 
des Minifteriums Auerswald den entſcheidenden Anteil hatte, 
den man ihm nachſagte. In einer Broſchüre „Was uns nod 


374 Fünftes Bud. Die neue Yera und ber Konflikt. 


retten kann“ ſchildert der Stabtgerichtsrat Tweften (1820— 70) 
ihn als einen „unheilvolen Mann in unheilvoller Stellung“, 
den zu bejeitigen e8 am Ende noch für Preußen einer Schlacht 
bei Solferino bedürfen würde: die Folge war ein Duell, in 
dem Tweften ſchwer verwundet wurbe. ebenfalls bezeichneten 
die Namen der neuen Minifter die Rüdkehr zur Reaktion. 
Neben Roon, dem leitenden Geift des Kabinetts, v. d. Heydt, 
der nun die Finanzen übernahm, und Bernftorff traten 
v. Jagow für das Innere, v. d. Lippe für die Juſtiz, Itenplig 
für die Landwirtſchaft und v. Mühler für den Kultus ein, 
Männer, die teils ausgeſprochene Junker, teils junferhafte 
Bureaukraten waren. Da konnte es freilich Leinen Eindrud 
machen, wenn die neue Regierung, wie ihre liberale Vor: 
gängerin auf Befehl des Königs Fonfervativ regiert hatte, nun 
auf eben denfelben Befehl demonftrativ eine Reihe von liberalen 
Gefegentwürfen vorbereitete, welche bie öffentliche Meinung ge- 
winnen follten. Vielmehr deutete diefe die Minifterlifte in ent: 
ſchieden verfaffungsfeindlidem Sinne und nahm den Handſchuh, 
ben fie fi damit hingeworfen glaubte, mit Erbitterung auf. 
Weit übertroffen aber wurden ihre ärgften Befürdtungen durch 
die Rüdfichtslofigkeit, mit der die Regierung bie auf den 6. Mai 
ausgeſchriebenen Wahlen zu beeinfluffen fuchte. Sie erwies 
fi darin als die würdige Nachfolgerin des Minifteriums 
Manteuffel, und wenn für derartige Ausſchreitungen billiger- 
weife nur der Uebereifer feiner Diener, nicht der König ſelbſt ver: 
antwortlich gemacht werben konnte, fo fiel doch das Odium um 
fo mehr auf den Träger der Krone, als man wußte, mit wel 
ſittlicher Entrüftung er einft das ähnliche Treiben Manteuffels 
gegeißelt hatte. Nicht minder verhängnisvoll war es, daß 
infolge des nun unvermeiblihen Auftauchens immer neuer 
Streitpunfte die eigentlich zur Entſcheidung ftehende Frage, 
fo klar und einfach fie war, immer mehr verbunfelt und mit 
fremden Dingen belaftet wurde. 

So nahmen in der am 19. Mai eröffneten neuen Seffion 
die Verhandlungen alabald einen äußerft leidenſchaftlichen, ja, 
gehäffigen Charakter an. Obgleich das Minifterium fi zur 
endlichen Anerfennung des Königreichs Italien entſchloß und 


1. Der Konflitt. 375 


durch die von dem Unterfiaatsjefretär Gruner veranlaßte Auf: 
nahme der kurheſſiſchen Frage den erften Schritt that, um 
den ihm von dem „Wahnſinn“ bes Nurfürften gebotenen Glüds- 
fall für die Stellung Preußens in Deutſchland auszunugen, 
und aud in Schleswig:Holftein Deutſchlands Recht in Er: 
innerung brachte, ſah es fi ſchon in der Adreßdebatte von 
den Rebnern der Oppofition, gegen welche bie zwanzig Alt: 
liberalen unter Vinde, die fünfzehn Konfervativen und bie 
wenig über ein halbes Hundert zählenden Katholifen zufammen 
mit den Polen nicht auffamen, faft verhöhnt. Keine Regierung, 
hieß es, die den freiheitlihen Bebürfnifien der Nation wider: 
ftrebe, vermöge die Madtftelung Preußens zu heben. Das 
verſchob den Streitpuntt, ſetzte teils nebenſächliche, teils rein 
theoretifche Fragen an feine Stelle und machte eine nüchterne, 
rein ſachliche und von politifher Anti- oder Sympathie uns 
beeinflußte Beurteilung der Militärfrage unmöglih. Wäh— 
rend derartige Debatten entgegen ber Erwartung Bismarde, 
der gehofft Hatte, das Abgeorbnetenhaus werbe dadurch lang: 
weilig werden, die Deffentlichfeit aufs äußerfte erregten, lag 
der Schwerpunkt der fachlichen Behandlungen des Wehrgefeges, 
das, unverändert wieder eingebracht, in Roon einen unver 
gleihlichen Verfechter hatte, in der mit feiner Prüfung betrauten 
Kommiffion des Abgeorbnetenhaufes. Dort glaubte man ben 
Weg zur Verftändigung gefunden zu haben, als Roon bie 
zweijährige Dienftzeit neben einigen finanziellen Nachläſſen, die 
von den Abgeordneten v. Sybel, Tweſten und Stavenhagen zur 
Erleichterung der dem Volke aufzulegenden Laften vorgeſchlagen 
waren, wenigftens für die thatſächlich zu übende Praxis für zus 
läffig erflärte. Daß er das aber nicht auch gefeglich feftlegen 
fafjen wollte, vereitelte biefe Hoffnung. Damit Fonnte der 
Sieg der Fortſchrittspartei und des linken Zentrums, die auch 
die gegen früher reduzierten Koften der Reorganifation einfach 
freien wollten, als entſchieden gelten. Denn der Antrag 
Reichenſpergers, die Beſchlußfaſſung auszufegen, bis die Regie 
tung für die bereits geleifteten Ausgaben Rechtfertigung er= 
beten habe, war doch nur ein plumper Verſuch, die katholiſche 
Partei fon jegt zum Zünglein an der Wage in dem preußis 


376 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


ſchen Staatsleben zu machen. Obgleich die Mehrheit fi der 
KRonfequenzen diefes Beſchluſſes völlig bewußt war und v. d. Heybt 
fie nahbrüdlih darauf hinwies, daß nun auch von jeiten ber 
Regierung notgebrungen Schritte erfolgen könnten, die nicht 
in ber Verfaſſung vorgefehen feien, wurden dennod am 
23. September alle durch die Reorganifation veranlaßten Mehr: 
toften für das Heerweſen im Betrage von etwa ſechs Millionen 
Thalern abgelehnt. 

Damit war ber Konflift gegeben. Auf den König machte 
der Vorgang den tiefiten Eindrud. Die Reorganifation zurüd- 
zunehmen erſchien ihm, abgefehen von der Unmöglichkeit, 
115 Bataillone wieder aufzuldfen, ihre Offiziere anderweitig 
unterzubringen und die geweihten Fahnen zu entwerten, als 
eine Verlegung feiner Soldaten und Herrfcherpflicht. Anderer 
ſeits war er fi Mar darüber, daß fie aufrecht zu erhalten 
und aud ohne Bewilligung durch den Landtag das dazu Nötige 
aus den Staatsmitteln aufzuwenden, mit der Verfaſſung nicht 
in Einklang zu bringen fei und ihn nötige, ſich zeitweilig über 
ihren Wortlaut Hinmwegzufegen. Diefer Konflift der Pflichten 
laftete fo ſchwer auf ihm, daß er feinen anderen Ausweg mehr 
zu fehen meinte als ben Verzicht auf die Krone. Daß nun 
Fürft Hohenlohe das Präfidium im Minifterium nieberlegte 
und felbft der geſchmeidige v. d. Heydt nicht weiter mit ihm 
gehen mochte, konnte ihn darin nur beftärfen. In feiner leiden» 
ſchaftlichen Erregtheit meinte er gar, es handle fi darum, 
ob die Verfügung über das Heer in Preußen in Zukunft bei 
dem Könige oder bei dem Parlamente liegen jollte, — eine 
Alternative, die verriet, wie man ihn von gewiſſer Seite durch 
die Erinnerung an Karl I. von England zu beeinfluffen ſuchte. 
In den Reihen der fiegreichen Oppofition aber dürfte faum 
jemand ernſtlich geglaubt Haben, daß durch dies Votum die 
Wehrverfaffung Preußens wirklich in den alten Zuftand zurüd- 
verfegt werben fünne. Wohl aber wollte mander die Gelegen- 
beit benugen, um dem Königtum engere Schranken zu fegen, 
Preußen unter ein dem englifchen nachgebilbetes parlamentari: 
ſches Syſtem zu beugen und fo feine Entwidelung an ben 
Punkt wieder anzufnüpfen, wo fie einft die Auflöfung der 


IN. Der Konflikt. 377 


tonftituierenden Nationalverfammlung unterbrochen hatte. In— 
fofern handelte es ſich allerdings um einen Gegenjag, wie ihn 
der König in Bezug auf die Armee als gegeben anfah. Denn 
der Konflikt über die Reorganifation offenbarte, daß die Ver 
faſſung für gewiſſe Fälle nicht bloß eine feite Abgrenzung 
zwiſchen den Rechten der Krone und denen der Volfsvertretung 
vermiflen ließ, ſondern aud die nötigen Beftimmungen über 
das Verfahren, das einzuhalten war, wenn über unabweisbare 
und unter allen Umftänben zu befriedigende Staatsbebürfnifle, 
deren Nichtbefriedigung den Staat nicht bloß zu ſchädigen, 
fondern britten gegenüber durch notgedrungene Verlegung feiner 
Pfliten ins Unrecht zu jegen drohte, eine Verſtändigung 
zwiſchen der Krone und dem Landtage nicht zu erreichen 
war. So wurde der Kampf um eine rein techniſche Frage auf 
ein Gebiet verpflanzt, wohin er nicht gehörte, und mit ihm 
fremden theoretijchen Erörterungen prinzipiellfter Natur belaftet, 
und nahm einen Charakter an, den er nicht anzunehmen ges 
braucht hätte. Die Verantwortung dafür trifft beide Teile. 
Sie mißtrauten einander, und ber eine verfah ſich vom anderen 
ſchlimmerer Dinge, als irgend zu befürdten ftanden. Was in 
der Hite des Kampfes augenblidlih als Waffe angewandt 
wurde, ſollte, fo fürdtete der dadurch Bedrohte, dauernd in 
Geltung bleiben und flatt zur Abwehr zu bienen, zum er- 
obernden Vorbringen in ein bisher ihm vorbehaltenes Gebiet. 
Infofern handelte es ſich allerdings nicht bloß um eine Rollifion 
zwiſchen formalem und materiellem Recht. Auch waren fi 
beide Teile der Grenzen ihrer Macht wohl bewußt. Die 
DOppofition mußte, daß fie das Minifterium an ber Leiftung 
auch ber nicht bewilligten Ausgaben für die Reorganifation 
zu hindern nicht vermochte, da ihm die eingehenden Staats: 
einnahmen zur Verfügung ſtanden. Als eine Lüde in der Ver⸗ 
faffung beflagte fie daher, daß dem Abgeorbnetenhaufe neben 
dem Rechte zur Bewilligung der Ausgaben nicht auch das zur 
Bewilligung der Einnahmen zuftand. Eine viel ſchlimmere 
Lucke fah die Regierung in dem Mangel einer Vorſchrift für 
den Fall, daß eine Einigung zwiſchen den an dem Etatögefege 
beteiligten drei Faktoren nicht zu ftande fam. Der König 


378 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt, 


perſönlich vertrat die Anficht, die Regierung müſſe alsdann 
die von ihr pflihtmäßig als unerläßlich bezeichneten Ausgaben 
leiften, ſpäter aber ihre Notwendigkeit der Volksvertretung 
darthun und deren nachträgliche Zuftimmung einholen. Freilich 
ftimmte diefe Anſchauung weder mit dem Buchftaben noch mit 
dem Geifte der Verfaffung. Zwar legte fie nit Hand an 
die Verfaffung und verzichtete auf die einft von Weftphalen 
geübten Interpretationen, die den Maren Wortlaut weg: oder 
in das Gegenteil gedeutet hatten. Sie begnügte fi mit der 
Konftatierung einer Not- und Zwangslage und zeigte den Weg, 
wie, nachdem ihr momentan Rechnung getragen war, in bie 
vorübergehend verlafiene, aber nach wie vor als allein berechtigt 
anerfannte verfafjungsmäßige Bahn eingelenft werben Fonnte. 

So faßte die Lage auch der Mann auf, ben ber ratloje 
König zu Hilfe rief. Seit Jahren war Dito v. Bismard 
(geb. 1. April 1815), der unlängft ben Petersburger Gefandt: 
ſchaftspoſten mit dem Parifer vertauſcht hatte, als Minifter- 
kandidat genannt, das eine Mal für das Innere, das andere 
für die Finanzen, bei dem legten Wechſel auch für das Aus: 
wärtige. Namentlih Roon hatte in dem ihm freundſchaftlich 
verbundenen Diplomaten den Mann erkannt, deſſen man zur 
Durchfechtung der Reorganifation bedurfte. Bon ihm berufen, 
eilte derfelbe nach Berlin, hatte am 22. September in Babels— 
berg mit dem Könige, der bereits die Abdankungsurkunde ent⸗ 
worfen hatte, eine Unterrebung, in der er ihn durch feine kampf⸗ 
frohe Haltung, felbftlofe Hingebung und freudige Zuverſicht 
auszuharren beftimmte, indem er fih bereit erflärte, in ber 
Hoffnung jpäterer Verftändigung bie Regierung zunächſt gegen die 
Mehrheit der Volfsvertretung zu führen. Bereits am folgenden 
Tage (23. September) wurde er zum Staatsminifter zunächſt 
ohne Portefeuille und zum interimiſtiſchen Minifterpräfidenten 
ernannt. Der Eindrud davon war doch noch ftärfer, ala er 
ſelbſt erwartet Hatte. Gr glich nicht bloß dem Erſcheinen 
eines friſchen, mutig vorwärts ftürmenden Bataillons in einer 
mwanfenden Schlachtreihe, das bie Gegner ſtutzig macht und 
verwirrt: die Ernennung entfefjelte leidenſchaftliche Wut und 
wurde unter lautem Hohn, faft triumphierend, als ein Beweis 


II. Der Konflikt. 379 


dafür begrüßt, daß die Regierung alſo doch auf den Staats: 
ſtreich ausgehe und die Verfafjung zu befeitigen trachte. 

So kam an die Spige des preußifchen Staates der Mann, 
der, nahezu ein Menfcenalter auf dem nie erfirebten, fondern 
nur aus Pflihtgefühl übernommenen Poften ausharrend, ge: 
tragen von dem unerfhütterliden Vertrauen feines Königs, 
den er zum Raifer machte, und von dem immer mächtiger an⸗ 
ſchwellenden Jubel feines dankbaren Volkes, für Preußen und 
Deutſchland die Erfüllung der Zeit herbeiführen ſollte, in 
anderer Weife freilih, als man gedacht, auf anderen Wegen 
und in anderen Formen, aber auch glänzender und dauerhafter. 
Zange noch wird man nicht mübe werben, fi in fein Bild 
zu vertiefen, um feinen Entwidelungsgang zu verftehen und 
die geiftigen und fittliden Triebfedern aufzubeden, denen fein 
weltgeſchichtliches Handeln entfprang. Freilih wird aud da 
durch ein gewiſſes Uebermaß gefehlt. Deutichland ift in dem 
Menſchenalter nach den Freiheitsfriegen an groß angelegten, 
namentlich politifh groß angelegten Charakteren fo arm geweſen, 
daß es die gewaltige Erfcheinung dieſes einen faum recht zu 
faflen vermochte und fein Bild, das an fi) ſchon fo impofant 
iR, übertreibend in das Gigantifche auszumalen die Neigung 
bat. Auch in der Bewunderung fann ein Volk zu viel thun, 
und es ift nicht die rechte Würdigung ber hiftorifhen Größe feiner 
Helden, wenn es fie über das Maß der beſchränkten Menfchen- 
natur hinaus zu Trägern aller Vollfommenheiten macht. Gewiß 
war in Bismard die Kraft des Atlas mit ber Geiftesfchärfe 
des erfindungsreichen Odyſſeus gepaart: aber man darf doch 
nit meinen, daß er, was er ſchließlich erreicht, au in an« 
nähernd ähnlichen Umrifien von Anbeginn als Ziel im Auge 
gehabt habe. Die Quellen jeines erſtaunlichen, nie verfagenden 
Könnens lagen vielmehr in der unbeugfamen Kraft eines 
gewaltigen Willens und in der beweglichen Anpafjungsfähigkeit 
gegenüber den ſich unausgejegt wandelnden Verhältnifien. In 
legterem Punkt war er innerlih König Wilhelm verwandt, 
nur daß, was bei diefem das langfam reifende Ergebnis eines 
inneren Prozefies allmählicher Bewältigung und Aneignung 
fremder Momente war, bei ihm fi) darſtellt als die faft uns 


380 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


vermittelt vollgogene und alabald zur That umgejegte Wirkung 
einer augenblidlihen Eingebung. Bon einer ſolchen Kraft und 
ihrer rüdfichtslofen Bethätigung waren Einfeitigleit, Härte 
und Gemaltthätigfeit untrennbar und äußerten fi fpäterhin 
um fo fohroffer, je mehr ihr Träger, durch den Erfolg ver- 
wöhnt, von ber Unanfechtbarkeit des von ihm vertretenen 
Standpunkte durchdrungen war, 

Verfuht man fi) das Bild des werdenden Vismard zu 
vergegenwärtigen, fo erfcheinen darin als die hervorftechenden 
Züge feine begeifterte, an die fhönften Regungen mittelalter: 
licher Bafallentreue gemahnende Königstreue und die Begeifterung 
für Preußens Größe. Sie hatten dem jungen Heißiporn bereits 
die Gunft Friedrich Wilhelms IV. gewonnen und ohne Amt 
und Würden in den Jahren 1847—50 neben den regierenden 
Kreifen eine ganz eigenartige bedeutende Stellung verichafft. 
Trennend aber hatte zwifchen ihm und dem König geftanden, 
daß er ebenfo willensftart und kampffroh war, wie jener 
willensſchwach und kampfſcheu. Nie jedoch wäre er das ger 
worden, als was die Welt ihn kennt, wäre ihm nicht durch 
eine glüdlihe Fügung bie Klarheit des Blids, die Unabhängig: 
teit der Auffaffung und der rüdjichtelofe Freimut des Urteils 
erhalten geblieben, die ihn von den erften Schritten bis auf die 
Sonnenhöhe feiner Laufbahn vor allem kennzeichneten, und die 
niemand bewahren fonnte, ber in jenen Jahren den verknöchern⸗ 
den Einfluß der preußifchen Bureaukratie in ber üblichen 
Beamtenlaufbahn über fich ergehen laſſen mußte. Welche Schule 
im Gegenfag dazu die parlamentarifche Thätigkeit für den 
werdenden Staatsmann fein kann, hat fih an ihm bejonbers 
bethätigt. Denn viel mehr als durch die diplomatische Wirkſam⸗ 
teit in Frankfurt, der er freilich feine fo großartig bewährte 
Auffaffung der deutfchen Frage verbankte, find die in ihm 
ſchlummernden ftaatsmännifchen Anlagen dur die heißen 
Redekämpfe des Vereinigten Landtages, der Fonflituierenden 
Nationalverfammlung und ber folgenden Landtagsſeſſionen 
gewedt und entwidelt worben. 

Diefer Schule verdankte er nicht bloß die nie verfagende 
Schlagfertigfeit der ihm dabei nicht eigentlich leicht von ben 


II. Der Konflikt. 881 


Lippen fließenden Rede im Kampf der Meinungen, fondern 
auch bie unvergleichliche Menſchenkenntnis und die Meifterfchaft, 
womit er Schwächen und Stärken von Freund und Feind ber 
von ihm verfochtenen Sache dienftbar zu machen wußte. Diefe 
fand ihm über allem, perjönlihe Rückſichten kamen gegen fie 
niemals auf. Dieje unbeirrbare Sachlichkeit feines politifchen 
Denkens und Handelns erfüllte ihn mit dem fieghaften Bewußt⸗ 
fein feines guten Rechtes und erklärt jene fo oft faft ver- 
blüffende Offenherzigkeit der Sprache und die undiplomatifche 
Geradheit, mit der er auch dem Gegner das von ihm verfolgte 
Kiel ke vor Augen ftellte, Eigenſchaften, durch die er die über: 
lebte Kunft der alten Diplomatenfhule zuweilen ſpielend ent- 
waffnete und kläglich ſcheitern machte. Die Vereinigung biefer 
Eigenſchaften erklärt auch ben Einfluß, den er auf feinen 
König übte, ohne defien Selbftändigkeit und Herrſcherverant⸗ 
wortlichkeit in Frage zu ſtellen. Seine Treue, feine Offenheit, 
feine Sachlichkeit gaben dieſem bie beglüdende Gewähr, gut 
beraten zu fein. Wohl Hat König Wilhelm zumeilen dem 
tühnen Gebankenflug dieſes Beraters nicht gleich folgen können, 
an ber Richtigkeit oder gar der Gangbarfeit des von ihm 
gewiejenen Weges gezweifelt, ja, weniger ſchnell in der Er- 
faſſung einer verwidelten Lage und in der Abmeflung der 
möglichen Folgen einer zu treffenden Entſcheidung, demſelben 
lebhaft widerftrebt und im vereinzelten Fällen fi mit. faum 
verhohlenem Groll feiner überlegenen Einfiht gefügt: immer 
aber hat er fich fchließlich des freimütigen Beraterd Anficht 
angeeignet, deſſen Handeln durch feine Autorität gebedt und 
dadurch erft zu voller Wirkung gefteigert. Nie hat ein preußifcher 
Minifter zu feinem Könige, nie überhaupt ein Minifter zu 
einem König ähnlich geftanden. Das Verhältnis diefer beiden 
Männer fteht einzig ba in der Gedichte. Durch die über- 
legene Natur bes Minifters wurden die zunächft feineswegs auf 
das Außerordentliche gerichteten Fähigkeiten des Königs gleich 
fam vervielfältigt und er über das urſprünglich beicheidene 
Maß des eigenen Könnens weit hinausgehoben. Die raftlofe, 
vielfeitige, nit immer den geraden Weg einhaltende, oft 
fprungbafte und gelegentlich gewaltfame Thätigfeit des einen 


382 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt. 


fand ihre alle Schroffheit und alle Widerfprüche ausgleichende, 
fie gleihfam verklärende Einheit in der bei aller Schlichtheit 
durchaus ibealen Perfönlichkeit des anderen. So mag man 
zweifeln, ob Bismard das, was er geleiftet, unter und neben 
einem anderen Könige zu leiften vermocht hätte: daß König 
Wilhelm das, was er erreicht, ohne dieſen Berater nicht er— 
reiht haben würde, wird fein Menfchenkenner bezweifeln. So 
untrennbar verbunden und jeder eine in fi} gefeftigte und ſcharf 
ausgeprägte Perſönlichkeit fteht beider Bild dem preußiſchen 
und dem deutſchen Volle vor Augen. Legenden entftehen aus 
Regungen der Volksſeele unter dem Eindrud großer geſchicht⸗ 
licher Ereignifle, fie laſſen fi) anregen und einbürgern, indem 
man in beftimmter Richtung auf diefe einwirkt: aufzwingen 
laſſen fie fi wenigftens dem beutihen Wolfe nie. Niemals 
wird biefes in Bismard bloß den Handlanger König Wilhelms 
beim Neubau Preußens und des Deutfchen Reiches fehen lernen. 
Ehrt es in diefem den großherzigen Bauherrn, fo bleibt ihm 
jener ber geniale Baumeifter, ber nicht bloß den Bauplan 
entworfen und zur Annahme gebracht, fondern auch, als uner- 
müblider, an Mitteln unerſchöpflicher Bauführer alle Hinde- 
rungen überwindend, den folgen Bau feft gefügt unter Dach 
gebracht hat. 

So hat fi das Verhältnis beider glei) von dem Eintritt 
Bismarcks in das Minifterium an geftaltet. Die Weberzeugung, 
einen zuverläffigen Berater gefunden zu haben, der fi ver 
pflichtete, ihm alle Zeit freimütig feine Anficht darzuthun, aber 
wenn feine Gründe ihn nicht überzeugten, feinem Befehle 
nachzukommen, ließ den König, der unter den ihm perfönlid 
fo nahe verbunden gewefenen Trägern der neuen Aera ſchließ— 
lich vereinfamt geftanden, ſich bemfelben alsbald um fo inniger 
anſchließen, als ihm deſſen zuverfichtliche, tapfere Art inmitten 
einer von ſchlimmen Befürdtungen erfüllten Umgebung zuerft 
wieber Mut und Zuverfit und den Glauben an einen glüd- 
lichen Ausgang der fo bedrohlichen Krifis einflößten. Sein 
Soldatenherz fühlte, in dieſem Munde war es feine Phraje, 
wenn er in ben nächſten enttäufungsreihen und forgenvollen 
Wochen, als der König in trüben Phantafien ihnen beiden 


II. Der Konflitt. 383 


das Ende Straffords und Karls I. von England vorherfagte, 
das freudig aufnahm und als ein jehr anftändiges Ende be- 
zeichnete, da er felbit dann im Kampfe für bie Sache feines 
Königs enden, diefer aber feine füniglichen Rechte von Gottes 
Gnaden mit bem eigenen Blute befiegeln würde. Er war 
gewiß, daß berfelbe gegebenenfals auch nach diefen Worten 
handeln würde. Auf biefe fih auh im Tod zu bemähren 
bereite Treue Bismarda gründete ſich bes Königs Vertrauen 
zu ihm. Er war davon durchdrungen, dieſem beredten Munde 
konnte fein Wort und dieſem erfindungsreien Kopfe fein 
Gedanke entipringen, die mit ber Ehre des preußifchen König- 
tums unvereinbar waren. Die Folgezeit beftätigte glänzend 
dieſe Ueberzeugung und ftärkte ihn in dem Glauben an feinen 
treuen Berater. Daher haben fi) beide, mochten ihre Mei- 
nungen aud einmal außeinandergehen, immer wiedergefunden, 
fo daß ihr unvergleichliches Verhältnis angefichts großer Krifen 
wohl vorübergehend getrübt, aber nie ernftlich erfchüttert werden 
konnte. Erſt der Tod bat es gelöfl, denn troß feiner epoche⸗ 
machenden politifhen Bedeutung war es urfprünglid) und feinem 
Weſen nad) ſtets ein perfönliches und wurzelte als ſolches in 
ibeal fittlihen Momenten. Wenn Ranke einmal von Richelieu 
bemerkt hat, feine Bedeutung für die Entwidelung bes König— 
tums liege darin, daß er den kirchlichen Eifer des Kardinals 
auf die Vertretung desfelben übertragen habe, jo kann man 
von Bismard jagen, zum Schöpfer eines vom Glanz ber 
Raiferfrone umftrahlten neuen preußifchen Königtums, befjen 
Verkörperung die Welt in feinem Herrn bewunberte, fei er 
dadurch geworben, daß er den auf anderen Gebieten fo oft fo 
herrlich bewährten Geift foldatifhen Gehorfams und nie ver= 
fagender Bafallentreue, an ber es ein großer Teil feiner 
Standesgenofien trog aller loyalen Phrafen voll rüdfichts- 
loſer Selbfifuht in ben Jahren 1848—58 dem unglüdliden 
König gegenüber fo fehr hatte fehlen lafjen, auf die Politik 
übertrug und zu deren Grundlage machte. Nicht als kon— 
ftitutioneler Minifter in der üblichen Bedeutung des Wortes 
hatte er ihm bei dem Eintritt in die Regierung zu dienen 
gelobt, fondern als Diener feine Befehle in legter Inftanz zu 


384 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


befolgen, aud wenn fie feiner perſönlichen Auffafiung nicht 
entſprechen follten, fondern mit dem Herz und dem Sinn eines 
Soldaten. Ein Zug ebelfter mittelalterlicher Ritterlichkeit ging 
darin durd feine Haltung, für die ihm nur das eine Gebot 
galt, dem König als fein geborener brandenburgifcher Lehns⸗ 
mann flets getreu, Hold und gemwärtig zu fein. Und nie hat 
ein Fürft, namentlih nie ein Hohenzoller (3b. 3, S. 109) 
ſolche Treue jo erwibert und mit fo herzlihem und fo unwandel⸗ 
barem Danke gelohnt wie König Wilhelm. So haben fie erft 
die ſchweren Jahre des Konflifts Schulter an Schulter, mit 
Roon als britten im Bunde, durchgefochten und dann ben 
Neubau Preußens und die Gründung des Reiches vollendet. 
Diefen Ausgang zu hoffen oder aud nur bei feinen Fühnften 
Kombinationen als möglich in Ausſicht zu nehmen, war damals 
freilich feiner verwegen genug. Ihn zu ermöglichen, bedurfte 
es einer Reihe von glüdlihen Fügungen, bie herbeizuführen 
auch der genialfte und thatkräftigfte Staatsmann nicht vermag, 
denen gegenüber er fi) vielmehr ſchon dann auf der Höhe 
feiner Aufgabe befindet, wenn er fie alabald erkennt, feine im 
allgemeinen umrifienen Pläne ihnen anzupafjen und fie fo ber 
Verwirklihung derſelben dienftbar zu machen weiß. 

Als Bismard im September 1862 als interimiftifcher 
Minifterpräfident ohne Portefeuille die Leitung der Geſchäfte 
übernahm, ftand für ihm nur zweierlei fe. Einmal galt es, 
die dur die NReorganifation verboppelte Wehrkraft Preußens 
zu erhalten und auf einer gejegliden Grundlage gegen jebe 
Anfehtung fiher zu fielen. Da aber Preußen bei feinem 
ſchmalen Ianggeftredten Leibe die Rüftung, beren Deutſchland 
zu feiner Sicherheit bedurfte, unmögli auf die Dauer allein 
tragen Eonnte, ihre Laft vielmehr auf alle Deutſchen gleichmäßig 
verteilt werden mußte, galt es für ihm zweitens die baldige 
Löfung der deutfchen Frage in diefem Sinne. Wieberholt ſchon 
hatte er ber Weberzeugung Ausdruck gegeben, diefe Löfung 
werde fi von felbft ergeben, fobald Preußen in Europa die 
ihm gebührende Stellung gewonnen habe. Nicht in Deutſchland, 
in den europäifchen Verhältnifien fuchte er den Punkt, wo 
er ben Hebel einfegen könnte, um Defterreidh in Deutſchland 





III. Der Konflikt. 385 


aus den Angeln zu heben. Wo fich ihm die Gelegenheit dazu 
bieten, welcher Art fie fein würde, ließ er offen, nur war er 
entſchloſſen, fie fi nicht entgehen zu laſſen. In dieſem ſehr 
allgemeinen, aber doch äußerft entwidelungsfähigen Programm 
beſchloß fi die Summe feiner politifhen Erfahrung während 
der letzten anderthalb Jahrzehnte. Yon den Gegnern, die in 
ihm einen Tobfeind der Verfaffung und gelehrigen Schüler 
Napoleons III. in der Kunft des Staatsftreihs witterten, ahnte 
feiner, daß er mit ihnen eigentlich in ber wichtigſten Frage 
der deutfchen Zukunft übereinftimmte. Bon all den Männern, 
die feit dem Vereinigten Landtage im Vordertreffen bes politis 
fen Kampfes geftanden, hatte Feiner fo viel gelernt, Teiner 
unter Feſthaltung freilich der eigentümlihen Härte und Herb- 
heit der Formen und des alten Feden, oft herausfordernden 
Selbftvertrauens fi jo von Grund aus gewandelt wie Bismard. 
Die aber, die fein Erſcheinen auf dem Kampfplatz jetzt zu 
äußerfter Leidenſchaft reizte, fahen in ihm, ber vielmehr gelernt 
hatte, daß in ber Politit Zorn und Haß ſchlechte Ratgeber 
feien, no immer nur den unverbefierlihen Junker, der durch 
Vernichtung der großen Stäbte dem verhaßten Bürgertum ben 
Untergang zu bereiten gedacht, die Verleihung der Verfafjung 
einer traurigen Selbftaufgabe des NKönigtums gleichgeachtet 
und bie Führer der Liberalen als Sonntagsreiter verfpottet 
hatte, bie das ftolze Schlachtroß Boruffia kläglich in den Sand 
fegen werde. Sie wußten nicht, daß er vielmehr in dem Liberalen 
Konftitutionalismus ein weit geringeres Uebel ſah als in dem 
liberalen Abfolutismus, und deshalb auch gegen den Verfafjungs- 
eid bes Königs nichts einzuwenden gehabt Hatte, auch nicht, 
daß er im Ernft und nit, wie Leopold v. Gerlach meinte, 
bloß aus Oppofition gegen Defterreih im Fall der Not bie 
fetefte Stüge für Preußen in dem preußifhen Landtage er: 
blidte. 

Wie groß war daher das Erftaunen der Altliberalen, als 
er zunächſt mit ihnen Fühlung fuchte und ihnen den Eintritt 
in das neuzugeftaltende Minifterium anbot. Sie lehnten ab, 
gebunden durch die Parteiboftrin, daß allein die zweijährige 
Dienfizeit die NReorganifation dem Volke follte erträgli 

Bruß, Preußiihe Seſchichte. IV. 


386 FZünftes Bud. Die neue Aera und der Konflift. 


machen fünnen. Danad; blieb Bismard freilich nichts übrig, 
als den Rüdhalt, der ihm hier verweigert wurde, auf ber 
entgegengefegten Seite zu ſuchen. Während er an bie neue 
Aera anzuknüpfen gedacht hatte, mußte er auf das Miniiterium 
Manteuffel zurüdgehen. Das Abgeordnetenhaus glaubte nicht 
einmal an die Ehrlichkeit feiner erften verſöhnlichen Schritte, 
das Herrenhaus aber, das nun feine Zeit gekommen meinte, 
verſchlimmerte die Lage durch feinen Webereifer. Während 
Bismard das Budget, das die Abjtriche des Abgeorbnetenhaufes 
für die Regierung unannehmbar gemacht hatten, zurüdzog, 
machte bag Herrenhaus es dennoch zum Gegenftand weiterer 
Beratung und begnügte fi nicht mit der ihm verfafungs- 
mäßig zuftehenden Verwerfung der ihm in dem anderen Haufe 
gegebenen Faflung, fondern ftellteam 11. Oktober die Regierungs- 
vorlage in der urfprünglien Faſſung wieder her; worauf das 
Abgeordnetenhaus, das die Feititellung des Etats vor bem 
1. Januar 1863 als unumgänglid nötig bezeichnet hatte, 
diefen Beſchluß für null und nichtig erklärte. Unter fieber- 
hafter Erregung erfolgte am 13. Oktober der Schluß bes Land- 
tages. Dur den Mund Bismards erklärte die Regierung, fie 
glaube ihre Pflicht gröblich zu verlegen, wenn fie gemäß ben 
Beihlüffen des Abgeorbnetenhaufes die Reorganifaiton rüd- 
gängig machen würde, halte fi vielmehr im Intereſſe ber 
Staatswohlfahrt für verbunden, fie aufrecht zu erhalten, 
und werde daher bie dazu nötigen Ausgaben leiften, ob: 
gleih fie nicht verfaffungsmäßig bewilligt jeien: fie hoffe 
fie auf Grund fpäterer Verftändigung nachträglich bewilligt zu 
erhalten. 

Nun galt e8 für Bismard, der nad dem formellen Rück— 
tritt Hohenlohes bereits am 8. Oktober definitiv zum Minifter: 
präfidenten und Minifter des Neußern ernannt worden war, 
die Mitlämpfer zur Verteidigung ber fo gewählten Pofition 
zu gewinnen. Daß er nicht, wie man ihm ſchuld gab, die 
Verfaſſung befeitigen wollte, hätte weniger erregten Gegnern 
feine Haltung in der kurheſſiſchen Frage zeigen müffen, bie 
alten liberalen Wünfden zur Befriedigung und dem mit 
Füßen getretenen Recht endlich zur Anerkennung verhalf. 


1. Der Konflitt. 387 


Was die lahme Aktion des Bundestages und bie größere 
Energie Bernſtorffs nicht erreicht hatten, bewirkte jegt (24. No— 
vember 1862) er vermöge der durch einen Feldjäger nad) Kaſſel 
gerichteten Drohung, bei Fortbauer des Konflikts zwifhen dem 
Nurfürften und den Ständen werde man mit ben Agnaten in 
Verhandlung treten, das heißt die Abfegung des hartnädigen 
Nechtsverweigerers einleiten müffen. Das wirkte: zum erften- 
mal feit langen Jahren fam in Nurheilen verfafiungsmäßig 
ein Stantshaushalt zu ftande. Konnte man wirklich annehmen, 
der Mann, der das durchgeſetzt, werde in Preußen jelbft bie 
Wege Haflenpflugs gehen? Der Anſchein freilich ſprach gegen 
ihn, aber doch nur, weil er einmal bei der Verfahrenheit der 
Parteiverhältniſſe feine Mitftreiter zunäcft in den Reihen ber 
äußerften Rechten ſuchen mußte, und dann, weil dieſe äußerfte 
Nechte, felbit umgewandelt, auch ihn noch für den Junker von 
1847—48 hielt und als den Ritter Georg feierte, der den 
Draden der Revolution befiegen fole, und nicht anders 
dachte, als daß nad dem Zwiſchenſpiel der neuen Aera einfach 
an das Minifterium Manteuffel angelnüpft und die Ent- 
mwidelung Preußens wieder in deſſen Bahn gelenkt werben 
ſollte. 

Dieſe Hoffnung und jene Befürchtung ſteigerte die Art, 
wie das neugeftaltete Minifterium die Reaktion nun vollends nad) 
Manteuffelicher Methode betrieb. Hatte doch der neue Finanz: 
minifter Karl v. Bodelſchwingh bereits Manteuffel zur Seite 
geftanden. Itzenplitz vertaujhte das Portefeuille der Lands 
wirtfchaft, das v. Selchow übernahm, mit dem bes Handels. 
In der Leitung des Innern wurde v. Jagow erfegt durch Graf 
Frig Eulenburg, neben Bismard und Roon ohne Frage den 
bedeutendften Kopf im Minifterium, der zwar als diplomatifcher 
Leiter der preußifchen Expedition nad) Oftafien für feine neue 
Stellung eine entfprehende Schule nit durchgemacht Hatte, 
aber durch Schärfe des Blicks, treffendes Urteil und Schlag: 
fertigleit der Rede nicht bloß diefen Mangel ausglich, fondern 
aud ergänzte, was ihm an Arbeitsluft und gelegentlich ſtaats— 
männifhem Ernfte abging, dabei Bismard einigermaßen geiftes= 
verwandt durch feine Leichtlebigkeit und mohlgemute Kampfes: 


388 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


luft, vor allem aber durch die Fähigkeit, von den Verhältnifien 
zu lernen und fi den mit ihrem Wandel gegebenen neuen 
Aufgaben und höheren Zielen anzupaffen. Die Art, wie das 
Minifterium nad) Auflöfung des Abgeordnetenhaufes gegen bie 
der Oppofition angehörigen Beamten vorging und auch fonft 
dur die bebenklihften Mittel günftige Wahlen zu erwirken 
ſuchte, empfand die überwältigende Mehrheit des Bürgertums 
als eine neue Herausforderung. Der Kampf wurbe immer er- 
bitterter, zumal beide Teile über neuauftauchende nebenſächliche 
Streitpunfte zeitweilig aus ben Augen verloren, worum es fi 
eigentlich handelte. Gleich in der Adreßdebatte (27.—29. Ja: 
nuar 1863) ftießen Minifterium und Mehrheit heftig zufammen. 
Die ſchneidend ſcharf gefaßte Adreſſe anzunehmen, Iehnte 
der König ab, indem er die Verantwortung für ben ein: 
getretenen bebauerlih abnormen Zuftand dem Abgeorbneten- 
hauſe zufchob. 

Dazu kamen Bermidelungen in ber auswärtigen Politik. 
Während die fchleswig-holfteinifhe Frage eine ernitere Geftalt 
annahm und Defterreih mit den Mittelftanten fi anſchickte, 
die innere Bedrängnis ber preußiſchen Regierung zur Löfung 
auch der deutſchen Frage in einem Preußen feindlihen Sinn 
zu benugen, drohte ein Aufftand in Polen, welcher die durch 
die Bauernbefreiung im Innern Rußlands herbeigeführte Krifis 
benugte, europäifche Berwidelungen Herbeizuführen. Die Weft- 
mädte machten aus ihren Sympathien für die Rebellen kein 
Hehl. Auch die öffentlihe Meinung in Preußen, wo das 
liberale Bürgertum trog ber Erfahrungen von 1848 von feiner 
Vorliebe für das deutſch-feindliche Polentum nod nicht ge: 
heilt war, nahm entichieden für fie Partei: fie fah in ber 
Konvention, die Bismard am 8. Februar 1863 dur ben 
General v. Alvensleben mit Rußland zum Zwed gemein: 
ſchaftlichen Handelns gegen den Aufitand ſchließen ließ, die 
Erneuerung ber einftigen Dienftbarfeit Preußens gegenüber 
dem Sarenreihe und entnahm daraus ein neues Argument 
für die verfaſſungs- und freiheitsfeindlihen Abſichten des 
Minifteriums. Die Mehrheit fah in den militärifhen Map- 
nahmen an der ruffiigen Grenze einen Schergendienft, zu dem 





III. Der Konflikt. 389 


das preußiihe Heer mißbraudt wurde, und verlangte, ba 
Bismard nähere Auskunft über den Inhalt der Konvention, 
die übrigens nicht ratifiziert war, verweigerte, die Beobachtung 
ftrengfter Neutralität. Ohne Kenntnis der diplomatiſchen Lage 
überfah fie, daß Preußen des Rüdhalts an Rußland, den es 
durch feine doch nur theoretiſche Parteinahme gegen bie Polen 
gewann, bei feiner fonftigen Sfolierung nicht entbehren konnte. 
Vergeblich aber fuchte der Zar den König durch einen perfön- 
lien Appel zum Kriege mit fortzureißen, als Defterreih und 
die Weſtmächte Rußland zu Konzeffionen an die befiegten Polen 
nötigen wollten. Wie reich diefe Haltung Preußen bereinft von 
Rußland vergolten werden follte, konnte freilich aud Bismard 
damals noch nicht ahnen. 

Unter folden Umftänden war jede Ausfiht auf Ber- 
ftändigung über die Reorganifation bald entſchwunden. Das 
von der Regierung vorgelegte Wehrgefeg hielt an ihr und der 
dreijährigen Dienftzeit fe. Das Abgeordnetenhaus aber meinte 
eine fernere budgetlofe Regierung unmöglich) zu machen, indem 
es für unbemilligt geleiftete Ausgaben gegen alle bisher gelten- 
den Eonftitutionelen Theorien die Minifter perjönlih und mit 
ihrem Vermögen für haftbar erflärte. Seinen Höhepunkt aber 
erreichte der Konflikt ſchließlich durch den Streit darüber, ob 
aud die Minifter der Disziplinargemalt des Präfidenten des 
Abgeorbnetenhaufes unterftänden oder jederzeit gehört werben 
müßten und weder unterbrochen noch reftifiziert werben dürften. 
In der Sigung vom 11. Mai gerieten Roon und ber Vize— 
präfident Oberregierungsrat v. Bodum-Dolffs darüber fo heftig 
aneinander, daß der legtere die Sigung unter wildem Tumulte 
ſchloß, indem er ſich bededte. Da das Abgeordnetenhaus ben 
vom Minifterium in diefer Frage eingenommenen Standpunft 
nit gelten ließ und dem König auf fein entſchiedenes Ein» 
treten dafür am 22. Mai in einer Abrefje erklärte, mit biefem 
Minifterium fi zu verftändigen fei ihm nunmehr fein Mittel 
gelaffen, wurde die Seffion am 27. Mai unter flürmifcher 
Erregung des ganzes Landes gejchlofien, während der König 
feinen Räten ausbrüdlic fein volles Einverftändnis und un— 
veränbertes Vertrauen bezeugte. Den Boden ber Gejehlichfeit 


390 Fünftes Bud. Die neue Wera und der Konflikt. 


aber verließ die Regierung unfraglich, als fie unter Berufung 
auf Artifel 63 der Verfaffung, nad dem die Regierung durch 
die Sicherheit des Staates gebotene Verordnungen auch in 
Abwefenheit der Kammern mit vorläufiger geſetzlicher Kraft 
erlaffen kann, am 1. Juni verfügte, die Verwaltungsbehörden 
follten Zeitungen ihrer heftigen Sprache wegen nad) zweimaliger 
Verwarnung unterbrüden dürfen. Diefer verfaflungswidrige 
Verfuh, die öffentlihe Meinung mundtot zu maden, ſchien 
verhängnisvoll werben zu follen. Denn einmal wurden nun 
auch die Befonnenften und Gemäßigtfien mit banger Sorge 
vor weiteren leidenſchaftlichen Entſchließungen der Regierung 
erfüllt. Allgemein verfah man fi von ihr der übelften Dinge: 
es hieß, das Verfammlungs- und Vereinsrecht ſolle aufgehoben, 
jeber oppofitionelle Beamte nad) vierundzwanzigftündiger Kün- 
digung abgejegt werben können. Bor allem aber ſchien der 
Konflikt nun fogar den Frieden des königlichen Haufes zu ges 
fährben. Auf einer militärifchen Infpektionsreife in Weftpreußen 
begriffen, erklärte fih der Kronprinz wohl unter engliſchem 
Einfluß und um nit durch als Zuſtimmung gebeutetes 
Schweigen an Popularität zu verlieren, öffentlich gegen die ohne 
fein Wiffen entftandene Preßverordnung. Des Königs Ent: 
rüftung darüber war begreiflih. Doch gelang es Bismard, 
ihn zu befhwichtigen und durch den Sohn, ber die Gelegenheit 
des dur dieſen Zwifhenfal veranlaßten Schriftwechſels bes 
nugte, um, wohl aud) nicht ganz allein aus ſich ſelbſt, fondern 
unbewußt von ber um feine engliihe Gemahlin gefammelten 
liberalifierenden Fronde als Sprachrohr gebraudt, feine prin⸗ 
sipielle Gegnerfchaft gegen Bismards Syſtem in einem Proteft 
vom 30. Juni mit ſchneidender Schärfe zum Ausdrud zu bringen 
und fogar den Verzicht auf alle feine Aemter und den Rüd- 
tritt in das Privatleben anbot, zu beruhigen und verföhnlich 
zu ftimmen. Natürlich blieben biefe Vorgänge nicht geheim, 
zumal ein im ®erfolg berfelben an den König gerichtetes 
Schreiben des Kronprinzen durch englifhe Vermittler den Weg 
in die Preſſe fand. Wenn aber die gefürchteten weiteren Ges 
waltmaßregeln wider Erwarten unterblieben, jo ſchrieb man 
das dem tiefen Eindrud zu, den bes Thronerben Auftreten 


II. Der Konflikt. 391 


doch am maßgebender Stelle gemacht hatte. Trotzdem griffen 
immer weitere Kreife mit feharfen Demonftrationen gegen bie 
Regierung in ben politiſchen Parteilampf ein, Magiftrate, 
Stabtverorbnete, Wahlmänner: und Urwählerverfammlungen 
und das nit felten willfürlihe und felbft geſetzwidrige Ein: 
ſchreiten der Verwaltungsbehörben dagegen reiste und er« 
bitterte nur immer mehr, und aud die Art, wie die Maflen 
die Führer der Oppofition feierten, zeigte gelegentlih, daß 
die Leidenſchaft des Kampfes mit ber politifden Moral 
auch das ftaatlihe Pflihtgefühl zu untergraben anfing. Das 
Band, das Wolf und Dynaftie einte, ſchien bereits ernft: 
lich gelodert. Für die beutfhe Politik Bismards aber, bie 
eben damals in der Abwehr ber öſterreichiſchen Reform» 
pläne ſich au entfalten begann, hatte man nur Hohn und 
Spott. . 

In der Meinung, darin Wandel zu ſchaffen und von 
da aus auch der inneren Schwierigkeiten Herr werben zu 
tönnen, löfte Bismard am 2. September das Abgeorbneten- 
haus auf. Die Neuwahlen aber, jo rüdfichtslos Graf Eulen: 
burg zu gunften ber Regierung auf fie einwirkte, änderten an 
der Lage nichts. Vergeblich bot Bismard aud die von 
Ferdinand Laſſalle zur Vertretung ihrer Standesinterefien 
organifierten Arbeiter gegen das fortſchrittliche Bürgertum 
auf, während er deſſen namentlich dem Richterftand angehörige 
Vorkämpfer aus der Volfövertretung zu befeitigen ſuchte, indem 
er fie dur den Juftigminifter v. d. Lippe zur Tragung ber 
Koften für ihre Stellvertrerung heranziehen lieb. Maßregelungen, 
Strafverfegungen und Chifanen aller Art gegen die Männer 
der Oppofition waren an der Tagesordnung wie nur je unter 
Manteuffel. So folgte der Eröffnung ber Kammern, von 
denen das Abgeordnetenhaus nur 37 Anhänger der Regierung 
zählte, am 9. November troß des in ber Thronrebe ausge: 
fprodenen Wunſches nad; Verftändigung fofort die Erneuerung 
der alten ausfihtslofen Kämpfe. Nur die Prefverorbnung 
freilich mußte nun aufgehoben werden. Bismards Abficht 
aber, mit Hilfe der wieder in Fluß kommenden fchleswig- 
holſteiniſchen Frage Preußens europäiſche Stellung zu fidern 


392 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflitt. 

I 
und dadurch ihm in Deutſchland fein Recht zu verfhaffen, fand 
Bismard nah wie vor Feinen Glauben. Es blieb ihm nicht 
eripart, wie die Waffnung Preußens zu künftiger Größe, fo 
auch die fie zu ſchaffen beftimmte nationale Politik in ihrem 
erften und grundlegenden Stabium in offenem Kampf gegen 
fein eigenes Volk durchzuführen. 


IV. Die Xöfung der deuffchen Frage. 
18641866. 


Bisper mit padend dramatiſcher Lebendigkeit gefteigert, 
ſchien der Konflift Ende 1863 auf einem toten Punkt an- 
gelangt, den frieblih zu überwinden kaum gehofft werben 
fonnte. Schwer laftete diefe Sorge auf bem Lande. Die 
Vorkämpfer des verfaffungsmäßigen Rechtes verzweifelten faft 
an einem Grfolge, nachdem bisher alle gejegmäßigen Mittel 
verfagt hatten. Für die Regierung war jeder Monat, den 
fie fi behauptete, ein Gewinn, da bie Zahl derer wuchs, 
welde die neue Orbnung ala etwas Gegebenes hinnahmen 
und um ihrer Ruhe und ihres Vorteil willen ſich auch ferner 
gefallen zu laflen bereit waren. Das Wort, bas in ber 
ſtürmiſchen Adreßdebatte des Januar 1863, eine Aeußerung 
Bismarda gefliffentlih umbeutend, Graf Schwerin als an— 
gebliche Devife diefes Minifteriums proflamiert hatte, „Gewalt 
geht vor Recht“, ſchien ſich zu bewahrheiten und das Fundament 
des neuen preußifhen Staatsrechtes zu werden. Mit ber 
Maßregelung ber Beamten unter ben oppofitionellen Abgeorb- 
neten und in ben hinter ihnen ftehenden Wahlkörpern fuhren 
Eulenburg, Lippe und Mübhler fort. Bockum⸗Dolffs, der die 
Disziplinarbefugniffe des Präfiviums im Abgeorbnetenhaus auch 
den Miniftern gegenüber verfodhten hatte (S. 389), wurde im 
Intereſſe des Dienftes zur Strafe nah Gumbinnen verfegt. In 
Königsberg wurde ber Kliniker Profefjor Möller vom Amte ent- 
fernt. Liberale Juftizbeamte wurden dauernd übergangen und 
dur die Verurteilung zum Erſatz der Koften für ihre Stell- 
vertretung an den Staat (S. 391) wirtſchaftlich geſchädigt. 
Nichtbeftätigungen Liberaler in kommunalen Aemtern waren an 
der Tagesordnung. Magiftratsfollegien, die fih im Sinne der 


394 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt. 


Kammermehrheit äußerten, wurden aller Gunft und Gnade aus- 
drücklich für verluftig erflärt. Andererjeits fehlte es natürlich 
nit an folden, die unter Schmähungen der Oppofition ihre 
unverbrüdhlihe Königstreue in Loyalitätsadrefien und Depu: 
tationen zu erkennen gaben — ein Treiben, das, duch den 
über das Land verzweigten Preußenverein förmlich organifiert, 
dazu beitrug, dem König die wahre Lage zu verbergen und 
fein Urteil über Beweggründe und Ziele der Oppofition un- 
heilvoll zu befangen. 

Dennod hat unter dem Konflikt niemand ſchwerer gelitten 
als gerade der König. So wenig ihm auch ſelbſt während des 
erbitterten Kampfes ber Gedanke an ben Bruch der Verfafjung 
gefommen ift, jo unbebingt hielt er ſich angefichts der angeb- 
lichen Lüde (S. 377) in der Verfafiung für verpflichtet, bie 
durch die NReorganifation gefteigerte Wehrfraft Preußens uns 
gemindert zu erhalten. Wohl rang er gelegentlich in ſchweren 
Zweifeln und wollte verzagen, fand aber immer den Mut zum 
Ausharren wieder und tröftete fi im lichten Stunden ber 
erhebenben Zuverficht, fein Wolf werde ihm bereinft recht geben 
und danfen. An feiner Treue zweifelte er nicht, ſondern gab 
alles feiner Srreleitung durch die oppofitionelle Agitation 
ſchuld. Da er fo in den gewählten Abgeoroneten nicht die 
Vertreter der Vollsmeinung jah, lebte er fi) allmählich in bie 
Anfhauung hinein, das Parlament wolle ihm das Heer ent: 
ziehen, um ſelbſt darüber zu verfügen. Darin beruhte die 
Hoffnung des Heinen Häufleins der Ultrarealtionäre, er werde 
ſchließlich doch noch die Verfafiung zu befeitigen ober zu ändern 
beftimmt werben können. 

Bismard war auch von diefer irrigen Auffaſſung frei. 
Mochte einigen feiner Kollegen bie Reaktion Selbitzwed fein: 
ihm war fie nur das Mittel, deſſen er fi, weil ale anderen 
verfagten, notgebrungen bedienen mußte, um im entjcheidenden 
Augenblide die ihm in allgemeinen Umriſſen vorſchwebenden 
Pläne verwirklichen zu Fönnen. Die Gegner außerhalb Preußens 
arbeiteten ihm dabei unbewußt in die Hand. Denn der Konflikt 
machte nad) ihrer Meinung Preußen unfähig, ſowohl eine 
Bundesreform in feinem Sinn durchzuſetzen, als aud eine 





IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 395 


jolde in ihm feindlicher Richtung zu hindern. Zudem hofiten 
fie bei der Entrüftung der deutfchen Liberalen über die preußiſchen 
Zuftände durch Wiederaufnahme diefer Beftrebungen deren 
Sympathien zu gewinnen und ihren felbftfüchtigen Abſichten 
dienſtbar zu maden. 

Schwerer als die Belämpfung diefer allzu durchſichtigen 
Politik Defterreihe und der Mittelftaaten mußte es Bismard 
werden, den König aus dem Bann feiner altererbten An: 
ſchauungen zu löfen und zur Verfolgung eines Weges zu ver: 
mögen, ber ihm ben Bruch mit all dem zumutete, was ihm 
von Jugend auf als politifches Dogma und unverrüdbare 
Baſis der preußifchen Politik gegolten hatte. Hat er fih in 
dem Kampf um die Löfung der deutſchen Frage als einen der 
größten Diplomaten aller Zeiten gezeigt: faft größer noch er: 
ſcheint Bismarcks Menſchenkenntnis und die ebenfo feinfühlige 
wie energifche Art, wie er den König allmählich für feine 
Politik gewann. Es gelang ihm nur, weil bei dem König ber 
Abneigung gegen einen Brud; mit der politifhen und Familien- 
tradition fein Ehrgefühl die Wage hielt, deſſen Empfindlichkeit, 
um mit Bismard zu reden, ebenfo fehr im preußifchen Portepee 
wie in dem monarchiſchen Bemußtjein lag, fo daß er, hatte er 
fi unter feinem Einfluß einmal zu ihm ſchwer ankommenden 
Entſchlüſſen gezwungen gefehen, an ihnen feithielt und den 
darauf Weiterbauenden unter feinen Umftänden im Stich ließ. 

Auch wenn fein eigenes ausbrüdliches Zeugnis dafür 
nicht vorläge, würde eine unbefangene Erwägung der Ver 
bältniffe zu der Annahme berechtigen, Bismard habe für die 
Löfung der deutſchen Frage doch nicht gleih die eine Formel 
in Bereitſchaft gehalten, nad) der fie jchließlich erfolgte. Doch 
ſchließt das natürlich nicht aus, daß er, war das urfprünglich 
näher geftedte Ziel mit ben bereit gehaltenen milberen Mitteln 
nit erreihbar, die Gewaltkur von Blut und Eifen anzus 
wenden ſchon damals erwog. Auch hat feine deutſche Politik 
bis zu der Krifis von 1864 im wefentlihen doch die Richtung 
verfolgt, die ihr — nicht eben zur Freude des bisherigen Bundes» 
tagsgefandten — 1859 ber Prinzregent gegeben und Schleinig 
und Bernftorff beibehalten hatten. Während in den Tagen von 


396 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt. 


Olmütz und Dresden Schwarzenberg den erneuten beutjchen 
Bund unter der öfterreihifhen Präſidialmacht dem Kaiſerſtaat 
hatte bienftbar machen wollen, um bas Gewicht des jo ges 
ſchaffenen mitteleuropäifchen Siebzigmillionenreiches für bie 
Interefien bes Haufes Habsburg einzufegen, hatte man preußi⸗ 
ſcherſeits, nachdem die günftige Gelegenheit bes italieniſchen 
Krieges unbenugt geblieben war, das ſchon von Hardenberg 
vertretene dualiſtiſche Syſtem (S. 98) verwirklien wollen 
und wäre zufrieden gemwefen, hätte man in ber Leitung des 
Bundes gleichberechtigt neben Defterreich treten Fönnen. Auch 
Bismard hat zunächft nicht mehr gefordert. Nur ſchlug er in 
der Vertretung dieſes maßvollen Verlangens einen anderen 
Ton an und zeigte mit ber ihm eigenen Offenheit den Gegnern, 
was fie, gaben fie nicht gütlih nad, zu gewärtigen hatten. 
Defterreih aus Deutſchland zu verdrängen und deſſen Leitung 
für Preußen allein zu erzwingen, war damals noch nicht das 
von ihm ins Auge gefaßte Ziel. Vielmehr dachte er die für 
Preußen unerläßlihe Bundesreform in Gemeinfchaft mit Defter= 
reich durchzuführen. Denn er hielt die enge Allianz ber beiden 
deutſchen Großmädte und die fefte Anlehnung bes deutſchen 
Bundes an fie für geboten durch die Interefien aller drei und 
für den ſicherſten Schutz Deutſchlands gegen Einmifhung von 
Dften oder Weften. Daß dieſes Programm unausführbar 
wurde, verſchuldete Defterreichs verblenbete Politik, die Preußens 
innere Schwierigfeiten benugen wollte, um es im Bunbe mit den 
Mittelftaaten endgültig von der Stellung an der Spige Deutfch- 
lands auszuſchließen. 

Bereits im Juli 1862 Hatten in Wien, ohne Zuziehung 
Preußens, Beratungen ber Art ftattgefunden, aber nur ergeben, 
daß die in Ausficht genommene Volfsvertretung beim Bundes⸗ 
tage zu ſchaffen ohne Preußen unmöglich ſei. Um jebod zu 
zeigen, daß man es ernjt meine, ſchlug man die Errichtung 
eines Bundesgerichts und Berufung einer Delegiertenfonferenz 
zur Vorberatung eines einheitlihen Zivil: und Obligationens 
rechts vor. Preußen lehnte nicht nur jede Mitwirkung dabei 
ab, jondern erklärte au, daß es prinzipiell gegen jede Er» 
weiterung der Befugnifie des Bundes fei. So geihah zunähft 





IV. Die Löfung der beutfchen Frage. 397 


nichts: die Bundesreform ſchien auf einem toten Punkte an- 
gelangt zu fein, als die Uebernahme bes auswärtigen Mini- 
fteriums durch Bismard fie gegen Ende bes Jahres 1862 
wieber in Fluß brachte. 

Ausgerüftet mit dem Schatz feiner Frankfurter Erfahrungen 
und entſchloſſen, fie endlich praktifch zu verwerten, brachte er 
eine zunächft auch noch beſcheidene Forderung in einem Ton vor, 
der ſchon jegt viel weitergehende Abfichten bei ihm vermuten 
laſſen konnte. Namentlih eine Unterredung, die er am 
4. Dezember 1862 mit dem öſterreichiſchen Gefandten Grafen 
Karolyi hatte, war darauf berechnet, den ihm von Frankfurt 
ber befreundeten und Preußen nicht geradezu feindlichen öfter: 
reichiſchen Minifter Grafen Rechberg einzufhüchtern durch ben 
Hinweis auf das, was, wurde Preußen nicht befriedigt, von 
ihm zu gemärtigen fei. Er erklärte, in dem gegenwärtigen 
Zuſtande könne das Verhältnis Deſterreichs und Preußens niit 
bleiben; könne es nicht gebefjert werden, wozu er die Hand 
zu bieten bereit fei, fo müfle es ſchlechter werden, und wenn 
& barüber zum Bruch käme. Dann aber werde Preußen ohne 
Rüdfiht auf den Bund und feine angeblihen Verpflichtungen 
gegen diefen allein ala europäiſche Großmacht handeln und 
feinen Vorteil gegen Oeſterreich unbenugt laſſen, alfo auch bei 
der Wieberfehr der Lage von 1859 nicht neutral bleiben. 
Defterreih müffe aufhören, in Hannover und Kurheſſen gegen 
Preußen zu begen: es möge feinen Schwerpunkt nad) Ofen 
verlegen und die Leitung Deutſchlands Preußen überlaflen — 
ein Rat, der in Wien ganz befonders erbitterte, während doch 
ſchon Prinz Eugen von Savoyen, feinerzeit als Schußgeift 
des Haufes Defterreih gepriefen, bargethan hatte, nad) dem 
einftigen Verluft der Niederlande ſei Ungarn berufen, das 
Hauptland der Monarchie zu werden, und es nahmals ja au 
thatfächlich fo gefommen if. In Frankfurt bringe man Preußen 
um den gebührenden Einfluß und ſchiebe feinen Widerſpruch 
als gleichgültig beifeite: gehe das fo fort, jo werde es ben 
Bunbesvertrag als gebroden anſehen, feinen Gefandten ab» 
berufen und bie Wirkſamkeit des Bundes in feinem vollen 
Umfang nicht mehr anerkennen. 


398 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflitt. 


Aber noch größere Ueberraſchungen ftanden ben öfter: 
reihifhen Staatsmännern bevor. Bei der Abftimmung über 
das Delegiertenprojekt entwidelte am 22. Januar 1863 Preußens 
Gefandter v. Sydow in feinem ablehnenden Botum das preußifche 
Programm für die Bundesreform. Cs verlangte die Schaffung 
einer aus bireften Wahlen heroorgehenden Volksvertretung 
beim Bunde mit dem Recht zur Truppen» und Geldbewilligung 
und ausgedehnter Mitwirkung bei der Gefeggebung. Bismard 
trat damit zu allgemeinem Erftaunen die Erbſchaft des Frank— 
furter Parlaments an und nahm aus deſſen Verfaſſungswerk 
gerade den Punkt in das preußifche Programm ber Bundes⸗ 
reform auf, um beijentwillen basfelbe von Friedrich Wil- 
heim IV. als revolutionär zurüdgewiejen war, nicht als ob er 
von ber Unübertrefflichfeit des allgemeinen und direkten Wahl- 
rechts überzeugt gemwefen wäre. Mag er damals aud feine 
politiſch erziehlihe und anfeuernde Wirkung auf die gebildeten 
und befigenden Klaſſen höher eingeihägt haben, ala fie ſich 
nachher erwieſen Hat: für ihn handelte es ſich zunächſt nur 
darum, den Gegnern einen Trumpf aus ber Hand zu nehmen, 
mit dem fie fonft ſpäter ihn überftehen fonnten. Daß er, 
wie er fih nachmals den Anſchein gegeben, nur an ein 
Proviforium gedacht habe, das bei erfter Gelegenheit fallen 
jollte, ift wenig wahrſcheinlich. Vielmehr wollte er alle bie 
Deutſchen, die in der Reichsverfaſſung von 1849 nod immer 
das Palladium ber deutfhen Zukunft fahen, an bie Fahnen 
Preußens fejleln. 

Der Eindrud war bei Freund und Feind ein wahrhaft 
verblüffender, zumal Preußen obenein in der Abflimmung 
über das Delegiertenprojeft einen unverhofiten Sieg davontrug. 
Am 22. Januar 1863 wurde diefes, da Kurheſſen von Defter« 
reich abfiel und Naſſau fih der Stimme enthielt, mit neun 
gegen fieben Stimmen verworfen. Zugleid erläuterte eine 
Note Bismards vom 24. Januar feine Unterredung mit 
Karolyi in einer Weile, die an dem Ernfte feiner Abfichten 
kaum noch Zweifel ließ. Cindringlicher waren Defterreich feine 
Sünden gegen Deutichland und fein Unrecht gegen Preußen 
niemals vorgehalten worden. Wenn Bismard aber geglaubt 


IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 399 


hatte, dadurch feine auf Gleichberechtigung Preußens mit 
Defterreich gerichteten bualiftifden Pläne in Wien zu empfehlen, 
fo gelang ihm das nicht einmal bei dem verföhnliheren Rech: 
berg: vielmehr glaubte man dort in ben leitenden Kreifen die 
Zeit zur Gewinnung der Vorherrſchaft für Defterreih allein 
gelommen. 

Namentlich vertrat Schmerling dieſe Politif. Die Herren 
hielten Bismarda Sprache wohl für Rodomontaden: hatte doch 
dem von ihm gelegentlich bereits in Frankfurt angeſchlagenen 
ähnlichen Ton die Haltung feiner Regierung nicht entſprochen. 
Auch hielten fie es für ausgeſchloſſen, daß der König, fo groß 
Bismards Einfluß auf ihn war, eine Politik zulajien könnte, 
die mit allen für ihn bisher maßgebenden Traditionen brach). 
Auf ihn perſönlich war daher auch die Aktion berechnet, durch 
die Defterreih Preußen gleichſam überrennen follte. Als Ueber 
bringer eines von Schmerling ausgearbeiteten Projekts zur 
Reform des Bundes im großdeutihem Sinn eridien am 
2. Auguft Kaiſer Franz Jofeph felbft bei dem zur Kur in 
Gaftein verweilenden Könige und lud ihn nad) Frankfurt ein, 
um basfelbe mit ben deutſchen Fürften zu beraten und end- 
gültig zu formulieren. Die Ablehnung des Königs fiel nicht 
fo entſchieden aus, wie Bismard wünſchte und durchgeſetzt 
haben würde, hätte er feinen Herrn auf eine ſolche Wendung 
vorbereiten können. Daher verſuchten die feit dem 17. Auguft 
in Sranffurt unter Franz Joſephs Vorfig verfammelten Fürften 
nochmals benfelben umzuftimmen. Am 19. Auguſt erſchien bei 
ihm in Baden der von ihm beſonders verehrte König Johann 
von Sachſen mit einer neuen dringenden Einladung. Sie 
machte auf den König tiefen Eindrud: es ſchmeichelte ihm, 
daß dreißig regierende Herren fi) durch einen König als ihren 
Kurier an ihn wandten. In aufwallendem Gefühl wollte er 
zufagen, und Bismard mußte mit eindringlicer Beredſamkeit 
feine ganze politiſche und perſönliche Autorität einjegen, um 
ihm über dieſe Anwandlung der Schwäche hinwegzuhelfen. Es 
war einer von ben Augenbliden, wo die Wege beider Männer 
beinahe auseinanbergegangen wären, fo daß Bismard alle bie 
in der Tiefe feines ftarfen Herzens gehegten Entwürfe gefceitert 


400 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


gejehen hätte. In einem ihm felbft aufs tieffte erfchiitternden 
Ringen beſchwor er diefe Gefahr. Und auch, jegt verfolgte ver 
König die nad anfänglihem Sträuben eingefchlagene Bahn 
entſchloſſen weiter. Als er wenige Tage fpäter nah Berlin 
zurüdreifte, ohne Frankfurt zu berühren, war das Schidfal 
des Fürftentages und der Schmerlingichen Bundesreform be— 
fiegelt. So groß biefer Erfolg Bismards war: er blieb doch 
bereit, auf der von ihm bezeichneten Grundlage ſich mit 
Oeſterreich gütlich zu verftändigen, wollte fogar nach Ablehnung 
der zu Frankfurt formulierten Vorſchläge die Reformfrage auf 
Minifterlonferenzen erörtern laffen, vorausgefegt, daß Preußen 
prinzipiell ein Veto gegen einen Kriegsbeſchluß bes Bundes⸗ 
tages zugeftanden, die Delegiertenverfammlung burd ein aus 
diretten Wahlen hervorgehendes Parlament erjegt und im 
Vorſitz zwiſchen den beiden Großmächten regelmäßig gewechſelt 
würde. Für diefe Pläne ber preußiſchen Politif Unterftügung 
zu gewinnen und von ba aus auch ben Konflikt zu begleichen, 
Töfte er den Landtag am 2. September auf: bie Neuwahlen 
ergaben bie Verwerfung feiner deutſchen Politik und bie 
Fortdauer des Konflikte. Man glaubte nit an den Ernft 
feines Entſchuſſes, Preußen in Deutihland unter allen Ums 
ftänden zu der ihm gebührenden Stellung zu verhelfen, und 
überfah, daß die wachſende Verfeindung mit Defterreih ihm 
die Erhaltung der Verfaſſung auch aus Gründen der äußeren 
Politik notwendig machte, während umgelehrt ein Einver- 
ftändnis mit Defterreih und dem Bundestage die Möglichkeit 
geboten hätte, fie mit beider Hilfe in ähnlicher Weife zu 
teformieren, wie in Hannover und Heflen geſchehen war. 

So war e8 wirklich eine glüdfihe Fügung, daß ber Tod 
Friedrich III. von Dänemark am 15. November 1863 Bismard 
die Möglichkeit gab, die als Mittel deutſch-nationaler Agitation 
befonders brauchbare fchleswig-holfteinishe Frage zu benugen, 
um bie Identität ber Intereſſen Deutſchlands mit denen 
Preußens und die Unentbehrlicfeit des neugeſchliffenen preußi« 
ſchen Schwertes aud dem blöbeften Auge barzuthun. Der 
Verftorbene hatte nicht nur die Verpflichtungen unerfült ge: 
lafien, die ihm das Londoner Protokoll von 1852 gegen Holftein 





IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 401 


auferlegt hatte, ſondern den allmählich dringlicheren Mahnungen 
des Bundestages zulegt förmlich Hohn geboten, indem er unter 
dem 13. November eine dem eiderbänifchen Programm ent⸗ 
ſprechende Verfaſſung fertigftellte und auf Grund berjelben bie 
Einverleibung Schleswig vorbereitete. So war feiner ber 
Bedingungen genügt, von benen das Londoner Protokoll die 
Nachfolge des in Dänemark erbberechtigten Chriftian IX. auch 
in ben Herzogtümern abhängig gemacht hatte. Ohne Englands 
und Rußlands Intereſſe an feiner Erhaltung wäre dasſelbe jegt 
Hinfällig gewefen. Deshalb verweigerten bie Herzogtümer dem 
neuen Dänenkönig die Anerkennung. Auch Herzog Friedrich 
von Auguftenburg proteflierte. Obgleich er gegen den um Gelb 
geleifteten Verzicht feines Vaters erft fieben Jahre nad; dem 
Abſchluß Verwahrung eingelegt hatte, erſchien er jegt wie bie 
Verkörperung ber Rechte der Herzogtümer ſowohl wie Deutfch: 
lands und wurde dadurch vorübergehend zu unverbienter Be: 
beutung erhoben. Diefer verwidelten Lage war Bismard ent: 
ſchloſſen, für Preußen den größtmöglichen Vorteil abzugewinnen: 
konnten die Herzogtümer nit an Preußen gebracht werben, 
fo follten doch ihre militäriihen und maritimen Hilfsmittel 
dieſem dienſtbar gemacht, und ging aud) das nicht, jedenfalls 
die alten deutſchen Lande gegen wiberrechtliche Vergewaltigung 
gefihert und ihre Rechte endlich zur Anerkennung gebracht 
werben. Einen befiimmten Plan aber, nad dem bie Dinge 
etwa jo hätten geführt werben follen, wie fie nachher that- 
ſächlich gingen, hatte er noch nit. Es war nicht dieſes großen 
Realpolitikers Art, die Entwidelung, deren Gang ſich nicht 
vorausfehen und nicht zum voraus beeinfluffen läßt, von vorn» 
herein in eine beftimmte Richtung zwingen zu wollen und gegen» 
über ber Fülle der Möglichkeiten fi auf eine beftimmte zu 
verfteifen. Man verfennt das Wefen feiner Politik, bie ihre 
Erfolge ihrer Beweglichkeit und Anpaffungsfähigfeit verbankte, 
wenn man meint, ſchon bamals habe er die Geftaltung bes 
Verhältnifies zu Defterreih genau jo geplant, wie fie nad: 
ber erzwungen werben mußte. Vielmehr hielt er noch an 
feinen bualiftifchen Plänen feſt: er hoffte bie Herzogtümer 
mit Zufimmung Defterreihs für Preußen zu gewinnen, 
Prug, Preußifge Geſchichte. IV. 26 


402 Fünfte Bud. Die neue Aera und ber Konflikt, 


indem biefes gegen jenes Verpflichtungen einging, bie ihm eine 
folge Vergrößerung Preußens nicht bloß erträglich, fondern 
vorteilhaft erfcheinen ließen. Jene andere Auffaffung dichtet 
Bismards Politit einen machiavelliftifhen Zug an, ber ihr 
nicht eigen war und befien Fehlen eben ihre Größe ausmadit. 

Da die vorzeitige Losfagung von dem Londoner Protokoll, 
das zwar vom Deutſchen Bund als foldem nicht anerkannt 
war, internationale Verwidelungen herbeiführen konnte, hielt 
Bismard es zunächſt als Rechtsboben feft, fehr gegen die öffent- 
liche Meinung, welche dadurch die Auguftenburgifchen Ausfichten 
gemindert ſah. Denn nichts lag ihm ferner ala die deutſche 
Zerriſſenheit zu fteigern, indem er gerade in einem für ganz 
Deutſchland beſonders wichtigen Gebiete einen neuen Kleinftaat 
entftehen ließ, ber ebenfo wie bie älteren doch nur beftrebt fein 
würde, die Schaffung einer ſtarken Zentralgewalt zu hindern. 
Daher verwarf er die zwar volfsbeliebten, aber im Ernftfalle 
fiderlih wieder unwirkſamen Mittel, die 1848—50 biefelbe 
Sache mehr geſchädigt als gefördert hatten, und mollte dieſe 
gemeinſchaftlich mit Oeſterreich auf der Bafis der europäiſchen 
Politik ordnen, ohne dem Bundestage und dem Ehrgeiz der 
um die Volksgunſt werbenden Mitteljtaaten Einfluß darauf 
zuzugeſtehen. Indem er aber ben Bund doch in zweiter Linie 
und auf einem unverfänglicden Gebiete feinen Thatendrang 
befriedigen ließ, hinberte er ihn, ihm entgegen zu fein, und 
indem er mit Oeſterreich gemeinfam die Kauptarbeit that 
und jo das Siebzigmillionenreih für dieſen beſonderen Fall 
Eonftituierte, wandte er die Einmiſchung des Auslandes ab. 
Auch war Rußland noch durch den polnifchen Aufftand beſchäftigt 
und brauchte bort Preußens Wohlwollen. Frankreich konnte 
nationalen Beftrebungen, wie fie das deutſche Volf in biefer 
Sache verfolgte, nicht entgegentreten, ohne bie Baſis zu ges 
fährden, auf die Napoleon III. feine europäifche Stellung ge- 
gründet hatte. Allein aber konnte auch England nichts thun, 
fo gern es die Herzogtümer von Deutſchland getrennt erhalten 
hätte, ſchon um biejes nicht zur Seemacht werden zu laffen. 
Dem Zufammenwirken biefer Momente entiprang ber ſcheinbar 
fo verwidelte Gang der Tinge in ben nächſten Monaten als 


IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 403 


ein in Wahrheit einfacher und natürlicher: nicht Bismard hat 
ihn verwegen erzwungen, fonbern ihm nur jeben möglichen 
Vorteil abzugewinnen verftanden. 

Obgleich zum Einlenken geneigt, verweigerte Chriflian IX. 
doch unter dem Drud des nationalen Eifers feines Volkes jedes 
Zugeftändnis. Auf Antrag der beiden Großmächte beſchloß 
daher der Bundestag am 7. Dezember in Holſtein durch 
6000 Hannoveraner und Sachſen die Erefution vollfireden zu 
laſſen. Am 23. erfolgte der Einmarſch. Die Dänen zogen 
fih in das Danewirk zurüd. Friedrich von Auguftenburg er- 
ſchien im Lande und ergriff, von den Bundeskommiſſaren nicht 
gehindert, von der Regierung Beſitz. Als aber Chriftian IX. 
den Widerruf ber Schleswig inforporierenden Verfaſſung auch 
dann noch verweigerte, beantragten Defterreih und Preußen 
beim Bunde deſſen militärifche Pfandnahme. Es wurde ab» 
gelehnt, denn bie Mittelftaaten, befonders Sachſen und Bayern, 
iympathifierten mit dem Prätendenten, und ein für die Sache 
beſtellter Ausſchuß, als deſſen Referent der Bayer v. d. Pforten 
fungierte, erflärte den Bund für nicht verpflichtet durch das 
ohnehin unausführbare Londoner Protofol. Man glaubte dort 
weder an die Möglichkeit eines gemeinfamen Handelns ber 
beiden Großmädte, noch an bie einer Fraftvollen Aktion des 
durch den Konflikt innerlich zerriffenen Preußen. Vermeigerte 
das Abgeordnetenhaus ber Regierung doch bie nachgeſuchte 
Kriegsanleihe von zwölf Millionen Thalern. 

Entſchloſſen, das zum Kriege nötige Geld zu nehmen, wo 
er es fände, und fi) dur die mittelftaatlihe Oppofition 
von dem eingefchlagenen Wege nicht abbringen zu laſſen, ſchloß 
Bismard am 16. Januar 1864 mit Oeſterreich eine Punktation 
über die Art, wie beide gemeinfam als europäifche Großmächte 
die vom Bunde fallen gelafjene ſchleswigiſche Frage löfen wollten. 
Als Chriftian IX. die zum Widerruf der Verfaflung vom 
13. November geftellte kurze Frift verftreihen ließ, rüdten am 
1. Februar 1864 ihre Truppen unter Wrangel in Schleswig 
ein. Am 2. nahm Prinz Friedrich Karl von Preußen bie 
Schanzen bei Miffunde: die Dänen gingen aus dem für un- 
einnehmbar gehaltenen Danewirk in die Düppeler Schanzen 


404 Fünftes Bud. Die neue Xera und der Konflikt, 


zurüd. Während ber Net Schleswigs mühelos befegt wurde, 
wurden biefe von Friedrich Karl belagert, und nachdem der 
Verfuh, fie dur die Einnahme Alfens unhaltbar zu machen, 
vom Wetter vereitelt war, am 18. April dur einen gleich 
meifterhaft angelegten wie durchgeführten Sturm genommen. 
Diefer Erfolg reizte die Thatenluft König Wilhelms: nit 
ohne Mühe beftimmte ihn Bismard, auf den Einbruch in Züt- 
land für jegt zu verzichten, da Defterreich ihn nicht mitmachen 
wollte. Erſt als die Dänen, auf England und Rußland rechnend, 
auch jegt nicht einlenkten, erfolgte er: am 28. April räumten 
die Dänen Friebericia. Gleichzeitig aber trat auf Betreiben 
Englands in London eine Konferenz zufammen, um einen 
Frieden zu vermitteln. Sie endete natürlich ergebnislos. Zwar 
wurde ein Waffenſtillſtand vereinbart, der, am 12. Mai be— 
ginnend, nachher verlängert wurde. Da aber Dänemark auch 
die von Bismard im Einverftändnis mit Oeſterreich und unter 
Zuftimmung Frankreichs geforderte bloße Perfonalunion der 
Herzogtumer ablehnte, wurde das Londoner Protokoll, an dem 
bie beiden Großmächte bisher feftgehalten hatten, hinfällig und 
ber Weg frei zur Losreißung ber alten deutſchen Lande von 
dem fremden Staate. 

Was weiter aus ihnen werben jollte, blieb zunädft eine 
offene Frage, ebenfo wie die Abgrenzung gegen Dänemark und 
die etwaige Belaſſung bes däniſch ſprechenden Nordſchleswig 
bei dieſem. Doc war Bismard auch jetzt noch ehrlich um das 
Einverſtändnis mit Oeſterreich bemüht und einigte ſich mit 
Rechberg dahin, daß zunächſt die Einſetzung des Auguſten— 
burgers in Ausſicht genommen werden ſollte, unter der Be— 
dingung konſervativer Regierung und engen Anſchluſſes an 
Preußen. Erſt wenn dieſe nicht gelang, ſollte die Nachfolge 
des Großherzogs von Oldenburg und dann erſt die Einverleibung 
in Preußen erwogen werden. Von erſterer wollte die Londoner 
Konferenz nichts wiſſen, auch verhielt ſich der Prätendent ganz 
im Fahrwaſſer der mittelſtaatlichen Politik, gegenüber den ihm 
gemachten preußiſchen Anträgen entſchieden ablehnend. Preußen 
und Oeſterreich hatten daher völlig freie Hand, als die Kon— 
ferenz am 25. Juni fi auflöſte und ber verlängerte Waffen- 


IV. Die Löfung ber deutſchen Frage. 405 


ſtillſtand am 26. Juni ablief. Inzwiſchen war an ber Spige ber 
Armee der eigenfinnige Wrangel, der mit Bismard ſowohl 
wie mit Moltle, dem Chef des Generalftabes, haberte, durch 
den Prinzen Friedrich Karl erjegt. In der Naht vom 28. zum 
29. Juni ging Herwarth v. Bittenfeld nad) Alfen über und 
bemãchtigte fi der Inſel. Defterreihifhe Schiffe, die ſchon 
bei Helgoland ruhmreih mit däniſchen gefochten hatten, 
vollendeten durch die Einnahme ber weftfriefifhen Infeln die 
Befreiung ber Herzogtümer. Ohne Hoffnung auf fremde Hilfe 
und zur Fortfegung des Kampfes unfähig, entſchloß ſich Däne: 
marf nun zum Frieden. Auf Grund eines Präliminarvertrages 
vom 1. Auguft fam am 30. Oktober der Wiener Friebe zum 
Abſchluß, durch den Chriftian IX. feine Rechte auf Schleswig, 
Holftein und Lauenburg den beiden verbündeten Monarchen 
abtrat. 

Für Bismard aber begann erft jegt der ſchwierigere Teil 
der Arbeit. Zunächſt ftieß er mit feinen Plänen auf Wider: 
ſpruch an entfcheidender Stelle. Im Bann ber feine nädjfte 
Umgebung beherrſchenden engliſchen Auffafiung, wies der Kron- 
prinz den Gebanfen an eine unter Umftänden ins Auge zu 
faſſende Erwerbung ber Herzogtümer für Preußen felbft mit 
fittlider Entrüftung zurüd und erging fi in bitteren Worten 
über ſolche Hintergebanken, und auch der König dachte die Nach— 
folge dem Erbprinzen von Auguftenburg zu. Auf Annahme 
der für Preußen unerläßlihen Bedingungen durch diefen war 
daher Feine Ausfiht. Vielmehr wurde er von den um bie 
Vollagunft werbenden Mittelftanten gegen bie beiden Groß: 
mächte gleihfam ausgefpielt und gewann an Bedeutung, je 
mehr in Wien der Einfluß Schmerlings gegen den Rechbergs 
übermog. König Wilhelm war über den einzuſchlagenden Weg 
ſich noch nicht Mar, die möglichen erſchienen ihm alle mehr 
ober weniger „bornenvoll”, und bei einer Befprehung, die er 
im Auguft zu Schönbrunn mit Franz Joſeph hatte, ftellte er 
Bismards offen befannte Abfiht zur Erwerbung ber Herzog- 
tümer für Preußen das Bedenken entgegen, er habe ja gar 
fein Recht darauf. Das bürfte die weitere Aktion Bismarda 
wejentlih beitimmt haben. Um Preußens Stellung in dem 


406 Fanftes Bug. Die neue Aera und der Konflikt. 


befreiten Lande für jeden Fall zu fihern, Tieß er die preußiſchen 
Truppen fi auch in Holftein einniften, das durchaus Auguften- 
burgiſch dachte, erklärte dem Prätendenten, daß er, ohne bie 
Verfügung über die Land» und Seeftreitkräfte der Herzogtümer 
an Preußen zu überlaffen, nie dort regieren werde, und ver: 
anlaßte eine Unterfuhung ber Rechtsfrage durch die Rronfynbici. 
Sie ergab, daß alle Prätendenten, aud Oldenburg und Preußen, 
nur auf einzelne Teile des Landes, nicht auf das ganze An: 
ſpruch hätten, ber bes Auguftenburgers aber durch ben Verzicht 
und die Annahme der Entfhädigung endgültig erlofchen fei. 
Defterreihs Zuſtimmung zur Vereinigung der Lande mit 
Preußen hoffte er doc noch zu gewinnen, dachte aber nicht 
daran, fie etwa durch eine territoriale Kompenjation zu er= 
taufen, fondern meinte ſchon bie zuverläffige Freundihaft 
eines jo vergrößerten und in feiner europäifchen Stellung ver: 
ſtärkten Preußen müſſe Defterreih im Hinblid auf Venetien 
und feine gefpannten Beziehungen zu Rußland Kompenfation 
genug fein. In Wien aber wuchs Schmerlings Einfluß und in 
demfelben Maße bie Gefahr eines Bruches. Mit rüchaltlofer 
Offenheit präzifierte Bismard die Stellung Preußens, indem 
er gegenüber dem Eifer des Bundestages für den Auguften- 
burger am 22. Februar 1865 als Mindeſtmaß der Rechte, die 
Preußen in den Herzogtümern beanſpruchte, bie bereits dem 
Prätendenten geftellten Bedingungen wiederholte. Die Bildung 
eines halbfouveränen Staates aber, wie er damit in Ausficht 
genommen wurde, erklärte Defterreidh für unvereinbar mit dem 
Bundesreht, und am 6. April nahm der Bundestag feinen 
Gegenantrag an, die Herzogtümer fofort und bedingungslos 
dem Auguftenburger zu überantworten. Doch binderte Preußens 
BWiderftand die Ausführung. Damit jtand man unmittelbar 
vor dem Kriege, zumal Bismard die Auguftenburgifhen Um: 
triebe in Holftein mit allen Mitteln zu hindern entſchloſſen 
war. Dann aber meinte er auch gleich bie deutfche Frage 
löſen zu müfjen. Im dualiſtiſchen Sinne fonnte das nun freilich 
nicht mehr geſchehen, zumal wenn die Sübbeutjchen, wie zu 
befürchten ftand, von dem Siege Defterreichs überzeugt, feine 
Mahnung zur Neutralität nicht achteten. Ihm wäre gerade 


IV. Die Löfung ber deutſchen Frage. 407 


jegt, wo Gelbnot Defterreih zum Krieg unfähig machte, deſſen 
Ausbruch willlommen gemefen. Durch immer neue Mebergriffe 
ſchien er es zum Aeußerſten treiben zu wollen. Preußen war 
gerüftet: die unter fChweren inneren Kämpfen behauptete Re— 
organifation folte ihre Probe beftehen. 

Ein Minifterrat, den der König auf der Reife nad) Gaftein 
in Regensburg hielt, beichloß, jede weitere Hinderung von 
feiten Defterreih mit den Waffen zurüdzumeifen. Da lenkte 
diefes ein, und am 14. Auguft fam der Gafteiner Vertrag zu 
ftande, eines ber merkwürbigften Abkommen, das je geſchloſſen 
iſt. Indem er beftimmte, daß unbeſchadet der Rechte beider 
Souveräne auf beide Herzogtümer die Verwaltung Schleswigs 
an Preußen, die Holfteins an Defterreich gegeben, Kiel als 
Bundeshafen einftweilen Preußen unterftellt, Rendsburg als 
Bundesfeſtung von ben Defterreihern beſetzt, das Herzogtum 
Lauenburg aber gegen zweieinhalb Millionen däniſcher Reichs: 
thaler von Defterreih dem König von Preußen zu eigen über: 
laſſen werben ſolle, feſſelte er Defterreih fo an die weitere 
Aktion Preußens, daß es entweber auch ferner mit ihm gehen 
ober ſich ihm gegenüber durch den Bruch dieſer Vereinbarungen 
ins Unrecht fegen und ihm damit volle Freiheit des Handelns 
geben mußte. Doc) hielt Bismard auch jet noch eine gütliche 
Verftändigung nicht für ausgeſchloſſen und wünſchte deshalb 
die Stelung Rechbergs durch handelspolitiſche Ronzeffionen zu 
befeftigen. Gegen den von Preußen namens bes Zollvereins 
mit Frankreich gefchlofienen Handelsvertrag vom 2. Auguft 1862, 
der, auf dem Prinzip der Meiftbegünftigung beruhend, eine 
neue freihänblerifche Aera verhieß, hatte nämlich Deſterreich 
proteftiert als unvereinbar mit dem vom Bollverein mit ihm 
eingegangenen Abkommen vom Februar 1853. Daß einige 
Staaten dem beipflichteten und den Handelsvertrag mit Frank⸗ 
reich ablehnten, drohte die Erneuerung des 1865 ablaufenden 
Zollvereins unmöglich zu machen, ba Preußen jede Nachgiebig: 
feit ablehnte. Namentlich in Suddeutſchland drang man daher 
auf eine Zolleinigung mit Defterreih: jegt zeigte Bismard ſich 
zu Verhandlungen darüber bereit und fagte ſolche in Schön: 
brunn zu, drang damit aber infolge bes Widerſpruches ber 


408 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


techniſchen Räte im preußiſchen Handelsminifterium, nament- 
lich Delbrüds, nicht durch. Das hatte Rechbergs Scheiden aus 
dem Amte zur Folge, während ber Zollverein am 16. März 1865 
erneut wurde. 

Was Bismard im Dezember 1863 ihm als lockendes Biel 
bingeftellt Hatte, wie jeder feiner Vorgänger Preußen durch 
eine Gebietserwerbung zu vergrößern, ſah König Wilhelm zu 
Gaftein durch die Meberlafjung Lauenburgs erreicht. Unter 
diefem Eindrud erhob er den Minifter am 16. September zum 
Grafen. Da aber in Wien die preußenfeindlice Richtung 
Schmerlings fiegte, wurde ber Gafteiner Vertrag bald zur 
Duelle neuen Streits und nad Auflöfung ber gemeinfamen 
Regierung (15. September) ftanden die Preußen unter General 
v. Manteuffel in Schleswig ben Defterreihern unter General 
v. Gablenz in Holftein weniger als Verbündete denn als 
tampfbereite Feinde gegenüber. Won ber Unhaltbarkeit diefes 
Zuftandes durchdrungen, hätte man in Wien gern bie Hand 
zu einem Ausgleich geboten, hätte Preußen für Holftein irgend 
eine territoriale Kompenſation zu bieten gehabt — und wäre 
es aud nur die Grafihaft Glag gewefen. Ein folder Handel 
aber war für Preußen inbistutabel, während man in Wien 
die von Bismard gebotene treue Bundesgenoſſenſchaft Preußens 
als Aequivalent nicht gelten laſſen wollte. Auf außerdeutſche 
Hilfe aber konnte man dort nicht reinen, feit Bismard im 
Herbſt 1865 in Biarrig Napoleon III. für feine Pläne gewonnen 
hatte, vielleicht zumeift dadurch, daß er die Erwartung bes 
Raifers, Preußen werde ihm bafür eine die Empfindlichkeit 
feiner Franzofen zu beſchwichtigen geeignete Rompenfation 
bewilligen, nit ausbrüdlich als ausfihtslos abwies, fonbern 
duch Schweigen fheinbar guthieß und erfüllen zu wollen 
ſchien. Gleichzeitig leitete Bismard ein Bündnis mit bem 
Königreih Jtalien ein, um durch einen Angriff auf Venetien 
Defterreihs Kräfte zu teilen. Der Abſchluß eines Handela- 
vertrages zwifchen dem Zollverein und Jtalien bewirkte endlich 
bie von allen deutſchen Liberalen längft geforderte Anerkennung 
bes neuen nationalen Königreichs im Süden der Alpen auch 
von feiten ber zu Defterreich haltenden Mittelftaaten. 





IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 409 


Sweifel an dem guten Willen der Wiener Regierung 
mußte vor allem bie Art erregen, wie fie in Holftein bie 
Auguftenburgifche Agitation gegen Preußen begünftigte, um 
ſich zugleich die Hilfe des Bundestages und die mittelftaat- 
lien Sympathien zu fihern. Am 26. Januar 1866 brachte 
Bismard dieſes Treiben in einer Note bei Rechbergs Nad- 
folger Mensdorff-⸗Pouilly zur Sprache und verlangte als Pfand 
der Vertragstreue Deſterreichs Abhilfe. Die Antwort lautete 
ausweichend und verbat fi jede Einmiſchung Preußens in 
Holftein. Das war eigentlich bereits der Krieg. Aber mit dem 
Nat, fofort loszuſchlagen, ſtieß Bismard, obgleih Moltke und 
Manteuffel ihm beiftimmten, beim Könige noch auf Wider 
ftand, den die Deſterreich freundliche Königin-Witwe Clifabeth 
und der eifrig Auguftenburgifche kronprinzliche Hof nährten, 
während Königin Augufta ebenfals für den Frieden eintrat, 
da fie, ohne Glauben an Preußens Heer, von ben Kriege nur 
ein neues Jena erwartete. Doch durften wenigſtens weitere 
diplomatifche Schritte für den Fall des Krieges gethan werben. 
Als Unterhändler des Bundniſſes mit Italien erſchien General 
Govone in Berlin. Obgleih man an ber Unabhängigkeit 
Viktor Emanuel feinem franzöfiihen Proteftor gegenüber und 
damit an feiner Zuverläffigfeit zu zweifeln Grund hatte, 
wurbe am 8. April der Vertrag unterzeichnet, der Italien für 
den Fall des Bruches zwifchen Defterreih und Preußen zum 
Kriege gegen erfteres verpflichtete und ihm dafür Venetien 
verhieß, während für Deutfchland eine den Anfprüchen Preußens 
entiprechende Reform des Bundes erzwungen werben follte. 

So verknüpfte Bismard die Durhhauung bes unlösbaren 
Rnotens in den Elbherzogtümern mit der Löſung der beutfchen 
Frage. Dadurch ftelte er nicht ſowohl die Regierungen als 
die Bevölkerungen zunächſt Norddeutſchlands vor eine Ent- 
ſcheidung, die fie troß aller Auguftenburgifchen Eympathien 
um ber eigenen Zulunft willen fait zwang, zu Preußen zu 
halten. Seine dualiftiihen Pläne waren aufgegeben angefichts 
der fteigenden Feindſchaft Deiterreihe. Schon am 16. März 
hatte biefes unter Hinweis auf Preußens angebliche Rüftungen 
Sadjen,k Bayern und Württemberg vertraulih ebenfalls zu 


410 Fünftes Bud. Die neue Aera und der Konflikt. 


ſolchen aufgefordert. Nun wies VBismard in einem Rund: 
ſchreiben vom 24. März die deutſchen Regierungen bin auf die 
Bedrohung Preußens durch Defterreih, legte dar, wie gegen 
ſolche Gefahren Preußen nur in Deutſchland ſelbſt Schug finden 
könne, ben zu gewähren aber ber Bund in feiner bermaligen 
Verfaſſung ungeeignet fei, und begründete bamit den Antrag 
auf eine Reform besfelben durch Einberufung einer deutſchen 
Volksvertretung. Unter Verfiherung ihrer friedlichen Abſichten 
rüfteten beide Teile eifrig. Von Kriegaluft aber regte fi im 
preußiſchen Volke nichts: nur die ftädtifchen Behörden der bei 
Ausbruch des Krieges zunächſt bedrohten Hauptſtadt Schlefiens 
erflärten in einer Adreſſe an den König ihre Bereitwilligfeit, 
alles an die Verteidigung bes Vaterlandes zu jegen. Die 
Oppofition hielt nad wie vor alle Maßnahmen Bismards für 
nicht ernft gemeint und witterte bahinter wohl gar die Vor: 
bereitung eines entſcheidenden Schlages im Innern. Ernſter 
nahm man fie in dem nicht preußifchen Deutfchland und traute 
Bismard zu, daß er alles auf eine Karte fegen und zugleich 
mit Holftein bie leitende Stellung in Deutſchland für Preußen 
gewinnen wollte. Da dadurch ihre Souveränität gefährbet 
ſchien, hielten die Mittelftaaten vollends zu Defterreih. Dur 
ihre Schuld wurde jo bie endliche Auseinanderfegung zwiſchen 
Preußen und Defterreich zugleih zum deutſchen Bürgerfriege 
und Bismards vielgefholtenes Wort von der Löfung ber 
deutſchen Frage durch Blut und Eifen zur Wahrheit. Seines 
anfangs ſchwankenden und bedenklichen Königs war biefer jegt 
völlig gewiß: in dem beruhigenden Bewußtjein, für den Frieden 
gethan zu haben, was mit Ehren thunli war, wollte au 
diefer nicht um die Herzogtümer allein, fondern um den höheren 
Preis, die deutſche Frage, kämpfen und, wenn ein Preuße ihm 
jegt noch Olmüg in die Ohren raunen werde und zur Nach— 
giebigfeit mahne, jofort die Regierung nieberlegen. 

Nun eilte die Entwidelung überwältigend ſchnell vorwärts. 
Daß Defterreih Schleswig-Holfein an den Bund übergab, 
galt Preußen als Bruch des Gafteiner Vertrages: es beſetzte 
auch Holftein und hinderte den Zufammentritt der von Defter- 
reich berufenen Stände. Als Defterreih darauf den Bund 


IV. Die Löfung der deutſchen Frage. 411 


anrief, ließ Bismard am 10. Juni durch Savigny feinen 
Reformplan in Frankfurt vorlegen, der Oeſterreich aus Deutſch⸗ 
land ausſchloß. Damit war endlich die Frage geftellt, von 
deren Beantwortung ales abhing. Der darum entbrennende 
Kampf entfeflelte alle politifhen Leidenſchaften. Als Defter- 
reich die Mobilmahung des Bundesheeres mit Ausnahme des 
preußiſchen Kontingentes, das heißt alfo gegen Preußen, 
beantragte und damit am 17. Zuni in einer formel anfecht⸗ 
baren Abftimmung im Ausfhuß mit neun gegen fehs Stimmen 
durchdrang, erklärte v. Savigny, Preußen betrachte das Bundes» 
verhältnis als gelöft. Ihm ſchloß ſich die Mehrzahl der Hleineren 
norddeutſchen Staaten an. Sobald dann Hannover, Sadfen, 
Kurheſſen und Naſſau den Eintritt in den ihnen von Preußen 
angebotenen neuen Bund, ber ihre Souveränität erhalten follte, 
ablehnten, wurbe Hannover von Weftfalen her durch Vogel 
v. Faldenftein und von Holftein her durch Manteuffel und Kur: 
heſſen von Rheinland aus durch General v. Beyer befegt. Der 
Kurfürft kam als Kriegsgefangener nad) Stettin: feiner Armee 
blieb das harte Schidfal nicht erfpart, zu entkommen und als 
Teil des achten Bundescorps gegen bie Preußen fechten zu 
müffen. Eine ernfte Krifis dagegen bereiteten ber preußifchen 
Kriegführung die Hannoveraner. Etwa 18000 Mann ftarf 
waren fie, der blinde König Georg II. mit ihnen, die Ver— 
einigung mit ben Bayern ſuchend, über Göttingen ſüdwärts 
entlommen. Cilig herangezogene Truppen, meift Landwehren, 
unter General Flies brachten fie erft in ber Gegend von Gotha 
zum Stehen, gerieten aber, als fie fi in ganzer Stärke rüd- 
wärts wandten, am 27. Juni bei Zangenfalza hart ins Ges 
dränge. Doch Hatten eilends herbeigeholte Verftärfungen bie 
Hannoveraner inzwiſchen fo umftellt, daß fie am 29. die Waffen 
ftreden mußten. König Georg mit ben Seinen ging nad 
Defterreih. Auch Sachſen war inzwiichen bejegt: am 18. zogen 
die Preußen in das grollende Dresden und am 19. ſympathiſch 
empfangen in Leipzig ein. Das fähfiiche Heer unter bem 
Kronprinzen Albert vereinigte fi in Böhmen mit dem öfter: 
reichiſchen. 

Dort erfolgte die Entſcheidung. Von den drei preußiſchen 


412 Fünftes Bud. Die neue Aera und ber Konflikt. 


Armeen, bie längs ber öfterreichifchen Grenze bereit ftanden, 
bahnte ſich die des Kronprinzen von ber Grafihaft Glag aus 
in ben blutigen Gefechten bei Nachod (27. Juni,, Stalig (28.) 
und Trautenau (28.) den Weg nad Böhmen, während bie 
erſte Armee unter Prinz Friedrich Karl von Sachſen aus über 
Neichenberg und Görlig eindrang, am 27. bei Hühnerwafler, 
am 28. bei Turnau und Münchengrätz und bei Liebenau und 
Podol und am 29. in blutigem Ringen bei Gitſchin fiegte, 
fo daß die Vereinigung beider Armeen hergefiellt war. Auf 
dem rechten Flügel rüdte die Elbarmee unter Herwarth v. Bitten- 
feld von Sachſen her vor. Am 30. Juni übernahm König 
Wilhelm felbft den Oberbefehl. Der Führer der Defterreicher, 
Feldmarſchall Benedek, bei Solferino als tapferer Corpsführer 
bewährt, aber, wie er felbft am beften wußte, Kein Feldherr 
und gegen feinen Wunſch um feiner Popularität willen auf 
den verantwortlichen Poften geftellt, wurde trog der durch bie 
bisherigen Mißerfolge feiner Unterfeldherren ſchon fo ver⸗ 
ſchlechterten Lage aus politiihen Gründen von Wien zum 
Schlagen gebrängt und wollte aus feiner ftarfen Defenfiv- 
ftellung hinter der Biftrig, nordweſtlich von Königgräg, zum 
Angriff vorgehen, ehe die preußifchen Armeen vereinigt wären. 
Doch wurde fein Vorhaben von Friedrih Karl erkannt und 
auf die Meldung davon, nachdem der Kronprinz rechtzeitig 
beranzufommen zugefagt, der Angriff beſchloſſen. So fam es 
am 3. Juli zur Schlacht bei Königgräg, die nad) heißem Ringen 
am Nahmittag mit einem vollftändigen Siege ber Preußen 
endete: bie Umfaflung ihres rechten Flügels durch den Kron- 
prinzen bei Chlum machte die Stellung der Defterreiher un: 
haltbar. Ihre Vernichtung hinderte das in guter Ordnung 
verbliebene fächfiihe Heer und das teilmeife Verſagen der 
preußifchen Reiterei. 

Der preußiſche Sieg überraſchte eigentlih alle Welt. 
Nähft der Wirkung des Dreyfefchen Zündnadelgewehrs war 
er der Einheitlichkeit und Energie ber auf Vernichtung bes 
Feindes gerichteten oberften Leitung durch das Genie Moltkes, 
dem verftändnisvollen Eingehen der Corpsführer auf beren 
Abſichten, der wetteifernden Hingabe ber Offiziere und der 








IV. Die Löfung der deutfgen Frage. 413 


unübertroffenen Schulung des gemeinen Mannes zu banken. 
Je mehr aber Preußens militäriſche Leiftungsfähigkeit unter: 
ſchätzt worden war, um fo mehr wollten auch die Unbeteiligten 
es in feinem Siegeslauf aufhalten: namentlid Napoleons II. 
Berehnungen hatte biefer Ausgang durchkreuzt. Während er 
gehofft hatte, ſich des befiegten Preußen annehmen, ſich Deiter: 
reich dabei zu Dank verpflichten und das Proteftorat über die 
deutſchen Mittelftaaten erlangen zu können, rief nun vielmehr 
das befiegte Defterreid feinen Schug an. Am 4. Juli ftellte 
Franz Joſeph Venetien zu feiner Verfügung, um Italien zu 
befriedigen, obgleich dieſes ſowohl zu Lande wie zur See un 
glucklich gefochten hatte. Aber fein Geſuch um einen Waffen: 
ſtillſtand, das gleichzeitig General Gablenz in das preußiſche 
Hauptquartier brachte, wurbe bort abgelehnt. Gerade der 
, König wollte den Sieg um fo volllommener ausnügen, je 
ſchwerer ihm ber Entſchluß zum Kriege geworben unb je 
größer das Wagnis gewefen war, und daher im Einver: 
ſtändnis mit feinen militärijhen Beratern Oeſterreich bemütigen 
und verkleinern, Preußen aber auf Koſten der zu Defterreih 
ftehenden Fürften möglichft vergrößern. Dagegen dachte Bis: 
mard ſchon jegt weiter. Auch in dem befiegten Defterreich 
wollte er ben künftigen Verbündeten des unter Preußen 
geeinigten Deutſchland ſchonen und daher alles vermeiden, 
was die baldige Verföhnung erſchweren konnte. Augen: 
blidlich überwog der militärifhe Einfluß: die Fronprinze 
liche Armee drang auf Olmütz vor, und bald fanden bie 
preußiſchen Poften angefichts der Wien ſchützenden Florisborfer 
Schanzen. 

Inzwilhen war der franzöfifhe Gefandte in Berlin, 
Graf Benebetti, trotz der auf Veranlaſſung Bismards feiner 
Reiſe bereiteten Hinderniffe im Hauptquartier eingetroffen und 
damit bie gewaffnete Einmiſchung Frankreichs in drohende 
Nähe gerücdt. Denn Napoleon II. machte mit einemmal kein 
Hehl daraus, dag er mit Rüdfiht auf die Stimmung feines 
Volles die bevorftehende Vergrößerung Preußens nicht ohne 
eine Rompenfation auf dem linken Rheinufer zulafien könne, 
eine Forderung, deren Ruchbarwerden allerdings nur dazu beis 


414 Fünftes Buch, Die neue Aera und ber Konflikt. 


tragen konnte, die Vereinigung Deutſchlands unter einem 
Oberhaupt zu beſchleunigen. Um fo mehr drang Bismard auf 
ſchnelle Verftändigung mit Deflerreih. Er teilte nicht die 
Zuverſicht Moltkes, der gleichzeitig den Krieg gegen Deſterreich 
defenfiv fortfegen und den gegen Frankreich offenfiv raſch be» 
endigen zu können meinte, obgleich bie Cholera unter ben 
Truppen in Böhmen unheilvolle Fortſchritte machte. Er kam 
daher dem Grafen Mensdorff, der nun felbft in Nicoleburg 
erſchien, freundlich entgegen und wandte den geplanten Angriff 
auf Wien, dem der preußifhe Siegeseinzug nicht eripart 
bleiben follte, ab, veranlaßte aber eine es nicht minder ſchwer 
bebrohende Umgehung feiner Befeftigungen in der Richtung 
auf Preßburg und trat für den Fall, daß Oeſterreich, geftügt 
auf Frankreih, fi doch zur Wiederaufnahme des am 22. Juli 
duch einen Stilftand unterbrodenen Kampfes entſchließen 
folte, mit der ungarifhen Revolutionspartei in Verbindung. 
Doch Hatte er bei dem König noch einen ſchweren Stand. 
Diefer verlangte jegt neben der Bundesreform unter preußiſcher 
Leitung und der Ermwerbung Schleswig-Holfteins nicht bloß 
Defterreihifh-Schlefien, einen böhmiſchen Grenzſtrich und bie 
Erfegung der Herricher von Hannover, Kurheſſen, Meiningen 
und Naffau dur ihre Nachfolger, fondern aud Teile von 
Sadjfen, namentlih Leipzig, Zwiddau und Chemnig, von 
Hannover und Heffen und namentlich von Bayern Ansbach und 
Bayreuth. Das hätte die Verſöhnung ber betreffenden Dynaftien 
und Stämme mit ber neuen Orbnung Deutfchlands unmöglich ges 
macht und diefe bei jeder auswärtigen Verwidelung, namentlich 
einem Krieg mit Franfreih, den ſchwerſten Gefahren ausgeſetzt. 
Dennoch ſchien einen Augenblid der Einfluß des Militärs und 
die Annerionsluft des Königs über Bismards Mäßigung fiegen 
zu follen, und mit leidvenfhaftlihem Schmerz ſah biefer fein 
Werk im Moment der Vollendung ſchwer bedroht: er forderte 
feine Entlafjung, bereit ala Soldat, aber unverantwortlid für 
den Ausgang weiter mitzulämpfen. Da legte ſich zu guter 
Stunde ber Kronprinz, der entſchieden gegen den Krieg ge— 
wejen war, ins Mittel und befiimmte ven Vater, dem Rate 
des Minifters zu folgen. Diefer that das freilich mit dem 





IV, Die Löfung der deutſchen Frage. 415 


verlegenden Ausdrud feines Unmuts, wie auch fonft gelegent- 
lid, wo er feine Meberzeugung opfern mußte: nur weil fein 
Minifterpräfident ihn im Stich laſſe, den er vor dem Feinde 
nicht erfegen Fönne, und fein Sohn fi auf deſſen Seite 
ſchlage, bemerkte er auf einer Bismardihen Denkichrift, 
nehme er einen fo ſchimpflichen Frieden an. Der treue 
Diener hat ihm das harte Wort nicht nachgetragen und er 
fi) bald von der Unrichtigkeit feines anfänglichen Standpunfts 
überzeugt. 

So wurde am 26. Juli zu Nicolsburg der Präliminar- 
friede unterzeichnet. Defterreih ſchied aus dem Deutſchen 
Bunde aus, fimmte zum voraus ben Aenderungen zu, bie 
Preußen in dem nörbli des Main gelegenen Deutjchland 
herbeiführen mürbe, und trat biefem fein Mitbefigreht an 
Schleswig-Holftein ab gegen Zahlung von zwanzig Millionen 
Thaler, die auf die Kriegsentſchädigung von vierzig Millionen 
verrechnet wurden. Dagegen jehte Defterreih die Erhaltung 
Sachſens dur, doch follte e8 in den künftigen Norddeutſchen 
Bund eintreten, über die Bedingungen ſich aber direft mit 
Preußen verftändigen. Den Einfluß aud Bayerns in ben 
Frieden erreichte es nicht. 

So war die deutfche Frage in ihrem fehwierigften Teil 
gelöft, gelöft ehe Frankreih, wo bie Sorge vor Preußens 
Machtzuwachs und um das eigene Preftige das Verlangen nad 
einer Rompenfation fleigerte, und Rußland, das zur Ordnung 
Deutſchlands wieder einen europäifhen Kongreß berufen zu 
ſehen wünfchte, Preußen hatten in den fiegreihen Arm fallen 
tönnen, gelöft in einer Weife, bie den befiegten Gegnern bie 
Annahme der neuen Einrichtungen nit nur erträglich machte, 
fondern erleichterte, und bald als einen Segen erfcheinen ließ, 
beffen auch die jetzt noch davon Ausgeſchloſſenen und bald felbft 
Oeſterreich teilhaftig zu werben wunſchten. Die endgültige 
Verftändigung mit biefem ftieß freilich noch auf einige Schwierig- 
teiten, namentlich in betreff der Form, in der die Weberlaffung 
Venetiens an das Königreich Jtalien, mit dem Oeſterreich im 
übrigen gefonbert verhandelte, ausgebrüdt werben follte, ohne 
daß die Wiener Regierung deſſen Anerkennung auszuſprechen 


416 Fünfte Bud. Die neue Aera und ber Konflitt. 


hätte. Erſt am 23. Auguft wurde ber Friede in Prag unter 
zeichnet: daß er für das däniſch fprechende Nordſchleswig eine 
Volksabftimmung über die Zugehörigkeit zu Preußen oder zu 
Dänemark in Ausfiht nahm, war eine billige, aber praktiſch 
wertlofe Ronzeffion an die ſchon fehr gereizte Empfindlichkeit 
Frankreichs. 





Sechſtes Buch. 


Die Jahre der Erfüllung. 
1866-1888, 


I. Die Errichfung des Yorddeuffchen Bundes. 1866. 


Un demſelben 3. Juli, an bem bei Röniggräg das Schid- 
ſal Deutſchlands mit Blut und Eifen entfchieden wurde, fand 
in Preußen ein nicht minder entſcheidender Wahlkampf flatt. 
Auch er endete mit einem Siege ber Regierung und eröffnete 
endlich die Ausficht auf Beilegung des Konflikts. Er wäre wohl 
noch glänzender ausgefallen, hätten die Wahlen einige Tage 
fpäter ftattgefunden und Königgräg darauf einwirken können. 

Freilih wäre dann wohl aud das Selbftgefühl der Sieger 
gefiegen und bie Vereitwilligfeit zur Verfländigung mit ber 
DOppofition entiprechend gemindert worden. ebenfalls wurde 
die Herrfchaft der Fortſchrittspartei gebrochen und den Ele 
menten größere Geltung verjhafft, die im Bunde mit der nun 
wieder auf über Hundert Vertreter vermehrten Eonfervativen 
Partei einen ehrlichen Frieden herbeizuführen wünſchten. Daß 
dies trog des Widerſtrebens ber Ertremen von rechts und links 
ſchließlich gelang, war wiederum wefentlih das Verdienſt 
Bismards. 

Die Auflöfung des Abgeorbnetenhaufes im September 
1864 (S. 391) Hatte faft das Gegenteil der von Bismard 
damit beabfichtigten Wirkung hervorgebracht. Der Ton ber 
Verhandlungen wurde fofort wieder ein äußerſt gereizter. 
Weder mit dem Wehrgefeg noch mit dem umfaflenden Plan 


zur Gründung einer Flotte, für welde die Erwerbung der 
Prus, Preugliße Gefhihte. IV. Ei 


418 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


Elbherzogtümer endlich die geographiſche Baſis gegeben hatte, 
drang die Regierung durch. Ihre in Schleswig-Holftein ver- 
folgte Politit wurde auf das ſchärfſte verurteilt und Die nach— 
trägliche Genehmigung der Koften des dänifchen Krieges ver- 
weigert. Die Gegenfäge fpigten fih jo perſönlich zu, daß 
Bismard eine Aeußerung Virchows, die feine Wahrheitäliebe 
in Zweifel zog (Juni 1865) mit einer Piftolenforderung bes 
antwortete, ber jebod auf Einfpruc des Abgeorbnetenhaufes 
nicht Folge gegeben wurde. Dem Schluffe der Seſſion (17. Juni) 
folgten neue Maßregelungen der Wortführer der Oppofition. 
Noch übler geftalteten fi die Dinge bei Wiedereinberufung 
bes Landtages zu Anfang des Jahres 1866. Das Abgeordneten⸗ 
haus erklärte die Vereinigung des durch den Gafteiner Vertrag 
erworbenen Lauenburg mit dem preußifhen Staate, weil feine 
Zuftimmung nicht eingeholt war, für ungültig, was den durch 
diefen erften territorialen Gewinn hochbeglückten König perjönlich 
ſchwer kränken mußte. Daß die Abgeorbneten Frenzel und 
Tweften wegen im Landtage gehaltener Reben gerichtlich ver- 
folgt und infolge der tendenziöfen Zufammenfegung bes be: 
treffenden Obertribunalfenates durch den Juftigminifter Lippe 
verurteilt wurden, ließ auch die preußiiche Rechtspflege zur 
Handlangerin der Reaktion erniedrigt ericheinen. Als darauf 
das Abgeorbnetenhaus auf Antrag von Hoverbed den bie 
parlamentariſche Rebefreiheit verbürgenden Artikel 84 der Ver⸗ 
faſſung für verlegt erklärte, verweigerte Bismard die Entgegen» 
nahme dieſes Beſchluſſes und ſchloß die Seffion am 23. Februar. 
Unter folden Umftänden war es denn freilich begreiflih, daß 
die große Mehrheit des preußifhen Volkes auch in dem Kriege 
mit Defterreih zunächſt nur ein Mittel fehen wollte zur Durchs 
hauung bes unlösbar verſchlungenen Rnotens im Innern. Das 
änberte fi jedod mit den erften Erfolgen der preußiſchen 
Waffen. Auch die Herzen der preußiſchen Demokraten waren 
da, wo bie Fahnen Preußens wehten. Das erklärt den Aus— 
fal der Wahlen vom 3. Juli: durch die Erfolge des Heeres 
von ber Berechtigung ber Reorganifation überzeugt und von 
dem Bann des Parteivogmas befreit, ftellte ſich das Volt ent⸗ 
ſchloſſen auf den Boden der Thatſachen und gelangte jo auch 





I. Die Errichtung des Norddeutſchen Bundes. 419 


zur rechten Würdigung bes bisher verfannten und verkegerten 
Realpolitilers, welder dem trog bes Konflifts immer geliebten 
König den Weg zu folden Erfolgen gebahnt hatte, 

Nachdem er fi bei einer Heerſchau auf dem Marchfelde 
angeſichts der feindlichen Hauptſtadt am 29. Juli von den ſieg⸗ 
reihen Truppen verabfchiebet hatte, kehrte König Wilhelm am 
4. Auguft nad Berlin zurüd: der braufende Jubel, der ihn 
empfing, tilgte, was die legten Jahre an Entfremdung zwiſchen 
ihm und feinem Volke etwa erzeugt hatten. Das fam auch der 
von Bismard vorbereiteten Wendung der inneren Politif zu: 
gute. Angefichts des Wahlergebnifies neigte ber König den 
Ratſchlägen derer zu, die ihn num aud als Sieger in bem 
Konflikte proflamierten und von Zugeftändniffen an bie Oppo— 
fition nichts wiſſen wollten. Bei Königgräg ſollte aud) die Ver- 
fafungsfrage zu gunften des preußiſchen Königtums entfhieben 
und erwiefen fein, daß in dem Konflift das Recht auf feiner 
Seite fei. Das wäre ber nadträglihe Verfaſſungsbruch ges 
weſen, unvereinbar mit ber von Bismard und dem König 
ſelbſt bisher vertretenen Theorie von ben brei gleichbered: 
tigten Faktoren. Dafür zu wirken, war fogar eine Depus 
tation der Konfervativen in Prag erſchienen, an ber Spitze 
Kleiſt⸗Retzow, und hatte gute Aufnahme gefunden. Auch wurde 
dafür geltend gemacht, eine Neuordnung der Verfaſſung fei 
ohnehin geboten durch die Rücſicht auf die neuen Provinzen, 
da bie gegenwärtige nicht ohne weiteres auf fie ausgebehnt 
werben fünne. Als felbftverftändlih galt es den Vertretern 
dieſer Anfiht, daß dabei die Machtbefugnifie des Königtums 
entſprechend den im Konflift gemachten Erfahrungen erweitert 
werben müßten. 

Ganz anders urteilte Bismard. Wie er Defterreich gegen» 
über feinen König zur Mäßigung vermocht hatte, um dem im 
Felde niebergerungenen Kaiferftaat die fpätere Verföhnung und 
Verbündung mit Preußen zu ermöglichen, jo wollte er au) 
nicht die der Wucht der Ereigniffe erlegenen Gegner im Innern 
duch nachträglichen Rechtsbruch oder erbitternde Demütigung 
zu unverföhnlihen Feinden maden. Das widerſprach ſchon 
der Nitterlichleit, die auch im politiiden Kampfe den Grund» 





420 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


zug feines Wefens ausmadte. Wußte er doch aus Erfahrung, 
wie leidenfchaftliches Eintreten für ein politifches Prinzip dem 
Wandel der Verhältniffe Rechnung zu tragen erſchwert, und 
hielt daher nach wie vor Haß und Zorn für ſchlechte Ratgeber 
in ber Politik. Nur verrannt, meinte er, fei die oppofitionelle 
Mehrheit; zu ihrem neuangeregten Patriotismus und gutem 
Willen, das Beſte des Vaterlandes zu fördern, hegte er das 
Vertrauen, angefihts ber jo völlig geänderten Lage werde fie 
einlenfen und eine Verftändigung nicht abweifen, jondern darauf 
eingehen, ohne die Prinzipienfrage endgültig zum Austrag 
bringen zu wollen. Während er in ber Verfaſſung einft bie 
ruhmlofe Selbftaufgabe des preußiſchen Königtums gefehen 
hatte (S. 257), war ihm in der Konfliktszeit klar geworben, 
es fei mit eben biefer Verfafjung doc fehr wohl zu regieren. 
Dem Konflitt dur einen ehrlihen Frieden ein Ende zu 
maden, beftimmte ihn aber vor allem die Rüdfiht auf die 
Gefahren, die vielleicht fehr bald Preußens eben gewonnene 
Stellung bedrohen konnten. Ob und wann Oeſterreich dieſe 
vorbehaltlos anerkennen würde, hing weſentlich davon ab, wie 
fih das Verhältnis zwiſchen Preußen und Frankreich geflaltete. 
Je früher da der unvermeibliche Bruch erfolgte, um fo ficherer 
fand zu erwarten, daß nicht bloß Defterreih, fondern auch 
die übrigen beutfchen Gegner Preußens von neuem zu den 
Waffen greifen würden. Diejen Kampf zu beftehen, mußte 
Preußen in fi) völlig einig fein. Das aber hätte ein Miß— 
brauch des Sieges durch die Krone auf Koften der Volksrechte 
ausgeſchloſſen. Er hätte im Innern die Beibehaltung eines 
Repreffivfyitems nötig gemacht, das Preußen in den Augen 
des übrigen Deutſchland als ausgeiprodhen reaftionär gefenn- 
zeichnet und feinen Sieg von 1866 dargeftellt hätte nicht als 
Sieg der nationalen Sade, jondern allein des engherzigen 
Preußentums. Das hätte allen feinen Gegnern eine furdtbare 
moralifhe Waffe in die Hand gegeben und für bie einftige 
Wiederaufnahme des Kampfes allen Vorteil eingeräumt. 
Doch war mit Bismard von ben übrigen Miniftern, wie 
es ſcheint, zunächſt nur der ſchmiegſame v. d. Heydt einver- 
ftanden, der im Beginn bes Krieges bie Finanzen wieber über: 


. Die Errichtung des Norddeutſchen Bundes. 421 


nommen hatte, da man feiner Geſchäftskenntnis und feines 
gewichtigen Namens zur Beichaffung der nötigen Mittel nicht 
hatte entbehren wollen. Doch wurden bie anderen umgeftimmt, 
und ber eindringlihen Beredſamkeit Bismards gelang es, 
während der langen Fahrt von Prag nad) Berlin endlich auch 
die legten Bedenken bes Königs zu überwinden, fo daß er fih 
mit der Ankündigung eines Geſuches um Inbemnität feitens 
der Regierung in der Throntede einverftanden erklärte. Sie 
erging bei der Eröffnung des Landtages am 5. Auguft dahin, 
daß der König erklärte, wenn feine Regierung den Staatshaus- 
halt mehrere Jahre hindurch ohne die nad der Verfaſſung 
erforderliche gejeglihe Grundlage geführt habe, fo ſei das ge- 
ſchehen nad gewiſſenhafter Prüfung in der pflichtgemäßen 
Ueberzeugung, daß die Fortführung einer geregelten Verwaltung, 
die Erfüllung ber geſetzlichen Verpflichtungen des Staates gegen 
feine Gläubiger und Beamten, die Erhaltung des Heeres und 
der Staatsinftitute Eriftenzfragen für den Staat feien, und 
daß daher jenes Verfahren eine ber unabweisbaren Notwendig- 
keiten gemorben fei, denen fi eine Regierung im Intereſſe 
bes Landes nicht entziehen dürfe: er vertraue daher, die jüngften 
Ereigniſſe würden dazu beitragen, die unerläßliche Verftändigung 
infoweit zu erzielen, daß der Regierung in Bezug auf die ohne 
Staatshaushaltsgejeg geführte Verwaltung die zu beantragende 
Indemnität bereitwillig erteilt und damit ber bisherige Konflikt 
für ale Zeit zum Abſchluß gebracht werde. 

Auch bei der Mehrheit des Abgeorbnetenhaufes übermog 
die Neigung zum Frieden, für den vermittelnd namentlich 
auch der Kronprinz wirkte. Der langjährige Präfident, ber 
Prenzlauer Oberbürgermeifter Grabow, trat freiwillig von einer 
neuen Kandidatur zurüd und ber Rechtsanwalt in dem oft: 
preußifhen Mohrungen, v. Fordenbed, ein Mann von ebenfo 
energiſchem wie Eonziliantem Weſen, wurde zunächft mit geringer 
Mehrheit zur Leitung der Gejhäfte berufen, in ber er fi 
bald die vorbehaltloje Anerkennung aller Parteien erwarb. 
Mit allen gegen 25 Stimmen der Polen und Katholifen und 
Johann Jacobys wurde eine Adreſſe angenommen, melde bie 
Verftändigung fiherte. Zwar wurde das am 13. Auguft eins 


422 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


gebrachte Indemnitätsgeſetz, obgleih bie es vorberatende 
KRommiffion dur Tweften feine Annahme empfahl, noch heiß 
umftritten, ſchließlich aber am 3. September mit 230 gegen 
75 Stimmen angenommen. Dabei volljog fi der nun un: 
vermeiblide Bruch innerhalb der Fortfchrittspartei, der zum 
Austritt von fünfzehn Abgeordneten unter Lasker und Tweften 
führte: fie bilbeten fpäter gemeinfchaftlich mit neun Altliberalen 
den Stamm ber nationalliberalen Partei, die, an ben alten 
liberalen Forderungen fefthaltend, doch das Bismarckſche Pro: 
gramm nationaldeutſcher Politik auf Grund der Erfolge von 
1866 freudig annahm und feine Weiterführung unterftügen 
wollte. 

Der Konflikt war begliden, nicht gelöftl, fo wenig wie 
die prinzipielle Frage gelöft war, um bie es ſich dabei gehandelt 
und die man im Gegenfaß zur beutfchen wohl als die preußiſche 
Frage bezeichnet hatte. Die Lüde in der Verfaffung, die nad 
des Königs und Bismards Anfiht den Streit verfhuldet, 
wurde nicht ausgefüllt, feiner von beiden Teilen von ber 
Unbaltbarfeit feines bisherigen Standpunktes überzeugt und 
daher auch die Wiederkehr ähnlicher Verwickelungen nicht un= 
möglich gemacht. Beiderſeits gab man einen Prinzipienftreit, 
über den der Staat ernfie Gefahr gelaufen war, auf, als 
unter ben inzwifchen eingetretenen Umftänden ausfihtslos und 
daher zwedlos. Der politifhe Theoretifer wird auch heute 
no das Recht des Abgeorbnetenhaufes juriftiih deduzieren 
tönnen, ber Praktiker wird dur die Gedichte dieſes unent⸗ 
ſchieden endenden Verfaſſungsſtreites, in dem es weder Sieger 
noch Beſiegte gab, die Lehre beflätigt fehen, daß gegenüber 
der unberechenbaren Mannigfaltigfeit der thatſächlich möglichen 
Verhältniffe politiſche Theorien und Verfafjungsparagraphen 
leicht verfagen und felbft formales Unrecht gelegentlich gut 
gemacht wird durch das höhere Recht der geſchichtlichen Ent: 
widelung, auf deſſen Boden Freund und Feind fi zufammen- 
finden. Verloren aber blieben die gemadten Erfahrungen 
für feinen Teil: fie mahnten auch für bie Zukunft hier wie 
dort zur Vorfiht und Mäßigung, warnten vor Uebereilung, 
die in der Hige bes parlamentarifhen Kampfes fih auf 


I. Die Errichtung des Norddeutſchen Bundes. 428 


Prinzipien feftlegt, und empfahlen jebem Teile, aud bei dem 
anderen eine ehrliche, von Nebenabſichten unbeeinflußte Ueber: 
zeugung und redliche Hingabe an das Gemeinwohl vorauszufegen. 
Der Segen biefer Lehre Hat fi in den nächſten Jahren an 
Preußen und dem Norbbeutfhen Bunde reichlich bethätigt. 
Sie war auch für den König nicht vergeblich geweſen: bei 
Entgegennahme ber Adreſſe bes Abgeorbnetenhaufes erklärte er 
zwar, er habe fo handeln müſſen und werbe immer fo Handeln, 
wenn ſich ähnliche Zuſtände wiederholen follten, fügte jedoch 
Hinzu: „Aber, meine Herren, es wird nicht wieder vorfommen.” 

Die Gefahren, um berentwillen Bismard auf Schonung 
Oeſterreichs und Herftelung bes inneren Friedens durch Nach— 
ſuchen der Indemnität beftanden hatte, waren inzwifchen freilich 
zu einem weſentlichen Teile befeitigt. Preußens fiegreicher 
Kampf gegen bie fühbeutihen Staaten, der ihm anfangs von 
der erregten öffentlihen Meinung als Bruberfrieg befonders 
heftig vorgeworfen war, hatte ſchon jegt die militärifhe Ein- 
heit Deutfchlands einem Angriff des Auslands gegenüber ſicher 
geftellt, indem er bie Süddeutſchen von der Ueberlegenheit 
fowohl wie von der Unentbehrlikeit ber preußifchen Kriegs: 
verfaffung überzeugte. Die gemachten Erfahrungen erwiejen 
die Unhaltbarkeit der bisherigen Zuftände und bie Notwendig- 
teit einer radikalen Reform nad; Preußens Vorbild. Denn 
nit die Unbraubarkeit des Menfchenmaterials, das dem 
norbbeutfchen nicht nachſtand, fondern den Mängeln bes Exer⸗ 
zitiums, der Organifation, der Intendantur und ber oberen 
Führung war die üble Role zuzuſchreiben, zu der ſich die ſüd⸗ 
deutſchen Kontingente gelegentli verurteilt fahen. Trotz 
mander Eigenmädtigfeit und Verfäumnis, die das Gelingen 
der im großen Hauptquartier entworfenen Operationen ge 
fährbeten, hatte Vogel v. Faldenftein mit Göben die Gebiete 
nördlih vom Main von Bayern, Heſſen und Yundestruppen 
gefäubert, während von Koblenz aus das Herzogtum Nafjau 
befegt wurde, und am 16. Juli fi) auch Frankfurts bemächtigt, 
deſſen Geldariftofratie ſich Durch ihre Preußenfeindſchaft befonders 
hervorgetban hatte. Der Rumpf bes Bundestages war nad 
Augsburg entwichen und löſte fi am 24. Auguft auf. Sein 


424 Schfted Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


Nachfolger Manteuffel war bereits im Vorbringen in Bayern, 
als ihm der Waffenftilfftand Halt gebot. Baden, das nur 
durch eine unerträglihe Zwangslage auf die Seite der Gegner 
Preußens gedrängt war, hatte bereits Waffenruhe nachgeſucht. 
Auch Württemberg und Hefien-Darmftadt Inüpften Unterhand- 
lungen an, wie Bayern bereits in Nicolsburg gethan. Je 
unnötiger und leichtfertiger fie in den Krieg gegen Preußen 
eingetreten waren, um fo dankbarer empfanden bie ſuddeutſchen 
Staatsmänner, als fie zu ben Friedensverhandlungen in Berlin 
erſchienen, deſſen unverhoffte Milde und Verſöhnlichkeit. Denn 
da es ihm vor allem darauf anlam, Frankreichs Pläne zur 
Trennung des Südens vom Norden zu durchkreuzen, lieh Bis: 
mard aud bier eine Schonung walten, die befonbers geeignet 
war, die Antipathien gegen Preußen bei Regierungen und 
Völkern des Südens zu überwinden. Am 13. Auguft erhielt 
das von dem feinem Königshaufe verwandten Zaren beihügte 
Württemberg gegen Zahlung von acht Millionen Frieden bes 
miligt. Am 17. erfolgte der Abſchluß mit Baden, das ſechs 
Millionen Kriegsfoften zahlte. Am 22. wurde der Vertrag mit 
Bayern unterzeichnet, deſſen Befigftand ſchließlich jo gut wie 
unverfürgt blieb, obgleich König Wilhelm die Wiedererwerbung 
von Ansbah und Bayreuth wünjchte, aber doch deshalb Vers 
wickelungen mit Frankreich nicht heraufbeſchwören wollte. So 
gab es nur einen Heinen Streifen Gebiets zur Regulierung 
der preußifchen Grenze her und zahlte dreißig Millionen. 
Härtere Bedingungen wurben Hefjen-Darmftadt auferlegt. Es 
mußte die Landgrafihaft Heflen-Homburg und einige ober⸗ 
beifiihe Stüde abtreten, in Mainz eine preußiſche Beſatzung 
aufnehmen, das Boftwefen Preußen überlafien und drei Millionen 
bezahlen, enbli mit feinen nörblih vom Main gelegenen 
Gebietsteilen dem Norbdeutfchen Bund beitreten. Buglei mit 
den Friedensſchluſſen aber unterzeichneten bie ſüddeutſchen 
Staaten, voran Baden und Württemberg, geheime Schuß- 
und Trugbündnifie mit Preußen. Denn an die Möglichkeit 
eines ſuddeutſchen Bundes, wie er zu Nicolsburg urfprünglich 
in Ausfit genommen war, glaubte niemand. Ohne ihn aber 
waren die fübdeutfchen Staaten dem Ausland und namentlich 





I. Die Errichtung des Norddeutſchen Bundes. 425 


den Rheinbundgelüften Frankreichs gegenüber ohnmächtig. Um 
ben Preis aber, ber jet dafür verlangt worden wäre, ein 
Protektorat Frankreichs gegen Preußen zu erfaufen, hatte man 
im Süden feine Luft mehr, nachdem Frankreich feine wahren 
Abfihten verraten hatte. Mit Abſchluß diefer Schug- und 
Trugbündnifie, nad} denen im Fall eines Krieges bie ſuddeutſchen 
Heere dem Oberbefehl des Königs von Preußen unterftanden, 
war die Vollendung der Einigung Deutſchlands nur noch eine 
Frage ber Zeit, zumal die in den Friedensverträgen in Aus- 
fiht genommene einheitliche Ordnung ber Zollverhältniſſe, für 
die vorläufig der Zollvereinsvertrag vom 16. Mai 1865 wieber 
in Kraft trat, die wirtfhaftlihe Einigung verbürgte. 
Größere Schwierigkeit machte der Friede mit Sachſen, 
auch nachdem der Minifter v. Beuft, der unermüdlich gegen 
Preußen gehegt hatte, dur Bismards Weigerung, mit ihm 
zu verhandeln, zum Rüdtritt genötigt worden war. Die 
Integrität feines Gebietes war Sachſen freilih durch Defter- 
reich zu Nicolsburg ausgewirft worden. Um fo fefter mußte 
es an Preußen und den Norddeutſchen Bund, dem es beitreten 
Tote, gefeſſelt und zur unverbrüchlichen Erfühung der über: 
nommenen Verpflichtungen angehalten werben. Das war nicht 
leicht angeſichts der Bewährung ber tapferen ſächſiſchen Armee 
im böhmifchen Feldzuge, der innigen Familienbeziehungen 
zwiſchen den beiden Höfen und ber Feindſchaft eines Teils des 
ſächſiſchen Volkes gegen die Sieger. Erſt nad langwierigen 
Verhandlungen zwiſchen Savigny und dem ſächſiſchen Minifter 
v. Friefen und Graf Hohenthal erfolgte am 21. Oktober der Ab: 
ſchluß. Sachſen mußte fein Heer nad preußijhem Mufter 
reorganifieren, wozu es zunädft einem preußiſchen General 
unterfielt wurde; in Dresden lagen ſächſiſche und preußifche 
Truppen, auf dem die Elbe beherrfchenden Königftein preußiſche 
Beſatzung. Auch zahlte Sachſen zehn Millionen Thaler. Daß 
biefer Friede in Sachſen jhmerzlih empfunden wurde, war 
begreiflih: nicht ohne Ingrimm ſahen die Dresdener bie 
Preußen in ihrer Stadt, zu deren Beherrſchung obenein Schanzen 
aufgeworfen waren. Aber das bittere Gefühl, von Oeſterreich 
doch ſchließlich im Stich gelaffen zu fein, und dann bie Er- 


426 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


kenntnis von ber gefunden Entwidelungsfähigfeit der neuen 
Ordnung, die über eine an Jrrungen überreihe Vergangenheit 
endlich den Schleier des Vergefiens breitete, halfen dem ſächſi—⸗ 
ſchen Königshauſe und feinem Volke erfreulich ſchnell über dies 
anfänglie Unbehagen hinweg, zumal ber ritterlihe Sieger 
alles that, um fie den Stachel, den die legten Ereigniſſe bei 
ihnen hinterlaſſen hatten, nicht empfinden zu laffen. Ueber die 
Schranken des Vertrages vom 21. Oktober hinaus bemilligte 
König Wilhelm dem jähfiihen Heere größere Selbftänbigkeit 
als den übrigen Teilen des norddeutſchen Bundesheeres, indem 
er es als ein in ſich gefehloffenes (12. Armeecorps) direkt unter 
das Kommando feines Königs ftelltee Denn wie gegenüber 
allen Bunbesgenofjen Preußens, fo erachtete Bismard namentlich 
Sachſen als dem heruorragendften gegenüber es als die nächſte 
Aufgabe der Bundespolitif, dahin zu ftreben, daß basfelbe 
nit bloß als eine Vertragspflicht, fondern als ein wertvolles 
Net anfah, dem Bunde anzugehören, ein Recht, das von 
allen Beteiligten hod genug angefchlagen werde, um im eigenen 
Intereſſe für feine Erhaltung und Ausbildung einzutreten. 

Alle die Vorausfegungen waren nun erfült, melde für 
Preußen die Einführung ber geplanten und durch den Frieden 
in fein Belieben geftellten neuen Orbnung im Norden des 
Main bedingten. Ihre Grundzüge waren den in Betracht 
kommenden Staaten bereits am 16. Juni mitgeteilt und von 
der überwältigenden Mehrheit angenommen worden, wenn auch 
von manden ſchweren Herzens und nur unter dem Zwange 
der Lage, ber feinen anderen Ausweg ließ. Außer den Staaten, 
melden ihre Ablehnung die Eriftenz koſten follte, hatten auch 
Meiningen und Neuß ältere Linie den Anſchluß verweigert. 
In erfterem mußte infolgebefien Herzog Bernhard zu gunften 
feines Sohnes abdanken, Iegteres wurde, damit ber Tragödie 
des deutſchen Krieges das Satyrfpiel nicht fehle, von zwei 
Compagnien bejegt, worauf die Regentin Karoline fi in das 
Unvermeidliche fügte. 

Anders geftaltete ſich das Schickſal Kurheſſens, Hannovers, 
Naſſaus und der freien Stadt Frankfurt. Noch nad) der Schlacht 
bei Königgräg hatte König Wilhelm Hannover und Kurheſſen, 





1. Die Errichtung des Norddeutſchen Bundes. 427 


wenn auch verfleinert, unter den Nachfolgern der durch ihre 
Preußenfeindfhaft unmöglich geworbenen bisherigen Regenten 
beftehen laſſen wollen (S. 414). Radikal dagegen meinte hier 
Bismard vorgehen zu müffen. Bon folden Gliedern verſprach 
er fi für den neuen Bunbesftaat, der fie um einen Teil ihrer 
Souveränität brachte, um fo weniger Buverläffigkeit, ala ihr 
begreifliches Streben, bei der erften europäiſchen Verwidelung 
die verlorene Stellung wieberzugewinnen, eines ftarfen Rüde 
balts gewiß war in der Anhänglichkeit der gewaltfam mit 
PreußenÜvereinigten Gebietsteile. Denn in der Liebe der 
deutſchen Stämme zu ihren Dynaftien fah er eine ber vor 
nehmften Stügen der deutſchen Kleinftaaten. Da nun nad 
dem Geſchehenen eine einfahe Reftauration ber bepofjedierten 
Fürften nicht möglich war, fo blieb nur die Einverleibung 
ganz Hannovers und ganz Kurheſſens. Daß aber Naffau und 
Frankfurt am Main das gleiche Schidfal treffen mußte, ergab 
ſich nicht ſowohl aus ihrer Preußenfeindſchaft, ala aus der 
Notwendigkeit, den Franzofen nicht eine Einfallspforte in das 
rechtsrheiniſche Land offen zu laflen. Und warn würde ſich 
wieder bie Gelegenheit finden, die gefährliche Zerreißung 
Preußens durch Hannover und Kurhefien in zwei getrennte 
Hälften zu befeitigen? Dem Gewicht diefer Gründe konnte 
fih die Oppofition fo wenig wie das Ausland verſchließen. 
So erſchien am 20. September das am 16. Auguft ein 
gebrachte, vom Abgeorbnetenhaus am 7. und vom Herrenhaus 
am 10. September angenommene Gejeg, nad dem ber König 
auf Grund bes Artifela 55 der Verfaffung für den preußifchen 
Staat für fih und feine Nachkommen von dem Königreich 
Hannover, dem Kurfürftentum Hefien, dem Herzogtum Naffau 
und der freien Stadt Frankfurt, welde ber von Bismard 
freilich nicht gebilligte Erlaß der ihr einft von Manteuffel 
aufgelegten Kontribution von 25 Millionen verföhnlicher ſtimmte, 
Beſitz ergriff, fo daß diefe, ſtaatsrechtlich den alten Provinzen 
durchaus gleich geftellt, organiſche Beſtandteile des Geſamt⸗ 
ſtaates wurden, und die preußiſche Verfaſſung vom 1. Oktober 
1867 an für ſie galt. An demſelben Tage erfolgte unter dem 
Jubel der Bevölkerung der Einzug der ſiegreichen Truppen 


428 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


unter dem König und feinen ruhmgekrönten Felbherren in die 
Hauptftadt. In diefen unvergleichlich feftlihen Stunden wien 
die legten Schatten, die von dem Konflifte her etwa noch 
zwifchen Fürft und Volk gewaltet hatten. Die Annerion der 
Elbherzogtümer, auf die der Großherzog von Olbenburg feine 
Anſpruche gegen drei Millionen (27. September) an Preußen 
abgetreten hatte, vollendete den äußeren Neubau bes preußifchen 
Staates. 

Das Verhältnis der anneltierten Gebiete zu ihrer neuen 
Herrſchaft geftaltete ſich verſchieden, im allgemeinen aber über- 
aus günftig. War ihre Bevölkerung doch zumeift froh, das 
Elend der Aleinftaaterei los zu fein, und gerade die gebildeten 
und politiſch vegfamften Kreife, die in Heſſen und Hannover 
feit Jahren mühſam für das verfaflungsmäßige Recht gefämpft 
und mit der undeutſchen Politik ihrer preußenfeindlihen Regie 
rungen gerungen hatten, machten fein Hehl aus ihrer Bu- 
frievenheit mit der eingetretenen Wendung. Sie ftellten ſich auf 
den Boden, den die Ereigniffe von 1866 geſchaffen hatten, und 
wurden ſchnell gute Preußen, ohne darum zu verfennen, daß 
Preußen dur das in feiner Entwidelung begründete Ueber 
gewicht des Soldaten: und Beamtentums Einfeitigfeiten und 
Härten anhafteten, von denen ihre eigene freiere und beweg⸗ 
lichere Art ih um fo vorteilhafter abhob, je mehr fie mäßigend 
und befreiend darauf einzumirfen wußte. Aus dieſen Kreifen 
gingen die Männer hervor, die neben den altbewährten preußi⸗ 
ſchen Parlamentariern im Abgeorbnetenhaufe und im Herren- 
baufe, in das aus den neuen Provinzen eine entſprechende 
Anzahl von Mitgliedern berufen wurde, und im norddeutſchen 
Reichstage auf die Entwidelung des neuen Preußen nicht felten 
beftimmend einwirkten, indem fie den Gedanken der nationalen 
Einheit frei von der Einfeitigfeit des ſpezifiſchen Preußentums 
begeiftert vertraten und dieſes der gewandelten Zeit entſprechend 
au inmerlih zu wandeln ſuchten — die v. Bennigfen, 
Miguel, Braun, Detfer und andere. Zunächſt bewirkte das 
eine heiljame Verjüngung des parlamentarijchen Lebens, das 
von ben befangenden Grinnerungen der Konfliftszeit befreit 
wurde. Aehnliches geſchah nachmals in der Verwaltung, auf die 








I. Die Errichtung des Norddeutfchen Bundes. 429 


namentlid das Vorbild Hannovers anregend einwirkte. Wenn 
den neuen Provinzen ein größeres Maß von Selbftändigkeit ein 
geräumt wurde, indem fie für ihre befonderen Bebürfniffe aus 
Staatsmitteln eigene Fonds erhielten, konnte ein Gleiches ben 
alten Provinzen auf die Dauer nit vorenthalten werben, 
fehr zum Kummer der preußifchen Konjervativen, bie dadurch 
die Stellung bes Adels bebroht fahen. 

Gefördert wurbe dieje günftige Entwidelung in den neuen 
Provinzen wenigftens in mancher Hinfiht durch die verkehrte 
Handlungsmeife ihrer früheren Herren, von denen einige es 
förmlih darauf anzulegen ſchienen, was ihnen daheim an 
dynaftifhen und im Auslande an politif den Sympathien ge: 
blieben war, vollends zu erftiden. Weberzeugt von dem Sieg 
Defterreihe, waren fie in den Fritifhen Junitagen Preußen 
mit herausforderndem Troge begegnet. König Georg II. von 
Hannover hatte vol ſtolzer Zuverſicht dem erwarteten Bu: 
fammenbrud Preußens die Dauer der welfiihen Herrlichkeit 
bis an das Ende aller Dinge entgegengefegt. Der Kurprinz 
von Hefien, der im ber entfcheidenden Zeit gerade in Berlin 
weilte, hatte Bismards eindringlice Mahnung, nad) Kaffel zu 
eilen und den Vater zum Einlenfen zu vermögen — die Nach— 
folge in Heſſen, meinte der Minifter, fei wohl einen Ertrazug 
wert — mißachtet und mit dem drohenden Hinweis auf ein 
baldiges anderes Wieberfehen beantwortet. Der ruhmloje 
Sturz diefes ſchmachvollen Regiments Fonnte nirgends Bedauern 
erregen. Daß es ihm aber bei der gegen Preußens mäßige 
Zumutungen fo zähe feftgehaltenen Souveränität doch eigent- 
lid) nur um die damit verbundenen großen privatrechtlichen Vor⸗ 
teile zu thun gewefen war, bewies der Kurfürft, indem er am 
17. September mit Preußen einen Vertrag ſchloß, der ihm 
den Bezug feiner bisherigen Einkünfte ficherte. Auch der Herzog 
von Naſſau Lie fi) (September 1867) die Anerkennung bes 
Geſchehenen in ähnlicher Weife abfaufen. Selbſt König Georg 
ſchien diefem Beiſpiel folgen zu wollen. Obgleich er gegen 
die Annerion feierlich proteftiert hatte, ließ er Doch durch feinen 
ehemaligen Juftizminifter Windthorft mit Preußen unterhandeln, 
und am 27. September 1867 kam ein Vertrag zu flande, der 





430 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


ihm ben Genuß der Binfen eines Kapitals von ſechzehn Millionen 
Thalern zufierte. Aber die ausbrüdliche Anerkennung ber 
neuen Ordnung der Dinge war ihm troß der Bemühungen 
verwandter und befreundeter Höfe nicht abzugewinnen. Ja, 
im Frühjahr 1867 fteigerte ber drohende Ausbruch eines deutſch⸗ 
franzöfifchen Krieges über die Luremburger Frage feine Hoffnung 
auf Reftauration und verleitete ihm zu höchſt bedenklichen 
Schritten, die auf nichts anderes ala die planmäßige Vor: 
bereitung einer welfiſchen Infurreftion in Hannover hinaus: 
liefen und ihn faft als friegführende Macht ericheinen ließen. 
Wegen der fteigenden Erregung feines Volkes über Preußens 
Emporfommen, hatte Napoleon III. glei nad dem Frieden 
Gewährung einer Kompenfation in Berlin förmli in Antrag 
bringen laſſen, und ſchließlich, als er deutſches Land links 
vom Rhein zu erhalten als unmöglich erfannte, um die Zus 
fimmung zur Annerion Belgiens geworben. Er gab fi zwar 
den Anſchein, als ob bie Einigung Norddeutſchlands unter 
Preußen auch ihm durchaus willkommen fei, wollte nun aber 
auch Frankreich von den ihm bisher durch die Verträge von 1815 
gejegten Schranken befreit fehen und ließ duch Niel eine 
Steigerung feiner Wehrkraft auf nahezu das Doppelte ein= 
leiten. Doch machte das auf die Franzofen feinen Eindrud, 
die Deſterreichs Niederlage wie eine eigene empfanden und. 
Nevande für Sadowa verlangten. So faßte der Kaifer die 
Erwerbung Luremburgs ins Auge, das, ehemals deutſche 
Bundesfeftung, trog ber Zugehörigkeit zu Holland nod von 
früher her von preußiſchen Truppen befegt gehalten wurde. 
Unter Vermittelung feiner preußenfeindlihen Gemahlin, einer 
württembergifchen Prinzeffin, ließ fi) der König von Holland 
auch zu einem Verkauf an Frankreich bereit finden, voraus- 
gefegt, daß dieſes die Zuftimmung Preußens auswirken würbe. 
Nur war der faubere Handel nicht geheim geblieben, und bie 
Antwort, die Bismard im fonftituierenden norddeutſchen Reichs: 
tage auf eine ihn betreffende Anfrage Bennigfens (1. April) 
gab, ließ feinen Zweifel, daß er ihn nicht dulden werde. Dem⸗ 
gemäß erklärte Preußen am 3. April im Haag, es werde feinen 
Vollzug als Kriegsfall anfehen. Damit waren Napoleons 





1. Die Errichtung des Norbbeutfchen Bundes. 431 


Pläne, die er bereits bier und da als ber Verwirklihung 
fiher hatte verlautbaren laſſen, durchkreuzt, da er an einen 
Krieg um fo weniger denken fonnte, als furz zuvor bei den 
Verhandlungen der fübbeutichen Staaten über ihr fünftiges 
Verhältnis die Eriftenz ihrer Schutz- und Trugbündnifle (S. 424) 
mit Preußen befannt geworben war, er alfo ganz Deutſchland 
gegen ſich gehabt hätte. So war er froh, dank öſterreichiſcher 
und ruſſiſcher Vermittelung fi noch mit einigem Anftand aus 
der DVerlegenheit zu ziehen. Eine Konferenz der Großmächte 
regelte unter Teilnahme ber Niederlande, Belgiens und Lurems 
burgs ſelbſt die Angelegenheit dahin, daß Luremburg bei 
Holland verblieb, aber von den Preußen geräumt, entfeftigt 
und neutralifiert wurde. 

Schmerzlicher fat als in Paris empfand man dieſen deutſchen 
Erfolg in Hieging, der Reſidenz bes ehemaligen Königs von 
Hannover, der in Erwartung bes Krieges bereits eine Welfen- 
legion angeworben und durch feine Agenten von Paris aus 
alles zum Aufftand hatte vorbereiten laſſen. In Frankreich 
fanden aud) die gemorbenen Mannſchaften, melde die Schweiz 
und Holland auswiefen, Aufnahme in Hoffnung auf eine baldige 
Gelegenheit zur Verwendung. So lieferte der Verlauf ber 
LZuremburger Frage den beften Beweis für den Wandel, ber 
in den europäifhen Machtverhältnifien eingetreten war, und 
legte fo aud ein enticheidendes Gewicht in die Wagſchale zu 
gunften der inzwifchen begonnenen Konftituierung bes Nord⸗ 
deutſchen Bundes. Der Entwurf der Verfaflung, den Bismard 
den 4. März dem Eonftituierenden Reichstage vorlegte, wurde 
zwar noch in einzelnen Punkten heftig umftritten. - Doch hielten 
fi} beide Teile, belehrt durch die Erfahrungen der Konfliktszeit, 
in den Schranfen bes Grreihbaren ‘und famen fo zu einem 
KRompromiß, das die Errungenſchaften des Krieges von 1866 
fiherftellte, den verbündeten Regierungen und der Volksver— 
tretung, in der bie Fortfchrittspartei nur noch wenige Mit: 
glieder zählte und der maßgebende Einflub an bie Nationals 
liberalen übergegangen war, ein fruchtbares Zufammenmirken 
zur Fefligung und zum Ausbau der neuen Schöpfung ermög- 
lichte, den noch getrennt gebliebenen Suddeutſchen aber nicht 


432 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


bloß Sicherheit nad außen hin, fondern aud die Gewähr für 
den fünftigen Anflug gab. Die am 17. April proflamierte 
Verfaſſung des Norbbeutfhen Bundes, die im Abgeorbneten- 
haufe gegen die Stimmen der Fortjchrittspartei am 31. Mai 
und im Herrenhaufe am 23. Juni angenommen wurde, ges 
währte Preußen an der Spite des neuen Bundesftaates end» 
lich die gebührende Stellung: Bon ben 43 Stimmen des Bundes⸗ 
rates gehörten ihm 17; es wählte für die von ihm geleiteten 
Ausfhüffe für Heer, Feitungen und Flotte zwei Mitglieder 
und übte auf allen Gebieten bes gemeinſchaftlichen Lebens 
einen in der Form beſchränkten, ſachlich aber entfcheidenden Ein- 
fluß, der zufammen mit der Verteilung der Stimmen unter bie 
ihm von alters her eng verbundenen Staaten jede Majorifierung 
unmöglich machte, während die Leitung von Heer und Flotte 
in des Königs Hand lag. VBismard wurde als Bundeskanzler 
an bie Spige der Bundesregierung geftelt und fand in dem 
um Preußens Handelspolitif Hochverdienten Delbrüd als Präfi- 
denten bes Bunbesfanzleramts einen unübertrefflihen Mit— 
arbeiter, deſſen Eintritt auch in das preußiſche Minifterium 
die Einheitlickeit der preußiſchen Politit im Bunde und im 
eigenen Zande verbürgte. Kollifionen zwiſchen beiden blieben 
dennod nicht aus. Auch perfönliche Momente wirkten gelegent: 
lich ftörend ein und veranlaßten Reibungen, durd die Bismard 
fi in feiner alles umfafjenden Thätigfeit gehindert ſah. Selbit 
mit feinem Fönigliden Herrn Fam es gelegentlich zu Mißver- 
ftändniffen, die ſich ihrem ferneren Zuſammenwirken in den 
Weg zu fielen fehienen, aber durch des unmwandelbar dank— 
baren Königa offenherzige und verſöhnliche Art ftets ihre güt- 
liche Löfung fanden. Erklärte er doch auf ein aus ſolchem An- 
laß eingereichtes Entlaſſungsgeſuch Bismards im Februar 1869 
es für fein größtes Glüd, mit ihm zu leben und immer feit 
einverftanden zu fein: von dem Manne, deflen Namen in ber 
preußiſchen Geſchichte höher ftehe ala der irgend eines Staats— 
mannes, werbe er niemals lafjen. 





II. Die Erwerbung des Haiferfums. 1867—1871. 


„Preußen geht hinfort in Deutſchland auf," hatte Friedrich 
Wilhelm IV. erklärt, als er im März 1848 verſuchte, bie 
Wogen der preußiſchen Frage, die über ihm zuſammenzuſchlagen 
drohten (S. 253), zu beſchwichtigen, indem er das ſchwankende 
Staatsſchiff auf das noch unbefanntere, ftürmifchere und klippen⸗ 
reichere Meer der deutſchen Frage hinausſteuerte, ein Wagnis, 
das mit einem Schiffbruch enden mußte. Wollte man in diefem 
Wort mehr ſehen als eine von den wohltönenden Phraſen, die 
dem geiftvollen und berebten König beſonders dann zur Ber: 
fügung ftanden, wenn es feine Unflarheit und Unentjchlofien- 
Heit zu beihönigen und ihm und andere über den Ernft ber 
Lage hinwegzutäuſchen galt, fo würde es doch nur von neuem 
zeigen, wie wenig biefer Hohenzoller die Geſchichte feines Haufes 
und Staates richtig erfaßt und den Beruf Preußens wahrhaft 
begriffen hatte. Sollte die gewaltige hiftorifche Arbeit, die 
Fürft und Volk hier in zwei Jahrhunderten geleiftet hatten, 
nur volbradt fein, um einem unbelannten, fchemenhaften 
Deutſchland der Zukunft hingegeben zu werden, von dem, wie 
man e3 fi aud denken mochte, doch nur das eine feſtſtand, 
daß Bayern, Württemberger, Heſſen, Hannoveraner und Sachſen 
feine berufenen Träger zu fein glaubten, und bas demnach im 
Grunde nur unpreußiſch, ja antipreußiſch fein Fonnte? Seitdem 
war doch in immer weiteren Kreifen bie für viele vecht unbe⸗ 
hagliche und drüdende Erkenntnis durchgedrungen, zur Gefundung 
Deutichlands werde vielmehr umgelehrt das übrige Deut: 
and gewifiermaßen in Preußen aufgehen müffen. 

Diefer Prozeß begann 1866. Sein Fortgang bildet den 
Inhalt ber preußiſchen und ber deutſchen Geſchichte des nächften 


LZuftrums, und mit ber Erhebung König Wilhelms zum 
Pruß, Preußijge Geihiäte. IV. 


434 Sechſtes Buch. Die Jahre der Erfüllung. 


deutſchen Kaifer fand er feinen glorreihen Abſchluß. Die Er- 
fahrungen von 1866 hatten au bie Gegner Preußens, fo: 
weit fie noch ein jelbftändiges politifches Dafein behaupteten, 
von feiner Unentbehrlichkeit überzeugt und ihr Rechnung zu 
tragen gelehrt. Der fiegreihe Krieg gegen Frankreich tilgte 
die legten bitteren Erinnerungen, bie zurüdgeblieben waren, 
und ließ Suddeutſchland eine Verbindung fuchen, zu der wenige 
Jahre zuvor felbft ein Teil Norddeutſchlands hatte gezwungen 
werben müflen. So fehr die Verfaſſung des Norddeutſchen 
Bundes jeden Schein einer Abhängigfeit feiner Glieder von 
Preußen vermieb und die Fiktion von der Unterftellung aller 
unter die in ber Gefamtheit ruhenbe Souveränität des Bundes 
durhführte: thatfählih war doch der König von Preußen 
Kerr bis zum Main und ihm bereits der Weg geöffnet für 
die Erftredung feiner Autorität au über den Süden. Im 
Gegenfag zu jenem Wort Friedrich Wilhelms IV. folte nicht 
von einer Germanifierung Preußens, ſondern von einer 
Boruffifizierung Norddeutſchlands geſprochen werben, ber die 
bes Südens folgen mußte. Als Haupt des Norddeutſchen 
Bundes verfügte der preußifche König unumfchränkt über deſſen 
Heer, Flotte und Feftungen, vertrat durch die von ihm be= 
fellten Organe die Gejamtheit gegenüber dem Ausland und 
hatte vermöge der Berteilung der Stimmen im Bunbesrate 
auch im Innern die ausſchlaggebende Autorität, die alles von 
ihm nit Gewollte hindern, das von ihm Gewollte aber auch 
gegen anfänglihen Widerftand durchſetzen konnte. Das nord» 
deutſche Militärwefen wiederholte die bewährten preußifchen 
Einrihtungen. Die Kontingente der kleineren Staaten wurden 
duch Anfang 1867 geſchloſſene Militärkonventionen geradezu 
Beſtandteile des preußifchen Heeres, dem durch die in Hannover, 
Hefien-Naffau und Schleswig-Holftein errichteten Armeecorps 
eine mächtige Verſtärkung aus den tüchtigften deutſchen Stämmen 
zuwuchs. Aber auch auf anderen Gebieten ftaatlihen Lebens 
wurden nun bie bewährten preußifchen Einrichtungen zu deutſchen, 
wie namentlih im Poſt- und Telegraphenmweien. Preußiſche 
Zucht und Sachlichkeit trat an die Stelle des behaglichen Gehen- 
laflens, das der Verwaltung und dem Beamtentum mander 








II. Die Erwerbung des Raifertums. 435 


Nleinftaaten bisher eigen gemefen war. Ihrer Bevölkerung kam 
das anfangs wohl befremblich vor, bald aber erkannte fie bie 
Vorteile, welche der ihr erſt fo unſympathiſche preußifche Geift 
da mit fi brachte. Gefteigerten Einfluß au auf den Süden 
gab diefem die Einbeziehung des nördlichen Teils von Heflen- 
Darmſtadt in den Bund und die Einführung der preußifchen 
Militärverfaffung in dem ganzen Großherzogtum. 

Und e& war nit mehr das alte, in mander Hinficht 
engherzige, im Bewußtſein des von ihm Geleifteten oft ſelbſt⸗ 
genügfame und daher anderen zuweilen unbequeme Preußen- 
tum, wie es die Träger des fi) mühſam emporarbeitenben 
Militär- und Beamtenftaates verförpert hatten, das jegt Nord⸗ 
deutſchland organifierte und den Süden an fi zog, ſondern 
ein neues, beweglicheres und auch frember Eigenart zugäng- 
licheres, das den neuen großen Aufgaben gegenüber eine über- 
raſchende Anpafiungsfähigfeit entwidelte. So vermied es viele 
von den Fehlern, die 1815 den neuen Provinzen gegenüber 
gemacht worden waren und deren Verſchmelzung mit den alten 
erſchwert hatten. Bisher arm an wirklich ſtaatsmänniſch ver- 
anlagten Beamten ſah Preußen jetzt aus ber jüngeren Gene- 
ration eine überrafchend große Anzahl erſtehen. Die Ents 
taͤuſchungen der neuen era, die Erfahrungen der Konfliktszeit 
und bie großen Erfolge von 1866 hatten gerade auf bieje 
Kreife befreiend gewirkt und eine geiftige Verjüngung des 
Beamtentums eingeleitet, die zu deſſen alten Vorzügen eine 
Reihe glänzender neuer fügte. Auch auf die Armee hatte der 
Ernft des Krieges ähnlich gewirkt: au da wurde hinfort neben 
der Form ber Geift mehr betont und der Individualität des 
Einzelnen freiere Bethätigung gewährt. Infolgedeſſen fielen 
die Schranken, die bisher und namentli in der Konfliktszeit 
Armee und Volt getrennt hatten, und das durch die fo heiß 
umftrittene Reorganifation zum erften ber Welt erhobene Heer 
wurde troß der veränderten Stellung der Landwehr eine natio- 
nale Inftitution, die von allen mit gleicher Liebe und Be: 
geifterung gehegt wurde. 

Das alles geftaltete auch die parlamentariſche Entwidelung 
der nächſten Jahre im ganzen höchſt erfreulih. Die bewährte 





436 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


Tüchtigfeit der durch ſchwere Zeiten geftählten Schleswig⸗ 
Holfteiner, die geiftige Beweglichkeit der durch eine ähnliche 
Schule gegangenen Hannoveraner, die Weberzeugungstreue ber 
von ſchmachvollem Drud erlöften Heilen und bie thatenfrohe 
Friſche der temperamentvollen Nafjauer, froh der Befeitigung 
der Kleinftaaterei, verbanden fi) mit der ernfteren, minder 
anpafjungsfähigen und beweglichen altpreußiſchen Art, die ſich 
von ben Erinnerungen an ben Konflikt noch immer nicht ganz 
frei halten fonnte, zu erfolgreihem Zufammenwirken. Ihm 
entſprang eine große geſetzgeberiſche Thätigkeit, die auf mehr als 
einem Gebiet auch Preußen ala Teil des Norddeutſchen Bundes 
die endlihe Erfüllung alter liberaler Forderungen gewährte. 
Auch feine Entwidelung holte jegt lange Verfäumtes nad 
und fam mit der ganz Norddeutſchlands in fhnelleren Gang. 

Ein Menſchenalter war vergangen, feit ber preußiſche 
Zollverein, ohme bewußte Tendenz zu nationaler Einheit ber 
gründet, die wirtiaftlihe Einigung Deutſchlands angebahnt 
hatte. Zum deutſchen Zollverein erweitert, hatte er unter 
Preußens energifcher Leitung aud die Krifis glüclich über: 
ftanden, welche die Handeleverträge mit Frankreich und Defters 
reich veranlaßten (S. 407). Da der letztere nad) dem Frieden 
nur vorläufig galt, entſtand für Suddeutſchland die „Gefahr 
der wirtſchaftlichen Trennung vom Norden, die es um fo 
ſchwerer ſchädigen mußte, als fein Anſchluß an Defterreih nad 
Lage der Dinge unmöglih war. Es galt daher trog ber 
Mainlinie Deutſchland die wirtſchaftliche Einheit zu erhalten. 
Daher erklärte bereits am 4. Auguft 1866 eine Verfammlung 
zu Braunſchweig, an ber Vertreter des deutſchen Handels: und 
des Nationalvereins fowie der wirtſchaftlichen Vereinigung teils 
nahmen, auf Antrag Karl Brauns aus Wiesbaden, die wirt: 
T&haftliche Einigung mit den ſüddeutſchen Staaten müſſe aufrecht 
erhalten, ihre Leitung der oberften Behörde des Norddeutſchen 
Bundes übergeben und die Teilnahme an der Bollgejeßgebung 
einem Zollparlament eingeräumt werben, zu dem fi durch 
allgemeine direkte Wahlen ernannte Vertreter der ſuddeutſchen 
Staaten mit dem Norddeutſchen Reichstag vereinigten, — ein 
Gedanke, den Bismarck bereits 1858 ausgefproden und zur Ver: 





II. Die Erwerbung bes Raifertums. 437 


wirklichung in dem damaligen Zolverein dringend empfohlen 
hatte. Auch wurde am 8. Juli 1867 in Berlin der betreffende 
Vertrag mit den ſüddeutſchen Staaten gefhloffen und am 
27, April 1868 das erfte Zollparlament eröffnet. Wieder ging 
die wirtſchaftliche Einigung der politifhen voran. Dazu aber 
wurde jegt die bundesftaatlihe Organifation Norddeutſchlands 
auf ganz Deutfchland übertragen. Wenn dabei der Braunſche 
Antrag diefe Ordnung zunähft nur bis 1870 hatte gelten 
lafien wollen, um die fübbeutfhen Staaten dann vor die 
Wahl zu ftellen, ob fie aus der Zolleinigung ausſcheiden ober 
auch politiſch fih endgültig mit dem Norbdeutichen Bunde 
einigen wollten, fo wurbe er durch die Ereignifje bald überholt. 

Obgleich die preußiſchen Siege die Empfindlichkeit bes 
franzöſiſchen Volles fehmerzten und die Kaiferlihe Regierung 
durch den üblen Ausgang des merxikaniſchen Abenteuers vollends 
gebrängt wurde, fie durch anderwärts gewonnene Erfolge zu 
beſchwichtigen, jo geftaltete fi) doch das Verhältnis Preußens 
und Frankreichs nach der Begleihung der Luxemburger Frage 
(S. 430) äußerlich günſtig. König Wilhelms Beſuch der 
Pariſer Weltausftellung 1867 ſchien jede Verwidelung aus- 
zufcließen. Sn der Stille aber verfolgte die franzöfifche 
Politik andere Ziele, darin namentlih von Wien aus beflärkt. 
Dort hatte der ehemalige ſächſiſche Minifter v. Beuft die 
leitende Stellung gewonnen. Er verfchmerzte es nicht, mit 
feinen mittelftaatlihen Entwürfen gejcheitert zu fein, und daß 
Bismard mit ihm als dem erbittertften Feind Preußens zu 
verhandeln abgelehnt hatte (S. 424), gab feinen Beftrebungen 
zur Wieberherfiellung der öſterreichiſchen Macht einen ftarfen 
perfönlihen Antrieb. Wenn er durch die Verfühnung von 
Defterreih und Ungarn auf dem Boden des Dualismus ber 
habsburgiſchen Monarchie neuen Halt gab, mochte ihr Schwer- 
punft dabei auch wirklich, wie einft Bismard geraten hatte 
(S. 397), nad Oſten verlegt werben, fo wollte er fie dadurch 
namentlich befähigen, die Niederlage von 1866 wett zu maden. 
Das erforderte aber auch die Trennung Staliens von Preußen. 
Der einleitende Schritt war ber Beſuch, den das franzöſiſche 
KRaiferpaar im Auguft 1867 Franz Zofeph in Salzburg machte, 


438 Sechſtes Buch, Die Jahre der Erfüllung. 


um ihm feine Teilnahme an dem dur Frankreichs Perfidie 
verſchuldeten tragiſchen Ende feines zum Kaiſer von Meriko 
gemachten Bruders Marimilian zu bezeigen. Bon irgend 
welhen der neuen Ordnung Deutſchlands feindlichen Plänen 
follte dabei natürlich nicht die Rede gewejen fein, eine Er- 
Märung, von der Bismard durch ein Rundſchreiben vom 
7. September mit Befriedigung At nahm, indem er gleich: 
zeitig den Anſchluß der fübdentihen Staaten an ben Nord» 
deutſchen Bund für eine ausfchließlich innere deutſche Angelegen- 
beit erklärte. Auch ſchien eine perfönlihe Begegnung Kaifer 
Franz Joſephs mit König Wilhelm am 22. Oftober in Dos 
bei Baden Oeſterreichs frieblihe Abfichten zu verbürgen. 

Aber die Kriegspartei in Paris ſowohl wie in Wien 
arbeitete weiter, gefördert durch den wachſenden Einfluß Beufts 
und die feigende Unruhe des franzöfifchen Volle. Schon im 
Juni 1869 ſchien fie am Ziele, als das jo gut wie fertige 
Bündnis Defterreihe, Frankreichs und Staliens doch nod 
ſcheiterte, weil Napoleon III. aus Scheu vor den Klerikalen fi 
weigerte, Rom den Stalienern zu überlaflen. Nach ben Er- 
Härungen aber, welhe damals zwiſchen ben beiden Raifern 
brieflih ausgetauſcht wurden, ſchien für die Zukunft ber 
geringfte Anlaß zu genügen, um auf Grund des gewonnenen 
Einverftändnifjes die Allianz alsbald ins Leben zu rufen. 
ebenfalls bewies es eine völlige Verkennung der Lage, wenn 
im Oftober 1869 Virchow im Abgeorbnetenhaufe den Antrag 
ftelte, zur Herabminderung der Militärlaft des Norddeutſchen 
Bundes möge Preußen diplomatifh für eine allgemeine Ab⸗ 
rüftung eintreten. Er leiftete höchſtens den Gegnern Preußens 
Vorſchub, da er feine Wehrkraft zu mindern verhieß. Denn 
nur darauf war es abgefehen, wenn im Februar 1870 Franke 
reich vorſchlug, durch Entwaffnung beider Teile die Kriegs— 
gefahr abzuwenden. Die Zumutung wurde troß englifher Bes 
fürwortung von Bismard gebührend zurückgewieſen. War doc 
eben um jene Zeit Erzherzog Albrecht, der militärifhe Haupt» 
vertreter der Beuſtſchen Kriegspolitit, nad Paris geeilt, um 
die gemeinfhaftlihen Operationen gegen Preußen zu verein- 
baren, und im Juni überreichte infolgebeilen ber franzöſiſche 


II. Die Ermerbung des Raifertums. 439 


General Lebrun in Wien bereits den Plan dazu. Frankreich 
ſollte die Aktion zwar beginnen, aber Zeit zu gewinnen ſuchen, 
um Defterreih und Italien die Vollendung ihrer Rüftungen zu 
ermöglien. Daraufhin fheint der Angriff für Ende Juli be— 
ſchloſſen geweſen zu fein. Doch durchkreuzten bie Ereignifle 
biefes Vorhaben, indem fie der franzöfiichen Regierung zwar 
einen erwunſchten Vorwand zum Kriege boten, fie zugleich 
aber durch die zu früh entfeflelte öffentliche Meinung zu einer 
Uebereilung brängten, bie fie offenbar ins Unrecht fegte und 
fo Preußen eben der moralifchen Vorteile verfiherte, die man 
ihm hatte entziehen wollen, um Deutſchlands einmütigen An- 
ſchluß zu hindern. 

Den Anlaß dazu gaben befanntlih die Vorgänge in 
Spanien, wo nad der Verjagung ber Königin Iſabella 1868 
die Cortes bie Berufung eines fremden Fürften auf den Thron 
erwogen. Unter den Kandidaten dafür befand ſich glei) an- 
fange Erbprinz Leopold von Hohenzollern, ber Sohn des 
Fürften Anton, der auch geneigt war, dem Rufe zu folgen. 
Wie er dazu gekommen, ift Fontrovers. Daß, wie neuerdings 
behauptet if, Bismard dabei die Hand im Spiel gehabt habe 
in der Abfiht, Frankreich herauszuforbern und zu vorzeitigem 
Losfhlagen zu veranlaſſen, ift jedenfalls nicht bewiefen worden. 
Auch würde ein fo verwegenes Spiel gerade mit feiner vor- 
fihtig abwägenden Gemifienhaftigkeit, welche, jo entſchieden er 
biefen Krieg für unvermeidlich hielt, Doch das ungeheure Wagnis 
besfelben voll erkannte, nicht im Einklang ftehen, zumal er 
des fpanifchen Volkes doch nicht gewiß war. Hätte er nur 
den Krieg provozieren wollen, er hätte bazu einfachere und 
fiherer wirkende Mittel gehabt. Aber eben weil bie Ausein- 
anberfegung mit Frankreich bereinft erfolgen mußte, konnte er 
der fpanifhen Königswahl auch nicht teilnahmlos gegenüber 
fiehen. Hat er die Kandidatur des Hohenzollern auch nicht 
veranlaft, jo durfte er doch die Möglichkeiten nicht außer acht 
laſſen, die fie Preußen erſchloß, und that nur feine Pflicht, 
wenn er fie benugte. Er will dabei nur hanbelspolitifche Ziele 
im Auge gehabt haben: näher aber lagen bod bie Vorteile, 
die beim Ausbruch eines Krieges mit Frankreich Preußen er- 


440 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfülung. 


wachſen mußten, wenn in Spanien ein Hohenzoller regierte, 
mochte diefer auch neutral bleiben. So konnte die hohen- 
zollernſche Kandidatur ihm nur willkommen fein. Aber was 
fi durch fie Frankreich gegenüber gewinnen ließ, mußte die 
Zukunft Iehren: jedenfalls durfte ein preußifher und deutſcher 
Staatsmann eine fo günflige Fügung nit unbenugt laſſen, 
mochte fie herbeizuführen weder in feinem Willen, nod in 
feinem Vermögen gelegen haben. 

Zunãchſt, wie es ſchien, raſch wieder aufgegeben, wurbe 
die Erhebung Leopold von Hohenzollern auf ben fpanifchen 
Thron eben um bie Zeit wieber ernſtlich ins Auge gefaßt, 
als im Frühjahr 1870 die Kriegspartei ſowohl in Paris wie 
in Wien gefiegt und man, wie es foheint, hier wie dort für 
den Sommer loszufchlagen beflofien hatte. Während Bismard 
mit der Ruhe bes Schachfpielers die weiteren Züge der Gegner 
abmartete, gemillt, nicht zu provozieren, aber Preußen auch 
feinen Gewinn entgehen zu laſſen, jah ber König in ber 
Kandidatur „einen Blitzſtrahl aus heiterem Himmel“. Denn 
fie enthielt für ihm die Gefahr eines fehweren, feinem Aus: 
gang nad) zweifelhaften Krieges, den abzuwenden er jedes mit 
feiner und Preußens Ehre vereinbare Mittel für zuläffig hielt. 
Mit einer ſolchen Auffaflung der Lage trat er in einen ge= 
wiffen Gegenfag zu feinem Minifter, und bie Gefahr war 
nit ausgeſchloſſen, daß ihre Wege fih darüber trennten. 
Selten bat fi fo wie in den folgenden kritiſchen Tagen das 
perfönlide Moment ale ausjchlaggebend in der Geſchichte be= 
thätigt. 

Als aber der Prinz die Kandidatur, für die ihn den 
Spaniern fein Katholizismus und die Verſchwägerung mit dem 
Könige von Portugal empfahlen, trog feines Abratens an» 
nahm, ließ König Wilhelm feinen Widerſpruch fallen, und 
am 4. Juli beſchloß das fpanifche Minifterium unter General 
Prim, der Zuftimmung der Cortes gewiß, dem Hohenzollern 
die Krone anzubieten. Da erhob die franzöfifche Regierung 
Widerſpruch, indem fie den üblen Eindrud diefer Wahl be- 
tonte, ber bie preußifhe Regierung völlig fremb zu fein er= 
Härte, that aber nichts, fie zu hindern, während die Preſſe 





U. Die Erwerbung bes Kaifertums. 441 


gegen die vermeintliche Bebrohung Frankreichs eiferte. Die 
dadurch gefteigerte Erregung der öffentlichen Meinung machte 
folgen Eindrud auf den Kaifer der Franzoſen, daß er, als 
eine Interpellation die Sache am 5. Juli im Geſetzgebenden 
Körper zur Sprache brachte, gegen den Rat feiner Minifter 
erflären ließ, bei aller Achtung vor den Rechten der befreundeten 
ſpaniſchen Nation könne Frankreich doch nicht ruhig zufehen, 
wie eine fremde Macht die beftehenden Machtverhältnifie einfeitig 
zu ihrem Vorteil ändere, indem fie einen ihrer Prinzen auf 
den Thron Karls V. erhebe, es erwarte, daß es dazu nicht 
kommen werde, fei jedoch anderenfalls entſchloſſen, feine Pflicht 
zu thun. Alſo bedeutete, wie König Wilhelm gefürchtet, die 
Wahl des Prinzen wirklich den Krieg. Paris begrüßte dieje 
Kundgebung mit wildem Jubel. Man war überzeugt, die 
Kandidatur fei einer Intrigue Bismards zuzufcreiben, und 
alles Ableugnen der ſpaniſchen Regierung änderte daran nichts. 
Doh erklärte der Minifter des Auswärtigen, Herzog von 
Grammont, noch am 8. Juli dem englifhen Botſchafter Lord 
Loftus, um ben Frieden zu fihern, genüge der Verzicht des 
Prinzen. Auch ſtellte König Wilhelm am 9. Juli in einer 
Unterredbung mit dem Botſchafter Benebetti der franzöſiſchen 
Regierung anheim, ihren Einfluß in Madrid in biefem Sinne 
geltend zu maden, und verſprach den Prinzen und feinen 
Vater an dem Widerruf ihrer früheren Bufage nicht zu hindern. 
Daher ſchien, als am 12. Juli der Fürft von Hohenzollern 
wegen ber Vermidelungen, bie fie herbeigeführt, im Namen 
feines Sohnes auf die Kandidatur verzichtete, die Gefahr des 
Krieges abgewandt. An demjelben Tage gab jedoch das Parijer 
Kabinett der Sache eine Wendung, die barauf angelegt war, 
zur Befriedigung ber Eitelteit des franzöſiſchen Volkes den 
Schein einer Demütigung Preußens, ja König Wilhelms felbft 
bervorzubringen. Zu völliger Begleihung des Zwiſchenfalls 
verlangte es von dem preußiſchen Gefandten v. Werther, der 
König, der zur Kur in Ems weilte, ſolle dem Kaifer brieflich 
erflären, er habe die Annahme der Thronkandidatur nur ge 
fattet, weil er ihre ungünftige Aufnahme in Frankreich nicht 
vorhergeſehen habe, fimme daher dem Verzicht bei und hoffe 


442 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


dadurch jede Trübung des Verhältnifies zu Frankreich abgewandt 
zu fehen. Was diefe auf den erflen Blick unverfänglid 
ſcheinende Forderung bezwedte, wurde Mar, ala infolge einer 
durch ein Faiferliches Schreiben veranlapten Weifung Grammonts 
an bemjelben 12. Juli Benebetti von dem König forberte, er 
folle nit nur den Verzicht gutheißen, fondern aud eine 
Wiederaufnahme der Kandidatur nicht zuzulafien verſprechen. 
In einer Unterredung auf der Brunnenpromenade am Morgen 
bes 13. Juli lehnte der König, zumal inzwiſchen bie Nachricht 
von dem Verzicht des Prinzen beftätigt war, eine folde Er⸗ 
Märung ab, die ihn ohne Rüdficht auf eine mögliche Aenderung 
der Lage für alle Zeit gebunden hätte: unberechenbaren Even- 
tualitäten gegenüber müfle er fi bie Freiheit des Entſchluſſes 
wahren, fo jehr er wünfche, dieſe Angelegenheit, die ihm ſchon 
fo ſchwere Sorgen gemacht, endgültig beglichen zu jehen. Der 
inzwiſchen eingelaufene Bericht Werthers und die amtliche 
Meldung von dem Verzicht des Prinzen beftärkten ihn in biejer 
Auffaffung. Er ließ Venedetti wifen, die Sache fei für ihn 
num abgethan. Als aber Benebetti auf ausbrüdliche Weifung 
aus Paris nohmals eine Audienz nachſuchte um namentlich 
über die Zufage für die Zukunft eine Erklärung oder die 
Wiederholung der bereit? gegebenen zu erhalten, ließ er ihn 
auf feine legte Erflärung verweifen. Auf das trogdem erneute 
Anbringen des Botjchafters Iehnte er endlich weitere Erörte- 
rungen über eine Zufage für die Zukunft für feine Perfon 
ab, empfing jedoch Benebetti, der ſich dabei beruhigte, noch 
am Morgen des 14. Juli auf dem Bahnhofe vor der Abreife 
nad Koblenz und Berlin, die ſchon früher für diefen Tag feit- 
gefegt war, und wiederholte dabei, daß er ihm nichts weiter 
zu fagen babe, verwies ihn jedoch wegen etwaiger weiterer 
Verhandlungen an fein Minifterium. 

Nah diefen Vorgängen in Ems lagen die Tinge demnach 
am Morgen des 14. Juli fo: perjönlich hatte König Wilhelm 
die ihm zugemutete ihn in der fpanifchen Frage für alle Zeit 
bindende Erklärung zwar abgelehnt, zugleich aber durch den 
Hinweis auf weitere Verhandlungen eine Verfländigung auf 
Grund ber legten franzöfifchen Forderung wenigftens als mög» 


I. Die Ermerbung des Kaiſertums. 443 


lich zugelafien. Das fonnte in Paris als ein Erfolg gebeutet 
werden, ber fi zur Befriedigung der Eitelkeit des gereizten 
franzöfiihen Volkes aufbaufchen ließ. Seine Friedensliebe hatte 
den edlen Fürften zu einem Schritt beftimmt, der eine De» 
mütigung Preußens befürchten ließ, da er Napoleon zu bes 
baupten berechtigte, erft auf dem geforberten unbeſchränkten 
Verzicht auf die Hohenzollernkandidatur habe er die Waffen 
ruhen laſſen. Diefer Ausgang, den herbeizuführen des arglofen 
Königs Ehrgefühl abfolut fern lag, hätte Preußens Anfehen 
unbeilvol gejhädigt und die volle Einigung Deutſchlands in 
weite Ferne gerüdt. Endgültig abgewandt aber wäre ber 
Krieg mit Frankreich auch fo nicht, jondern hätte nur jpäter 
und vielleiht unter minder günftigen Umftänden geführt werden 
müffen und ohne daß Preußen die moralifhen Momente fördernd 
zur Seite ftanden, die in dem beutfchen Wolfe zu vollfter 
Wirkſamkeit zu entfeffeln, Frankreichs Anmaßung jegt erwünfchte 
Gelegenheit bot. 

Diefe Erwägungen beftimmten Bismard bei der Art, wie 
er die Emfer Vorgänge in die Deffentlifeit brachte: er wollte 
das deutſche Nationalgefühl entfejleln, um Frankreich entweder 
zum Einlenfen oder zur Aufnahme bes Kampfes mit dem durch 
die Herausforderung vollends geeinigten Deutjchland zu nötigen. 
Entſchloſſen, eher zurüdzutreten, als einen als Zurüdweichen 
Preußens beutbaren Schritt zu thun, gab er daher ber Depeſche, 
in ber ihm der Geheime Legationsrat Abeken das in Ems 
Geſchehene berichtete, zum Zwed ber ihm vom König frei— 
geftellten Veröffentlihung auf Grund einer mit Roon und 
Moltke gepflogenen Beiprehung der Lage durch Kürzung, aber 
ohne fonftige Aenderung, eine Faflung, die das Verlegende 
in dem Verfahren Frankreichs ſcharf hervortreten ließ und jede 
Nachgiebigkeit ausſchloß, alfo auch Verhandlungen, auf bie der 
König Benebetti zulegt verwieſen hatte. Sehr mit Unrecht 
bat man ihn deshalb beſchuldigt, er habe eine Art von Fälſchung 
begangen, um ben Krieg, ben er wollte, des Königs Verföhn- 
lichkeit aber in Frage flellte, zu erzwingen. Vielmehr hat er 
fih darin nur als den berufenen Sprecher ber deutſchen Nation 
bewährt und, was deren Millionen vol Unmut und Sorge 


444 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


empfanden, in befreienden Worten zum Ausdrud gebradit. 
Durch ihn wurde die Emfer Depeche, die in ihrer urfprüng- 
lichen Faflung an feines Töniglihen Herrn Entſchloſſenheit zu 
rüdfitslofer Wahrung des deutſchen Anfehens zweifeln laſſen 
tonnte, wie in jugendlicher Kampfluſt erglühend Molkte jagte, 
zur Fanſare, die alles begeiftert zum Kampfe fortriß. 

Demgemäß weigerte Bismard fi das ihm inzwiſchen 
durch v. Werther übermittelte franzöfiiche Verlangen nad) einer 
Preußen für die Zukunft bindenden Erklärung des Königs 
diefem überhaupt vorzulegen: ber franzöfifche Botſchafter möge 
das ſelbſt thun. Gab doch auch der engliſche Botfchafter, 
Lord Loftus, zu, das deutſche Nationalgefühl ſei durch Frank⸗ 
reich verlegt, ber Friebe alfo nur zu erhalten durch Einlenfen 
von feiner Seite. Unter diefen Umftänden ließ die franzöſiſche 
Regierung nicht bloß den Vorſchlag eines europäiſchen Kongreſſes 
fallen, fondern machte au dem immer mehr erhigten Kriegs» 
eifer der fiegesgemifien Parifer ein verhängnisvolles Zugeftänd- 
nis, indem fie am Abend bes 14. die Einberufung der Referven 
verfügte. Trogdem fellte fie Preußen als ben herausforbernden 
Teil dar, es follte Frankreich beleidigt haben, da in ber den 
preußiſchen Geſandten mitgeteilten Bismardiden Redaktion 
ber Emfer Depefche berichtet ſei, der König habe fich geweigert, 
Benebetti nochmals zu empfangen und ihm durch den Adjutanten 
erflären laſſen, daß er ihm nichts weiter zu fagen habe — 
ein Sinn, der nur durch gefliffentliche Entftellung und Zer- 
teißung bes Zufammenhanges den ganz unverfänglien Worten 
angedichet werden konnte. Der Erfolg diefer Unwahrheit bei 
den Franzofen war volftändig: Die geforderten Mittel zum 
Kriege wurden einftimmig bewilligt, und bie Scharen, die 
jubelnd Paris durchzogen, fahen Preußen bereits am Boben 
und ihre fiegreihe Armee in Berlin. 

König Wilhelm dagegen mochte noch immer nit an die 
Wirklichkeit eines fo grunblofen, frevelhaft heraufbeſchworenen 
Krieges glauben. Die Unmöglichkeit einer Verfländigung ging 
ihm erft auf, als er nad kurzem Beſuch in Koblenz am 
Abend des 15. Juli, auf der ganzen Reife getragen von bem 
Jubel des von ber Größe des Augenblids erfüllten Volkes, 


U. Die Erwerbung des Kaiſertums. 445 


bei der Ankunft in Berlin von dem Kenntnis erhielt, was 
im Laufe des Tages in Paris geſchehen war. Noch in der 
Nacht wurde die Mobilmachung verfügt und der Reichstag auf 
den 19. Juli berufen. Ein Vermittelungsverfuh Englands 
ſcheiterte, da Frankreich feine Annahme verweigerte, von ber 
Bismard Preußens Eingehen darauf abhängig machte. Am 
20. Juli bewilligte der Norddeutſche Reichstag den geforderten 
Kredit von zwanzig Millionen Thalern und ftellte in einer 
von dem Hannoveraner Miquel entworfenen Adrefie in bes 
geifterten Worten Gut und Blut zum Kampf für Deutſchlands 
Ehre zur Verfügung. Eine ſchwere Enttäuſchung für Frankreich 
mar es, daß auch Suddeutſchland vorbehaltlos für den Krieg 
an der Seite des Norddeutſchen Bundes eintrat, nachdem ein 
Verſuch der bayriſchen Patriotenpartei ihre Regierung zunächft 
auf eine zweibeutige bewaffnete Neutralität feitzulegen, an 
dem Abfall einiger der Ihren gefcheitert war. Was es zu vers 
hindern gedacht, hatte Frankreich nur zu fehnellerer Vollendung 
getrieben: unter Preußens Führung fland ganz Deutſchland 
gewafinet, um .feinen rechtloſen Angriff abzumehren und dann 
mit ihm eine fpäte, aber gründliche Abrechnung zu halten. 
Wer der Friedensbrecher war, bewies fhon das eine, daß das 
einzige Schriftftüd, das die preußifhe Regierung in biefer 
Angelegenheit von ber franzöfiichen erhalten hatte, die Kriegs- 
erklärung war. 

Es folgten unvergleichlich herrliche Tage einmütigfter und 
freubigfter nationaler Erhebung. In dem Bewußtjein, einem 
ebenbürtigen Feinde zu begegnen, ergriff das deutſche Volk die 
Waffen ohne Ueberhebung und mit heiligem Ernſt, aber voller 
Zuverfiht auf fein gutes Recht und im Vertrauen auf die 
preußifche Führung. In Süddeutſchland gewann die Helden⸗ 
getalt des preußifhen Kronprinzen, der dort den Oberbefehl 
übernahm, im Fluge aller Herzen: jede Erinnerung an bie 
früheren Gegenfäge zwifchen Nord und Süb war geſchwunden. 
Die Tage ber Freiheitsfriege ſchienen herrlicher erneut. Am 
19. Juli fellte der König für diefen Krieg das eiferne Kreuz 
wieber ber, und um dem Bemühen ber Gegner, im Innern 
Zwietracht zu fäen, jede Ausfiht auf Erfolg zu nehmen, erließ 


446 Sechſtes Buch. Die Jahre der Erfüllung. 


er eine Amneftie, bie auch für die Offiziere der Welfenlegion 
(S.431) galt: wer von ihnen ſich jeber Feindſeligkeit zu enthalten 
verſprach, erhielt eine preußiſche Penſion. Solche Einmütigfeit 
machte auch auf das Ausland tiefen Eindruck. Ein wohl⸗ 
gemeinter, aber natürlich vergeblicher Vermittelungsverſuch 
Papſt Pius IX. feste das Recht Deutfchlands höchſtens noch in 
helleres Licht, obgleich Rußlands Borfchlag, die übrigen Groß- 
mädjte möchten protofollarifch Eonftatieren, die von Frankreich 
als Vorwand zum Krieg benugte Frage fei thatfächlich erledigt, 
an Englands Weigerung ſcheiterte, das Frankreich nicht Öffentlich 
als Friedenabrecher hinftellen wollte. Um fo größer aber war 
der Eindrud, ala Bismard durch die Times den ihm einft 
durch Benedetti eingereichten Vorſchlag auf Cinverleibung 
Belgiens in Frankreih (S. 430) veröffentlichen ließ und jeden 
Ableugnungsverfuch vereitelte, indem er den Geſandten der 
Großmächte das Original in der ihnen allen bekannten Hand» 
ſchrift des Botfchafters vorlegte. Nun eilte England, Belgiens 
Neutralität noch durch befondere Verträge fowohl mit Frank: 
reich wie mit Preußen zu ſichern. Dagegen hoffte der unver- 
beſſerliche Beuft, feinen Haß gegen Preußen jetzt endlich be» 
friebigen zu können. Während er amtlich Defterreiche Neutralität 
proflamierte, troß der es freilich ih für jede Eventualität 
bereit halten müfle, ließ er in Paris verfiern, Defterreih 
betrachte gemäß ben briefliden Erklärungen, welhe die Raifer 
1869 gewechſelt (S. 438) Frankreichs Sache als bie feinige 
und werde ihren Sieg nad) Kräften förbern. Ohne die Schnellig- 
keit der deutſchen Siege würde ſolchen Worten zweifellos die 
That gefolgt fein. Auch Italien wurde durch dieſe an der 
geplanten Aktion für Frankreich) gehindert, Dänemark aber, 
das gern für 1864 Vergeltung geübt hätte, durch Rußland und 
England zurüdgehalten. Letzteres freilich unterftügte trotz 
feiner Neutralität Frankreich erft offen und auch weiterhin im 
geheimen durch Lieferung von Kriegsmaterial aller Art. 

Die gewaltige Epopde des deutſch-franzöſiſchen Krieges zu 
wiederholen ift bier nicht ber Ort: fie gehört weniger der 
preußifchen und deutſchen als der Weltgeſchichte an. Auch wäre 
es verfräht, eine zugleih zufammenfaflende und abſchließende 


U. Die Erwerbung des Kaiſertums. 447 


Darftellung ber Kämpfe zu verſuchen, melde bie Deutfchen 
von Weißenburg und Wörth zu den Riefenfämpfen von Meg 
und zu bem Gottesgeriht von Seban, vor Paris und dann 
weit in das Innere von Frankreich führten, da felbft von 
ben kriegeriſchen Ereigniſſen trog amtlicher Berichterftattung 
und reicher privater Mitteilungen mande noch Gegenftand 
lebhafter Kontroverfe find, von den an entſcheidender Stelle 
ausfchlaggebenden politiſchen Vorgängen aber unfere Kenntnis 
zum mindeften zu lüdenhaft if, um den Anteil und bie Bes 
weggründe ber namentlich mithandelnden Perfönlichkeiten genau 
feftzuftellen. Erſt eine fpätere Zeit wird ba Licht verbreiten 
und ben tiefern Zufammenhang ber jegt nur halb verſtändlichen 
Vorgänge vollends aufklären. Das eine aber fteht feit, daß 
ſchon im Beginn des Krieges die öffentliche Meinung fih mit 
elementarer Macht dahin äußerte, die Führerfhaft in dem 
geeinigten Deutſchland gebühre Preußen, und auch als Form 
dafür die Uebertragung des deutfchen Kaifertums auf den 
König von Preußen bezeichnete. 

Schon in den erften Augufttagen ertönte in Bayern aus 
dem Munde bes bisher zur Patriotenpartei gehörigen, jetzt 
begeiftert im national:deutfhen Sinne wirkenden Profeſſors 
Sepp die Parole, wer Deutihland Elſaß und Lothringen 
wiebergewinne, folle deutſcher Kaiſer fein, und fand in dem» 
felben Maße jubelnderen Widerhall, ala der überraſchende 
Siegeslauf der Heere die Erreichung jenes Ziels erhoffen lieh. 
Auch forderte ſchon Damals der Großherzog von Baben ben König 
von Bayern auf, im Namen der deutſchen Fürften ben ente 
ſprechenden Schritt zu thun, ohne daß er damit Erfolg gehabt 
hätte. Nachdem aber der Gang der Ereigniffe die endgültige Eini- 
gung Deutſchlands zur Thatſache gemacht hatte und auf Wunſch 
ber fübdeutichen Regierungen amtlich über deren Anſchluß an 
den Norbbeutfchen Bund, der auch jetzt die Sache an ſich heran—⸗ 
kommen ließ, unterhanbelt wurde, fand das Kaifertum auch 
in Bismard einen entfchiedenen Vertreter. Er jah darin den 
paſſendſten Ausdrud für den Zuwachs an Rang und Madit, 
der feinem Könige ala dem Präfidenten des deutſchen Bunbes- 
ſtaates zu teil wurde, ohne daß dadurch die Bundesfürften, 





448 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


obenan die Könige, eine Minderung ihres Anfehens und ihrer 
Stellung erfuhren. In den leitenden Kreifen Preußens felbft 
aber ftieß ſowohl diefe praftifh politiicde Erwägung, als auch 
der nationale Enthufiasmus der Suddeutſchen auf Wiberftand. 
Während Kronprinz Frievrih Wilhelm, in geſchichtlich un- 
begründeten, romantiſch gefärbten Vorftellungen befangen, die 
deutſche Einheit vielmehr in einem deutſchen Königtum ver- 
körpert ſehen wollte, dem ſelbſt die Könige ala Herzöge unter- 
ftehen und für das im Notfall au außerhalb Preußens wirk⸗ 
lie Herrſchaftsrechte erzwungen werben jollten — was doch 
die junge Einheit gleich wieder gefährdet hätte —, wollte 
König Wilhelm, deſſen preußifches Selbftgefühl die Erfolge 
gefteigert hatten, bie doch zumeift fein Staat und Volt ermög- 
licht hatten, von einem Titel nichts wiſſen, ber biefes Ber- 
bältnis zu verhüllen geeignet war und daher der Bebeutung 
Preußens nicht gerecht wurde: er ftellte ihn fpottend in Ver⸗ 
glei mit ber Verleihung des Charakters als Major. Diefe 
ablehnenbe Haltung zu erfhüttern, bedurfte es eines fombinierten 
Angriffs. Entſcheidend wurde befanntli das von Bismard 
nit bloß veranlaßte, fondern auch entworfene Schreiben 
König Ludwigs IL. von Bayern vom 30. November, worin 
diefer erklärte, ber Uebertragung der nun ganz Deutſchland 
umfaſſenden Präfidialrechte auf den König von Preußen unter 
der Vorausfegung zugefiimmt zu haben, daß biefelben durch 
Wiederherftellung eines deutſchen Reiches und ber deutſchen 
Kaiferwürde als Rechte bezeichnet würden, die ber König im 
Namen des gejamten deutſchen Vaterlandes auf Grund der 
Einigung feiner Fürften ausübe. 

Nun erft Fam die Sache unter dem Einverftändnis ber 
übrigen Fürften und des Norddeutſchen Reichstages, der am 
9. Dezember die den Titel betreffende Verfaſſungsänderung 
beſchloß und eine Adreſſe nad Verfailles überbringen lieh, 
wirklih in Gang. Doch waren noch mande Schwierigkeiten 
zu überwinden, fo daß die Verkündigung des erneuten Kaifers 
tums au am 1. Januar 1871, für den man fie gehofft hatte, 
nod nicht erfolgen fonnte. Und als das Widerftreben König 
Wilgelms felbft endlich überwunden war, wollte er wenigftens 


II. Die Erwerbung des Kaiſertums. 449 


nicht deutſcher Kaifer, fondern Kaifer von Deutſchland heißen, 
obgleich dieſe Fafjung bes Titels ſtaatsrechtlich unzuläffig war, 
weil fie ihm eine Hoheit auch über die anderen deutſchen Ges 
biete zuſprach, die er nicht hatte. Er vermerkte es ungnäbig, 
daß bei den Verhandlungen über bie durch den Eintritt der 
Süddeutſchen nötigen Aenderungen an der Verfaſſung bes 
Norddeutſchen Bundes bereits thatfählich gegen ihn entſchieden 
war, da die Verfaflung nur vom Deutſchen Reihe und vom 
König von Preußen als erblihem deutſchen Kaifer fprad. 
Sogar jeine enblihe Proflamation zum Kaifer am preußifchen 
Krönungstage war dadurd einen Moment in Frage geftellt, 
und ſchließlich umging man die Schwierigkeit, indem der Groß⸗ 
herzog von Baden das Hoch ſchlechtweg auf Kaifer Wilhelm 
ausbrachte. In feinem Unmut ließ der alte Herr das Bismard 
entgelten, indem er beim Herabſteigen von der Eftrade ihn, 
den Schöpfer des Reiches, der eben deſſen Errichtung ber 
Welt kundgethan hatte, ſcheinbar überfah und bes verdienten 
danfenden Händebruds nicht würdigte. Freilich dauerte es 
auch in diefem Fall nicht lange, bis er fich überzeugte, daß 
fein treuer Berater wiederum recht hatte und das alte herz 
liche Verhältnis zwiſchen ihnen bergeftellt war, und als er 
demfelben vierzehn Jahre jpäter A. v. Werners Bild der Kaiſer— 
proflamation zum 70. Geburtstage ſchenkte, unterzeichnete er 
die es begleitenden Worte freubigfter Anerkennung als befien 
„bis über das Grab hinaus dauernd dankbarer treuergebener 
Kaifer und König“. 

Kaum gibt es noch ein Ereignis, das auch dem trübften 
Bid das Walten einer vergeltenden Gerechtigkeit in der Ges 
ſchichte fo eindringlich zur Erkenntnis bringen fönnte, wie bie 
Kaiferproflamation im großen Spiegelfaal des Berfailler 
Schloſſes am 18. Januar 1871. An eben der Stelle, von der 
aus zur Zeit ihrer Zerriffenheit und Schwäche Deutſchland und 
Brandenburg Preußen am furhtbarften Hohn geboten worden 
war, angefihts der Räume, welche die Eitelkeit nachlebender 
Geſchlechter mit ber übertreibenden Verherrlichung aller Ruhmes⸗ 
taten Frankreichs geſchmückt hat, im Borblid auf die von 
den fiegreichen deutfchen Heeren eifern umklammert gehaltene 

Prug, Preublige Geſchichte. IV. 29 


450 Sechſtes Buch. Die Jahre der Erfüllung. 


Stadt, die fi) brüftete, das Herz der Welt zu fein, und als 
ſolches jelbft im preußifchen Königshauſe Beſchützerinnen fand, 
die fie im Bunde mit ausländiſchem Einfluß vor ben beutfchen 
Kugeln möglichſt lange zu bewahren gefucht, und auf den 
Trümmern der erlogenen Herrlichkeit des an ben eigenen 
Sünden rubmlos zu Grunde gegangenen zweiten Raiferreiches, 
deſſen Träger als Kriegsgefangener der Deutſchen, von Preußen 
bewacht in Wilhelmshöhe ſaß, vollzog fi} in prunklos militärie 
ſchen Formen der Akt, der einerfeits die Entwidelung Preußens 
in feinem Verhältnis zu Deutſchland glorreich abſchloß, anderer- 
feit8 durch die Konftituierung eines Deutſchen Reiches eine 
neue Aera einleitete für die Entwidelung Europas. Diefe 
Bedeutung wurde dadurch nicht gemindert, daß das Werk ber 
Einigung aud damals formell noch nit ganz abgeſchloſſen 
war. Denn obgleich die Verträge, durch die Baden und Heflen 
dem Norbbeutfchen Bund beitraten, bereits am 15. November, 
die für Bayern und Württemberg am 23. und 25. November 
unterzeichnet waren, erfolgte im Gegenſatz zu den übrigen 
ſuddeutſchen Staaten die verfaflungsmäßige Zuftimmung ber 
bayrifhen Kammer erfi am 21. Januar. 


II. Im neuen Reich. 1871—1883. 


Nodh folgten dem denkwürdigen 18. Januar ſorgenvolle 
Zeiten voll ſchwerer Kämpfe, in benen bie von dem genialen 
Gambetta zu flaunenswerter Leiftungsfähigfeit organifierte 
nationale Verteidigung, die immer neue Heere aufbrachte, muh— 
fam und nicht ohne kritiſche Zwiſchenfälle niebergerungen werben 
mußte. Erſt als Frankreichs legte Armee unter Bourbaki durch 
Manteuffel gefhlagen und auf Schweizer Gebiet überzutreten 
genötigt war, erfolgte am 26. Februar in Verfailles der pro- 
viſoriſche Friedensfhluß, dem am 10. Mai in Frankfurt a. M. 
ber definitive folgte. Er brachte Elfaß mit Straßburg, aber 
ohne Belfort, und Lothringen mit Met an Deutfchland zurüd, 
Frankreich zahlte eine Kriegsentfhäbigung von fünf Milliarden. 

Der alsbald begonnene Ausbau des neuen Reiches übte 
auf die inneren Verhältnifie Preußens noch tiefergehenden Ein- 
fluß als die Ereigniffe von 1866. Die Verbindung mit Süd- 
deutſchland erjchloß ihm eine Füle neuer Anregungen, die 
das alte bewährte preußiſche Weſen gleichjam verjüngten und 
zu anbersgearteter wirkſamerer Bethätigung erwedten. Die 
einfeitige altpreußiſche Art, die zugleich fireng Fonfervativ, 
trotz bes Zwiſchenſpiels der neuen Aera, Preußens innere Ente 
widelung bis 1866 beherrſcht hatte, reichte ben jetzt geftellten 
Aufgaben gegenüber nicht mehr aus und konnte fi) nur dann 
in ihrem Einfluß behaupten, wenn fie die nationalen und 
liberalen Ideen fih zu eigen machte, auf denen die Reichs⸗ 
verfaſſung beruhte. Beftand das weitere Aufgehen Preußens 
in Deutſchland auch jegt im wejentlihen in ber Ausdehnung 
der bewährten preußiſchen Einrichtungen auf die Gebiete des 
gemeinfamen Lebens ber im Reihe geeinigten beutfchen Etaaten, 
fo ging doch auch wieder mandes von deren Eigenart auf 


452 Sechſes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


Preußen über. Der fortireitende Prozeß ber Boruffifizierung 
des übrigen Deutſchland fand auch weiterhin fein wohlthätiges 
Gegenftüd in dem, was man als Germanifierung Preußens 
bezeichnen Fönnte. Darin fahen freilich die ſtrengen Vertreter 
des alten Preußentums feinen Gewinn, fonbern eine beflagens» 
werte Minderung bes Anfehens und des Einfluffes des führen: 
den Staates. War · ein ſolches Gefühl ſchon König Wilhelm 
ſelbſt nicht ganz fremd geblieben und einer der Gründe feines 
Widerfirebens gegen das Kaifertum geweſen, fo regte es fih 
doch befonders ſtark und wurde die mächtigſte Triebfeder ihres 
politiſchen Handelns bei den Konfervativen alten Schlages, 
die Bismard wie einen Abtrünnigen und bie von ihm ges 
ſchaffene neue Orbnung wie ein Stüd Revolution betradhteten. 
Ihre daraus entipringende Feindſchaft gegen den Schöpfer der 
deutſchen Einheit wurde um fo entfcheidenber für die innere 
Entwidelung Preußens, als es für ben Reichsfanzler und 
preußiſchen Minifterpräfidenten nunmehr galt, die im Reich 
maßgebenden Prinzipien auch in Preußen durchzuführen und 
den noch immer ausgeprägt bureaukratifhen Verwaltungss 
organismus bes alten Beamtenftaates, für den er nie gef hmärmt 
hatte, entſprechend umzugeftalten und auf die Selbftverwaltung 
zu gründen. Den Mangel daran, namentli in ben unteren 
Schichten, Hatte auch Roon fon Tängft beflagt und durch 
Nachweis der daraus entftehenden Nachteile ihre Einführung 
gewunſcht. Damit erft wurde an die Anläufe wieber ange- 
Inüpft, welche die Reformen ber Stein-Hardenbergſchen Zeit 
in der Richtung auf dieſes Ziel genommen hatten. Während 
die konſequente Weiterverfolgung des damals eingefählagenen, 
dann aber verlafjenen Weges Preußen befähigt haben würde, 
auf das übrige Deutſchland eine allmählich erftarfende An- 
ziehungskraft auszuüben, hatten die Dinge thatſächlich vielmehr 
den Gang genommen, daß Preußen, erft nachdem es zum 
Mittelpunkt und Haupt Deutichlands geworden, fi im Innern 
in einer Weife liberal umgeftaltete, die ihm die Behauptung 
der durch andere Mittel gewonnenen Stellung auch von diefer 
Seite her moralif ermöglichte. 

Für Bismarck ergab fi) das als notwendige Konfequenz 


II. Im neuen Reid. 453 


des Geſchehenen. Die Konfervativen alten Schlages beffagten 
es als weitere Ronzeffion an ben Liberalismus, zu deſſen Vor- 
teil das allgemeine Wahlrecht die gebietende Stellung des 
Adels der ländlichen Bevölkerung gegenüber ohnehin ſchon 
{wer erfüttert hatte. Sie vermochten da nicht ſich auf bie 
Höhe ber freiheitlihen Gedanken zu erheben, welde die Ein- 
beit des Reiches allein ermöglicht hatten. Indem fie die von 
deren Schöpfer willig anerkannten Konfequenzen befämpften, 
brängten fie die Entwidelung Preußens in einen Gegenſatz zu 
der bes Reiches und gefährdeten dadurch bie eine wie bie 
andere. Diefer Kampf gab den nächſten Jahren ihre Signatur, 
nötigte ben leitenden Staatsmann mehr aus taktiſchen Gründen 
als aus politiſcher Ueberzeugung zu engerem Anflug an die 
liberalen Parteien und gewährte dieſen einen in Preußen bis- 
ber unbefannten Einfluß auf die Gefeßgebung. 

Im gentrum ftand die Neugeftaltung ber Verwaltung 
durch die Kreisorbnung bes Grafen Frig Eulenburg, ber fogar 
von den höheren Verwaltungsbeamten manche offen entgegens 
wirkten. Nach heftigen Kämpfen im Abgeorbnetenhaufe am 
23. März 1872 angenommen, wurde fie vom Herrenhaus Ende 
Oktober abgelehnt. Je Iebhafter der König diefem das „Loyale, 
fefte und fonfequente Verhalten” dankte, das es in der Konflifts- 
zeit beobachtet hatte, um fo tiefer empfand er jegt eine ſolche 
Oppofition: durch fein hämiſches Gebaren gegen bie Krone 
hatte das Herrenhaus ſich in feinen Augen „gerichtet“. Zudem 
drohte trog einiger entgegenfommenben Aenberungen dem Ent: 
wurfe aud bei der Wiebereinbringung das gleihe Schidfal. 
Wußte fi die Oppofition doch in manden Punkten mit den 
Miniftern Roon und Selchow eins, fo daß fie mit der Möglich- 
feit eines Zwieſpalts im Minifterium reinen konnte. In voller 
Erkenntnis der folgenreihen Entſcheidung, bie es zu treffen 
galt, da fie den Staat auf lange Zeit erfhüttern ober be 
feftigen mußte, entſchloß fi der König unter Vermeidung ber 
fonft nicht zu umgehenden Umgeftaltung der ganzen Inſtitution 
auf Andrängen Bismards und Eulenburgs dazu, das Verhältnis 
der Parteien im Herrenhaus zu gunften der Regierung durch 
einen Pairsſchub zu ändern, Am 30. November berief er 72 neue 


454 Sehfted Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


Mitglieber in das Herrenhaus, — eine Mafregel, bie von den 
Konfervativen wie ein Staatsftrei beklagt wurde. Nun er: 
folgte am 7. Dezember die Annahme der Kreisorbnung. Sie 
legte den Grund zur Gelbftverwaltung. Denn es traten 
in den Kreifen, deren jeder ebenfo wie jede Stadt von 25 000 
und mehr Einwohnern hinfort einen Kommunalverband bildete, 
dem bisher eigentlih unumſchränkten Landrat ein Kreistag 
und ein von biefem gewählter Kreisausfhuß an bie Seite: 
das Repräfentativfyftem fand aljo bereits im Hleinften Berwal- 
tungslörper Anwendung. Den größten Fortſchritt aber bes 
zeichnete die Einführung von Verwaltungsgerihten für Ver— 
waltungsftreitfachen, die bisher bie Regierung, obgleich doch 
meiftens ſelbſt Partei, entſchieden hatte. Auf diefem Fundament 
wurbe weiter gebaut: ben Abſchluß bezeichnet das Geſetz vom 
29. Juni 1875 über die Provinzialordnung. Auch da griff 
vermöge des Repräfentativfgftems die Selbftverwaltung Plag. 
Die von den Kreistagen gewählten Vertreter der Landkreiſe 
bilden gemeinfam mit ben von den Magiftraten und Stabts 
verorbneten ber Städte ber Provinz gewählten Abgeorbneten 
den Provinziallandtag, der wenigftens jedes zweite Jahr zu- 
fammentritt. Er wählt den Provinzialausſchuß und ben Landes- 
bauptmann, die gemeinfam die Geidäfte der provinziellen 
Selbftverwaltung beforgen. Durch ein Gefeg vom 8. Juli 1875 
wurden bie Provinzen, wie es Bismard bereits 1868 troß 
des Widerſtands der Konfervativen für Hannover durchgeſetzt 
hatte (S. 429), aus Staatsmitteln mit den nötigen Fonds 
ausgeftattet, über deren Verwendung nad) den Vorlagen bes 
Landeshauptmannes und des Ausfchufles der Provinziallandtag 
zu befinden hat. In gleicher Weife wurbe das in ben Kreifen 
bewährte Syftem ber Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das 
Gefeg vom 3. Juli aud auf die Provinzen ausgedehnt und 
für die ganze Monarchie einheitlich abgeſchloſſen durch die 
Erritung eines Oberverwaltungsgerichts in Berlin als ber 
höchſten Inftanz für alle derartigen Streitſachen. 

Auch fonft hatten die Konfervativen damals böfe Tage. 
Einmal fpaltete fi die Partei, indem die der nationalen 
Politik Bismards und ihren Konfequenzen Zuftimmenden eine 


II. Im neuen Reid. 455 


befondere Gruppe bildeten. Dann wurde ihr Anfehen ſchwer 
geſchädigt durch die bedenkliche Rolle, die einige ihrer Mit- 
glieder bei den ſchwindelhaften Gründungen fpielten, welde 
die durch das Zuftrömen der franzöfiihen Milliarden entfeſſelte 
Ueberfpefulation ins Leben rief, namentlih im Gebiet des 
Eijenbahnbaus, wo bie erften Erwerber der von der Regierung 
auf übertreibende Proſpekte Hin erteilten Konzeffionen Millionen 
einftrihen, die eigentlichen Aftionäre aber infolge der Uns 
rentabilität oder der Unausführbarkeit der geplanten Bahnen 
Hab und Gut verloren. Nun bradte das Jahr 1873 eine 
{were finanzielle Krifis, welder der leihterworbene Reichtum 
gewiffenlofer Gründer zugleih mit den mühjam gefammelten 
Sparpfennigen bes Heinen Mannes zum Opfer fill. Am 
14. Januar 1873 enthülte der Abgeorbnete Lasker bei ber 
Beratung einer Eifenbahnanleihe dieſes Treiben, dem ber 
Minifter Itzenplitz durch forglofe Bequemlichkeit in der Ge 
ſchãftsfuhrung unwiſſentlich Vorſchub geleiftet Hatte. Die Wider: 
legungsverſuche des Minifteriums, dem feit Beginn des Jahres, 
um Bismard zu entlaften, Roon präfidierte, mißlangen gegen- 
über dem von Lasker beigebraditen wuchtigen Beweismaterial. 
Daß der damalige erfte Rat im Auswärtigen Amt, ber einftige 
Redakteur ber Kreuzzeitung Wagener, in Gemeinſchaft mit 
dem Fürften von Puttbus und dem Prinzen Biron von Kur: 
land als befonders eifriger Teilnehmer an derartigen Unter» 
nehmungen erwiefen wurde, madte, wenn aud eigentlich 
Strafbares ‚nicht vorlag, den übelften Eindrud, den ſelbſt 
Roons energifches Einſchreiten nicht völlig verwiſchen konnte. 
Kam die auf Antrag der Regierung eingeſetzte Unterfuhungs« 
tommiffion aud nicht zu einem formellen Abſchluß ihrer Arbeit, 
fo wirkte ber ganze Vorgang doch wie ein reinigendes Ge: 
witter und bewahrte das hohe Beamtentum vor weiterem 
ſelbſtverſchuldetem Schaden. Diefe Vorgänge Ioderten vollends 
die Verbindung zwiſchen Regierung und Konfervativen, die 
auch die Wahlen im November 1873 etliche Sige Fofteten. 
Bejonders aber galt ihre Feindſchaft dem Finanzminiſter 
Camphaufen, der im Herbft 1869 v. d. Heybt erſetzt hatte, 
als diefer ber in einem wachſenden Defizit zu Tage tretenden 


456 Sechſtes Buch. Die Jahre der Erfüllung. 


finanzielen Schwierigkeiten nicht mehr Herr werben konnte, 
da bie von ihm durchgemachte lange Reihe von Bandlungen 
feine perſonliche Autorität ſowohl der Volfsvertretung wie ber 
Finanzwelt gegenüber geſchädigt hatte. Die liberale Bergangen- 
heit Gamphaufens, bes jüngeren Brubers bes Märzminifters 
(S. 256), flößte dem König anfangs Bebenken ein: fie vers 
gefien zu machen, reichten bei den Konfervativen auch feine 
glänzenden Erfolge als Fachminiſter nicht aus, obgleich ihm 
der König angefichts derfelben in unzweideutiger Weife feinen 
Dank und fein Vertrauen bezeigte. Zum entſchiedenen Bruch 
mit der Regierung brachte es endlich der erbitterte Widerftand, 
den die Ronfervativen in dem inzwiſchen entbrannten Rulture 
kampf den kirchenpolitiſchen Geſetzen leifteten. Das alles be 
wirkte einen Stillftand in ber geſetzgeberiſchen Arbeit, da 
wichtige Vorlagen, wie namentlih die neue Stäbteorbnung, 
an ber Oppofition des Kerrenhaufes ſcheiterten. Auch die ein- 
geleitete Steuerreform konnte deshalb nur in einzelnen Punkten 
durchgeführt werben. 

Die glänzendfte Seite der preußifchen Politik blieb auch 
im neuen Reiche die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten 
Deutſchlands. Von einem Auseinandergehen der Intereſſen 
Preußens und einzelner Teile Deutſchlands, namentlih des 
Südens dem Ausland gegenüber, wie es noch 1870 Hatte be 
bauptet werben fönnen, ift nirgends mehr die Rebe geweſen, 
und vielleicht ſchneller und feiter als auf irgend einem anderen 
Gebiete des gemeinfamen Lebens war das PVertrauen zu 
Preußen gerabe bier begründet. Auch hat ſich das in ber 
Eigenart ihrer Perfönlichkeiten wurzelnde unvergleihlih har 
moniſche Zufammenwirken König Wilhelms und Bismards 
nirgends fo jegensreih bethätigt wie gerade hier. Die meifter: 
bafte Diplomatie bes Ranzlers, der durch feine weile Mäßigung 
im Siege ſelbſt den ehemaligen Gegnern Vertrauen abnötigte 
und bie Ueberzeugung bes Auslandes von ber ehrlichen Fried⸗ 
fertigkeit und ſelbſtloſen Reblichkeit der deutſchen Politik zum 
Fundamente der europäifhen Stellung Preußens und Deutfch 
lands gemacht hatte, fand eine moralifhe Unterftügung, wie 
fie nie ſonſt einem Staatsmann geworben, in ber ehrwürbigen, 


TI. Im neuen Reid. 457 


aptunggebietenden und herzgewinnenden Perfönlichfeit König 
Wilpelms, defien von hellſtem Kriegsruhm umitrahlte und 
dabei fo durchaus ſchlichte und beſcheidene Erſcheinung auch 
dem Auslande imponierte. Das bezeugten die Beſuche fremder 
Monarchen in Berlin als dem Mittelpunkt der europäiſchen 
Politik und die enthufiaftiihe Aufnahme, die der greife König 
bei feinen Gegenbefuchen im Auslande fand. Trogdem fehlte 
& nit an fritiihen Momenten. Namentlich betrafen diefe 
das bisher jo gute Verhältnis zu Rußland. Freimütig hatte 
König Wilhelm befannt, der Sieg über Frankreich würde nicht 
möglich geweſen fein ohne Rußlands wohlmollende Neutralität, 
und dem Dank für diefe gegen feinen Neffen Alerander II. in 
warmen Worten Ausdrud gegeben. Im Gegenjag aber zu der 
innigen Freundſchaft der beiden verwandten Herrſcher fehlte es 
doch in Petersburg nit an Feinden Preußens, die dem 
Verben bes revandelüfternen Franfreid um ein Bündnis 
gegen Deutſchland das Wort redeten. Andererfeits betrieb der 
vielgeſchäftige Beuft eine Fatholifche Liga, die Defterreih und 
Stalien mit Frankreich einigen ſollte. So wenig Ausficht 
auf Erfolg ſolche Intriguen anfangs hatten, zumal der Beſuch 
der Kaiſer von Defterreih und Rußland in Berlin im Sep- 
tember 1872 die neue Ordnung ber Dinge auch ohne fürm« 
liches Bündnis gegen Störung fidher ftellte, jo traten doch in 
den nächſten Jahren Verhältniffe ein, die fie nicht mehr fo 
ungefährlich erſcheinen ließen. Die Spannung zwiſchen Franf- 
reich und Deutfchland wuchs infolge der Friegeriihen Bor- 
bereitungen bes erfleren, mo die Ultramontanen offen für die 
mit der deutſchen und preußiſchen Regierung ftreitenden Biſchöfe 
Partei nahmen. Nur des Zaren ablehnende Haltung gegen 
Frankreich wandte 1875 den Krieg ab. Als dann aber infolge 
des ruſſiſch⸗türkiſchen Krieges .von 1877/78 und der ans 
geblih Rußland feindlichen Haltung, die Bismard auf dem 
zur Ordnung der orientalifhen Angelegenheiten in Gemein» 
ſchaft mit England und Defterreih einberufenen Kongreß zu 
Berlin im Sommer 1878 angenommen haben follte, der ruſſiſche 
Ranzler Gortſchakow ein Gegner Deutſchlands wurde, war bie 
Möglickeit eines ruffifch-franzöfifhen Bundniſſes ernftlih ges 


458 Sehftes Bud. Die Jahre ber Erfüllung. 


geben, gegen das Preußen bie Erfolge von 1866 und 1870/71 
in einem Krieg nach zwei Seiten Hin zu verteidigen haben 
würbe. 

In Erwartung diefer Wendung hatte Bismard die Politik 
der Verfühnung Defterreich gegenüber, die er gleih 1866 ans 
gebahnt Hatte (S. 414), mit gefleigertem Nachdruck weiter 
verfolgt. Bereits im Auguft 1871 hatte er eine perjönliche 
Begegnung ber beiden Kaifer veranlaft, der ein Jahr fpäter 
die DreisRaifer-Zufammenkunft in Berlin gefolgt war. In 
Gemeinfhaft mit dem ungarifhen Minifter Andrafiy durch⸗ 
kreuzte er fo Beufts Umtriebe. Eine engere Verbindung beider 
Staaten herbeizuführen gelang jedod nit. Auch die Vers 
bandlungen über einen Holverband, die im Frühjahr 1877 
geführt wurden, blieben wegen der ſchutzzöllneriſchen Haltung 
Defterreicha ohne Ergebnis. Erſt der Berliner Kongreß, auf 
dem Bismard Defterreih im Norden der Balkanhalbinfel eine 
ſtarke Stellung verſchaffte und damit eine wichtige Rulturmiffion 
erſchloß, führte zu einer Intimität, die in Petersburg Be 
forgnis erwedte. Sie ermöglichte den Vertrag vom 11. Df- 
tober 1878, der durch Aufhebung des Artikel 5 des Prager 
Friedens (S. 418) Preußen ausbrüdlich von der nie ernftlidh 
gemeinten und bloß aus Rüdfiht auf Frankreich übernommenen 
Verpflihtung befreite, die Einwohner des däniſch ſprechenden 
Nordſchleswig dur) eine Volksabſtimmung über ihre Zugehörigs 
keit zu Preußen ober Dänemark entfcheiden zu laſſen. Er 
entzog ben bortigen Gegnern Preußens ein wirkſames Mittel 
der Agitation. Auch fam nun im Dezember ein Meiftbegünfti« 
gungsvertrag zwiſchen Deutſchland und Defterreih zu ftande, 
deſſen Gültigkeit freilich zunächft nur bis Ende 1879 erftredt 
wurde. Als nun aber 1879 die Spannung mit Rußland wuchs 
und befien Bündnis mit Frankreich drohte, eilte im September 
Bismard felbft nad Wien und brachte, als hochwillkommener 
Freund ehrenvolift empfangen und aud von ber öffentlichen 
Meinung aufs wärmfte begrüßt, am 7. Oktober den deutjchs 
öfterreichifchen Garantievertrag zu ftande, den man angefichts 
ber Vergangenheit und feiner Tragweite für die Zukunft viel- 
leicht als fein größtes diplomatifches Meifterftüd bezeichnen 


II. Im neuen Reid. 459 


darf. Danach folte, ward eine von beiden Mächten durch 
Nußland angegriffen, die andere ihr Hilfe leiften, aber wohl- 
wollende Neutralität beobachten, falls jene von einer anderen 
Macht als Rußland angegriffen würbe, dagegen mit ihren ges 
famten Streitkräften in Aftion treten, fobald Rußland ben 
Angreifer unterftügte. Der Inhalt des Vertrages, defien Ab- 
ſchluß befannt und von beiden Völkern als ficherfte Bürgichaft 
gegen jede Friedensftörung freudig begrüßt wurde, blieb zwar 
fireng geheim, follte jedoch, wenn ber darin vorgefehene Fall 
eintrat, dem Haren perfönlich mitgeteilt werden, um ihn im 
entf&eidenden Augenblid von einem unter biefen Umftänden 
für Rußland leicht verhängnisvollen Schritt zurüczubalten. 
Dan fieht, wie hoch Bismard auch in der großen Politit das 
perfönlide Moment einſchätzte. Lernte er feine Bedeutung doch 
wieder eben jet an feinem kaiſerlichen Herrn kennen: der 
Gedanke, Preußen und Deutiland unter Umftänden eine 
Rußland feindliche Richtung einſchlagen zu fehen, bebrüdte 
und beunruhigte diefen fo, daß er fi nur widerſtrebend zur 
Ratififation des Vertrages entſchloß. 

Nicht ohne weſentlichen Einfluß auf die auswärtige Politik, 
namentlich das Verhältnis zu Frankreich, blieb der inzwifchen 
entbrannte Kampf mit ber Fatholifchen Kirche, den ein allgemein 
aufgenommenes, aber nicht eben trefiendes Wort Virchows als 
Kulturkampf bezeichnet hatte. Denn es handelte ſich barin 
doch eigentlich nicht um Fortſchritt oder Rüchſchritt der Kultur, 
vielmehr fanden nur in neuer Geftalt die alten Streitfragen 
zur Entſcheidung, um die bereits in früheren Jahrhunderten 
zwiſchen Staat und Kirche gerungen worben war. Auch erſcheint 
der Kampf bei näherer Betrachtung nur ala notwenbiges 
Schlußſtadium einer feit lange im Gange befindlichen Ent- 
widelung. 

Von jeher hatte die römische Kirche in dem proteflantifchen 
preußifchen Königtum die Macht nieberzuhalten geſucht, durch 
deren Wachstum fie felbit ſich dauernd gefährdet fühlte. Durch 
die Art, wie Preußen in dem Kölner Streit zurückgewichen 
und unter bem Einfluß der Rom freundlichen Gefinnung 
Friedrich Wilhelms IV. die Rechte des Staates daran gegeben 


460 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


hatte, war die Zuverſicht der Kurie weſentlich gefteigert worben. 
Sein Bund mit Jtalien 1866 Hatte ihren Haß gegen ben 
auffirebenden Ketzerſtaat vollends entflammt: fein unerwarteter 
Sieg über das katholiſche Deferreih war im Vatikan wie eine 
den Untergang ber Welt einleitende Kataftrophe empfunden 
worben. In erhöhtem Mae wiederholte fi) das 1870, zumal 
der deutſche Sieg aud die Beſetzung Roms durch die Jtaliener 
und damit den Bufammenbruch des Refles ber weltlichen Herr- 
ſchaft des Papftes zur Folge hatte, und zwar gerade in dem 
Augenblid, wo es die Umgeflaltung der römifchen Kirche zu 
einer von dem abfoluten Papfte unumfchränft regierten Mon- 
archie zu vollenden dachte. Am 18. Zuli 1870 Hatte das feit dem 
Dezember 1869 in Rom tagende vatitanifche Konzil die Ber 
kandigung ber päpftlihen Unfehlbarkeit gut geheißen. Obgleich 
damit eigentli nur eine in der Kirche längf geltende Ans 
ſchauung als Dogma proflamiert war, fahen fi doch bie 
Staaten in ihren Rechten der Kirche gegenüber dadurch ſchwer 
bedroht, weil die bifhöflihe Autorität nun ganz hinfällig 
wurde und jeden Augenblid beliebig durch das fi an ihre 
Stelle fegende Papfttum verdrängt und jedes Recht bes 
Staates, das auf der den Bifchöfen durch Gefeg oder Vertrag 
eingeräumten Stellung beruhte, in Frage geftellt werden konnte. 

Vergeblih Hatte bereit? vor dem Zuſammentritt bes 
Konzils Fürft Hohenlohe als bayriſcher Minifterpräfident auf 
dieſe ſtaatsfeindlichen Konfequenzen der Unfehlbarkeit hingewieſen 
und gemeinſame Abwehrmaßregeln empfohlen. Wie wenig die 
vatikaniſchen Politiker dem modernen Staate zutrauten, beweiſt, 
daß fie das eben erſtehende neue deutſche Reich für ihre Zwede 
gebraudden zu können glaubten: durch Erzbiſchof Ledochowaki 
von Poſen⸗Gneſen verſuchten ſie in Verſailles ſeine Macht 
für die Herſtellung des Kirchenſtaates zu gewinnen. Cs darf 
wohl als ein verhängnisvoller Fehler Bismards bezeichnet 
werben, daß er ſolch Anfinnen nicht gleich entſchieden zurüd- 
wies, fondern barauf einzugehen geneigt ſchien, wenn dagegen 
Rom feine Autorität bei dem franzöfifhen Klerus zu gunften 
des Friedens einſetzte, obgleich ſchon damals das Bemühen 
des polniſchen Prälaten, die ber Fatholifhen Kirche jo außer- 


IN. Im neuen Reid. 461 


ordentlich günftigen, für den Staat aber nadteiligen Be: 
flimmungen der preußiſchen Verfaffung auch in bie in Vor: 
bereitung befindliche Reichsverfaſſung aufgenommen zu jehen, 
hätte Verdacht erregen und zu mißtrauifcher Vorficht gegen 
einen ſolchen Aliterten befiimmen müflen. Nicht weil er, 
wie die meiften proteftantifhen Staatsmänner, Weſen und 
Drganifation ber Fatholifhen Kirche nit kannte und daher 
ihre Kraft zum Angriff wie zur Abwehr unterfhägte, bat 
Bismard den Kulturfampf nicht zu dem anfangs ins Auge 
gefaßten Ziel führen können und fi zurüdweichend mit einer 
notbürftigen Defenfioftellung begnügen müſſen, fondern weil 
er felbft in den Verſailler Beſprechungen ihr eine weltlich 
politifde Autorität zugeftanden Hatte und das, aud als fie 
fih gegen den Staat wandte, nicht rüdgängig machen konnte. 

Man kann nicht jagen, daß die Verfündigung des Un: 
fehlbarfeitsbogmas an fi den neuen Kampf zwiſchen Staat 
und Kirche veranlagt habe: fie war nur ber Funke, der in den 
feit Jahren aufgehäuften Zündftoff fiel. Ein Signal zum 
Angriff für die eine Seite, wurde fie ein ſolches zu verfpäteter 
Abwehr für die andere, die angefihts der nun drohenden 
neuen größeren Gefahren inne murbe, wieviel fie durch Sorg- 
lofigfeit oder Nachgiebigkeit bereits verloren hatte. Das war 
auch der Eindrud bei Bismard: er erfannte als Urſache des 
NRücdgangs des deutſchen Elementes und ber Ausbreitung bes 
polniſchen in Pofen, Weftpreußen und Oberſchleſien die feit 
Jahrzehnten ungehindert thätige Propaganda ber katholiſchen 
Geiftlichleit, der die Volksſchule vom Staat preisgegeben war, 
und mußte fih fagen, daß dieſen polnifch-Fatholifchen Bes 
ftrebungen feit dreißig Jahren in der katholiſchen Abteilung 
des Kultusminifteriums (S. 210) ein feiter Sig in der Staates 
tegierung ſelbſt eingeräumt war. Andererfeits ergab ſich auch 
in Preußen für den Staat die moraliihe Pflicht, diejenigen 
Katholiken, die, an dem alten Glauben fefthaltend, ber ftaats: 
freichartigen Neuerung, welde die Unfehlbarkeit bedeutete, 
die Anerkennung verweigerten und daher bie eigentlihen Katho⸗ 
liken zu fein behaupteten, gegen drohende Vergewaltigung von 
Rom ber zu fügen. Auf diefem Gebiet fam es denn auch 


462 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


zum Bufammenftoß infolge der ftaatliden Anerkennung dieſer 
altkatholiſchen Gemeinden, gegen welche die neurömifche Kirche 
ihre ganze Strafgewalt in Wirkſamkeit ſetzte. Bereits am 
8. Juli 1871 war die katholifche Abteilung im Kultusminifterium 
aufgehoben worden, deren Leiter Minifterialdiretor Kretzig, 
ehemals im Dienfte des fürftlihen Hauſes Radziwill, feine 
Autorität feit Jahren in den Dienft ber katholiſchen und 
polnifhen Sache geftellt hatte. Der Widerftand gegen diefe 
Maßregel hatte im Januar 1872 den Rüdtritt des Kultus- 
minifters v. Mühler zur Folge, deſſen perfönliche Beziehungen 
zu dem katholiſchen Hofadel und ber mit diefem lebhaft ſym⸗ 
pathifierenden Kaiferin Augufta dem neuen Syſtem ernfle 
Schwierigfeiten zu bereiten drohten. In feinem Nachfolger, 
den Geheimen Oberjuftizrat Adalbert Fall, einem ausgezeich- 
neten Juriſten von weitem Blick, firenger Logik, entſchoſſenem 
Mut und flaunenswerter Arbeitöfraft, dabei im Grunde milden 
Weſens, fand Bismard den rechten Mitftreiter, nur daß auch 
er den zu befämpfenden Gegner zu wenig kannte, um fid) nicht 
in der Wahl der Waffen gelegentlich zu vergreifen, fo daß 
die der juriflifchen Theorie entfpreddenden Gefege an der anders 
gearteten kirchlichen Wirklichleit wirkungslos abprallten. Auch 
dachte Falk ala Staatsmann nit opportuniftifh genug, um 
der wechſelnden Lage, die noch von ganz anderen Faktoren 
beeinflußt wurde, Rechnung zu tragen und etwas von bem 
Prinzip zu opfern, wenn feine Durchſetzung politiide Schwierig- 
keiten auf anderen Gebieten zu bereiten drohte. Endlich ent- 
behrte er, jo gut er fi anfangs mit Bismard verftand, doch 
bes zu erfolgreihem Wirken nötigen unbebingten Vertrauens 
bes Königs, deſſen religiöfes Denken an mander von den nun 
gebotenen firengen Maßregeln Anftoß nahm und namentlich 
die von Falk in ber evangelifchen Kirche verfolgte Richtung 
mißbilligte. 

Mit Ausfiht auf Erfolg ließ fi der Kampf nur führen 
zugleih mit den Waffen ſowohl der Reiche» wie der Landes: 
gefeßgebung. Anfangs war die Kirche dur ihre aggreffive 
Haltung entfchieden im Vorteil: bie Freiheit der Kanzel er— 
laubte der Geiſtlichkeit, ungeftraft die leidenſchaftlichſte Agitation 


III. Im neuen Reid. 463 


in die Gemeinden zu tragen, und dem in Rom gebietenden 
Jefuitenorden ftand in feinen deutſchen Mitgliedern eine uns 
vergleichlich bisziplinierte Schar überzeugungatreuer Streiter zur 
Verfügung. Deshalb wurde bereits im September 1871 auf 
Bayerns Antrag durch Reichögefeg ein derartiger Mißbrauch der 
Kanzel unter Strafe geftcht und am 4. Juni 1872 die Ge- 
ſellſchaft Jeſu, die von der einen Seite ebenfo gepriefen, wie 
von der anderen leidenſchaftlich bekämpft wurde, zugleih mit 
einigen verwandten Orden in Deutfchland verboten. In Preußen 
ſelbſt erfolgte unter heißen parlamentarifhen Kämpfen, melde 
die Erregung der katholiſchen Bevölkerung aufs höchfte fteigerten, 
die erſte Neihe entſchiedener Schritte im Mai 1873. Vom 
11. Mai datiert das Gefeß über die Vorbildung und Anftellung 
von Geiftlihen, das erftere ftaatlicher Aufſicht unterftellte und 
legtere von ähnlichen Bedingungen abhängig macht, wie fie 
für Staatsbeamte galten. Ein Gefet vom 12. Mai regelte 
die kirchliche Disziplinargewalt und ſchuf einen befonderen Ges 
richtshof für Kirchliche Angelegenheiten. Tas vom 13. Mai 
ſchränkte den Gebrauch kirchlicher Straf: und Zuchtmittel ein, 
und eines vom 14. Mai ordnete im Hinblid auf die wachſende 
altkatholifhe Bewegung die Bedingungen und Formen bes Aus- 
tritts aus ber Kirche. 

Für die allgemeine politifhe Lage war es von entſcheiden⸗ 
der Wichtigkeit, daß es bei den Verhandlungen über dieſe 
Vorlagen zwifhen Bismard und den längft an ihm irre ges 
wordenen Altkonfervativen vollends zum Bruh kam und die 
Regierung zu engerem Anſchluß an die liberalen Parteien ges 
nötigt wurde. Vergeblid war von jener Seite, die am Hofe, 
namentlih in ber Umgebung der Kaiferin Augufle Einfluß 
hatte, der Glaube verbreitet worden, König Wilhelm miß- 
billige die fogenannten kirchenfeindlichen Mafregeln feiner Räte 
und füge fih ihnen nur widerfirebend. Als daraufhin der 
Papſt Pius IX. felbft ſich brieflih an ihn wandte, um feinem 
angeblichen frieblihen Willen zur Geltung zu verhelfen, zog 
er fi in der Föniglihen Antwort vom 3. September eine 
wohlverdiente Abfertigung zu, die nicht nur jenes Lügengewebe 
zerriß, fondern auch auf das beflimmtefte den päpftlichen Ans 


464 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


ſprüchen das Grundprinzip des evangelifchen Glaubens ent: 
gegenftellte und deshalb überall jubelnde Zuftimmung fand. 
Mit diefen „Maigefegen” wären die Rechte des Staates 
in bem zunäcft ftreitigen Gebiet gefihert geweſen, hätten fie 
Gehorfam gefunden. Aber auf die von Rom ausgegebene 
Parole organifierten die Bifchöfe, bie fi} der anfangs befämpften 
päpftlihen Infallibilität fo unmürbig gebeugt hatten, ihren 
Klerus zu planmäßigem Widerftande und besten aud ihre 
Gemeinden gegen die Regierung auf, jo daß der Staat fie 
von jeder Mitwirkung bei ftaatlihen Angelegenheiten aus: 
fliegen mußte. Infolgedeſſen verſchärften fi die Gegenfäge 
noch mehr: aus den Wahlen vom November 1873 ging das 
durch den Rulturlampf zu erhöhter Bedeutung erhobene Zentrum 
verftärft hervor, doch blieb die Mehrheit bei den Liberalen 
und gemäßigt Konfervativen, mit deren Hilfe die Regierung 
auf der eingefhlagenen Bahn notgebrungen vorwärts ging. 
Der von ben Biſchöfen bei Antritt ihres Amtes zu leiftende 
Eid wurde im Dezember 1873 firenger bindend gefaßt. Dann 
erging nad) bejonders heißen Kämpfen bas Geſetz über bie 
Beurkundung des Perfonenftandes und die Form der Che: 
ſchließung vom 9. März 1874, das die obligatoriſche Zivilehe 
einführte und die Führung der Zivilftandregifter vom Staate 
beftellten Beamten übertrug. Ein Reichögefeg vom 4. Mai 1874 
richtete fich gegen die Verſuche ihres Amtes rechtskräftig ent 
fegter Geiftlicher zur Weiterübung ihrer Funktionen, und auf 
Grund besfelben traf ein preußifhes vom 21. Mai Borforge 
für die Verwaltung der durch die Abfegung ihres Inhabers 
erledigten Bistümer durch Staatstommiffare. Die Wirkungen 
diefer Gefege trafen die Kirche hie und da ſchwer, da infolge 
des wegen Ungehorfams eingeleiteten Strafverfahrens im Lauf 
der nächſten Zeit die meiften Bistümer und allmählich Hunderte 
von Pfarreien verwaiften. Natürlih machte man katholifcher- 
feits dafür den Staat verantwortli, und die Kanzeln und 
die Preſſe Hallten wider von leidenſchaftlichen Klagen über 
die neue biofletianifche Verfolgung der Kirche in Preußen. 
Zu welder Verwirrung der Begriffe diefe Hetzereien führten, 
wurde offenbar, ald am 13. Juli 1874 ein fanatifierter Tifchler- 


II. Im neuen Reid. 465 


gefele Kullmann durch die Ermordung bes zur Kur in Kiffingen 
weilenden Bismard fi zum Netter der Kirche zu erheben 
verfuchte, mochte auch das Zentrum ſich bemühen, jede moralifche 
Mitſchuld an dem Attentat von ſich abzumehren. Dieſe bes 
ftätigte vielmehr der neue, umerhört heftige Angriff, den 
Pius IX. in einer Encyllifa vom 5. Januar 1875 gegen ben 
preußifhen Staat richtete: wenn das unfehlbare Haupt der 
römifchen Kirche fih in folden Schmähungen erging, war es 
nur zu begreiflih, daß aus den Reihen der tagein tagaus 
verhegten ungebildeten Gläubigen Mörder gegen den leitenden 
Staatsmann erftanden. Der Kampf erreichte nun feinen Höhe: 
punkt. Das Sperrgefeg vom 22. April 1875 entzog all den= 
jenigen Bistümern und Pfarreien die ihnen gewährten Staats: 
mittel, deren Inhaber nicht ausdrücklich ober thatſächlich ihren 
Gehorfam gegen die Gefege ermiefen. Am 31. Mai wurden 
die geiftlihen Orden und ordenähnlichen Kongregationen aufs 
gehoben. Am 4. Zuli wurde den Altkatholifen ein Anteil an 
dem Beſitz der Gemeinden, von dem ihre Gegner fie ausfchliegen 
wollten, eingeräumt und endlih am 20. Juli in Konfequenz 
davon die Vermögensverwaltung ber Fatholifhen Gemeinden 
der ausſchließlichen Verfügung der Geiftlihen entzogen und 
einer Gemeinbevertretung von Laien übergeben. 

Doch zeigte fih immer Marer, daß eine wirkſame Bes 
tämpfung der kirchlichen Webergriffe fo lange unmöglich war, 
als die Kirche durch die Verfaſſung felbft für gewiſſe Gebiete 
eigentlich der Landesgeſetzgebung entzogen blieb. Das war 
der Fall einmal durch den Artikel 15, der den Religions» 
geſellſchaften die felbftändige Verwaltung der für Stultus:, 
Unterrichts: und Wohlthätigleitszwede beftimmten Anftalten, 
Stiftungen und Fonds verbürgte, ferner durch Artikel 16, der 
ihnen ungehinderten Verkehr mit ihren Oberen und unbeſchränkte 
Belanntmahung kirchlicher Anordnungen gemäßrleiftete, und 
endlich dur Artikel 18, der das flaatlihe Ernennungsrecht 
bei Belegung kirchlicher Stellen aufgehoben hatte. Diefe 
Artikel wurden durch ein Geſetz vom 18. Juni 1875 aufgehoben, 
eine Mafregel, die ohne Frage ernfte Bedenken erweden mußte 
und daher auch von den im Kulturfampfe bisher zur Regierung 

Prus, Preußiige Geſchichte. IV. 


466 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


ſtehenden fortgefchrittenen Liberalen heftig befämpft wurde, unter 
den gegebenen Umftänden aber eine politifhe Notwendigkeit 
war, für die weniger ihre bermaligen Urheber als diejenigen 
verantwortlich gemacht werben mußten, bie in gänzlicher Ver⸗ 
tennung ber wahren Natur ber fatholifhen Kirche und ihres 
weltlichen Herrſchaftsſtrebens ſolche für den Staat unerträgliche 
Säge in die Verfaffung aufgenommen hatten. Erſt durch dieſe 
Verfaffungsänderung erhielt der Staat für das mit den Mai- 
gefegen begonnene Vorgehen einen unanſechtbaren Rechtsboden 
und gewann die Möglichkeit, fi) in der neuen Defenfivftellung 
der Kirche gegenüber zu behaupten. Daß ſich für dieſe daraus 
arge Notflände ergaben und nicht bloß die Firchliche Verwaltung 
vielfach desorganifiert und eine Menge von Gläubigen, der 
Seelforge beraubt, in harte Gewiſſensnot gebradt wurden, 
war jedenfalls nicht feine Schuld. 

Für den Kultusminifter Falk ging neben den erften Stadien 
des Kulturkampfes, der feine und feiner Mitftreiter Arbeit: 
kraft und Geiftesgegenwart auf das äußerfte in Anfprud) nahm, 
die weniger fürmifch bewegte, aber faft noch unerquidlichere 
und weniger belohnte Arbeit her an dem Ausbau der DBer- 
faſſung ber evangelifchen Landeslirhe. Die Gegner, die es 
dabei zu beflehen galt, waren zwar nicht jo einheitlich organi= 
fiert, jo fanatif und jo rückſichtslos, aber ebenfo zäh, ſkrupel⸗ 
los in ber Wahl der Mittel und zuverfihtlih im Hinblid auf 
die hohe und höchſte Gönnerfhaft, die fie Hinter fi mußten. 
Die liberalen Anwandlungen, welde die neue Aera auch auf 
kirchlichem Gebiete veranlaßt hatte, waren längft verflogen. 
In den herrſchenden Kreifen galten bie Anhänger des über 
ganz Deutſchland verbreiteten Proteftantenvereins für Gegner 
aller KHriftliden Gläubigfeit, und liberale Geiftlihe, die im 
Sinn besfelben eine Aenderung des Dogmas erftrebten, wie 
die hocangejehenen Berliner Prediger Sydow und Lisco, 
wurben gemaßregelt. Um zunähft die Volfsfhule von der 
Orthodorie zu befreien, veranlaßte Falk eine eingehende Prüfung 
der von liberaler Seite längft heftig angegriffenen Stiehlſchen 
Regulative (S. 323), die zu ihrer von orthoborer Seite ala 
ftaatsgefährlich beflagten Aufhebung führte. Sie hatten, mag 


II. Im neuen Reid. 467 


das auch nicht die Abficht ihres Urhebers geweien fein, es der 
Drthodorie ermöglicht, troß der geänderten Zeiten die Herr 
ſchaft über die Volksſchule zu behaupten und die Lehrerfchaft 
im Sinne ber Reaktion der fünfziger Jahre geiftig zu knechten. 
Bas an ihre Stelle trat, wurbe von diefer Seite bald denun⸗ 
siert als geeignet, das kommende Geſchlecht dem Chriftentum 
zu entfremden und damit auch politifh irre zu leiten, — eine 
Befurchtung, mit der man namentlich den König felbft zu er⸗ 
füllen mußte. 

Bei der Wiederaufnahme des Verfaſſungswerkes für die 
evangelifhe Kirche leitete Falk, vieleicht unbewußt, eine ähn- 
lie Anfhauung, wie Friedrich Wilhelm IV. fie gelegentlich 
vertreten hatte, daß nämlich eine einheitliche, auf dem Prinzip 
der Selbftverwaltung beruhende und jo das Kirchliche Leben 
fleigernde Verfaſſung der Landeskirche geboten fei, um fie der 
römiſchen Kirche gegenüber zu Träftiger Verteidigung zu be= 
fähigen und gegen bie von deren Andringen drohenden inneren 
und äußeren Gefahren zu fihern. Ob die Synodalordnung, 
die am 10. September 1873 für die öftlihen Provinzen er- 
ging, dies zu leiften überhaupt geeignet war, darf bezweifelt 
werben: daß fie es thatfächlich nicht geleiftet hat, wird nicht 
zu beftreiten fein. Denn wenn fie jeder Gemeinde einen 
Kirchenrat vorfegte und biefem eine Gemeindevertretung bei- 
ordnete, eine Kreisfynode ſchuf, in die jede Gemeinde ihren 
Pfarrer und ein weltliches Mitglied entfendet, den Kreisſynoden 
aber die Provinzialſynoden und biefen eine Generalſynode als 
Gefamtvertretung ber Landeskirche überorbnete, die aus 150 
von ben Provinzialfynoden gewählten und 30 vom König er- 
nannten Mitgliedern und 10 Vertretern der Univerfitäten 
beftehen ſollte, fo feßte eine folde der weltlichen Selbftver- 
waltung nadhgebilbete Organifation zu rechter Wirkſamkeit eine 
felbſtthätige lebhafte Teilnahme ber Laien an ben firhlihen 
Angelegenheiten voraus. Bon einer ſolchen war aber thatfächlich 
nit die Rebe, und wenn fie jet überrafchend zu Tage trat, 
fo war das nur die Wirkung des Iebhaft angeregten Parteis 
finnes, ber die der Kirche bisher fernftehenden Liberalen an: 
trieb, der kirchlichen Rechten die Herrſchaft ftreitig zu machen 


468 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


und fi an ihre Stelle zu fegen. Diefer Eifer erlahmte jedoch 
bald, umd die neue Synobalverfafiung trug fehließlih nur 
dazu bei, die Herrſchaft der Orthodoren zu befeftigen. Daran 
änderte es auch nichts, daß der Oberfirhenrat unter Leitung 
des von Falk berufenen Heidelberger Juriften Hermann eine 
freiere Richtung einzuſchlagen verſuchte. Er ftieß damit auf 
die wachſende Oppofition der Orthoboren, welde in den Synoben 
die Mehrheit hatten, und ſah ſich dauernd von dem Mißtrauen 
des innerlih durchaus zu biefen haltenden Königs und ber 
ähnlich denfenden höfiſchen Kreife gehindert. Der entſcheidende 
Stoß gegen das Falkſche Syſtem ift denn auch ſchließlich von 
biefer Seite erfolgt. 


IV. Rönig Wilhelms lehtes Jahrzehnt und 
die Anfänge des ſozialen Königkums. 1878—1888. 


Don den fiehzehn Jahren, einem Zeitraum, länger als 
felbft der Zuverfitlichfte ihm zu erhoffen gewagt hatte, die 
König Wilhelm im Glanze der auf den Schlachtfeldern Frank: 
reiche gewonnenen Kaiferfrone Preußens und des Reichs zu 
walten vergönnt war, zeigen die erften acht eine freudig und 
kraftvoll fortfcreitende Entwidelung., Dem Höheftand folgt 
1878/79 eine Krifis, die zwar nicht gleich eine eigentlich rüd- 
läufige Bewegung, aber dod einen Stillſtand und innere Ver- 
widelungen bervorrief. Diefe haben auf die legten Jahre bes 
Königs einen gewiſſen Schatten geworfen, indem fie neue 
ſchwierige Probleme ftellten, an deren Löfung noch unfere 
Tage fi abmühen. Zunächſt war das freilid nur die natür- 
liche Reaktion gegen die mit Anfpannung aller Kräfte gleiche 
fam im Sturmſchritt vorwärts eilende Entwidelung, die dem 
nationalen Aufidwung von 1870—71 gefolgt war. Aber es 
zeigte fi doch au, daß die damals gegründete neue Ordnung 
in fih Gegenfäge enthielt, die fie unter Umftänben gefährben 
konnten. Die Krifis traf ſowohl die äußere wie bie innere 
Politik und wirkte ebenfo tief ein auf das wirtſchaftliche wie 
auf das gefelicaftlihe Leben. Daß während biefer eriten 
ernften Probe, auf die es geftellt wurde, das neue Preußen 
noch den Schöpfer des Reiches und feinen treuen Berater in 
der alten unvergleichlichen Gemeinſchaft an feiner Spige fah, 
darf als eine befonders glüdlihe Fügung des Schidjals dankbar 
gepriefen werben. Sonft wäre bie Erſchütterung nad innen 
wohl noch heftiger und nad außen die Gefahr eines neuen 

‚ Krieges um bie Behauptung des Erlangten faum abzuwenden 
gewejen. Das eine wie das andere aber hätte das Einlenken 


470 Sehftes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


in den Weg unmöglich gemacht, deſſen Verfolgung gerade dem 
legten Jahrzehnt König Wilhelms den Stempel aufgeprägt 
und ihn, von Bismard beraten, zum Schöpfer einer neuen 
Art der Herrfhaft, des fozialen Königtums hat werben laſſen. 
Damit ftelte er nicht bloß dem preußiſchen Staate und dem 
Reiche, fondern dem Staate überhaupt neue und höhere Auf⸗ 
gaben, legte ihm die höchſten fittlihen Verpflichtungen auf 
und erwarb ihm damit zugleich neue höhere Nechte, die ihn 
weit über die Sphäre feines bisherigen Wirkens erheben folten 
und verheißungsvoll auf ein glüdlicheres Zeitalter der ſtaat— 
lien Entwidelung hinwieſen. 

Den Höheftand widerſpruchslos anerkannten Einfluffes 
hatten Preußen und Deutſchland im Sommer 1878 mit dem 
Berliner Kongreß (S. 457) erreiht. Doch wurde eben buch 
diefen die alte Freundfhaft mit Rußland erfüttert, zum 
Teil infolge der perfönlichen Verſtimmung Gortſchakows gegen 
Bismard. Der Thronwechjel in Petersburg, wo auf den bem 
Kaifer Wilgelm perſönlich eng verbundenen Alerander II. fein 
deutſchfeindlicher gleihnamiger Sohn folgte, fleigerte die Gefahr 
eines ruſſiſch⸗franzoſiſchen Bündniſſes, jo daß Preußen bereits 
im Frühjahr 1882 auf die Sicherung feiner Oftgrenze denken 
mußte und fi) 1883 durch das neue ruſſiſche Zollfyſtem wirt 
ſchaftlich geſchädigt ſah. Doc gelang es, den fi} regenden 
nationalen Eifer der Rufen niederzufalten, und im Sep- 
tember 1884 dur) die Zuſammenkunft der beiden Kaifer mit 
dem von Defterreid in Skierniwice bei Warfchau die biöherige 
Bafis der europäifchen Ordnung noch einmal zu fihern. Aber 
bereits 1886 gab der Aufftand in Bulgarien Anlaß zu neuer 
Verftiimmung Rußlands, während in Frankreich die Umtriebe 
des eitlen Kriegsminifters Boulanger ben Eifer der Revanche— 
ſchwärmer vollends erhigten und bie Gefahr eines beutich- 
franzöfifchen Krieges in nächfte Nähe rüdten. Troß neuer Streit= 
fäle wurde diefe aber durch Boulangers Sturz abgewandt. 
Das Verhältnis zu Rußland blieb jedoch gefpannt, obgleich es 
Bismard gelang, den Zaren bei feiner Anwejenheit in Berlin 
im November 1887 von der Grunblofigfeit der Verdächtigungen 
zu überzeugen, bie durch orleaniftifche Fälſchungen gegen 


IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 471 


Preußens Haltung in Bulgarien in Umlauf gefegt waren. 
Erſt 1888 ſchien das ruſſiſch-franzöſifche Bündnis Wirklichkeit 
werben zu follen. Den Kampf aufzunehmen entſchloſſen, ver⸗ 
öffentlichte Bismard, um Rußland zu warnen, damals ben 
Garantievertrag mit Defterreih vom Dftober 1879 (S. 458). 
Dadurch wurde bie traditionelle Freundſchaft Preußens mit 
Rußland vollends gelöſt. Um fo mehr ſuchte Bismard ben 
Ruckhalt gegen Frankreich und Rußland in der Allianz mit 
Defterreih, die durch ben Anſchluß Italiens 1883 bereits zum 
Dreibund ausgeftaltet worden war. 

Auf die innere Entwidelung Preußens übte Deutfchlands 
geänderte Stellung zu ben europäiſchen Mächten infofern 
günftigen Einfluß aus, als im Gegenſatz zu ber fortfchreiten. 
den Barteizerfplitterung angeſichts der Gefahr eines Krieges, 
der zugleih nad Dften und Weiten zu führen geweſen wäre, 
wenigftens ein Punkt gegeben war, in dem fi) mit ganz ver« 
einzelten Ausnahmen alle Parteien einmütig zufammenfanden. 
Man mag zweifeln, ob ohne diefen Drud von außen bie 
wieberholt gefährbete Verſtändigung zwiſchen Reichsregierung 
und Reichstag über die Stärke des Reichsheeres zu ſtande 
gelommen wäre. Jedenfalls war es ihm zuzufchreiben, daß im 
Frühjahr 1888 mit der Annahme des Landwehr. und Land« 
flurmgefeges, das bie bewährten preußiſchen Einrichtungen auf 
das Reich ausbehnte, deſſen Waffnung für einen Krieg zugleich 
gegen Frankreih und Rußland zum Abſchluß gebracht wurde. 
Mit einer Feldarmee von zwei Millionen und einer Referve 
von einer Million Tonnte das deutſche Volk Bismarde Wort 
zujubeln, der Deutſche fürdte Gott und fonft nichts in ber 
Belt. 

Auf allen anderen Gebieten dagegen ftand die Entwidelung 
Preußens unter dem Zeichen ſich unliebfam zufpigender perfön- 
licher und fachlicher Differenzen. Erſtere Inüpften zum Teil an 
die Stellung Bismards an, der feit dem November 1873 auch 
das Präfidium des preußiſchen Minifteriums wieder übernommen 
Hatte. Der Apparat der Reichsregierung war doch ein zu 
tomplizierter und dabei zu fehr auf die Perſon feines Schöpfers 
zugeſchnitten, um nicht, namentli beim Eingreifen in bie 


472 Sechſtes Bud. Die Jahre ber Erfüllung. 


befonderen preußifchen Verhältniſſe zu mannigfachen Reibungen 
zu führen, die gelegentlih aud des Kanzlers Verhältnis zu 
dem Kaiſer wenigftens vorübergehend trübten. Körperliches 
Leiden kam hinzu, fo daß er Anfang April 1875 feinen Abſchied 
erbat, jedoch wieberum zum Bleiben vermodt wurde. Auch 
hofiſche Einflüffe wirkten dabei mit und leifteten ven katho— 
lifhen und hochkonſervativen Gegnern des Kanzlers in den 
Barlamenten mittelbar Vorſchub. Seine Stellung zu befeftigen 
und fi für feine weiteren Pläne der Mitarbeit der feit Jahren 
einflußreichſten Partei zu verfichern unterhandelte Bismard 
daher Weihnachten 1877 in Barzin mit dem Führer der 
Nationalliberalen, Bennigfen, über feinen und einiger feiner 
Freunde Eintritt in das Minifterium. Doc fcheiterte bie 
Verftändigung an feiner Abſicht, in der Wirtſchaftspolitik neue 
Bahnen einzuſchlagen, Hinter welcher ber Plan zur Einführung 
des Tabalsmonopols und zur Webertragung ſämtlicher Eifen- 
bahnen auf das Reich ftand. Auch hatte die zu fpät gefuchte 
förmliche Bundesgenoſſenſchaft ber Nationalliberalen für den 
Ranzler bereits an Wert verloren, feit fie aus ben legten Wahlen 
geſchwächt Hervorgegangen waren. So bereitete Bismard den 
Anſchluß an die entgegengefegte Seite vor, indem er ſich zu= 
glei durch die Organifation feiner dauernden Stellvertretung 
im Kanzleramt zu entlaften und eine Stellung mehr über den 
Parteien zu gewinnen fuchte. Dazu wurde im März 1878 
der bisherige Botſchafter in Wien, Graf Dtto zu Stolberg, 
zum Vizepräfidenten bes Minifteriums und zum Bizefanzler 
ernannt, Frig Eulenburg dur Graf Botho zu Eulenburg er= 
feßt, der den Konfervativen längft befonders verhaßte Camp- 
haufen aber an ber Spiße der Finanzen durch Hobrecht, den Ber- 
liner Oberbürgermeifter, abgelöft und ftatt Achenbachs ber Unter⸗ 
ftaatsfefretär Maybach zur Leitung von Handel und Gemerbe 
berufen. Thatfächlich bezeichnete dieſer partielle Miniſterwechſel 
eine Annäherung an die bisher befämpften Konfervativen. Sie 
zu beſchleunigen, trugen die Ereignifie der nächften Zeit bei. 
Um die Zeit, wo man fi in Berlin zum Empfang bes 
Kongreſſes zur Schlihtung der türkiſch-ruſſiſchen Streitfragen 
(S. 457) rüftete, wurden mit der Hauptftabt Preußen, Deutſch- 


IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 473 


land und die Welt entjegt durch zwei Mordanſchläge auf Kaifer 
Wilhelm, die einen erſchreckenden Einblid eröffneten in die 
furchtbare Größe, zu ber unvermerkt die fozialiftifhe Gefahr 
emporgewachſen war. Am 11. Mai ſchoß der verlumpte 
Klempnergefelle Hödel unter den Linden auf ben Herricher, 
ohne ihn zu treffen. Der darauf Hin dem Reichstage vorgelegte 
Entwurf eines Geſetzes zur Nieberhaltung ber Sozialiften 
war trogdem eben abgelehnt und bie allgemeine Erregung 
dadurch ſchon mächtig gefteigert, als am 2. Juni ein neues 
Attentat erfolgte, bei dem ber greife König ſchwer verwundet 
wurde. Da fein Urheber, ein Mann guter Herkunft und von 
Bildung, Doktor Nobiling, fi dem weltlichen Richter dur 
Selbftmord entzog, blieben die Beweggründe der furchtbaren 
That ein Geheimnis. Dod ergab fih, daß aud bier bie 
ſozialiſtiſchen Irrlehren eine Rolle gefpielt Hatten. Ihre Be— 
tämpfung trat damit in ben Brennpunft bes öffentlichen 
Interefies. Aus allzu langer Sorglofigfeit jählings aufgerüttelt, 
war das erſchredte Bürgertum bereit, der Regierung dazu bie 
vom Reichstag ihr eben verweigerten außerorbentlihen Macht: 
befugnifie einzuräumen. Auf diefe Parole hin fanden, nachdem 
der ben langfam genefenden Vater in der Regierung vertretende 
Kronprinz Bismards Verlangen gemäß ben Reichstag aufgelöft 
hatte, die Neuwahlen ftatt, und nach heißen parlamentarifchen 
Kämpfen fam am 20. Oktober 1878 das Ausnahmegefeg zur 
Bekämpfung faatsgefährlicer ſozialiſtiſcher Umtriebe zu ftande, 
zunächſt auf zweieinhalb Jahre. Noch zweimal, 1880 auf drei 
Jahre und 1884 auf zwei Jahre verlängert, hat es, wie heute 
offen geftanden werben muß, feinen Zweck nur ſehr unvoll- 
kommen erfült. Denn trog ihrer Stellung außerhalb des 
gemeinen Rechtes und ber Erſchwerung und zum Teil Ver: 
hinderung ihrer agitatoriſchen Thätigfeit in Vereinen und 
dur die Prefie haben die Sozialdemokraten gerade im Laufe 
biefer Jahre die Zahl ihrer Anhänger fi reißend vermehren 
fehen, und zwar auch in ihnen bisher unzugänglichen Streifen. 
Auch verſchaffte eine jo ſcharfe Repreffion unter den davon 
Getroffenen ben Ertremen größeren Einfluß und fleigerte jo 
ben radikalen Charakter der Bewegung. 


474 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


Aber noch in anderer Hinfiht wurde durch diefe Vorgänge 
der bisher verfolgten gemäßigt liberalen Richtung der Weg 
verlegt. Es fehlte nit an jolden, die für das erjchredende 
Umfihgreifen der Sozialdemokratie und den bis zum Anardis- 
mus gefleigerten Radikalismus ihrer fortgeſchrittenen Belenner, 
die den Kampf gegen die beftehende Staats- und Geſellſchafts⸗ 
orbnung mit jeder Waffe für erlaubt erflärten, die Abwendung 
weiter Kreiſe von dem kirchlichen Leben verantwortlich machten. 
Ihnen lag dann die Berfuhung nahe, eine gewifle Mitſchuld 
den Männern zuzuſchreiben, die in Gemeinfhaft mit dem 
Kultusminifter Falk die Neugeftaltung von Kirche und Volks— 
ſchule nad) freieren Grundfägen in Angriff genommen hatten. 
Dabei fanden fie eifrige Unterftlügung nicht bloß bei der 
hochkirchlichen Hofgefellihaft, fondern namentlih aud von 
katholiſcher Seite, und die Wortführer des Zentrums wurben 
nit müde, die bier und ba erfennbare Verwilberung un- 
mittelbar auf den Kulturfampf zurüdzuführen als ein Werk 
der Gottlofigkeit, deſſen Träger nicht bloß Feinde Roms, fondern 
Feinde der Kirche überhaupt fein folten. Auch dem König 
lag eine ſoche Schlußfolgerung nahe: fie machte ihn irre an 
der Nichtigkeit und ber Berechtigung des von Falk und feinen 
Näten vertretenen neuen Syſtems, dem er im Grunde von 
Anfang an entgegen gemwefen war. So bereitete fi auch auf 
kirchlichem Gebiete ein Umſchlag vor, der Falls Stellung ges 
fährbete, amdererfeits Rom Ausfiht auf einen vorteilhaften 
Frieden eröffnete. Das ließ zuerft die Rebe erfennen, mit 
der König Wilhelm, ber völlig genefen am 5. Dezember 
jubelnd empfangen nah Berlin zurüdgelehrt war, am 7. Des 
zember eine Adrefie des Magifirats und der Stabtverorbneten 
der Hauptftabt beantwortete. Die Wiederkehr folder Aus- 
ſchreitungen, wie fie jeßt Ausnahmegefege nötig gemacht, ab: 
zuwenden, fo führte er darin aus, bebürfe es vor allem einer 
teligiöfen Erziehung der Jugend, die tiefer und ernfter gefaßt 
werben müfle. Gerade in Berlin, erklärte er, fei in biefer 
Beziehung nicht alles gut beftelt. Das deutete man an gewiſſen 
Stellen als Verurteilung der Aufhebung ber Stiehlihen Regu- 
lative. Die Reaktion ſah ihre Zeit fommen und rüftete ſich, 


IV. König Wilhelms Ieptes Jahrzehnt. 475 


den Moment zu ergreifen. Namentlih glaubte die äußerfte 
Rechte jetzt an Bismard für die ihr zugefügten Demütigungen 
Vergeltung üben zu können: hatte fie doch bereits im Jahr 1872 
gegen ihn die lächerliche Anklage erhoben, daß er die Parlas 
mentsherrſchaft und ben Atheismus proflamiert habe. 

Es mag bahingeftellt bleiben, ob dieſe rüchſchrittlichen 
Tendenzen, fo energifch fie fich gelegentlich geltend machten und 
fo einflußreiche Vertreter fie an verſchiedenen Stellen fanden, 
ſchnell genug fo weit erflarft wären, daß fie für bie Politif 
Preußens beftimmend werben konnten, hätte nit Bismard 
ſelbſt ſich ihrer zu bedienen beſchloſſen, um bie Pläne durch» 
zufegen, deren Unterflügung die Nationalliberalen Ende 1877 
verweigert hatten. Niemals fonft hat er fih fo rüdfichtslos 
als Realpolitifer gezeigt, niemals aber auch jo fehr die Ers 
fahrung machen müflen, daß eine Politif, die bisher hoch⸗ 
gehaltene Ideen kurzweg preisgibt, um materiellen Gewinn 
zu ermöglichen, fich leicht um bie Mitarbeit der beften Kräfte der 
Nation bringt, und ftatt einigend zerfegend, ftatt fammelnd 
auflöfend und flatt begeifternd erbitternd wirkt. Auch die 
Erfahrung blieb ihm nicht erfpart, daß wer folde Wege ein 
ſchlägt, leicht genötigt wird, darauf weiter zu gehen, als er 
eigentlih wollte, da er die zu Hilfe gerufenen Mächte nicht 
beliebig wieder außer Wirkſamkeit jegen kann. Den Ausgangs: 
punkt für dieſes legte Stadium feiner Entwidelung, das ihn 
um manden begeifterten Verehrer und treuen Mitarbeiter 
bringen follte, bilvete der Wunſch, das Reich finanziell ſelb⸗ 
ſtändig zu ftellen und von der wechſelnden Finanzlage der Einzel» 
ftaaten unabhängig zu maden. Dazu follte namentlid das 
Tabalsmonopol dienen, das natürlich nicht möglich war, ohne 
prinzipielen Bruch mit der bisher befolgten gemäßigt freis 
händleriſchen Handelspolitik. Den eingeweihten Kreifen kam 
das freilich nicht Aberrafhend. In Vorausficht diefer Wendung 
hatte bereits im Frühjahr 1876 der bebeutendfte und ver- 
dientefte Vertreter ber bisher im Zollverein verfolgten Handels⸗ 
politit, Delbräd, feinen Abfhied genommen, ein ſchwerer Vers 
luſt auch infofern, als er als Präfident des Reichskanzleramtes 
und preußifher Minifter und als folder bereits 1873 fländiger 


476 Sechſtes Und. Die Jahre der Erfüllung 


Vertreter Bismards im preußiſchen Miniflerium in allen das 
Reich betreffenden Angelegenheiten, wie der vornehmfte Träger 
der Einheit zwifchen der preußiſchen und der Reichspolitik ge= 
wefen war. Aber jo wenig wie mit bem Tabalsmonopol 
drang Bismard mit dem Plan durch, ſämtliche Staate- und 
Privateifenbahnen für das Reich zu erwerben, bas dadurch 
eine erbrüdende wirtſchaftliche Uebermacht und zudem eine für 
die Einzelſtaaten zum mindeften läftige politifh-militärifche 
Poſition gewonnen haben würde. Doch wurbe nun mit der 
Verſtaatlichung der Eifenbahnen in Preußen ſelbſt Ernft gemacht 
und dieſe 1879—82 von Maybadh in weſentlichen Stüden 
gludlich durchgeführt. 

Beſtimmend für das Wachſen ber ſchutzzollneriſchen Neigungen 
bei Bismard war wenigftens zum Teil bie ungünftige wirt 
ſchaftliche Lage, die als natürlihe Reaktion dem Ueberfluß 
der Milliardenzeit gefolgt war. Kandel und Gewerbe lagen da⸗ 
nieder, bie Induſtrie ftodte, Die Landwirtſchaft blieb ohne lohnen⸗ 
den Ertrag, bie Ausfuhr nahm ab: Deutſchland ſchien infolge 
bes bisherigen Handelsfyftems der Ausbeutung durch das Ausland 
preisgegeben. Der Ruf nah Schutz ber nationalen Arbeit erhob 
fi immer lauter, und die ſchutzzöllneriſche Bewegung ſchwoll 
mädtig an. Für Bismard kam dabei vor allem der Gewinn 
in Betracht, der daraus durch Beflerung ihrer Finanzen für 
die Einzelftaaten und damit für bie Fefligung des von ihnen 
finanziell unabhängig zu ftellenden Reiches gemacht werben 
Tonnte. Nun gingen aber gerade über biefe wirtichaftlichen 
Fragen innerhalb der großen politifhen Parteien die Meinungen 
weit auseinander, und nur das Zentrum bewährte ſich aud 
bier gegenüber dem fortfchreitenden Zerfall ber anderen als 
feftgeichloffene Einheit. Deshalb gründete Bismard feine Aktion 
im Reichstage auf biefes und vollendete dadurch den Bruch 
mit ben Liberalen. Das neue Zollgeſetz vom 15. Juli 1879 
wurde mit Hilfe des Bentrums und der Konfervativen durch- 
gelegt, und auch das nur, nachdem durch Gewährung von 
fogenannten föberativen Garantien finanzieller Art an bie 
Einzelftaaten dem Partikularismus nicht unbebenklihe Zuge: 
ſtändniſſe gemacht waren. Als Preis aber für ihre Hilfe dabei 


IV. König Wilhelms lehtes Jahrzehnt. 477 


bemilligte Bismard der nun vollends ausſchlaggebenden katho⸗ 
liſchen Partei in Preußen eine Revifion der Maigefege, das 
heißt die Beendigung bes Kulturkampfes durch Nachgeben des 
Staates. 

Die umftändliche, ftreng juriftifch ſyſtematiſche Gefeggebung 
Falls und feiner Mitarbeiter, die dem Wefen der gegebenen 
Verhältnifie nicht überall Rechnung trug und daher unerwartete 
Schwierigkeiten hervorrief, hatte ben ungeduldig vorwärts 
drängenden Sinn des Kanzlers ſchon lange enttäuſcht. Er 
meinte jegt die Interefien des Staates genügend wahrzunehmen, 
wenn er ihm den firhlihen Anſpruchen gegenüber eine ſtarke 
Defenfivftellung ſicherte, hielt es aber nad) ben bisher gemachten 
Erfahrungen für unpolitif, um eines Prinzips willen ſich in 
allen Einzelgebieten auf eine endgültige Auseinanderfegung 
mit ber Kirche einzulafen. In dem Nulturlampf ſah er 
jegt einen Fehler, für den er nit ganz im Einklang mit 
den Thatfahen Falk und deſſen Gehilfen verantwortlich zu 
machen Luft hatte, bie nad feiner Meinung allzu juriſtiſch 
und fo wenig politifh gedacht haben jollten. Was bei einer 
Fortfegung im beften Fall zu gewinnen war, erſchien ihm uns 
bebeutend gegenüber ben Gefahren, welche die davon untrenn- 
bare fortſchreitende Zerreißung des deutſchen Volkes für bie 
junge Einheit mit fi) zu bringen drohte. Diefe zu erhalten, 
gab er in Preußen die Maigefege daran. Für unentbehrlich 
hielt er von diefen die Befeitigung der Verfafiungsartifel 15, 
16 und 18, die Rampfmittel gegen den Polonismus und vor 
allem die Herrſchaft des Staates über die Schule. In ihrer 
Behauptung fah er immer noch einen wertvollen Siegespreis 
im Vergleich mit den Zuftänden vor Ausbrud des Kampfes. 
Im Zuli 1879 trat Falk zurüd. Als ftreitbarer Gegner der 
römischen Hierarchie hochgeſchätzt und für eigentlich unentbehrlich 
gehalten, galt Falk auch den gemäßigt Konfervativen in Bezug 
auf die evangelifhe Kirchenverfaſſung und das Unterrichts- 
weſen ſchon lange nit mehr ala das Ideal eines Kultus- 
minifters. Auch fie fanden, daß er und ber von ihm berufene 
Präfident bes Oberlirchenrates, Hermann, ber pofitiven Richtung 
viel zu wenig Rechnung trugen, ein Bedenken, das namentlich 


478 Sechſtes Bud. Die Jahre ber Erfüllung. 


aud) der König teilte, fo daß die evangeliſchen Orthodoxen 
im Bunde mit den Frommen am Hofe, an dem ber fhlicht 
bürgerlihe Mann fi ohnehin nicht zurecht fand, mit wachſen⸗ 
dem Erfolge feine Stellung planmäßig untergraben konnten. 
Der Scheidende, den außerorbentlihe Sympatbiebezeigungen 
feitens der Liberalen begleiteten, wurde durch Herrn v. Putt- 
Tamer erſetzt. Gleichzeitig machten Hobrecht und Friedenthal, 
die Minifter der Finanzen und ber Landwirtſchaft, den Ronfer- 
vativen Bitter und Lucius Plag. Diefer Umſchwung, der an 
Stelle des ihr ſeit 1866 nicht ohne Selbftverleugnung treu 
zur Seite flehenden liberalen Bürgertums Konfervative und 
Klerikale zu Verbündeten der Regierung machte, fand einen 
bebeutfamen Ausdruck aud darin, daß der inzwifchen erft zum 
Oberbürgermeifter von Breslau und dann von Berlin berufene 
v. Fordenbed den feit 1866 unter dem Beifall aller Parteien 
geführten Vorfig im Ahgeorbnetenhaufe (S. 421) nieberlegte. 
Die Kontinuität der politifhen Entwidelung war Damit vollends 
aufgegeben: zu neuen Zielen fuchte Preußen unter dem fo 
gewandelten Bismard neue Wege. 

Die Wendung zum Frieden mit Rom mar erleichtert 
durch das Entgegenfommen des neuen Papftes Leo XIII., der 
zwar bie gleichen Prinzipien vertrat wie Pius IX., aber in ber 
Form mit flantsmännifcher Milde und entgegenfommenber 
Verſoöhnlichkeit. Eingeleitet wurde ber entſcheidende Schritt 
von Bismard, der bie päpftlice „Frage“ jetzt als eine rein 
preußifche anſah, perſönlich durch Verhandlungen mit ben 
pãpſtlichen Nuntien Mafella in Kiffingen (1878) und Jakobini 
in Gaftein (1879). Auf Grund des daburd erzielten Einver: 
ftändniffes über die Art des Vorgehens wurde im Mai 1880 
dem Landtag ein Gefegentwurf vorgelegt, der die Anwendung 
ober Nihtanwendung wichtiger Beitimmungen der Maigefege 
für jeden einzelnen Zal in das Belieben der Regierung 
ftellte, dieſer alfo außerordentliche biskretionäre Vollmachten ges 
währte. Bei dem Mangel jeder Bürgihaft für die Art des 
davon zu machenden Gebraudes ſtieß er auf lebhaften Wider- 
ſtand und wurde erft nad} langen und ftürmifhen Verhandlungen 
nur in wefentli abgeſchwächter Faflung angenommen. So— 


IV. König Wilhelms Iehtes Jahrzehnt, 479 


wohl die Rüdberufung ber abgefegten oder geflüchteten Biſchöfe, 
wie die Siftierung ber ſtrafrechtlichen Beſtimmungen, nament- 
lic) derjenigen gegen den Mißbrauch der kirchlichen Strafgemalt, 
blieben dem Belieben der Regierung entrüdt. Aber auch fo 
bewirkte das Geſetz vom 14. Juli 1880 eine wejentliche Beſſe— 
tung in ber Lage der Kirche. In zahlreichen feit längerer Zeit 
ihrer Pfarrer beraubten Gemeinden wurde die Seelforge wieder 
georbnet und durch Neubefegung ber durch Todesfall erledigten 
Bistümer mwenigftens in dieſen eine kanoniſche Diözefanvers 
waltung ermögliht. Nachdem dann im Frühjahr 1882 dur 
die Ernennung bes gemwanbten und mit ben vatifanifhen 
Dingen vertrauten v. Schlözer zum Gefandten bei Leo XII. der 
diplomatische Verkehr mit der Kurie hergeftellt war, machte die 
Verftändigung ſchnelle Fortſchritte. Noch weitergehende Zu: 
geftänbnifie machte der Kirche 1882 ber Kultusminifter v. Goßler, 
geftügt auf das Bündnis des Zentrums und ber Konfervativen. 
Letztere fympathifierten offen mit bem römifhen Kirchentum 
und hatten bereit# auf ber erften ordentlichen Generalfynode, 
die im Herbft 1879 auf Grund der von Falk der evangelifhen 
Kirche gegebenen Verfaflung tagte (S.467), unter Führung ber 
hochkirchlichen Hofprediger in durchaus hierarchiſchem Geifte auch 
die evangeliſche Kirche auf Koſten des Staates in weſentlichen 
Punkten ſelbſtändiger geſtellt. Nach ihrer Meinung mußte, 
was in dieſer Hinſicht Rom recht war, ihrer Kirche billig ſein. 
Nun wurden durch Geſetz vom 31. Mai 1882 nicht bloß die 
der Regierung 1880 erteilten diskretionären Vollmachten vers 
längert, ſondern auch den wegen Wiberftands gegen die Staats- 
geſetze rechtmäßig verurteilten Biſchöfen die Rüdkehr auf ihre 
Sige geftattet und das Maß der von den jungen Geiftlicden 
von Staats wegen zu forbernden allgemeinen Bildung bedenk⸗ 
lich herabgeſetzt. Auch verzichtete der Staat auf das Recht zur 
Ernennung von Pfarrern für die von dem Biſchof unverforgt 
gelafjenen Gemeinden. So war bald eine allgemeine Reftauration 
im Zuge und kam ſelbſt einigen von den durch Sprud bes 
Staatsgerichtshofes abgefegten Biſchöfen zu gute. Nur in Pofen 
wurde ber befonbers ſchwer Fompromittierte und in leidenſchaft⸗ 
licher Agitation verharrende Lebohomsli durch den Königss 


480 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


berger Propft Diner erfegt, einen polnifch ſprechenden Deutfchen, 
der aber feinem Klerus gegenüber bald in eine fehwierige Lage 
geriet und fi im vergeblihen Ringen um Verſöhnung unauss 
gleihbarer Gegenfäge aufrieb. Aber auch die Erneuerung der 
Streitfrage über die gemifchten Ehen durch ben Breslauer 
Biſchof Herzog machte die Regierung nicht irre in ihrem Werben 
um Frieden mit ber Kirche. So weit ging fie darin, daß fie 
dem Papfte, mit dem der Kaifer bereits freundſchaftlich 
Torrefpondiert hatte, den Schiedsfprucd übertrug in dem durch 
die Befegung der Rarolinen entftandenen Streit mit Spanien. 
Es entfprad der immer ausgeprägter ftreng kirchlichen Richtung, 
die in Preußen die Herrfhaft gewann, daß ber proteftantifche 
Staat auf diefe feinem Anfehen doch wahrlich nicht dienliche 
Weiſe die moralifhe Autorität bes römifchen Biſchofs vor aller 
Welt feierlich als auch ihm übergeorbnet anerkannte. 

Einft hatte Bismard unter dem Jubel der Liberalen und 
der Evangelifhen erflärt: „Nach Canofja gehen wir nicht." 
Dürfte man annehmen, er habe von dem, was 1077 in Canofja 
geſchehen, eine hiſtoriſch richtige Vorftellung gehabt und fei 
nit in dem Irrtum befangen geweſen, der darüber auch 
heute noch gemeinhin herrſcht, habe alfo gewußt, daß Heinrich IV. 
dort fi perfönlich gedemütigt, um das Anfehen der beutfchen 
Krone und die Freiheit Föniglihen Handelns für ihren Träger 
zu retten, fo würde man zugeben können, daß er fein Wort 
eingelöft habe. Doc; verband wohl auch er mit diefem Namen 
die Vorftelung von einer Demütigung des Staates durch Preis: 
gabe als unantaftbar erflärter ſtaatlicher Rechte gegenüber 
der Hierarchie. Dann aber läßt fi doch die Thatſache nicht 
wegleugnen, daß er jenem Schlagwort nicht nachgekommen ift, 
fondern der Kirche Zugeftänbniffe gemadt hat, die mit dem 
Standpunft unvereinbar bleiben, von dem aus er in Gemein- 
ſchaft mit Falk den Kulturfampf begonnen hatte. Auch jein 
begeiftertfier Verehrer wird es als einen verhängnisvollen 
Irrtum des großen Realpolititers bezeichnen dürfen, wenn er 
fein Werk, weil die liberalen und nationalen Parteien ſich 
ihm für den von ihm geplanten Ausbau einzelner Teile vers 
fagten, ihnen zum Trog in der von ihm nun einmal gewollten 


IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 481 


Geſtalt dadurch zu fihern dachte, daß er fi mit einer Partei 
verband, die ihrem Wefen nach ebenjo antiliberal wie anti- 
national ift und alle Zeit bleiben wird. Einen proteflantifchen 
Staat mit Hilfe einer von Rom aus geleiteten, wenn aud) 
diefem nicht in allen Stüden gehorjamen Partei zu regieren, 
iR auf die Dauer unmöglid und muß früher oder fpäter zu 
einer inneren Kriſis führen, welche die Einheit ernfier gefährdet, 
als es ber Rulturlampf in feinem heißeften Stadium gethan 
batte. Hat doch die Folgezeit bereits gelehrt, daß fo dem 
Polonismus, den zu vernichten Bismard ben Kampf gegen 
Nom namentlih begonnen haben will, immer neue Kräfte 
zugeführt und immer neue Mittel wirkfamfter Agitation zur 
Verfügung geftellt werben. 

So wurde denn die dem Staate durh die Maigejege 
gegebene ftarfe Defenfivftelung in den nächſten Jahren vollends 
entfeſtigt. Im Jahr 1883 wurde das finatliche Recht des 
Einſpruchs gegen die Ernennung von Pfarrern durch den 
Biſchof aufgegeben mit Ausnahme der Fälle, wo es fih um 
fiiftungsmäßig dauernd zu befegende geiftlihe Aemter handelte. 
Im Mai 1886 wurde die Prüfung abgeihafft, durch melde 
die angehenden Geiftlichen ein ſtaatlich verlangtes Map all- 
gemeiner Bildung nachweiſen follten, und die Errichtung geift: 
licher Rnabenfeminare und Konvikte freigegeben, auch die Bes 
rufung von ben Entſcheidungen geiftlicher Behörden an den 
Staat beſchränkt und das Leſen ftiler Mefien und die Ers 
teilung der Sterbefaframente für ſtraflos erflärt, endlich den 
ber Krankenpflege gewibmeten Orden größerer Spielraum ein» 
geräumt. Erſt nad ſolchem Entgegenlommen bes Staates 
erkannte die Kurie ihrerfeits bie Verpflichtung der Biſchöfe an, 
von den durch fie vorgenommenen Ernennungen von Pfarrern 
der Stantsbehörbe Anzeige zu machen, und dafür wurde ihr eine 
weitere Reviflon ber Maigefege ausdrüdlich zugefagt. Sie er- 
folgte durch das Geje vom 29. April 1887. Danach behielt 
der Staat ein Einſpruchsrecht nur gegen die Anftellung ſolcher 
Geiſtlichen, gegen die bürgerliche Bedenken vorlagen, verzichtete 
auf den Zwang zu dauernder Befegung ber Pfarrämter und 


gab den Gebraud der Firhlihen Zuchtmittel im rein veligiöfen 
Brus, Preubiige Geiäläte. IV. 


482 Sechſtes Bud. Die Jahre der Erfüllung. 


Gebiete uneingeſchränkt frei, ftellte auch die Zulaſſung folder 
Orden, die fi ber Aushilfe bei der Seelforge, chriſtlichen 
Liebeswerken oder befhaulidem Leben widmen, dem Staats: 
minifterium frei, wie aud die weiblichen Orden wieber zur 
Leitung von Mädchenſchulen zugelafien wurden. 

Die Enttäufhung und Verftiimmung der Liberalen über 
das Zurüdweihen der Regierung im Kulturlampfe war um 
fo tiefer, als eine Nötigung dazu weder in ber auswärtigen 
nod in ber inneren Politit vorlag, ihr Zwed vielmehr nur 
der war, durch eine veränderte Gruppierung der Parteien wirt- 
ſchaftliche Pläne durchzufegen, die ein großer Teil der Liberalen 
ſchon deswegen befämpfte, weil fie zu Mebrbelaftung bes kleinen 
Mannes und größerer finanzieller Unabhängigkeit der Regierung 
ber Volfsvertretung gegenüber führen mußten. Andererſeits 
war das Sentrum nicht gemeint, das ber Kirche bisher Zu- 
geftandene als ausreichenden Lohn für feine Hilfe gelten zu laſſen, 
und begann alsbald eine planmäßige Agitation zur Erweiterung 
der kirchlichen Rechte auf Koſten des Staates. Namentlich 
fuchte es unter Führung bes unermüdlichen und ftets ſchlag⸗ 
fertigen Windthorft immer von neuem bie Kirche dadurch 
zur Herrin der Schule zu maden, daß allein die Geift- 
licjfeit den Religionsunterricht zu erteilen berechtigt fein follte, 
ſtieß damit aber doch bei der Regierung und den Liberalen 
auf entſchiedenen Widerftand. Das leiftete auch der Ausbreitung 
bes Bolentums Vorfhub, das die Herrſchaft der deutfchen Kultur 
in den öftlicden Provinzen mit Hilfe mafjenhafter Zuzügler aus 
Ruffifg: Polen planmäßig befämpfte. Diefer Einhalt zu thun, 
wurben 1885 die Fremden polnifcher Nationalität von bort 
in Menge ausgewiefen, was natürlich nicht ohne Härten und 
Nechtsverlegungen im einzelnen abging. Das führte zu einer 
Art von Konflikt zwifchen Preußen und dem Reichstage. Denn 
obgleich die Angelegenheit nit zur Kompetenz bes legteren 
gehörte, wurde fie trog ber Abmahnungen der preußifchen 
Regierung von dem Zentrum im Bunde mit der Fortſchritts⸗ 
partei, den Sozialdemokraten und Polen dort zur Sprade 
gebracht und eine Art von Tabelsvotum gegen Preußen durch» 
gefegt. Der üble Eindrud des Zwiſchenfalls wurde doch dadurch 


IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 483 


kaum gemindert, daß das Abgeordnetenhaus für die Regierungs- 


maßregel eintrat, und Bismard mußte erkennen, weſſen er fi 
unter Umftänden von feinen neuen Bundesgenofien zu verfehen. 
hatte. 

Der augenfälligfe Erfolg diefer legten Wandlung Bis- 
mards, welche den Schwerpunkt der Politik in die wirtichaft- 
lihen und finanziellen Fragen legte, war die fortſchreitende 
Zerſetzung ber älteren großen Parteiverbände, mit Ausnahme 
des Zentrums auf der einen und der Sozialdemofraten auf: 
der anderen Seite. Ohne foldhe aber ift auch für den that- 
kräftigften Staatsmann eine ftetige, ſich in logiſcher Konſequenz 
entwidelnde Politik auf die Dauer nicht möglich. Nicht allein 
in weiten Kreifen bes liberalen Bürgertums, fondern felbft 
unter den zur Mitarbeit an der Staatsleitung berufenen 
Beamten wurde man foldem Wechſel gegenüber zweifelhaft, 
was eigentli das von der Regierung unter allen Umftänben 
Gewollte jei, und trat ihr bei den Wahlen und anderen Ge- 
legenheiten bald in diefem, bald in jenem Punkte mehr ober 
minder offen entgegen. So ergab fih aus ber Disharmonie 
zwifchen preußifcher und deutſcher Politit und dem Vorwiegen 
einmal kirchlicher und konfeſſioneller, dann wieder wirtfchafts 
licher und finanzieller Gefihtspunfte, die alle gleihmäßig den 
nationalen Interefien dienen follten, eine bedenkliche Loderung 
der alten Disziplin des preußifchen Beamtentums, die den Fort: 
gang der inneren Entwidelung Preußens gefährden konnte. 
Dem trat Bismard entgegen dur einen Töniglihen Erlaß 
an das Staatsminifterium vom 4. Januar 1882. Derjelbe 
brachte die altpreußifchen ſtrengmonarchiſchen Prinzipien und bie 
Autorität des Königtums nahbrüdlih in Erinnerung und 
konnte aufgefaßt werden als ein ſcharfer Proteft, den das in 
einer großen Vergangenheit wurzelnde und feiner daraus ent- 
fpringenden Rechte und Pflichten bewußte Königtum einlegte 
gegen den Einfluß der parlamentarifhen Körperſchaften, den 
die Verhältniffe ber legten Jahre auch in Preußen gefteigert 
und Bismard felbft für feine Zwede benugt hatte. Er bes 
feitigte zugleich die gefliffentlich verbreitete Meinung, als ob 
es fi bei gewiſſen viel umftrittenen Regierungsmaßregeln nicht 


484 Sechſtes Buch. Die Jahre der Erfüllung. 


um Ausflüfe des königlichen Willens handle, fondern um 
Willensakte der vom König mit ber Leitung ber Geſchäfte bes 
trauten verantwortlihen Minifter, und ftellte die Einheit des 
Willens des Könige und der Minifter, bie angefihts ber 
politifhen Umfchläge der legten Zeit von manden angezweifelt 
war, nad) rechts und links mit aller Entſchiedenheit feſt. Er 
konnte demnach geradezu gelten als eine Reaktion des Alt 
preußentums gegen bas feit der Errichtung des Reiches ent⸗ 
widelte und raſch zu großem Einfluß gelangte Neupreußentum. 
Hieß es darin do: „Die Verfaffung Preußens ift der Ausbrud 
der monarchiſchen Tradition diefes Landes, deſſen Entwidelung 
auf den lebendigen Beziehungen feiner Könige zum Volke bes 
ruht. Diefe Beziehungen laſſen fi) auf die vom König ernannten 
Minifter nicht übertragen; denn fie Inüpfen fi an die Perſon 
des Königs. Ihre Erhaltung ift eine ftaatlihe Notwendigkeit 
für Preußen. .... Es ift Aufgabe Meiner Minifter, Meine 
verfaffungsmäßigen Rechte durch Verwahrungen gegen Zweifel 
und Verbunfelung zu vertreten. Ein Gleiches erwarte ih von 
allen Beamten, welche Mir den Amtseid geleitet haben. Es 
liegt mir fern, die Freiheit der Wahlen zu beeinträchtigen, 
aber für diejenigen Beamten, melde mit ber Ausführung 
Meiner Regierungsafte betraut find und beshalb nad dem 
Disziplinargefeg ihres Dienftes enthoben werden fünnen, er= 
ftredt fi die durch den Dienfteid beſchworene Pflicht auf die 
Vertretung der Politik Meiner Regierung auch bei ven Wahlen.“ 
Es war doch ein bedenkliches Zeichen der Zeit, daß eine ſolche 
Mahnung nötig war, ein bedenklicheres freilich noch, daß fie, 
wie fi im der Folge zeigen follte, nur vorübergehend wirkte 
und bald wieder vergefjen war. 

Zur Zeit, wo dieſer Erlaß erſchien, der die Deffentlichkeit 
um fo lebhafter bejchäftigte, als er zwar von einem richtigen 
Gedanken ausging, aber für eine unanfechtbare praktifhe Durch⸗ 
führung ſchon deshalb große Schwierigkeiten bot, weil dieſe 
bei allen Beteiligten einen Takt und eine Refignation vorauss 
fegte, die immer felten bleiben werben, war das Intereſſe 
aller Kreife bereits aufs höchſte in Anſpruch genommen durch 
eine neue, ebenfo überrajchende wie großartige Wendung der 


IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 485 


inneren preußifhen Politif, eine Wendung, die dem Staate 
und der Geſellſchaft ganz neue Aufgaben ftellte und verheigungs- 
vol auf ein kommendes Zeitalter fozialen Friedens hinwies. 
Die beiden Männer, bie trog ber Grunbverjciebenheit ihres 
Weſens einander wunderbar ergänzend feit zwei Jahrzehnten 
in unvergleihlier Harmonie zufammen gewirkt hatten, um 
Preußen auf die Höhe ber Leiftungsfähigkeit zu erheben und 
an die Spige des in neuen Formen geeinigten Deutſchlands 
zu ftellen, und dann auf ben ihnen aufgenötigten Kampf gegen 
die römifche Hierardie verzichtet hatten, um zur Feftigung ber 
nationalen Einheit bie nad ihrer Meinung allein ficheres 
Gedeihen verheißende Grundlage für eine große wirtſchaftliche 
Zukunft Deutſchlands zu gewinnen, erhoben fi) jegt zu dem in 
diefer Größe noch nie gefaßten Gebanfen einer Verjöhnung 
und Ausgleihung der fozialen Gegenfäge, deren zunehmende 
Verſchärfung eine Gefahr zu werben drohte für den inneren 
Frieden und damit aud für die Einheit und die Macht des 
Neiches. Beide hörten damit auf, bloß politiſch als Staats— 
männer zu wirken: fie ftellten fi) und ihre ungeheure moraliſche 
Autorität in den Dienft der Humanität und formulierten eine 
Aufgabe, an deren Löfung, fol fie aud nur im beſchränkten 
Umfange gelingen, alle Kulturvölter ohne Rüdfiht auf nationale 
Sonderungen und politifhe Gegenfäge gemeinfam werben 
arbeiten müflen, fo daß fie in Angriff zu nehmen allein ſchon 
als ein Schritt zur Sicherung des Friedens auf lange hinaus 
angejehen werben darf. 

An König Wilhelm und feinem Berater, befien Ent: 
widelungs und Anpafjungsfähigfeit gegenüber den neuen Ans 
forberungen ber wejentli durch feine Erfolge herbeigeführten 
neuen Zeit nie verfagten, waren bie Jahre bes Kampfes gegen 
die Sozialdemokratie nit ohne tiefen Eindrud vorübers 
gegangen. Sie verkannten nicht, daß gewiſſe ſoziale Mißſtände 
wohl geeignet waren, die darunter Leidenden zu erbittern und 
zum Kampfe gegen bie beftehende geſellſchaftliche Ordnung 
herauszuforbern. Der Milliarbenzeit mit ihrer Ueberſpekulation 
und Verſchwendung waren ſchwere Krifen und brüdende Not⸗ 
jahre gefolgt, unter denen vor allem bie zu leiden hatten, bie 


486 Sehfte Buch. Die Jahre der Erfüllung, 


vorher von leichtem Gewinn und forglofem Genuß ausgeſchloſſen 
geblieben waren. Dazu kam, daß die Aenderung der Wirtſchafts⸗ 
politil, fo erfreulich ihre finanziellen Ergebniffe waren, doch 
vornehmlih den kleinen Mann traf, indem fie eine beträcht⸗ 
liche Verteuerung ber notwenbigften Lebensmittel herbeiführte. 
Der dadurch genährte Gegenfag zwiſchen arm und reich hatte 
namentli in den Kreifen der Arbeiter, die ſich trog vielfacher 
Beſſerung ihrer Lage noch immer durch die Rapitaliften aus- 
gebeutet glaubten, eine gärende Unzufriedenheit erzeugt, von 
der das ungeheure Anjchwellen der fozialdemokratifchen Stimmen 
bei ben Reichstagswahlen ein erſchreckendes Zeugnis gab, 
zumal bie Attentate von 1878 offenbart hatten, wohin ber 
bier entfefielte Fanatismus fchließlih führen Eonnte Das 
Soyialiftengefeg hatte wohl weitere Ausfhreitungen, aber nicht 
die weitere Ausbreitung der Sozialdemokratie gehindert. Mit 
Nepreffiomaßregeln allein, das war bie große Lehre ber 
erften Jahre des Ausnahmegefeges, war diefer Bewegung nicht 
beizufommen, ber geiftige und fittlihe Momente von uns 
beftreitbarer Berechtigung nit abgeſprochen werden konnten. 
Neben der Unterbrüdung gejegwibriger Agitation zur Unter: 
wühlung ber Grundpfeiler ber beftehenden geſellſchaftlichen 
Ordnung beburfte es, um bier Einhalt zu thun, eines teil- 
weifen Um» und Neubaus diefer Ordnung, um gerechten Be- 
ſchwerden und drüdenden Notftänden ber Minberbegüterten ab- 
zubelfen und diefe dur Erfüllung eines gewiſſen Maßes von 
Mindeftforderungen mit der thatſächlich beftehenden und ja 
nun einmal nicht aus der Welt zu ſchaffenden Ungleichheit zu 
verföhnen. 

Diefen großen Gedanken, der ein neues Zeitalter fozialer 
Entwidelung beraufführen follte, ließ Bismard feinen könig⸗ 
lien Herrn dem preußifchen und dem deutichen Volke und 
der ehrfurchtsvoll laufenden Welt fund thun durch die an ben 
Reichstag gerichtete Faiferliche Botſchaft vom 17. November 1881, 
„allein fein Werk großer Vorausfiht”, wie König Wilhelm 
felbft dankbar bezeugt, der ihm aud auf diefem neuen Wege 
vertrauensvoll folgte und mit Freuden ſah, daß derfelbe auf 
politifh denfende Männer tiefen Eindrud machte. Der König 


IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 487 


erklärte darin, die ſchönſte Krönung aller ihm während ſeiner 
Regierung von Gott beſchiedenen Erfolge werde er darin ſehen, 
wenn es ihm gelänge, durch Hebung der ſozialen Schäden und 
Förderung des Wohls der Arbeiter dem Vaterlande neue und 
dauernde Bürgfhaften bes inneren Friedens zu geben und ben 
Hilfebedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Bei 
ſtandes zu Hinterlafien, auf den fie Anſpruch haben. Die 
Verwirklichung diefes Programms gab die jozialpolitifche Reichs- 
gefeßgebung der nächſten Jahre, deren Hauptſtadien das Kranken⸗ 
Taffengejeg vom 15. Juni 1883 und das Gefeß über bie Unfall- 
verfierung der Arbeiter vom 6. Juli 1884 bezeichnen und die 
fpäter (22. Juli 1889) in dem ungeheuren Unternehmen ver 
Alters: und Invalidenverfiherung der Arbeiter ihren Abſchluß 
fand. 

Auch in dem preußifhen Königtum wurde dadurch eine 
Seite, die zwar der Anlage nad) längft vorhanden geweſen, 
aber nur ungleihmäßig und fozufagen rudweife entwidelt 
worden war, zu voller Entfaltung gebradt. Das wandelte 
auch feinen Charakter in bedeutfamer Weife. War es urfprüng- 
lich der Ausdrud geweſen für einen erft werdenden Staat und 
eine aus Bruchteilen der verſchiedenſten Stämme durch die 
Einheit der Herrſchaft erſt zuſammenwachſende Nation, alſo 
mehr auf die Zukunft gerichtet als eigentlich in der Vergangen⸗ 
heit begründet und daher vorwiegend militäriſch-politiſchen 
Gepräges, fo wurde es jegt auf das engſte mit dem Wohl und 
Wehe des Meinen Mannes verknüpft, und indem es über ihn 
die Schirmvogtei übernahm, zu ausgeſprochen fozialer Bedeutung 
erhoben. Es ſenkte damit eine Menge neuer Wurzelfafern in 
die Tiefe des Vollölebens. Anſätze dazu hatten allerdings 
auch früher nicht gefehlt: Der Schmanenorden Markgraf 
Friedrichs II. (Bd. I, ©. 154) hatte gewiſſe foziale Reform» 
tendenzen verfolgt, Joachim I. beim Kammergericht ausdrüd- 
li einen Anwalt zur Vertretung der Armen beftellt (Bd. I, 
©. 183) und der große König durch bie ftarfe Betonung ber 
fittlichen Pflichten des Königs (Bd. III, S.240) einen ähnlichen 
Weg gewieſen, den feines Vaters derb zugreifender praktifcher 
Sinn von felbft gefunden hatte, während der idealloſe Friedrich 


488 Sechſtes Bud. Die Jahre ber Erfüllung. 


Wilhelm III. erft durch die Not der Zeit fih darauf hatte 
drängen laffen. Erinnert man fih, daß Leopold v. Gerlach 
und Genoffen zur eit, da Preußens Schidfal in ihren Händen 
lag, den Armen und Elenden helfen zu wollen für eine Utopie 
erflärt und ben erften Bourbonen wegen des Verſuches dazu 
verfpottet hatten (S. 309), fo wird man ermeflen, in welchem 
Maße durch diefe Wendung der volkstümliche, man möchte 
faft jagen der demokratiſche Charakter bes das neue beutfche 
Reich tragenden preußiſchen Königtums gefteigert wurde. Es 
kam bamit in ihm ein Zug voll zur Geltung, der im Gegen- 
fat zu dem antiken Königtum und dem für die Entwidelung 
bes modernen Königtums beftimmend und vorbildlich ge- 
wordenen romanifchen, insbefondere franzöfiihen Königtum dem 
germaniſchen urfprünglich eigen gewejen war, aber feit der 
Rataftrophe Raifer Heinrich IV., der im Kampf gegen das Papfts 
tum und bie feudalen Gemalten fi zum Schüger der niederen 
Stände aufgeworfen hatte, mehr und mehr verfümmert und 
allmählich völlig unterdrüdt worden war. 

Neben dem Glanz unvergleihliher Siege, dem Ruhm des 
Einigers feines feit Jahrhunderten zerriſſenen Volkes und bes Be- 
gründers einer ehrfurdtgebietenden Machtſtellung jeines Reiches 
in der Welt umftrahlte jo den Lebensabend König Wilhelms 
und die legte Zeit feines Zufammenwirkens mit Bismard der 
herrlichere und unvergänglidere eines Wohlthäters der Armen 
und Kranken und eines Schügers ber Mühjfeligen und Beladenen 
und bob ihm Hoch über den Lärm des Parteilampfes, der 
gerade in jenen legten Jahren aud in Preußen heftiger als 
feit lange entbrannte. Deshalb wurden die Seite, bie ihm 
zu feiern vergönnt war, wie nie fonft fürftlihe Gedenktage, 
Tage nationaler Erhebung, an denen ein dankbares Volk dem 
Schöpfer feines äußeren und dem treuen Pfleger feines inneren 
Glüdes begeiftert zujubelte. 

Deshalb war der Tag, 9. März 1888, an bem ber 
Greis nad kurzer Krankheit, bis zulegt feiner Herrſcher⸗ 
pflichten eingedenk, die freundlichen Augen flo, ein Tag 
tieffter und mwahrfter nationaler Trauer, um fo tiefer und um 
fo wahrer, ala des Nachfolgers hoffnungslofes Siehtum einen 


IV. König Wilhelms letztes Jahrzehnt. 489 


baldigen weiteren Wandel in Ausfiht Rellte, von dem Richtung 
und Ziel zu erkennen felbft dem getreuen Edardt Bismard un: 
möglich erſchien. 

Das alte Preußen war mit Kaifer Wilhelm dahingegangen ; 
ob das neue Preußen den von diefem verfolgten Kurs einhalten 
würde, durfte bezweifelt werden. Preußen ftand an einer 
entſcheidungsſchweren Wende ber Zeiten. 


Bamenverzeichnig. 


A. 
Aagen 1318. III bi, 91, 129. IV 160, 


beten, SejeimerSegationkrat IV448. 
Abo IV 8 

Accon I 4 ‚00 fi. 

Ach enbach, Minifter IV 472. 
wöttendofen, Saat Baum. von IT 188, 


Kalter, iföof on Prag an 


Adolf Johann, Pfal f 
an Ame — des — 
1119 


f. 
Agricola I 216, 218, 219, 381. 
Fr man, franz. Gefandter St. IV 58. 
a, Herzog von I 240. 
Een, Herzog von Sachſen I 181, 


Alben, Rönig, von Sachſen IV 411. 
— der Bär, Markgraf I 111 bis 


Aihreät I., Markgraf I 117. 

Adreht, Hogmeiiter des Deutſchen 
Ordens, Herzog von Preußen I 97 
bis 109, 179, 186 ff., 220, 223, 
234 ff., 242, 289, 296. II 112, 


118. 

Adret, Erzbiſchof von Magdeburg 
und Mainz I 178, 179, 188, 191, | 
192, 206, 208, 217. 

Abreht, Herzog von Medlendurg I 
82, 83, 194, 205. 

auseet, Herzog von Defterreih I 


breit, Graf von Anhalt I 132. 
Aibreht II., Raifer I 155. II 176, 


Pen von Brandenburg-Rulmbad) 
1228, 224, 234. 





Albrecht, Erzherzog, Stattgalter der 
Peg a 296, 302, 304. Deflerne 
it, erzog von ich 

(1870) IV 438. 

Albrecht, Rabinettörat IV 7. 

Alengon II 342. 

Alegander I., Kaiſer von Rußland III 
365, 368, 369, 371, 878, 380, 410, 
28 419 ff., 450, 473, 481. 1V 22, 


2, 200. 
Almrander II, Raifer von Rußland IV 
359, 457, 4m. 
Alerander IV., Papſt I * ſ 
Alerander V., "gapft I 
Alezei, Zar iü 81, Pr 
eg, Hochmeiſter Dietrih von 
1, 74. 


Altenburg III 127. IV 86. 

Altenhaufen I 200. 

Altenftein, Minifter 8. iherr von 
III 429, 433, 465, 469 ff., 475, 476. 
IV 90, 92, 106, 128, 140, 184, 188, 


190, 204. 

Altfich II 197, 198. 

Alvenöleben, Biſchof Buſſo von I 214. 

Minenateben, Minifter Freiherr von 
III 294, 807, 856. 

Aivendtehen, Finanzminifter von IV 
64, 

Alvensleben, General von IV 388. 

Amalie, Tochter Georg II. von Eng: 
land II 897. 

Amalie, Tochter des Großen Rurfürften 

184. 


Amalie, Schwefter Friedrichs bes 
Großen III 182. 

Amandus I 108. 

Amberg I 282. 

Amerongen, von, Hol. Gefanbter II 
147 r 


Namenverzeichnis. 


Amiens III 872. 

Amſterdam 1983. II 5, 275. III 272. 

Ancillon IV 1, 28, 83, 116, 117, 146, 
168, 164, 199. 

Andernach II 160, 178. 

Andrafiy, ungarifcher Minifter IV 458. 

Andreas II, König von Ungarn I 40. 

Angerburg I 112, 385. III 418. 

Angermünde I 198, 419. 

Angerort I 449. 

Anflam II 50, 58, 227, 368. III 106. 

Anna, ättefte Tochter Joadjim I. I 194, 


204. 

Anna, *9 Sigismund II. von 
Bolen I 

Gemahlin Bfalagef, hör 

Lubwi ige von Reuburg I 

Anna, Gemahlin des Büren Jos 
Hann Sigiämunb I 268, 298, 301, 
803, 808, 318, 815, 825, 331, 381. 

Anna, ruſſiſche Kaiferin III 10. 

Anna Katharina, Gemahlin Chris 
ftian IV. I 267. 

Anna Marie, Gemahlin Herzog Al: 
breit I 220. 

Anna Mario, Gemahlin des Herzogs 
— von Bayern III 175, 179, 


Anna Soppie, Tochter Johann Sigis: 


munds 
Annabur; 7 3. 
Anftett, Staatörat von IV 24, 46. 


Antoinette, Gemahlin Johann Bils 
Helms von Jülih-Rleve I 294. 

Anton, Erzherzog III 368. 

Anton, Bruder Friedrich Auguft II. 
von Sadfen v7 

Anton ulrich von Worfenbükter 1210, 


— IT 399. 

Apragin, ruſſiſcher General III 93. 
Arcid fur Aube IV 58. 

d’Argens, Marquis I 27. III 58, 92, 


9. 
Arndt, Ernſt Morig III 226, 447. IV 
26, 48, 80, 92, 98, 103, 104, 107, 


202. 
Arneburg I 178, 242, 855, 429. 
Arnheim 1 882. 
Arnim, Sand Georg von I 339, 341, 
un 851, 352, 854, 856, 857, 360 ff., 


Arnim, Georg Deilen von III 58, 227. 
Arnim, Miniiter, Freiherr Heineich von 


IV 252, 255, 257, 261, 276, 286. | 





491 


Arnim-Boigensurg, RinifterGrafX.9. 
IV 226, 227, 246, 249 ff., 256, 


265. 

Arnold, Bifhof von Trier IV 211. 

Arnold, Müller III 226, 228, 235, 259. 

Arnäberg I 460. 

Arnswalde I 166. 

Artois, Graf von III 298. IV 60. 

Aſchersleben I 147. 

Alchoff, General IV 261. 

Aspexn III 472, 478. 

After, General IV 102. 

Auer, Lampert Jefuit I 228. 

Auerftäbt III 398, 400. IV 36. 

Auerswald, Oberpräfident Hand Jafob 
von III 487. IV 17 ff., 120. 

Auerswald, inifter Alfred von IV 
232, 234, 260, 274. 

Auerswah, Minifter Rudolf von IV 
262, 284, 274, 308, 327, 336, 844, 


7 fl. 

Kugtburg 1, 1m, 255, 257, 459. III 
138. 

Kuguf, She uefürft Johann Georgs 


— ge m von Holftein II 197. 

Mruguft, Abminiftrator von Magdeburg 
1 101. 

Auguft von Sachſen I 226, 233, 247, 
251, 256, 258, 259, 315. 

Auguft II, König von Bolen II 306, 
u 827, 330, 831, 333, 338, 874, 


ut II, König von Polen II 387. 
38, 88, 111, 153, 154. 
Auguft, Prinz, von Preußen III 446. 
Auguft Wilgelm, Prinz von Preußen 

181. II 387. Ill 79, 84, 98, 249. 
Fan Kaiſerin IV 409, 462, 463. 
217. 
—X IIl 880, 385. 


B. 


Babelsberg, St IV 868, 878. 

Baden IV 4: 

ErmeMere Iv 355, 357, 358. 

Bärwalbe I 115, 117. 

Baifen, Gabriel von I 94. 

Balga 1 54 ff. 

Ball, Hermann Lanbmeifter I 47. 

Balthajar, Jurſt zu Verla I 135. 

Balthafar, Herzog von Sagan I 157, 
164. 


Bamberg III 128, 199, 207, 339, 864. 


492 


Baner, ſchwediſcher General I 351, 
365, 371, 372. 

Barbara, Tochter Herzog Rubolfs von 
Sachſen I 130, 138, 142. 

Barbara, Tochter Ierz g Achills I 
164, 165, 168, 178, 186. 

Barbara, Tochter oahims I. 1282. 

Barby IV 71. 

Sara, Felbmarfchall von II 300, 323. 

Barnim, Herzog von Pommern I 120. 

Barnim X., Herzog von Pommern I 
187 


Bar fur Aube IV 56, 57. 

Bartenftein 1298. II 17, 77. III 416. 

Barthelemy, franz. Bevollmädtigter II 
322. 


Barthoibi, Geheimrat von Il 810, 322, 
347. 
Bafel1 152. II 198. IIT920 ff., 880 ff, 


334, 336, 339, 370. 
Baffano, Graf zu, ſ. Schlid. 


Bathory, Stephan von Siebenbürgen 
und Polen I 255, 256, 290. 
Baucicaut I 68. 


Baugen I 1, 2, 221, 255. III 97, 
88, 108. I , 48. 

Beder, talans iv 208. 

Beckerath, Minifter Hermann von 
IV 282, 265, 276, 279. 

Beeskow I 861. 

Beguelin IV 16. 

Behm, Hofprediger Johann L u 

Belter, Profefior Imm. I 

Bela IV. von Ungarn I % 

Belfort II 198. IV 451. 

Belgrab III 282, 325. 

Belit I 122. 

Bellau, Oberft II 81. 

Belle:Alliance IV 77. 

Belle: 3öle III 15, 19. 

Bendenborf, Karl Friebrih_von I 26. 

Bendenborf, Turfürftlicer Rat 1481. 

Benedendorf, Chriftoph I 286. 

Benebel, öfterr. General IV 412. 

Benebetti, franz. Botſchafter IV 413, 


441 ff., 446. 
Benedikt XIV., Bapft IV 1 
Bennigfen, zuffifcher —X in 418, 
414, 419, 430. 
Bennigfen, R. von IV 850, 428, 472. 
Benzenderg, I. 3. IV 185. 
Berenbs, Abgeorbneter IV 261, 266. 
Berge, Heinrih von dem I 47. 
Bergen, Klofter II 102, 229. 
Bergzabern II 190. 





Ramenverzeihnis. 


Berlin I 114, 120, 121, 181, 182, 

187, 145, 149 ff, 162, 175, 198, 
199, 208, 210, 218, 229, 238, 243, 
245, 246, 248, 251, 271, 279, 282, 
292, 297, 304, 812 fi., 318, 322, 
823, 332, 340, 349 » 362, 
368, 372, 394, 401, 407, 410, 416 f 
II 41, 49, 52, 59, 84, 106, 110 ff, 
115, 116, 119, 140 ff., 144 ff. 154, 
171, 172, 177, 182, 183, 188, 207, 
227, 245, 249, 252, 257, 267, 268, 
275, 299, 801 fi., 315, 317, 819, 
320, 324, 325, 327, 328, 380, 338, 
987, 342, 347, 352, 358 fi., 867, 
871, 375, 376, 397. III 21, 36, 37, 
40, 42, 56, 58, 60, 72, 74, 89, 95, 
102, 108, 108, 109, 115, 117, 122, 
149, 160, 161, 164, 176, 187, 188, 
200, 205, 206, 221, 229, 235, 242, 
273, 281, 296, 297, 300, 801, 30 
304, 818, 321, 334 ff., 338, 
857, 365, 387, 368, 370, 373, 875, 
879, 881, 382, 385, 391, 392, 401, 
405, 481, 447, 450, 451, 457, 458, 
464, 469, 471, 473, 474 fi. IV 5, 
6, 11, 18, 16, 20, 21, 81, 88, 41, 
50, 51, 61, 84, 98, 105, 109, 115, 
122, 126, 140, 149, 152, 153, 160, 
162, 168, 166, 170, 178, 179, 181, 
183, 192, 202, 217, 226, 230, 238, 
241 fi., 254, 256, 260, 268, 265, 
267, 270 fi., 279 ff., 289, 291, 293, 
298, 303, 317, 324, 327, 330, 346, 
348, 353, 400, 409, 418, 419, 421, 
430, 437, 442, 444, 445, 454, 456, 
28, Ey 472, 474, 478. 

Bern IV 84. 

Bernabotte, Kronprinz von Schweden 
III 879, 418, 419. IV 34, 85, 50, 
5l. 

Bernau I 419. 

Bernhard, Seas von Braunſchweig⸗ 
Züneburg I 192. 

Bernhard, Herzog von Meiningen IV 


Bernhard, Seas, von Weimar I 862. 
Bernheim, Dietrich von I 47. 
Bernftorff, Minifter Albr. Graf von 
IV 111, 115, 116, 129, 168. 
Bernftorff, preußifcher Geſandter von 
IV 302, 371, 378, 374, 387, 895. 
Bernuth, Minifter von IV 360, 371. 
Bertrand, Marjhall III 414, 416. 
Beffer, Hofmarjdall II 287, 817. 
Beftufchef:Rjumin, Günftling Clifas 








Ramenverzeihnis. 


beths von Rußland III 26, 42, 60, 
64, 72. 

Bethmann:Hollweg, Miniſter M. A. von 
IV 344. 


Beton, Dberftleutnant II 221. 

Beulwig, Herr von III 206. 

Beurnonville, General 111361,362,866. 

Beuft, ſachſiſcher Minifter IV 425, 
437, 438, 446, 457, 458. 

Beuthen I 188, 134, 394. 

Beyer, Brüder von III 261. 

Beyer, Beneral Guftav Friebrih von 


Beyme, Rabinettärat III 880, 392, 404, 
408, 412, 430, 445, 459, 470, 476. 
IV 88, 96, 128, 131. 

Bialolenta II 26, 27. 

Bialyftod III 423. IV 28. 

Bielefeld IT 241. 

Bingen I 142. 

Biron III 154. 

Biron, Prinz von Kurland IV 455. 

Bifhoffswerder, Dberft von III 257, 
258, 260, 261, 291 ff., 296, 297, 
302 fi, 307, 327, 347, 

Bismard:Schönhaufen, Fürft Otto von 
111 288, 289, 854. IV 238, 254, 
255, 257, 268, 268 ff., 291, 305, 
807, 812, 321, 327 fj., 838, 340, 
eg 847, 351, 352, 375, 378 ff., 


Sittenfeh, General Hermart von IV 
405, 412. 

Bitter, Finangminifter IV 478. 

Blasheim II 192, 194. 

Blankenfeld, Thomas von, Bürger: 
meifter I 199. 

Blücher, Gebhard Leberecht von III 258, 
388, 398, 401, 403, 413, 480, 472, 
482. IV 83, 35, 36, 41, 50, 51, 
54 ff, 71, 74, 77, 158. 

als Bürgermeifter Bartholomäus 


—A Biſchof Georg von I 199, 


Joachim Friedrih von 
1899, 400, 402, 448, 457, 458. 
Blnmenthat, Chriftoph Kafpar von 


Bumrohiat, Dierteforer Graf 11348. 

Boberäberg I 168. II 116. 

Bodum: Dolffs, Oberregierungsrat von 
IV 389, 393. 

Bodelſchwingh, Winifter €. von IV 
227, 342 ff. 254, 263. 





493 


Bodelſchwingh, Finanzminifter K. von 
IV 387. 


Boden, Minifter von III 6. 

Boeckh, Profeſſor Auguft IV 140, 324. 
Boehm, Profeffor Johannes II 118. 
Bögow I 457. II 110. 

Bogislem, Herzog von Bommern:&tolp 


— Herzog von Pommern⸗ Wol⸗ 

ga 

Bogislaw x von Pommern:Stettin 
1165 ff. 174, 175, 187. 

vegglap —F von Pommern 1349, 
350, 372, 381. 

— III. von Polen I 42, 60. 

Boleslaw, Herzog von Liegnig I 114. 

Bologna I 100, 153, 182, 190, 205, 


208. 

Bomſtorff, Raubritter Hans I 184. 

Bonin, Freigerr von II 12. 

Bonin, Rinifter Ed. von IV 265, 328, 
344, 864, 365. 

Bonn II 158, 178, 291, 295, 821. 
IV 90, 92, 93, 187, 202. 

Bopp, Sprachforfher Franz N 178. 

Bord, Johann von der I 381 

Borde, General und Staateminifer 
von II 352, 360. III 26. 

Borde, Gefandter von III 11. 

Bornhöved I 114. 

Boromsti, Biſchof 2. E. IV 182. 

Borftel, General 8. 9. 2. IV 2, 38. 

Borwin, Wenbenfürft I 114. 

Bothe, Oberft I 876. 

Bourbaki, franz. General IV 451. 

Bournonville, öfterr. General II 168, 
190 


Boyen, Winifter General 9. von III 
448. 6, 11, 12, 25, 62, 64 ff, 
82, 88, 88, 96, 98, 120, 131, 203, 
215, 221, 225, 861. 

Brahe, Margarete von II 219. 

Brand, Rriminalrat III 441. 

Brandenburg (Stadt und Bistum) I 
110, 112 ff., 119, 123, 131, 145, 
158, 154, 190, 197, 199, 273, 332, 
= 894, 419. II 216. IV 261, 


granbenburg (am rifgens Haff) 11285. 

Branbenburg, Graf Fr. W. von 128. 
IV 265, 268 ff., 280, 28, 286, 
287, 290, 293, 297 ff. 

Brandt, kurfürſilicher Gefanbter von 
II 94, 96. 


Braun, Abgeorbneter IV 428, 486. 


494 


Braunau III 190. 

Braunsberg I 78. II 41, 89. 

Braunfchweig III 186, 242. IV 486. 

Breda I 882. 

Bredow, Liporius von I 285. 

Bregenz IV 297. 

Breiſach II 198, 201. 

Breitenbad, Georg von I 213. 

Breitenfelb I 856. 

Bremen I 440, 458 ff., 462. II 48, 
59, 225, 226, 228, 229, 367. III 366. 

Brendenborf, Geheimrat von III 137. 

Brenn, Regierungspräfident von IV 
160. 


Breslau I 98, 140, 282. II 111. III 
11 ff., 21, 33, 48, 96, 97, 99, 115, 
129, 194, 848, 404, 411. IV 13, 16, 
19, 21, 25, 26, 28, 29, 32, 40, 50, 
90, 122, 124, 175, 187, 194, 206, 
208, 211, 230, 256, 265, 271, 478. 

Brieg I 292, 265. III 11, 411. 

Brienne I 448. IV 54. 

Briesmann, Johann I 108, 199, 

Briegen I 122. 

Brig II 352. 

Brodhaus, Verleger IV 185. 

Brodgaufen, Gefanbter von III 455, 


—8 u 282. 

Brömfebro I 434. 

Broglie, Marſchall III 23. 

Bromberg II 47, 50, 60, 71, 248. 
III 170, 318. 

Bronzell IV 301. 

Öftere. Feldmarſchall III 11, 
83 ff, 90, 91. 

Brühl, ſächſ. Minifter III 29, 64, 72, 
73. 

Brüpl, Graf, Sohn des Minifterd III 
257, 261. 

Brühl, Graf IV 208. 

Brünn III 380. 

Brüffel 1 287, 294. IT 169. III 374. 

Brunn, Balthafar von 1 406, 407. 

Bruno von Querfurt I 42. 

Brzesc I 98. 

Bubna, öfterr. Geſandter Graf IV 89. 

Bucer, Martin I 214. 

Bud, gehann von I 259. 

Bud, Reifemarfhall d. S. von II 235. 

Buchholz II 285. 

Buchholzer, Gen! 208, 251. 

Buchner, Probft Georg I 211. 

Bubberg, tuff. Minifter III 416. IV 





Ramenverzeihnis. 


Budweis III 27, 30. 

Büberih II 146, 151. 

Bülow, Bifhof Dietrid von I 190. 

Bülow, Finanzminifter von III 478. 
V 88, 86, 87, 141. 

Bülow, General Fr. W. Freiherr von, 
Graf von Dennewig IV 6, 8, 15, 
21, 83, 35, 50, 51, 58, 59. 

Billow: Freie €. von IV 229, 


262, 
Büton De FA 122, 206. III 165. 
Suhenfagen D I 189. 
ugenhagen 1 
Sunfen, Gefanbter Chr. 3. von IV 
183, 188 ff, 207, 255, 813, 328. 
Bunzelnig HI 132. 
Buol, Graf 1V 99. 
Yurgau, Maztgraf Karl von I 295. 
Burgsborf, Dberfammerherr X. von 
1 359, 375, 391, 392, 397, 400 ff., 
416 fj., 422 ff., 432, 436, 437, 489, 
441, 448, 453, 455. 
Burgsdorf, Ghreniig von I 417. 
Burleräborf III 1 
Bute, Lord III CH 122 fi. 
Bylandt, Heinrih von I 287. 


€. 


Caillard, franz. Gefandter III 338, 
847, 356, 357. 

Calcar II 124. 

Calonne, Minifter Graf III 298. 

Camenz I 168. 

Camphaufen, Minifterpräfident Lubolf 
von IV 232, 284, 256, 274, 279, 
280. 


Garpheufen, Binenpinfier Dito von 
4 

Canitz, —— Freiherr von II 
317. 111 58. 

Cannä Fi 119. 

Canofja IV 480. 

Canftein, Raban von II 108. 

Canterbury IV 825. 

Carmer, Minifter von III 140, 227, 
229, 231, 253, 265, 266. 

Champagny III 461. 

Shampaubert IV 55. 

Charlotte, Raiferin von Rufland, geb. 
—* von Preußen III 446. 


Saseengug II 317, 379, 885. III 
250, 4 
Chnanach Fran. Bevollmãchtigter 1348. 


Namenverʒeichnis. 495 


Chatillon IV 54 fi. 

Chaumont IV 57, 60, 76. 

Chemnitz, Martin I 258. 

Chemnig IV 414. 

Thium IV 412. 

eh Künftler D. N. II 255. 
Choiſeul TIT 118. 

Ctorin Eifterzienferklofter I 114, 117. 

I 108. 


Pr III 20, 36. 

Chriftburg I 94. 

Chriftian von Dliva I 42. 

Chriftian I. von Dänemarf I 164. 

Chriftian II. von Dänemark 199, 187, 
189, 198. 

Spriftian III. von Dänemart I 283. 

it jan IV. von Dänemark I 832, 
355. 

Chriftian V. von Dänemart II 226. 

Chriftian IX. von Dänemart IV 401, 


403, 405. 
Shriftian L, Rurfürft von Sadfen I 


Epriftian IL., — von Sachſen 
1295, 303, 307, 310. 
Shrition von Anhalt 1263, 302, 308, 


ln, Lohn Johann Georgs I 266, 
3, 274. 

ran, Herzog von Auguftenburg 
327. 

eorifien Auguft von Holftein:Gottorp 
367. 


Sorifien Wilhelm, Sohn Joahim 
Friebrih® I 274, 288, 299, 805, 
321, 831, 851, 358. 

Chriftine, Königin von 11 geben I 
357, 414, 415, 481. II 271. 

Chriſtoph, Fürft zu Berta 1185. 

Ciam, General IV 115. 

Elaufewig, General Fr um 186. IH 
408, 443. IV 8, 

Sieg, Delta von IV 868. 


apft I 
Glerfait, HA; General III 385. 
Cleve IT 135. 
Enyphaufen, Minifter Freiherr von 
II 352. 
Gobenzl, Graf III 187, 310. 
Gocceji, Samuel von III 47 ff., 58, 
54, 226, 227. 
Säleftin, Sofpreiger Georg 1 251. 
Colmar Il 198 
Colomb, General von IV 258. 
Commentone, päpftlicher Nuntius J 227. 





Conde, franz. Feldherr II 139, 186, 
192, 206. 
Gormeltut, Hiftorienmaler P. von IV 


— Theologe Ehr. I 251. 

Sorvey II 144. III 370. 

Cotta, Buchhändler IV 152. 

Coulaincourt IV 48, 46, 55 ff. 

Courbiere, General III 412, 420. 

Cramer, of. Friebr. II 843. 

Erell, Kanzler Nitolaus I 260, 264 

Srögug, Rarfgall II 241. 

Creug, Generalfontrolleur von IT 350. 

Crodow, von II 143, 146, 147, 150, 
165, 179, 184, 205, 208. 

Cromwell II 279. 

Croy, Statthalter Seriog von II 234. 

Gumberlanb, Herzog von III 86, 98, 98. 

Turhaven II 373 fi. 

Ezornedi, poln. Feidherr II 18, 58, 


54, 84. 
Czaslau III 20. 
Gzernitfehew IIT 115, 125. 
Gzeräti, Geiftlicher IV 212. 
Gyerminst I 86. 


D. 


Daber, Schloß I 167. 

Dad, Dichter Simon II 118, 287. 

Dadjftein II 201. 

Dachtow II 220, 221. 

Dafenfet, „Drendmarfgalt Siegfried 
von I 

Dabimann, ‘x. hr. IV 202. 

Dalberg, Freiherr von III 207, 820. 

Dalwig, Infanterieregiment von II 

221. 


Damm I 450. II 50, 58, 227, 242. 

Dammgarten II 58, 226. 

Danbad, Ynquifitor IV 105. 

Daniels, Präfident 9. 6. W. IV 132. 

Dantelmann, Eberhard von II 261, 
265, 298, 294, 296, 298 fj., 305, 
306, re 318, 315, 322, 324, 334, 
386, 842, 348, 346. 

Danteimanı, Rit. Barthol. II 305. 

Dankelmann, Minifter von III 145. 

Dannenfeld II 207. 

Danzig 1 60 ff., 78, 82, 89 ff., 115 ff, 
256, 299. 11 11, 13, 31 ff, 41, 59, 
68, 84, 235, 825, 874. III 42, 165, 
168, 275, 276, 280, 282, 289, 294 ff., 
312, 318, 387, 404, 412, 418, 419, 
420, 423, 451,452, 455. IV 52, 171. 





496 


Darfelb IV 194. 

Generalintenbant Graf II 
450 ff., 457, 458, 464. 

Daun, öfterr. Feldmarſchall II 91, 
101, 108, 104, 107, 108, 110 ff., 
122, 125, 128. 

d Avaur, Graf I 428, 429. 

33 franz. Merfaal I nal, 414. 

Deibrüd, I. 3. 

Delbräd, Mintfter v —8 "25. 

Delft 1 388. 

Demetrius, der — I 292. 

Demetrius, Fürft II 94. 

Demmin II 50, 58, 224, 226, 227, 
868. III 106. 

Zeame —F tfeldmarſchall U 

Derfflinger, eralfeldmarſchat 
17, 15%, 171, 186, 192, 193, 195, 
HJ 216, 219 ff., 228, 283, 249, 


Serftingen, General von II 362. 

Dernburg I 273. 

Deferre, General IV 166. 

Deffau I 188. III 199. 

Dettingen TIT 24. 

Dettweiler II 194. 

Diebitſch, ruf. General IV 8 ff., 163. 

Dieridle, Oberft III 112. 

Dieftermeg, Adolf IV 140, 204. 

Dinber, Erzbiſchof IV 480. 

Dippolbiswalbe III 112. 

Dirfdau I 117. I 11. 

Diftelmeyer, Chriftian 1261, 264, 271, 
275, 304. 


Diftelmeyer, Kanzler Lampert 1220 ff., 
3 238, 239, 246, 251, 259, 261, 


Dokened, Er von I 97. 
Doberan II 285. 

Dobregenäfi II 12, 13. 

Dobrin 149, 85 fi. 

Dönhoff, Graf I 425. 

Dönhoff, Kriegstommiffar Graf U 323. 
Bande, Gräfin Sophie III 250, 804. 


aueh, „Bunbestogsgefonter Graf 

I 

Dörnberg, Doesft von III 471. 

Dohm I rt 

Dohna, — von 1259, 287, 291, 
813, 318, 435. 

Dohna, Friedrich von I 318. 

Dohna, gennibat von 1 337, 342. 

Dobna, eral Chriftian Albert von 
I 154. 





Romenverzeichnis. 


Dohna, Chriftoph von IT 850. 
Dohna, Alexander von II 842 ff., 395. 
Dohna, Friebrid von IT 842, 347. 
Dom, Dberhofmeifter Graf zu 11299, 


ao, General Graf III 101, 102, 


Do, Minifter Graf Alexander IIT 
470, 471, 475, 488. IV 19, 121. 
Dohne, Graf Aug von IV 20, 29. 

Dolgorudi, Fürft IV 14. 

Dommigi I 198. 

Don Carlos II 391. 

Dorenwert I 382. 

Dorothea, zweite Gemahlin des Kur- 
fürften griedrich Wilhelm IL 172, 
176, 235, 246, 265, 285, 298. 

Dorften II 146. 

Dortmund II 162. IV 248. 

Dove, Heinrih Wilh. IV 178. 

Drabeim II 48, 94, 206. III 165. 

Dramburg I 198. 

Dresben I 223, 303, 805, 358, 360, 
866, 372, 443. II 210, 376. III 9, 
15, 19, 24, 35, 36, 88, 68, 64, 78, 
76, 77, 83, 86, 94, 100, 104, 110, 
112, 115, 116, 125, 126, 129, 134, 
154, 206. IV 2, 36, 37, 45, 50, 51, 
72, 241, 280, 306, 307, 834, 396, 
411, 425. 

Driefen (in der Neumark) I 91, 391, 
407. II 207. 

Drontheim IT 55. 

Drofte-Bifhering, Freiherr Kl. A. von, 
bt] gon Köln IV 187, 190, 
192 ff, 208, 209. 

Droyfen, oh art. 18, 7,8. IV 322. 

Duberftabt IE 1 

Düder, General m 372. 

Dünwald, General II 195. 

Düren I 304, 319. 

Düffelborf 1306, 313, 319, 330, 333, 
347, 354, 448. II 168, 888. III 385, 
889. IV 166, 223, 271, 281. 

Duhan, Jacques Egide TI 394. 

Duisburg II 65, 112. III 832. 

Dumouriez, franz. General III 308, 
304, 306. 

Dunder, Mar IV 324, 345. 356. 

Dunder, Franz, Abgeordneter IV 
368. 


Dunin, Fetiſchof von Poſen IV 198, 
194, 


Duroc, General III 373, 401 fi. 
Duwaid, General 1 359, 361. 


Namenverzeichnis. 


E. 


Eberbach III 332. 

Sherftein, Graf I 244. 

Edelsheim. Freiherr von III 118. 
Eduard III, Rönig von England I 79. 
Edzard, Georg Karl III 28. 

ger II 157, 178. III 177. 
Egiöheim II 199. 

hrembreitftein II 178. 

het, KRabinettörat III 86, 41, 42, 75, 


Eiähom, Minifter J. A. F. IV 125, 
132, 151, 203, 204, 209, 210, 212. 
Eihmann, Öberpräfibent IV 246, 265. 

Eichſtadt III 207. 

Einbeck II 269. 

Einen, Superintendent IV 825. 

Elberfeld IV 243, 281. 

Elbing 1 48, 58, 56 ff, 67, 75 ff. 
94, 299, 337. II 11, 18, 45, 47, 
60, 69, 75, 89, 325, 328, 374. III 
158, 159, 163, 165, 451. IV 16, 20. 

Eleonore, agmahlin Joachim Fried: 
rich® I 29: 

Eleonore, Gräfin von Raffau II 141. 

Elgersma, Dedant Rupert I 208. 

Elifabeth, Gemahlin de3 Aurfürften 
Sriebrih I. I 127, 185. 

Etifabeth, Gemahlin bed Kurfürften 
SJoadim I. I 187, 193, 216. 

enfobeih, Tochter Joachims II. 1198, 


eiifaheg, Gemaptin, & Georg Friedrichs 
von Ansbach | 

Eliſabeth, dritte Semagiin Johann 
Georgs 1 250. 

Elifabeth, 2 nomigin mo von England 1258, 
264, 282. 

Ciifabetb, —2* Friedrichs V. von 
der Pfalz 

Glifabeth, Gemahlin Friedrichs des 
Großen II 402. 

Eliſabeth, Kaiferin von Rußland III 
25, 26, 68, 98, 101, 118, 122, 131. 

— von Braunchweig Gemahlin 
Friedrich Wilhelms II. III 249. 

—2 Gemahlin Friedrich Wil: 

Im8 IV. IV 168, 409. 

Ellſabeth Charlotte, Gemaftin Georg 
Wilgelms I 329, 879, 386. 

Eliſabeth 8u Tante des Großen Kur⸗ 


irften 
Ellerfeld, Beiftlicher 1 225. 
Elten, Abtei III 370, 388. 


Prug, Preubiide Seſchichte. IV. 





497 


Elver, Ranatit I 376. 

Emben I 

Emmerich r 30, 356. IT 146, 151. 

Ems IV 441 fi. 

Engelbert, Sohn Herzog Johannes I. 
von Eleve I 295. 

Enphien, 9 von III 376. 

Ente, Mufiter III 250. 

Enfisgeim II 199. 

Enjheim II 191. 

Ephraim, Jumelier Beitel III 189. 

Erbmuthe, Tochter Johann Georgs I 
252. 


Erfurt I 309. II 215. IIT 111, 112, 
120, 364, 368, 370, 395, 398, 401, 
al 463, 465, 466, 481. IV 271, 


282. 
Erih von Braunfchweig, Komtur von 
emel I 105. 
Erich, Erzbifhof von Magdeburg I 
115, 116. 
Eric, Herzog von Braunfchweig I 192, 
193, 224, 237. 
Erich IL, Geraan von Bommern:Stolp 
1.189, 142, 158, 168, 165. 
Erichſon, Guftao, fiehe Lindner. 
Erkrath, IV 166. 
Erigehaufen, dochmeiſter Konrad von 
94. 


ent Erzherzog I 258. 

Ernit, Markgraf, Bruder des Rurfürften 
Johann Sigismund 1800, 802, 803, 
807, 309, 310, 813. 

en, Graf von Mandfeld I 336, 


Pa Markgraf von Jagerndorf I 
401, 405, 406, 418. 

Ernſt II, Herzog von Koburg IV 298, 
850, 85: 


), 855. 
Ernft Auguft, Kurfürft von Hannover 
II 251, 266, 267, 298. 
Senf Auguft, König von Hannover 
163, 165. 
riet, Friedrich Karl von III 286, 
305. 


Espenſe, Graf b’ II 289. 
jen, Abtei III 870, 388. 
jen, General von IV 5. 
mo, Graf d’ III 242. 
Chtingen 1 III 472. 
nr IV, —8* 4. 
gen Bapft 
Eugen, Prinz von Savoyen II 821, 
837, 383, 863, 876, 877, 387, 402, 
408. III 18, 64, 174, 202. IV 397. 
32 


498 


Sugen, Br Prinz von Württemberg III 

, 401. 

Eulenburg, Ninifter Gt Fritz IV 
887, 891, 393, 458, 472. 

Eulendurg, Ninifter Graf "Both Iv 


Suter "II 58. 
en, Schwefter Adams von Trotta 


1 221. 
Eva vn heine, Rerterafin von Wurt⸗ 
Eylert, —— a Gr. 126. IV 182. 


8 


jet II 186. 

een, General Ed. Bogel von 

IV 411, 428. 

Bulk, Aulkudminifter Adalbert IV 462, 

467, 474, 477, 479, 480. 

—E Hoffmann von IV 206. 
hrbellin I 80, 894. II 108, 213, 
214, 31 fi, 230, 285, 287, 281, 


287, 
derver, Geheimzat 3. K. von III 42. 
Ferdinand I., deutſcher Kaiſer I 188, 
20, 209, 212, 217, 226, 227, 282, 


Ferdinand IL, deutſcher Raifer I 321, 
322, 3%. 


Berdinand TIL, deutſcher Raifer I 870, 
399, 411, 444. II 42, 48. 

Ferinund, Erzherzog A 472. 
‚erdinand, Herzog von Braunſchweig 
III 95, 98, 99, 101, 106, 121, 125, 
180, 155, 256. 

Fermor, ruff. General III 10%, 107. 

Beugtmangen, Hochmeiſter Siegfried 
von 168. 

Feuchtwangen II 202. 

Senauitred, franz. Gefanbter IT 208, 


— Joh. Gottl. III 447. IV 110. 
tinenſeli. General Graf A. K. von 


gingenfen, Ninifter von III 74, 94, 
96, 105, 108 fj., 122, 130, 161, 
190, 198, 200, 201, 269, 807, 356. 

Findenftein, preußifger Gefandter 
Graf III 430, 475, 480. 
int, General III 112, 184. 
int, Hofprebiger Salomon I 313. 
iſchhauſen I 348. II 81. 

Hand}, General von II 360. 
latom II 218, 220. 





Namenverzeihnis, 


Flemming, Minifter Graf II 376. 
Steurg, ardinal II 888. III4, 16, 20. 
Flies, General von IV 411. 
loborf, Adrian von I 334. 
Flottweil, Minifter €. 9. von IV 389, 
344, 


, 360. 
Folard, franz. Gefandter III 92. 
Sontainebleau III 126. 
Forkenbeck, Praͤſident von IV 868, 421, 
418. 


Fouchs III 386. 

Fougue, General III_97, 107. 

Frame, Hofprebiger Seinr, 1 207. 

Frande, Aug. 1 860. 

Frankenſtein I 859. m 33. 

Frankfurt a. M. I 7, 127, 171, 204, 
241, 275, 429, 432, 459. 1149, 158, 
159, 190, 258, 337. III 26, 35, 288, 
311, 336, 898. IV 97, 99, 150, 
152 ff., 165, 288, 256, 258, 266, 
267, 272, 279, 280, 282, 294, 296, 
327, 340, 350, 353, 397, 399, 426, 
427, 451. 

Frankfurt a. D. 1114, 145, 166, 177, 
182, 190 fi.. 199, 205, 207, 214, 
228, 234, 247, 341, 852, 361, 362, 
365, 391, 407, 419, 48. 1 57, 
112, 207. 111108, 818, 471. IV 90. 

Franz I., König von Frankreich I 101, 
191. III_66. 


Franz 1, Raifer son Deutfchland LIT 
, 31, 34, 85, 89. 
Franz IL, Raifer von Deutſchland TIL 
808, 305, 310, 314, 325, 891, 473, 

482. IV 41, 48, 52, 108. 
Beam ae Raifer von Defterreich 
318, 349, 358, 899, 405, 418, 


—* 438. 
Frauenberg IIT 30. 
Frauenburg IT 16, 20, 88, 3. 
Freiberg 1. ©. III 126, 182. 
Freiburg (im Breiögau) II 229. III 27. 
reiburg (a. d. Unftrut) II 215. IV 107. 
eiburg (in —88 II 18. 
Freienwalde II 218. 
Seeiligratt, 35 Ferd. IV 206. 
Freiftabt 
Frenzel, Asgeorbneter IV 418. 
egtag, Anton I 328, 
iccius, Major IV 52. 
Fribag, Herr von II 257, 260, 261, 
5, 804. 


Fribericia IV 257, 294, 404. 
Srienentgal, Landwiriſchaftsminiſter 
IV 428. 


Namenverzeichnid. 


Frieberife Wilhelmine, Schweiter König 
Friedrich Wilgelms Fr 2. 
riebland IT 234. III 419. 
riebrih I., Kurfürft von Brandens 
burg 16, 125—147, 172, 175, 187. 
Friedrich IL, Kurfürft 193, 146—160, 
162, ot 182, 185, 198, 228. 


Iv on 

Friedrich i. König von Preußen II 
118, 129, 185, 185, 298, 251, 265, 
289889, 340, 941, 347, 888, 878, 
392. III 158, 250, 316. 

SriedrigMI., der Grohe, König 1,26 ff, 
36, 96. II 304, 318, 841, 394, 399, 
400, 402 fi. II 1—247, 248, 249, 
251, 252, 261, 286, 269, 270, 278, 
275, 289, 297, 307, 316, 318, 324, 
829, 846, 848, 349, 851, 358, 855, 
580, 304, 416, 428, 430. TV 16,81, 


Brierig II. deutfcher Raifer II 48 ff., 


arte I III, deutſcher Kaiſer I 155, 
163, 165, 173, 174. 
ARE, der Schöne, deuticer König 
1 119, 120. 
Friedrich I. von Dänemark I 189. 
Sriebri II. von Dänemark I 259. 
Friedrich V. von Dänemark II 52,881. 
Friedrich VII. von Dänemark IV 400. 
rierig IT. von ber Pfalz I 226, 


Beiehrig IV. von ber Pfalz 1265, 275, 
Aelerig V. von ber Pfalz 1 328, 346, 
Friedrich, Herzog von Sachſen, Hoch⸗ 


meifter I 96, 97. 
Friedrich von Meißen I 120, 142. 
5 Kurfürft 


er von Anstad, Bater Herzog 


Friedrich ungen , Bruber Fried: 
richs II. von Wandenbur T 154. 

Friedrich von Anabach, DI 
Sims 1.1178, an — Ama I 

Friedrich, zweiter Sohn Joachims II. 
Koabjutor von Magdeburg I 27, 
219, 223 ff. 


jebric), Herzog von Holftein 1305. | From 


iebri), Herzog von Holftein II 379, 
380. 





im SJoas | Fritfe 


499 


Berg Series von Auguftenburg 


— 1,6 Herzog von Liegnig:Brieg. 
50. 

Friedrid, Martgraf von Baben II 190,- 
191. 


Friedrich, Prinz von Heffen:Homburg: 
II 215, 219, 220, 222, 223. 

Frledrih, Prinz von Medienburg: 
Schwerin IV 167. 

Friedrich, Prinz. der Nieberfanbe IV 167. 

Friebrid” Auguft IIT., Rurfüft von 
Sachſen (ald König: Auguft 1.) III 
182, 184, 292, 295, 298, 458. IV 
38, 87, 52, 73. 

Beier Chriftian von Bayreuth III 
l 


Friedrich Chriftien, Kurfürft von 
Sadıjen III 154. 
tebrich Heinrich von Dranien I 306, 
347, 432, 489, 440. II 183. 

Beier, Karl von Preußen, Prinz 
T 412. 

Briehri Bilhelm, ber Große Rurfüi 

1m 85, 357, 378—463. 111 bis 
288. 

Friedrich) Wilhelm L, König 126, 84, 
886. II 174, 840—406. III 1 ff., 
28, 50, 68, 166, 211, Paz 255, 
256, 347, 358, 855, 440. 

Friedrich Wilhelm IL, Aönig 11 812. 
III 248—344, 855. 

Friebris Bilgelm IL, an 1a 26, 
29. 1I1 845487. IV 1—1 
208, 213, 312, 861, 487. 

Friedrich Wilhelm IV, König IIT 468. 
IV 197—868, 370, 380, 398, 488, 
434, 459, 467. 

Friebrich Wilpelm, Kronprinz IV 448. 

Sri Zuheim, Kurfurſt von Heſſen 


— gem von Braunſchweig · 


Dels I 4 
—— Fort IT 70, 81, 84. 
iedrihöbbe II 49, 53, 54, 57. 

Frieſac I 139, 134. 

Selen ſachſ. Minifter von IV 425. 

Ih, Freiherr von III 128, 129. 

SFröbel, Friedrich IV 928. 

Öbel, Julius IV 828. 
— Stallmeifter Emanuel von 
180. II 176, 177, 221. 

hold, Kamm. ichtsrat I 482. 

Fuchs Minifter Paul von II 176, 245, 

274, 298, 296, 805, 307, 342. 


500 


Sur Geoblarngter von 111 226, 227, 


90 — Egon von II 196. 
air nberg, Wilhelm von IT 142 ff., 
270. 


Fürftenfee I 117. 

Fürftenwalbe I 128, 361. III 109. 
Füßlin, Hofprebiger Martin 1813, 817. 
Su 111 127, 199, 370. IV 52, 75, 


Zune, jofprebiger Johannes I 107. 
Furnes III 27. 


G. 


Gablenz, öfterr. General IV 413. 

Gabor, Fürft Bethlen I 331, 332, 
836, 839. 

Gadebuſch II, 226. 

Galen, Chriftoph Berngard von II 
102, 138, 161, 210. 

Gallas, Taiferl, General I 374, 429. 

Gambetta, franz. Staatsmann Leon 
IV 451. 

Gartow II 871. 

Sn 116, 159, 164, 166, 167. II 


Saften IV 399, 408, 478. 

Gaubi, Generalmajor von IV 70. 

Gebhard, Erzbiſchof von Köln I 258. 

Gebhard, Juſtus von I 410. 

Gebide, Dompropft Simon 1312, 813, 
315. 


Gebimin, König von Litauen I 70 ff. 
Seifen, Erzbischof von Köln, Johannes 
209. 


Geldern II 140, 142, 143, 821. 

Gennep I 820. II 151, 155. 

Genthin II 216. 

eng, Friedrich von III 352, 391. IV 
109, 151. 

Genua IV 136. 

Sur Suog von Sadjfen I 97, 184. 
188, 194, 211. 

Georg, Sohn Friedrichs von Ansbach 
1 179, 207, 234. 

Georg der Fromme, Markgraf von 
Ansbach I 250. 

Sn ‚Herzog von Pommern I 187 ff., 
19. 


Georg I. von England und Hannover 
1I 374, 379. 

Georg II. von England und Hannover 
11384. IL 11, 16, 17, 19, 28, 24, 
31, 84, 61, 62, 64, 86, 117. 


Ramenverzeichnis. 


Sms III. von England und Hannover 
II 117, 120. 


Georg V., König von Hannover IV 
ll, 489. 

Georg Auguft, Herzog von Schleswig: 
Solfein II 214. 

Georg Friedrih, Markgraf von Ans: 
bach und Bayreuth, Gubernator von 
Preußen 1238, 256, 265, 273, 274, 
282, 286, 290, 291, 298, 301. 

Gn 5 Friedrich, Markgraf von Baden 

305. 


su Sabmig, Kurfürft von Hannover 


Gen! Bitgetm, Rurfürft 184, 85, 303, 
319, 324—377, 378, 379, 384, 385, 
890, 394, 398, 401, 408, 416, 422, 
436, 438. 11.68, 108, 284, 290. 
IT 879. IV 12. 

Gen Bilgelm von Celle II 210, 40, 


Gen 1278, 288. III 400. 

Gran, Graf St. II 147 fi, 175. 

Gerhardt, Baul II 115, 385. 

Geriach, Leopold von IV 182, 204 ff., 
209, 212, 260, 262, 263, 265, 268, 
270, 272, 283, 286, 291, 297, 299, 
806, 809, 312, 814, 318, 320, 322, 
324, 325, 327, 335, 337 ff., 342, 
344, 366, 385, 488. 

Gerlach, Zubwig von IV 280, 263, 

087. 


, 287. 

Germain, St. II 166, 168, 241, 243. 

Germeräheim II 182. 

Gerolzhofen IT 191. 

Geröborf, Landrat von III 222. 

Gervinus I 20. 

Gefenius, Profefior IV 185. 

©eßler, General von III 38. 

Shiälain, St. II 229. 

Gielöborf III 351. 

Gierte, Lanbmwirtfhaftsminifter IV 262. 

Gimborn 1 333. 

Girard, General 1 Fi IV 51. 

Gitſchin IV 48, 4) 

Gtag III 18 ff. 2 31, 32, 39, 107, 
187, 411, 425 

Sleim, 3. @. 2. TIL 106, 149. 

Glogau I 157, 859, 437, 440. 1149. 
Iũ 11, 13, 48, 404, 411, 452 ff., 
462, 472, 474, 481, 482. 


Gneifenau, Generalfeldmarſchall Graf 
NR. von III 411, 420, 443, 447, 
460, 482 ff., 486, 487. IV 1,2, 10, 


Namenverzeichnis. 


18, 28, 38, 40, 45, 50, 54, 61, 62, 
64, 71, 78, 77, 79, 84, 118, 118, 


Basen Generat von IV 170. 
Görig I 

Gorlitz Mr u, 108. IV 73, 412. 
ns, Joſef IV 88, 98, 128, 191, 


u Gefanbter Graf Joh. Euft. III 


est, eneratteutnant von II 48, 
215, 223, 284 ff. 

Goes, Gefanbter von 11 141, 172, 179, 
184, 

Goethe, y Bun. III 148, 285, 236. 

Göttingen IV 

Bögen, — von 1849, 878, 879, 
*8 — 419, 422, 481- 486, 437, 


439, 445. 

Gößen, Oberft von II 218. 

Gögen, Generalgouverneur Graf Fr. 
II 411, 459. 

Goldader, Oberft I 371, 409, 418. 

Gollhofen II 202. 

Golinow I 450. II 242. 

Goltz, Generalleutnant von der II 154. 

Sol, Oberft von der IIT 17, 128. 

Golg, Minifter Graf von der III 280, 
322, 421, 427, 429, 463 ff., 470, 
476, 478. IV 17. 

Golzom 1133, 194. 

Gommern IV 71. 

Gonfiewsti, poln. Feldherr 1138, 42 ff. 

Gonzaga, Zubovico I 295. 

Gortſchatow ruff. Kanzler IV 457, 470. 

Soslar I 460. III 870. IV 75. 

Goßler, Rultusminifter von IV 479. 

Goiha 111 199, 398. IV 282, 411. 

Gotier, Oberhofmarfhall von III 11. 

Govone, General IV 409. 

Grabow, Oberbürgermeifter IV 265, 
266, 421. 

Grammont, Herzog von IV 441, 442. 

Gramzow II 108. 

Grano, Jnquifitor IV 95, 105. 

Granfee I 117. 

Öranvella I 221. 

Graubenz II 11. III 318, 403, 404, 
412, 420, 425, 453, 484. 

Gravel, franz. Gefandter IT 169. 

Srawert, General von IV 2. 

Greetfiel 11 253. 

Gregor IX., Papft I 50. 

Gregor XVI., Bapft IV 166, 190. 





501 


Greifenhagen 1150, 1 we en 1158. 

Sreifämald II 08 34, 235. 

Grey, Dberft I 3 

Srimm, Jatob iz 202. 

Grimm, Wilhelm IV 202. 

Grimnig I 188, 221. 

Grodno III 310. IV 402. 

Gröben, Hauptmann von Schafen D. 
von ber I 29. II 76. 

Gröben, Major von der II 254. 

Gröben, General von der IV 297, 298. 

Grolmann, General von IV 96, 188. 

Grolmann, Kammergerichtäpräfibent 
von IV 208, 221. 

Geobfeichrigenurg II 254. 
Großgöricen IV 36, 87, 42, 45. 

Großjägernborf III 93. 

Großmadenomw I 429. 

Grubenhagen I 241. 

Grüneberg 1 859. 

Grünfeld I 87. 

Grumbad, Ritter von I 283. 

Grumbkoiw, General von IT 174, 847, 
850, 352, 860, 382, 386, 401, 402, 


404, 405. 
Grumbtom, Oberhofmarſchall von IT 
42. 


Gruner, Yuftus von IV 84, 104, 111. 
Guarini, Beichtvater III 29. 

Guben I 199. 

Gueri, Bürgermeifter Dito von IT 


Gumbinnen II 478. IV 398. 

Günther von Schwarzburg, deutſcher 
König I 122. 

Günther, Erzbiſchof von Wagdeburg 
1 132, 133, 188. 

Gügom II 226. 

Sufas Adolf, König von Schweden 
I 321, 323, 330, 882, 336, 842, 
343, 347 ff, 381, 388, 430, 483, 
444. 11 279, 285. III 165. 

Guftav Wafa II 119. 

Guſtav III, König von Schweden III 


274, 281. 

Guſtav IV. Adolf, König von Schweden 
11 378, 410. 

Gutztow, Kari IV 180, 181, 198. 


9. 

Haag 1382, 440. II 7, 133, 146, 147, 
165, 195, 208, 211, 212, 215, 305, 
830, 332, 333. III 34, 78, 74, 112, 
271, 316. 


502 


Hadersleben I 267. 
Habid, öfterr. General III 95, 108,126. 
Sänlein, Herr von IV 97, 98. 
Häfeler, Tribunalrat von III 118. 
Häuffer, Submig I 1, 29. 
Segelseg, 1 29. IV 51. 

georbneter IV 370. 
een au 1283. II 194. 
Sake, Seel 8. ©. X. von III 478. 


17. 

Hatenberg II 218, 220. 

Halberftabt I 147, 197, 217, 239, 256, 
267, 366, 376, 394, 436, 440, 442, 
446, 448, 452, 458. II 117, 155 ff., 
834. 111 88, 98, 94, 402. IV 125. 

Halle I 151, 191, 258, 271. II 318, 
860. 111 88, 110, 401, 447. IV 29, 
79, 90, 93, 834. 

Haller, Albreht von III 58. IV 81, 
179, 197, 200, 206, 222. 

Haller, 8. 2. von IV 81, 185. 

Samburg I 288, 332, 383, 406, 459. 
11111, 257. 111866. IV 88, 51, 152. 

Hameln III 404, 426. 

Hamm II 162, 168. 

Hanau IV 52, 298. 

Hand, Herzog von Sagan I 164 ff. 

Hanfemann, D. 3. 2. IV 294, 282, 
234, 243, 259, 262. 

Hardenberg, Staatölanzler K. A. Fürft 
von III 314, 321, 324, 829, 381, 
382, 834 ff., 376 ff., 384, 385, 391, 
407, 414 ff., 418, 419, 421, 426 ff., 
431, 434, 459, 467, 469, 470, 476 ff., 
481 ff, 486. IV 1, 3, 7, 9, 11 ff, 
16, 17, 20, 24 ff., 29, 44, 62, 67, 
68, 70, 71, 73, 82 ff., 104, 107, 
120 ff., 138, 146, 158, 165, 202, 
203, 396. 

Surten, Abgeorbneter IV 224, 261, 


garzad, Sraf III 9. 

Harrad, Gräfin von, fiehe Liegnig. 

Harris, Sir William III 274. 

Hartefeid, Stephan von I 229. 

Haftenbed IIT 98. 

Haflenhaufen III 398. 

Haffenpflug, Turhefi. Hinifter IV 208, 
293, 296, 387. 

Hahfeld, Fürft Fr. 2. von IV 108. 

Haugwig, Minifter Graf von I 35. 
III 807, 814, 380, 386, 938, 341, 
342, 345, 347, 856 ff., 360 ff., 866, 
368, 969, 871, 373 fi. 380 ff., 888, 
890 fi., 407. 





Namenverzeihnis. 


Hauterive 111 386, 387. 

Havelberg I 110, 118, 118, 128, 158, 
154, 190, 197, 214, 215, 219, 224, 
225, 258, 270, 273, 382, 362. II 
213, 214—216, 224, 375. 

Haynau IV 38. 

‚Hebron, Dberft I 341. 

Hedwig, Tochter Ludwigs des Großen 
von Ungern und Bolen I 82. 

Semig, ochter Wiadislaws 11. I 


—148. 

sin, 1 mabtin Joachims II. I 
194, 211, 242. 

Hedwig re Gemahlin Friedrichs 
von Homburg I 386. 

semigs Sophie LZandgräfin von Heffen 


Segel, Biitofoph WI. IV 140, 180, 


—— II 2886. 
bed grerg I en, 808, 312. 


Geidenteig, Biſchof von Kulm I 52. 
Heilbronn I 171, 265. II 191. 
Heiligenfreug il 198. 

Heiläberg I 49, 75. III 419. 

‚Heine, Heinrich IV 206. 

Zeinrich I. deutfher König I 110. 
Heinrich IV., Kaifer IV 480, 488. 
deinrih VI., Kaifer I 39. 

Heinrih VII, KRaifer 1 68. 

Se III, König von Frankreich 


Sende IV., König von Frankreich 
1258, 259, 268, 264, 304, 305, 
333. IV 309. 

Heinrich IV., König von England 188. 

Heinrich, Markgraf von Neipen I 48, 

15. 


IV 


Heinrich der Löwe I 111, 113. 

Heinrich, König der Abotriten I 112. 

Heinrih, Herzog von Medienburg I 
117 


Heinrich IL, Fürft von Anhalt I 119. 

Heinrich, Herzog von Bayern I 127. 

deinich, Herzog von Braunfcweig I 
182. 


Sein, Herzog von Medlenburg I 
1 


Heinrich XI., 
164, 165. 
Heinrich ber Xeltere, derzog von Brauns 

ſchweig I 175. 
Heinrih von ou 1 258. 
Heinrih von Naffau I 882. 


Herzog von Glogau I 





Namenverzeihnis. 


Heinrich, Sohn des Großen Kurfürften 
11 194. 


Heinrich von Preußen, Prinz, Bruder 
Friebrichs des Großen III 75, 95, 
101, 108, 104, 106, 108 ff., 120, 
121, 126, 180, 185, 162, 168, 190, 
209, 242, 258, 820, 322, 846. 

Heinrich, Kaufmann IV 215. 

Heinric, Friedrich von Dranien I 382. 

Heinrich Julius von Braunſchweig, 
Abminiftrator von Halberftabt I 267. 

Helene von Medienburg IV 162. 

Helen, Gefandter von du 74. 

Helfingborg I 88. 

Sengfienberg, €. ®. IV 185, 186, 824. 

Hennigs von Treffenfeld, Oberftleut: 
nant II 218. 

gervend, prfenort IV 832. 

Herbert 109. 

Herder u 286. 

Herfort II 241. III 870. 

Sermann TV., Landgraf von Hefien 

7. 


Hermann, Markgraf I 116, 117. 

Hermann, Präfident des Oberkirchen⸗ 
rats IV 468, 477. 

Hermes, Döertonfihariatrat 9.2.10 
263, 264. 


Hermes, Profeſſor Georg IV 187. 

Herkber; % Minifter von III 77, 129, 
190, 199 ff, 242, 251, 261, 268, 
269, 271, 273 ff., 290, 292 ff., 307. 

gerwegh. Dichter Georg IV 205. 

Herzog, Biſchof von Breslau IV 480. 

Herzogenbuid) I 347. 

desler Heinrich I 74. 

Heufing, DOberft von III 228. 

Heybt, Minifter 9, von der IV 298, 
2 838, 339, 842, 371, 374, 876, 

Hiefing IV sn. 

Stidburgpaufen, Herzog von III 94. 

Hildesheim I 440. II 161, 165. III 
111, 197, 199, I Aa) 867, 368, 
370, 403. IV 44, 

Silmer, Konfiortatrat III 263, 264, 


Simmeränt 11 172. 

Hinteldey, Poligeipräfident von IV 288, 
311, 316, 317, 320, 380. 

Hippel, Staatörat von IV 28, 128, 

Hirſchfeld, General K. Fr. 129. IV 51. 

Hobreht, Finanzminifter IV 472, 478. 

Hodher, Hoflanzler Baron II 804. 

Hochfirh III 104. 





503 


Hochſtädt II 827, 347. III 174. 
Höbel, Rlempnergejelle IV 473. 
Hoensbroech, Biſchof Graf von III 275. 
Hörter IT 144. 

Hof III 398. 

Sofmann, Geheimrat Joh. Gottfr. IV 


Soffmann & Co., Berleger IV 181, 
208. 
Hohenfels, Minifter von III 200. 


Sabenfriehberg III 88, 85, 88. 
Sohenlehe, irdenämeifter Gottfrieb 
von I 


sehe, Winifter Ab. Fürft von IV 


SehnoheSuefingn, General Fried⸗ 
rich Ludwig, aut von III 385, 
396 ff., 401, 

Geberit, Graf Av 425. 
ohenzierig III 477. 

Hohenzollern, Yürft Anton, Minifter: 
präfibent IV 842. 

Hohenzollern, Being 2eopold von IV 
439, 440. 


Gobenjolern-Sigmasingen, Ras! nton 
von 
Selbein, Schaufpieler Franz von III 


atort Berner von I 184. 
Homburg I 802. 

Honorius III. Papft I 42 ff. 

Som Ferdmarjgall —8 II 234, 286, 


——— Biſchof von Lebus J 225. 

Hornaufen I 439. 

Hornung, Kölner Bürger Wolf I 199. 

Hotham, engl. Gefanbier Sir Charles 
II 885, 386, 397. 

Smnerbed, Abgeorbneter von IV 368 
418. 


Hoverbed, ggefendter von 1 391. II 


—— 1 155, 156. 
m, Minifter III 261, 829. 

Seas II 129, 177. 

Sübnen Joachim I 286. 

Hüßnerwafler IV 412. 

Hüllmann, Hiftorifer K. D. III 446. 

Huifien, Domäne I 388. 

Humboldt, Alerander von IIT 458, 
456. IV 140, 160, 202, 208. 

Humboldt, Wilhelm von III 470, 471. 
IV 45, 46, 54-67, 71, 76, 87, 98 
bis 95, 96, 99, 101, 102, 110, 115, 
180 fi., 


504 


Hutten, Utrich von IV 110. 
Oonbforb, Lord III 15, 17, 20. 


J. 

Jablonski, Hofprebii ee Fe €. 11 319. 
Jacze, Wendenfürft 8. 
Sügernborf III 34, Fi 

Jagal fiege Wlabislam II. 

Zagom, altmärtifches Gefchlecht I 188. 
Sagen, El Matthias von I 205 ff., 

210 ff., 215. 


Jagom, Binifter von IV 374, 387. 

Jahn, Zubwig IV 90, 107, 202. 

Jakob von Lüttich, Legat I 52. 

Satob, Herzog von Kurland I 386. 
II 60, 219, 258. 

gern I., König von England II 260, 


gatobieRfoeft, Baron III 425. 

Jakobini, Runtius IV 478. 

Jakoby, Arzt Johann IV 220, 285, 
258, 267, 269, 368, 421. 

Jarde, 8. €. IV 179, 180. 

Saroslam II 18. 

Sauer IV 39. 

Jauernid III 33. 

Jena III 404. IV 89, 91, 98. 

Fena, Geheimerat von II 34—38, 147, 
149, 172, 175, 177, 181, 263. 

Jerichow I 855. 

Jerome, König von ı Deftfalen 111 421. 

Serufalem I 39. IV 211 

Ileburg, Wend I I 180. 

Flgen, Geheimerat Heinrich Rüdiger 
von II 304, 310, 822, 323, 329, 
832, 347, 350, 352, 371, 880. 

Innocenz III, Bapft 1 39, 42. 

Innocenʒ IV., Bapft I 49 ff. 

Inſterburg II 108, 234 ff. IV 8. 

Intein, Dietrih von I 47. 

Joagim I, Kurfürft 138, 178—196, 
199, 205 ff. 292. IV 196, 487. 
Joagim II, Kurfürft 138, 198, 194, 
197—243, 245, 248, 269, 271, 314. 

II 112, 118. 
Vadim, ‚Herzog von Bommern-Stettin 
147. 


Joachim Ernft, Stiefbruder Joachim 
Friebris 1273, 274, 288, 310. 
Joahim Friedrich, Kurfürft I 88, 
225, 232, 238, 250, 258, 254, 257, 

Fr} ff, 269—299, 338, 373, 378, 


Joadimäthal I 188, 407. 








Namenverzeichnis. 


Jobſt von Röhren, Markgraf I 124, 
127, 128, 181. 

Johann, Sopn Kurfürft Friedrichs 
von Brandenburg I 82, 180, 8; 
144 ff., 161, 216. 

Johann von Bayreuth, Bruber Kur: 
für Beiehriche T. von Brandenburg 

126, 127. 

Johann J., Markgraf I 114, 116. 
johann IL, Behr I 115. 
johann TIL, Ba: fgraf I 119. 

Johann V., Markgraf I 116, 117. 

Johann Cicero, Kurfürft I 32 ff. 
162, 165—178, 185. II 118. 

Johann von Käftrin I 194, 203, 204, 
207, 210—214, 219, 220, 222, 228, 
225, 230, 233, 234, 239 ff., 248, 
48, 271, 279, 814. 

Johann, Sohn, des Kurfürften Johann 

jeorg I 288. 

Johann XXI., Papft I 70. 

Johann, Sohn Katfer KarlaIV. 11. 

Johann, Herzog von Medlenburg: 
Stargard I 139. 

Johann, König von Dänemark I 187. 

Johann der Berändige, Kurfürft vom 


sam I. WV., por von Straßburg 


a gür von Anhalt I 198. 

Johann, König von Sachen IV 899. 

Sohann, Erzherzog von Deſterreich, 
Reichsverwefer IV 243. 

gehen Adolf von Holftein:Plön II 
190. 


Johann Ares, Erzbiſchof von Magde ⸗ 
Burg I 

Johann an, ‚Herzog von Medien: 
burg I 220, 237. 

Yofarn Friedrich, Rurfürftvon Sachſen 
1 217, 218, 226. 

Johann Friebric, Seas von Kalen⸗ 
berg II 210, 213, 214. 

Johann Peienrig, Herzog von Pom⸗ 
mern I 2 

Johann Brehig, Herzog von Würts 
temberg I 305. 

Johann Georg, Kurfürft I 208, 217, 
225, 232, 288, 239,243—269, 271 ff. 
281 ff., 300, 881. 

Son Georg, Sohn des Kurfürften 

johann Georg I 273, 274. 

Johann Georg, Sopn des Kurfürften 
Joachim Friebri; 1264, 308, 818, 
314, 317, 328, 331. 





NRamenverzeihnis. 


Johann Georg I., Kurfürft von Sachſen 
P Fa 315, 381, 351, 852, 857 fi, 

Sehen de Gens I., Kurfürft von Sad 
jen 1 

Johann Gong IL, Fürft von Anhalt 
IT 140, 152. 205, 246. 

Johann Kafimir, Pfalggraf 1259, 260. 

Johann Kafimir, König von Polen 
II 2, 10, 18, 24, 38, 35, 46, 69, 
82, 84, 94, 139. III 158. 

Johann Morig, Fürft von Raffau: 
Siegen 11 7. 

Jobann Sigiemund, Nurfürft I 263, 

5, 327, 333, 844, 378, 

438. 1 118 284. 

Johann Bizelm, Sohn Herzog Wil: 
Helms von Julich⸗Kleve I 294, 295, 


ya, Auebiger IV 324. 
jorban III 1 
Sieh, eenog 1I 270, 296, 338, 


So IL, Kaifer III 58, 129, 160, 
161, 178, 176, 180, 187, 190, 
198 ff., 198 ff., 208, 208, 235, 246, 
269, 270, 272 ff, 325. 

Jourban, franz, General III 835. 

Iſabella, Königin von Spanien IV 439. 

Jeriehn IV 281. 

Itzenpiitz, General von III 258. 

Iuenplig, Minifter Graf von IV 874, 
387, 455. 

Itig, Jude II 139. 

Jüterbogt I 218, 307. IV 51, 71. 

Sugengeim, Gräfin, fiehe Julie von 


Julian 11, Papfı 1 100. 
Zulius, Seryog von Braunfhweig I 
67. 


Jung, Abgeorbneter IV 267. 
Fungingen, Hocdmeifter Konrad von 


—2 Sochmeifter Ulrich von I 


8. 


gadolzburg I 158. 

Raiferälautern III 317. 

Laiſerswerth II 146, 291, 295, 321. 

Kaldreuth, General Graf von III 420 ff., 
426 ff., 474. IV 1. 

Kaldftein, Generalleutnant Albrecht 
von II 70, 77. 

Kaldftein, Oberft Chriftian Ludwig 





505 


von 1182, 73, 81, 85, 90 ff., 182, 
171, 395. 
Kaldftein, Chriftoph Albrecht von II 
Kaldhein, Chriſtoph Wilhelm von II 


Katie 171, 74. II 10. IV 20, 25, 
82, 83, 41, 171. 

Kalkhuhm, dohann —S von, ge: 
nannt von Leuchtmar I 3 

Kamele, Dörzlammerbert von in 888. 

Kammin I 197, 488 

Kampe, Hamb. Buöändter IV 208. 

Kampk, Geheimrat K. Chr. von IV 
89, 93, 95, 105, 108, 111, 164, 174. 

KRanig, Minifter von IV 227. 

Kannenberg, Generalleutnant 
I 155, 171. 

Kant, Jinm. III 265, 352, 436. IV 
109, 182. 

Karl IV, Kaifer I 79, 121 ff., 136. 

Karl V., Kaifer I 187, 188, 191, 195, 
204, 216, 220, 221, 224, 232, 244, 
294. 11 125. III 66. IV 441. 

Ku Yu Kaifer II 339, 378, 387. 


Bart, Raifer II 380. 1119, 16 fi, 
25 ff., 31, 38, 174, 194. 
Rat 1, König von England IV 376, 
383. 


Karl II., König von England II 188. 

Karl VI., Aönig von Frankreich 179. 

Karl VII, König von Frankreid) 1425. 

Karl X., König von Schmeben I 444, 
454, 462. II 1, 2, 9 ff., 13, 17, 18, 
21, 22, 24, 27, 32 fi., 38 ff, 48, 
44, 48, 49, 51 ff, 58, 60, 101, 
219, 234, 279, 285. 

Karl XI., König von Schweden II 
321, 324, 325, 327 ff., 333, 389, 
867 fi, 377. III 40. 

Karl IT, König von Spanien II 312. 

Karl von Trier, Hochmeifter I 70. 

Karl IIL., Herzog von Sotgringen 1458. 

Karl IV., Hersog von Lothringen II 
185, 190, 197, 199, 270. 

Karl von Lothringen, Bruder Kaifer 
rang I. 11120, 28 ff., 33, 35, 36, 

96. 


94, 96. 

Karl, dritter Sohn Auguſts IIT. von 
Sachſen III 1 

Karl, Herzog vn Ye Smeisräden 
1 175, 179 fi, 2 . 277. 

Karl, Sohn Herzog Pr von Medien: 
burg IV 168. 


von 


506 


Karl, Prinz von Preußen IV 255. 
u ra Kühne, Herzog von Burgund 


Aust, ¶ Rarinatiof von Me 1264, 
Pu Herzog von Neverd I 295. 
Rarl, Erzherzog III 840 
Karl, Herzog von Medlenburg IV 83, 
, 107, 118, 160, 162, 163, 165, 
—F Alegander von Ansbach· Bayreuth 
I 815. 


Karl Auguft von Sadfen:Weimar IIT 
207, 269, 273, 287. IV 89, 102, 


277. 
Karl Emil, Kurprinz IT 118, 184, 
184, 185, 196. 


Karl Friedrich, Neffe Chriftian Sugufts 
von Holftein-Gottorp II 36’ 
—F Friedrich Herzog von Saben III 


Bar "eos, Kurfürft von Mainz 


Au sam, Herzog von Mecklenburg 
Karl Philipp, Kurfürft von der Pfalz 
79, 388. 


Karl Theodor, Kurfürft von Bayern 
1I 379, 388. III 175, 176, 178 fi., 
202, 204, 277, 359. 

Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog von 
Braunſchweig III 273, 302, 806, 
311, 314, 396 ff. 

Karlöbad 11 267, 305. III 74. IV 93, 
105, 181. 

Karlaburg II 227. 

Karlsruhe III 186. IV 238. 

Karoline, Regentin von Reup ält. Lin. 
IV 


426. 
Karolyi, öfterr. Gefandter Graf IV 397, 
398. 


Karſchau II 74, 90. 

Kaſimir von Kujavim I 51. 

Kafimir, Sohn Wladislam Lofietels 
170 ff., 156, 158, 164. 

Rafimir IV., König von Polen I 95. 

Kafimir, Bruder Herzog Albrechts 199. 

Kafimir von Pommern, Sohn Swanti⸗ 
bors I 132. 

Kaſſel II 268, 269. III 102, 194, 389, 
m IV 152, 298, 301, 303, 387, 


ale, 0 Gemahlin Joachim Fried⸗ 
Katharina, Woler Karla IV. 1128. 


Ramenverzeihnis. 


Ratharina, Gemahlin des Kurfürften 
Priearig I. von Brandenburg 


148. 
— Sämetter Georg Wilhelms 
1 331, 832. 

Ratharinal., Raiferin von Rußland IL 
125 ff., 129, 152, 154 ff., 172, 178, 
178, 179, 184, 191, 193, 194, 198, 
286, 296, 299, 305, 306, 810, 312, 
318, 324 f., 340, 341. 

Ratharina Amann, Nichte Peters 
des Großen II 8° 

Katharina —— — des Großen 
Kurfürften I 386. 

Ratt, von III 471. 

Ratte, 2eutnant von II, 397 ff, 401. 

Katzbach IV 51. 

Raub IV 54. 

Kaunitz, Staatölanzler Fürft III 64, 
66, 67, 70, 73, 76, 128, 159, 
161 f., 178, 180, 184, 196, 235, 
278, 281, 296, 298, 302, 308. 

Ray IIL 107. 

Reht II 191. 

Keith, Leutnant von II 897. 

Keith, Feldmarjchau 1162, 83,101, 104. 

Rei Georg, Bruber des Feldmarſchalls 
II 62. 


Kelchner, Sekretär IV 165, 178. 

Keller, Romanift F. S. II 273, 274. 

Keſſelsdorf III 38. 

Kettler, Gotthard I 285, 286. 

Kettroich, Auf Wolfgang 1182, 191, 
207, 213. 


Reyferlingt, Leutnant von II 896. 

Khiesl. Kardinal I 338, 338, 344. 

Kiel II 58. IV 407. 

Kijfduin II 178, 188. 

Kinfel, Gottfried IV 311. 

Rirgeifen, Minifter Fr. Leopold von 
II 478. 

Kiffingen IV 465, 478. 

Kittlig, Obermarſchall von II 74, 93. 

Kigen IV 46. 

Reinfgnelenborf III 17, 18, 20. 

Kleift, Heinrih von I 80. II 219. 
II 412. 

Ri, Ewald von 1 426, 429, 439. 


Pr "General €. gr. Graf von IV 
14, 35, 50, 51, 68, 186. 
Reift,  Rarımergerihtäpcäfibent TV 174. 
rin Retzow, Oberpräfident IV 308, 
419. 


alemens, Herzog von Bayern III 175. 





Namenverzeichnis. 


Klement, von II 376, 377. 

Klewig, Minifter Wilfelm 9. von 
III 429. IV 87, 128, 141, 148. 

Klinggräff, Gefandter von III 75. 

Kliging, Generalleutnant von I 372. 

Klopftod, IIT 225. 

Rnauten II 74, 91. 

Rnemiander, Sternbeuter Betrus 1204. 

Anefebed, Generalabjutant Exrnft von 
dem III 478. IV 11, 16, 17,28 ff, 
34, 45, 53, 54. 

Rnefebed, Levin von dem I 329, 337, 
1, 353, 363, 864. 
Rnefebed, Thomas von dem 1313, 817. 
‚Aniprobe,Hocmeifter Winrich von 174ff. 
Knobelsborf, Generalmajor von III 802, 


893, 451. 

Koblenz II 158, 160, 178. IV 79, 102, 
423, 442, 444. 

—— General von III 847, 358, 360, 
891, 428, 459. IV 1. 

Köln (om der Spree) 1114, 191, 147, 
149 ff., 178, 215, 318, 380, 419. 
1I 106, 114, 124, 287. 

Köln am Rhein 1283, 306, 307, 309, 
819, 320, 347, 461. II 143, 146, 
150 ff., 158, 159, 161, 162, 170, 
270, 295, 321. III 194, 197, 202, 
H% 315, 367. IV 102, 187, 194, 


Röniggräg III 20, 83, 101, 190. IV 
412, 417, 419, 

Königäberg I Er 57, 78, 93, 103, 104, 
107 ff., 220, 265, 292, 293, 298 ff., 
307, 308, 327, 328, 342, 343, 348, 
385, 387, 390 ff., 400, 401, 406, 
422, 423, 430. II 11, 15, 17, 19, 
80 fi., 43, 44, 50, 68 fi, 76 ff. 87, 
89, 92, 111, 117, 135, 140, 234, 
254, 290, 313, 319. III 101, 407, 
411, 418, 419, 423, 436, 441, 446, 
455, 456, 459, 466, 467, 469, 471, 
472. IV 14, 16, 17, 19, 26, 79, 90, 
105, 109, 122, 214, 215, 217, 220, 
226, 281, 317, 324, 369, 898. 

Königäberg (in der Neumark) I 115, 
166, 174, 198, 207. 

Königämarf, General von I 444. II 
227, 229, 292 ff. 

Königftein, Feftung IV 425. 

Röpenid I 118, 243, 297, 358, 361. 
Pe 399. III 115. 

;ppen, Rat Johann Georgd I 246. 

Fr elig TIL 378. 

Körner, Theodor IV 27. 





507 


NRoeäfelb III 382. 

Xolberg II 207. III 116, 121, 122, 
187, 404, 411, 420, 425, 453, 484. 
IV 2, 4, 21, 157, 194. 

Rolbigom, Dorf II 228. 

Kobing U 57: 

Kolin III 27, 91, 92. 

Roltyniang IV 8. 

Konig II 40. IV 21. 

Konrad von Mafovien 1, 41 ff. 

Konrad, Markgraf I 115, 116. 

Konradi, Dechant Peter 1219, 224, 225. 

Konftantinopel III 107, gsı. v2. 

Ronftanz I, 185, 136, 

Kopenhagen II 32, 48, Er 59, 60, 
208, 210, 219, 232. 

Kornmeffer, Kammerbiener II 245. 

Rorför II 59. 

Rofch, Abgeordneter IV 368. 

Kofel III 25, 33, 36, 105, 411, 425. 

Rosziusto, Diktator III 817. 

Rotiubei, ruffiiher Minifter III 371. 

Kottbus I 155, 157, 158, 165, 199, 
207, 394. II 116, 302, 346. IV 61. 

Kogebue, A. von IV 90. 

Kowno 1 76. 

Rradit, Oberft I 840, 354, 409. 

Krafau I 105, 140, 260. II 10, 11, 
42. 111 164, 316, 317, 324. IV 238. 

Kraſchewski, polnifher Dichter IV 258. 

Krauß, Profeſſor Chrift. Jakob III 436, 
437, 444. IV 147. 

Kraufened IV, 163. 

Arefeld III 99. IV 281. 

Kremmen I 114, 182. 11213, 218, 219. 

Krempenborf ] 3 

Rrekig, iiftertalbiettor IV 462. 

Rreuznad) IV 244. 


235, | Krodom, General von I 421. II 11. 


Krofien I 199, 216, 279, 859, 361, 
407, 428. II 207, 335. II 107, 


Krübener, Ftau von IV 81. 

Krull, Domdehant Thomas 1 191. 

Rrufemort, General Fr. ®. von I 
473, 484. IV 16. 

Kuhlwetter, Minifter des Inneren von 
IV 262. 


Kühne, Geheimrat 2. IV 154. 

Nühme, Georg IV 180. 

Küpfer, Legationsrat IV 298. 

KRüftein 1115, 166, 243, 259, 329, 341, 
852 ff., 861, 374, 381, 392, 400, 401, 
407, 416, 418, 423, 486, 499. II 
207, 227, 235, 371, 398, 400. II 


508 


89, 102, 103, 108, 122, 402, 408, 
PR ft.. 457, 461. 
Bungenpei heim II 202. 
Kulerneſe II 236, 237. 
Kullmann, Tiſchlergeſelle IV 465. 
Aulm I Fr 75 4. 94, 95. I 11. 
18: 


Kulm (in Böhmen) IV 51. 
Kunersdorf III 108. 

Rutufom, ruffifjer General IV 38, 35. 
Robußlen IIT 415. 

Kynſtut I 71, 76 fi. 


8 


2abiau II 36, 38, 41, 50,286. 

Lacy III 115. 

Ladenberg, Minifter A. von IV 262, 
265, 269, 273, 298, 303, 322. 

Ladislaus, nachgeborner Sohn Kaifer 
Abreht I. I 155, 157. 

Lafayette, frangöfifcer General III276. 

2a Fere Champnoife IV 58. 

Laibach IV 111. 

Lanıbrushini, Kardinalſtaatsſekretär 
IV 208. 

Lamettrie III 58. 

Zandau IV 60. 

Landeshut III 102, 107. 

Sandäberg, Ronrab von I 47. 

Zanböberg (an der Warthe) 1115, 341, 
352, 861, 365, 391, 407. 

Zangenfalga II 215. IV 411. 

Langhans Architekt von III 255. 

Zangres IV 54, 80, 76. 

Senf Dbenämerfgaftinnig von14l. 

Laon IV 57. 

2a Romana, ſpaniſcher General IV 5. 

2a Rothiere IV 54. 

Lasker, Abgeordneter Ed. IV 422, 455. 

Lafſalle, Ferdinand IV 891. 

Saube, Heinrich IV 180, 181. 

Laudon, Öfterr. Feldherr III 101, 102, 
108 ff., 114, 115, 121, 190, 280, 284. 

Lauenburg II 11, 47, 122, 206. III 
165, 376. 

2autenburg I 86, 87. 

Zam, John IT 387. 

2ebrun, franz. General IV 489. 

Lebus 1 153, 197, 215, 225, 251, 258, 
270, 273. 

Serohunsti, Erzbifhof von Bofen 
IV 460, 479. 

erimann, Vrofeſſor der Philoſophie 





Namenverzeihnis. 


Lehnin, Cifterzienferflofter I 113, 178. 

Zehwalb, General von III 74, 93 ff., 115. 

Leibniz II 288, 298, 301, 308, 817 ff., 
341, 345. III 58. 

Leiden I 382. 

Zeipjig I 28, 352, 356. II 167, 818. 
II 32, 87, 96, 100, 110, 898. IV 
86, 51, 52, 73, 89, 94, 151, 220, 
226, 411, 414. 

Seitmerig IIT 20. 


fire 
Zemberg II 18. ir 160, 164. 
gene! III 404. 
ötte II 317. 

Zenjen I 110, ua. 11 55, 369. 
2eo X., Papft I 
2eo XII., Papft v 478, 479. 
2eo, Seintig IV 180, 268. 
Zeoben III 841. 
Leopold, Erzherzog 1308, 306, 318, 333. 
Leopold I., Raifer I 411. II 42, 49, 

51, 58, 189, 141, 178, 248, 307, 


820. 
Leopold II., Kaiſer III 277 ff., 284 ff., 
295, 296, 298 ff., 308, 307, 311. 
Leopolb von Anhalt:Deffau, Feld⸗ 
marſchall Fürft von II 323, 931, 
836, 345, 349, 853, 359, 861, 363, 
72, 402, 404. III 9, 11, 13, 14, 


30, 34, 36, 37. 
Leopold Wilhelm, Erzherzog l411. 1138. 
Ze Rouz, Legationsrat III 458. 
Sescsinäi, Stanislaus II 327 ff., 838, 
376, 387. 
Lesley I Fo 
&effing IT 
Befoen, ( Seal 111 412 ff., 419, 474. 


gefmig, Venerel von III 134. 

Leti, Gregorio II 118. 

Letlingen I 255, 381. 

Leuchſenring III 304. 

Leuchtmar, Gerhard Rumelian von 
1 406, 407, 414, 418, 419. 

Zeuthen III 97, 103, 107. 

Siem I 417. 

Lichtenau, Scafın III 250, 257, 261, 
327, 345, 34 

Sihtenbung, Si Sick 1198. 

Liebenau IV 412. 

Xiegnig I 282, 265. III 97, 115, 256. 

Siegnig, Fürftin, zweite Gemahlin 

riebrih Wilheims III. IV 167, 197. 
Lier, Arnold Gyſels van II 55. 


Ramenverzeigjnis. 


Zieven, Fürft IV 7. 
Zigny IV 77. 
Kilienftern, General üble von IV 115. 
Zilienftröm, Legat I 397. 
Lindenau, Graf von III "257, 261. 
Lindenberg, Emil IV 317. 
Lindner, Ir. 2. IV 110. 
Lindow, Grafen von I 186. 
Linum II 218, 220, 222. 
Zinz 1 444. III 16, 197. 
Kippe, Juftizminifter von ber IV 374, 
891, 398, 418. 
Zippolb, Münzmeifter I 242 ff. 
Zippftabt II 124, 227, 241, 242. 
Listo, PBrediger IV 824, 486. 
Zifola, öfterr. Staatsmann Franz von 
11 11, 39, 42, 44 ff., 49. 
Liſſa III 125. 
Ei, r. IV 150. 
Brofeflor IV 824. 
Minifter Fürft II 152, 157, 


178. 

Lochftädt I 93, 342, 348. 

Zöben, Kanzler Johann von I 270, 
279, 286. 

Zöben, dabenn Hriedrich von 1 482, 
486, 489. 


Lödnig I 10, 166. II 128, 207, 218, 
224, 


227. 

2öwen II 168. 

Roftus, Botihafter Lord IV 441, 444. 

Lombard, Kabinettsrat III 354, 358, 
860,871, 374, 376, 380, 382, 384 ff., 
390, 392, 428. 

London II 275, 329, 832. I11 18, 15, 
25, 35, 62, 64, 69, 72, 86, 98, 111, 
117, 124, 314, 337, 390, 410, 425, 
456. IV 68, 79, 87, 254, 294, 318, 
328, 404. 

Longwy III 306. 

2oon 1 380. 

Lorges, General de II 179. 

—— von Braunſchweig, Hochmeiſter 


Solar Raifer I 111. 

Lottum, Dbermarfgall Graf von 11828. 

Lottum, Minifter Graf von IV 129, 
186, 20: 


Louis Ferdinand von Preußen, Prinz 
111 292, 880, 392, 396, 398, 430. 

2ouiß Philipp, König von Frankreich; 
IV 162, 288, 241, 277. 





Sohle 


. 8. 
Luccheſini, Gefandter Marquis von III 





509 


288, 284, 808, 311, 316, 363, 
3 fi, 885, 392, 401, 408, 408. 

Zucius, Sandwirticaftsminifter IV 478. 
2uda IV 78. 
2udau I 199. 
Zubede Markus 1 410. 
Zubewig, Johann Peter von III 10. 
Ludolf, Erzbifhof non Mogbeburg 114. 
Submit der Bayer, Kaifer I 70, 


9 fi. 
gung, Markgraf I 71, 120, 128. 
Submig der Römer, Markgraf I, 122, 


128. 

Zubwig XIV., König von Frankreich 
1 436. II 48, 118, 127, 138, 139, 
148, 148, 154, 157, 158, 167, 178, 
174, 178, 179, 181, 182, 185, 202, 
239, 240, 243, 246, 248 ff., 252, 255, 
258, 260, 263, 280, 282, 316, 320, 
348, 373. 111 128, 226, 237, 239, 
340. IV 108. 

Zubwig XV., Bönig, 

111 70, 88, 92. I 

Zubwig XVI., 


von Frankreich 

108. 

König von Frankreich 
III 298, 296, 298 ff., 

Submig XVII, König von Frantreic) 

IV 55, 60. 

— König von Ungarn I 105. 

Subwig 1], König von Bayern IV 448. 

Ludwig, Herzog von Bayern: Ingolftabt 
I 140, 142. 

Zudwig, britter Sohn des Großen Aur: 
fürften II 122, 185, 247,258, 265 fi. 
275, 290. 

Ludwig Joachim, Pfalsgraf I 209. 

Suhmigs Wilhelm, Martgraf von Baden 


gubben 1 I 155. 

Zübed I 53, 889, 128, 187, 459. III 
366, 403, 413. 

Züneburg I 259. 

Lüttich Tası, 462. 1119, m 202, 276. 

Züttwig, Präfident von IV 7. 

Zügen I 355. IV 40. 

Lügom, Major Adolf von IV 27. 

Zuife, Königin I 27. III 346, 371, 
379, 402, 421, 446, 476. IV 27, 
71, 88, 158, 165, 167, 195, 199. 

Zuife, Königin, zweite Gemahlin Fried: 
rich Wilhelms II. III 249. 

Luiſe Charlotte, Schwefter des Großen 
Kurfürften I 384, 386, 402. II 


258. 
Zuife Charlotte von Schleswig ⸗ Holſtein 
II 268. 


510 


Suife Den goster König Fried: 
richs 1 
Luiſe —8 denoin von Gotha 
III 109. 


Zuife Elifabeth, Gemahlin Friedrichs 
von Heffen-$omburg II 219. 

Luiſe Henriette, Gemahlin des Großen 
Kurfürften I 489, 440, 447. IT 15, 
45, 138, 134, 141, 265. 

Luiſe Juliane, Mutter der Kurfürftin 
Elifabeth Charlotte 1 329, 379, 386, 


431. 
Zuife Marie, Königin von Polen IT, 
1, 47, 71. 
Zufas, Zandrentmeifter I 421. 
Zumbres, Graf de II 17, 59. 
Luther, Martin I 33, 102 ff., 191, 
198 ff., 205 ff., 211, 212, 229, 249, 
251. II 114. III 250. IV 182. 
Zutter am Barenberge I 339. 
Luxemburg I 806. T 
&yd IV 15. 
Lynar, Graf von III 160, 167. 
Lyon IV 56. 


M. 


Moaften, Winifter Karl ©. IV 148, 
151, 154, 164, 172. 
Machonab, Marfall IV 3, 5, 6, 


8 ff. 5l. 

Madrid I 294. II 178, 202. III 469. 
IV 441. 

Märter Juftizminifter IV 262. 

Märtifh: sriedland II 235. 

Magdalena, erfte Dematin Kurfürft 
Joachims II. I 1! 

Magdalena, Gemasin Johanns von 
Smeibrüden I 294. 

Magdeburg I 110, 147, 151, 217, 219, 
220, 222 f., 288 fi., 252, 256 ff., 
261 ff, 266, 267, 270, 273, 274, 
282, 288, 305, 310, 312, 315, 321, 
851 ff, 357, 366, 376, 394, 436, 
440, 446, 448, 452, 459. Il, 101, 
122, 123, 150, 189, 191, 205, 215, 
241, 334. III 32, 88, 89, 92 ff., 
99, 135, 401, 403, 426, 454, 468, 
471, 473, 474. IV 81, 86, 50, 51, 
61, 125, 170, 226, 260, 261. 

Magnus, König von Schweben 1,122. 

Mainz I 251, 483. II 9, 168, 190, 
263. III 269, 287, 305, 311. IV 
68, 70, 95, 102, 104, 424. 

Maldin 11 58, 22: 











Namenverzeichnis. 


Valchow II 218. 

Malmesburg, Lord III 315. 

Malplaquet II 347. 

Maltzahn, Gefandter von III 76. 

Mangelkbarf, Brofeffor der Geſchichte 
II 291. 


Mannheim II 398. III 194. 

Ransfeld III 402. IV 71. 

Manftein, Generaladjutant von III, 
312. 

Manteuffel, General von III 106. 

Manten jel, Miniſter Otto Th. von 

9, 270, 276, 279, 220, 284, 
286, 287, 290, 291, 294, 297 ff., 
807, 310 ff., 827, 329, 338, 839, 
342, 374, 387, 891. 

Manteuffel Edwin, Feldmarſchall von 
IV _885, 837, 373, 409, 411, 424, 
427, 451. 

Nantua 1 295. 

Varbaqch II 202. 

Marbefeld, Generalleutnant von II 
207, 214. 

Marengo III 362. 

Margarete, Königin von Dänemark 
und Norwegen I, 82. 

Margarete, Herzogin von Tirol I 121. 

Margarete, Nichte Albrecht Achills I 
166, 274. 

Margarete, Gemahlin Johann Eiceros 


Margarete, Tochter Joachims I. I 189, 
193. 
Sagen, Gemahlin Joachims II. 


—— Theologe IV 80, 178, 186. 
Marianne, Gemahlin des Bringen 
Bilhelm von Preußen III 458. 
Maria Therefia, Kaiferin II 879, 
888. III 12, 14, 16, 17, 21, 23, 25, 
27, 31, 60, 61, 68 ff., 75, 76, 79, 96, 
106, 118, 127, gi, 164, 172 ff, 

186, 188 in 196, 284. 

Marie Eleonore, Gemahlin bed Herzogs 
Albrecht Friedrich von Preußen I 
109, 258, 263, 293, 294, 297. 

Marie Eleonore, Gemahlin Guſtav 
Abolfs 1 322, 323, 327, 381, 384. 

Marienburg I 64, 89 ff., 137, 887, 
348, 348. II, 11, 14, 22, 24, 80, 
82, 40, 41, 46, 50, 75. III 165. 

Marienmerder 148. II 285, 328, 392. 
III 220. 


Wariirch II 197. 
Marlborough, englifer Feldherr II 





Ramenverzeihnis. 


26, 827, 329 ff., 884, 889. III 
, 128. 


graslenheim II 192. 

Marmont, Marſchall IV 52, 58. 
Marfan, frangdf. Gefandter St. III 
469, 470, 473, 474. IV 28, 28. 

Varſchall, Samuel von III 5, 51. 
Rarwin Alexander von der III 479. 


PH, "Dito von der I 400. 
Mafella, Runtius IV 478. 
Maffenbach, Oberft von III 396, 897. 
IV 10, 14, 16. 
jom, Hausminifter von IV 838. 
it II 158, 160, 178. 
Matthias, Kaifer I 307, 321, 322. 
Matthias, Bizelanzler Daniel I 317. 
Matthias, Hofpoftdirettor Michael IT 
1, 112. 
Matthias Corvinus, König von Ungarn 
1 164, 165, 168, 173, 179. 
Waupertuis, franz. Gelehrter III 5, 
Vauvillon II 242. 
Nar II., König von Bayern IV 857. 
Mar Ile, Rönte von Bayern III 
359. IV I 
Maren III Fe 
Maximilian I., Kaiſer I 97 ff., 171, 
1% 178, 179, 186, 187, 191. III 


Warimilian II., Raifer I 238, 241. 

Maximilian, Eryheryog, poln. Thron: 
Kandidat I 260, 262. 

Rorimilion, Bruder Kaifer Joſephs II. 
Ill 197, 867. 

Barimilian, Raifer von Mexiko IV 488. 
Rarimilian Heinrih, Erzbifhof von 
Köln 1 460, 461. II 148, 161. 
Rarimilian III. Jofeph, Kurfürft von 

Sagen IU 81, 175, 176, 179 ff., 


Vaybach, Handeldminifter IV 472,476. 

Vajarin, Kardinal II 51, 279. 

Mehtfak II 41. 

Meinders, Geheimerat Franz II 66, 
141, 143, 145, 148, 150, 156, Er 
FR 170 fi, 210, 240 fi., 


Relanätgon! 102, 207, 208, 211,221. 

Melnofen I 98, 141. 

Memel I 58, 843, 348, 422. II 2, 4, 
7, 9, 77,_97, 98, 112, 234, 236. 
III 872, 887, 411, 414, 415, 425, 
426, 430, 432, 435, 446. IV 6, 9, 
10, 12, 119. 





511 


Mende, Kabinettörat Ludwig III 354. 

Mende, Luiſe Wilpelmine, des Borigen 
Tochter III 354. 

Menbeisfo —— Felit IV 202. 

Menfcikoft, ruffiicher Feidherr II 867. 
Bensbarft —8 öftert. Minifter IV 
409, 

Wenzel, Keane Großen Kurfürften 


Ren Tas. Rangleifeleetäe 172, 77. 

Menzel, Baligang V 

Nerjeburg IV 36. 

Neftwin, Sohn Swantopolks von Pom⸗ 
merellen I 52, fi. 
Metternich, Fürft III 378. IV 7, 34, 
41 ff., 52ff., 68, 69, 71,78, 91, 93ff , 
108 # 107 ff, 116, 117, 129, 131, 
18 149, 150, 168, 197, 200, 288, 


Mep 1 264. IV 447, 451. 
Mewe I 157. 


58. | Memiflen, Abgeordneter IV 282. 


Meyendorf, zuffiicher General IV 308, 
307. 

Migaelis, Minifter Friedrichs IT. 
LIT 218. 


Michelis, Kaplan, Sekretär bes Erz: 
Biigofe Deofte-Bifhering von Köln 
191. 


Middelfahrt II 57. 

Mieroslawsti, poln. Revolutionär IV 
237, 252, 258, 258. 

Milde, Minifter IV 232, 259, 262. 

Nindwig, Nidel von I 199. 

Ninden I 437, 440, 442, 446, 452. 
II 124, 226, 227, 2“ 241. 11168, 
106, 338. IV 58, 

Mindome, — r 57. 

Binutoli, Poligeipräfident von IV 251. 

Miguel, Abgeorbneter IV 428, 445. 

Nirabeau, Graf III 225, 285, 236, 
242 fi., 250, 252, 253, 256, 265, 
266, 345, 391. 

Miffunde IV 408. 

Nitau IV 9. 

MNitell, Sir Andrew III 75, 118. 

Mittenwalde I 122. 

"| Rödern IV 86, 52. 

Möllendorf, Felbmarfpall von TIT 256, 
814, 317 ff., 320, 391. 

Möller, Königäberger Profeſſor und 
Abgeordneter IV 898. 

Mörner, Oberft von IT 221, 228. 

Mohrungen I 343. III 413. IV 421. 

Nolwig III 18, 14. 


512 


Moltte, Feldmarſchall Graf Helmuth von 
1 27, 30. IV 169, 405, 409, 412, 
414, 443, 444. 

Mommjen, Theodor IV 368, 

Monbail, Grau Mas de, fiehe Rocoulle. 

Monbijou III 250. 

Monte, Heinrich (Herfus) I 56 ff. 

Montecuccoli, Taiferl. General I 341, 

7. 1149, 52 ff., 57, 59, 159, 157 f. 
178, 206. 

Montereau IV 56. 

Montmartre IV 58. 

Mortmirail IV 55. 

Morgenftern, Magifter S. 3. II 359. 

Morig von Anhalt, Prinz III 31, 95. 

Morig, Landgraf von Hefien 1 302, 
310, 318, 321. 

Morig, Kurfürft von Sachſen I 216 ff., 


457. 

Morig von Sachſen, Marſchall III 56, 
84, 104. 

Reit von Naffau:Siegen, Prinz II 
19, 65. 


orig von Dranien 1 306, 320, 382. 

Mortier, Marſchall IV 58. 

Mostau 1 98. III 24, 65. 

Mog, Minifter Friedr. von IV 102, 
115, 148, 149, 154, 164, 172. 

Noys TI 94. 

Müffling, General von IV 112, 163. 

Mühlberg I 218, 225. 

Mühlen, Doktor Garliep von I 884. 

Müpler, Juftizminifter von IV 174, 
175, 224, 227. 

Müpler, Kultusminifter von IV 374, 
393, 462. 

Mülhaufen i. €. II 198, 200. III 370. 

Mülheim am Rhein I 819. 

Müller, Johannes von III 235, 392. 

Müller, Feldprediger II 400. 

Müller, öfterr. Generallonful Adam 
IV 94, 151. 

Müller, Prägeptor Jakob I 381. 

Müller, Propft in Berlin IT 118. 

Mülrofe IT 123. 

Wündeerg 1 122. 

minden 1 1 25, 184, 202. IV 152, 


grngengrät IV 412. 

Mündow, Winifter Ludwig Wilhelm 
von III 48, 49. 

Münfter I 428, 429, 482, 435, 440, 
444, 461. 1I 186, 138, 144, 146, 
147, 151, 152, 159, 161, 170, 208, 
210, 212, 226, 248. III 111, 197, 





Namenverzeihnis. 


332, 341, 367, 368, 370. IV 73, 
120, 187, 189, 193, 194. 
Münfterberg, Heinrih von, Sohn 

Georgs von Podiebrad I 164. 
Nundt, Theodor IV 180, 181. 


Wurat, Schwager Napoleons I. III 
388. IV 14. 


Muskulus, Prediger Andreas I 240, 
247, 


N. 


Nadod IV 412. 

Ragler, Generalpoftmeifter von III 
465, 466, 476. IV 110, 148, 160, 
164 fi., 178, 210. 

Napoleon I: Raifer der Franzofen I 
36. 


356, 365, 869, 372 ff., 
ar, 389, 391 ff., 899 pi 40 

43, 415, 418 ff., 426 ff., , 451, 
453 ff., 459 ff. 469, 471 wu a, 
483. IV 8, 5 ff., 10, 18, 16, 23, 
3, 28, 33 ff, 78, 77, 146, 186, 





Napoleon III., Kaifer der Franzofen 
IV 313, 381, 849, 854 ff., 385, 402, 
413, 430, 438, 448. 

Narbonne, franz. Staatsmann IV 46. 

Narwa II 370. 

Raffau IV 119. 

Rahmen, General Oldwig von IV 14, 


—8 1181, 136, 185, 251. II 216 ff. 

Naumburg I 216, 315. 111394. IV 73. 

Raunyn, Vürgermeifter IV 249. 

Neander, Kirchenhiſtoriler A. IV 184. 
186, 247, 325. 

Neapel IV 111. 

Nebenius, Staatörat IV 150. 

Neidenburg II 235. 

Neipperg, Graf III 18, 14, 17, 18. 

Neiße I 359. III 11, 13, 14, 17, 25, 
104, 160, 411. 

Neröborf II 141. 

Reffau, Burg I 47. 

Nefielrode, Graf IV 43, 44. 

Nettelbed, Joachim IIL 412. 

Neu:Angermünde I 417. 

Neulich, Benjamin II 817. 

Neumann, Andreas II 117. 

Neuruppin II 213, 402 ff. 

Neuftadt in der Mark II 213, 301. 

Neuftettin II 207, 285. 

Neuß II 146. 

Neuwied II 158. 


Ramenverzeihnis. 


Ney, franz Marihall IV 51. 
Ricoloviuß IV 80, 120, 164. 
Nicopolis III 325. 

Niebuhr III 429, 438, 474, 478. IV 
80, 110, 157, 166, 187, 188, 204, 
‚312, 829. 

Nieberihönfeld III 24. 

Nienburg III 404. 

Nikolaus von Jeroſchin I 74. 

Nikolaus, Propft von Bernau I 120. 

Nikolaus V., Papft I 158. 

Nifolaus I., Kaifer von Rußland IV 
100, 11 8, 827. 

Nitolaburg IV 414, 415, 424, 425. 

Rimmegen I 320. II 229, 232, 873. 
II 271. 

Nivernais, Herzog von III 69, 70. 

Noailles, franz. Feldherr III 24. 

Nobiling, Doktor IV 473. 

Nördlingen 1 365. II 202. III 332. 

Rollendorf IV 51. 

Norbert, Erzdiſchof von Magdeburg I 

118. 


Norbburg II 54, 55. 
Norbhaufen III 111, 370. 
Rorprath, General von I 424 fi., 434, 


436. 

Rowodwor II 24, 25. 

Nürnberg I 101, 7 274, 359, 459. 
1 222, 840. IV 152. 

Rugent, Generalfeldmarſchall Graf III 


Nyborg II 59. 


O. 


Obertirch II 192. 

Odenſee II 59. 

Dberberg II 207. 

Dfen I 128. 

dhiau III 14. 

Ohm, Spion IV 283, 818. 

Dien, Profefior IV 92. 

Diegfo II 74, 81, 90. 

Dlgierb, littau. Fürft I 71, 76. 

Diiva 1 42. II 59, 60, 69, 243. 

Ofmüg 128. III 19, 20, 101. IV 277, 
302, 305 ff., 322, 327, 831, 346, 
396, 410, 418. 

Dnolgbad 1 288. 

Dos in Baden IV 488. 

Oppeln II 10. III 14. 

Oranienburg 1457. II 110, 185, 213. 

Def 1 356. II 139, 146, 150, 151, 

5. 


Pruß, Preußiihe Geſchichte. IV. 


513 


Dfiander, Andreas I 101, 107. 

Dönabrüd I 366, 394, 491, 432, 434, 
435 ff., 489 ff., 444. II 164, 288. 
III 18, 111, 207, 364, 367, 368. 

Dfterburg I 112. 

Dftermann, rufl. General IV 51. 

Dfterobe I 94, 298. III 404 ff., 475. 

Oſtrau III 18. 

Detfer, Abgeorbneter IV 428. 

Ottmagau IIT 11. 

Dtto L. Kaifer II 101, 130. 

Dtto IL, Kaifer I 111. 

Dtto TIL, Raifer I 41. 

Dtto I., Marigraf von Brandenburg 
1118, 114, 119. 

Otto II, Wartgrnf 11114. 

Dito III, Markgraf 1 114 ff. 

Dito IV, Martgraf I 61, 115 ff. 

Dtto der Zaule, Markgraf 1122, 128. 

Dtto, Herzog von Braunfchweig I 119. 
Dtto I., Herzog von Pommern I 120. 

Dito von Pommern, Sohn Swantibors 


1 182. 
Otter I, König von Bößmen 157, 


115. 
Dubinot, franz. Marſchall IV 50, 51. 
Drenftierna, ſchwed. Kanzler Azel II 
Pr 206, 894, 407, 419, 430 fi., 


Drnfenn, fon Kanzler Erich I 


P. 
Pac, poln. Feldherr Wheel 11 294, 


Baberbomn III 197, 199, 369, 370. 
IV 187, 189, 198. 

Padua III 297. 

Panin, ruff. Staatsmann III 155, 159, 
160, 162. 

Pannewitz, Chriftian von I 426. 

Bappenheim I 841. 

Barhmig III 96. 

Bardubig II 20, 27. 

Paris 1 287, 435. II 139, 143, 147, 
164, 240, 248, 257. III 12, 62, 68, 
66, 70, 73, 95, 111 ff. 201, 242, 
280, 300, 302, 308, 820, 332 ff. 337, 
338, 356, 357, 361 ff., 366 ff., 370, 
371, 375, 382, 388, 390, 393, 401, 
451, 458, 455, 458, 461, 478, 475, 
482, 484. IV 16, 23, 28, 54, 55, 
57 fi, 61, 77, 78, 206, 235, 241, 
252, 266, 331, 431, 438, 440 ff. 

33 


514 


Bas, Frangois de, fiehe Rebenac. 

Boffarowig III 279. 

Paſſau 1224, 226, 303, 806. III 197. 

Palow, Ninifter Freiherr von IV 320, 
844, 870, 371. 

Pauder, Nitolaus II 287. 

Raul, Kaifer von Rußland III 841, 
861, 365. 

Baulueci, uff. General IV 5, 6,9, 12. 

Peig I 155, 158, 230, 273, 329, 368, 
372, 374, 392, 394, 407. II 87, 
128, 207, 215, 229, 302. 

Belargus, Generalfuperintendent Chri⸗ 
ftoph I 271, 318. 

Verband, Kämmerer von II 245. 

Perleberg I 214. 

Beftalozzi III 447, 470. IV 140, 204. 

Peter von Duisburg I 74. 

Per der Große, Reifer von Rußland 


n 881 
Beter u, Kaiſer von Rußland III 
26, 128 ff, 131, 152. 
Peters, polgeibireftor in Königäberg 
V 317, 


etrabung 11884. III 15, 60, 62, 64, 
70, 72, 73, 111, 128, 124, 155, 
157, 159, 161 ff, 167, 184, 191, 
269, 299, 309, 310, 314, 386, 341, 
362, 364, 371 fi., 375, 890, 458, 
466, 471, 482, 483. IV 79, 847, 
353, 359, 457, 458, 470. 

Peterwardein IV 84. 

Betritau I 160, 236. 

Petruſſa I 112. 

Beuder, General von IV 276. 

Pfalzburg II 192. 

Pfizer, Paul IV 116. 

Bforbten, Minifter von der IV 282, 

403. 


Pfuel, Kurt Bertram von 1351, 426 fi. 

Bfuel, General Ernft 9. von IV 245, 
246, 258, 265 ff., 269. 

PBhilipp, Kartäufermönd; I 74. 

Bhilipp, Sohn de Großen Kurfürften 
II 267, 315, 823. 

Philipp, Markgraf von Baden I 294. 

Philipp, Landgraf von Heffen I 194, 
204, 205. III 250. 

Philipp, Son gerzog Georgs von 
Pommern I 189. 

Philipp II. König von Spanien 1220, 
222, 224, 240, 290. II 891. 

en Infant von Spanien III 88. 

Philipp Ludrig, Pfalsgraf von Neu: 
burg 1 294, 319. 





Namenverzeichnis. 


Philipp Wilhelm, Pfalzgraf von Neu: 
aus 1429, 452, 458. II 65, 67, 
3 


Bhilippomo II 38. 

Phifippsburg IL 190, 191, 201. 

Phull, General III 896. 

Pillau I 93, 336, 338, 342, 343, 348, 
388, 389, 422, 426. II 2, 4, 7,9, 
14, “ 81, 84, 289, 342. III 387, 
425. IV 2, 3. 

Pillnig III 296, 298, 299. IV 290, 


334. 
Bilfen III 27. 
Pirna I 365. III 88. 
Filorius, Kanzler Simon I 221, 286, 


gi Viniſter Biliam III 86, 98, 102, 
112, 119, 121, 128, 127. 

®ius I1., Papft I 158. 

Pius VIL, Bapft IV 187. 

Pius VIII, Bapft IV 188, 190, 191. 

But IX., Bapft IV 446, 468, 465, 


478. 
Platen, Geheimrat Klaus E. von II 
105. 


Blaue I 188, 194. 
Blanen, ‚Hodmeifter Heinrich) von I 


Plauen II 224. 

Plehwe, General von IV 817. 

Biod 1 48 ff., 86. 

Plotztau, Graf Konrad von I 111. 

Ploiho, Gefandter von III 118, 138. 

Ploto, Kurt von I 192. 

Podewils, Kommandant von Pillau, 
von I 426. 

Podewils, Minifter Heinrich von III 
1, 10, 12, 17, 20, 26, 39, 42, 75. 

Bobiebrad, König von Böhmen, Georg 
I 155, 157, 159, 164. 

Bobol IV 412. 

Bölnig, Gerhard Bernhard von II 
141, 149, 165, 179. 

Roifgwig IV 39. 

Roland, Margarete von I 334. 

Polenz, Georg von, Biſchof von Samz 
fand I 100 fi. 

Poliander I 104. 

Bomarius, Lijentiat IT 114. 

Pommerjig IIL 228. 

Pompabout, Marquiſe von III 67, 68, 


Borponne, franz. Staatdmann II 147. 
Boniatowsfi, Stanislaus Xuguft III 
156, 157, 162, 295. IV 48. 


Namenverzeihnis. 515 


Porſch, eier II 837. 

Poſcherun IV 10. 

Bofen 1 241. Ei 42. 111405. IV 118, 
187, 194, 4 

FPolhaufen, Sherfteutnant Rafpar I 


Boladam 1 858. II 149, 166, 186, 
275, 331, 358, 888, 397. IT 1, 42, 
55, 57, 58, 60, 201, 847, 879, 401, 
484. IV 16, 166, 183, 254, 269. 

Prätorius, Profeſſor Abdias I 228, 
235, 240, 247, 249, 251. 

Prag I 245, 266, 294, 303, 305 ff., 
855, 410, 444, 450. III 17 ff., 28, 

27, 29, 30, 90 ff. IV 84, 45, 46, 
50, 52, 416, 419, 421. 

Praga II 24, 26, 28, 29, 

Prenzlau 1145, 159, 164, 168, 198, 
417, 419. 111 402. 

Preßburg I 127. IV 414. 

BVrettin, Nonnenklofter I 193. 

Breußifh:Eylau II 418, 427. IV 157. 

BreußiiheHolland U 234. 

Preußifh-Mart 1 348. 

Pribislam von Brandenburg, Slaven⸗ 
Häuptling I 112, 118. 

Beim, jpanifcer General IV 440. 

Bringen, Minifter Marquard von II 
347, 850. 


7, 850. 

Prittwitz, General Karl von IV 247, 
248, 250, 251, 294. 

Briterbe II 214, 217. 

Brodftheida IV 52. 

Pukio. öfterr. Gefanbter von IV 238, 


PR von Mähren, ortgef 119. 

Broles, Andreas I 1 

Pruchnann, nid T: 286, 318, 814, 
317, 326, 338, 340. 

Bruß, En IV 924. 

Broemyslam von Polen I 61, 115. 

Praylush, Erzbiſchof von Poſen IV 


Bufenbar, Samuel von II 285. 

Bultama I1 330. 

Qultust III 413. 

Butbus II 288. 

Wutlig, Kaſpar Ganz Edler zu a I131 ff. 

ut Satattfalter Adam Ganz Edler 
u I 29: 


Pulp, Sefnarfget Adam Georg Gans 
Edler zu I 418. 
Buttbus, Sat ar IV 455. 
Puttkamer, Minifter von IV 308, 478. 
®yri I 116, 167. 11 285. 


Q. 


Quedlinburg I 147. TI 192, 370. 

Duehl, Ryno IV 315. 

Duerfurt IV 71. 

Duitor, Dietrich und Johann von I 
185, 131 ff. 


R. 
Raab I 888. 
Rabe, Finanzminifter IV 299. 
Racy, Lord II 828. 
Rabowig, General Jofeph von IV 207, 
[., 247, 276, 279, 280, 282, 
287, 290 ff., 297 ff., 306, 817 ff, 


845, 352. 
Radziwill, Statthalter von Preußen, 


Pte: Seingefin Luiſe, Gemahlin 
des Markgrafen Lubwig von Branz 
denburg II 247, 253. 

— Prinzeſſin Luiſe, Schweſter 
des Prinzen Louis Ferdinand von 
Breußen IIT 430. 

Radziwill, Fürft III 394. 

Rabziwill, Prinzeſſin Elije IV 168. 

Ragnit 1 76 fi. 

Rainer, Doge von Venedig I 68. 

Ratoczy II 42, 382. 

Ramler I 27. III 254. 

Rante, Leopold von 14, 5,6. 11279. 
IV 140, 179, 272, 388. 

Raftatt II 192, 373. IV 207, 333. 

Rathenow I 183, 323, 355, 894. II 
128, 214 ff., 218, 222, 224. 

Rattau III 403. 

Hand, Bildhauer Chriftian IV 140, 


an "Johann 1 118. 

Raule, Benjamin II 254. 

Raumer, Binifer Rarl von IV 314, 
822 fi., 

Ravaillac, 2 I 806. 

Rebenac, Francois de Pas Graf II 
233, 234, 239, 40, 242, 245 ff., 
249, 250, 257. 

Rebentiſch, General von III 184. 

rn ‚Rannmergerichlöpräfibent von 

348. I 

Rechberg, Be Graf IV 897, 409. 

Ned, Staatäminifter von der IV 70. 

Rediinghaufen II 66. 

Reed 1 306, 320, 256, 421. 11 146, 
151, 168, 178, 180 ff. 

Regensburg T 215, 265, 267, 349, 


516 


362, 364, 365, 392, 452, 457 ff. 
IL 189, 140, 161, 169, 178, 205, 
208, 209, 212, 231, 250, 251, 263. 
1II 9, 87, 118, 138, 181, 185, 188, 
269, 310, 320, 382, 387. IV 97. 

Reichenbach 111281, 284, 286 ff., 292ff., 
297, 328, 333, 343. IV 44, 76. 

Reichenberg IV 412. 

Reichenäperger, Abgeordneter IV 85 

Reimer, Buchhändler ©. A. IV 93. 

Reinhard, Rammerpräfibent III 48. 

Rendöburg IV 407. 

Repnin, Fürft IV 60, 70. 

Neuß, Fürft ITT 281, 284, 292. 

Reval II 370. 

Regber, Kriegäminifter von IV 255, 
262 


Rhediger, Staatsrat von IV 120. 
Rheibt, Baron von, fiehe Bylandt. 
Rheinberg II 151, 291, 295, 321. 
Rheinsberg II 213, 404. III 57. 

Rheinzabern II 190. 

Rhenen I 382. 

Rhinow II 218. 

Ribbed, Oberft I 405, 406, 409. 
Ricelieu, Kardinal I 85, 339. II 177, 
181, 279. III 358, 430. IV 383. 
Nichelieu, Herzog von III 98, 95, 98. 

Ried IV 52. 

Niet, Kammerdiener III 250. 

Riga I 60 ff. II 31, 286, 087. m 
411. IV 4, 5. 

Rinst II 11. 

Rinteln, Juftizminifter IV 278. 

Ritter, Geograph Karl IV 140. 

Arten, Bas bayrifcher Bevollmächtigter von 

181. 


Rigebüttel III 373 ff. 

Rochow, Wichard von I 138. 

Rochow, Morig Auguft von I405, 409. 

Room, Oberftleutnant von II 396. 

Room, General von IV 160, 161,163. 

Rochow, Minifter Guft. Ad. von IV 
183, 172, 178, 181, 189, 191, 208, 
216, 218 ff., 226. 

Rodom, Zendlagemerſchal von IV 227. 

Rochow⸗Pleſſow, Hand von IV 817. 

Rocoules II 118 ſiehe May de Monbail. 

Rocoulle, Frau de II 342, 394. 

Robbertus, Generallandfhafterat IV 
259, 267. 

Rodorfer, Dompropft Wolfgang I 191. 

Rodt. Winandt I 428, 429. 

Nöbel, Dberft von I 238. 

Röder, General von IV 115. 





Namenverzeihnis. 


Roermonb II 140, 142. 

Roeskilde II 52. 

Rohde, Schöppenmeifter von Könige: 
berg Hieronymus II 69, 70, 78, 
75 fi., 92, 98, 100, 132. 

Rohr, ‚Kriegdminifter von IV 254. 

Rom 1198, 212, 294, 429. II 271. 
III 484. IV 183, 187, 188, 191, 
192, 208, 210, 211, 460, 461, 463, 
474, 478, 479, 481. 

Romitten II 74. 

Ronge, Johannes IV 211. 

Roon, Minifter Graf Albreht von IV 
863 fi, 370, 371, 374, 375, 878, 
PRO 389, 443, 452, 458, 455. 

de II 225. 

, Archäologe Ludwig IV 8 
Sohba II 95, 97, 115, 225. I 16. 
Roplau IV 36. 

Rotenburg I 127. 

Rotenhan, Bifchof Chriftoph von I 145. 

Nothentich II 289. 

Rothenftein, Hochmeifter Konrad ZN: 
ner von I 7° 


79. 
Kolben, Vräfident Chriftian von IV 
, 146. 


Rott, Karl von IV 127. 

Rouen I 268. 

‚| Rüchel, General I 36. III 380, 896, 
898, 899, 407, 421. 

Nüdert, Friedrich TV 202. 

Rudau I 77. 

Rudolf J. Kaiſer I 60, 116. 

Aubolf IT, Raifer I 257, 306 ff. 

Rudolf, Herzog von Sachſen-Witten⸗ 
berg 1111 ff., 180 ff., 188, 189, 142. 

Ruffach II 198, 199. 

Ruge, Arnold IV 178, 180. 

Ruhs IV 80. 

Rumbold, Shenalier II 877. 

Ruppin I 186, 398. 

Rupregt von ber Bfaly, König I 125, 
127. 


Rußdorf, Hocmeifter Paul von I 98. 

Rutomsti, fäc]. Generalfelmarigadl 
Graf 11 88. 

Ruyter, Admiral de II 59. 

Ryamit II 805, 308. 

Rufe, Bürgermeifter Bernd I 150. 


©. 


Saalfeld III 398. 
Saarbrüden IV 77. 
Saarlouis IV 60, 77, 102, 269. 


Ramenverzeihnis. 517 


Sabina, Rammergut II 108, 285. 

Sabine, qmeie Gemahlin Johann 
Georgs I 250. 

Serims, Georg 1180, 207, 208, 


Sad, Dierprüfdent Io5. Zug. II 


en Dieifebiger S. G. IV 182. 
Saden, ruf. General IV 51, 55. 
Saboma IV 480. 

Sagert, Geheimrat IV 285, 317. 
Salvius, Zegat I 406. 

Salza, Hocmeifter Hermann von I 


40 ff. 
Salzburg I 257, 265. III 28. IV 487. 
Salzwedel I 112, 116. 
Sand, Karl IV 98, 105, 116. 
Eonelout 111 46, 55, 57, 96. IV 885, 


Sapieke, Fürft II 7. 

Saunöheim, Deutfgmeiter Eberhard 
von I 93. 

Savigny, Friedrich Aal zon IV 80, 
140, 168, 208, 

Savigny, Geſandier Rarl erg von 
IV 4ll, 485. 

com: ntigenftein, Graf Johann von 


Saat I 107. 

Schad, Kapitän von IV 14, 16. 

Schadow, Bildhauer Johann Gottfried 
III 255. IV 141. 

Schafen I 298. 

Sgandau III 85. 

Scharnhorſt, General ©. 3. D. I 36. 
II 896, 397, 399, 401, 408, 413, 
414, 481, 443 ff., 448, 459 ff., 470, 
478, 482 fj., 486. IV 2, 8, 10, 12, 
17, 20, 24, 26, 29, 30, 33, 35 ff. 
45, 62, 63, 79, 120, 157, 158. 

Scharnweber, Staatsrat IV 128. 

Scheffner, Königäberger Bürger III 
444, 446. 


Scelling, IV 208. 

Scidler, Bankier IV 145. 

Schild, Major Ferdinand von III 412, 
469, 471, 474, 475. IV 157. 

Schilling, Prediger Jakob IT 114. 

eginnetopt, Drdensmarjhall Henning 


aan, Arditelt Karl Friebrih IV 
Shline 1117. 


Scleiermader, F. D. €. III 447. IV 
80, 105, 184, 204. 





Schleinitz, Minifter von IV 298, 297, 
344, 851, 369, 878, 395. 
Säleig II 215. 
Sclettftabt II 196, 198, 201. 
sous, Rengler Raifer Sigismunds, 
Rafpar I 286. 
sous, DOberlämmerer Hieronymus I 


86, 804. 
Sen Euſtach von I 192, 205, 
206, 218, 321, 229, 234. 
Sclieben, Adam von I 279. 
Schlieben, Graf II 97. 
Saleden, heſſiſcher Minifter Graf von 
194. 


Schlieffen. General_von III 276. 
Schlippenbad, Graf II 2, 35, 44. 
Sarnen, peeufifger Gefanter in Rom 


Schlüter, Andreas II 131, 256, 288, 
816, 317. 
Schmalz, Brofeffor Theodor A. IV 79, 
2 1 
Schmebbing, Geheimrat IV 190. 
Schmerling, öfterr. Minifter IV 899, 


406. 

Ber Karl Chriſtoph von III 
10, 134. 

Samen, Friedrich Wilhelm Karlvon 


Somit —* I Is 
Schmiebeberg IV 1 
Somiedefet, Dierk VSgmibt von II 


Sämattfeifen III 108. 

Söneibemüßl IV 212. 

Schomberg, Marihall II 249, 273, 275. 

Schön, Überpräfient 9. Th. von II 
861. III 429, 437, 488, 440, 454, 
463, 468, 469, 478. IV 2, 4, 11, 
14, 16, 18, 19, 119, 157, 203, 215, 
216, 218 f., 259, 263, 322. 

Schönberg, Dietrich von I 99 fi 

Syömbrunn III 381, 382. IV 405. 


Schönebeck, Jagdſchloß II 853. 


Schöning, Generalmajor Hand Adam 
von Il 287, 246, 263, 273. 

Schöning, Kämmerer IV 285, 817. 

Schöningen I 489. 

Schredenftein, Winifter General von 
IV 262. 

Scrötter, Rinifter K. W. von, I 481, 
437, 438, 440. 

Schudmann, Rinifter von IV 88, 88, 
108, 132, 160. 

Schulenburg, Adaz von II 207. 





518 


Schulenburg, Matthias von I 200. 

Schulenburg, Werner von 1381, 391. 

Schulenburg, Generalmajor von der 
9. 





99. 
Scäulenburg:Blumenberg, Niniftervon 
III 267. 


Schulenburg⸗ Kehnert, Minifter Graf 
III 294, 309, 401. 
Schulz Prediger II 351. 
Schulze, Amtzrat Joachim I 376. 
Säulze, Geheimrat Johannes IV 140. 
Schwalenberg, Günther von 1 116. 
Schwark, Karl IV 324. 
Schwarkenberg, Graf Adam von [34 ff., 
304, 332 ff., 422, 424, 425, 436 ff., 
452. 11 63, 122, 132, 174, 802. 
Schmargenberg, Graf Abolf von I 338. 
Schwargenberg, Graf Johann Adolf 
von I 400 ff., 410, 411, 415, 422, 
423. II 178. 
Schwarzenberg, 
marſchall Karl 


öfterr. Generalfelbs 
hilipp Fürft von 


Schwarzenberg, Minifter Felix Ludwig 
Fürft von 292, 295, 297, 301, 308, 
807, 312, 896. 

Schmwebt I 273. 11 367, 370. IV 118. 

Schmeibnig I 271, 359, 440. III 38, 
96, 97, 101, 115, 121, 125. IV 264. 

Schweinfurt II 191, 202, 215, 222. 

Schwerin, Dito Oberpräfident Graf 
von I 414, 499. II 6, 12, 34 ff. 
52, 71 ff, 77 fi.. 86, 88 ff, 183, 
185, 141, 145, 147, 149, 155, 161, 
166, 171_ff., 185, 186, 232. 

Schwerin, General von II 154. 

Schwerin, d dper gau Graf Kurt III 
14, 19, 88, 84, 91. 

Schmerin-Pugar, Winifter Graf von 
Iv 282, 251, 274, 360, 368, 371, 
393. 


Schmeh 189, 117. 

Sedendorff, öfterr. Sefandter Graf von 
11 881, 383, 405. III 23, 24. 

Sedan IV 447. 

Salminm. drſbiſchof von Breslau 


—— — 408. 

Sefeloge, Garbeartillerift IV 311. 
Seibenberg IV 73. 

Seldom, Winifter von IV 387, 458. 
Seligenftabt III 335. 

Senftenberg I 155. 

Seaf-dihe, Dberpräfident von IV 





Namenverzeichnis. 


Sennheim II 197, 198. 

Sepp, Profeſſor IV 447. 

Sefjelmann von Lebus, Biſchof Fried⸗ 
rig I 158. 

Seyblig, General Friebrih Wilhelm 
von III 103, 108, 115. 

Seydlig, Major von IV 6, 8, 9. 

Sibylle, Witwe Philipps von Baden 
1 294, 295. 


Sidingen, Franz von I 199. 

Sieyes, Dan, Staatämann III 357 ff., 
368, 420. IV 220. 

Sigismund, Kaifer I 85 ff, 98, 105, 
124 ff., 147, 155. III 176, 181. 

Sigismund 1., König von Bolen I 129, 


254. 
Sigismund II. Auguf, 
Polen I 284 ff. 258. 
Sigismund III, König von Polen I 
262, 290 ff., "208, 800, 307, 318, 


Sigiömunb, Erzbifof von Magdeburg 
239. 


König von 


Sigismund, Martgraf und Statthalter 
von Preußen I 341, 358. 

Sigmund, Bruber Friedrichs des 

;anftmütigen I 147. 

Simon, Heinrih TV 230, 256, 257. 

Simons, Juftizminifter IV 299, 302, 
338, 339, 342, 361, 388. 

Simfon, Präfident Eduard IV 278. 

Singheim II 186, 190. 

Siftoma III 292, 298, 295, 298. 

Sittard I 356. 

Stalig IV 412. 

Stiernewice IV 294, 470. 

Storzemäty, petnifäe Familie III 165. 

Sie, AH sifder Reichsrat Benebitt 
11 


Pr oem m 486. 

Sobieski, König von Polen, Johann 
u 185, 212. 

Sobiesti, Jalob II 275. 

Sömmerda IIT 399. 

Soeft II 163, 167. 

Soiffons II 382. 

Soldin I 158. 

Solferino IV 349, 374, 412. 

Solms, Graf III 154, 159. 

Soltitom, ruf]. General III 107 ff., 126. 

Sommerfeld I 168, 199. 

Sommerfeld, General von II 224. 

Somnig, Kanzler von II 13, 179. 

Sonderburg II 54. 

Sonnenwalde I 199. 


Ramenverzeihniß, 519 


Soor III 35, 36, 38. 

Sophie von Polen, Mutter Herzog 
Albrechts I 97, 179. 

Sophie, erfte Gemahlin des Rurfürften 
Johann Georg von Brandenburg 
1.282, 250. 

Sophie Semaptingurfürft CheiftiandT. 
von Sadjfen I 

Sophie, Gemahlin Bein Bogislam X. 
von Pommern I 

Sophie, Gemahlin bes Ruefünften Ernſt 
Auguft von Hannover II 267, 298, 
342, 843. 

Sophie Charlotte, Gemahlin des Kur- 
prinzen Friedrich II 252, 266 ff., 
298, 301, 308, 316, 317, 324, 328, 
341, 343, 347, 392. 

Sophie Doroten, Gemahlin König 
Friedrich Wilhelms I. II 829, 845, 

eoppe Zul, Semap Bönig Zei: 
ophie Luiſe, madin nis 
rid I. II 381, 387, 

Soubife, jog von fr 8 95, 102. 

Souded, General de II 58, 59. 

Soult, Rarfgall III 451. 

Spaen, General II 161, 226, 230, 


240, 241. 

Spandau 1131, 145, 150, 211, 212, 
230, 244, 329, 353, 354, 356, 374, 
8384, 394, 400, 401, 405, 407, 409, 
413, 417. 1141, 207, 213, 301, 336. 
II 143, 402, 480. TV 35, 98, 811. 

Sparr, Hofmarſchall I 238. 

Sparr, General Dito Chr. von I 448. 
2, 15, Fr 28, 29, 48, 58, 102. 

Speier mı 

Spener, Berk, Jakob II 819. 

Speratus I 

Sri, —3* von Köln Graf IV 

Spieimamn. I otöetreitr von III 

» 284, 310. 

Spinola, fpan. General I 810, 319. 

Spinoza II 402. 

Spiring, Abraham I 388, 389. 

Split, Dorf II 236. 

Sort, Felbmarigalleutnant Freiherr 
on II 


Spofetti, Berboni bi IV 185. 

Stabe II 226. 

Stadion, at Philipp III 866, 867. 
IV 43, 44. 


Stägemann, Geheimrat III 429. IV 78, 
80, 120, 125, 151, 157. 
Stahl, Profeſſor F. 3. IV 202, 206. 





Stalhans, ſchwediſcher Oberſt I 394. 

Stargard I 114, 116. 

Starhemberg, Graf II 70, 72. 

Starfenderg I 39. 

Staßfurt I 116. 

Staupig, Johann von I 198. 

Staupig, poln. Gefandter, Oberft 1238. 

Stavenhagen, Abgeordneter IV 375. 

Steigente 6), öfterr. General III 487. 
vı 


Stein, % "Freier von III 380, 390, 
392, 402, 404, 407, 408, 412, 415, 
428 ff. 440 ff, 445 ff., 453, 456 fi, 
474, 476 fi., 481. IV 1,12, 19, 22, 
24, 26, 52, 54, 69, 81, 85, 86, 93, 
110, 118 ff., 187, 157, 165, 175, 
202, 218. 

Stein, Abgeordneter IV 264. 

Steinau I 359, 361, 368. 

Steinafurth II 398. 

Stellmader, Sefretär Johann I 899. 

Stenbot, fümeb. General II 18, 38. 

Stendal 1 115, 116, 176, 192, 201, 
355, 408. II 218. 

Stengel, Geſchichtsſchreiber ©. 9. 14. 

Stenzler, Profeffor IV 175. 

Stephan, Bifhof von Lebus I 120. 

Stephanswert II 142. 

Sternberg, Sogmeiter Michael Rüde 
meifter von 1 92, 98. 

Sternberg, Sdento von I 157. 

Stettin * 151, 158, 168, 288, 343, 
381, 414, 415, 419, 438. II 6, 9, 
34, 50, 58, 60, 226, 227, 229, 231, 
242, 252, 271, 367 fi., 376, 878. 
III 110, 122, 426, 452 ff, 457, 
461, 473, 481. IV 35, 52, 84, 411. 

Stieber, Dr. IV 311, 317, 368. 

Stiehl, A. W. F. IV 328. 

Stobäus, Rapellmeifter Johann II 113. 

Stodhaufen, Kriegsminifter von IV 
299, 302. 


Stodholm I 409,407, 414, 481, 492, 
447. 1I 195, 

Siolden, Besierungöpeöfient Graf 
*1 


lab. Riseräfent des Minifter 
riums Dito Graf zu IV 472. 

Stoip I 117. II 172. 

Stordom I 297, 361. IV 22. 

Stofh, Hofprebiger Bartholomäus 
IT 114, 183. 

Stourdza, ruf. Staatsrat IV 91, 98. 

Strafford, Minifter König Karls J. von 
England IV 383. 


520 


Straffund I 117. II 50, 59, 226, 
233, 239, 42, 371, 872. 
Stradburg in der Mark I 417. 
Strasburg (Weftpreußen) II 211. 
Straßburg im nee 1264, 265, 282, 
II 190, 191, 194, 
106, 10 199, &. 247, 280. III 840. 


Pre Ehriftoph von der I 219. 
Stratmann, pfalzneuburgifh. Staats: 

rat IT 164 ff., 175. 
Stratner, —8 I 207, 208, 211, 214. 
Straubing Johann von III 181. 
Strauß, Bavid Friedrich IV 186. 
Strauß, Hofprebiger IV 325. 
Striegau III 38. 
Strietberg, Bifhof Heinrid) von I 58. 
Strotha, Generalmajor von IV 269. 
Struenfee, Minifter von III 318. 

m I 348. 


Stup . 

Stuler, Kaplan Peter I 317. 

Stutternheim, öfter. General Graf 
III 425. 

Stuttgart III 194. IV 152. 

Süptig III 115. 

Siüvern, Profeffor Johann Wilhelm 
III 446, 465, 471. IV 80, 120. 

Sulzer III 58. 

Sumorom, ruff. General III 360. 

&Svarez, Jurift III 281, 266, 849, 
352. IV 173. 

Smwantibor, Herzog von Pommern I 
181, 132. 

Swaniopolk, Herzog von Pommerellen 
151 ff., 60 ff 

Smieten, 2eibarzt van III 164, 177. 

Sybel, Heinrich von IV 374. 

Syburg, Regiment von III 124. 

Sybow, Anna I 242. 

Sydom, Zeugmeifter Michael Dietrich 

2. 


1 24: 
Syn, Reichsfreiherr Andreas von 
onen, Kommandant von Berlin, von 
360. 
Sohn, Abgeordneter, Prediger IV 
261, 324, 466. 
Sydow, Gefandter von IV 398. 
T. 


Taglioni, Tänzerin IV 161. 

Talleyrand, franz. Minifter des Aeuße⸗ 
ten III 362, 369, 374, 386, 415. 
1V 68, 69. 





Namenverzeihnis. 


Tangermünde I 112, 184, we, 178 
182, 251, 855, 408, 429, 460. 3 
108, 113. 

Zannenberg I 87 ff. II 30. 

Tapiau II 14. 

Targowicze III 305. 

Tarnom II 222. 

Tauengien, General Graf von III 388, 
396, 398, 482. IV 50, 51, 168. 

Tauroggen IV 8, 9, 14, 82, 85. 

Taris f. Thurn. 

Temme, Appellationdgerichtöbireltor 

IV 318. 

Templin I 117, 417, 419. 

Tentitten I 41. 

Xeplig IV 93, 130, 181, 858, 367. 

Zeichen III 88, 191. 

Tettenborn, ruſſiſcher General IV 33. 

Tegel, Dominifanermönd I 190, 191. 

Zeupig I 158. 

Therweften, Hofmaler Buguftin 11817. 

Thielmann, fachſ. General von IV 88. 

Zhier ters, Drdensmarſchall Konrad von 


157. 

Thiers I 24. IV 208. 

Thile, Major von IV 14, 16. 

Zhile, Minifter General von IV 208, 
205, 227. 

Thomas, Matthias I 208. 

Thomafius, Chriftian II 818, 346. 

<horn I 47 ff. 67, 78, 82, 86, 90 ff., 
96 ff., 100, 189. IT 11 ff, 55, 59, 
379. III 159, 165, 168, 275, 276, 
280, 282, 289, 294 ff., 312, 412, 
413, 472. IV 68, 78. 

Thugut, öfterr. Minifter Baron Franz 
von III 164, 188, 190, 310, 825. 

Thulemeier, Geheimrat II 353. 

Thun, öfterr. Minifter Graf IV 294. 

zum, Matthias Graf von I 848, 


zhuen, Furſt von II 112. 
Tilly, faiferliher Generaliffimus I 
344, 356. 


1, 347, , 356. 

Tilſit 11108, 296. III 419, 420, 422, 
425, 429, 450, 452, 459, 464, 481. 
IV 9 fi., 16, 39. 

Zönningen II 58, 870. 

Tolly, ruff. General Barclay de IV 88. 

Xorgau III 88, 110, 115, 116. [IV 85. 

Zoron 1 39. 

Torftenfon, ſchwediſcher General 1413, 


Zottleen, xuſſiſcher General III 115. 
Zournai III 27. 


Romenverzeichnis. 


Trachenberg IV 49. 

Trautenau III 85. IV 412. 

Xrebbin I 419. 

Treitfchte, Semih von 19 ff., 29. 
III 109. T 

Treptow I 10, 63 

Xreuenbriegen I 419. 

Zrivent I 219, 224, 227, 228, 232. 

Triebſee II 58, 226. 

tier I 460, 461. II 159, 180, 191, 
1m II 207. IV 187, 189, 211, 


Tromp, Abmiral II 2: 

Xroppau_III 19, 21, ” 36. IV 135. 

Xrothe, Oberft von I 892. 

Trotta, vo von I 192, 221, 224. 

Troyes IV 

Tſchech, —52 IV 224. 

Xübingen IV 346. 

Zucel II 285. 

Taurtheim II 199 fi. 

Turenne, franzöf. Rarſchall II 74, 151, 
154, 158, 160, 162 ff., 166, 167,178, 
186, 190 ff. 206. 

Zurnau IV 412 

Tmeften, Abgeordneter Karl IV 374, 
875, 418, 422. 

Torfonnel, frangöf. Gefanbter Graf 
III 56. 


Tyfchoppe, Mitglied ber Unterſuchungs⸗ 
kemmilfion gegen bie Demagogen 
V 95, 105. 


u 


Ußden, Rinifter IV 227. 

unle, Zeibjäger I 80. II 221. 
Upti, Pattor IV 262. 

Ulm III 188. IV 102, 207. 

Ulrich, Seros von Neclenburg · Star 
gard I 185. 

Wrig, Fürft von Wenden I 159. 

Ulrike, vrinzeſſin von Preußen III 26. 

Ulrife Eleonore, Schweſter König 
Karl An von Schweben II 325. 

Unna II I 

Unrub, $ Kon IV 259, 260, 271, 
315, 368. 


Upfala IV 325. 

Urfinus, Geheimrat III 148. 

Urfula, an des Kurfürften Albrecht 
Adiles 

Uscie IT I 

Meran 1 I Ye, 847. II 143, 339, 866. 


521 


B. 


Valmy III 306. 

Balory, franzöſ. Gefandter III 15. 
Bandamme, franzöſ. Marſchall IV 51. 

Varnhagen von Enſe IV 158, 177, 
221. 


Barzin IV 472. 

Vaubrun, Marquis de II 140 ff., 175. 

Zauguion, Graf de la II 154 fi 

Benel 2 163. II 18. 

Venlo II 140, 142. 

Verden 1197, 459. II 226, 228, 229, 
367. 

Bergennes, franz. Miniſter III 242. 

ae, ðraf von Crequy II 144, 145, 


gerona Iv 112. 

Veronita, Schwefter Kurfürft Fried⸗ 
richs I. von Brandenburg I 138. 

Verſailles III 68, 88, 157. IV 448, 


451, 460. 

Zierraden I 159, 166, 273. . 

Biktor Emanuel, König von Jtalien 
IV 409. 

Billafranca IV 349. 

Binde, Dierpräfient Ludwig Freiherr 
von IV 120. 

Binde, Georg von IV 224, 282, 248, 


aim, Abgeorbneter Rubolf IV 868, 
438, 459. 

Bitrg, que de II 207. 

voiol —3* Johannes IV 105. 

Voigt3:RHek, General von IV 365. 

Zoltaire III 24, 40, 57, 3 113. 

Boß, Julie von III 250, 272. 

Bob, Rinifter von III 404, 485. IV 


135, 

Voß, dee dolmeiſterin Gräfin Sophie 
von III 466. IV 1, 165. 

Boffem II 168, 171, "179, 204. 


®. 


Badau IV 52. 

Wachtmeiſter, Oberft II 221. 

2 jener, Redakteur der Kreugzeitung 
315, 455. 

Bayan II 478. 

Waidot, Sohn Kynftut3 I 76. 

Waldburg, Graf Truchſeß von II 359, 

363. 


Daher, Graf Georg Friedrich von 
1449, 453 ff, I 2 fi, 12 fi., 88, 


522 


36, 37, 41 ff., 45, 48, 50, 51, 66, 
104, 184, 211. III 196. 
Waldeck, Obertribunalrat IV 258, 262, 
264, 265, 267, 276, 280, 282, 368. 
Waldemar II., König von Dänemark 


1 114. 

Waldemar IV., König von Dänemark 
I 71, 78. 

Waldemar der Große, Markgraf von 
Brandenburg I 116 fi- 

Waldemar, der falſche I 121 fi. 

Waldenfels, Chriftoph von I 286. 

Waldow, Barthel von I 402. 

Waldow, Bernd von I 398. 

Waldow, Hans non I 398. 

Waldow, Biſchof von Brandenburg, 
Johann von I 185. 

Waidow, Sebaftian von 1387, 398, 402. 

Wallenrod, Oberſt Heinrich von II 88. 

Ballenftein, Herzog von Friedland I 
331, 332, 339 fi., 844, 346, 347, 
349, 350, 358 fi., 399. IT 233, 


279. 

Balwig, Johann von I 219. 

Wangelin, ſchwed. Oberft von II 164, 
182, 187, 192, 214, 216, 217, 229. 

Bangenheim, Fräulein von II 176. 

Wartotih, ſchieſiſcher Edelmann von 
III 121. 

Warſchau 1 28, 235, 256, 287, 292, 
293, 300, 308, 328, 332, 337, 389, 
891, 430. 112, 4, 10, 19, 24 ff, 
29 ff., 59, 68, 69, 72, 74, 75, 81, 
83, 87, 90, 94 ff., 212, 287, 291. 
111 30, 64, 122, 128, 156, 159, 280, 
288, 295, 317, 326, 451, 472. IV 
86, 277, 295, 297, 307, 312, 859, 
867, 470. 

Wartenberg, Oberfämmerer Kolb von 
11301, 310, 322 ff., 329,392, 834, 
336, 345, 349, 354. 

Wartenberg, Gräfin, Gemahlin des 
Oberfämmererd II 328. 

Wartenburg IV 51. 

Baffelnheim II 192, 194. 

Wedel, General Georg Ernft von 1386. 

Medell, General von (Diktator) III 107, 


108. 
Wegſcheider, Profeſſor IV 185. 
Wehlau II 14, 46, 50, 60, 68, 88. III 


165. 
BWeimann, clevefcher Kanzler II 6 ff., 52. 
Weimar III 127, 398, 399. IV 53, 


219. 
Weingarten, Baron III 72. 





Namenverzeihnis. 


Weinleben, Johannes I 208, 214, 221, 
227, 229. 

Weißenburg IV 447. 

Weibenfels IV 73. 

Welder, gie, Vhilologe IV 98. 

Welder, Karl IV 9 

Wellington, englifher Feldmarſchall 

77,79. 


Weläborf III 188. 

Wenzel, König I 86, 128 ff-, 136, 139. 

WenzelII., König von Böhmen161,115. 

Wenzel IIL, König von Böhmen I 61. 

Werben 1 112, 355, 408, 429. 

Werden III 370, 388, 391. 

Werber, Minifter von III 258, 261. 

Werle II 162. 

Werner, Maler A. von IV 449. 

Wernigerode I 278. 

Werther, preußifher Gefandter von 
IV 441, 442, 444. 

Weſel 1319, 356,421. II146, 151,162, 
168, 173, 179 ff., 241, 242, 897. 
11128, 74, 126, 361, 369, 389, 894. 
IV 68, 102, 248. 

Wefenbed, Matthias I 429, 432. 

Beftminfter III 69. 

Weſtphalen, Minifter F. W. 9. von 
IV 314, 317, 385, 338, 339. 

Bette, Profeffor WM. 2. de IV 98. 

eglar I 460. IV 75. 

Wiborg II 370. 

Bigmamı, Ergbifpof von Magdeburg 

113. 





BWicquefort, Agent des Großen Kurs 
fürften I 443. 

Wieliczta III 164, 282. 

Wien I 148, 153, 241, 337, 389, 344, 
347, 861, 404, 410, 429, 430, 448, 
458. II 12, 38, 45, 49, 57, 59, 117, 
138, 152, 159, 160, 165, 178, 184, 
185, 191, 202, 205, 208, 209, 211, 
212, 215, 237, 238, 243, 249, 265, 
270, 292, 296, 304, 305, 310, 811, 


115, 126, 150, 208, 207, 240, 241, 
258, 267, 299, 302, 303, 806, 334, 


Namenverzʒeichnis. 


347, 358, 396, 405, 406, 412 ff. 
487 fi., 458, 472. 

Wiesbaden IV 436. 

Wiefe, Geheimerat 2. IV 8° 

Wiebnonil, Fürft Micjael m 94, 140, 


Bilgelm I., König von Preußen, beut: 
fer Raifer I 27. IV 70, 159, 188, 
170, 333—489. 

Wilheim, Prinz von Preußen, Bruder 
König griedrich Wilfelms II. III 
453, 455, 456, 458, 460 fi. 

Wilhelm von Schengoten, Ersbifchof 
von Rige I 

Mihelm, —8 von Selen 11268. 

Wilhelm I. von Holland I 35. 

Wilhelm IT. von Holland 1447. II 4. 

Wilhelm III. von mien II 138, 160, 
183, 196, 209, 211, 231, 232, 263, 
a 275, 292, 295, 296, 802, 805, 


Biken V. von Holland III 270. 
Wilhelm, Herzog von Jülich und Eleve 
109, 253, 256, 269, 294, 295. 
Wilhelm, Markgraf von Meißen I 124. 
Wilhelm, Herzog von Medlenburg- 
Schwerin II 381. 
wien Prinz von Raffau: Friesland 


aim, Herzog von Sachſen I 152, 
ai, König von Württemberg 


Wilhelm, Sohn Herzog Karls von 
jedienburg IV 162. 
Wilhelm Seintig, © Sohn des Großen 
Kurfürſten IT 
Bilelmine, oder König Friedrich 
Wilhelms I. II 341, Fr 380, 395, 
am. III 56, 89, 90, 92, 94, 95, 98, 


Wilbeimagöge IV 450. 

Wilgelmäthal III 125. 

Williſen, General von IV 257, 258. 

Bilna I 76. II 10. 

Wilsnad I 198, 225. 

Wiltenhof, Konrad von I 47. 

Wimpfen III 332. 

Wimpina, Rektor Berliniperfität Frank: 
furt a. D. Konrad I 191 

Windifägräg, General Fürft IV 287. 

Windthorft, Hannöverjher Jujſtiz⸗ 
minifter unb Abgeorbneter IV 429, 


482. 
Winkelmann III 58, 59. 


523 


Binnenberg I 411. 

Winterfeld, Geheimerat Samuel von 
1 829, 388, 341, 349, 879, 886, 
398, 406, 417. 

Winterfelb, General von III 75,89, 98. 

Wisby I 78, 83. 

wiman 1 J 58, 59, 225, 226, 252, 367, 


368, 
alten, ſchwediſcher Legat Salvius 


Pe ® ttauer Fürft, Kynſtuts Sohn 
177, 82, 85 ff., 140, 141. 

Witt, holländiſcher Staatsmann Johann 
de II 6, 279. 

Wittenberg I 102, 192, 198 ff. 204 ff. 
211, 218, 244, 247, 825, 332, 353. 
11 115. III 110, 401, 402. IV 85, 90. 

Wittenberg, Feldmarfgall Graf 118,9. 

weit jenftein, ruſſiſcher General Fürſt 

9, 10,19, 21,31, 35,36,38,41,50. 

Bitgenfeln. Dbermarfhall Graf II 
322 ff., 334 ff, 345, 349, 354. 

Wittgenftein, Minifter Fürft von III 
460, 476. IV 83, 88, 91, 93 ff., 
108, 109, 129, 185, 163, 164, 197. 

Wittſtock I 244, 371. II 224, 237. 

Wigel aus Niemegt, Prediger I 211. 

Wigenhaufen II 158. 

Bil, Fürft von Rügen 1 61 ff., 


Bit, General 3. W. von IV 81, 
160, 167, 170, 172, 183. 

Wladislaw von Oppeln I 85. 

Mladislaus IT, Rönigvon Polen 182ff., 


139 fi. 
Wladisiaus III., König von Polen I 
93, 164, 166, 173, 174, 179. 
Wladislaus IV., König von Polen I, 
356, 388 
Mladislaus, Herzog von Pommern: 
Wolgaſt 119. 
Vladisiaus Lokietek 1 61 ff., 116, 120. 
Woberfnom, Generalmajor von III 107. 
Wöllner, Minifter III 258 ff., 304, 
a 318, 850, 351, 855. IV 168, 


Wörtg IV 447. 
Wolf, Jefuitenpater IL 320. 
Mofi, Bhitofopp Chriftian III 5, 44, 


58, 132. 

wolfgang, Vilhelm Pfalzgraf von Neu: 
burg I 501 1 ER 809 ff, 319, 821, 
347, 448. II 

Wolgaft I 16 Sei, 440. 11 50, 58, 
226, 368, 370, 1. 


524 


Woltersdorf, Konſiſtorialrat III 263. 
Wolterädorf, Landgut II 337. 
Vormditt II 41. 

Worms I 215. III 25. 

Wrangel, jhwebifher General Karl 
Sufar 1444. II 25, 27, 202, 206, 
207, 218, 214, 216. 

Wrangel, ſchwediſcher General Waldes 
mar II 207, 213 ff., 217 _fi., 224. 

Wrangel, Felbmarjhall Fr. 9. E. von 
IV 257, 265, 271, 403, 405. 

Wratislaw IV., Herzog von Pommern 
168, 114, 117, 120. 

Wratigtam VIIL, ‚Herzog von Pommern 

183. 


Wratislaw X., Herzog von Pommern: 
Wolgaft I 158, 159, 163 ff. 

Wrede, Feldmarſchall IV 115. 

Wriggen II 213. 

Wuffen, Luben von II 384, 337. 

Wulffen, General von 11 228. 

Dunſch, General III 110. 

Würzburg II 127, 199, 207, 
364. IV 354, 360. 

Wufterhaufen II 376. 

Wyiich, General III 111. 


889, 


Xanten I 320. 


2. 


York, Feldmarſchall Hans David Ludwig 
Graf von III 253,-401, 444, 460. 





Ramenverzeihnid.” 


IV 2 ff., 18 ff., 26, 29 ff., 38, 835, 
36, 88, 41, 50, 51, 52, 55, 57, 59, 
157, 158, 202. 

Ipern III 27. 

Hfenburg, Prinz von III 102. 


3 


jabern I 264. II 192. 
jaſtrow, Dberft von III 347, 402, 
403, 408, 410, 415. 
jechlin I 244. 
dlig, Minifter von III 224, 254, 
259 fi., 355, 428. 
Zeblig, Polizeipräfident von IV 368. 
Se 1 213. 
ehmen, Achatius von I 105, 106. 
Eee Mardefe I 188. 
jeven III 93, 160. 
Biegler, Oberbürgermeifter IV 318. 
Biejar I 198. 
Bieten, General Hans Joachim von 
II 14, 116. 
Zingendorf II 358. 
Zittau III 94. 
Anaim III 473. 
‚öllner, Hofprebiger III 250. 
jornborf III 103. 
offen I 394. 
ſchillen I 97. 
ülihau, 207. 
jütphen II 148. 
umpt IV 178. 


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