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Klassen und Ordnungen
des
THIER-REICHS,
wissenschaftlich dargestellt
in’Wort und Bild.
ERSTER BAND. PROTOZOA.
Von
Dr. ©. Bütschli,
Professor der Zoologie in Heidelberg
Mit einem Beitrag:
Palaeontologische Entwicklung der Rhizopoda von Ü. Schwager.
I. Abtheilung:
Sarkodina und Sporozoa.
sowie 9 Holzschnitten.
I — — —
Leipzig\und Heidelberg.
C. F. Winter’sche Verlagshandlung.
1880 — 82.
(1880 p. 1-—— 224; 1881 p. 225 —320; 1882 p. 321 — 616.)
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Inhalt.
Pag.
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A. Klasse Sarkodina e
I. Unterklasse Rhizopoda . Be. 3
1. Historische Entwicklung unserer Kenntnisse 3
Literatur. 10
2. Morphologische tnssung ud EN sowie eat
gruppen 14
3. Schalenbanu.
A. Materialien des Schalenbau’s . 15
ce. Chitinöse Schalen 19
ß. Kalkschalen : vn
y. Fremdkörperschalen 25
d. Kieselige Schalen x 33
B. a ae der Schalen . 35
. Homaxone Schalen . 35
B. Monaxone, monothalame Sch: den 36
y. Polythalame Schalen 2 44
y1. Polythalame Imperforata . 46
y 2. Polythalame Perforata 58
Abnorme Schalenbildung 94
4. Der Weichkörper 2 95
«. Allgemeine Gestaltung . 95
ß- Beschaffenheit des Protonlasinas 97
y. Differenzirung in Regionen . 95
d. Färbung des Plasmas . 100
e. Einschlüsse des Plasmas . FE AR Rt
e1. Nichteontractile Vacuolen, Gashlasen, Stoffwechselproducte 100
&2. Contractile Vacuolen 105
& 3. Nuclei u: 107
Allgemeines Vorkommen . 107
Gestalt und Bau der Kerne . £ y.% 112
&. Pseudopodienbildung, Bewegung und Kabrikeeiufahmg i 114
n. Gallertige Umhüllungen ; 124
5. Verhalten des Weichkörpers zur Hehale u nid de dk: Schale 125
6. Fortpflanzung, Koloniebildung und Encystirung 154
e. Fortpflanzung durch Theilung oder Knospung . 134
?. Koloniebildung 143
y. Eneystirung f 148
d. Copulation und Oinkikaitbn ‘ 155
&. Angebliche geschlechtliche Wa hinzune 156
7. Biologische Verhältnisse . 161
«. Wohnort 161
P- Nahrung 169
y. Abhängigkeit der Örkanisnklon: von Vene äusseren Be atediningen en 170
Inhalt.
8. System
&. Hielsginchis s
?-. Uebersicht des Bl " zu da Gallien.
y. Anhang zum System,
Eozoon
Stromatoporida .
Dratyloporida
9. Geographische Verbreitung N
10. Paläontologische Entwicklung. Von Ü. Schwager
II, Unterklasse Heliozoa A
1. Historische ee unserer Kenntnisse
Literatur.
2. Morphologische Kakteen RR RER sowie die ine
gruppen : 3 STEH,
3. Der Weichkörper i ur
4. Pseudopodien; en senaun nu :
5. Skeletbildungen
A. Gallertige Hüllen .
B. Kieselige Skelete
C. Fremdkörperskelete
6. Fortpflanzungserscheinungen.
A. Einfache Theilung und Koloniählidußr: k
B. Fortpflanzung durch ER und Schwärhefbilänne .
0. Eneystirung j Papa. x : eh
D. Conjugation und Gonulstieh
. System F e
A. Allgemeine ER RT Ku tfisiene),
B. Uebersicht des Systems 5 N
8. Vorkommen, geographische IRREIERTN , ‚bioloflueke Ver-
hältnisse
III. Unterklasse Radiolaria . 3 u,
1. Historische Entw ge unserer eenininen
Literatur
2; a ldsieche Anffansung. es Bemsitune. sowie die Heupt-
gruppen
3. Skeletbau
A. RE
B. ee Bau das TEA
. Acanthometreen . ;
B. Sphäroidskelete
y. Phaeodarienskelete .
d. Monopylarienskelete
4. Der Weichkörper
z Die CGentralkapsel a
3. Intrakapsuläres Plasma ande seine Einschiness
«. Das intrakapsuläre Plasma
2 ne mit Ausnahme der Nuclei
. Nichtcontractile Vacuolen
{ Eiweisskugeln
}. Oelkugeln .
4. Pigmente . '
5. Öoncretionen und Kork
Pag.
172
172
176
217
221
224
228
242
261
261
265
267
269
284
295
296
298
302
303
303
307
310
317
318
318
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329
332
332
342
344
347
348
350
351
358
379
354
402
402
410
411
415
413
415
416
418
420
C. Extrakapsuläres Plasma, seine Ernkchinsne AR csengnldse
D.
Inhalt.
y- Die Nuclei i
1. Lagerung im Körper od Zahl
2. Bau und Vermehrung
a Das Plasma und die Gallerte .
. Einschlüsse . i
RER eesutnsiime und kung :
I Pseudopodien e SE
2. Sarkodegeissel und are Fäden
3. Bewegung S »
4. Nahrungsaufnahme a Herakking überein
5. Fortpflanzung
A.
B.
C.
Theilung .
Koloniebildung
Schwärmerbildung.
6. Biologische Verhältnisse .
A.
B.
C.
D.
E.
Parasiten
Regeneration /
Missbildung und ekimation
Verhalten bei Reizung
Wohnortsverhältnisse
T N Vorkommen
B. Klasse Sporozoa na
Historische Entwic ang unserer Kenntnisse
Literatur
I. Unterklasse Grerarinida
1. Morphologische und ae aa
3, Genauere Schilderung der Gestaltung
3. Einzelne Organisationselemente.
A.
B.
C.
D.
E.
Outicula .
Ectoplasma .
Entoplasma .
Bewegung und nsrng
Nuclei
4. Fortpflanzung :
I. Fortpflanzung der NT suiekeellnlaten Gregeriniden
A. Vorbereitende Erscheinungen, Conjugation
B. Eneystirung
©. Gestalt der Cysten ar Boehafleniion De Hallen
D. Sporulation .
E. Weitere Ausbildung ar Bau det zeifen Ben
F. Bildung sichelförmiger Keime HF
G. Wiederentwicklung der Gregariniden aus ach Shrek.
II. Fortpflanzung der sog. Coceidien.
5. System
* Verbreitung und sh altnisae
II. Unterklasse Myxosporidia .
III, Unterklasse Sareosporidia .
Anhang: Sog. Mihrokgeidfen (Peprinekörperchen)
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Den Namen Protozoa gebrauchte zuerst Goldfuss (1820) für die
auf der Stufenleiter des Systems den niedrigsten Rang einnehmende
Abtheilung des grossen Tbierreichs. Erst 1841 verwendete Siebold
diese Bezeichnung in dem Sinne, welchen sie im Wesentlichen jetzt
noch besitzt, während Goldfuss (und Andere, die sich ihm anschlossen)
nicht wenige der heutigen Metazo@n in ihren Protozo@n einbegriffen hatten.
(Näheres hierüber siehe p. 1136 u. ff.). Die Siebold’schen Protozoän
umfassten die Infusoria der älteren Forscher (0. F. Müller, Ehren-
berg und Dujardin), nach Ausscheidung der Rotatorien und anderer,
einst irrthümlich hierher gerechneter Metazoön, sowie derjenigen einfach-
sten Organismen, welche in ihrem physiologischer Charakter den typischen
Pflanzen nahe kamen. Genaueres über die allmäbliche Reinigung der Ani-
maleula infusoria von nicht zugehörigen Formen, wie sie sich im Laufe der
Jabrzehnte, von Müller bis auf Siebold vollzog, gibt der Abschnitt über
die Geschichte der Infusorien, auf welchen wir verweisen. Dort wird auch
eingehender erläutert, dass die Abtheilung gelegentlich noch andere Namen
erhielt, wie Mieroscopica (Bory de St. Vincent), Zoophytes in-
fusoires (Dujardin und Andere), Archezoa (Perty), Miero-
zoaires (Frommentel und Andere). Auf gewisse andere Benennungen
wird später noch hingewiesen werden.
Siebold wurde jedoch nicht nur der Pathe der Gruppe, sondern er
ermittelte auch zuerst den gemeinsamen Charakter, welcher die mannig-
faltigen Formen derselben verbindet und von den übrigen Tbhieren trennt.
*) Geschrieben März 1888.
Meine ursprüngliche Absicht, in der Einleitung die Grunderscheinungen des einfachsten
Lebens, Plasma, Kern, Zelle und ihre Lebensäusserungen zu behandeln, wird durch den Um-
fang, welchen das Werk allmählich erreichte, vereitelt. Dem mehrfach geäusserten Wunsch: das
Binden der ersten Theile des Werks zu ermöglichen, entgegenkommend, beschränke ich mich
in den einleitenden Worten auf eine Besprechung der Protozoön- und Protistenfrage. Die
baldige Vollendung der Infusorien erscheint mir wichtiger wie eine weitere Ausführung der
Einleitung.
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozon, Ä
11 Protozoa.
Seine Definition der Protozoa lautete: „Thiere, in welchen die verschie-
denen Systeme der Organe nicht scharf ausgeschieden sind, und deren
unregelmässige Form und einfache Organisation sich auf eine Zelle redu-
eiren lassen.“ Zu dieser scharfen Umgrenzung der Gruppe gelangte 8.
hauptsächlich dadurch, dass er die Spongien nicht mit den Protozoön ver-
einigte, wie es später längere Zeit geschah. Diese Gruppe fehlt seinem
System überhaupt; er schloss sie also von dem Thierreich aus. Dass
Siebold nicht ganz unvermittelt zu dieser Auffassung der Protozo@ön ge-
langte, ihm vielmehr in der Rückführung der Protozo@norganisation auf das
Zellenschema Vorläufer vorangingen — dass ferner die Hypothese vom
einzelligen Bau der Protozo@n sich ihre Begründung erst in der kommen-
den Zeit mühsam erkämpfen musste, bis sie endlich vor etwa einem De-
cennium den Sieg erfocht — darüber gewähren die historischen Abschnitte
der einzelnen Abtheilungen genauen Aufschluss. Um aber die Bedeutung
der Siebold’schen Hypothese voll würdigen zu können, möge hier der An-
sicht eines der grössten Biologen unseres Jahrhunderts, Joh. Müller’s,
gedacht werden, welcher 1841 (s. Sporozoa Nr. 99 p. 493) bemerkte:
dass die Existenz einzelliger Organismen zwar nicht als unmöglich und
absurd zu verwerfen sei, eine solehe Annahme jedoch nach dem zeitigen
Stand unserer Kenntnisse ganz unstatthaft erscheine. — Auch später
nahm Müller, obgleich mehr indireet, an der Bekämpfung der Siebold’-
schen Lehre lebhaften Antheil.
Die von Letzterem aufgestellte Charakteristik der Protozoön kann
noch heute ohne sehr wesentliche Veränderung gelten. Jetzt dürfen wir
die Einzelligkeit in erster Linie betonen und etwa sagen: Als Pro-
tozoön bezeichnen wir die Organismen, welche einfache Zellen oder
Verbände gleichgebildeter, einfacher Zellen sind und sich in ihren physio-
logischen Lebensäusserungen (Ernährung und Stoffwechsel überhaupt,
Reizbarkeit und Beweglichkeit) den typischen mehrzelligen Thieren ähn-
lich verhalten.
Zwei Punkte dieser Charakteristik bedürfen etwas genauerer Erläute-
rung. Einmal bemerkt dieselbe, dass wir nicht nur streng einzellige, sondern
auch in ihrem erwachsenen Zustand mehrzellige Wesen den Protozoön
beizählen. Dadurch wird die Grenze gegen die mehrzelligen Thiere etwas
verwischt. Die sogenannten Gesellschaften und Kolonien, welche mehr-
zellige Verbände darstellen, haben jedoch ein Recht unter den Protozoön
eingereiht zu werden, so lange die constituirenden Zellen sämmtlich in
jau und Leistungen übereinstimmen, so lange, um es anders auszu-
drücken, eine mit Arbeitstheilung verknüpfte Differenzirung fehlt. Eine
derartige Gesellschaft oder Kolonie bildet keinen einheitlichen vielzelligen
Organismus wie der Leib der höheren Thiere, dessen einzelne Zelleon-
stituenten nicht mehr selbstständig leben können, da sie ausser Stande
sind, sämmtliche physiologischen Leistungen allein zu übernehmen. Ob-
gleich nun die mehrzelligen Verbände der Protozo@n diesen gleichmässigen
Charakter ihrer Constituenten fast durchgängig bewahren, begegnen wir
Einleitung. 111
doch vereinzelten (Volvox, Zoothamnium), bei welchen dies nicht mehr
völlig zutrifft, die vielmehr Anfänge der Differenzirung und damit eine
Ausbildungsstufe erreichen, welche über die Protozo@nnatur hinausstrebt.
Dies kann uns nicht überraschen, da ja die höheren, d. h. die mehrzelligen
und heteroplastiden Organismen zweifellos aus einzelligen hervorgingen;
scharfe Grenzen aber nach unserer Vorstellung über die Zusammenhänge
der Lebewesen überhaupt nur auf Unkenntniss oder der Zerstörung der
Bindeglieder beruhen werden. Dennoch erhebt sich die Frage, ob wir
berechtigt sind, solche, eine gewisse Differenzirung ihrer Constituenten
zeigende Kolonien den Protozo@n unterzuordnen. Dies wird meiner An-
sicht nach erlaubt, ja nothwendig sein, so lange die Differenzen einen
mässigen Grad der Complieation nicht überschreiten; wenn die betreffen-
den Organismen ferner deutlichen Anschluss an sichere Protozoön zeigen
und andererseits nieht zu typischen Heteroplastiden überführen, sondern
isolirte Seitenzweige darstellen.
Anders liegt die Sache, wenn solch ein selbstständiger Seitenzweig
aus den Protozo@n heraus zu einem relativ hohen Grade der Complication,
analog typischen Heteroplastiden sich entwickelt hätte. Dann erschiene
es jedenfalls angezeigt, ihn nicht mit den Protozoön zu vereinigen,
sondern als selbstständigen, den übrigen Heteroplastiden coordinirten
Stamm zu betrachten. Ob derartige Vorkommnisse wahrscheinlich sind,
soll später erörtert werden.
Wie oben bemerkt wurde, bedarf noch ein zweiter Punkt unserer
Charakteristik der Erläuterung. Derselbe bietet grössere Schwierigkeiten,
und von seiner Erledigung wird es abhängen, ob die wie oben um-
schriebene Abtheilung überhaupt als natürliche betrachtet werden darf.
Siebold beginnt nämlich seine Charakteristik der Protozoön mit der Be-
merkung, dass sie Thiere seien; auch in unserer Definition betont der
Schlusssatz die Thierähnlichkeit ihrer Lebensäusserungen.
Diese Einschränkung des Protozoönbegriffes ist eine physiologische,
d. h. eine solche, welche sich nicht auf Bau und Structur des Organis-
mus, sondern auf den Verlauf der Lebensprocesse und Lebensäusse-
rungen bezieht. Im Allgemeinen hat man schon lange erkannt, dass
physiologische Charaktere bei der Bildung natürlicher systematischer
Gruppen möglichst zu vermeiden sind; dass vielmehr die morphologische
Beschaffenheit ausschlaggebend ist. Dies stützt sich auf die wohlbegrün-
dete Ueberzeugung, dass das natürliche System auf genealogischer Basis
beruht und die Gruppenbildung das genealogisch Uebereinstimmende, d. h.
das von demselben Ursprung Herkommende umgreifen soll. Da nun die
Erfahrung häufig genug lehrt, dass gleiche Abstammung und daher Zu-
sammengehörigkeit sich mit physiologisch differenten Leistungen sehr wohl
verträgt, so ist die Einführung physiologischer Charaktere stets bedenk-
lich, wenn auch von vornherein nicht ganz unzulässig.
Dass nun gerade für die Umgrenzung der Protozo@n ein physiologi-
scher Charakter nothwendig wurde, beruht auf dem Umstand, dass von
A*
IV Protozoa.
allen Eigenthümlichkeiten der höheren Thierwelt nur die physiologischen
verwerthbar erscheinen, um zwischen Lebewesen wie die Einzelligen —
deren Organisation durch eine tiefe Kluft von jener der heteroplastiden
Thiere geschieden, ja eigentlich mit derselben unvergleichbar ist — und
jenen Höheren eine Vermittelung herzustellen.
Dass dies geschah und man auf solcher Grundlage seit alter Zeit
thierische und pflanzliche Einzellige zu unterscheiden suchte, basirt selbst
wieder darauf, dass man bei der Begriffsbestimmung von Thier und Pflanze
die physiologischen Leistungen stets in den Vordergrund stellte, dagegen
die morphologische oder, sagen wir besser die genealogische Umgrenzung
der beiden Reiche erst in zweiter Linie beachtete, diejenige, welche doch
allein die naturgemässe sein kann.
Während nun die mehrzelligen Pflanzen und Thiere fast ausnahmslos
genügend morphologische Charaktere aufweisen, um mit Sicherheit dem
einen oder dem anderen Reich zugetheilt zu werden, versagte dies
Hülfsmittel natürlich auf dem Gebiet der Einzelligen. Hier entbrannte
denn auch seit alter Zeit der Streit über die Grenze beider Reiche, über
die Zurechnung der einzelnen Abtheilungen zu dem einen oder dem andern.
Nach dem oben Bemerkten musste im Einzelfalle natürlich der Grad der
thier- oder pflanzenähnlichen Leistungen der betreffenden Organismen
bei der Entscheidung den Ausschlag geben. Früh genug hatte man
sich überzeugt, dass das lang gesuchte absolute Kriterium zur Unter-
scheidung beider Reiche nicht zu finden sei und dass soleh’ künstliche
Versuche keine Beachtung verdienten, welche in der Gegenwart oder
dem Mangel der Cellulose, der contractilen Vacuole oder sonstiger ein
zelner Örganisationstheile, in der activen Bewegung oder deren Mangel,
resp. in der Art der Bewegung und dergleichen mehr, absolute Unterschiede
der beiden Reiche erblicken wollten.
Entscheidenden Aufschluss in dieser Frage könnte nur die Erkennt-
niss des genealogischen Zusammenhangs der Gruppen der Einzelligen unter
einander und ihrer Verbindung mit den mehrzelligen Thieren und Pflanzen
gewähren. Nur auf dieser Grundlage liesse sich, wenn auch als Wahr-
scheinlichkeitsresultat, feststellen, ob die Unterscheidung einer Abthei-
lung thierähnlicher Einzelligen berechtigt ist und ob dieselbe genea-
logisch mit den typischen mehrzelligen Thieren zusammenhängt, und ob
ferner den gewöhnlich mit den Pflanzen vereinigten Einzelligen eine
solche Stellung naturgemäss ist. A priori lässt sich nicht bestreiten,
dass die Differenzirung der beiden organischen Reiche schon auf tiefster
Stufe der Einzelligen anheben konnte, ja dass die Vorläufer dieses Entwick-
lungsprocesses vielleicht heutzutage gar nicht mehr existiren, demnach
alle Organismen in eine der beiden genealogischen Reihen eingeschaltet
werden könnten. Ein soleher Gedankengang scheint um so eher be-
rechtigt, als thatsächlich alle Organismen nur zwei Hauptentwicklungs-
richtungen des Lebens zustreben, der thierischen und der pflanzlichen;
eine dritte, irgendwie bestimmt charakterisirte nicht zu erkennen ist
Be:
Einleitung. Vv
Bevor wir eingehender untersuchen, welche Wahrscheinlichkeits-
schlüsse unsere zeitigen Kenntnisse in dieser Hinsicht gestatten, scheint
es angezeigt, die seitherigen Meinungen kurz zu charakterisiren, wobei
uns natürlich die der Zoologen besonders beschäftigen müssen.
Es ist nicht unsere Absicht, an dieser Stelle eine ausführliche historische Uebersicht
der Erörterungen über die Grenzlinie beider Reiche im Gebiet der Einzelligen zu geben. Ein-
gehenderes hierüber bieten die historischen Abschnitte, welche den einzelnen Protozo@ngruppen
vorausgehen, speciell die über die Flagellaten und Infusorien. Ebensowenig verweilen wir
bei den vielfach wiederholten Versuchen: einzelne Gruppen der Protozoön oder die ganze
Abtheilung den höheren Thieren oder auch den Pflanzen einzureihen und so schliesslich die
Abtheilung überhaupt zu streichen. Auch über diese schon frühzeitig auftretenden Versuche
gewähren die historischen Ueberblicke der Einzelgruppen specielleren Aufschluss, namentlich
möge wieder auf den Abschnitt über die Infusorien verwiesen werden. Erwähnt werde nur, dass
von neueren Forschern besonders L. Agassiz*) und Milne-Edwards**) für die gänzliche
Auflösung der Protozoön und ihre Vertheilung auf Pflanzen und Thiere oder gewisse
Gruppen der höheren Thierwelt eintraten.
Die Ansichten der Forscher über die Abgrenzung der beiden Reiche auf dem Gebiet
der Einzelligen, resp. über die Stellung, welche den sog. Protozo@ön zu oder zwischen beiden
Reichen anzuweisen sei, bewegten sich in zwei Richtungen. — Die meisten Biologen hielten
daran fest, dass die Sonderung beider Reiche bis zur tiefsten Stufe der Lebewesen hinab
durchführbar sei; sie vertraten daher im Allgemeinen die Ansicht, welche oben als eine mög-
liche, wenn auch unerwiesene bezeichnet wurde. Dass die Annäherung beider Reiche
eine sehr weitgehende sei, erkaunten zwar auch diese Forscher meist bereitwillig an, glaubten
aber, dass bei allseitiger Berücksichtigung des Gesammtcharakters eines zweifelhaften
Organismus eine Entscheidung über seine Stellung möglich sei. Es soll nicht näher er-
örtert werden, inwiefern die Gründe, welche den einzelnen Gelehrten maassgebend schienen,
mehr oder weniger künstlich oder natürlich waren. Wie gesagt, hatte diese Auffassung ent-
schieden die Mehrzahl der Biologen für sich, unter denen wir hier nur Ehrenberg***),
Dujardin, Siebold, Stein, Carusf), Clapar&de-Lachmann, Gegenbaur, Claus,
Huxley, Kent und Künstler+F) ausser vielen Andern nennen,
Nach der Art, wie die Sonderung der beiden Reiche durchgeführt werden sollte, trennten
sich die Anhänger dieser Ansicht selbst wieder in zwei Gruppen. Fast Alie betrach-
teten die physiologischen Leistungen als ausschlaggebend und beurtheilten danach die Stellung
zweifelhafter Organismen. Nur Gegenbaurfff) vertrat eine andere Auffassung. Er hoffte
auf morphologischer Grundlage zu einer naturgemässen Sonderung der beiden Reiche ge-
langen zu können. Der Bau der Gewebe typischer Thiere, die innigere Vereinigung ihrer
Zellen in Verbindung mit tiefer gehender Differenzirung derselben zu verschiedenartigen
Leistungen, schien ihm den wesentlichen morphologischen Charakter der Thierheit zu
bilden. Im Gegensatz dazu boten die pflanzlichen Organismen strengere Individualisation
*) Siehe Näheres pag. 1156. Dort auch über ähnliche Versuche von anderer Seite.
*#*) Legons s. la physiologie et l’anatomie compar&e. T. II. p. 13 u. T. V. p. 289 u. 328 Anm.
*%*#*) Dass die Ansicht Ehrenberg’s über den Umfang des Thierreichs speciell auf dem
Gebiet der Einzelligen von der der übrigen Forscher sehr abwich, kommt hier natürlich nicht
“in Betracht. Um so entschiedener vertrat er, auf Grund seiner Meinungen, die absolute Diffe-
renz zwischen den beiden Reichen.
7) System der thierischen Morphologie. Leipzig 1853.
tr) Les origines de la vie. Journ. de Micrographie T. VIII.
irf) De animalium plantarumque regni terminis et differentiis. Programma Jen. 1860. Auf
die besondere Bedeutung der Verschiedenheit der Gewebe für die Charakterisirung der beiden
Reiche hatte Gegenbaur schon 1858 in seinen Grundzügen der vergl. Anatomie hingewiesen,
hier jedoch noch einzellige Thiere anerkannt. Für das Vorkommen solcher war namentlich
auch J. V. Carus 1853 eingetreten (System der thierischen Morphologie).
VI : Protozoa.
(Sonderung) der constituirenden Zellen ihrer Gewebe, neben einer viel geringeren Differenzi-
rung derselben. Auf diesem Wege, welcher unsere Anerkennung insofern verdient, als er von
dem richtigen Gedanken ausging, dass die morphologischen Charaktere für die Abgrenzung
natürlicher Gruppen vornehmlich maassgehend seien, entschied sich Gegenbaur dafür, dass
überhaupt sämmtliche einzelligen Wesen dem Pflanzenreich überwiesen werden müssten. Zum
besseren Verständniss dieser Ansicht muss betont werden, dass Gegenbaur die thierähn-
lichsten Protozoön, wie Infusorien und Rhizopoden, für Complexe theilweis verschmolzener
Zellen hielt und sie daher anstandslos seinem Thierreich unterordnete. — Dass G.'s Ansicht
keinen Beifall fand — nur Häckel stimmte ihr 1862*) lebhaft zu — lag wohl darin, dass
es in gewissem Grade willkürlich erschien: alle Einzelligen einfach zu Pflanzen zu stempeln.
An und für sich wäre gegen die vorgeschlagene, morphologisch schärfere Umgrenzung einer
typischen Thiergruppe in der Gegenbaur'schen Weise nichts einzuwenden gewesen: auch lebte
dieselbe später ihrem Wesen nach in der Abtheilung der Metazo@n wieder auf. Es schien
aber doch sehr fraglich: ob in Betracht der ausgesprochenen Thierähnlichkeit zahlreicher Ein-
zelligen und der Zweifel, welche über die Ein- oder Mehrzelligkeit vieler sog. Protozo@n noch
bestanden, der Stamm der typischen Thiere nicht noch tiefer abwärts ins Gebiet der Ein-
zelligen zu verfolgen sei. Denn dass die mehrzelligen Thiere aus einzelligen Organismen ent-
standen seien, war auch Gegenbaur’s Ansicht. Wäre aber der Stamm des Gegenbaur'schen
Thierreichs bis auf zweifellos einzellige Organismen zu verfolgen, dann erschien es unnatür-
lich, alle Einzelligen den Pflanzen zu überweisen.
Ein solcher Gedankengang lag denn auch wohl der Kritik zu Grunde, welche vornehm-
lich Olaus** an Gegenbaur’s Ansicht übte, obgleich mehr unbewusst; denn dass
allein die genealogischen Beziehungen für die Entscheidung maassgebend sein könnten, wird in
seiner Schrift nicht angedeutet. Dieselbe vertheidigt vielmehr hauptsächlich die Ansicht, dass
auch Einzellige mit ausgesprochen physiologisch-thierischer Natur existiren dürften.
Auf einem anderen Wege wurde endlich schon seit alter Zeit eine Lösung des Dilemma
versucht, nämlich durch Aufstellung eines dritten oder Mittelreichs der Organismenwelt, dazu
bestimmt, die niedrigsten und zweifelhaften Formen im Gegensatz zu den typischen Thieren
und Pflanzen aufzunehmen. Wir übergehen hier die älteren Versuche in dieser Richtung.
Schon Buffon, Münchhausen, Oken, später Bory de St. Vincent machten Vorschläge
in dieser Hinsicht, über welche das Genauere in dem historischen Abschnitt über die Infu-
sorien dargelegt wurde. Die meisten dieser Bemühungen waren schon deshalb hinfällig,
weil sie in das Mittelreich mehr oder weniger willkürlich auch echte Thiere von pfianzen-
ähnlichem Aeusseren zogen. Erst in neuerer Zeit erhoben sich wieder Stimmen, welche die
Schwierigkeiten in ähnlicher Weise zu lösen versuchten.
Soviel mir bekannt, ging diese Bewegung von Owen, dem verdienstvollen englischen
Morphologen aus***). 18607) plädirte derselbe für eine grundsätzliche Gegenüberstellung der
sog. Protozoa gegen die Reiche der Animalia und Vegetabilia. Die Protozo@n bildeten
*) Die Radiolarien p. 163. Alles Einzellige gehöre zu den Pflanzen. Zweifelhaft in
ihrer Stellung seien die Spongien, Gregarinen und Myxomyceten. Gleichzeitig er-
achtete er es auch für wahrscheinlich, dass die bei den Thieren verbleibenden Protozoön später
in mehrere Gruppen zerlegt werden müssten, dass namentlich die Infusorien und Rhizopoden
gesondert zu werden verdienten, ähnlich wie dies s. Z. für Coelenterata und Echinodermata
geschehen sei, Es handelte sich also um eine Auflösung des Typus, wie sie Carleer schon
früher (Ann, des universitös de Belgique IL. s. I. 1858—59 p. 281) vorgeschlagen hatte, der den
Protozo@öntypus in die Infusoria und Rhizopoda zerlegen wollte. Die ersteren seien mit den
Polypen (= Coelenterata) in gewissem Zusammenhang; die letzteren bildeten eine Gruppe
für sich, die unterste des ganzen Thierreichs.
**), Olaus, Ö©., Ueber die Grenze des thierischen und pflanzlichen Lebens. Marburger
Programm 1864.
***, Einige Erörterungen über die Möglichkeit eines Mittelreichs der Einzelligen finden
sich zwar schon bei Carus (System der thierischen Morphologie 1853).
7) Palaeontology. 1. Auflage p. 4.
u
Einleitung. vn
ein drittes Reich von Lebewesen indifferenter Natur. Er betonte namentlich, dass sie
meist aus einfachen Zellen bestünden. Owen rechnete zu seinen Protozoön die Klassen
der Amorphozoa (Spongia), Rhizopoda und „die meisten der Polygastrica Ehrenberg's“
(einschliesslich der Diatomeen und Desmidiaceen). — Ihm schloss sich J. Hogg (1861) *)
an, ohne etwas Wesentliches zuzufügen; nur stiess er sich an dem Namen Protozoa, welchen
Owen dem indilferenten Mittelreich belassen oder gegeben hatte, da es doch keine Thiere
enthielte, und nannte dasselbe daher Protoctista (zruor« —= geschaffene Dinge). Owen
fühlte später selbst das Bedürfniss einer andern Bezeichnung und verwendete daher in der 2. Auf-
lage seiner Paläontologie (1861) den Namen Acrita (= Undilferenzirte, von xp, sondern).
Auf directe Anregung durch Owen ist auch die Ansicht der Amerikaner Wilson und
Cassin (1862)**) zurückzuführen. Auch sie hielten die Errichtung eines Mittelreiches,
Primalia genannt, für nothwendig; sie glaubten, dass ihre drei Reiche scharf von
einander geschieden seien. Ohne hier genauer auf W.s und C.’s Erörterungen einzugehen,
werde nur betont, dass ihre Primalia sich durchaus nicht mit Owen’s Protozoa oder Acrita
deckten; nach ihrer Aufzählung enthielten dieselben vielmehr als eigentlichen Stamm die-
jenigen Pflanzen, welche jetzt als Thallophyta bezeichnet werden, daneben noch die Spongia.
Jedenfalls rechneten sie dazu auch Owen’s Protozoa, doch äussern sie sich über die-
selben nicht specieller. W.’s und C.’s Ansichten gingen daher weit über Owen und alles
spätere hinaus; ihre Primalia waren unnatürlicher als alle ähnlichen Versuche,
Seit 1866 vertrat Häckel die Errichtung eines neutralen Mittelreichs der Pro-
tista mit besonderer Wärme. Man kann aber schwerlich behaupten, dass sein Ge-
dankengang, wie er sich 1866 in der generellen Morphologie offenbart, ein zutreffen-
der war. Von vornherein war H. überzeugt, dass die Hauptgruppen des Organismensysteis,
die beiden oder die drei Reiche, welche er jetzt aufstellte, unnatürliche oder künstliche Ab-
theilungen sein müssten. Er erachtete es damals für sehr wahrscheinlich, dass nicht nur die
einzelnen Stämme oder Phylen seiner Pflanzen und Thiere, sondern auch die Hauptgruppen oder
Stämme des Protistenreichs selbstständig und getrenntaus den niedersten Moneren
entsprungen seien. Die Consequenz dieser Anschauung hätte naturgemäss zu einer Auflösung
der beiden früheren Reiche und zur Errichtung einiger selbstständiger Stämme für die ver-
meintlichen Protisten führen müssen, schwerlich aber zur Aufstellung eines dritten künstlichen
Reiches neben zwei anderen, gleichfalls künstlichen. Hierzu lag um so weniger Nöthigung vor,
als Häckel selbst anerkannte, dass man thierische und pflanzliche Protisten unterscheiden
könne. Wenn daher die beiden Reiche der Pflanzen und Thiere künstliche sind, wie ange-
nommen wurde, so hätten wohl auch die Protisten auf sie vertheilt werden können, ohne die
Künstlichkeit besonders zu vermehren. Dieser Schluss scheint um so gerechtfertigter, als
Häckel nicht versuchte, seine Protisten morphologisch schärfer zu charakterisiren, vielmehr
nur die Einfachheit der Organisation und Fortpflanzung, sowie die häufige Unentschiedenheit
des physiologischen Charakters als Eigenthümlichkeiten des Reiches hervorhob. Während
Owen, obgleich nicht ganz consequent, die einzellige Natur seiner Protozoön betonte, that
dies Häckel keineswegs, denn er überwies typisch einzellige Algen, wie die Protococcoi-
deen und Desmidieen, dem Pflanzenreich, andererseits die Infusorien den Thieren, obgleich
deren Mehrzelligkeit viel zweifelhafter schien wie die der Radiolaria (seiner damaligen Auf-
fassung gemäss) oder gar die der Spongien. Demnach ermangelte das Protistenreich
Häckel’s von 1866 (Moneres, sog. Protoplasta [Amöben und Gregarinen], Diatomea,
Flagellata, Myxomycetes, Noctiluca, Rhizopoda und Spongiae) eines einheit-
lichen morphologischen und daher auch genealogischen Charakters im Sinne des Gründers
selbst. Für seine Errichtung war im Wesentlichen der unentschiedene physiologische Charakter
der vereinigten Gruppen und die Einfachheit ihrer Organisation ausschlaggebend. Schien der
physiologische Charakter entschiedener pflanzlich oder thierisch, so zögerte Häckel auch bei
einfachster Organisation der betreffenden Organismen nicht, sie den beiden andern Reichen zu
*), On the distinctions of a Plant and an Animal, and on a fourth kingdom of nature.
Edinburgh n. philosph. journal N. s. Vol. XII.
**), On a third kingdom of organized beings. Proceed. Acad. nat. science Philadelphia
1863. p. 113.
VIII Protozoa.
überweisen. Man wird es daher auch nicht ungerechtfertigt erachten, dass das Protistenreich
nicht viele Anhänger fand. In der kommenden Zeit arbeitete Häckel fortgesetzt an der Ver-
besserung des neuen Reichs, und es gelang ihm denn auch, dasselbe in mancher Hinsicht
natürlicher zu gestalten und einer wirklichen morphologisch genealogischen Gruppe näher zu
führen. Dennoch bildete der physiologische Charakter, resp. dessen angebliche Unentschieden-
heit, welche für zahlreiche Protisten (man denke nur an die Infusorien) keineswegs zutrifft,
stets maassgebend für Häckel’s Umgrenzung der Protisten. Auch in seinem letzten Protisten-
system werden wie früher die einzelligen Algen ausgeschlossen. Bis zuletzt hielt er
ferner den polyphyletischen Ursprung der Protisten für das Wahrscheinlichste und bezweifelte
daher selbst ihre Bedeutung als genealöogische Gruppe; doch gelang es, sie wenigstens
gegen die typischen Thiere schärfer abzugrenzen. Die 1868*) den Protisten zugerechneten
sog. Phycochromaceae der Botaniker wurden später (1975) **) und 1878***) wieder aus-
geschieden. Seit 1868 rechnete er dagegen sämmtliche Fungi zu den Protisten, wofür neben
‘dem thierähnlichen Stoffwechsel hauptsächlich die angebliche Kernlosigkeit und die vermeint-
liche Verwandtschaft mit den Myxomyceten maassgebend schienen. Wie unsicher sich
Häckel jedoch hinsichtlich der Fungi fühlte, geht daraus hervor, dass er sie 1875 wieder
eliminirte, 1878 von neuem aufnahm. Diese Einreihung aller Pilze unter die Protisten
beeinträchtigte unserer Ansicht nach die Natürlichkeit der Abtheilung sehr. Selbst wenn man
zugibt, dass diese Gruppe direct aus einfachsten Moneren entsprungen sei, wäre wegen der
eigenartigen, hohen Organisation, welche sie im Gegensatz zu allen übrigen Protisten erlangt, ihre
Abtrennung und selbstständige Stellung angezeigt, um so mehr, als Häckel selbst den
polyphyletischen Ursprung seiner Protisten vertheidigte. Dagegen vermissen wir noch 1875
(wie früher) unter den Protisten die Bacteriaceen. Die Spongien wurden seit ihrer Auf-
fassung als Coelenteraten entfernt. Erst 1873 gesellten sich die Infusorien den Protisten zu,
nachdem mit Aufstellung der Gastraeatheorie der sog. Metazo@n die Unhaltbarkeit der früheren
Ansicht über die Stellung der Infusorien eclatanter hervorgetreten warf). Dazu hätte es aber
wohl der Theorie der beiden Keimblätter der typischen Thiere nicht bedurft, denn die
Fnrehung ihrer Eier war seit langer Zeit und die Erfahrungen über die angebliche Nicht-
existenz dieser Erscheinung an den Eiern oder Keimen der Infusorien schon vor 1866
genügend bekannt.
Gelegentlich gab Häckel zu, dass es ihm gleichgültig scheine, ob seine Protista als
Protozoa bezeichnet und dem Thierreich einfach im Gegensatz zu den Metazoa einverleibt
würden, oder ob sie als Protista die Rolle eines Mittelreichs weiterführtentf). Zwar wären
theoretisch Protozo@ön (d. h. die genealogisch directen Vorläufer der typischen Thiere) von
Protisten (die weder mit echten Thieren noch Pflanzen genealogisch verknüpft seien), zu
unterscheiden, doch sei die Durchführung dieser Scheidung praktisch ganz unmöglich.
Früher zwar hatte er mehrfach versucht, Protozoa im obigen Sinne aus den ehemaligen
Protisten zu sondern -++}); als solche schienen die Infusorien und seltsamer Weise die
Gregarinen gelten zu dürfen, welchen sich dann als Ovularia oder Eithiere diejenigen hypo-
tlıetischen Moneren und Amöben zugesellten, durch welche der genealogische Stamm der Thiere
zur Vielzelligkeit emporgestiegen sei.
1878 endlich nahm Häckel wieder die Protista im ganzen Umfange auf, bestehend aus
den 14 Klassen der: Monera, Lobosa, Gregarinae, Flagellata, Catallacta,
Ciliata, Acineta, Labyrinthulea, Bacillariae, Fungi, Myxomycetes, Tha-
lamophora, Heliozoa und Radiolaria. Dabei betonte er nochmals, dass er der polyphy-
letischen Entstehung der Protisten den Vorzug gäbe.
*) Monographie der Moneren. IV. Begrenzung des Protistenreichs. Jen. Ztschr. IV. 1868,
**) Natürliche Schöpfungsgeschichte 6. Auflage. 1875.
***), Das Protistenreich. 1878.
7) Morphologie der Infusorien. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. VIII. 1873.
if) Nachträge zur Gastracatheorie. Jen. Zeitschr. XI, 1877,
+7) Morphologie der Infusorien und Schöpfungsgeschichte. 6. Aufl.
Einleitung, IX
Das Häckel'sche Protistenreich erwarb sich eine Reihe Anhänger, auf welche einzugehen
unnötbig erscheint, da sie den weiteren Ausbau der Lehre nicht förderten. Fassen wir das
über die Bestrebungen zur Gründung eines Mittel- oder Protistenreichs Bemerkte zusammen,
- so fällt das Schwankende in der Umgrenzung der Gruppe auf, der bald einiges zugefügt, bald
einiges weggenommen wurde. Zwar trat die ursprüngliche Ansicht: in den Protisten eine
ganz künstliche, vorwiegend praktischer Bedürfnisse wegen vereinigte Gruppe aufzustellen, bald
mehr in den Hintergrund; es wurde wenigstens die Möglichkeit zugegeben, dass die Pro-
tisten selbst monophyletisch entstanden und daher einer genealogischen Gliederung und einer
Abgrenzung gegen die beiden höhern Reiche zugänglich seien. Dass die Monophylese der
typischen Pflanzen und Thiere die naturgemässere Hypothese sei, hatte Häckel seit Be-
ginn der 70er Jahre gegen früher anerkannt. Das Schwankende in der Umgrenzung der Pro-
tisten rührte wesentlich daher, dass nicht versucht wurde, sie morphologisch schärfer zu cha-
rakterisiren.. Mit der Einreihung der Pilze unter die Protisten war dies unmöglich geworden;
ebenso blieb eine morphologische Abgliederung gegen das Pflanzenreich unmöglich, denn die
einzelligen Algen morphologisch von gewissen Abtheilungen der Protisten zu scheiden, war
undurchführbar. — Wollte man aber andererseits, wie es Häckel gelegentlich auch bevor-
zugte, die Stämme der Pflanzen und Thiere bis zu den niedersten einzelligen abwärts ver-
folgen und daneben noch eine Reihe niederer Formen als neutrale Protisten festhalten, so
durfte man fragen, mit welchem Recht dies geschehe? Warum die Rhizopoden neutrale Pro-
tisten sein sollten, während die Amöben oder ihnen doch entsprechende in den genealogischen
Stamm der Thiere gehörten? Wieso die Gregarinen dazu kamen, als Thiere zu fungiren, ja in
die Ursprungslinie der Metazoön fielen? Darauf dürfte schwerlich eine genügende Antwort
gegeben werden können. Wodurch sich die Monera animalia als Stammväter des Thierreichs
von den Monera neutralia, den Eltern der neutralen Protisten unterscheiden, dürfte als ein un-
lösbares Räthsel erscheinen. Dagegen wäre es jedenfalls besser erschienen, die beiden alten
Reiche zu belassen und die Einzelligen nach ihren Charakteren auf dieselben zu vertheilen,
so gut es eben ging; ähnlich wie dies seit alter Zeit gehalten worden war.
Jedenfalls erforderte das Protistenreich so gut wie die beiden anderen Reiche einen ein-
heitlichen morphologischen Charakter. Denn dass die beiden letzteren überhaupt von ihnen
abgesondert wurden, beruhte wenigstens für die typischen Thiere darauf, dass ein solcher
gemeinsamer und höherer Charakter der Organisation nachweisbar schien,
Unserer Ueberzeugung gemäss, worin wir mit Häckel und den
meisten Biologen übereinstimmen, ist die Frage nach der Grenze beider
Reiche und die Stellung der Einzelligen zu denselben nur auf genealogischem
Wege zu lösen. Inwiefern unsere heutigen Kenntnisse dazu ausreichend
erscheinen, kann mit Recht bezweifelt werden. Dennoch muss der Ver-
such gewagt werden, wollen wir anders nicht auf jede Lösung und eine
Stellungnahme in der Angelegenheit verzichten. Die Möglichkeit eines
polyphyletischen Ursprungs der Organismen kann nicht geleugnet werden.
Irgend ein positiver Nachweis hierfür scheint aber ausgeschlossen. Zu
einer solehen Annahme könnte demnach nur die erwiesene Unmöglichkeit
eines monophyletischen Stammbaums der Organismenwelt führen. Für
die typischen mehrzelligen Thiere und Pflanzen dürfte die Monophylese
heutzutage mehr als wahrscheinlich sein; für die Einzelligen ist ihre
Möglichkeit keineswegs von vornherein zu leugnen *).
*) Ich bin mir wohl bewusst, dass gerade die entgegengesetzte Ansicht: nämlich der
polyphyletische Ursprung der Organismen, und im Besonderen der der Einzelligen, von Bio-
logen, welche viel und gut über diese Frage nachgedacht haben, vertheidigt, ja für die einzige
wissenschaftliche Möglichkeit erklärt wurde. Abgesehen von Häckel geschah dies nament-
lich von Nägeli (s. Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre 1884). Ich
> ar EEE Se
x Protozoa.
Ueberschauen wir dieselben im Lichte unserer heutigen Erfahrungen,
so scheint sich vielmehr ein monophyletischer Zusammenhang der Gruppen
glaube daher meinen abweichenden Standpunkt ein wenig näher darlegen zu sollen, um
nicht Gefahr zu laufen, durch blossen Hinweis auf Nägeli’s Ansichten anscheinend wider-
legt zu werden. N. (p. 464) erachtet allein die Annahme: dass die spontane Erzeugung ein-
fachster Organismen zu allen Zeiten stattgefunden habe, für wissenschaftlich begründbar. Er
bemerkt dann weiter: „Wenn einmal aus unorganischen Stoffen organische Verbindungen und
Organismen entstehen konnten, so musste dies stets eintreten, wo und wann jene Bedingungen
vorhanden waren.“ Dies klingt schr präcis und wäre es auch, wenn nicht das ganze Fun-
dament des Schlusses völlig unbestimmt erschiene. Was wissen wir denn von den Bedingungen
der spontanen Entstehung einfachster Organismen? Nägeli verweist uns zwar auf sein
Kapitel über die Urzeugung, es bedarf aber wohl keines Nachweises, dass dasselbe von jenen
Bedingungen durchaus nichts mittheilt, sondern nur einige ganz allgemeine Erwägungen dar-
über anstellt, was man sich allenfalls bei dem ganz embryonalen Stand unserer diesbezüglichen
physikalisch-chemischen Kenntnisse über eine Urzeugung denken könne, Da wir von diesen
Bedingungen geradezu nichts wissen — höchstens berechtigt sind, die Möglichkeit des Ein-
tretens geeigneter Bedingungen auf Grund unseres Wissens zuzugeben — so lässt sich auch vor-
erst in keiner Weise entscheiden, ob diese Bedingungen in der Entwicklungsgeschichte unseres
Planeten nur einmal, mehrmals oder ob sie gar stets statthatten. Da Nägeli letzteres annimmt,
und seine mechanisch-physiologische Abstammungstheorie gleichzeitig eine fortwährende Weiter-
bildung einmal entstandener Organismen zur Voraussetzung hat, einen Beharrungszustand der
Organismen eigentlich ausschliesst, so führt ihn dies nothwendig zur Annahme, dass die
Stämme der höchstentwickelten Organismen die ältesten sein müssten, die einfachsten dagegen,
speciell die Einzelligen, relativ schr jungen Datums. Die Einfachheit letzterer ist eben nach
seiner Ansicht eine Folge ihrer verhältnissinässig jugendlichen spontanen Entstehung. Im Be-
sonderen entwickelt er diesen Gedanken für die Schizophyceen. Wie gesagt, scheint mir
theoretisch keine Nöthigung zu einer solchen Annahme vorzuliegen; auch wäre wohl ein viel
grösserer Reichthum an verschiedenen Stämmen zu erwarten, wenn die Sache einen solchen
Verlauf genommen hätte.
Wie verhalten sich aber dazu die paläontologischen Thatsachen, welche uns doch allein einen
thatsächlichen Maassstab für das Alter der Stämme geben? Zunächst lehren dieselben auf das
Bestimmteste, dass von dem Muss einer unbedingten Weiterbildung keine Rede sein kann. Die
Beispiele der Brachiopoden, Gephalopoden und anderer Abtheilungen sind zu bekannt,
um hier genauer ausgeführt zu werden, Vielleicht wird man aber einwerfen, dass dies Abthei-
lungen seien, welche seit der Urzeit schon rückschritten. Wenden wir uns zu den Protozo&n
selbst. Da finden wir denn, dass die beiden Abtheilungen der Rhizopoden und Radio-
larien, über welche die Paläontologie Aufschluss geben kann, schon in den ältesten
Ablagerungen unzweifelhaft vertreten sind. Wenn auch die Rhizopodenfauna der älteren pa-
läozoischen Schichten noch immer etwas unsicher erscheint, so beweist doch die reiche Mannig-
faltigkeit der Rhizopoden der Kohlenformation, unter welchen sich schon höchstentwickelte
Formen finden, zweifellos, dass der Ursprung der beschalten Rhizopoden viel tiefer hinabreicht.
— Für die Radiolarien, welche lange nicht über die Tertiärzeit zurückverfolgt werden
konnten, wissen wir jetzt, dass sie in den ältesten paläozoischen, ja cambrischen Schichten
vorkommen (vergl. Rüst, Palaeontographica Bd. 31, p. 271 und Häckel, die Radiolarien
2. Theil, 1887). Beide Gruppen lassen ferner erkennen, dass zwar im Allgemeinen während
dieser langen Zeit ein gewisser Fortschritt stattgefunden hat, dass gewisse Formen erloschen,
andere sich allmählich differenzirten und änderten, dass jedoch über den Typus der Abthei-
lung hinaus keine Fortbildung geschah. Letzteres lässt sich mit aller Bestimmtheit behaupten,
da heutzutage keine Organismen existiren, welche als entwickeltere auf diese Gruppen zurück-
zuführen wären, Während eines Zeitraums also, in welchem die Ahnen der Säugethiere von
einer fischähnlichen Stufo bis zum Menschen fortgeschritten sein müssen und zu dessen Beginn
noch keine phanerogame Pflanze existirte, verharrten diese, wie viele andere Gruppen der Thier-
E
u a m
Einleitung. X
als wahrscheinlich zu ergeben und damit. auch eine monophyletische Ab-
stammung der ganzen Organismenwelt*). Da eine Orientirung über die
vermuthlichen genealogischen Zusammenhänge am kürzesten und präg-
nantesten durch die Aufzeichnung eines Stammbaums geschieht, geben
wir unseren Ideen in einem solchen Ausdruck, ohne damit zu verkennen,
wie viele Schwierigkeiten der hypothetischen Begründung desselben zur
Zeit noch entgegenstehen (s. den Holzschnitt auf d. folg. p.).
Zur Erläuterung dieser Aufstellungen und der Schlussfolgerungen,
welche denselben für unser Thema entspringen, diene das Nachstehende.
Die Wurzel aller Einzelligen suchen wir nicht in amöbenartigen For-
men, sondern wie es im Abschnitt über die Verwandtschaftsverhältnisse
der Flagellaten schon früher dargelegt wurde, in Formen, welche durch
ihre Eigenthümlichkeiten zwischen den Sarkodinen und den Masti-
gsophoren vermittelten und sich vielleicht noch in der Gruppe der
Rhizomastigoda am reinsten erhielten. Es scheint zur Zeit unnütz,
darüber speeuliren zu wollen, ob diesen Formen noch einfachere voraus-
gingen und welchen Bau dieselben eventuell besassen **).
Dagegen bedarf die Frage nach der Berechtigung der sog. Moneren-
abtheilung, welche Häckel stets als die primitivste aller Protisten be-
welt auf wesentlich derselben Bildungsstufe. Beide Gruppen aber sind solche, welche in der
Jetztwelt noch eine ganz bedeutende Rolle spielen, für welche keinerlei Anzeichen des Rück-
schritts vorliegen.
Ausser den Bacillariaceen gibt es keine weitere Gruppe der Einzelligen, welche fossil
ausgiebig erhaltungsfähig ist. Die Bacillariaceen konnte man vorerst nicht sicher über
die Jurazeit zurückverfolgen (vergl. Rüst 1. c.). Eine triasische Form (Bactryllum) ist zweifel-
haft. Wenn es auch möglich ist, dass sie thatsächlich nicht älter sind, oder vielleicht von
Ahnen abstammen, deren Zellhäute unverkieselt waren, so scheint es mir doch schr ge-
rathen, weitere Untersuchungen abzuwarten, namentlich im Hinblick auf die neueren Erfah-
rungen über die Radiolarien. Die paläontologischen Ergebnisse lehren demnach gerade das
Entgegengesetzte wie Nägeli’s Theorie. Sie zeigen, dass Gruppen der Einzelligen sich seit
uralter Zeit in wesentlich gleicher Bildung erhielten und zu keiner höhern Entwicklungsreihe
führten. Dieselbe Möglichkeit ist demnach auch für die übrigen Gruppen nicht ausgeschlossen
und die Erwägung eines monophyletischen Ursprungs wird dadurch näher gelegt.
Ueberhaupt lehrt uns der Gesammtgang der paläontologischen Entwicklung, dass stets
nur wenige Formen einer Gruppe (wenn überhaupt welche) einer aufsteigenden Entwicklung
in erheblichem Maasse fähig waren, dass die grosse Masse dagegen nie mehr über den be-
schränkten Typus ihres Zweiges hinausgelangte , wenn sie nicht überhaupt ausstarb. Worauf
dies eventuell zurückführbar scheint, kann an dieser Stelle nieht untersucht werden.
*) Ueber die Bedeutung der grossen Uebereinstimmung der Kerntheilungsvorgänge thie-
rischer und pflanzlicher Zellen für die Monophylese vergl. meine, im Anschluss an Stras-
burger geäusserten Bemerkungen in „Studien über die Entwicklung etc.“ Abhandl.
Senckenberg. Gesellsch. Bd. X. 1876 (p. 206—7 des $. A.'s). Die Schwierigkeit, welche da-
ınals noch in der vermeintlichen spontanen Entstehung von Nuclei erblickt wurde, besteht
natürlich heute nicht mehr.
**) Speculationen hierüber findet man bei Nägeli: „Mechanisch-physiologische Theorie
der Abstammungslehre‘‘ 1884, welcher ein besonderes Reich der Probien oder Urorganismen
aufstellt, die einfachsten ursprünglichsten, jedoch bis jetzt noch ganz unbekannten. Mit dieser
Erwähnung will ich jedoch keineswegs meine Uebereinstimmung mit der Nägeli’schen Specu-
lation aussprechen.
X Protozoa.
trachtete, einer kurzen Erörterung. Wie die frtihern Abschnitte dieses
Werkes schon zeigten, vermied ich die Aufstellung einer solchen Gruppe,
da ich ihre Existenz von jeher bezweifelte. Bekanntlich bildet die Kern-
losigkeit den einzigen Charakter der sog. Moneren, welche im Uebrigen
bald mehr flagellatenartig, bald mehr sarkodinenartig erscheinen. Die
Typ. Thiere Höhere
(Meterzoa) Pflanzen
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SQ Schizophycea
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Errichtung der Gruppe fällt in eine Zeit, wo die Methoden der Kernnach-
weisung sehr wenig ausgebildet waren, namentlich aber auch die That-
sache kaum gewürdigt wurde, dass häufig statt eines einzigen an-
sehnlichen Kernes zahlreich kleine und daher schwer nachweisbare vor-
handen sein können. Die Erfahrungen auf botanischem wie zoologischem
Gebiet, sowohl im Bereich der Viel- wie der Einzelligen haben seit dieser
Zeit ergeben, dass die Kerne in den meisten Fällen, wo sie lange ver-
misst wurden, thatsächlieh nicht fehlen. Wenn wir auf Gesetzmässigkeit
in der Natur überhaupt bauen dürfen, so berechtigen die heutigen Er-
fahrungen zum Schlusse, dass mit alleiniger Ausnahme der Gruppen der
Schizophyceae und Bacteriaceae am allgemeinen Vorhanden-
sein der Kerne nicht zu zweifeln ist. Ich hege denn auch die feste
Ueberzeugung, dass bei allen angeblichen Moneren Häckels, sofern sie
nicht diesen beiden Gruppen zugehören (allein die Baeterien zählt übrigens
Häckel als Tachymonera der Monerengruppe zu) der angebliche
a
Einleitung. XUI
Kernmangel nur auf ungenügender Erforschung beruht. Mir begegnete
bei vielfachen Studien in der Welt der Einzelligen wenigstens niemals
eine Protamoeba oder eine Protomonas, und anderen Beobachtern er-
ging es ähnlich (s. Entz*); auch Schmitz**), der sich um den Nach-
weis der Kerne niederer Pflanzen grosse Verdienste erwarb, spricht sich
äbnlich aus).
Wie es aber mit der anscheinenden Kernlosigkeit der Schizophy-
ceen und Bacteriaceen steht, bedarf zweifellos weiterer Aufklärung.
Die Untersuchung dieser Gruppen auf Nuclei oder ähnliche Einschlüsse
wurde lange Zeit sehr vernachlässigt, da die Frage nach den Kernen von
den Botanikern, welchen das Studium dieser Abtheilungen dem Herkom-
men gemäss oblag, bis in die jüngste Zeit wenig beachtet wurde. Zwar
wurden die Bacterien neuerdings der Gegenstand zahlloser Untersuchungen,
die aber hauptsächlich von Gesichtspunkten ausgingen, welchen morpho-
logische Fragen fern lagen und denen gleichzeitig ein weiterer Ausblick
auf die Welt der verwandten niederen Organismen mangelte.
Immerhin zeigten die Untersuchungen von Schmitz***), dass das
Plasma der Schizophyceae stark färbbare kleinere oder grössere
Körnchen in verschiedener Zahl enthält, die manchmal auch in einer
Gruppe zusammenliegen. Zwar zweifelt Schmitz an der Kernnatur
dieser Einschlüsse, obgleich er sie früher (1879) für echte Nuclei gehalten
hatte. Ich erachte es aber doch für möglich, dass diese Körper Nuclei
einfachster Art entsprechen, d. h. dichte Nucleinkörner sind. Auch sehr
verdichtete kleine Kerne oder Kernfragmente unzweifelbafter Natur er-
scheinen bei Infusorien ete. als kleine stark färbbare Körner. Auch für
die Bacterien liegt die Frage keineswegs klar, was de Baryr) an-
erkannte. Färbbare Körner sind im Plasma gewisser Bacterien nachweis-
bar; ihre Bedeutung ist jedoch vorerst ähnlich unsicher, wie die der
Öseillarien und Verwandten. Wir können aus dem Ermittelten nur
schliessen, dass selbst für die beiden letzterwähnten Gruppen der Kern-
mangel zweifelhaft ist. Daher scheint die Möglichkeit vorerst nicht aus-
geschlossen, dass der Aufbau aus Plasma und geformter Kernsubstanz
überhaupt eine Auszeichnung alles Lebenden ist.
Bei diesem Stand der Forschung vermag ich eine Abtheilung der
Monera als Ausgangspunkt der höheren Einzelligen nicht zu rechtfertigen.
Unsere Gründe für die Ableitung der Gruppen der Bacterien,
Schizophyceen, Sarkodinen, Myxomyceten und wahrscheinlich
auch der Chytridiaceen (wenigstens z. Th.) wurden im Abschnitt über
die Verwandtschaftsbeziehungen der Flagellaten eingehender darge-
*), Entz, Studien über Protisten I, Th. Pesth 1888. p. 254—55.
**), Schmitz, Resultate seiner Untersuch. über die Zellkerne der Thallophyten. Sitzber.
der niederrh. Gesellsch. f. Nat. u. Heilk. 1879.
***) jbid. 1880 Untersuch. über die Structur des Protoplasmas u. d. Zellkerne der Pflanzen-
zellen.
f) Vorlesungen über Bacterien 1885 p. 3.
XIV Protozoa.
legt (s. p. 803 fl.). Sie hatten sich im Allgemeinen der Zustimmung eines
unserer hervorragendsten Botaniker, de Bary’s zu erfreuen*). Dass die
Myxomyceten wohl in directerer Beziehung zu dem Stamm der Sarko-
dinen stehen, bedürfte heutzutage keiner besonderen Belege mehr, da die
Ansicht über deren Nichtzusammenbang mit den eigentlichen Pilzen sich
mehr und mehr befestigt.
Auf die Frage nach der Beziehung und Ableitung der eigentlichen
Pilze einzugehen vermag ich nicht. Weder meine Kenntniss dieser Gruppe
berechtigt mich hierzu, noch dürfte es der Stand unserer Erfahrungen
gestatten. Es bleibt daher competenterem Urtheil anheimgestellt, zu ent-
scheiden, ob die höheren mehrzelligen Pilze ganz oder zum Theil von
den Chytridiaceen abzuleiten sind. Aber auch zugegeben, dass dies
so sei, so würde die Reihe der höheren Pilze als ein selbstständiger
Zweig, der aus niederem Ursprung erwachsen ist, zu betrachten sein, der
wegen der Höhe der Organisation, welche er erlangte, ein Recht besitzt,
als besonderer Stamm von den Einzelligen getrennt zu werden. Ich
glaube aber, die Botaniker werden für viele der höheren Pilze die Mög-
lichkeit der Ableitung und des Anschlusses an typische Pflanzen natur-
semässer erachten.
Ueber die Herleitung des Mastigophorenstammes aus der an-
gegebenen Wurzel werden schwerlich ernstliche Meinungsverschiedenheiten
bestehen, ebensowenig auch über seine Gliederung in die verschiedenen
*, de Bary, Vergl. Morphologie und Biologie der Pilze, Mycetozoön und Bacterien.
1584, p. 477 If, und p. 513. Dass die Schizophyceen eine isolirte, mit höheren eigentlichen
Pflanzen nicht in Verbindung stehende Gruppe sind, erkennt auch Nägeli an (Mechanisch-
physiologische Abstammungslehre). Dass ein gewisses Maass von Zelldifferenzirung bei einem
Theil dieser Gruppe zur Ausbildung gelangte, kann, da es einen mässigen Grad nicht über-
schreitet, nicht wohl Veranlassung geben, sie vun den übrigen Einzelligen zu trennen. Dies
wäre anders, wenn höhere Gruppen auf diese Wurzel rückführbar wären, was thatsächlich
nicht der Fall zu sein scheint,
Die schon früher und hier wieder besprochenen Beziehungen der Bacteriaceen zu den
ursprünglicheren Flagellaten würden eine wichtige Bestätigung erhalten, wenn sich Künstler ’s
Schilderung eines eigenthümlichen parasitischen Organismus, Bacterioidomonas spori-
fera Kstl. bestätigte. Das im Blinddarm des Meerschweinchens gefundene Wesen nimmt nach
K.’s Beschreibung sowohl durch seinen Bau wie wegen der endogenen Sporenbildung eine ver-
mittelnde Stellung zwischen primitiven Flagellaten und endosporen Bacterien ein. Es soll aber
einen deutlichen Nucleus besitzen und eine Länge von 0,024 erreichen (s. Journal de Micro-
graphie T. VII. 1884 p. 376). Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich verwahren gegen die
gelegentliche Besprechung de Bary’s und meiner Ansichten über die verwandtschaftlichen Be-
ziehungen der Bacterien (s. Fisch im Biolog. Centralblatt Bd. V. 1885 p. 97), welche den
Anschein erweckt, als hätten de Bary und ich gleichzeitig und unabhängig Aehnliches über
diesen Gegenstand geäussert. Das Umgekehrte ist das Richtige. Wie de Bary selbst hervor-
hebt, war ihm meine Erörterung in dem Abschnitt über die Flagellaten bekannt. Ob de Bary
selbstständig zu ähnlichen Ansichten gelangte, wie die Form, in welcher er meiner gedenkt —
er spricht davon, dass auch ich derartige Ansichten ausgesprochen hätte — anzudeuten
scheint, ist an und für sich gleichgültig, da meine Publication vorlag, darf jedoch wohl be-
zweifelt werden.
Einleitung. XV
Hauptzweige der Flagellata, Dinoflagellata, Choanoflagel-
lata und Cystoflagellata.
Unsicherer bleibt leider noch die Ableitung der Infusoriengruppe.
Vermittelnde Formen, welche den Zusammenhang mit niederen Einzelligen
herstellten, sind nicht bekannt. Genauer wird diese Schwierigkeit bei
der Erörterung der verwandtschaftlichen Beziehungen der Infusorien dar-
zulegen sein; jedenfalls deutet alles darauf hin, dass die Gruppe weder
einem der differenzirteren Zweige der Mastigophoren, noch einem
der tieferen Seitenzweige des Hauptstamms entsprossen ist. Die versuchte
Herleitung aus dem Hauptstamm gründet sich daher mehr auf Exelusion
wie auf den Nachweis direeter Beziehungen. Die Vorstellung, dass die
Infusorien aus mastigophorenähnlichen Formen entstanden, welche zahl-
reiche Geisselfäden auf der gesammten Körperoberfläche entwickelten,
scheint vorerst die naturgemässeste. Immerhin bleibt die Abzweigungs-
stelle des Infusorienstamms noch recht fraglich, da sie auch beträcht-
lich tiefer gelegen sein könnte. Dagegen ist zweifellos, dass die Infu-
soriengruppe isolirt ausläuft, dass höhere Formen an sie nicht anschliessen.
Es verdient dies besondere Betonung im Hinblick auf die immer wieder-
kehrenden Versuche, sie mit den Metazo@n in einen unnatürlichen Zu-
sammenhbang zu bringen.
Einzelne Zweige des Mastigophorenstamms führten ohne Zweifel zu
neuen und bedeutungsvollsten Entwicklungsrichtungen. Als ein isolirter,
in sich abgeschlossener und zu höheren Formen nicht aufsteigender Ast
begegnen wir den Bacillariacea, deren vermuthliche Beziehung zu
den Dinoflagellata bei diesen näher dargelegt wurde (s. p. 1001)*).
Unsicher ist die Herleitung der Sporozoa, deren Beziehungen noch
in tiefes Dunkel gehüllt sind. Im Abschnitt über die verwandtschaft-
lichen Beziehungen der Flagellaten (p. 807) wurde die hier reprodueirte
provisorische Ableitung etwas näher zu begründen versucht; wir verweisen
daher auf das dort Bemerkte. Es ist aber keineswegs unmöglich, dass
die Sporozoa sich schon viel früher von dem Hauptstamm abzweigten,
etwa in der Gegend des Chytridiaceenastes. Auch gilt alles Bemerkte
nur für die Gregariniden, da die Beziehungen der übrigen sog. Sporozoön-
abtheilungen zu den ersteren selbst noch sehr zweifelhaft sind.
Zweifellos ist dagegen der Zusammenhang der Protococcoidea
mit den Phytomastigoda, welche ja von den Botanikern gewöhnlich
mit den erstern vereinigt werden. Gleich sicher erscheint wohl auch die
Ableitung des grossen Stamms der höhern mehrzelligen Pflanzen aus diesen
Einzelligen. Zweifelhaft bleibt meines Erachtens vorerst die Beziehung
der Conjugaten zu den Protococcoidea. Die Möglichkeit scheint
nicht ausgeschlossen, dass diese Algen einen besonderen Ursprung aus
*) Dass die Bacillariaceen ein isolirter Zweig sind, der mit höheren Gruppen keiner-
lei Connex besitzt, wird von den Botanikern wohl allgemein anerkannt. So betont es z. B.
auch Nägeli (Mechanisch-physiolog. Abstammungslehre 1584) bestimmt,
XVI Protozoa.
holophytischen Mastigophoren besitzen, doch wage ich in dieser Hinsicht
kein bestimmtes Urtheil.
Bei Besprechung der Choanoflagellata (s. p. 901) wurde dar-
gelegt, dass uns die Beziehungen der Spongien zu dieser Gruppe
zweifellos erscheinen; wie auch, dass die übrigen Metazoa eine selbst-
ständige Entwicklung neben den Spongien genommen haben dürften. Dass
der Ursprung derselben gleichfalls auf die Mastigophora zu führen scheint,
wurde schon angedeutet. Dieser Schluss beruht gleichfalls mehr auf Ex-
elusion als auf direeten Belegen durch Uebergangsformen, welche fehlen.
Die Möglichkeit eines Zusammenhangs der Wurzel des Spongienzweiges
mit den eigentlichen Metazoa soll nicht bestritten werden. Nähere Auf-
klärungen über diese Frage kann ja doch nur die Zukunft bringen.
Wie gestaltet sich aber auf Grund dieser Ergebnisse iiber die Genea-
logie der Organismen die Frage nach dem Umfang der Protozo@ön in
ihren Beziehungen zu den typischen Pflanzen und Thieren? Zunächst
scheint klar, dass eine Zerlegung der Einzelligen in zwei von Beginn ge-
trennte Stämme der thierischen und pflanzlichen undurehführbar ist, wenn
nicht etwa am Beginn der Isomastigoden eine sehr künstliche Grenze er-
richtet werden soll. Auch dann aber blieben jedenfalls die Euglenoidina
mit zahlreichen holophytischen Formen bei den thierischen Einzelligen.
Erweist sich also die Scheidung der Einzelligen nach ihrem thierischen
oder pflanzlichen Charakter und ihrem genealogischen Zusammenhang mit
den typischen Thieren und Pflanzen als unthunlich und ohne Zwang
nieht durehführbar, so dürfte, wenn überhaupt nicht auf eine natürliche
Gruppenbildung in der Örganismenwelt verzichtet wird, die Zusammen-
fassung aller einzelligen Wesen zu einer Gesammtabtheilung im Gegensatz
zu den typischen mehrzelligen Thieren und Pflanzen das naturgemässeste
erscheinen.
Ein consequentes Bestreben nach möglichst natürlicher, der Genea-
logie entsprechender Gruppirung der Organismen führt uns so zur Aner-
kennung des Mittelreiches, der Häckel’schen Protisten in modifieirtem
Sinne. Obgleich ich überzeugt bin, dass in der Praxis auf nicht abseh-
bare Zeit die Welt der Einzelligen je nach Bedürfniss und Herkommen
zwischen Botanik und Zoologie getheilt werden wird, kann ich mich
obiger Consequenz vom theoretischen Standpunkt aus doch nicht entziehen.
Auch jeder Classification auf genealogischer Grundlage klebt insofern
etwas Willkürliches an, als wir gezwungen sind, Gruppen beginnen
zu lassen; wo dies geschehen soll, wird stets Sache des Uebereinkommens
bleiben und um so willkürlicher erscheinen, je zahlreicher die Uebergangs-
formen sich erhielten. Bei dem Bestreben, naturgemässe Grenzen der
systematischen Gruppen zu finden, kann uns wohl nur der Grundsatz
leiten, dem Inhalt jeder Gruppe ein einheitliches morphologisches Gepräge
zu geben, d. h. nichts aufzunehmen, was in seinem Bau weit über die
Organisation der Mehrzahl hinausgeht, ebenso aber auch nichts auszu-
schliessen, was seiner morphologischen Entwicklung nach in den Rahmen
e
.
Einleitung. XVII
der Gruppe fällt. Diesem Grundsatz gemäss würde ich zu einem natür-
liehen Reich der Urwesen oder Einzelligen auch diejenigen seither dem
Pflanzenreich zugerechneten Organismen ziehen, welche sich in ihrer
morphologischen Entwicklung nieht über die Einzelligen erheben, also vor
allem die Protococcoidea und andere. Die Grenze gegen die typische
Pflanzenwelt wäre dann erst da zu statuiren, wo eine Differenzirung der
Zellverbände zu verschiedenartigen Leistungen anhebt, was sich zuerst
darin ausspricht, dass nur gewisse Zellen die Fortpflanzung übernehmen,
zu typischen Propagationszellen werden. Schon früher wurde betont, dass
diese Differenzirung auch bei einzelnen Formen eintritt, welche wir von
den übrigen Einzelligen nicht scheiden können, dass dies jedoch insofern
ohne Belang ist, als diese Formen isolirte Ausläufer bilden, während sich
an die echten mehrzelligen Pflanzen eine reiche Weiterentwieklung an-
schliesst. |
In diesem Punkt wäre ich demnach geneigt, den Umfang des Reiches
der Einzelligen weiter zu ziehen als es Häckel thut, da ich die morpho-
logische Uebereinstimmung der Einzelligkeit oder die homoplastide Aus-
bildung als Grundeharakter der Gesammtheit betrachten muss. Dass sich
jedoch eine solche Umgrenzung des Reiches in der Praxis Geltung er-
werben dürfte, glaube ich nicht. Der Zusammenhang der Einzelligen von
entschieden physiologisch pflanzlichem Charakter mit den echten mehr-
zelligen heteroplastiden Pflanzen ist zu innig, als dass man sich bequemen
wird, einer solchen Abgrenzung zuzustimmen, welche ja auch nur auf dem
Bedürfniss beruht, eine Grenzmarke zu ziehen. Man wird daher in der
Praxis wohl vorziehen, das Pflanzenreich mit denjenigen Einzelligen be-
ginnen zu lassen, welche physiologisch den höheren Pflanzen entsprechen,
d. h. holophytisch leben und während der längeren Periode ihres Lebens
unbeweglich sind. Die Abgrenzung der Einzelligen gegen die hetero-
plastiden Thiere ist dagegen scharf, da hier Uebergangsformen nicht
mehr existiren oder doch unbekannt sind.
Diejenigen Abtheilungen der Einzelligen aber, welche wir in diesem
Werk als Protozo&@n beschreiben, haben kein Anrecht als eine na-
'türliche Gruppe zu gelten. Es sind die, ihres mehr physiologisch-
thierischen Charakters wegen seither conventionell unter die Thiere auf-
genommenen und beschriebenen Gruppen, von welchen aber nicht
wenige Angehörige dem pflanzlichen Leben physiologisch sehr nahe
treten. Diese Gruppen sind die Sarkodina, Mastigophora, Spo-
r0ozoa und Infusoria. Es bleiben demnach zum mindesten die Ab-
theilungen der Baeteriacea mit den sich höchst wahrscheinlich an-
schliessenden Schizophycea, die Myxomycetes und Baecillaria-
ceae, welche Anrecht auf Betrachtung hätten. Dass dies nicht ge-
schehen, dass dies Werk nicht zu einem solchen über die einzelligen
Urwesen, die Protisten überhaupt, erweitert wurde, dürfte keinen Anstoss
erregen, da es nicht seine Aufgabe war, eine Reform durchzuführen,
sondern die sog. Protozoön, wie sie im historischen Gange unserer Wissen-
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. B
XVII Protozoa.
schaft allmählich entstanden, soweit möglich, erschöpfend darzustellen.
Wie wir uns aber deren Beziehungen zu den übrigen Einzelligen und den
höheren Organismen denken dürfen, suchte diese Einleitung darzulegen.
Mit dem Fortschreiten und der Klärung unseres Wissens von den genea-
logischen Beziehungen der Gruppen dürfte die allseitige Anerkennung einer
Reform nicht ausbleiben, wenn dieselbe sich auch zunächst auf die
theoretische Ueberzeugung beschränken sollte, dass die seither beliebte
Vertheilung der Einzelligen auf die beiden Reiche in der Natur nicht
begründet ist.
gie
A. Abtheilung (Klasse, Subphylum).
Sarkodina.
In der Abtheilung der Sarkodina*) fassen wir die Gesammtheit der-
jenigen Protozoön zusammen, welche während der Hauptperiode ihres
thätigen (beweglichen) Daseins mittels einfachster Protoplasmabewegungen,
also entweder durch einfaches Hinfliessen (Hinströmen) oder durch Ent-
wicklung nicht schwingender, protoplasmatischer Fortsätze wechselnder
Gestalt den Ortswechsel vollziehen, wobei dann ihr Körper mannigfachen
Gestaltsveränderungen unterworfen ist. Auch die Nahrungsaufnahme wird
mit Hülfe solcher Protoplasmabewegungen bewerkstelligt.
Bezüglich ihrer Fortpflanzungsverhältnisse zeigen sie einfache Thei-
lungs- oder Sprossungserscheinungen ohne Hervorbildung besonderer spo-
rangienartiger Fortpflanzungskörper (wodurch eine Trennung von den in
ihren beweglichen Zuständen in vieler Hinsicht sich ähnlich verhaltenden
Myxomyceten gezogen wird, welche letzteren eben dieser Fortpflanzungs-
erscheinungen wegen, den einfachsten pflanzlichen Organismen näher an-
geschlossen werden).
Die hier unter der Bezeichnung Sarkodina vereinigten Protozo&@n
werden in neuerer Zeit gewöhnlich sämmtlich als Rhizopoda zu-
sammengefasst, ein Verfahren, von dem hier Abstand genommen
wurde, weil einerseits die mit der Bezeichnung Rhizopoda verknüpfte
Vorstellung keineswegs mit den thatsächlichen Bauverhältnissen dieser
Formen sich deckt, andrerseits der Name Rhizopoda von seinem Begründer
(Dujardin) in einem viel beschränkteren Sinne gebraucht wurde und zwar
in einer Ausdehnung, die auch hier mit einer kleinen Erweiterung An-
wendung finden soll.
Die Abtheilung der Sarkodina zerfällt ziemlich ungezwungen in
3 Unterabtheilungen oder Unterklassen, nämlich:
*) Der Name Sarkodina ist schon früherhin, jedoch in anderem Sinne, von Hertwig und
Lesser zur Bezeichnung unsrer Abtheilung der Rhizopoda (einschliesslich der Heliozoa) in Vor-
schlag gebracht worden (vergl. 99). Die Anwendung, die wir hier von demselben machen,
geht aus dem Folgenden hervor.
Bronn, Klassen des 'Thier-Reiche. Protozoa. E
2 Rhizopoda.
I. Rhizopoda.
Nackte (hüllenlose) oder umhüllte (beschalte) Sarkodinen, die sich
entweder durch einfaches Hinfliessen ihres protoplasmatischen Zellenleibes
oder durch Aussenden mehr oder weniger bis sehr gestaltsveränderlicher,
und häufig unter einander Verschmelzungen bildender Protoplasmafort-
sätze (Pseudopodien) bewegen. Solche Pseudopodien können sowohl von
der Gesammtoberfläche des Körpers, als auch nur von einem beschränk-
ten Theil derselben entspringen. Die Gesammtgestalt des Körpers ist
entweder sehr veränderlich, oder wo sie mit oder ohne Beihülfe einer Um-
hüllung (Schale) eine grössere Constanz zeigt, offenbart sich an ihr sehr
gewöhnlich eine Hinneigung zu einaxiger Gestaltung, indem entweder
durch verschiedenartige Ausbildung entgegengesetzter Körperenden oder
durch "eine Längsstreckung des Gesammtkörpers eine Hauptaxe zu deut-
licher Entwicklung gelangt. (Nur wenige Formen weichen von dieser
Regel ab und bewahrheiten dadurch nur die alte Erfahrung, von der
Unmöglichkeit absolut scharfer Gruppentrennung in der Organismenwelt.)
II. Heliozoa,
Nackte oder umhüllte (von einem Kieselskelet umkleidete) Sarko-
dinen, von meist nahezu regelmässiger kugliger Gestaltung (welche nur
bei einer Anzahl wenig differenzirter Formen durch den Gestaltswechsel
des Gesammtkörpers zeitweise beeinträchtigt wird). Pseudopodien fein,
wenig gestaltsveränderlich und verhältnissmässig wenig zu Verschmel-
zungen geneigt, von der Gesammtoberfläche des Körpers allseitig aus-
strahlend.
(Durch ihre einfacheren, wenig differenzirten und gestaltsveränder-
lichen Formen zeigt diese Unterabtheilung innige Beziehungen zu den
Rhizopoden, wie andrerseits die kuglig gestalteten Formen dieser letzte-
ren sich zu den Heliozoen hinneigen. Die allgemeinen Gestaltsverhält-
nisse und die Skeletentwicklung bringen ferner die Heliozoa in nähere
Beziehung zu der folgenden und letzten Abtheilung der Radiolaria.)
III. Radiolaria,
Sarkodinen von homaxoner (kugliger) Grundgestalt, die jedoch durch
anftretende Modificationen häufig in eine einaxige üibergeführt wird. Eine
kuglige oder einaxig modifieirte Hüllbildung stets vorhanden, die je-
doch von hervorgedrungnem Protoplasma äusserlich überzogen wird
(ähnlich wie bei manchen Rhizopoden) und dadurch ins Innere des Proto-
plasmakörpers eingelagert erscheint (sogenannte Centralkapsel). Hierzu
gesellen sich gewöhnlich noch weitere Skelettheile.
Pseudopodien allseitig von der Körperoberfläche ausstrahlend, fein
und in mässigem Grade zur Verschmelzung geneigt.
(Die Radiolaria zeigen, wie schon oben bemerkt, deutliche Beziehungen
zu den Heliozoa, andrerseits jedoch auch solche zu den homaxonen For-
men unter den Rhizopoda.)
ee
Geschichte. 3
I. Unterabtheilung (Unterklasse).
Rhizopoda.
1. Uebersicht der historischen Entwicklung unsrer Kenntnisse von den
Rhizopoden.
Bei der verhältnissmässig sehr beträchtlichen Grösse, welche gewisse
Rhizopoden erreichen und der Häufigkeit, in welcher ihre Schalenreste in
gewissen Erdschichten aus vergangenen Epochen aufgespeichert sich vor-
finden, konnten solche fossile Rhizopoden auch dem Alterthum nicht völlig
verborgen bleiben, wie denn auch die Nummuliten schon bei Strabo*) er-
wähnt werden. Eine wirklich wissenschaftliche Beschäftigung, wenn auch
nur mit den Schalenresten der Rhizopoden, erforderte jedoch optische
Hülfsmittel und eine besondere Hinlenkung des Beobachtungssinnes auf
die Welt des Kleinen, wie sie hauptsächlich durch die Leeuwenhoek’schen
Bestrebungen im 17. Jahrhundert erzeugt wurde. So lieferte denn auch
schon die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Anzahl Beobachtungen
über die zahlreichen Schalenreste der Rhizopoden, wie sie sich sowohl im
recenten Meeressand, als auch in den Ablagerungen der verschiedensten
geologischen Formationen finden. Beecarius 1731 (1) und Breyn 1732 (2)
gaben Beschreibungen recenter und fossiler Rhizopodenschalen und letz-
terer gebrauchte für dieselben schon die Bezeichnung Polythalamia, welche
auch jetzt noch häufig für eine Abtheilung derselben verwerthet wird.
Plancus (Bianchi) veröffentlichte 1739 (3) zuerst Abbildungen derselben,
ebenso wie Gualtieri 1743 (4) und Ledermüller 1763 (15).
Die ursprüngliche Auffassuug dieser Schalenreste als Cephalopoden-
gehäuse sollte noch lange Zeit die herrschende bleiben. Die 15 von
Linne in der 12. Ausgabe seines Systema naturae aufgeführten und auf
die Beobachtungen von Plancus, Gualtieri und Ledermüller gegründeten
Arten wurden in die Geschlechter Nautilus (14) und Serpula (1) ver-
theilt. Hierzu gesellte Gmelin noch weitere 8 Arten (7 Nautilus und
1 Serpula), die sich auf die mittlerweile erschienenen Mittheilungen von
Spengler, Schröter und Gronovius basirten (8, 9 u. 10).**)
Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts lieferte noch einige wichtige
Beiträge zur Kenntniss der Rhizopodenschalen. Während die früheren
Beobachtungen wesentlich die Formen des Mittelmeeres betrafen, bildeten
Boys und Walker (Beschreibungen von Jacob) eine Reihe von Arten
der englischen Küste ab, die sie gleichfalls den Genera Nautilus, Serpula
und eine sogar Echinus einverleibten.***) Batsch hingegen veröffent-
lichte 1791 6 vorzüglich ausgeführte Kupfertafeln mit Abbildungen von
16 Rhizopodenarten, über deren Herkunft jedoch nichts mitgetheilt wurde. })
*) Vergl. hierüber bei D’Archiac et Haime, Descript. des anim. foss. d, groupe Num-
mulitique de l’Inde, Paris 1853.
**) Analyse der Arten bei Parker u. Jones 62 a.
*%**) Analyse der Arten bei Parker u. Jones 62 b.
+) Analyse der Arten bei Parker u. Jones 62 1.
4 a Rhizopoda.
Bei weitem die hervorragendsten und ausgedehntesten Untersuchungen
über unsern Gegenstand lieferte jedoch Soldani*) in zwei Werken, von
denen das ältere 1780, das jüngere, die Testaceographia, 1789 bis 1798
erschien und von nicht weniger als 228 Kupfertafeln begleitet ist (7 u. 13).
Sowohl die fossilen als die recenten Rhizopodenschalen Italiens und der ita-
lischen Küste zog Soldani in den Bereich seiner Darstellungen. Eine Beein-
trächtigung erlitten die Soldani’schen Werke durch die Nichtanwendung
der binomischen Bezeichnung, jedoch basiren eine grosse Zahl später auf-
gestellter Arten auf seinen Abbildungen. **)
Auch die Beiträge, welche Fichtel und Moll in ihrem 1803 er-
schienenen Werk (14) gaben, waren hauptsächlich wegen der Vorzüglich-
keit der Abbildungen von nicht geringer Bedeutung. Eine beträchtliche
Zahl von Arten wurden hier beschrieben und sämmtlich als Angehörige
des Geschlechtes Nautilus betrachte. Mit Ausnahme einer Anzahl fos-
siler Formen sind es Bewohner des Mittel- und rothen Meeres.***) Schon
diesen beiden deutschen Beobachtern drängte sich die grosse Variabilität
der von ihnen untersuchten Formen unwillkürlich auf und ähnlich sprach
sich auch ein gleichzeitiger Beobachter der britischen Rhizopodenschalen,
Montague (16), aus (1803—1808). —
Von Wichtigkeit erscheinen ferner die Beiträge, die Lamarck seit
1801 zur Kenntniss der Rhizopodenschalen hauptsächlich durch seine
Untersuchungen über die Fossilien des Pariser Grobkalkes lieferte.
Zusammenfassungen der ihm bekannten Rhizopodenschalen gab er
später in dem Tableau encyclop. et meth. 23. Th. 1816 und in der Hi-
stoire nat. d. anim. sans vert. 1815—22. Er vertheilte unsre Formen
unter Cephalopoden und Korallen, errichtete jedoch zu ihrer Aufnahme eine
grössere Zahl selbständiger Geschlechter, die zum Theil noch heute Ver-
wendung finden.)
Weniger glücklich als Lamarek, in Bezug auf die systematische Gruppi-
rung der Rhizopodenschalen, war Denys deMontfort (18), der 1808—1810
nicht weniger als 60 neue Genera aufstellte, von welchen nur eine ganz
geringe Zahl von spätern Forschern festgehalten werden konnten. tr) —
Auch Blainville und Defrance vermehrten durch eine Reihe von Arbeiten
die Kenntniss unserer Formen und es mag hier noch besonders hervor-
gehoben zu werden verdienen, dass der erstgenannte Forscher nach Beob-
achtung einer lebenden Miliola seinen Zweifeln an der Cephalopodennatur
dieser Wesen Ausdruck verlieh.
Eine neue und bedeutsame Epoche in der Geschichte der Rhizopoden-
kenntniss wurde durch die 1826 anhebenden Arbeiten Aleide d’Orbigny’s
*, Mönch uud später Prof. der Mathematik zu Sienna, geb. 1736, gest. 1808,
**) Siehe die Analyse der von d’Orbigny auf Soldani'sche Abbildungen gegründeter
Arten bei Parker u. Jones 62 o.
*#**) Analyse der Arten bei Parker u. J. 62 c.
+) Siehe bei Parker u. J. 62 d.
r}) Siehe bei Parker u. J. 62 e.
cm al u Zu
Geschichte. 5
begründet. Wie sehr auch die zahlreichen, im Laufe von 30 Jahren
(1826—52) fortgesetzten Arbeiten d’Orbigny’s durch eine Reihe von nach-
theiligen Einflüssen beeinträchtigt wurden, — so die ganz mangelhaften
Erfahrungen, welche er von den thierischen Insassen, der von ihm so
anhaltend untersuchten Schalen besass, ebenso wie seine ausschliessliche
Beschränkung auf die marinen Formen, ferner die Zugrundelegung einer
wenig natürlichen Klassifikationsweise und eine ausgesprochene Neigung
zur Schaffung neuer, auf sehr geringfügige Unterschiede basirter Arten
— so wird doch nie der hervorragende Einfluss und die grosse Bedeu-
tung der d’Orbigny’schen Untersuchungen in Abrede gestellt werden können.
Einmal ist die Gesammtmenge der Rhizopodenschalen, und zwar fos-
siler wie lebender, weder vor noch nach ihm in so vollständiger Weise
zusammengetragen und verarbeitet worden; ferner hat er sowohl die Zu-
sammengehörigkeit der so zahlreichen Formen als besondere Gruppe
zuerst hervorgehoben und schliesslich den Grund zu einer systematischen
Gruppirung derselben gelegt, welche die Basis für alle weiteren Versuche
auf diesem Gebiet wurde.
D’Orbigny war anfänglich völlig von der Cephalopodennatur der thie-
rischen Bewohner der Rhizopodenschalen überzeugt, ja glaubte sogar
durch eigne Untersuchungen festgestellt zu haben, dass diese Schalen
als innre (z. B. ähnlich Spirula) im hintern Körperende des Thieres ein-
geschlossen seien. Demgemäss vereinigte er diese Schalenreste in einer
besondern Ordnung unter dem Namen Foraminifera,*) im Gegensatz
zu den übrigen mit gekammerter Schale versehenen Cephalopoden, die
er als Ordnung der Siphonifera zusammenfasste. Späterer besserer
Einsicht in den eigentlichen Bau des Weichkörpers unsrer Organismen
konnte sich jedoch d’Orbigny nicht verschliessen; er erkannte 1839 die
seitdem durch Dujardin festgestellte wahre Natur derselben an.
Das 1826 erschienene Tableau method. d’Orbigny’s gab eine Ueber-
sicht aller von ihm damals unterschiednen fossilen und recenten Formen,
von denen jedoch ein grosser Theil (ca. 253) wegen der mangelnden Be-
schreibungen niemals hat festgestellt werden können. Eine Anzahl dieser
Arten wurde noch durch die von ihm 1825—26 hergestellten 4 Lieferungen
von Modellen kenntlich gemacht; weitere durch seine späteren faunisti-
schen und paläontologischen Arbeiten. 1839 beschrieb er die Foramini-
feren von Cuba und den Canarischen Inseln, den Kisten Südamerika’s
und der Pariser Kreide; 1846 die des Tertiärbeckens von Wien und
1852 veröffentlichte er noch eine Uebersicht der fossilen Genera (s. 23—
30, 34, 38 u. 44).
*) Der Name Foraminifera bezieht sich keineswegs nach der ihm von d’Orbigny ge-
gebnen Begründung auf die Perforation der Schalenwände bei der Abtheilung der Perforata,
wie dies in neueren Schriften gewöhnlich dargestellt wird, sondern sollte der Durchbohrung
der Scheidewände durch eine oder mehrere Oeflnungen bei gleichzeitigem Fehlen einer Sipho-
bildung Ausdruck verleihen (s. d’Orbigny 22).
6 Rhizopoda.
In Frankreich war es jedoch, wo zuerst das richtige Verständniss
für die thierischen Körper, welche diese Schalen erbauten, angebahnt
wurde. Im Jahre 1835 gelangte Fel. Dujardin (s. 24—26) durch wieder-
holte Beobachtung lebender Formen zu der Ueberzeugung, dass es sich
hier nicht um complieirt zusammengesetzte, sondern höchst einfach ge-
baute Organismen handle, deren Körper aus einer einfachen thierischen
Ursubstanz (Sarkode) bestehe und sich am besten den schon lange unter
der Bezeichnung Proteus oder Amoeba aus süssem Wasser bekannten un-
beschalten Formen vergleichen lasse.
Den von ihm ursprünglich für die Foraminifera d’Orbigny’s vorge-
schlagenen Namen Symplectomeres verliess er jedoch sofort, um hierfür
die charakteristische, der Beschaffenheit der Bewegungsorgane entnommne
Bezeichnung Rhizopoda zu substituiren, welcher Abtheilung er jedoch
auch die ähnlichen Formen des Süsswassers zugesellte.
Die zuerst von Dujardin erkannte enge Beziehung der Rhizopoden-
schalen des Meeres zu gewissen, im Süsswasser einheimischen und schon
lange im lebenden Zustand gekannten Formen, veranlasst uns hier, noch
einen Blick auf die Geschichte unsrer Kenntniss dieser Formen zu werfen.
Im Jahre 1755 hatte Rösel von Rosenhof*) die ersten Amöben
entdeckt und unter dem Namen Proteus beschrieben. Gleichen und
andre Forscher beobachteten ähnliche Formen und Bory de St. Vin-
cent stellte 1822 den Namen Amoeba auf, den er jedoch auf sehr hetero-
gene Organismen ausdehnte. Beschalte Süsswasserformen (Difflugia) wur-
den zuerst von Leclerce 1815**) beschrieben und auch sehr richtig als
Verwandte des Proteus gedeutet, während spätere Forscher, wie Lamarck,
Oken und andre sie weit von diesem entfernen wollten. Weitere ansehn-
liche Vermehrung erfuhr unsre Kenntniss der Süsswasserformen durch
G. Ch. Ehrenberg, der neben der Gattung Difflugia noch’ eine weitere,
Arcella, für von ihm gefundne beschalte Süsswasserrhizopoden aufstellte,
die nahe Verwandtschaft dieser Formeu anerkannte und sie in seinem
Hauptwerk, 1838, in zwei Familien der Amoebaea und der Arcellina neben
einander stellte. Schon damals, jedoch noch weit bestimmter in späteren,
gleich zu erwähnenden Arbeiten sprach er sich gegen die von Dujardin
bezüglich der Verwandtschaft und Organisation der marinen Foramini-
feren aufgestellten Ansichten aus, in welch letzteren er höchst wahrschein-
lich kolonienbildende Formen und zwar Moosthierchen (Bryozoa) erkannt
haben wollte. — Die eingehende Beschäftigung mit den fossilen Resten
mikroskopischer Organismen, so zunächst hauptsächlich der der Kreide,
führte Ehrenberg schon 1838 und 39 zu einem genaueren Studium der
lebenden Foraminiferen, von welchen er einige Formen der Nordsee beob-
achten konnte. Das Resultat dieser Untersuchungen bestärkte ihn jedoch
nur noch mehr in seiner schon vorgetragenen Ansicht von der Bryozoen-
*, Inseetenbelustigungen. IL.
**) Ann. da Mus, d’hist, nat, II. 1815.
Geschichte. 7
natur derselben (nach ihm Polythalamia). Ausser einem’ einfachen, röh-
rigen Darmkanal, glaubte er auch Ovarien und zuweilen den Schalen
äusserlich anhängende Eierbeutel beobachtet zu haben. Nach besonders
missverständlich aufgefassten Eigenthümlichkeiten der Schale versuchte
er ferner einfach lebende und koloniebildende Formen zu unterscheiden. —
Die Kalkschale und deren zuweilen complicirter Bau bildete für Ehren-
berg noch ein besonderes Moment zur Abtrennung dieser Formen von den
Arcellinen des süssen Wassers. — Mit bekannter Hartnäckigkeit und Un-
zugänglichkeit für Aufklärungen, die seine, durch vorgefasste Meinungen
über den tbierischen Bau im Allgemeinen beeinflusste Ansichten zu ver-
bessern im Stande gewesen wären, hielt Ehrenberg stets an seiner Deu-
tung des Foraminiferenorganismus fest, ohne jedoch durch weitere Unter-
suchungen lebenden Materials neue Belege hierfür beizubringen. Desto
eifriger hingegen durchforschte er die Erdschichten der verschiedensten
Epochen nach Schalenresten unsrer Thiere und gab eine Zusammen-
stellung der hierbei erzielten Resultate in dem umfangreichen Werk
„Mikrogeologie“ 1856. Ebenso nahmen die Foraminiferenreste der Tief-
see seine Aufmerksamkeit in hohem Grade in Anspruch, worüber er
gleichfalls die erzielten Resultate in einer grössern Abhandlung 1873
sammelte (97a). Auch in dem Luftstaub, den Ehrenberg lange fortgesetzt
und aus den verschiedensten Gegenden untersuchte, fanden sich mancher-
lei Schalenreste von Rhizopoden (hauptsächlich jedoch von Stsswasser-
formen), worüber er 1871 eine übersichtliche Zusammenstellung publi-
eirte (95).
Obgleich in diesen letztgenannten Arbeiten Ehrenberg’s eine grosse
Zabl von Formen abgebildet und beschrieben wurde, trugen dieselben
doch zum allgemeinen Fortschritt unsrer Kenntnisse nur sehr wenig bei,
was hauptsächlich darauf beruht, dass Ehrenberg ebenso hartnäckig wie
an seinen Ansichten über die Organisation der Foraminiferen, auch an
seiner eigenthümlichen und sich keiner Anerkennung seitens andrer For-
scher erfreuenden systematischen Gruppirung derselben festhielt, in der
Aufstellung der Arten ziemlich willkürlich verfuhr und dieselben wenig
ausreichend charakterisirte und die systematischen Bestrebungen ande-
rer Forscher bei ihm keine Berücksichtigung fanden. Ausserdem wird
der Werth dieser Arbeiten noch dadurch sehr vermindert, dass die Unter-
suchung der Formen fast stets an Canadabalsampräparaten im durch-
fallenden Lichte vorgenommen und hiernach auch die Abbildungen ge-
fertigt wurden, wesshalb die Wiedererkennung der Arten grosse Schwierig-
keiten bereitet.
Von hervorragender Bedeutung für die weitere Entwicklung unsrer
Kenntniss der marinen Rhizopoden und hauptsächlich des feineren Bau’s
ihrer Schalen wurden die Untersuchungen Williamson’s. Ursprünglich
noch auf dem Standpunkte Ehrenberg’s bezüglich der Beurtheilung der
Organisation der Rhizopoden stehend, gab er denselben doch bald auf
und näherte sich dem Dujardin’s, wenngleich er in der Erforschung des
8 Rhizopoda.
Weichkörpers im ganzen keine sehr erheblichen Resultate zu Tage för-
derte. Bei weitem bedeutender waren seine Beobachtungen über den
feineren Bau der Schalen, den er zum ersten Mal mit Hülfe von Dünnschliffen
untersuchte, die denn auch sowohl Carpenter als ihn ziemlich gleich-
zeitig zur Entdeckung des Kanalsystems führten (43, 46 u. 47). Schon
früher 1848 betrieb er auch systematisch faunistische Studien auf diesem
Gebiet, zunächst über die Gattung Lagena und krönte dieselben 1858
durch sein Werk tber die Foraminiferen der britischen Küsten (61).
Diesen Beobachtungen von Williamson über die feinere Schalenstructur
der Foraminiferen schlossen sich die von Carter (49) *) seit 1849 und die
weiteren sehr wichtigen von Carpenter 1856 (59 und 60) an, weswegen
dieselben gleich hier kurz erwähnt werden mögen. Durch diese ausge-
dehnten und eingehenden Untersuchungen vorbereitet, konnte dann Car-
penter 1862 dazu schreiten, unterstützt von Parker und Jones, eine Ge-
sanımtdarstellung der Rhizopoden (wesentlich jedoch nur der Schalen-
verhältnisse derselben) zu entwerfen, die wohl für lange Zeit das grund-
legende Werk sowohl für die Kenntniss des Schalenbaues als der hierauf
basirten Classification der Foraminiferen bleiben wird. Parker und Jones
hatten sich seit 1857 hauptsächlich in faunistisch-systematischem Sinne mit
der Erforschung der Foraminiferen beschäftigt, namentlich auch in einer
Reihe fortgesetzter Arbeiten die so verwirrte Synonymie dieser Formen auf-
zuklären versucht (62). Ihr Antheil an den „Introduction“ ist ein ganz er-
heblicher.
So bedeutend auch die Bestrebungen der genannten englischen For-
scher auf dem Gebiete der Foraminiferenkunde erschienen, so wäre die
gänzliche Vernachlässigung des Studiums des Weichkörpers doch eine
sehr empfindliche Lücke geblieben, wenn nicht schon 1854 von einem
deutschen Forscher, M. Schultze, in trefflicher Weise hierüber Licht ver-
breitet worden wäre, so dass dessen Werk ‚Ueber den Organismus der
Polythalamien“ in Bezug auf den Weichkörper dieselbe hohe Bedeutung
beansprucht, wie die Untersuchungen Carpenter’s bezüglich des Schalen-
baues. M. Schultze stellte zuerst den Bau des Weichkörpers, und da-
durch auch die Stellung der Foraminiferen überhaupt, im Sinne Dujardin’s
ganz sicher.
Weniger glücklich war Schultze in seinen systematischen Bestrebungen.
Dagegen hat ein anderer deutscher Foraminiferenforscher, Reuss, der
in einer grossen Reihe von Arbeiten seit dem Beginn der 40 er Jahre sich
die Erforschung der fossilen Reste der Foraminiferen zur Aufgabe machte,
sich nicht unbedeutende Verdienste um die Systematik dieser Abtheilung
errungen, die ihn 1861 (65) zur Aufstellung eines Systemes derselben
führten, das sich in vieler Hinsicht dem unabhängig entstandenen der oben
genannten englischen Forscher anschloss.
*, Vergl. jedoch auch 42, sowie bei d. Gattungen Öperculina, Orbitolites, Alreolina,
Patellina etc.
nn en
——*.
Geschichte. 9
Ueber die Fortpflanzungserscheinungen der Foraminiferen war im
Ganzen nur wenig ermittelt worden; einer älteren Mittheilung von Gervais
schlossen sich Untersuchungen von M. Schultze und Str. Wright an, ohne
sehr erheblich die Frage zu fördern.
Werfen wir nun, rückwärts schauend, einen Blick auf die seither
ausser Auge gelassenen Sisswasserformen, so haben wir zunächst zu ver-
zeichnen, dass Dujardin die Kenntniss derselben vielfach förderte, Ehren-
berg dagegen mit der Aufstellung zahlreicher und meist sehr mangelhaft
charakterisirter Arten im Ganzen wenig zum besseren Verständniss der-
selben beitrug. Nicht unwichtige Beiträge lieferten Schlumberger 1845 *),
Perty 1852 (48), M. Schultze 1854 (53) und namentlich auch Clapare&de
und Lachmann 1858—59 (60). In England haben Carter seit 1856 (56),
Wallich seit 1864 sich vielfach mit diesen Formen beschäftigt und in
Deutschland wurden sehr namhafte Beiträge zur Kenntniss derselben von
Greeff, R. Hertwig und Lesser, F. E. Schulze und andern geliefert,
denen sich die Untersuchungen Archer’s in Irland und Cienkowsky’s
in Russland würdig anreihen.
Durch die Bestrebungen Häckel’s um die Erforschung der von ihm
sogenannten Moneren wurden gleichfalls eine Reihe hierher gehöriger For-
men aufgedeckt.
In der Aufklärung der Bauverhältnisse des Weichkörpers der marinen
Rhizopoden geschah ein sehr wesentlicher Schritt durch den von Hertwig
und F. E. Schulze erbrachten Nachweis der Anwesenheit von Zellkernen
im Plasmaleib derselben. Auch suchten beide Forscher das System nach
ihren Erfahrungen und Anschauungen zu verbessern.
Die wesentlichsten systematischen und faunistischen Bestrebungen
der neuern Zeit bezüglich der marinen Formen behaupteten jedoch ihren
Sitz in England und wurden namentlich von Parker, Jones und Brady
gepflegt, die sich auch vielfach um die Kenntniss der fossilen Formen
verdient machten.
Die Erforschung der im fossilen Zustand aus früheren Epochen der
Erdgeschichte uns aufbewahrten Rhizopodenreste hatte ausser den schon
genannten Forschern, wie d’Orbigny, Ehrenberg, Reuss und Anderen noch
die Aufmerksamkeit zahlreicher Paläontologen und Geologen in Anspruch
genommen, unter denen hier hauptsächlich noch hervorgehoben werden
mögen: Joly und Leymerie, d’Archiac und Haime, sowie Terquem in
Frankreich, in Belgien van den Broeck und Miller, in Deutschland Geinitz,
Römer, Czjzek, Richter, Hagenow, Gümbel, Karrer, Rütimeyer, von Schlicht,
Bornemann und Schwager; in England und Nordamerika Hall, Young,
Armstrong, Dawson und Andere, in Russland Fischer von Waldheim,
Eichwald, Zborezewsky und neuerdings von Möller (116); in Italien
Seguenza, Michelotti und Sismonda. Eine Zusammenfassung der Be-
*) Ann. d. sc. nat. III. vol. 3. 1845.
10 Rhizopoda.
strebungen auf dem Gebiet der fossilen Foraminiferenreste gab Zittel
neuerdings in seinem vortrefflichen Handbuch der Paläontologie.
In vieler Hinsicht fördernd griffen auch die in neurer Zeit schwung-
haft betriebenen Tiefseeforschungen namentlich von englischer Seite in
die Entwicklung unsrer Kenntniss von den marinen Rhizopoden ein und
erwarben sich auf diesem Feld namentlich Wallich, W. Thomson und
Murray ausser schon genannten englischen Forschern Verdienste.
Ueberblieken wir zum Schluss noch einmal die in den vorher-
gehenden Zeilen versuchte kurze Darstellung der geschichtlichen Entwick-
lung unsrer Kenntnisse von den Rhizopoden, so müssen wir erkennen, dass
die Erforschung derselben sich bis jetzt mit Vorliebe den zwar auch
leichter zugänglichen Schalenresten zugewendet hat, dass hingegen das
Studium des Weichkörpers mit Ausnahme der Süsswasserformen trotz der
hervorragenden Bemühungen eines Max Schultze sehr zurückgeblieben
ist. Es bildet daher die genauere Erforschung des Baues und der Lebens-
erscheinungen, namentlich aber der Fortpflanzungsverhältnisse der marinen
Rhizopoden noch eine bedeutsame der Zukunft gestellte Aufgabe, die
hoffentlich in nicht zu langer Zeit einer entsprechenden Lösung entgegen-
gehen wird.
Uebersicht der Literatur.*)
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1S1 9 >» wm
14. Fichtel et Moll, Testacea microscopia aliaque minuta etc. Wien 1805.
*) In nachstehender Uebersicht sind zunächst diejenigen Arbeiten aufgenommen, die von
allgemeiner Bedeutung für die Organisation oder die Lebenserscheinungen der Rhizopoden
sind, oder doch ein grösseres historisches Interesse beanspruchen. Monographien oder Mit-
theilungen über einzelne Arten, z. Th. auch Familien, finden ihre Erwähnung später bei die-
sen; hier sind zumeist nur diejenigen Arbeiten berücksichtigt, die von einer Anzahl verschie-
dener Formen handel». Gleichzeitig ist an dieser Stelle auch schon die wichtigste faunisti-
sche Literatur angegeben, ebenso wie die auch in allgemeiner Hinsicht wichtigeren Arbeiten
über die fossilen Rhizopoden. Speciellere Angaben über die einzelnen Formationen folgen
dann später bei dem Kapitel über die paläontologische Entwicklung der Rhizopoda. Die
Voranstellung eines F in Klammern soll darauf hinweisen, dass die betreifende Sehrift aus-
schliesslich oder doch vorzugsweise fossile Formen bespricht.
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109. Leidy, J., Proc. Ac. nat. hist. of Philad. 1877. P. III. p. 288, 293, 306. 321.
110. Entz, G., Ueber die Rhizopoden des Salzteiches zu Szamosfalya. Naturhist. Hefte des
Nation. Museums zu Budapest. 1. Heft. 1877.
111. Allmann, G. J., Recent researches among some of the more simplesarcode organisms,
Journ. of Linn. soc. Zool. Vol. 13. 1877.
112. Wright, J., Recent Foraminifera of Down and Antrim (Proc. Belfast. nat. Field club.
App, 1876—77).
113. Schneider, Aim., Sur les Rhizopodes terrestres. (R&v. scientif. 1878.)
114. Siddall, J. D., On the Foraminifera of the river Dee. Ann. mag. n. h. 4. s. T. XVII.
1878.
115. Brady, H. B., On the reticul. and radiol. Rhizopoda of the Northpolar expedit. of
1875/76. Ann. mag. n. h. 5. s, Vol. I. 1878.
116. (F) Möller, V. von, Die spiralgewundnen Foraminiferen des russischen Kohlenkalks
Mem. Acad. imp. St. Petersbourg. 7 s. T. XXV. 1878.
117. Brady, H. B., Notes on some Reticularian Rhizopoda of the „Challenger“ expedition,
I. On new or little known arenaceous types. Qu. journ, of microsc. sc. N. S. Bd. 19.
II. Addit. to the knowledge of porcellanous and hyal. types. ibid.
115. Mereschkowsky, C. von, Studien über die Protozoön des nördl. Russlands. Arch. f.
mikrosk. Anatomie Bd. 16. (Süsswasserformen.)
2. Kurzer Ueberblick der morphologischen Auffassung und Gestaltung
der Rhizopoda, sowie der Hauptuntergruppen dieser Abtheilung,
Die Rhizopoda begreifen nach unsrer schon oben kurz hervorgehobnen
Definition sowohl nackte hüllenlose, als beschalte, umhüllte einzellige
Sarkodinen, welche verhältnissmässig nur selten Neigung zur Bildung von
organischen Verbänden mehrerer Individuen, zur Entwicklung echter Kolo-
nien oder Stöcke zeigen. Wir bezeichnen hier die Rhizopodenindividuen
durchaus als einzellig, da wir, wie in der Einleitung des genaueren aus-
geführt ist, den Begriff der Zelle sowohl auf solche Elementorganismen oder
Plastiden ausdehnen, welche kernlos als auch auf solche, die eine grössere
Zahl von Kernen einschliessen und nicht nachweislich aus der Verschmel-
zung ursprünglich getrennter einkerniger Zellen hervorgegangen sind.
Wir behandeln daher unter den Rhizopoda sowohl kernlose Formen
(sog. Moneren Häckel’s) als kernftihrende, und dies um so mehr, als die
ne
Einleitende Uebersicht. 15
Frage nach dem Vorhandensein oder dem Mangel von Kernen bis jetzt ın
vielen Fällen noch nicht mit hinreichender Sicherheit entschieden ist.
Auch der grössre oder geringre Grad von Differenzirung, welche der Proto-
plasmakörper der Rhizopoden erreicht hat, kann nur in sehr bedingtem
Maasse unsere Auffassung von dem Umfang der hier zu betrachtenden
Gruppe beeinflussen. So sehen wir keinen Grund ein, Formen mit Diffe-
renzirung in Eeto- und Entoplasma von solchen schärfer zu scheiden, bei
welchen deiselbe fehlt; auch An- oder Abwesenheit einer schalenartigen
- Umhüllung, oder die Ausbildung contraetiler Vacuolen scheint keineswegs
hinreichend zur Trennung der hier vereinigten Formen in besondre Ab-
theilungen.
Alle hier als Rhizopoda vereinigten Formen schliessen sich, wenn
wir von den soeben als nicht entscheidend zurückgewiesenen Charakteren
absehen, unter einander so innig an und sind durch Uebergangsformen so
innig verbunden, dass eine Auflösung derselben in getrennte Gruppen,
wie dies mehrfach versucht wurde, keineswegs natürlich erscheinen kann.
Schwieriger erscheint es hingegen, die Gesammtheit der Rhizopodenformen
durch scharfe Angabe positiver Charaktere von den beiden andern hier
noch unterschiednen Abtheilungen der Sarkodina, den Heliozoa und Radio-
laria zu scheiden. Leichter geschieht dies in negativer Weise durch Her-
vorhebung der für beide letztgenannten Abtheilungen charakteristischen
Momente, welche den Rhizopoda abgehen.
Versuchen wir es jedoch hier, die schon früher angedeuteten positiven
Merkmale dieser Abtheilung noch etwas eingehender darzustellen und da-
bei gleichzeitig einen Ueberblick über die morphologische Gestaltung des
Rhizopodenkörpers zu gewinnen.
Die morphologische Gestaltung des Rhizopodenkörpers ist, wenn nicht
durch die Ausbildung einer Schalenumhüllung die Gestaltung eine be-
stimmtere, eben durch die Schale bedingte, geworden ist, eine gewöhn-
lich sehr veränderliche, indem das Plasma des Körpers mit oder
ohne Bildung wahrer Pseudopodien mannigfachem Gestaltswechsel unter-
liegt. Aber auch die wechselgestaltigen nackten Rhizopoden nehmen
nicht selten zeitweise beim Eintritt von Ruhezuständen eine schärfer um-
schriebene Gestaltung an, die sich dann gewöhnlich der kugligen, hom-
axonen, nähert. Auch bei denjenigen wenigen Formen, die mit einer bestimm-
teren bleibenden Körpergestalt den Mangel einer wirklichen Umhillung
verbinden und bei welchen die Formveränderung, die Entwicklung von
Pseudopodien, auf einen beschränkten Bezirk der Körperoberfläche be-
grenzt ist, sind wir wohl berechtigt eine oberflächliche Verdichtung des
Plasma’s anzunehmen, wenn dieselbe auch noch nieht bis zur Bildung
einer wirklichen Schalenhaut geführt hat. Nur in seltnen Fällen sehen
wir jedoch unter den Rhizopoden die bei Ruhezuständen nackter Formen
gewöhnliche kuglige Gestaltung auch noch bei dauernder Bildung einer
Hülle bewahrt, sondern die eben schon angedeutete monaxone Gestaltung
dadurch zur Ausbildung gelangend, dass die Bildung der Schalenhaut an
16 Rhizopoda.
einer, unter Umständen jedoch auch zwei entgegengesetzten Stellen der
Körperoberfläche unterbleibt, wodurch demnach grössere Oeffnungen in
der Schalenhaut, zur Communication des Plasmakörpers mit der Aussen
welt entstehen.
Auch die homaxone, kuglige und bleibende Schalenhaut erfordert je-
doch geeignete Einrichtungen, welche eine Communication des Plasma-
körpers mit .der Aussenwelt gestatten, die denn auch ohne die homaxone
Gestaltung aufzuheben in der Weise zur Ausbildung gelangen, dass die
Schalenhaut hier von mehr oder minder zahlreichen feinen Oeffnungen
durchbrochen ist
Wir erkennen in dieser Weise zugleich, dass die Rhizopoden, ab-
gesehen von den unbeschalten, nackten Formen, sich in zwei Haupt-
gruppen spalten, je nachdem die Communication des beschalten Weich-
körpers mit der Aussenwelt sich durch eine oder zwei grössere Schalen-
öffnungen oder durch eine grössere Zahl kleiner Oeffnungen vollzieht
(Imperforata und Perforata). Da nun aber auch bei den allseitig von
feinen Löchern durchbrochnen Schalen dieser Perforirten eine weitere
Hauptöffnung gewöhnlich zur Ausbildung gelangt, so bietet auch die
grosse Mehrzahl dieser Formen eine homaxone Gestaltung dar.
Im weiteren morphologischen Verhalten zeigt der beschalte Rhizopoden-
organismus sich namentlich darin noch different, dass das Wachsthum
des Individuums entweder ein das ganze Leben hindurch gleichmässig
fortschreitendes ist, was seinen Ausdruck in dem durchaus einheitlichen,
keine Unterabtheilungen zeigenden Schalenbaue erhält (Einkammerige,
Monothalamia), oder aber, dass das Wachsthum ein periodisch absetzen-
des und anschwellendes ist, wobei der Schalenraum, den einzelnen
Wachsthumsperioden entsprechend, in eine kleinere oder grössere Anzahl
mehr oder weniger von einander geschiedner Abtheilungen zerlegt wird
(Mehrkammerige, Polythalamia). In dieser Kammerbildung der beschalten
Rhizopoden eine Wiederholung des Einzelindividuums, also eine Kolonie-
bildung zu erblicken, wie dies wenigstens für einen Theil der Formen
anfänglich sehr natürlich erscheint, hat sich durch die Untersuchung des
Weichkörpers nicht ausreichend bewahrheitet und wird späterhin das Nä-
here tiber diese Frage mitzutbeilen sein.
Eine weitere hier vorläufig flüchtig zu berührende Eigenthümlichkeit
der beschalten Rhizopoden betrifft die Natur des Materials der Schale,
worin sich nicht unerhebliche Verschiedenheiten zeigen können. Gegen-
über den beiden anderen Abtheilungen der Sarkodinen fällt hier die
Seltenheit der Abscheidung von Kieselsäure als Material des Schalenbau’s
auf. Wenn es sehr wahrscheinlich ist, dass Kieselsäure in einigen
Fällen das Schalenmaterial bildet, so ist doch hierüber noch keine völlige
Sicherheit erreicht. Fast sämmtliche Hüllbildungen der Rhizopoden sind
entweder aus reiner chitinartiger Masse gebildet, oder aber durch secun-
däre Imprägnation und Auflagerung von kohlensaurem Kalk zu Kalkschalen
umgebildet; oder schliesslich aus dem Rhizopodenkörper ursprünglich
= a u Zn DZ
Einleitende Uebersicht. 17
fremden, von aussen her aufgenommenen festen Partikeln der verschieden-
sten Art, unter Mitwirkung eines ebenfalls seiner Natur nach verschieden-
artigen, von dem thierischen Körper gelieferten Bindemittels aufgebaut.
Versuche, die Natur dieser verschiedenartigen zum Aufbau der Schalen
verwertheten Substanzen zur Grundlage einer natürlichen Klassifikation
derselben zu machen, haben sich, wie späterhin noch genauer zu erörtern
sein wird, als trügerisch herausgestellt.
Was schliesslich die Erscheinungen der Fortpflanzung der Rhizopoden
in Beziehung zu ihrer morphologischen Auffassung und ihrer Stellung in
der Klasse der Sarkodinen betrifft, so lässt sich bei der im Ganzen sehr
spärlichen Erfahrung über diesen wichtigen Abschnitt ihrer Lebenserschei-
nungen nur wenig Positives berichten. Die Fortpflanzungserscheinungen
der Rhizopoden sind wie die der Protozoön überhaupt identisch mit
denen der Zelle im Allgemeinen. Es sind die Erscheinungen der Thei-
lung und die daraus abgeleiteten der einfachen und vielfachen Knospung
oder Sprossung, zum Theil jedoch auch wohl die der simultanen Theilung
in zahlreiche Tochterindividuen. Diese Vermehrungserscheinungen können
sowohl am nackten Plasma der Rhizopoden auftreten, als auch seltner
nach vorhergehender Umhüllung durch eine sogen. Cyste während eines
Ruhezustandes.
In wieweit ein durch eine Copulation oder Conjugation sich voll-
ziehender Vermischungs- oder Verschmelzungsprocess des Plasmakörpers
zweier oder mehrerer Individuen von Einfluss auf die oben hervorgehobe-
nen Vermehrungsvorgänge der Rhizopoden ist, scheint bis jetzt noch sehr
wenig festgestellt.
Die durch die Theilung oder Knospung erzeugten neuen Individuen
können entweder, und es scheint dies wohl in der Mehrzahl der Fälle
sich zu ereignen, schon von Anfang an die Gestaltung des Mutterorganis-
mus besitzen (abgesehen von etwa nachträglich erst eintretender Schalen-
bildung), oder sie treten zuerst in einer von dem Mutterorganismus ab-
weichenden Form flagellatenartiger Schwärmer auf. Letztere gehen bald
in die Gestaltung des mütterlichen Organismus über und ihre Entwicklung
verräth eine auch durch anderweitige Erfahrungen bestätigte Beziehung der
Rhizopoden und Sarkodinen überhaupt zu den flagellatenartigen Wesen.
Die vorstehende allgemeine Betrachtung der Rhizopoda hat uns
gleichzeitig befähigt, die von uns unterschiednen Hauptunterabtheilungen
dieses Formenkreises kurz zu charakterisiren, was noch hier bevor wir
zu einer genaueren Betrachtung der Organisation im Einzelnen schrei-
ten, geschehen soll. Die in der Einleitung schon hervorgehobnen Schwie-
rigkeiten einer auf natürlichen und vor Allem genetischen Beziehungen
basirten Klassifikation der Protozo@n überhaupt, wird jedoch auch in die-
sem speciellen Falle den systematischen Versuchen zur Beurtheilung unter-
zulegen sein.
Wir bringen zunächst sämmtliche unbeschalten Formen in eine Ab-
theilung der Amöbaea, denen die beschalten als Testacea gegenüber
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa, 2
18 Rhizopoda.
stehen, ohne dass jedoch diese Abtheilung der Testacea als eine ganz
natürliche, auf gemeinsamem Ursprung beruhende, zu betrachten wäre.
Die Testacea zerfällen wir in die zwei Gruppen der Imperforata und
Perforata, welche sich auf den oben hervorgehobnen Unterschied in der
feinern Beschaffenheit der Schalenwandungen gründen.
In dem besonderen, der Systematik gewidmeten späteren Abschnitt
wird diese Gruppirung und ihre Beziehungen zu anderweitigen Klassifika-
tionsversuchen auf diesem Gebiet eine eingehendere Besprechung zu er-
fahren haben.
3. Der Schalenbau der Rhizopoda.
Indem wir unsre Aufmerksamkeit hier zunächst dem Schalenbau der
Rhizopoda zuwenden, verlassen wir eigentlich den Gang einer natürlichen
Betrachtung, indem wir statt des eigentlich Primären, des protoplasmati-
tischen, die Schale erzeugenden Weichkörpers, diesem secundären Erzeug-
niss des Rhizopodenkörpers die erste Stelle in unsrer Betrachtung ein-
räumen. Da jedoch die grosse Mehrzahl der Rhizopoden eine Schale er-
zeugt und diese für die Gestaltung des ganzen Organismus dann ge-
wissermaassen bestimmend erscheint, wenn ja auch dieses Bestimmungs-
verhältniss eigentlich umgekehrt liegt, so wird es aus Gründen der tiber-
siehtlichen Darstellung gerechtfertigt erscheinen, mit der Besprechung des
Schalenbaues zu beginnen.
A. Materialien des Schalenbaus.
Schon an einer früheren Stelle haben wir in Kürze die Natur der-
jenigen Stoffe kennen gelernt, welche der Rhizopodenorganismus zum Auf-
bau seiner Schale verwendet. Es ist dies zunächst eine organische, stick-
stoffhaltige Substanz, die wir nach ihrem Verhalten gegenüber Reagentien
wohl als Chitin, einen bei den wirbellosen Thieren so verbreiteten, zur Bil-
dung der mannigfachsten Hüllen verwertheten Stoff, bezeichnen dürfen.
Von jenen aus reiner Chitinmasse aufgebauten Schalen leiten sich ohne
Zweifel die bei den marinen Formen so verbreiteten Kalkschalen ab,
welche durch Imprägnation einer meist sehr spärlichen chitinösen Grund-
lage mit mineralischen, hauptsächlich aus kohlensaurem Kalk bestehenden
Substanzen gebildet werden. Eine weitere dritte Reihe von Schalen
wird dadurch erzeugt, dass zur Verstärkung der Schalenwandungen
mannigfache Fremdkörper aufgenommen werden und durch ein verschie-
denartiges Cement zusammengekittet die Schale aufbauen. Je nach der
Natur dieses Cements leiten sich solche Bildungen sowohl von rein chiti-
nösen als kalkigen Schalen her, oder es können auch noch weitere che-
mische Substanzen, so Eisenoxydsalze oder seltner Kieselsäure zur Ver-
kittung der Fremdkörper verwerthet sein.
Nur in seltnen, und bis jetzt noch nicht hinreichend sicher gestellten
Fällen, scheint die Schale der Rhizopoden aus Kieselsäure zu bestehen
und wird es später noch unsre Aufgabe sein, diese Fälle etwas genauer
zu betrachten.
he
Schalenmaterial. 19
«. Chitinöse Schalen.
Die Verwerthung reiner, von mineralischen Stoffen nicht imprägnirter
Chitinmasse zum Schalenbau ist vorwiegend den Formen des süssen
Wassers eigenthümlich, jedoch keineswegs ausschliesslich auf diese be-
schränkt. Indem wir hier zunächst von den morphologischen Verhältnissen
der Schalen absehen, beschäftigen wir uns mit den Eigenthümlich-
keiten der diese Schalen aufbauenden chitinösen Substanz und dem fei-
neren Bau der Schalenwände.
Entsprechend dem chemischen Verhalten des Chitins widerstehen
solche Schalen der Einwirkung verdünnter Mineralsäuren, lösen sich je-
doch in eoncentrirten, namentlich eoncentrirter Schwefelsäure auf. Kausti-
schen Alkalien widerstehen sie sogar gewöhnlich beim Erhitzen. Dennoch
ist nach dem bis jetzt hierüber Ermittelten die Widerstandsfähigkeit der
gemeinhin als chitinös bezeichneten Schalen gegenüber den oben genann-
ten Reagentien keineswegs gleich ausgebildet.
Ein derartiges chitinöses Schalenhäutchen kann nun in sehr verschie
dener Stärke zur Entwicklung gelangen, z. Th. nur als ein äusserst zar-
tes, schwer sichtbares Häutchen, der Oberfläche des Plasmakörpers dicht
anliegend (so Lieberkühnia, Gromia z. Th., Pamphagus, Diplophrys, U.
16, 1lI. 6, 1)*), z. Th. eine ansehnlichere Stärke erreichend, jedoch
noch eine biegsame elastische Beschaffenheit bewahrend und der Kör-
peroberfläche dieht aufliegend (so Gromia z. Th., Leeythium), während
sich bei stärkerer Entwicklung der Schalenhaut und einer mehr star-
ren, weniger biegsamen Beschaffenheit derselben der Plasmakörper von
der Schale gewöhnlich mehr oder weniger zurückzieht (so z. B. Pla-
tovum, Hyalosphenia ete. II. 10, Ill. 17a). Alle die seither erwähn-
ten Schalenbildungen bestehen aus ganz homogener, durchsichtiger, keine
besonderen Structurverhältnisse zeigender Chitinmasse, die meist auch
völlig farblos ist oder doch nur von leicht gelblicher Färbung. Eine wei-
tere Reihe chitinöser Schalen zeigt jedoch eigenthümliche Structurverhält-
nisse, die einer genaueren Erwähnung bedürfen. Die ersten Andeutungen
solcher feineren Structuren an chitinösen Schalen treten uns entweder
als eine Bedeckung der äusseren Schalenoberfläche mit feinen Höckerchen
entgegen (Pyxidieula Ehrbg.) oder als eine zarte Strichelung der Schalen-
oberfläche (Pleetophrys Entz.) oder auch als eine feine retieuläre oder
areoläre Zeichnung der Aussenseite (so Pseudochlamys, einige sogen. Dif-
flugien, triangulata Lang. und carinata Arch.). Von diesen feinen Structur-
verhältnissen, welche, wie es scheint, auf die Schalenoberfläche beschränkt
sind, leiten sich jedoch wohl die Einrichtungen einer Reihe weiterer Formen
ab, bei welchen die Schale aus feinen Plättchen aufgebaut ist, die wohl den
durch die erwähnten reticulären Zeichnungen umschriebnen Feldchen ent-
sprechen dürften. Ueber die chemische Natur dieser Plättchen existiren bis
*) Die Schwierigkeiten der sicheren Erkennung eines so zarten Häutchens machen es
erklärlich. dass dessen Existenz bei manchen der hierherzurechnenden Formen noch streitig ist.
2%
20 Rhizopoda.
jetzt noch mannigfache Zweifel und scheint es nach den vorliegenden Unter-
suchungen nicht unwahrscheinlich, dass einestheils sowohl eine chitinöse
Bildung, als eine Verkieselung derselben statthaben kann. Die Unsicher-
heit, welche bis jetzt über diese Verhältnisse herrscht, im Zusammenhang
mit der grossen morphologischen Aehnlichkeit dieser Plättchenformen
untereinander, veranlasst uns diese Bauverhältnisse der Schalen hier im
Zusammenhang zu betrachten *).
Die erwähnten Plättchen treten entweder in rundlich scheibenförmiger
Gestalt auf und setzen in dichter Zusammensetzung oder, indem sich ihre
Ränder etwas über einander schieben, die Schalenwandung zusammen (so
Cyphoderia, Difflugia bipes Cart., Euglypha und Trinema nach F. E.
Schulze, s. IL. 13, 10, 12), oder sie besitzen einen mehr oder weniger
regelmässig viereckigen bis mehreckigen Umriss, sich mit ihren Rändern
aneinanderfügend (Quadrula mit vorzugsweise viereckigen Plättchen,
T.U. 12, Euglypha nach Hertwig und Lesser mit sechseckigen Plättchen).
Unter einander stehen diese Plättchen in mehr oder weniger fester Ver-
bindung, so dass es z. Th. nicht unschwer gelingt, die Plättchen von ein-
ander zu isoliren. Was ihre Anordnung betrifft, so ordnen sie sich gewöhn-
lich in ziemlich regelmässigen Reihen, die entweder nach der Längs- und
Querrichtung der Schale verlaufen (so Quadrula gewöhnlich) oder schief
zur Schalenaxe stehen (Euglypha, Trinema, Cyphoderia). Besondere
Auszeichnungen einzelner solcher Plättehen sind z. Th. vorhanden; so
tragen die des Hinterendes zuweilen borsten- bis stachelartige Fortsätze
(Euglypha III. 12a, Quadrula z. Th.) und bei ersterer Gattung können
solche borstige Fortsätze auch über die ganze Schale verbreitet sein.
Bei Euglypha zeigen gleichzeitig auch die die Mündung der Schale um.
säumenden Plättchen eine abweichende Gestaltung, endigen fein zugespitzt
und mit gezähnten Rändern, so dass hierdurch der Mündungsrand ge-
wöhnlich eine gezackte Beschaffenheit erhält (III. 12a).
Etwas abweichend von dem soeben erörterten Schalenbau, jedoch
sich nahe anschliessend, erscheint der der Gattung Arcella. Die Schalen-
wandung derselben zeichnet sich einmal dadurch aus, dass sie zwei über-
einandergelagerte Schichten unterscheiden lässt (II. 9e), eine dünnere,
innere, welche keine Structurverhältnisse zeigt und eine dickere äussere,
welche von der Fläche betrachtet eine feine retieuläre Zeichnung erkennen
lässt (II. 9b), deren einzelne hexagonale Feldehen in ihrer Anordnung die
auf der Rückseite von Taschenuhren gewöhnlich angebrachte Zeichnung
wiedergeben. Es rührt dieselbe davon her, dass in der äussern Schicht
zahlreiche hexagonale prismatische (wohl mit Flüssigkeit gefüllte) Hohl-
räume dicht zusammenstehen. Zuweilen lässt sich ein Zerfall der äussern
Schicht in diesen Hohlräumchen entsprechende Prismen beobachten, wor-
aus also eine Zusammensetzung der äussern Schicht der Arcellaschale
aus zahlreichen kleinen hexagonalen, hohlen Prismen sich ergibt, welche
*) Vgl. hierüber auch weiter unten im Abschnitt über kieseligeSchalenbildungen derRhizopoda,
A
j
4
4
{
Schalenmaterial. 21
den Plättchen der seither besprochenen Formen wohl an die Seite gestellt
werden dürfen *).
Ausser den schon hier hervorgehobnen Structurverhältnissen mögen
wohl noch eine Reihe von besonderen Bildungsverhältnissen sich finden,
wie dies aus den zahlreichen von Ehrenberg (95) beschriebenen und ab-
gebildeten Schalen von Arcellinen und Euglyphinen sich erschliessen
lässt, die jedoch im Ganzen zu ungenau untersucht sind, als dass sich
bezüglich ihrer feineren Schalenstructur eine sichere Angabe machen liesse.
Ein beträchtlicher Theil der structurlosen wie der structurirten Chitin-
schalen bleibt stets farblos, wasserhell, und in gleicher Weise tritt auch
das Schalenhäutehen ursprünglich bei den im entwickelten Zustand ge-
färbten Chitinschalen auf. Die bei letzteren auftretende Färbung ist eine
mehr oder weniger intensiv gelbliche bis bräunliche (so Cochliopodium,
Pseudochlamys, Pyxidicula, Ditrema, Gromia z. Th.), ja kann zuweilen
ein gesättigtes Braun erreichen (Arcella). —
ß. Die Kalkschalen.
Bei weitem complieirtere Structurverhältnisse zeigen die Kalkschalen,
welche bis jetzt ausschliesslich bei marinen Formen angetroffen wurden.
Dass dieselben sich ursprünglich von chitinigen Schalenbildungen herleiten,
geht einmal daraus hervor, dass sich nach Auflösung des Kalkgehaltes
durch verdünnte Säuren eine aus einer organischen, wohl zweifellos
ehitinigen Substanz bestehende Grundlage wohl constatiren lässt, wenn
dieselbe auch nie in sehr erheblichem Grade entwickelt ist und dass fer-
ner unter gewissen später noch näher zu bezeichnenden Bedingungen der
Gehalt solcher Schalen an Kalk sich sehr verringern kann, ja die Schale
eine rein chitinöse Beschaffenheit anzunehmen im Stande ist.
Was zunächst die chemische Natur der zur Verstärkung in die
Schalenwandungen aufgenommenen mineralischen Bestandtheile betrifft, so
wird die Hauptmasse derselben aus kohlensaurem Kalk gebildet, neben
dem jedoch M. Schultze bei Orbieulina und Polystomella auch geringe
Mengen von phosphorsaurem Kalk nachzuweisen vermochte. Genaue
Analysen der kalkigen Rhizopodenschalen liegen jedoch bis jetzt noch
nicht vor.
Ueber den Antheil, welchen die chitinöse organische Grundlage der
Kalkschalen an deren Aufbau nimmt, sind die Ansichten der Beobachter
etwas getheilt. M. Schultze und Carpenter folgern aus ihren Beobach-
tungen eine durchgehende Imprägnation der kalkigen Schalenwandungen
mit organischer Substanz, die daher nach vorsichtigem Auflösen der Kalk-
salze durch verdünnte Säuren als zarter, etwas körniger oder faserig-
flockiger Rest in der ganzen Dicke der Schalenwandungen erhalten bleibt.
Auch ich muss mich nach mehrfachen Versuchen sowohl an Imperforaten
als Perforaten dieser Auffassung im Gegensatz zu Kölliker anschliessen,
*) S. hierüber hauptsächlich Nr. 99 u. Bütschli, Arch. f. m, An, XI.
22 Rhizopoda.
der ausser dem gleich zu erwähnenden inneren und äusseren Schalen-
häutehen kaum eine Spur von organischer Substanz nach Entfernung der
Kalksalze angetroffen haben will. Die soeben erwähnten Schalenhäutchen
bleiben nach der Behandlung mit Säuren als verdichtete, ohne Zweifel
reichlicher mit organischer Substanz imprägnirte Grenzschichten der
Schalenwandungen sowohl auf der inneren wie äusseren Oberfläche zurück,
und da auch sämmtliche weiteren oder feineren, die Schalenwandungen
durchsetzenden Oeffnungen oder Kanäle nach der Entkalkung ein der-
artiges Häutchen als Auskleidung aufweisen, so stehen hierdurch das
innere und äussere Häutchen in directer Verbindung (IX. 10). Schon
Dujardin und Ehrenberg kannten das innere Schalenhäutchen und M. Schultze
beschreibt es eingehend und hält es für unverkalkte chitinöse Substanz.
Auch Kölliker ist geneigt, sich ihm in dieser Beziehung anzuschliessen ;
er glaubt jenes innere Schalenhäutchen, das M. Schultze allein bekannt
war, für die äussere Grenze des Thierleibes selbst halten zu dürfen. Im
Gegensatz hierzu bezeichnet er das äussere Schalenhäutchen als verkalkt.
Nach meinen Untersuchungen bin ich geneigt, die sehr scharfe und deut-
liche, jedoch etwas unregelmässige Ausbildung, welche sowohl das innere
wie äussere Schalenhäutchen häufig zeigen, vorzüglich auf vertrocknete
Reste des protoplasmatischen Inhalts der Schalen oder eines äusserlichen
Ueberzugs derselben zu beziehen, da nach sorgıältigem Auskochen der-
selben in Kalilauge sowohl das äussere wie innere Häutchen gewöhnlich
nur als wenig deutliche, etwas verdichtete Grenzschichten der organischen
Grundlage der Schalenwandungen sich darstellen, die sogar meiner Auffassung
nach kaum die Bezeichnung Schalenhäutchen oder Cuticula verdienen. Immer-
hin scheint eine solche Grenzschicht der Sehalenwandungen gewöhnlich
entwickelt zu werden, da man einmal bei Imperforaten die Grenze zwischen
zwei sich aufeinanderlegenden Kammern oder Umgängen durch eine solche
Schicht häufig sehr deutlich bezeichnet trifft, andrerseits dagegen die sehr
deutliche Schichtung der Schalenwandungen zahlreicher Perforaten ihren
Grund wohl ohne Zweifel in der Ausbildung derartiger etwas mehr ver-
dichteter Grenzschichten besitzt, und sowohl das erste wie das letztge-
nannte Verhalten sich bei vorsichtiger Entkalkung z. Th. noch recht wohl
an den organischen Resten der Schalen nachweisen lässt.
Eine weitere Frage ist, ob die Ausbildung einer sogen. inneren oder
primären Schalenlamelle, wie sie sich nach Carpenter’s Untersuchungen
bei zahlreichen Perforaten findet, und worüber weiter unten noch Näheres
mitzutheilen sein wird, nicht durch ihr Verhalten nach der Entkalkung
mehrfach als inneres Schalenhäutehen in Anspruch genommen werde.
Was die feinere Beschaffenheit der verkalkten Schalenwandungen der
Imperforaten betrifft, so erscheinen dieselben im auffallenden Licht stets
weiss, opak, porcellauartig, was hauptsächlich bei solehen Formen noch
deutlicher hervortritt, welche eine glänzend polirte Oberfläche besitzen.
*) [cones zootomicae I. 186.
Schalenmaterial. 93
Im durchfallenden Licht hingegen erscheinen sie selbst in Diünnschliffen
ziemlich tiefbraun, was von M. Schultze-und Carpenter dem Gehalt an
organischer Substanz zugeschrieben wird, eine Ansicht, die ich nicht für
richtig halte, da nach Auflösen des Kalkes die rückbleibenden Reste
höchstens eine schwach gelbliche Färbung zeigen. Die verkalkten Wan-
dungen dieser Schalen sollen nach Carpenter ganz structurlos, homo-
gen sein, was ich, wie schon früher Kölliker, nicht für ganz richtig halte,
so zeigt wenigstens Orbitolites und ähnlich auch Alveolina bei starken
Vergrösserungen ein sehr feinfaserig -körniges Wesen der Schalenmasse,
was wohl nicht ohne Beziehung zu der bräunlichen Färbung der Schalen
sein dürfte. Was die bei dieser Abtheilung nicht seltnen Verzierungen
der äusseren Schalenoberfläche betrifft, so bestehen diese entweder in
mehr oder weniger tiefen punktförmigen Eindrücken, die nicht mit den
Porenkanälen der peiforirten Schalen verwechselt werden dürfen, oder
aber indem derartige Eindrücke weiter und flacher werden, kann eine
netzförmige, areoläre Zeichnung sich ausbilden. Sehr häufig begegnet man
ferner auf der Oberfläche solcher Schalen einer Bildung erhabner Streifen
mit dazwischen liegenden Furchen, und zwar meist parallel der Schalen-
axe, seltner in zu dieser senkrechter Richtung. In der näheren Ausfüh-
rung dieser Verzierungen zeigt sich eine grosse Mannigfaltigkeit.
Im Gegensatz zu den soeben besprochenen Kalkschalen der Imper-
foraten zeigen die der Perforata niemals eine so opake Beschaffenheit
der Schalenwandungen, sondern im Gegentheil meist eine vollkommen
durchsichtig glasartige, wo nicht die zahlreichen Porenkanäle eine Ver-
änderung des optischen Verhaltens der Schalenwandungen bedingen.
Es hängt die glasartig durchsichtige Beschaffenheit der Schalenwan-
dungen dieser Formen ohne Zweifel damit zusammen, dass ihnen das
feinfaserig körnige Wesen, welches wir bei den Imperforaten trafen,
meist völlig abgeht. Deutlich tritt jedoch diese pellucide, glasartige
Beschaffenheit nur bei solchen Geschlechtern der Perforaten hervor,
welche mit relativ dünnen Wandungen ziemlich weite und nicht sehr
dichtstehende Porenkanäle verbinden, wie z. B. bei gewissen Rotalinen.
Wird hingegen die Dicke der Schalenwandungen beträchtlich, sind
dieselben gleichzeitig von sehr dicht stehenden und engen Poren
kanälchen durchsetzt, so wird hierdurch, bei der Erfüllung der Poren-
kanälehen mit Luft oder einem andern in seinen Brechungsverhältnissen
von den Schalenwandungen verschiednen Stoff, die Durchgängigkeit der
letzteren für das Licht wegen der häufigen Reflexionen sehr alterirt und
an Stelle der glasartig durchsichtigen Beschaffenheit der Schalenwan-
dungen tritt eine getrübte, milchige, halbopake, wie dies bei den Nummu-
liniden fast durchaus der Fall ist. Indem sich jedoch an derartigen halb-
opaken Schalen der Perforaten häufig lokale Anhäufungen von solider,
nicht mit feinen Porenkanälen oder doch nur von weiteren Kanälen durch,
zogner Schalenmasse in Gestalt von Bändern, Tuberkeln, Kielen ete. bilden,
24 Rhizopoda.
so trittauch an solchen Stellen die glasartige Beschaffenheit wieder deutlich
hervor. Dasselbe ist natürlich auch der Fall an genügend dünnen Schliffen,
die in geeigneter Richtung zu dem Verlauf der Porenkanäle geführt sind.
Wenn nun auch eine solche glasartig durchsichtige Beschaffenheit eine
fast allgemeine Verbreitung unter den Perforaten zu besitzen scheint, so
sind doch zuweilen auch rein opake Schalen dieser Typen anzutreffen,
so z. B. Calcarina, und nach Carpenter sollen die todten Schalen
durch langes Liegen in Seewasser häufig durchaus weiss und opak werden.
Was die Färbung der Schalenmasse der Perforaten anbetrifft, so fehlt
eine solche gewöhnlich durchaus, sie ist ganz oder nahezu farblos; da-
gegen findet sich bei Polytrema sehr gewöhnlich eine mehr oder weniger
intensiv rothe Farbe derselben, wie sie ähnlich auch einer Anzahl Rota-
linen eigen sein soll, wogegen M. Schultze die Färbung letztrer auf
die der durchschimmernden Sarkode bezieht. Eine sehr schöne blaue
Färbung zeigt die Schalenmasse der interessanten Carpenteria Raphido-
dendron Möb.
Der wichtigste Charakter im feineren Schalenbau der Perforaten liegt
jedoch in der Perforation der Schalenwandungen durch mehr oder minder
zahlreiche Porenkanäle, die fast stets in ziemlich gestrecktem Verlauf die
innre Schalenfläche mit der äussern in Verbindung setzen. (Eine Reihe
von bildlichen Darstellungen dieser Porenkanäle bieten die Tafeln VII—
XII) Bezüglich ihrer feineren Ausbildungsverhältnisse zeigen diese
Porenkanäle eine ziemliche Mannigfaltigkeit. Zunächst sind es die Grössen-
verhältnisse derselben und ihre Vertheilung über die Schale, die hier
unsre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Die weitesten Porenkanäle
finden sich bei den Globigeriniden, wo sie zwischen 0,0127—0,0025 Mm.
Durchmesser schwanken, im Allgemeinen jedoch die gröberen Porenkanäle
von ca. 0,0127—0,005 Mm. Durchmesser vorherrschen (VII. 28a, IX. 8).
Relativ weite Porenkanäle von 0,017 Mm. finden sich bei Orbulina, hier
jedoch, neben sehr feinen, so dass bei dieser Form sich gleichzeitig zweier-
lei Porenkanäle vorfinden, wie es von Wallich auch für die nahver-
wandte Globigerina (VII. 29c) und von M. Schultze für Discorbinia an-
gegeben wird, so dass dieses Verhalten unter den Globigeriniden keines-
wegs isolirt zu sein scheint *).
Schon bei Rotalia und einigen weiteren Formen unter den Globige-
riniden verfeinern sich jedoch die Porenkanäle sehr beträchtlich und das-
selbe gilt nahezu durchaus von den Nummuliniden, bei letzteren Formen
besitzen sie einen Durchmesser von ca. 0,0025 Mm. und erinnern durch
ihre Feinheit und ihr diehtgedrängtes Beisammenstehen sehr an die Dentin-
röhrchen bei den Wirbelthieren (X u. XII). Noch weiter jedoch geht
*) Auch an der ansehnlichen kuglig angeschwollnen Endkammer gewisser Cymbaloporen
sind ähnlich wie bei Orbulina grobe und feine Poren vorhanden.
Schalenmaterial. 35
die Feinheit der Porenkanäle bei der Abtheilung der Lagenideen, wo ihr
Durchmesser kaum noch nennbar ist und sie ungemein dicht zusammen-
gedrängt stehen. Im Allgemeinen scheint daher die Feinheit der Röhr-
chen und die Entfernung derselben von einander proportional zu sein.
Im besondern zeigen die feineren Bauverhältnisse dieser Porenkanäle
noch einige erwähnenswerthe Verhältnisse. Während sie gewöhnlich in
ihrem ganzen Verlauf durchaus gleiche Weite besitzen, findet sich bei
einigen Globigeriniden eine trichterförmige Erweiterung der Porenröhren
nach der Aussenfläche der Schale zu (so namentlich bei Globigerina);
andrerseits können sich jedoch auch die Porenkanälchen über die Ober-
fläche der Schale hinaus zu kurzen Röhrchen verlängern, wie solches von
verschiednen Gattungen der Globigeriniden, so hauptsächlich Bigenerina
(Textularia) und Planorbulina bekannt ist. In ihrem Verlauf zeigen die
Porenkanälchen sehr häufig eine quere Streifung, die mit der Schichtung
der Schalenmasse im Zusammenhang steht, indem die Schichtengrenzen
durch schwache Faltungen in den Porenkanalwandungen angedeutet sind
(IX. 10). Auf der Schalenoberfläche lassen sich um die Mündungen
der Poren bisweilen zarte, dieselben umziehende erhabne Kanten wahr-
nehmen, die zusammen eine reticuläre Felderung bilden, so dass jede
Porenöffnung in einem solchen Feldehen liegt, wie solches bei Globigerina
und Orbulina häufig deutlich zu beobachten ist. Eine ähnliche, jedoch
viel zärtere areoläre Zeichnung um die Porenöffnungen findet sich jedoch
nach Carpenter auch bei Opereulina und da diese sich auch um den
Querschnitt jedes Porenkanals auf Tangentialschliffen der Schale zeigt
(X. 4d u. e), so liegt die Vermuthung nahe, dass sich die Schalen-
masse hier aus sehr feinen senkrecht zur Oberfläche stehenden Kalk-
prismen aufbaue, von welchen jedes von einem Porenkanal durchsetzt
wird. Dasselbe hat Kölliker auch bei Heterostegina, Cyeloclypeus und
Rotalia nachzuweisen vermocht und schliesst sich der Carpenter’schen
Deutung an, während Carter bei einer Planorbulina-artigen Form (seiner
Aphrosine) gleichfalls dieselbe Bildung. traf. Andrerseits ist für die
äussere Schalenmasse bei Orbulina und Globigerina durch Wallich der
Nachweis geführt worden, dass sie sich aus keilförmig nach aussen er-
weiterten, an krystallinische Bildungen erinnernden Partikeln zusammensetze
(VO. 2, 9a u. b), und eine ähnliche Structur wird auch für die ent-
sprechende äussere Schalenmasse weiterer Perforaten angegeben, sowohl
Lagenideen (z. B. Lagena) als Globigerinideen (z. B. Pulvinulina). Von
Carter wurde schon früherhin versucht, eine Zusammensetzung gewisser
späterhin näher zu erörternder Schalentheile einiger Perforaten aus
zahlreichen feinen spieula-artigen Gebilden zu erweisen, wogegen
späterhin hauptsächlich Carpenter zu zeigen versuchte, dass es sich
hier um ein anderes, mit dem Verhalten und dem Verlauf des sogen.
Kanalsystems in Zusammenhang stehendes Structurverhältniss handle.
Neuerdings hat jedoch Carter bei einer als Rotalia bezeichneten Form
(wohl Planorbulina) die Bildung der Schalenwandungen aus dielt zu-
26 Rhizopoda,
sammenstehenden, doppelspitzigen Kalknadeln, welche durch ein fein-
krystallinisches Kalkcement verbunden waren, beobachtet *),
Das oben hervorgehobene Vorkommen einer sogen. äussern Schalen-
masse führt uns noch auf einen weiteren eigenthümlichen Punkt in dem
feineren Aufbau der Perforatenschalen. Bei den Imperforaten er-
scheint die Schalenmasse durchaus gleichmässig und ohne Andeutung von
Schichtung, bei den Perforaten hingegen lässt sich wohl durchgehend oder
doch sehr gewöhnlich eine primäre innerste Schalenlage erkennen (der
sogen. proper wall Carpenter’s), die gewöhnlich von geringer Dicke ist
und ihre definitive Stärke frühzeitig zu erreichen scheint (VII. 29a
u. ec, IX. 11b). Auf diese primäre Schalenschicht lagert sich eine weitere
Schalenschicht ab (sogen. exogene Schalensubstanz auch Zwischen- oder
supplementäres Skelet Carpenter’s), die entweder ganz wie die primäre
Schalenschicht von den Porenkanälen gleichmässig durchbohrt sein kann,
oder aber auch ganz solid und unperforirt auftritt, so dass durch ihre
Auflagerung die gleichmässige Perforirung der Oberfläche der Schale be-
einträchtigt wird. Es kann aber diese Auflagerungsmasse auch von wei-
teren und von den gewöhnlichen Porenkanälen abweichenden Kanälen
durchzogen sein, dem sogen. Zwischenkanalsystem Carpenter’s, neben
dessen Entwicklung sich jedoch auch noch wahre Porenkanäle in dem
aufgelagerten supplementären Skelet finden können. Nicht immer jedoch
scheint der primäre Schalenwall von der aufgelagerten exogenen Schalen-
masse scharf geschieden zu sein, wie dies hauptsächlich bei Nummuliniden
der Fall ist, wo es zuweilen (so wenigstens bei Operculina) nicht mög-
lich ist, zwischen einer primären Schalenschicht und einer aufgelagerten
Schalenmasse eine Grenze zu ziehen, obgleich hier dasselbe, später noch
genauer zu besprechende Kanalsystem sich findet, welches gewöhnlich
eine Auszeichnung der Auflagerungsmasse bildet.
Die Unterscheidung eines sogen. supplementären oder Zwischen-
skelets von einer primären Schalenwandung, hat seit Carpenter’s Dar-
stellung eine ziemlich allgemeine Aufnahme gefunden, ohne dass mir je-
doch der Begriff einer solchen Zwischenskeletbildung, der in obigen Zeilen
kurz zu entwickeln versucht worden ist, völlig klar und sicher gestellt
scheint. Mir scheint der Unterschied zwischen einer primären Schalen-
schicht und spätern seeundären Auflagerungsschichten keineswegs ein so
fundamentaler, wie dies aus der Carpenter’schen Darstellung dieser Ver-
hältnisse wohl erscheint, namentlich jedoch aus der Bezeichnung dieser
secundären Auflagerungsschichten als supplementäres oder Zwischenskelet,
eine Bezeichnungsweise, die ich einmal wegen des Ausdrucks Skelet in
Verbindung mit Sehalenbildungen für wenig geeignet halte, ferner jedoch
auch deshalb, weil sie einen sehr tiefgreifenden Unterschied und eine
*) Dass es sich hier nicht um fremde von Aussen in die Schalenwandung aufgenom-
mene Nadeln handelt, wird durch ihre successive, dem Wachsthum der Schale parallel gehende
Grössenzunahme wohl unzweifelhaft dargethan,
BEE
Schalenmaterial. 27
scharfe Grenze dieser Auflagerungsschichten gegenüber der primären
Schalenwand festzustellen scheint, während eine solche Grenze thatsäch-
lich z. Th. nur sehr wenig ausgeprägt, z. Th. hingegen gar nicht festzu-
stellen ist. Wir werden daher im Verlaufe dieser Darstellung unterschei-
den zwischen einer primären Schalenlage (dem Carpenter’schen sogen.
proper chamber-wall) und einer seeundären Schalenmasse, gleichgültig ob
die letztere perforirt oder unperforirtt oder noch von einem besondern
Kanalsystem durchzogen ist.
Diese exogene Schalenmasse, welche bei einem beträchtlichen Theil
der Perforirten die Hauptmasse der Schalenwandungen bildet, zeigt ge-
wöhnlich sehr deutlich einen geschichteten Bau, worauf schon oben bei
Gelegenheit der mit demselben in Zusammenhang stehenden queren Strei-
fung der Porenkanälchen hingewiesen wurde.
Wie bei den Imperforaten ist auch die Schalenoberfläche der Perfo-
raten der Sitz mannigfaltiger Verzierungen, deren Entwicklung hier vor-
zugsweise von der Ausbildung der secundären Schalenmasse abhängt.
Indem diese bei den Lagenideen als imperforirte Auflagerungsmasse nur
Theile der primären Schalenschicht überzieht, bildet sie je nach ihrer
Anordnung die mannigfachsten, aus erhabnen Rippen, Kielen, Netzen und
dergleichen gebildeten Zeichnungen (VII. 5—17). Auch borsten- und
dornartige Bedeckungen der Schalenoberfläche werden wohl in dieser
Weise gebildet sein.
Wenn hingegen die secundären Auflagerungsschichten die gesammte
Schalenoberfläche gleichmässig überziehen, wie dies bei den Globigeri-
niden und den Nummuliniden der Fall ist, so entstehen Verzierungen der
Oberfläche entweder einfach durch erhabne und vertiefte Zeichnungen,
oder noch besonders dadurch, dass gewisse Stellen der Auflagerungs-
schichten durch den Mangel der Perforirung sich auszeichnen und indem
sie gleichzeitig gewöhnlich knopf- oder bandartig über die benachbarte
Schalenoberfläche hervorspringen, als glasartig durchsichtige Knöpfe oder
Bänder die Schalenoberfläche zieren.
Bekanntlich sind eine Anzahl pelagisch lebender Perforatenformen,
nämlich die so nahe verwandten Geschlechter Orbulina (VII, 30) und
Globigerina mit einem Besatz sehr ansehnlicher, von der Schalenober-
fläche ausstrahlender Stacheln ausgerüstet. Auch die wohl nur als Unter-
geschlecht von Globigerina zu betrachtende Hastigerina (IX. 1) ist
durch einen entsprechenden Stachelbesatz ausgezeichnet. Ob ein solcher
Stachelbesatz sämmtlichen zu den erwähnten Geschlechtern gehörigen
Arten zukommt, scheint bis jetzt noch fraglich, jedenfalls scheinen aber
die pelagischen Formen stets mit demselben versehen zu sein. Diese
sehr langen und dünnen Stacheln erheben sich entweder, wie bei
Orbulina, von niedern Papillen der Schalenoberfläche, oder aber bei Glo-
bigerina und Hastigerina von den Eckpunkten der erhabenen, die Poren-
öffoungen umstehenden Netzkanten, die schon oben geschildert wurden.
Die 4—5 Mal den Durchmesser der Schale messenden Kalkstacheln
28 Rhizopoda.
sind etwas biegsam, aber doch sehr zerbrechlich. Im Querschnitt erschei-
nen sie nicht rundlich, sondern mehrkantig (VI. 23b—e)*). Die Be-
hauptung, dass es sich hier um hohle, für den Austritt der Pseudopodien die-
nende Stachelbildungen handle, welche mehrfach aufgestellt wurde, scheint
wenigstens für Globigerina und Hastigerina nach den übereinstimmenden
Beobachtungen von Wallich, W. Thomson und Murray, sowie R. Hertwig
nicht zutreffend zu sein, wogegen für Orbulina die Hohlheit der Stacheln
noch von Thomson und Murray behauptet wird.
y. Aus Fremdkörpern aufgebaute Rhizopodenschalen.
Eine nicht unbeträchtliche Zahl von Rhizopoden bildet ihre Schale
nicht allein aus vom Thierkörper selbst erzeugter Substanz, sei diese nun
organischer oder unorganischer Natur, sondern verwerthet hierzu kleine
aus der Umgebung aufgenommene feste Partikel verschiedener Art, welche
durch einen von dem Plasmakörper ausgeschiednen Kitt zu einer mehr
oder minder festen Schale vereinigt werden. Zwischen den seither be-
sprochenen chitinösen und kalkigen Schalen und diesen jetzt noch etwas
näher zu betrachtenden, aus Fremdkörpern aufgebauten, die entsprechend
dem bei weitem am häufigsten verwertheten fremden Material gewöhnlich
als sandige Schalen bezeichnet werden, existirt jedoch keineswegs eine
scharfe Grenze.
Es ist kein seltner Fall, dass der chitinösen Schale gewisser Süss-
wasserformen fremde Partikel anhaften, oder auch mehr oder weniger
fest mit derselben verkittet sind. Durch reichlichere Aufnahme solcher
Fremdkörper und Verkittung derselben durch die ursprünglich chitinöse
Grundlage der Schale entstehen die bei einer ganzen Anzahl Geschlech-
tern der Süsswasserrhizopoden sich findenden Fremdkörperschalen. Andrer-
seits nehmen jedoch auch eine nicht geringe Zahl kalkschaliger Meeres-
formen Fremdkörper, vorzugsweise Sandkörner, in ihren Schalen auf,
welche die Oberfläche derselben mehr oder weniger überziehen und ihr
eine rauhe, sandige Beschaffenheit ertheilen.
Es findet sich ein solches Verhalten sowohl unter den Imperforaten
(so z. B. bei Nubecularia ganz gewöhnlich, auch zuweilen bei Quinque-
loculina), als andrerseits bei gewissen Perforata. Unter letzteren treffen
wir es sehr gewöhnlich bei Textularia und den verwandten Geschlechtern,
wie bei Bulimina und andern.
Von solehen nur wenig mit fremden Partikeln ausgestatteten kalkigen
Schalen scheint jedoch ein ziemlich allmählicher Uebergang zu den speci-
fisch sandigen Schalen sich zu finden, die von Carpenter, Parker und
Jones in einer besondern Abtheilung der Lituolidae unter den Imperfo-
raten vereinigt worden sind. Da nun, wie späterhin bei der eingehendern
Betrachtung der systematischen Fragen noch näher zu erörtern sein wird,
*) Vergl. hauptsächlich Wyw. Thomson und Murray Proc. roy. soc. 23 und Hertwig,
Jenaische Zeitschr. XI, auch Wallich, Deep-sea res. on the biology of Globigerina Lond. 1876.
ne See
Schalenmaterial. 39
die Aufstellung einer solchen Abtheilung der Lituolidae sehr wenig natür-
lich erscheint und die seither in derselben untergebrachten Formen mit
sandiger Schale ihre natürlichen Beziehungen theils unter den Imperfo-
raten, theils unter den Perforaten finden, indem sie sich den bekannten
kalkschaligen Geschlechtern dieser grossen Gruppen zum Theil wenigstens
näher anschliessen, so dürfte hieraus bervorzugehen, dass die Fähigkeit
zur Aufnahme von Fremdkörpern in die Schale und der Uebergang zu
völlig sandigen Schalen sowohl unter den Imperforaten als Perforaten in
viel ausgedehnterem Maasse verbreitet ist, als dies nach der gewöhnlichen
Auffassung der Fall scheint.
Was zunächst die Natur der zum Aufbau der Schale verwendeten
Fremdkörper betrifft, so herrscht hierin grosse Mannigfaltigkeit. Bei
weitem am häufigsten sind es kleine Sandkörnchen und zwar vorwiegend
Quarzkörnchen, sowohl bei Süsswasserformen (Difflugia, Pseudodifflugia ete.),
als bei zahlreichen marinen Formen, aus denen sich die Schale auf-
baut. Selten finden wir Kalksandkörnchen, Körnchen vulkanischen San-
des ete. verwerthet. Auch in den Grössenverhältnissen der verwendeten
Sandkörner zeigt sich eine weitgehende Verschiedenheit und häufig eine
gewisse Auswahl von Seiten der Erbauer solcher Schalen, indem die eine
Form nur grössere, die andre nur kleinere, die dritte hingegen Körnchen
verschiedner Grösse verbaut.
Gewisse Formen bedienen sich jedoch noch feineren Materials, sie
bilden eine Schlammhülle von grössrer oder geringerer Festigkeit (so z. B.
Astrorhiza limicola, Pelosina *).
Als weiteres Material des Schalenbaus dienen sehr häufig die auf dem
Meeresboden ja in so grosser Menge verbreiteten Schwammnadeln, und
manche Formen scheinen zur Verwerthung derselben gerade eine be-
sondre Neigung zubesitzen (so Haliphysema, die etwas zweifelhafte Marsi-
pella Norm., Aschemonella Brdy.), gewöhnlich jedoch werden sie unter-
mischt mit Sandkörnern verbaut.
Von anderweitigen zum Schalenbau dienenden Fremdmaterialien sind
bei den marinen Rhizopoden hauptsächlich noch zu erwähnen die Kalk-
schalen kleinrer Formen, sowie die späterhin hinsichtlich ihrer Natur noch
etwas eingehender zu besprechenden, unter der Bezeichnung Coccolithen
und Cyatholithen bekannten und im Tiefseeschlamm so verbreiteten sehr
kleinen Kalkgebilde. Seltner werden Fragmente von Molluskenschalen
mit anderen Materialien in die Schalenwandungen aufgenommen.
Die Süsswasserformen dagegen nehmen in ihre Schalen ausser den
schon erwähnten gewöhnlichen Sandkörnern sehr häufig auch die Kiesel-
hüllen der Baeillariaceen **) auf und bei gewissen Geschlechtern (haupt-
sächlich Difflugia) finden sich zuweilen auch eigenthümliche Schalenmate-
*). Vergl, T. III. Figg. 1—8, 11 u. 14, IV, 1 u. 3, V. 5—18.
**) Auch Protococeuszellen sind von Archer bei Diaphoropodon als Schalenmaterial neben
Diatomeen beobachet worden.
30 Rhizopoda.
rialien, iiber deren Herkunft noch keine völlige Sicherheit erreicht ist, ja
bezüglich deren noch nicht einmal sicher entschieden ist, ob sie als von
Aussen in die Schale aufgenommne Fremdkörper, oder als von dem thie-
rischen Körper selbst erzeugte Gebilde zu betrachten sind. So finden sich
Difflugien, die in ihren allgemeinen Gestaltungsverhältnissen sich durch-
aus an solche Formen anschliessen, deren Schalen deutlich aus Sand-
körmern oder Diatomeenschalen erbaut sind, bei welchen die Schalen aus
länglich ovalen, z. Th. Hinneigung zu hexagonalen Umrissen zeigenden
Plättehen besteht; an diese schliessen sich weitere Formen an mit runden
scheibenförmigen Plättchen, entweder von annähernd gleichen Grössen-
verhältnissen oder grössere untermischt mit kleineren. Schliesslich reiht
sich hier noch an die bei der kaum von Difflugia zu trennenden sogen.
Eehinopyxis gewöhnlich (jedoch auch bei gewissen Difflugien) sich fin-
dende Zusammensetzung der Schale aus kleinen ceylindrischen, geraden
oder mannigfach gebognen stäbchenartigen Gebilden (II. 9). Wallich*),
der diesen feineren Structurverhältnissen der Difflugienschalen eingehen-
dere Aufmerksamkeit gewidmet hat, kommt zu dem Schluss, dass alle
die soeben erwähnten Gebilde ursprünglich aus von Aussen aufgenommnen
kieseligen Diatomeenschalen (hauptsächlich der Gattung Eunotia) hervorge-
gangen seien, indem dieselben durch active Einwirkung des Plasma’s der Dif-
flugien eine allmählich immer weiterschreitende Umgestaltung erlitten hätten,
was wegen der ganz allmählichen Uebergänge, welche die erwähnten
Schalenbestandtheile unter sich, andrerseits jedoch auch zu den Schalen
der Eunotia zeigen sollen, nicht unwahrscheinlich klingt. Kaum glaublielı
erscheint jedoch die von Wallich auch für die quadratischen regelmässigen
Plättchen der Quadrula (vergl. S. 20) geltend gemachte gleiche Entstehung,
wie denn überhaupt die hervorgehobnen besondern Structurverhältnisse gewis-
ser Difflugienschalen weiterer Untersuchungen zu ihrer Aufklärung bedürfen.
Die Vereinigung der die sandigen Schalen aufbauenden Partikelchen
geschieht durch eine Kittsubstanz oder ein Cement sehr verschiedner Natur.
Für die Fremdkörperschalen der Süsswasserrhizopoden wird die chi-
tinöse Natur dieses Kittes ziemlich allgemein angenommen. Derselbe ver-
bindet die Fremdpartikel loser (Diaphoropodon) oder fester mit einander.
Das gelegentliche Auftreten solcher Formen mit häutiger von Fremd-
körpern freier Schale — so z. B. der Difflugia spiralis nach Mereschkowsky
(118), ähnlich auch nach Entz (110) — spricht für eine solche Auffassung
der Kittsubstanz. Auch scheint bei der Mehrzahl dieser Schalen ur-
sprünglich eine innerliche rein chitinöse Lamelle gebildet zu werden, wofür
Wallich’s, Hertwig und Lesser’s und Entz’ Untersuchungen sprechen.
Ob aber bei sämmtlichen Fremdkörperschalen der Süsswasserrhizo-
‚poden die Kittmasse ' eine chitinöse Beschaffenheit besitzt, ist fraglich,
*) 8. Ann. mag, nat. hist, II. 13. Leidy hat für die birnförmigen, durch eine derartige
Schalenstructur ausgezeichneten Difflugien neuerdings das Genus Nebela aufgestellt. Er ist
geneigt, die betrell. Schalengebilde als Erzeugnisse des T'hierkörpers selbst zu betrachten.
(Proc. Ac. Philad. 1876.)
By
Schalenmaterial. 31
indem bei einem Theil möglicherweise ein protoplasmatisches oder gallertiges
Bindemittel vorhanden sein könnte. Ich selbst habe bei Difflugia acumi-
nata dasselbe in Carmin- sich lebhaft färben sehen und Carter schreibt
demselben bei D. pyriformis eine glutinose (eiweissartige?) Beschaffenheit
zu (75). In Beziehung hiermit liessen sich auch die Verhältnisse bei dem
Diaphoropodon Archer’s bringen, wo zwischen den lose vereinigten Schalen-
partikeln über die Gesammtoberfläche der Schale feine Pseudopodien
hervortreten sollen, was sich wohl durch die Annahme eines protoplasma-
tischen oder gallertartigen Bindemittels erklären liesse *).
Bei dieser Gelegenheit sei jedoch noch erwähnt, dass auch Wallich
zur Annahme geneigt ist, dass bei den Difflugien das Protoplasma des
Thierkörpers aus feinen Löchern zwischen den Schalenpartikeln hervor-
treten könne, während Carter sich von einem solchen Hervortreten von
Pseudopodien aus dem Hinterende der Schale der Difflugien überzeugt
haben will und Entz von seiner Pleurophrys Helix (einer zwischen Dif-
flugia und Pseudodifflugia schwankenden Form (II. Fi11l), sowie der
Pleurophrys sphaerica gleichfalls ähnliches berichtet.
Andrerseits ist auch das Vorkommen eines kieseligen Cementes in
den Fremdkörperschalen gewisser Süsswasserformen nicht unwahrschein-
lich in Betracht der für gewisse Difflugienformen behaupteten grossen
Widerstandsfähigkeit gegen starke Mineralsäuren **).
Auch von den marinen Formen mit Fremdkörperschalen wird das
Vorkommen des Chitins als Cement mehrfach berichtet, so hat Brady (89)
gezeigt, dass die gewöhnlich durch kalkiges Cement ausgezeichneten
Trochamminaformen im brackischen Wasser statt des Kalkes eine chitinöse,
die Fremdkörper verkittende Schalenhaut zeigen. Auch gewisse Reophax-
formen, sowie die noch etwas zweifelhafte Gattung Pelosina zeigen das
gleiche Verhalten (117). Bei einer Anzahl weiterer Formen scheint da-
gegen, ähnlich wie dies auch für gewisse Süsswasserformen bemerkt
wurde, das organische Bindemittel keineswegs die vom Chitin bekannte
Widerstandsfähigkeit gegen Säuren und Alkalien zu besitzen, wie solches
z. B. von Bessels bei Astrorhiza limicola, von Brady bei der noch etwas
unsicheren Gattung Rhizammina beobachtet wurde (117).
Die Fähigkeit Pseudopodien zwischen den die Schale aufbauenden
Partikeln auszusenden, die einer ziemlichen Reihe von marinen Sand-
formen unzweifelhaft zukommt, mag bei losen Schalenbauten, wie z. B.
denen der Astrorhiza vielleicht durch die Beschaffenheit des organischen
Bindemittels ermöglicht werden, wogegen bei den festeren Schalen-
bauten mit unorganischer Cementirung besondere feine Austrittswege,
wohl in Gestalt unregelmässig zwischen den Partikeln verlaufender und
daher schwer sichtbarer Porenkanäle, zu diesem Behuf vorhanden sein
werden.
*) Qu. journ. ın. sc. IX.
**) Vergl. Schneider Z. f. w. Z. Bd, 21.
32 Rhizopoda.
Zahlreiche marine, sandige Rhizopodenschalen scheinen jedoch
ein kalkiges Cement aufzuweisen, wie dies, in Betracht ihrer nahen Be-
ziehungen zu den rein kalkschaligen Formen, natürlich erscheint. Doch
muss bemerkt werden, dass über die Natur des Cementes viel Unsicher-
heit in den Schriften über die sandigen Formen sich findet, und diese Frage
bis jetzt keineswegs hinreichend genau untersucht scheint. Als mit Kalk-
cement versehen darf jedenfalls die jetzt mit Recht zu den Perforaten ge-
zogene Gattung Valvulina bezeichnet werden; auch von den sogen. Tro-
chamminaformen der englischen Forscher scheinen nach Brady zahlreiche
ein solches Cement zu besitzen, während Carpenter denselben ein dichtes,
eisenschüssiges Cement von ockerartigem Aussehen zuschreibt.
Im Allgemeinen scheint ein Gehalt an Eisenoxyd überhaupt für das
Schalencement mannigfacher Sandrhizopoden charakteristisch zu sein So
wird von Carpenter auch das Cement der Rhabdammina als eisenschüssig
erwähnt und neuerdings den Lituolaformen eine aus phosphorsaurem
Eisenoxyd bestehende Kittsubstanz zugeschrieben, während in der „Intro-
duction“ bezüglich dieses Punktes nichts sicheres angegeben wird (abge-
sehen von der Angabe, dass das Cement in sehr geringer Quantität vor-
handen sein soll). Die rothe bis braune Färbung, welche die Sand-
schalen gewisser Rhizopoden häufig zeigen, wird gewöhnlich einem Ge-
halt an Eisenoxyd zugeschrieben, ohne dass jedoch meist genauere che-
mische Untersuchungen über die Natur dieser Färbung vorliegen.
Zwei Analysen von Sandschalen, die Brady bekannt gemacht hat
(Hyperammina und Cyelammina 117), zeigen einen auffallend geringen Kalk-
gehalt (2—3 Proe.), wogegen das Eisenoxyd (einschliesslich etwas Thon-
erde) bei der ersteren Form 2, bei der letzteren sogar 8,9 Proc. betrug.
Hiernach scheint also Eisenoxyd wirklich eine Rolle im Cement der
marinen Sandschalen zu spielen, wobei jedoch beachtenswerth erscheint,
dass es sich in den erwähnten beiden Fällen weder als Silicat noch als
Phosphat, sondern als unverbundenes Oxyd gefunden haben soll. Neben
kalkiger und eisenoxydhaltiger Kittsubstanz scheint jedoch nach neue-
ren Erfahrungen von Brady (117) auch Kieselsäure als Bindemittel auf-
treten zu können, insofern nämlich aus der vollständigen Unveränder-
lichkeit der Schalen gewisser Ammodisceus- und Reophaxformen in Säu-
ren ein solcher Schluss gezogen werden darf.
Weitere Verschiedenheiten lassen die Sandschalen der marinen Rhizo-
poden in der feineren Ausbildung ihrer Schalenwände erkennen. Bei
einer Anzahl von Formen sind die kleinen Fremdkörper (hauptsächlich
Sandkörner) vollständig- in das in ziemlich reichlicher Quantität vorhandne
Cement eingebettet, so dass sowohl die äusseren wie die inneren Flächen
der Schale glatt, ja z. Th. sogar wie polirt erscheinen. Dieser Charakter
zeichnet hauptsächlich die sogen. Trochamminen der englischen For-
scher aus, ja bildet eigentlich den einzigen bezeichnenden Charakter dieses
Gewirres von Formen. Aehnliches zeigen eine Anzahl weiterer von
Schalenmaterial. 33
F. E. Schulze und Brady neuerdings beschriebener Gattungen, namentlich
die Glättung der inneren Schalenfläche (so Psammosphaera, Stortosphaera,
Marsipella). Aus grösseren Sandkörnern oder anderweitigen grösseren
Fremdkörpern erbaute Schalen zeigen hingegen unregelmässige, durch
die vorspringenden Partikel rauhe Flächen, welche von dem nur in ge-
ringerer Quantität vorhandenen Cement nicht geglättet werden. Dieser
Charakter wurde von Carpenter und seinen Mitarbeitern Parker und Jones
für so wichtig erachtet, dass sie einen weiten Formenkreis, wesentlich auf
diese Beschaffenheit der Schale hin, zu einer Gattung Lituola ver-
einigten.
Die späteren Forschungen haben jedoch noch zahlreiche weitere For-
men solcher rauhschaligen Sandrhizopoden kennen gelehrt und auch die
Gattung Lituola in verschiedene Formreihen zerlegt.
Eine besondere Eigenthümlichkeit zeigt nicht selten die innere Schalen-
fläche solcher rauhen Formen, indem die ursprüngliche Rauhigkeit all-
mählich zur Bildung unregelmässiger netzartiger oder labyrinthisch verwirr-
ter Einwüchse der Wandung in die Höhlung der Schale überführt, woraus
schliesslich eine mehr oder weniger vollständige Ausfüllung der Schalen-
höhlung durch solche Einwüchse hervorgehen kann. Hinsichtlich ihres
Aufbaues zeigen diese Einwüchse ganz dieselbe Bildung aus Fremdpar-
tikeln, wie die eigentlichen Schalenwandungen (vergl. bezüglich dieses
Verhaltens hauptsächlich die Gattungen Lituola, Haplostiche, Botellina,
Cyelammina, Bdelloidina; in geringerer Ausbildung findet sich Aehnliches
noch bei einer Anzahl weiterer Formen).
ö. Aus Kieselsäure bestehende Schalenbildungen der Rhizopoden.
Die gelegentlichen Mittheilungen älterer Rhizopodenforscher über das
Vorkommen kieseliger Schalen haben sich zum grössern Theil als irr-
thümliche herausgestellt, es waren kieselsandige Schalen, die solche An-
gaben veranlassten.
Dies gilt von der von M. Schultze (53) beschriebenen Polymorphina
silicea (nach Parker und Jones — Verneuilina polystropha) und ähnlich
dürfte es sich auch mit der von Ehrenberg beschriebenen kieselschaligen
Spirillina verhalten. Auch den aus Kieselsandstückchen ihre Schale aufbauen-
den Ditflugien ist mehrfach das Vermögen der Kieselsäureabscheidung zu-
geschrieben worden; so hat M. Schultze in Berücksichtigung seiner irr-
thümlichen Untersuchungen über die Kieselschaligkeit der oben angeführ-
ten sogen. Polymorphina auch den Difflugien die Fähigkeit der Kiesel-
säuresecretion zugeschrieben. Auch A. Schneider*) bemühte sich nachzu-
weisen, dass die Schale der Difflugien ganz allgemein eine direete Aus-
scheidung des Thierkörpers sei und Entz sprach sich neuerdings in dem-
selben Sinne für Difflugia und Pseudodifflugia aus.
*) Ztschr. f. w. Z. Bd. 21.
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. 3
34 Rhizopoda.
Angesichts der ganz unbezweifelbaren Aufnahme von Fremdkörpern
in die Schale dieser und anderer Süsswasserformen scheint zum mindesten
die Behauptung, dass die Schalen dieser Formen ganz allgemein eine di.
recte thierische Abscheidung darstellten, ganz ungerechtfertigt. Andrer-
seits kann jedoch, wie auch schon oben angedeutet worden, das Vor-
kommen kieseliger Ausscheidungen bei den Difflugien und eine ähn-
liche Schalenstruetur zeigenden Formen des süssen Wassers nicht un-
bedingt zurückgewiesen werden, da kieselige Abscheidungen ja den Rhi-
zopoden nicht durchaus fehlen und die speciellen Structurverhältnisse
mancher Difflugien noch nicht recht aufgeklärt sind.
Dass in jener Beziehung vorschnelles Verallgemeinern zu irrthüm-
lichen Behauptungen wohl führen kann, geht deutlich aus den Erfahrungen
der neueren Zeit hervor, die eine kieselige Schalenbildung sowohl bei
gewissen Süsswasser- als Meeres-Rhizopoden ziemlich sicher erwiesen
haben.
Was zunächst die Süsswasserformen betrifft, so blieb Hertwig zweifel-
haft, ob nieht doch die Schale von Mierogromia ihre grosse Widerstands-
fähigkeit einem Gehalt an Kieselsäure verdanke. Unzweifelhaft kieseliger
Natur scheinen die Plättchen der Euglypha zu sein, wogegen die ähn-
lichen der Cyphoderia nach F. E. Schulze einen rein chitinösen Charakter
besitzen. Bei einer Reihe verwandter Formen liegen keine sicheren Be-
obachtungen über die chemische Natur ihres Schalenmaterials vor.
Was die marinen Formen anbetrifft, so wurde schon oben auf das
wahrscheinlich kieselige Cement gewisser Fremdkörperschalen hingewiesen
und hieran schliesst sich die eigenthümliche Beobachtung Brady’s (117),
der eine kleine Miliola mit ganz homogener durchsichtiger Schale beob-
achtet hat, die sich bei weiterer Untersuchung als kieselig herausstellte. —
Im Jahr 1856 wurde durch Bailey *) eine marine, Cadium, genannte Rhizo-
podenform entdeckt, die auch von Ehrenberg**) bei seinen Tiefseestudien
wieder beobachtet, als kieselschalig erkannt, und zu seiner Familie der
Arcellinen gestellt wurde. Später hat Wallich ***) ausser der schon be-
kannten noch eine weitere Form beobachtet und durch die Challenger-
expedition ist auf das Vorkommen einer sehr mannigfaltigen Gruppe
kieselschaliger, rbizopodenartiger Organismen in den Tiefgründen des
paeifischen Oceans (hauptsächlich in dem an gewissen Stellen aufgefun-
denen Radiolarienschlamm) hingewiesen worden).
Es scheint mir ziemlich sicher, dass die ältere unter dem Namen
Cadium beschriebne Form ein Mitglied dieser von W. Thomson und
Murray „Challengeridae“ getauften kieselschaligen, rhizopodenartigen Or-
ganismen bildet. Die von E. Häckel unternommene genauere Untersuchung
*) Sillim. Americ. journ. sc. a. arts 1856 p. 3.
**) M. B. d. Berl. Ak. 1860.
"##) A.:m.n,.h. I. 18,
+) Proc. Toy, soc. 24,
-_ m
en
Schalengestaltung. (Homaxone Formen.) 35
dieser „Challengeridae“, über welche erstwährend des Druckes dieses Bogens
durch eine vorläufige Mittheilung weiteren Kreisen Nachricht zukommt, *)
scheint mit Sicherheit zu ergeben, dass diese Formengruppe zu den Ra-
diolarien zu rechnen ist, wodurch denn auch die erwähnte G. Cadium von
den Rhizopoda wohl definitiv abgetrennt erscheinen dürfte.
B. Der morphologische Aufbau der Rhizopoden-
schalen.
«. Homaxone Schalenbildungen.
Wie schon bei der Besprechung der allgemeinen morphologischen
Verhältnisse der Rhizopoden erörtert wurde, ist die Schalengestaltung der-
selben fast durchaus eine einaxige. Dennoch findet sich eine geringe
Anzahl von Formen, welche als homaxone bezeichnet werden müssen und
und die wegen. dieses Verhaltens einen Anschluss an die Heliozoön ver-
mitteln. Diese homaxon gestalteten Formen gehören zu den Perforaten
und sind vorwiegend marine, wogegen nur eine wohl hierhergehörige
Form des süssen Wassers bekannt ist. Jene letzterwähnte Form, die
Gattung Mierocometes (IV. 5) besitzt eine kuglige, chitinöse Schale
von sehr unbedeutender Grösse, die von 1—5 kreisförmigen ziemlich engen
Porenöffnungen (0) zum Durchtritt der Pseudopodien durchbrochen wird.
Die Variabilität in der Zahl der Porenöffnungen bei dieser, wohl un-
zweifelhaft als homaxon zu bezeichnenden Form verräth innige Be-
ziehungen zu den monaxon gebauten Schalen und wenn es nicht ein zu
unsicheres Unternehmen wäre, einen natürlichen Stammbaum der Rhizo-
poden entwerfen zu wollen, so dürfte eine solche Gestalt wohl als Aus-
gangspunkt der beschalten Rhizopoden überhaupt aufgestellt werden.
Die marinen homaxonen Formen sind theils kalkschalige, theils san-
dige. Von erstern gehört allein die meist exquisit homaxone Gattung
Orbulina (VII. 30) hierher, deren ganz sphärische, bestachelte Schale
von dicht stehenden, sehr feinen Porenkanälen und weiter gestellten,
sröberen Poren allseitig durchbohrt wird. Obgleich nun hier eine rein
homaxone Form vorzuliegen scheint, so bietet dieselbe doch ebenfalls
wieder innige Beziehungen zur monaxonen Gestaltung dar, indem sich
nicht selten eine einfache weitere Schalenöffnung finden soll, die durch
besondere Erweiterung eines der grossen Porenkanäle entstanden gedacht
werden darf und wodurch dann der erste Schritt zur monaxonen Gestal-
tung geschehen ist. (Vergl. hierüber Carpenter 74 und Wallich D. sea
research. on Globigerina, sowie Brady 117. II.) In mehr oder weniger
innigem Anschluss an die homaxone kalkschalige Orbulinaform scheinen
*) Häckel, E., Ueber die Phaeodarien, eine neue Gruppe kieselschaliger mariner
Rhizopoden. Sitzb. d. Jen. G. f. Med. u. Naturw. Jahrg. 1879.
3*
36 Rhizopoda.
eine Anzahl in neuerer Zeit durch F. E. Schulze (103) und Brady (117. I)
bekannt gewordner sandiger mariner Rhizopoden zu stehen, nämlich die Gat-
tungen Psammosphaera(V.6),Sorosphaera, Stortosphaeraund Thu-
rammina (V.5). Es sind dies entweder freie oder auch aufgewachsene, sand-
schalige Rhizopoden mit sphärischer oder nahezu sphärischer Schale. Bei
der freien Psammosphaera findet sich keinerlei Oeffnung an der Schale,
so dass die Pseudopodien wohl ihren Austritt zwischen den die Wan-
dungen aufbauenden Partikeln nehmen müssen*). Aehnlich verhält sich
auch Sorosphaera. Bei Stortosphaera finden wir die freie kuglige Schale
äusserlich von kurzen zackenartigen Fortsätzen bedeckt, ohne jedoch eine
Mündungsöffnung zu beobachten, wogegen Thurammina (V. 5) sich
noch am nächsten an Orbulina anschliesst, indem die gewöhnlich sphäri-
sche Schale eine grössere Zahl auf vorspringenden Tuberkeln gelegener
Porenöffnungen zeigt, denen sich jedoch sehr gewöhnlich noch eine von
einem kurzen röhrenförmigen Hals getragne Hauptöffnung zugesellt, so
dass also auch bei dieser sandschaligen Form die gleiche Hinneigung zur
Monaxonie auftritt, die wir schon bei Orbulina bemerkten.
ß. Monaxone, monothalame Schalenbildungen.
Von der grossen Zahl der restirenden monaxonen beschalten Rhizopoden
würden sich zunächst die einaxigen und gleichpoligen Formen hier an-
schliessen, die nach dem Vorschlag von Hertwig und Lesser (99) gewöhnlich
als besondere Gruppe der Amphistomata unter den Imperforaten aufge-
führt werden. Es sind dies Süsswasserformen mit ellipsoidischer, mehr oder
weniger langgestreckter, entweder ehitinöser (Diplophrys IV. 2a und
Ditrema) oder sandiger Schale (Amphitrema IV. 3), welche an beiden Polen
mit ziemlich weiter Mündung zum Austritt der Pseudopodien versehen ist.
So natürlich eine solche Gruppe der doppelmündigen Formen unter den
übrigen einkammerigen Imperforaten auch auf den ersten Blick er-
scheint, so kann doch wohl, wegen des interessanten Verhaltens gewisser
einkammeriger und einmündiger perforirter Formen der Gattung Lagena,
die scharfe Scheidung solcher doppelmündiger Formen von den einmün-
digen kaum streng durchgeführt werden. Bei dieser kalkschaligen, sehr
*) Bei dem heutigen Stand unserer Kenntnisse der Sarkodinen ist es kaum möglich,
eine scharfe Grenze zwischen den Gruppen derselben zu ziehen. Es wird daher in gewissen
Fällen schwierig, eine Form der einen oder der andern Abtheilung zuzuweisen. Die von Entz
(110) beschriebene Gattung Örbulinella (IV. 4) macht diese Schwierigkeit sehr fühlbar. Sie
bietet einerseits Beziehungen zu den erwähnten homaxonen Rhizopoden dar, wie sie anderer-
seits auch den Helizoön sich sehr nähert. Da sie jedoch ein kieseliges Skelet besitzt,
so glaube ich, dass ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zunächst nicht auf die kalkschalige
(Gattung Orbulina, sondern auf die kieselschalige Gattung Clathrulina der Heliozo@ön hindeuten.
Wie wenig scharf sich jedoch zwischen homaxonen Rhizopoden und Heliozoön eine Grenze
wird ziehen lassen, geht auch noch daraus hervor, dass es auch heliozoönartige Formen gibt,
die sich mit einer aus Fremdkörpern erbauten Hülle umkleiden, was bei der Erörterung der
verwandtschaftlichen Beziehungen der oben aufgeführten, im ganzen bis jetzt sehr wenig ge-
kannten homaxonen Sandforaminifera nicht aus dem Auge zu lassen ist.
Schalengestaltung. (Monaxone Monothalamien.) 37
artenreichen Gattung treten nämlich neben typischen einmündigen Formen
auch eine kleine Anzahl doppelmündiger auf, die in ihren Gestaltsver-
hältnissen sich innigst an die erwähnten Amphistomen anschliessen, in
ihrem übrigen Verhalten jedoch so nahe mit den einmündigen Lagenen
übereinstimmen, dass eine generische Trennung von diesen nicht wohl
gerechtfertigt erscheint. (Vergl. Lagena distoma P. u. J., Lyelli Segu.
und gracillima Segu. VII. 20.)
Bei den übrigen Rhizopodenschalen sehen wir den monaxonen und
ungleichpoligen Schalenbau entweder an der ausgebildeten Schale aufs
deutlichste ausgeprägt oder, da durch die mannigfachen mit der Kammer-
bildung Hand in Hand gehenden Modificationen die Gesammtgestalt der
ausgebildeten Schale eine sehr wechselnde, bis ganz unregelmässige wer-
den kann, diesen Charakter doch noch an dem jugendlichen Anfangstheil
derselben oder der sogen. Embryonalkammer ausgeprägt.
Betrachten wir hier zunächst die einkammerigen, monaxonen und
ungleichpoligen Schalen, die sowohl in der Abtheilung der Imperforata
als der Perforata vertreten sind und in beiden Gruppen, abgesehen von
dem feineren Bau der Schalenwandungen, sehr ähnliche Gestaltungsver-
hältnisse und parallel laufende Modificationen zeigen, wie denn auch in
beiden Gruppen sandschalige Vertreter dieses Formtypus sich finden.
Zunächst gehört von den Imperforaten hierher die ganze Reihe der
beschalten Süsswasserformen (mit Ausnahme der schon erwähnten wenigen
abweichenden Gattungen). Die bei weitem vorherrschendste Gestaltung
dieser chitinösen, kieseligen oder sandigen Schalen, mit deren feinerer
Structur wir uns schon früher beschäftigt haben, ist im Allgemeinen eine
sack- bis eiförmige, die jedoch nicht selten durch etwas röhrige Verlänge-
rung des die Mündung tragenden Pols eine mehr flaschenförmige wird
(z. B. bei Mikrogromia III. 15, Platoum III. 17a, Leceythium ete.).
Durch starke Verkürzung der Längsaxe und scharfe Absetzung einer
abgeflachten, die Mündung tragenden Oralfläche von einer kuglig gewölb-
ten Aboralfläche geht die bekannte Schalengestalt der Arcella hervor
(II. 9a), die sich ähnlich auch bei den als Pyxidieula und Pseudochlamys
(II. 8) unterschiednen Formen findet, wo jedoch die Oralfläche der Schale
entweder nur als dünne Haut oder als schmaler Saum ausgebildet ist,
der zuweilen auch völlig fehlt *).
Gewöhnlich ist die Gestalt der hier zunächst zu erörternden Arcellinen,
Euglyphinen und Gromiinen eine drehrunde, also ohne Hervortreten be-
sondrer Queraxen, zuweilen bilden sich jedoch durch Abplattung der
Schale in einer der Längsaxe parallelen Ebene zwei solcher Queraxen
deutlich aus und die Schalengestaltung wird dadurch eine zweistrahlige.
Sehr deutlich tritt dies unter den Arcellinen bei den Gattungen Hyalo-
sphenia (II. 10) und Quadrula hervor (II. 12), z. Th. jedoch auch bei
*) Ueber die wahrscheinlichen Beziehungen dieser beiden Gattungen zu Arcella vergl,
im system. Abschnitt.
38 Rhizopoda.
Difflugia. Die Abplattung kann sich bei gewissen, wohl zu Hyalosphenia
gehörigen Formen so vermehren, dass der Schalenrand zu einem zuge-
schärften Kiel ausgezogen erscheint (vergl. die sogen. Difflugia carinata *),
auch bei einer gewissen Form des Leidy’schen Genus Nebela soll sich eine
ähnliche Kielbildung finden. Auch bei Angehörigen der Gattung Euglypha
tritt eine solche Abplattung z. Th. sehr ausgeprägt hervor (so E. com-
pressa Cart.) und fehlt ferner nicht gewissen Gromiinen, ja es kann die
Gesammtgestalt des Körpers hier zuweilen platt schildförmig werden
(vergl. Gromia [Plagiophrys] scutiformis H. u. L., III. 18).
Durch eintretende Excentrieität der Mündungsöffnung kann die Schalen-
gestalt jedoch auch in eine bilateral-symmetrische übergehen, wie solches
mehr oder weniger deutlich in jeder der 3 genannten Abtheilungen der
beschalten Sisswasserrhizopoden hervortrit. Ein derartiges Verhalten
finden wir zunächst bei einer ganzen Anzahl Difflugiaformen (so z. B.
D. aculeata Ehbg. III. 4, marsupiformis Wall. III. 2, 3, cassis Wall.). In-
dem sich zu solcher Excentrieität der Mündung bei der Difflugia spiralis
(III. 9) noch eine spiralige Einkrümmung der Schalenhauptaxe gesellt,
zeigt sich die erste Hinneigung zu spiraliger Einrollung der bilateral-sym-
metrischen Schale, eine Eigenthümlichkeit, die in so grosser Verbreitung
den marinen Formen zukommt. Unter den Süsswasserformen bilden die
erwähnte Art und die etwas zweifelhafte Pleurophrys (?) Helix Entz
(III. 11) die einzigen bis jetzt bekannten Beispiele spiraliger Einrollung,
jedoch erreicht dieselbe hier höchstens '/;, Umgang.
Die Excentrieität der Mündung ist unter den Euglyphinen charakte-
ristisch für die G. Trinema, deren Schalengestaltung sehr an die ähnlich
ausgezeichneten Difflugien erinnert, wogegen bei der G. Cyphoderia eine
bilaterale Gestaltung durch die schiefe Neigung des die Mündung tragen-
den Halses hervortreten kann (C. margaritacea III. 13).
Auch für eine Anzahl Genera der Gromiinen ist eine geringe Excen-
trieität der Mündung charakteristisch, so z. B. deutlich ausgeprägt bei
Lieberkühnia (III. 16), Mikrogromia (III. 15), Platoum (III. 17) und
Pseudodifflugia zum Theil.
Es geht aus dieser Betrachtung hervor, dass eine Hinneigung zu bi-
lateraler Schalengestaltung unter den erwähnten Süsswasserformen sehr
verbreitet ist und ihr gelegentliches Auftreten nicht einmal immer zur
Charakteristik bestimmter Genera geeignet erscheint.
Ganz ähnliche Gestaltungsformen zeigen uns auch die monothalamen
marinen Rhizopoden, seien dies nun kalkschalige oder mit Fremdkörper-
schalen versehene. .
In sehr regelmässig monaxoner Bildungsweise und sehr mannigfaltiger
Entwicklung tritt uns zunächst die Gattung Lagena unter den kalkschali-
gen Perforaten entgegen (VII. 2—17).
*) Archer, Qu. j. mier. sc. VIL
.
a4 ee see BERN
Schalengestaltung. (Monaxone Monothalamia.) 39
Hier finden wir meist einen sehr regelmässig drehrunden, ei- bis
spindelförmig längsgestreckten Körper, der an einem Pol in einen mehr
oder minder verlängerten, halsartigen Fortsatz ausgezogen ist, auf dessen
etwas knopfartig angeschwollenem Ende die, meist von strahligen Furchen
oder Rippen umstellte Mündung liegt. Die drehrunde Gestalt kann jedoch
durch Entwicklung von Längsrippen in eine auf dem Querschnitt poly-
gonale übergehen, oder die Schale ist mehr oder minder comprimirt, wo-
bei der Rand ebenfalls sehr gewöhnlich als Kiel vorspringt, ja es kann
dieser Randkiel zu einer ansehnlichen Lamelle auswachsen, die wie ein
Hof die Schale umzieht (II. 14). Auch die sonst rundliche Schalenmündung
wird bei den comprimirten Formen häufig spaltartig ausgezogen (Fissu-
rina Rss.).
Eine besondere Eigenthümlichkeit dieser comprimirten Lagenaformen
mag hier noch kurz erwähnt werden. Bei einer grossen Reihe von in
allen übrigen Beziehungen mit den ebengeschilderten übereinstimmenden
Formen (VII. 13) findet sich nämlich keine halsartige Verlängerung der
Schale, dagegen ist eine von der äusseren, einfachen Mündung in die
Schalenhöhlang, z. Th. bis zum Grunde derselben, hineinreichende, an
ihrem Ende offne Röhre (gewissermaassen der umgestülpte Hals) vorhan-
den (Entosolenia Ehbg ).
Auch sandige, an Lagena sich wohl anschliessende Formen sind
neuerdings von Brady aufgefunden und mit anderen nodosariaartig ge-
stalteten Formen unter dem Namen Hormosina (V. 8) beschrieben worden.
Unter den kalkschaligen marinen Imperforaten tritt die regulär mon-
axone Gestaltung nicht deutlich hervor, sondern sie sind entweder stets ent-
schieden bilateral entwickelt oder unregelmässig ausgebildet, wie dies bei
der M. Schultze’schen Squammulina der Fall ist, einer etwa linsenförmig
gestalteten kleinen, mit der einen abgeflachten Seite festgehefteten Schale
(IV. 7), die auf der convexen Oberseite eine excentrisch gelegene, ziem-
lich weite Mündung zeigt. Sehr wohl entwickelt tritt jedoch die regulär
monaxone und monothalame Bildung bei einem Theil der gewöhnlich zu
den Imperforaten gestellten *), sandigen marinen Rhizopoden hervor und
bedürfen diese Formen daher hier noch einer kurzen Erwähnung.
Die Gestaltung ihrer Schalen ist entweder eine mehr kuglige bis ei-
förmige, mit an einem Pol hervortretender Mündungsöffnung, die häufig
auch auf einer halsartigen verlängerten Röhre sich findet (so z. Th. bei
Pelosina [V. 7], Webbina) oder aber die Schale ist länger gestreckt kegel-
bis stabförmig, auch pokalförmig (Haliphysema), wobei das erweiterte
Ende die gewöhnlich weit geöffnete Mündung darstellt (so Hyperammina
z. Th., Jacullela, Botellina, Rhabdopleura). Dabei sind die Formen ent-
*) Die Zutheilung dieser Formen zu den Imperforata ist bis jetzt keineswegs gesichert,
wenigstens können sich darunter recht wohl perforirte Formen befinden. Der kleinste Theil
derselben ist bis jetzt im lebenden Zustand beobachtet worden, meist sind es nur leere Schalen,
die bekannt geworden sind und über deren Zugehörigkeit zu den Rhizopoden sogar in einigen
Fällen die Acten noch nicht geschlossen erscheinen,
40 Rhizopoda.
weder frei, oder mit dem aboralen Ende aufgewachsen (Haliphysema, Bo-
tellina wahrscheinlich), oder auch ähnlich der schon beschriebnen Squam-
mulina mit einer Flachseite, die dann häufig nur unvollständig ausgebildet
ist, befestigt (so Webbina zum Theil).
Die hals- oder röhrenartige, die Mündung tragende Schalenverlänge-
rung kann ihre einfache Bildung mit einer verästelten vertauschen (so
Hyperammina z. Th.), wobei dann statt der einfachen Mündungsöffnung
mehrere an den Zweigenden der verästelten Röhre auftreten, eine Er-
scheinung, die auch unter den kalkschaligen Monothalamen, wenn auch
selten hervortritt, indem bei gewissen abweichenden Lagenaformen accesso-
rische Mündungen, die selbst wieder auf kurzen Röhren sich finden, an
dem Schalenhals auftreten können. Auch bei der schon erwähnten sand-
schaligen Haliphysema tritt eine Verästelung der Schale zuweilen auf
(H. ramulosa Cart.).
Andrerseits tritt bei einer Reihe sich hier anschliessender Sandschalen
eine Mündungsbildung auch am anderen Pol der Schale auf, so dass die-
selbe hierdurch den amphistomen Charakter annehmen, womit jedoch
ebensowenig wie bei Lagena eine schärfere Abgrenzung derselben von
den monostomen Formen angezeigt scheint. Die Gestalt wird in diesem
Falle bei langgestreckten Schalen etwa eine spindelförmige mit etwas ver-
diekter Mittelregion (Marsipella V. 10) oder die beiden Mündungen liegen
auf röhrenförmigen Verlängerungen einer mehr kugligen oder scheiben-
förmigen Schale (Rhabdammina zum Theil).
Die Zahl der Mündungsöffnungen kann aber bei den hier zu be-
sprechenden Formen noch eine weitere Vermehrung erfahren. So können
bei der eben erwähnten Rhabdammina an Stelle zweier sich 3—5 mit
endständigen Mündungen versehene armartige Röhren entwickeln, so dass,
da diese Arme sich gewöhnlich nur in einer Ebene ausbreiten, eine rad-
oder sternförmige Gestalt entsteht. Die Entwicklung dieser Arme kann
so weit gehen, dass von einem scheibenförmigen Centraltheil der Schale
nichts mehr übrig bleibt. In noch beträchtlicherer Zabl können solche
Arme aus dem scheibenförmigen Centraltheil der Schale bei der Gattung
Astrorhiza sich entwickeln, wobei die Arme entweder unverzweigt bleiben,
und die Centralscheibe einen ansehnlichen Durchmesser erreicht (V. 11)
oder die Arme verzweigen sich geweihartig und die Centralscheibe redu-
cirt sich sehr oder ist kaum angedeutet.
Während bei den eben erwähnten Formen die die Mündungen tra-
genden Arme gewöhnlich nur in einer Ebene an den Scheibenrändern
hervortreten, strahlen bei einer weiteren, gleichfalls zu Astrorhiza gestell-
ten Form (A. catenata) von dem etwa eiförmigen Centraltheil allseitig ähn-
liche armartige Fortsätze aus und schliesslich bilden sich auch ganz röhrige,
unregelmässig verzweigte Formen. Im Gegensatz zu den ebenerwähnten
interessanten Gattungen Rhabdammina und Astrorhiza ist die nahver-
wandte Dendrophrya mit der Centralscheibe der Schale aufgewachsen und
Te A
Schalengestaltung. (Spirale Monothalamien.) 41
von ihr entspringen wie bei Astrorhiza eine grössre Zahl geweihartig ver-
ästelter Röhren, die an ihren Enden geöffnet, den Pseudopodien Durch-
tritt gewähren.
Schliesslich können dann hier noch einige Formen angereiht werden,
die vielfach verästelte, entweder freie (Rhizammina) oder auf einer Unter-
lage aufgewachsene Röhren bilden (Sagenella V. 16), wobei die einzelnen
Zweige entweder frei ohne gegenseitige Verbindung bleiben können oder
aber mit einander Anastomosen zu bilden vermögen (Sagenella), so dass
die Gesammtbildung dann gewissermaassen an ein Plasmodium erinnert,
das sich allseitig mit sandiger Hülle umkleidet hat, ausgenommen die
freien Enden seiner Zweige.
Wenden wir uns nach dieser Betrachtung der sandigen monothalamen
Formen von eigenthümlichem Bau nun wieder zu den kalkschaligen Mono-
thalamien mit ausgeprägter Bilateralität.
Eine solehe Bildung wird bei den marinen Formen sehr gewöhnlich
dadurch hervorgerufen, dass die Schalenhauptaxe ihre gerade Streckung
aufgibt und sich spiralig einkrümmt. Die Einrollung erfolgt bei den bi-
lateral gebildeten Schalen natürlich in einer Ebene, die als die Windungs-
ebene bezeichnet wird und die Medianebene der Schale repräsentirt. Der-
artige Schalenformen sind sowohl unter den Imperforaten, wie Perforaten
verbreitet und auch durch sandschalige Formen vertreten.
Da die spiralig eingerollten Schalen sowohl unter den Monothalamen
wie den Polythalamen eine so hervorragende Rolle spielen, wird es
hier gerechtfertigt erscheinen, über eine Anzahl technischer Ausdrücke,
die zur Verständigung über die Eigenthümlichkeiten solcher Schalenformen
von Nutzen sind, noch vorläufig kurz zu berichten. Schon oben wurde
der Windungsebene gedacht; eine auf dieser Ebene in dem Anfangs-
punkt der spiralig gekrümmten Längsaxe errichtete Senkrechte wäre als
Windungsaxe zu bezeichnen, während die spiralig eingerollte Längsaxe
wohl am besten als Spiralaxe bezeichnet wird. Den, einem vollständigen
Umlauf dieser Spiralaxe entsprechenden Schalentheil bezeichnen wir als
einen Umgang und messen demnach auch die Spiralaxe nach der Zahl
ihrer Umgänge. Der Abstand der beiden Punkte, in welchen ein Radius
der Spiralaxe die innere und äussere Oberfläche eines Umgangs schneidet,
wird Umgangshöhe genannt.
In gleicher Weise, wie für die ähnlich spiral aufgerollten Schalen der
Cephalopoden und Gastropoden eine mathematisch gesetzmässige Bildung
der Spiralität hauptsächlich durch Naumann nachgewiesen wurde, konnte
auch in neuerer Zeit das Gleiche für die entsprechenden Rhizopodenschalen
durch v. Möller bestätigt werden (116). Es hat sich ergeben, dass eine
sehr auffallende Uebereinstimmung der spiral gewundenen Rhizopo-
den- und Cephalopodenschalen existirt. Zur genaueren Untersuchung
der der spiralen Aufrollung zu Grunde liegenden mathematischen Ge-
setzmässigkeit betrachtet man gewöhnlich die sogen. Rückenspirale,
d. h. die spiralige Durchschnittslinie der peripherischen Wandung der
42 Rhizopoda.
Schalenwindungen mit der Windungsebene. Ein tieferes Eingehen auf
die von Möller für eine Reihe von Geschlechtern der Nummuliniden
festgestellten mathematischen Gesetze der spiralen Aufrollung glau-
ben wir hier unterlassen zu können, namentlich auch deshalb, weil, so
interessant diese Erscheinungen auch an und für sich und vorzüglich im
Vergleich mit den spiral gewundnen Cephalopoden erscheinen, bis jetzt
doch alle Anhaltspunkte fehlen, um diese Regelmässigkeiten mit ander-
weitigen Organisations- und Wachsthumsverhältnissen in Beziehung zu
setzen und eventuell hierdurch zu einer Erklärung derselben zu gelangen.
Nach welchen Gesetzen sich die Spirale bei den Monothalamen, die
uns hier zunächst interessiren, aufbaut, ist bis jetzt noch nicht ermittelt,
die später erst genauer zu erörternden gekammerten Formen sind hin-
gegen fast durchaus nach der sogen. eyelocentrischen Conchospirale Nau-
mann’s gewunden, d. h. einer Conchospirale, deren Mittelpunkt sich ge-
wissermaassen zu einem Kreis erweitert hat. Letztres hängt damit zu-
sammen, dass bei diesen gekammerten Formen stets eine im Median-
schnitt nahezu kreisförmige sogen. Central- oder Embryonalkammer sich
findet, auf welche erst die spiralige Einrollung der Schalenwände folgt.
Der Charakter der sogen. Conchospirale ist dadurch bestimmt, dass bei
ihr nur die sich entsprechenden Windungsabstände (also die auf einem
Radius liegenden) in geometrischer Progression zunehmen, während bei
der logarithmischen Spirale (die nur einen besondern Fall der Concho-
spirale darstellt) auch die Durchmesser und Halbmesser in geometrischer
Progression wachsen. Aber auch der Speeialfall der logarithmischen Spi-
rale wird nach den Untersuchungen Möller’'s von einem Theil der ge-
kammerten Formen repräsentirt.
Zur Bestimmung der Gleichung einer gewissen eyclocentrischen
Conchospirale ist erforderlich die Kenntniss des Radius desjenigen Kreises,
auf dessen Peripherie der Anfangspunkt der Spirale liegt. Dieser sogen.
Archiradius («) ist also nach dem oben bemerkten gleich dem Halbmesser
der Centralkammer. Ferner wird noch erfordert der sogen. Parameter (a),
die absolute Höhe der ersten Windung an ihrem Endpunkt und schliess-
lich der sogen. Windungsquotient (p), d. h. das Verhältniss zwischen zwei
aufeinanderfolgenden, entsprechenden Windungshöhen. Aus diesen Grössen
ergibt sich die Grösse des Radius (r) der Spirale für einen beliebigen
Umlaufswinkel desselben (v) zu
\ a In u
+ ei)
Die logarithmische Spirale ist derjenige bestimmte Fall dieser eyclo-
centrischen Conchospirale, in welchem der Archiradius « = en wird,
woraus für dieselbe die entsprechende Gleichung r — ir p 3 sich er-
giebt. Wie jedoch von Naumann schon für die spiralgewundenen Schalen
der Mollusken gezeigt wurde, erfolgt auch für die ähnlichen der Rhizo-
Schalengestaltung. (Spirale Monothalamia.) 43
poden häufig die spirale Aufrollung nicht durchaus nach derselben Concho-
spirale, sondern durch plötzliche Aenderung des Windungsquotienten und
zwar sowohl Vergrösserung als Verkleinerung desselben, kann plötzlich
die spirale Aufrollung nach einer eycelocentrischen Conchospirale von an-
derer Gleichung weitergehen, für welche der Abstand des Anfangspunktes
(Aenderungspunktes) vom dem Centrum den sogen. Archiradius bildet.
Es finden sich also auch hier bei den Rhizopoden die zusammengesetzten
sogen. Pleospiralen Naumann’s wieder und lassen sich im speciellen Fall
als Diplo-, Triplospiralen und so fort bezeichnen. Da die Veränderung
des Windungsquotienten hierbei sowohl in einer Vergrösserung als Ver-
kleinerung gegenüber der Anfangsspirale bestehen kann, so lassen sich
auch hier exostehne und entostehne Pleospiralen unterscheiden.
Noch eine weitere Eigenthümlichkeit der spiralen Aufrollung der
Rhizopodenschalen wurde hauptsächlich durch von Möller aufgedeckt,
nämlich der unter den Nummuliniden häufige Uebergang der letzten Win-
dung aus dem spiralen in ein kreisförmiges Wachsthum. Hiermit muss
natürlich schliesslich eine Berührung der letzten Windung mit der äusse-
ren Oberfläche der vorletzten und damit ein Verschluss und Abschluss der
Schale eintreten. Dieser Fall tritt natürlich dann ein, wenn der Windungs-
quotient der Spirale plötzlich gleich Null wird.
Im Gegensatz hierzu ist es jedoch bei den spiralgewundnen Rhizo-
poden eine nicht seltene Erscheinung, dass die spirale Einrollung allmäh-
lich in gerade gestrecktes Wachsthum übergeht, so dass ein spiral auf-
gerollter Anfangstheil von einem geradlinigen Endtheil zu unterscheiden
ist. Ausserdem treten jedoch mannigfache weitere Unregelmässigkeiten
in der spiraligen Aufrollung noch hervor, die späterhin eingehender zu
erörtern sein werden.
Nach dieser allgemeinen Betrachtung der mathematischen Gesetz-
mässigkeiten, die sich im spiralen Aufbau der Rhizopodenschalen erkennen
lassen, gehen wir jetzt wieder über zur Besprechung des morphologischen
Aufbau’s der einkammerigen spiralgewundenen Formen.
Es finden sich solche sowohl unter den Imperforata wie Perforata
und werden auch durch sandige Formen repräsentirt. Die einfachsten
Gestaltungsverhältnisse erkennen wir unter den Imperforata bei der Gat-
tung Cornuspira (IV. 8), unter den Perforata bei der ganz ähnlich ge-
bauten Spirillina (VII. 1), unter den Formen mit sandiger Schale bei
Ammodiscus (V. 20—22). Bei diesen sämmtlichen Formen berühren sich
die mehr oder minder zahlreichen Windungen der Schale nur, ohne sich
zu umgreifen, und die Umgangshöhe wächst entweder in Zusammenhang
mit einer Abplattung der Umgänge (parallel der Windungsebene) rasch
an (Cornuspira) oder nur sehr allmählich (Spirillina und Ammodiseus).
Während bei Cornuspira die spiralige Aufrollung eine ganz regelmässig
symmetrische ist, treten dagegen bei Spirillina auch asymmetrische For-
men auf, bei welchen die Aufrollung nicht mehr in einer Ebene, sondern
niedrig schraubenspiralig erfolgt (Brady 117, II) und noch weit unregel-
44 Rhizopoda.
mässiger erfolgt z. Th. die Aufrollung bei der sandschaligen Gattung
Ammodiscus. Hier finden sich neben ganz regelmässig symmetrisch spi-
raligen Formen auch solche, bei denen die Aufwindung nicht mehr nur
in einer Ebene erfolgt, sondern eine ganz unregelmässige, knäuelförmige
wird (V. 21 u. 22), ein Uebergang zu unregelmässigem Wachsthum, wie
ihn auch andere Rhizopodengattungen noch zeigen. Auch ein Aufgeben
der spiraligen Einrollung und Weiterwachsthum in gestreckter Linie ist
hier z. Th. schon zu bemerken.
Im Gegensatz zu diesen eben erwähnten Formen mit sich nur berüh-
renden, äusserlich wohl sichtbaren Umgängen stehen zwei im Grunde sehr
ähnlich gebaute perforate Gattungen: Involutina (IX. 12) und Archaeo-
diseus (IX. 13), bei welchen sich zwar die Hohlräume der aufeinander-
folgenden Umgänge nur wenig umfassen, wo jedoch die die Wandungen
der jüngern Umgänge bildende Schalenmasse über die älteren successive
sich ausdehnt, so dass also dennoch eine Umwachsung der älteren durch
die jüngeren Umgänge vorliegt. Hierbei kommt denn weder eine nabel-
artige Vertiefung zur Ausbildung, noch ist äusserlich von den einzelnen
Umgängen etwas zu erkennen, sondern die Schale besitzt eine einfach
linsen- bis scheibenförmige Gestaltung. Während bei Involutina die
Aufrollung regelmässig in einer Ebene vor sich geht, verläuft dieselbe
hingegen bei Archaeodiseus, ähnlich wie dies schon für gewisse Am-
modiscen hervorgehoben wurde, etwas unregelmässig (s. den Querschnitt
IX. 13b), indem die Windungsebene im Verlaufe des Wachsthums sich
mehrfach ändert.
y. Mehrkammerige (polythalame) Schalenbildungen.
Weitaus die meisten marinen Rhizopoden bilden durch periodische
Unterbrechungen und darauf folgende besondere Intensität des Wachs-
thums Schalen, welehe mehr oder weniger deutlich diese Wachsthums-
perioden durch ihre Zusammensetzung aus einer mit dem Alter des Thiers
sich erhöhenden Zahl von Abschnitten, sogen. Kammern, verrathen. Wie
wir jedoch die mannigfaltigen Gestaltsbildungen der monothalamen Schalen
durch sehr allmähliche Uebergänge mit einander verbunden sahen, so
stehen auch die mehrkammerigen keineswegs unvermittelt den ersteren
gegenüber, sondern sind durch Zwischenbildungen mit denselben ver-
knüpft.
Schon bei gewissen spiralgewundenen monothalamen Geschlechtern,
so Cormuspira und Ammodiseus, verräth sich zuweilen eine Hinneigung
zur Bildung einer Anzahl Abschnitte durch seichte in unregelmässigen Ab-
ständen die Umgänge umziehende Einschnürungen der Schalenwandung,
die nur wenig tiefer greifen und in regelmässigerer Folge auftreten müss-
ten, um die monothalame Schale in eine polythalame überzuführen. Die
Bildung regelmässig sich wiederholender Kammerabschnitte findet sich in
ganz entsprechender Weise durchgeführt sowohl bei Imperforata als Per-
Schalengestaltung. (Polythalamia.) 45
forata und wie wir nach den Beziehungen der sandigen Formen er-
warten dürfen, auch bei diesen.
Ihre innigen Beziehungen und ihre ursprüngliche Herleitung von mono-
thalamen Formen, verrathen jedoch die polythalamen, spiralig auf-
gerollten Schalenbildungen auch noch dadurch, dass sie ihr Wachsthum
stets mit einer kugeligen oder eiförmigen Anfangskammer beginnen, die
monaxon gebildet ist und durch diesen Bau verräth, dass auch diese For-
men sich ursprünglich von gestreckten, monaxonen Gestalten herleiten,
die erst späterkin zu einem spiralen Wachsthum übergingen.
Die Art der Kammerbildung bei den polythalamen Formen ist etwas
verschieden, was hauptsächlich von der Bildungsweise der Kammern
selbst herzurühren scheint. Sind dieselben ungefähr röhrenförmig mit weite-
rer, wenig verengter Mündung, so lagert sich jede folgende Kammer so
an die vorhergehende an, dass zwischen beiden nur eine wenig scharfe
Grenzmarke sich findet, meist als eine Einschnürung auf der Grenze bei-
der Kammern, die von der etwas verengten Mündung der ältern Kammer
herrührt. Sind hingegen die Mündungsöffnungen der Kammern sehr ver-
engt, so lagert sich jede neue Kammer gewöhnlich in der Weise, die Mün-
dung überdeckend auf die vorhergehende auf, dass der überdeckte Theil
der Wand der vorhergehenden Kammer nun eine Scheidewand zwischen
den Höhlungen der beiden aneinandergelagerten Kammern bildet. In den
meisten Fällen wird diese Scheidewand in der geschilderten Weise nur
von einer einfachen Schalenlamelle, nämlich der Fortsetzung der Wand
der älteren Kammer gebildet, indem nämlich derjenige Abschnitt der neuen
Kammer, der sich an die alte anlehnt, keine besondere neue Wand er-
bält, sondern einfach durch die Wand der vorhergehenden Kammer ver-
vollständigt wird. So ist das Verhalten wenigstens durchweg bei den poly-
thalamen Imperforaten und einem grossen Theil der einfacheren Perforaten.
Bei den höher entwickelten Formen dieser letzten Abtheilung hingegen
erhält die Scheidewand jedoch noch eine Verstärkung dadurch, dass sich
an ihrer Bildung auch die Wand der neuen Kammer betheiligt. In dieser
Weise wird demnach bei jenen letzterwähnten Formen jede Scheidewand
aus zwei Lamellen aufgebaut, die sich entweder dicht aufeinanderlegen
oder Lückenräume zwischen sich lassen, welche zur Bildung eines sogen.
Kanalsystems der Schale beitragen. Die genauere Besprechung der ver-
schiedenen Bildungsvorgänge der polythalamen Schalen wird die eben an-
gedeuteten Verschiedenheiten klarer darlegen und werden wir in der fol-
genden Darstellung dieser höchst mannigfaltigen und zum Theil sehr com-
plieirten Schalenbildungen uns weniger von allgemeinen morphologischen
Gesichtspunkten, die bei den verschiedenen Unterabtheilungen z. Th. in
recht ähnlicher Weise zur Ausbildung gelangen, leiten lassen, als weit
mehr von dem genetischen Zusammenhang der Formen unter einander,
der ein sehr inniger ist, und beginnen daher naturgemäss mit den ein-
facheren Imperforata.
46 Rhizopoda.
y.‘ Imperforate Polythalamia.
Als ein Beispiel sehr unvollständiger Sonderung der aufeinander-
folgenden Kammern einer polythalamen Imperforaten verdient hier zu-
nächst die sehr eigenthümliche Gattung Nubeceularia hervorgehoben
zu werden (IV. 9). Ausser durch den eben erwähnten Charakter wird
dieses Geschlecht noch durch seine grosse Mannigfaltigkeit und meist
auch Unregelmässigkeit der Gestaltung ausgezeichnet, welche letztere
Eigenthümlichkeit ohne Zweifel in Zusammenhang mit der festsitzenden
Lebensweise steht. Wir haben es hier mit einem der nicht seltnen pro-
teisch vielgestaltigen Formenkreise zu thun, wie sie gerade die aufge-
wachsenen marinen Rhizopoden mehrfach darbieten. Das Wachsthum der
Schale ist ursprünglich ein spiralig aufgerolltes (9 c), ähnlich etwa dem von
Cornuspira, jedoch ein polythalames, wenngleich die einzelnen Kammer-
abschnitte nicht durch wohl ausgebildete Scheidewände von einander ge-
schieden werden, sondern ihre Sonderung nur durch eine Verengerung
des Endtheils der Kammern, und eine beträchtliche Erweiterung des hin-
tern Abschnittes der folgenden Kammer zu Stande kommt. In der Art
wird eine Scheidewand zwischen den aufeinanderfolgenden Kammern nur
durch eine schwache Einfaltung der Kammerwand angedeutet. Da die
Schale mit einer der Windungsebene parallelen und abgeplatteten Fläche
aufgewachsen ist, ist eine symmetrische Ausbildung der Spiralschale hier
nicht möglich und diese asymmetrische Bildung wird dadurch noch er-
heblich vermehrt, dass die Schalenwand der aufgewachsenen Seite ent-
weder nur sehr dünn oder, was noch häufiger, überhaupt nicht entwickelt
ist, so dass also der als Unterlage dienende Fremdkörper den Ab-
schluss der Schalenwandung bildet. Dagegen besitzt die freie Seite sehr
dicke, starke Kalkwände, welche meist so sehr verdickt sind, dass äusser-
lich eine Unterscheidung der einzelnen Kammerabschnitte und ihrer An-
ordnung nicht mehr möglich ist. Nur sehr selten bleibt jedoch das regu-
lär spiralige Wachsthum während der ganzen Lebensdauer erhalten, sehr
häufig geht es nach einiger Zeit in ein geradliniges, ebenso häufig jedoch
auch in mehr oder weniger unregelmässig hin- und hergebogenes über, ja
es finden sich auch solche geradlinig oder unregelmässig entwickelte For-
men, welchen ein spiraliger Anfangstheil ganz abgeht. Auch Verzwei-
gungen der einfachen Kammerreihe sind zu beobachten, wo dann mehrere
neben einander hinlaufende Reihen sich finden können, und durch
vielfache, hier nicht näher zu erörternde Formbildungen hindurchgehend,
treffen wir schliesslich auch auf ganz unregelmässig neben- und tüberein-
ander gehäufte Kammermassen (9a), die nur durch Berücksichtigung aller der
Mittelstufen und der Schalentextur ete. als in diesen Formenkreis gehörig
erkannt werden können. Eine Abweichung nach anderer Richtung muss
hier noch kurz erwähnt werden, es besteht dieselbe nämlich in beträcht-
licher Verbreiterung der Kammern, so dass diese bei ihrer geringen Höhe
eine bandartig ausgedehnte Form annehmen (9b). Hiermit ist jedoch
Schalengestaltung. (Nubeeularia etc., Miliolina.) 47
eine etwas vollständigere Ausbildung der Scheidewände zwischen den
Kammern verknüpft, indem die einfache weite Verbindungsöffnung zwi-
schen den aufeinanderfolgenden Kammern durch einwachsende Brücken
in eine grössere Zahl secundärer Oeffnungen zerlegt wird. Durch der-
artige Wachsthumsmodificationen können sogar Formen entstehen, die
eine gewisse morphologische Aehnlichkeit mit den später zu schildern-
den Geschlechtern Peneroplis und Orbitolites aufweisen.
Wie zahlreiche andere Geschlechter der kalkschaligen marinen Rhizo-
poden zeigt auch die Gattung Nubeeularia eine ziemlich ausgesprochene
Neigung (wenigstens in gewissen Modificationen ihrer Bildung) Sand zur
Verstärkung in die Schalenwandungen aufzunehmen. Es erscheint dieses
Verhalten gerade hier nicht uninteressant, da sich auch unter den rein
sandigschaligen marinen Rhizopoden eine Anzahl Formen finden, welche
eine ziemliche morphologische Aehnlichkeit im Schalenbau mit der soeben
beschriebenen Gattung aufweisen. Dies gilt hauptsächlich von der d’Or-
bigny’'schen Gattung Placopsilina, welche von den englischen Forschern
gewöhnlich in ihrem sehr erweiterten Genus Lituola eingeschlossen wird.
Wir haben es hier mit äusserlich rauhen sandigschaligen Formen zu thun,
die ähnlich wie bei Nubecularia gewöhnlich einen deutlich spiraligen
Wachsthumsbeginn zeigen, ja meist deutlicher als bei dieser kalkschaligen
Gattung. Mit der einen Seite sind sie aufgewachsen und ähnlich Nube-
cularia ist dann die Wandung dieser aufgewachsenen Seite häufig nur
sehr unvollständig ausgebildet. Gewöhnlich wird das spiralige Wachs-
thum nicht bis zu Ende fortgesetzt, sondern geht in gerades bis unregel-
mässiges über; auch Verzweigungen treten ähnlich wie bei Nubecularia
auf, wie denn auch aus ganz unregelmässig zusammengehäuften Kammern
gebildete Formen hier nicht fehlen.
Einen nur geringen Grad der Sonderung der Kammern von einander
zeigen auch die hier zunächst sich anschliessenden Miliolinen. Durch die
Gattung Spiroloeulina reihen dieselben sich recht innig an die früher er-
wähnte monothalame Cornuspira an. Mit einer nahezu kugeligen Anfangs-
kammer beginnend wächst die Schalenröhre in spiralig sich aufrollenden,
sich berührenden Umgängen symmetrisch weiter (IV. 10), wobei nach Car-
penter der innere Abschluss jedes neuen Umgangs gar nicht von besonderen
Wandungen, sondern von der peripherischen Wand des vorhergehenden
Umgangs gebildet wird, eine Regel, die wenigstens für Spiroloculina nach
meinen Erfahrungen nicht durchaus richtig ist.
Indem die Schalenröhre am Ende jedes halben Umgangs eine
Einsehnürung erhält, die ohne Zweifel eine Wachsthumspause ver-
räth, während welcher die Einschnürungsstelle als häufig noch durch be-
sondere Eigenthümlichkeiten ausgezeichnete Mündungsöffnung fungirt,
wird eine vielkammerige Schale gebildet, deren einzelne Kammern je einen
halben Umgang Ausdehnung besitzen. Sämmtliche Einschnürungsstellen
einer solchen Schale liegen, wie aus obiger Schilderung hervorgeht, in
48 Rhizopoda.
einer geraden Linie, die wohl auch die ursprüngliche Hauptaxe der durch
excentrische Verlagerung der Mündungsöffnung symmetrisch bilateral ge-
wordenen Embryonalkammer darstellt. In der Richtung dieser Hauptaxe
zeigen die Angehörigen der Gattung Spiroloculina sowohl als die übrigen
|Miliolinen gewöhnlich eine Längsstreckung, wodurch die regulär spira-
lige Aufrollung etwas alterirt wird.
Eine weitere Abweichung zeigen die übrigen Miliolinen dadurch, dass
die bei Spiroloculina sich nur berührenden, daher auf beiden Seitenflächen
der Schale völlig sichtbaren Umgänge (oder die sie constituirenden
Kammerabschnitte) sich bei den übrigen mehr oder minder umfassen, so dass
jeder neue Umgang den vorhergehenden entweder nur zum Theil (Quinque-
loeulina) oder gänzlich (Biloculina) verdeckt. Bei Quinqueloculina
(IV. 11) wird die Schale durch abwechselnde ungleiche Umfassung auf
den beiden Seitenflächen gleichzeitig asymmetrisch (s. den nebenstehenden
Holzschnitt a), so dass gewöhnlich auf der einen Seitenfläche der Schale
4, auf der entgegengesetzten durch stärkere Umfassung hingegen nur
3 Kammerabsehnitte sichtbar bleiben. *)
Biloeulina (IV. 12 u. 13) hingegen ist durch völlige und symmetrische
Involubilität ausgezeichnet, so dass hier stets nur die beiden jüngsten
Kammerabschnitte sichtbar bleiben (vergl. auch den Querschnitt der ent-
sprechend gebauten Fabularia IV. 21).
Bedeutsamer erscheint die Abweichung
a. von der den Ausgangspunkt unserer Be-
>I- trachtung bildenden Spiroloeulina bei der
(GEDI) Gattung Trilo sulias, die äusserlich nur
3 um die Längsaxe regelmässig gruppirte
Kaınmerabschnitte bemerken lässt (VIII. 3).
Es lässt sich diese Form entweder so deu-
ten, dass hier die Windungsebene nach je-
7 dem halben Umgang sich um 120° um die
Längsaxe verschiebt, oder aber auch durch
7 eine besondere Art der gegenseitigen Um-
ie wachsung der einzelnen Kammerabscbnitte
7. in der Weise, dass während der 2. (vergl.
a. Idenler Querschnitt von Quinqueloculina, Nebenstehenden Holzschnitt b)sich nach bei-
ee den Seitenflächen hin gleichmässig aus-
dehnt, der 3. hingegen hauptsächlich über die linke, der 4. über die
rechte Seitenfläche hinwächst u. 8. f.
Von besondrem Interesse ist noch eine sehr gewöhnliche Auszeich-
nung der Mündungsöffnung der besprochnen Miliolinen, indem in dieselbe
ein zungenartiger, bei den einzelnen Formen recht mannigfach gestalteter
Vorsprung von der Aussenwand des vorhergehenden Umgangs hineinragt
*) Doch herrscht bezüglich der Zahlenverhältnisse der sichtbaren Kammern ziemliche
Variabilität,
un I
Monothalame Imperforata. (Miliolina, Peneroplina.) 49
(IV. 13, 14 u. 15), eine Einrichtung, die vielleicht mit der bei verwandten
Formen auf der Grenze der Kammern auftretenden Scheidewandbildung
in Verbindung gebracht werden darf. Letzteres scheint um so mehr ge-
stattet, da zuweilen (Quinqueloceulina saxorum) durch diese vorspringende
Zunge und noch weitere hierzu sich gesellende rippenartige Vor.
sprünge der innern Mündungsränder, welche mit jener verwachsen, die
Mündung bis auf eine Anzahl Durchlassporen ganz verschlossen werden
kann.
Wie schon oben im Allgemeinen hervorgehoben wurde, ist es eine
unter den spiralgewundnen Rhizopoden sehr verbreitete Erscheinung, dass
nach einer Anzahl von Umläufen die spiralige Krümmung allmählich ge-
ringer wird und schliesslich in ein geradliniges Wachsthum übergeht.
Diese Erscheinung tritt auch bei dem zunächst mit den Miliolinen ver-
wandten Genus Vertebralina hervor, wie bei der gleichfalls nahe
verwandten Peneroplis. Bei Vertebralina (IV. 17) ist der ältere Anfangs-
theil der Schale in miliolinenartiger Weise spiralig eingerollt, so jedoch,
dass gewöhnlich 3—4 Kammerabschnitte einen Umgang bilden, worauf
dann die Schale ihr Wachsthum in gerader Linie mehr oder weniger lang
fortsetzt. Auch hier sind zwischen den einzelnen Kammern Scheidewände
noch kaum gebildet, sondern jede folgende Kammer ist auf die gewöhnlich
etwas erweiterte Mündung der vorhergehenden aufgesetzt. Gelegentliches
Fehlen des geradlinigen Endtheils der Schale schliesst diese Formreihe
noch näher an die Miliolinen an, wie jedoch andrerseits auch der gerad-
linig gestreckte Schalentheil bei weitem überwiegen kann, so dass
schliesslich ein spiralig eingerollter Anfangstheil ganz unterdrückt wird
(Unterg. Artieulina d’Orb. IV. 18).
Sehr ähnlich dem spiralig aufgerollten Anfangstheil der Vertebralina-
schale ist auch hinsichtlich ihrer allgemeinen Configuration die Gattung
Hauerina (IV. 20), welche von Carpenter zu Miliola gezogen wird. Sie
beginnt ganz miliolartig, setzt jedoch ihr weiteres Wachsthum mit 3 bis
4 Kammern auf den Umgang fort. Der vorzugsweise hervorstechende
Charakter dieser Form ist jedoch die Umbildung der Mündung zu einer
siebförmig von Poren durchbrochnen Platte (IV. 20b, ähnlich der er-
wähnten Quinqueloc. saxorum), so dass füglich hier auch die aufeinander-
folgenden Kammern durch solche von Poren durchsetzte Scheidewände
geschieden werden.
In nahem Anschluss an die soeben erwähnten Formen steht die
Gruppe der Peneropliden (IV. 22, V.1, VIII. 12) mit der Hauptgattung
Peneroplis. Wir haben es hier mit symmetrisch-spiralig aufgerollten
Formen zu thun, die jedoch schon von Beginn eine ziemlich beträchtliche
Zahl von Kammern in den Umgängen aufweisen. Es ist nämlich die
Länge jeder Kammer nur eine geringe, dagegen die Höhe meist recht
beträchtlich. Gewöhnlich sind die Umgänge parallel der Medianebene
sehr comprimirt, wodurch, in Zusammenhang mit der beträchtlichen
Kammerhöhe, die Mündungsfläche, sowie die entsprechenden Septalflächen,
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa.
50 Rhizopoda.
hoch und schmal werden. Die Septalflächen sind hier durch eine Ein-
faltung der Kammerwand zum grösseren Theil geschlossen, so dass also
wohlgebildete Scheidewände und eine entsprechende Mündungswand sich
finden, die entweder von einer langgestreckten spaltartigen und dendritisch
verzweigten Mündungs- oder Septalöffnung durchsetzt werden (Dendritina
IV. 24), oder nur eine, bei breiterer Gestaltung der Septalflächen jedoch
auch zwei Reihen von Porenöffnungen aufweisen (Peneroplis V.1). Letzteres
Verhalten leitet sich wohl von der Auflösung der dendritisch verzweigten
Mündungsspalte in eine grössere Zahl von Poren her (eine Art Uebergangs-
bildung siehe IV. 25). Die Zahl dieser Poren der Scheidewände vermehrt
sich successive, die älteste weist nur einen Porus auf, in den folgenden
nimmt ihre Zahl stetig zu. Eine weitere Mannigfaltigkeit dieser Formen-
reihe wird noch dadurch erreicht, dass die sich gewöhnlich nur berührenden
Umgänge sich mehr umfassen, ein Verhalten, das namentlich häufig an
der jüngeren Hälfte des letzten Umgangs hervortritt, sich jedoch auf die
gesammten Umgänge ausdehnen kann, so dass die Schale hierdurch
ziemlich involut wird (Dendritina) und die Septalflächen eine mehr hul-
eisenförmige Gestaltung annehmen. Auch Uebergang in geradliniges
Wachsthum tritt sehr häufig bei Peneroplis wie Dendritina hervor. Von
besonderem Interesse ist ferner noch, dass in Verbindung hiermit bei
Peneroplis sehr gewöhnlich die letzten Kammern besonders in der Rich-
tung der Umgangshöhe, also senkrecht auf die Längsaxe (Spiralaxe)
auswachsen, wobei gleichzeitig die Kammerlänge sehr gering wird (V.1).
Indem in dieser Weise die letzten Kammern sich successive sehr rasch
senkrecht zur Längsaxe, verbreitern, nimmt so der Endtheil der Schale
eine fächerartig ausgebreitete Gestalt an und werden die Septalflächen
sehr lang und stark gekrümmt. Indem sie sich mit ihren Enden stark
nach den älteren Schalentheilen zurückbiegen, kann die Ausdehnung der
Mündungsfläche schliesslich nahezu °/, des ganzen Schalenumfanges be-
tragen. In solcher Weise ist hier schon eine Hinneigung zum Uebergang
in das sogen. eyklische Wachsthum gegeben, wie es bei den später zu
besprechenden ÖOrbieulina- und Orbitolitesformen in hoher Ausbildung
hervortritt, wo die einzelnen Kammern sich bis zur Bildung geschlossener
Ringe zurückbiegen. Auch die früher erwähnte Gattung Vertebralina zeigt
schon eine ähnliche Modifikation ihres Wachsthums in den als Renulites
bezeichneten fossilen Formen (IV. 19).
In allgemein morphologischer Hinsicht scheinen die mit sandiger
Schale versehenen Gattungen Lituola Lmek. und Haplophragmium Rss.
in ziemlich naher Beziehung zu den eben geschilderten Formen der Pene-
ropliden zu stehen (fraglich bleibt jedoch bis jetzt, ob eine solche An-
näherung auch in genetischer Beziehung gerechtfertigt ist). Es sind dies
freie Formen mit symmetrisch spiraliger Schale, deren Umgänge gewöhnlich
einen ziemlich hohen Grad von Involubilität zeigen und entweder ihr
ganzes Wachsthum in der begonnenen spiraligen Aufrollung fortsetzen
(so dass die Gesammtgestalt der Schale dann von einem Dendritina-artigen
en ee
Polythalame Imperforata. (Lituola, Orbitolitina.) 51
Habitus ist [V. 17]) oder es gehen, ähnlich wie bei den als Spirolina be-
zeichneten Modifikationen von Dendritina, die letzten Kammern in ein
geradliniges Wachsthum über und wird die Gesammtform der Schale
hierdurch eine bischofstabförmige (V. 18a). Die Mündungsbeschaffenheit
dieser sandigen Formen ist eine etwas verschiedenartige; entweder sind
die Kammerscheidewände von einer einfachen, jedoch häufig unregel-
mässigen Oeffnung durehbrochen, die auch ähnlich wie bei Dendritina
eine dendritisch verzweigte Beschaffenheit besitzen kann, oder es finden
sich bei Lituola statt der einfachen Mündung zuweilen auch mehrere
Durehbrechungen der Scheidewände, die Mündung nimmt eine zusammen-
gesetzte Beschaffenheit an, ja die Scheidewände werden z. Th. siebartig
(V. 18b). Letztere Eigenthümlichkeit steht ‘wohl ohne Zweifel in Zu-
sammenhang mit den labyrinthischen Auswüchsen, die hier von den innern
Flächen der Kammerwände entspringen und, wie dies früher schon im All-
gemeinen als für einen Theil der sandigschaligen Formen charakteristisch
geschildert wurde, die Kammerhöhlungen in ein Maschenwerk von zahl-
reichen unregelmässigen Kämmerchen theilen.
Zu den interessantesten morphologischen Wachsthumsverhältnissen
der polythalamen Schalen der marinen Rhizopoden gehört die eigenthüm-
liche Umwandlung des spiralig symmetrischen Wachsthums in das sogen.
eyklische, wie wir solches unter den Imperforaten bei den Geschlechtern
Orbieulina und Orbitolites, unter den Perforaten hingegen bei Heterostegina,
Cyeloelypeus und Orbitoides antreffen. In beiden morphologischen Reihen,
welche durch diese besonderen Wachsthumsverhältnisse charakterisirt werden,
tritt noch eine weitere Eigenthümlichkeit, die wohl nicht ausser Zusammen-
hang mit der ersteren steht, hervor, nämlich eine Unterabtheilung der
ursprünglichen Kammerräume durch secundäre, in senkrechter Richtung
zu den primären verlaufende Scheidewände in eine mehr oder minder
grosse Zahl seeundärer Kammern oder Kämmerchen (chamberlets, Carpenter).
Dieselbe Erscheinung fanden wir, wenngleich von viel unregelmässigerer
Ausbildung, schon bei den sandschaligen Rhizopoden und letzthin speciell
bei der Gattung Lituola. Obwohl es sich hier um ganz unregelmässige
Untertheilungen der Kammerräume handelt, so unterliegt es doch wohl
keinem Zweifel, dass in beiden Fällen im Prineip dieselbe Erscheinung
vorliegt.
Das beste Verständniss für die Herleitung dieses eyklischen Wachs-
thums aus dem einfach spiraligen bietet die imperforate Gattung Orbieulina
dar (VI. 2) und indem wir die Betrachtung der durch ähnliche Wachthums-
vorgänge ausgezeichneten, jedoch ohne Zweifel genetisch nicht hierher
gehörigen Gattungen der Perforata auf später verschieben, beschäftigen
wir uns zunächst mit den eyklischen Imperforata und zwar der erwähnten
Gattung Orbiculina.
Diese Form lässt sich am natürlichsten herleiten von gewissen Modi-
fikationen der schon früher geschilderten Peneroplis und es unterliegt
4*
52 Rhizopoda.
wohl auch keinem Zweifel, dass es sich hier um einen wirklich genetischen
Zusammenhang handelt. Die hier in Betracht kommenden Peneroplis-
formen sind die schon erwähnten, bei welchen die jüngsten Kammern,
indem sie ihr spiraliges Wachsthum aufgeben, sich sehr rasch verbreitern,
so dass die Gesammtgestalt der Schale hierdurch eine fächerförmige wird.
Denkt man sich diese Verbreiterung rasch noch mehr anwachsen, indem
die Kammerenden sich dabei mehr und mehr um den spiraligen Anfangs-
theil der Schale herumlegen (VI. 2A), so dass schliesslich die Enden
einer gewissen Kammer sich trefien und zu einer kreisförmig geschlossenen
verschmelzen (VI. 2B), so erhält man eine ungefähre Vorstellung davon,
in welcher Weise aus den in spiraliger Anordnung aufeinanderfolgen-
den Kammern schliesslich kreisförmig geschlossene hervorgehen und das
Weiterwachsthum dann durch peripherische Neubildung soleher kreis-
förmiger Kammern eyklisch vor sich geht.
Eine etwas eingehendere Darstellung der Bauverhältnisse von Orbi-
eulina wird diese Wachsthumsvorgänge noch deutlicher machen. Mit
einer oder mehreren ziemlich ansehnlichen Embryonalkammern beginnend,
geht diese Form dann in ein symmetrisch spiraliges Wachsthum über,
das sie in regelmässiger Weise mehrere Umgänge hindurch verfolgt
(VI. 2C). Diese spiraligen Umgänge werden ähnlich wie bei Peneroplis
von zahlreichen, sehr schmalen Kammern gebildet, die sich rasch ver-
breitern, da die Umganghöhe schnell zunimmt. Diese spiraligen Umgänge
umbiüllen sich völlig und es besitzt daher die junge Schale oder der
spiralige Anfangstbeil älterer Schalen eine nahezu kuglige Gestaltung.
Die die Kammern scheidenden Septen sind sehr stark nach vorn convex
gekrümmt und die Kammerräume, wie schon erwähnt, durch auf den pri-
mären Septen senkrecht aufstehende secundäre in zahlreiche Kämmerchen
getheilt, deren Zahl sich natürlich mit der Verbreiterung der Kammern
(entsprechend der Zunahme der Umgangshöhe) rasch vermehrt. Unter
sich stehen alle diese Kämmerchen eines Kammerabschnitts durch eine,
oder bei bedeutenderer Höhe der Seceundärsepten (die Höhe hier parallel
zur Windungsaxe genommen) durch mehrere Verbindungskanäle in Com-
munication. Ebenso stehen auch die Kämmerchen der aufeinanderfolgenden
Kammerabschnitte durch Porenkanäle in Verbindung, die in Zahl ähnlichen
Schwankungen unterliegen, wie die zuvor geschilderten, und die nicht von
den Kämmerchen selbst ausgehen, sondern von den oben geschilderten
Verbindungskanälen zwischen den benachbarten Kämmerchen eines
Kammerabsehnittes (vergl. die ähnliche Bildung bei Orbitolites VI. 1A, e).
Diese letzterwähnten Porenkanäle sind es dann natürlich auch, die, indem
sie auf der Septalfläche der jüngsten Kammer münden, die Verbindung
mit der Aussenwelt herstellen (VI. 2D). — Aehnlich wie bei Peneroplis
fungiren daher statt einer einfachen Mündung hier eine oder mehrere
Reihen von Poren auf der Mündungsfläche (VI. 2E). — Die stark convexe
Vorwärtsbiegung der Primärsepten macht, dass, im Zusammenhang mit
der bedeutenden Höhe der Umgänge, die Septalflächen rasch zu sehr
Polythalame Imperforata. (Orbitolitina.) 53
ansehnlicher Ausdehnung gelangen, so dass sie bald etwa '/, der ge-
sammten Schalenperipherie bilden. Das Weiterwachsthum vollzieht sich
nun in etwas verschiedener Weise. Entweder indem das spiralige Wachs-
thum in ein geradliniges übergeht und der periphere Schalenrand in einer
ziemlich geraden Linie weiterwächst (VI. 2C*), so dass demnach hier die
Kammerenden in gerader Linie übereinander aufgestapelt sind, während
im Gegensatz zu diesem Halt, der den peripheren Kammerenden hier ge-
setzt ist, die Kammern sehr rasch nach der entgegengesetzten freien Seite
auswachsen, indem sie sich, sich immer mehr und mehr vergrössernd, um
den spiraligen Theil der Schale allmählich völlig herumziehen. Endlich
legen sie sich bei fortdauernder Neubildung und Vergrösserung um den
oben erwähnten geradlinig fortgewachsenen peripheren Schalenrand herum,
bis schliesslich eine der Kammern mit dem Ende ihrer eyklisch um die
älteren Theile herumgelagerten Partie wieder auf ihren peripherischen
Anfangstheil stösst, und so die erste völlig kreisförmig abgeschlossene
Kammer gebildet worden ist (VI. 2B). Durch weitere Neubildung solcher
kreisförmiger Kammern kann dann auch der Gesammtumriss der Schale
sich der Kreisgestalt mehr und mehr nähern, jedoch wird dieselbe in
diesem Falle gewöhnlich nicht völlig erreicht, da der geradlinig fort-
gewachsene peripherische Rand sich noch durch eine Einbiegung oder
Abstumpfung der Peripherie merklich macht. Bei der zweiten Art des
Uebergangs ins ceyklische Wachsthum bildet sich dagegen eine ziemlich
reguläre Kreisform aus, indem hier das rasche Auswachsen der Kammer-
enden beim Uebergang ins geradlinige Wachsthum gleichmässig nach dem
peripherischen wie nach dem centralen Kammerende hin geschieht. Es
lagern sich daher hier die Enden der Kammern allmählich von beiden
Seiten um den. spiraligen Anfangstheil der Schale herum (VI. 2A), und
das Zusammenstossen derselben zur Bildung der ersten eyklischen Kam-
mer vollzieht sich also in der Verlängerung der Axe des geradlinigen
Wachsthums. Mit der Neubildung von eyklischen Kammern wird hier die
ursprünglich noch vorhandene Einschnürung- rasch ausgeglichen und der
Umriss der Schale nahezu kreisförmig. Noch ist zu erwähnen, dass mit
dem Uebergang des ursprünglich spiraligen Wachsthums ins geradlinige
die Umfassung der früheren Windungen durch die neugebildeten Kammern
allmählich gänzlich aufhört, womit sich gleichzeitig auch die Höhe der
neugebildeten Kammern (im Sinne der Windungsaxe) verringert, so
dass die Schale nach dem Rande hin dünner wird und die Porenreihen
auf den Scheidewänden sich verringern, während der spiralige Anfangstheil
der Schale knopfartig hervorsteht,
In noch viel vorzüglicherer, jedoch jedenfalls prineipiell überein-
stimmender Weise tritt das cyklische Wachsthum bei der nächstver-
wandten Gattung Orbitolites hervor (VI. 1). Das wichtigste Charakte-
ristikum dieser Gattung gegenüber Orbieulina besteht in der sehr früh-
zeitigen Ausbildung der cyklischen Wachsthumsweise, indem hier
bei Orbitolites gewöhnlich auf eine recht ansehnliche Embryonal-
54 Rhizopoda.
kammer (VI. 1E, a), die von einer dieselbe zur Hälfte oder nahezu völlig
umfassenden, ansehnlichen und nur zuweilen durch eine senkrechte
Scheidewand theilweis untergetheilten zweiten Kammer umgeben wird (b),
sogleich die kreisförmig geschlossenen Reihen von kleinen Orbieulina-
artigen Kämmerchen folgen. Indem sich zahlreiche weitere derartige
Cyklen von Kämmerchen beim Weiterwachsthum ausbilden, wird die
Schalengestaltung sehr bald eine scheibenförmige mit ganz regulär
kreisförmigem Umriss (VI. 1A). Da ferner im Gegensatz zu Orbiculina
die jüngeren Cyklen allmählich an Höhe (im Sinne der Windungsaxe)
zunehmen, so verdickt sich die Scheibe nach den Rändern zu mehr oder
minder regelmässig, so dass die Flachseiten der Scheibe schwach concav
ausgehöhlt erscheinen (VI. 1, B—D), oder doch wenigstens im Centrum
eine derartige concave Aushöhlung und starke Verdünnung der Scheibe
aufweisen (im Gegensatz zu der knopfartigen Verdickung bei Orbiculina).
Die ursprüngliche Herleitung dieser cyklischen Wachsthumsweise aus
der spiraligen lässt sich jedoch zuweilen noch, wenn auch nicht so
charakteristisch wie bei Orbieulina, bei gewissen fossilen Orbitoliten nach-
weisen (auch bei dem recenten Orb. tenuissimus*) soll sich dieses Ver-
halten zum Theil zeigen), indem die ersten Kämmerchenreihen nicht als
geschlossene Cyklen hervortreten, sondern sich wie bei Orbieulina auf
die Untertheilung von spiralig angeordneten primären Kammern zurück-
führen lassen, welche jedoch hier sehr bald in das cyklische Wachsthum
übergehen. Die feineren Bauverhältnisse der kreisförmigen Kämmerchen-
reihen zeigen auch bei Örbitolites eine ziemliche Mannigfaltigkeit der
Bildung, die zur Unterscheidung von einfachen und complieirt gebauten
Formen geführt hat. Bei den ersteren (VI. 1, A u. B) besitzen die
Kämmerchen die einfache Bildung wie bei Orbieulina und eine verhältniss-
mässig geringe Höhe; jedes der Kämmerchen steht mit den benachbarten
desselben Cyklus durch eine Verbindungsröhre in Communication, während
die Verbindung der Kämmerchen der aufeinanderfolgenden Cyklen durch
radiale Röhrchen, die von jenen erstgenannten Verbindungsröhrchen ent-
springen und in die alternirend gestellten Kämmerchen des nächst jüngeren
Cyklus münden, vermittelt wird (VI. 1, A, c). Auf der peripherischen
Randfläche der Scheibe tritt so eine Reihe von Mündungsporen hervor,
welche die Ausmündungsstellen solcher radialen Röhrchen darstellen und
über denen sich in der Folge die Kämmerchen eines neuen Cyklus bilden
werden (VI. 1, A, d). Bei den complieirter gebauten Formen hingegen
(VI. 1, C u. D) beginnen die eyklischen Kämmerchenkreise im Centrum
der Scheibe in ähnlich einfacher Weise, gehen jedoch, indem die Höhe
der Kämmerchen rasch zunimmt, früher oder später in complieirtere
Bildungsverhältnisse über. Zunächst nämlich treten statt der einfachen
eirkulären Verbindungsröhren zwischen den Kämmerchen der einzelnen
Cyklen zwei solcher Verbindungsröhren auf, die nahe an die Ober- und
*) Carpenter etc. Proc. roy. soc. XVII. u. Brady 115 UI.
Polythalame Imperforata. (Orbitolites.) 55
Unterfläche der Scheibe rücken (V.4,h!ht). Gleichzeitig sondern sich hiermit
die jenseits dieser eirkulären Verbindungsröhren den Scheibenflächen anlie-
genden Theile der Kämmerchen von dem mittleren Abschnitt ab, so dass
durch diese Sonderung die peripherischen Scheibentheile wie aus 3
Kämmerchenlagen zusammengesetzt erscheinen: nämlich einer mittleren,
die nach aussen rasch an Höhe anwächst und zwei oberflächlichen (ct), die
sich auf der gesammten Scheibe nahezu in gleicher Höhe erhalten (VI. 1D).
Unter sich stehen die jedem Cyklus entsprechenden 3 Kämmerchen-
lagen (wenigstens bei den typischen Exemplaren) in Verbindung durch
Vermittlung der beiden eirkulären Verbindungsröhren jedes Cyklus, indem
sich die Kämmerchen der mittleren Lage direct (gewissermaassen wie
Communikationskanäle) zwischen den beiden eirkulären Röhren ausdehnen,
wogegen die oberflächlichen Kämmerchen so geordnet sind, dass sich ein
Cyklus von ihnen zwischen zwei aufeinanderfolgende eirkuläre Verbindungs-
röhren einschiebt und jedes der oberflächlichen Kämmerchen sich durch
je ein feines Verbindungsröhrchen mit diesen beiden eirkulären Verbindungs-
röhren in Communikation setzt. Die hohen Kämmerchen der mittleren Lage
sind wie die der einfachen Formen alternirend gestellt in den aufeinander-
folgenden Cyklen (V. 4, e) und es stehen auch die der benachbarten Cyklen
in Communikation durch feine Verbindungsröhren, die von jedem Kämmer-
chen der mittleren Lage in verschiedener, meist jedoch recht beträchtlicher
Zahl (je nach der Höhe derselben) alternirend nach rechts und links hin
entspringen und sich zuden beiden alternirend gestellten Kämmerchen des
folgenden Cyklus begeben (e u. e'). Auf dem peripherischen Rand der Scheibe
münden die entsprechenden Verbindungsröhrchen des letzten Cyklus der
mittleren Lage in Gestalt zahlreicher in mehr oder weniger regelmässigen
senkrechten Reihen neben einander gestellter Poren aus (f). Ueberhaupt ist
jedoch die Regelmässigkeit in der Bildung‘ der mittleren Kämmerchen
keine sehr grosse; häufig nehmen sie zum Theil eine recht unregelmässige
Gestaltung an und in Verbindung hiermit bilden sich accesorische, zum
Theil gleichfalls recht unregelmässig beschaffene Communikationen zwischen
den benachbarten Kämmerchen aus. Im Gegensatz hierzu stehen die
Kämmerchen der oberflächlichen Lagen unter einander in keiner direeten
Communikation und die der aufeinanderfolgenden Cyklen alterniren auch
nieht mit einander. In Betreff der Zahlenverhältnisse besteht keine Be-
ziehung zwischen den Kämmerchen der mittleren und der oberflächlichen
Lagen, stets jedoch sind die letzteren an Zahl viel reichlicher wie die
ersteren, so dass ca. 3—4 in jeder oberflächlichen Lage auf 1 Kämmerchen
der mittleren Lage kommen.
Aus dieser Schilderung der Bauweise der complieirten Formen dürfte
hervorgehen, dass eine so direete Ableitung derselben von den ein-
fachen, wie sie oben der Einfachheit der Darstellung wegen gegeben
worden ist und wie sie Carpenter darzustellen versucht, in der Natur
nicht begründet erscheint. Die Herleitung der eomplieirten Formen aus
den einfachen scheint sich vielmehr in der Weise vollzogen zu haben,
56 Rhizopoda.
dass sich allmählich die mittlere Kämmerchenlage zwischen die beiden
Hälften der ursprünglich einfachen Kammern eingeschaltet hat und im
wesentlichen darauf zu beruhen, dass sich mit der Ausbildung der zwei
gesonderten eirkularen Verbindungsröhren und ihrer weiten Trennung von
einander ein System von Verbindungsröhren (die Kämmerchen der mitt-
leren Lage) entwickelt hat. Hiernach würden also die oberflächlichen
Kammerlagen eigentlich den Kämmerchen der einfachen Form entsprechen,
jedoch zeigen sie durch ihre abweichenden Stellungsverhältnisse (nicht
alternirend in den aufeinanderfolgenden Cyklen) sich gleichfalls etwas
verschieden von dem Verhalten bei den einfach gebauten Formen. Nach
Carpenter sollen sich jedoch zahlreiche Uebergangsformen zwischen dem
einfachen und dem complieirten Typus finden, die hier näher zu schildern
der Raum gebrieht, so dass gleichwohl eine nähere Beziehung zwischen
diesen beiden zu existiren scheint, wenn auch durch die bis jetzt vor-
liegenden Schilderungen der morphologische Zusammenhang derselben
keineswegs völlig aufgeklärt scheint.
Von Interesse erscheinen einige morphologische Besonderheiten im
Schalenbau gewisser Orbitoliten. So wird zuweilen (namentlich bei ge-
wissen fossilen durch Gümbel*) näher bekannt gewordenen Formen)
das Diekenwachsthum der Randzone ein abnorm starkes, so dass die-
selbe zu einem dicken ringförmigen Wulst auswächst (Orbitolites eireum-
valvata Gmb.). Auf ähnliche abnorme Wachsthumsvorgänge in der Rand-
region der Scheibe dürfen auch die recenten Formen des eomplieirten
Typus zurückgeführt werden, bei welchen die Randpartie der Scheibe
eine krausenartige Faltung zeigt und woran sich dann schliesslich die
eigenthümlichsten Formen anreihen, wo sich von der Höhe dieser Falten,
hauptsächlich auf der einen Seite der Scheibe, senkrechte leistenartige
Auswüchse von ziemlicher Höhe entwickeln (V. 5); indem sich die Enden
dieser Leisten brückenförmig zusammenneigen, können sie schliesslich mit
einander verwachsen und der Art durch weitergehende Entwicklung in
dieser Richtung ein netzartiges durchbrochnes Dach über der einen Seiten-
fläche der Scheibe bilden.
Einen besondern Typus der morphologischen Entwickelung weist
noch unter den Imperforaten die Gattung Alveolina auf (V. 2a—b),
die in gewisser Hinsicht, nämlich durch die Untertheilung der pri-
mären Kammerräume, an die soeben genauer geschilderten Formen
sich anschliesst, dagegen in dem allgemein morphologischen Typus ihres
Schalenbaues unter den Imperforaten kein eigentliches Ebenbild hat.
Dagegen finden sich unter den Perforaten und zwar in der Abtheilung
der Nummuliniden eine Anzahl um die Gattung Fusulina sich gruppirender
Formen, die in Bezug auf die allgemeinen Gestaltsverhältnisse am meisten
an den jetzt zu besprechenden Typus der Imperforaten sich anschliessen,
wenn auch die feineren Bauverhältnisse hier ebenso wenig an eine
*) Jahrb, f, Mineral. u. Geol. 1872.
Imperforate Polythalamia. (Alveolina.) 57
genetische Zusammengehörigkeit denken lassen, als dies bezüglich der
nach ceyklischem Wachsthum sich entwickelnden Formen der Imperforaten
und der Perforaten der Fall ist.
Die zunächst ins Auge fallende Eigenthümlichkeit dieses Genus,
welche dasselbe auch mit den soeben erwähnten Fusuliniden unter den
Perforaten gemein hat, ist die meist langgestreckte, etwa ei- bis spindel-
förmige Gestaltung, welche in beiden Fällen auf den gleichen Bedingungen
beruht. Wir haben es hier nämlich mit symmetrisch spiralig aufgerollten
Schalen von völliger Involubilität zu thun, bei welchen die Umgangshöhe
im Allgemeinen eine recht geringe ist und auch nur sehr allmählich zunimmt
(siehe den Querschnitt V. 2b). Besonders ansehnlich stark sind dieselben
hingegen in der Richtung der Windungsaxe verlängert, sodass bei Alveolina
die Länge der Windungsaxe wenigstens dem Durchmesser der Schale (in
der Windungsebene gleichkommt, und die Gestalt der ganzen Schale der
Art nahezu oder völlig kugelförmig wird; gewöhnlich übertrifft jedoch
die Länge der Windungsaxe den erwähnten Durchmesser sehr beträchtlich
und damit wird die Schalengestalt eine verlängert eiförmige bis spindel-
förmige, ja sogar ceylindrische (V. 2a). Die feineren Verhältnisse der
inneren Organisation zeigen auch bei diesem Formtypus einen verschiednen
Grad von Complication, ähnlich wie wir solches schon von Orbitolites
kennen gelernt haben. Bei den einfacheren, fossilen Formen wird jeder
Umgang durch eine Anzahl primärer Septen, die jedoch im Ganzen wenig
entwickelt sind, in eine mässige Zahl von primären Kammern getheilt.
Dieselben haben im Zusammenhang mit der allgemeinen Configuration der
Schale eine niedere, jedoch in der Richtung der Windungsaxe sehr ver-
längerte bandförmige Gestalt. Die Septalflächen und die Endfläche der
letzten Kammer haben natürlich eine entsprechende Gestaltung; sie besitzen
nur eine sehr geringe Höhe, dagegen eine Länge, die von dem einen Pol
der Schale bis zu dem andern reicht. Jede Primärkammer wird durch
eine grosse Anzahl secundärer, senkrecht zur Windungsaxe verlau-
fender Septen in zahlreiche ziemlich schmale, langgestreckte secundäre
Kämmerchen getheilt, jedoch bleiben an ihrem Hinterende sämmtliche
secundäre Kämmerchen durch einen parallel der Windungsaxe in jedem
primären Kammerabschnitt ziehenden, dicht unter der äussern Oberfläche
verlaufenden Kanal in Verbindung. Auf der Endfläche der letzten
Kammer münden, wie zu erwarten, die secundären Kämmerchen je
durch einen Mündungsporus aus, so dass die Gesammtheit dieser Poren
in einer Reihe etwa längs der Mittellinie der Mündungsfläche hinzieht.
Zuweilen tritt jedoch auch hier schon eine Vermehrung der Mündungs-
poren jedes Kämmerchens zu zweien auf und eine noch reichere Ver-
mehrung dieser Poren in Zusammenhang mit weiteren inneren Com-
plieirungen charakterisirt nun die complieirter gebauten recenten Alveolinen
(V. 2). Bei diesen letzteren finden wir, dass jedes der secundären
Kämmerchen der einfachen Form durch das Auftreten von Septen 3. Ord-
nung (V. 2° d—d,), die in der 2—5 Zahl vorhanden sein können (jedoch
58 Rlızopoda.
gewöhnlich in der Dreizahl jedes Kämmerchen durchziehen) in weitere und
zwar röhrige Kämmerchen 3. Ordnung zerlegt wird (e—e,), von denen
nun jedes auf der Septal- oder Mündungsfläche durch einen besonderen
Porus nach Aussen mündet, so dass sich hier auf der Mündungsfläche
zahlreiche vertikale Reihen von gewöhnlich je 4 Poren neben einander
finden (V. 2a). Diese tertiären Septen theilen jedoch die Kämmerchen
2. Ordnung nicht völlig, sondern lassen in jedem den hintersten Abschnitt
ungetheilt (2b, f), durch welchen, wie durch eine radiale Verbindungs-
röhre, die 4—5 Kämmerchen 3. Ordnung in Verbindung stehen. Unter
sich stehen jedoch diese hintern Reste der secundären Kämmerchen jeder
Primärkammer gewöhnlich durch 2 longitudinal, parallel der Windungsaxe,
verlaufende Kanäle (2b, e u. b) in Communikation. Zu bemerken dürfte
noch sein, dass die oberflächlichsten Kämmerchen 3. Ordnung in viel
grösserer Zahl neben einander in jeder Primärkammer zu finden sind, wie
die tiefer liegenden, wodurch die oben gegebene und im Interesse des
leichteren Verständnisses gewählte Art der Ableitung dieser eomplieirten
Formen von den einfachen ähnlich wie bei Orbitolites etwas unsicher
wird. Es erinnert aber gerade diese Kleinheit und die entsprechende
grössere Zahl der oberflächlichen Kämmerchen an ähnliche Verhältnisse
bei Orbitolites.*)
Neuerdings wurde von v. Möller (116) eine fossile Foraminiferengattung unter dem
Namen Fusulinella aus dem Kohlenkalk beschrieben, die sich in allen ihren Bauverhältnissen
auf das innigste an die schon erwähnten perforirten Fusuliniden anschliesst, unter anderem
auch ein sogen. Kanalsystem aufweist, wie solches bei keiner Gattung der Imperforaten bis
jetzt gefunden wurde. Nach v. Möller soll jedoch diese Gattung Fusulinella sich durch die
fehlende Perforirung der Schalenwände von den eigentlichen Fusuliniden unterscheiden und
daher zu den Imperforata zu rechnen sein. "Trotz der Güte der v. Möller'schen Untersuchungen
können wir doch unsere Zweifel an der Richtigkeit seiner Beobachtung nicht unterdrücken,
um so mehr, als auch die Zugehörigkeit der übrigen Fusuliniden zu deu Perforaten erst sehr
allmählich festgestellt wurde. Wir werden daher erst späterhin bei der Besprechung der
Fusuliniden auf die Besonderheiten dieses Genus zurückkommen.
y.” Morphologische Verhältnisse der hauptsächlichsten Typen der poly-
thalamen Perforata.
Während uns die Betrachtung der Formtypen der Imperforaten mehr-
fach Gelegenheit gegeben hat, den Uebergang des ursprünglich spiraligen
Wachsthums in das geradlinig gestreckte zu verfolgen, bieten uns die
*) Carpenter (74, p. 104) glaubt zwischen den Örbiculinen und Alveolinen eine nahe
Verwandtschaft annehmen zu dürfen, indem sich die letztern aus den erstern durch ent-
sprechende Aenderung der allgemeinen Gestaltung leicht ableiten liessen. Gegen diese Be-
ziehung dürften sich jedoch gegründete Bedenken erheben lassen, da die secundären Septen
der Örbiculinen mit denen der einfachen Formen der Alveolinen, die doch hier zunächst in
Betracht kommen, der Lage nach gar nicht übereinstimmen, wie sich solches durch einige
Ueberlegung leicht ergibt. Während diese secundären Septen bei Orbiculina parallel zur
Windungsaxe gestellt sind, verlaufen sie dagegen, wie oben hervorgehoben, bei Alveolina senk-
recht zu dieser, womit meiner Ansicht nach ein recht principieller Unterschied zwischen beiden
Formen gegeben ist.
Perforate Polythalamia. (Nodosarien.) 59
jetzt zunächst in Betrachtung zu ziehenden einfachsten morphologischen
Bildungsverhältnisse der Perforata, die wir in der Abtheilung der Lagenida,
jedoch auch z. Th. ähnlich in der der Globigerinida antreffen, Gelegenheit,
uns davon zu überzeugen, dass auch die morphologischen Umbildungs-
verhältnisse in umgekehrter Weise ihren Verlauf nehmen können, dass
nämlich ein ursprünglich gestreckt geradliniges Wachsthum durch Ein-
krümmung in ein spiraliges sehr allmählich überführen kann. Aus den
uns früher schon bekannt gewordenen einfachsten monothalamen Formen der
Perforaten, die in der Gattung Lagena (einschliesslich Entosolenia) zusammen-
gefasst werden, gehen nämlich in sehr natürlicher und einfacher Weise
eine Reihe sehr nahe mit einander verwandter polythalamer Formen her-
vor, die von Carpenter sämmtlich dem Genus Nodosarina eingereiht
werden. Im Allgemeinen vollzieht sich die Bildung solcher polythalamer
Formen, ausgehend von der monothalamen Lagena, in der uns schon von
den Imperforaten her bekannten Weise, indem sich nämlich über die Mün-
dung einer einfachen Kammer eine neue aufsetzt, so dass die hintere
nieht mit eigenen Schalenwandungen versehene Partie dieser neuen Kammer
durch den überdeckten Theil der alten ihren Abschluss erhält und die
Mündungsöffnung der ersten Kammer in den Hohlraum der zweiten führt.
Der von der neuen Kammer überdeckte Theil der Wandung der ersten
fungirt nun als Scheidewand zwischen beiden Kammern. Dass die Ab-
leitung solcher polythalamen Formen von dem monothalamen Geschlecht
Lagena gerechtfertigt ist, ergibt sich aus gelegentlich bei gewissen Formen
des letztern auftretenden Doppelbildungen, die ganz einen solchen
Typus der Kammervermehrung darstellen. In dieser Weise können sich
eine mehr oder minder grosse Anzahl von Kammern zur Bildung einer
derartigen polythalamen Form aneinanderreihen, jedoch bieten sich im
speciellen zahlreiche, durch besondere Wachsthumsbedingungen und Ge-
staltungsverhältnisse hervorgerufene Modifikationen dar.
Die einfachsten Verhältnisse treffen wir zunächst bei einer Reihe von
Formen an, bei welcher die Kammern so aufeinander aufgesetzt sind, dass
die Axen sämmtlicher monaxoner Einzelkammern zusammen eine gerade
Linie, nämlich die Hauptaxe der ganzen polythalamen Schale bilden. Im All-
gemeinen wird die Gestalt einer solchen Schale, als deren typischer Ver-
treter die Gattung Nodosaria (in weiterem Sinne) zu betrachten ist, eine ge-
streckte, stabförmige sein (VIII. 14), jedoch geht dieselbe häufig über in eine
mehr kegelförmige, wenn nämlich die jüngeren Kammern an Grösse mehr
zunehmen; und durch besondere Gestaltungsverhältnisse der einzelnen Kam-
mern, sowie ihr gegenseitiges Verhalten, werden noch eine grosse Zahl spe-
eieller Modifikationen hervorgerufen. Bleiben die Einzelkammern nahezu
kugelig, indem sie sich gegenseitig nur wenig umfassen, so dass die Gren-
zen oder Nähte zwischen ihnen ziemlich vertieft erscheinen, so sehen wir
die wesentlichsten Eigenthümlichkeiten der Gattung Nodosaria vor uns.
Natürlich ist bei der regulären Gestaltung der Einzelkammern hier die
Mündung auch eine rundliche und genau axial gelegene (VIII. 14e).
60 Rhizopoda.
Variationen in der Form sind hier hauptsächlich durch innigeres Zusammen-
rücken der einzelnen Kammern oder aber durch Auseinanderrücken der-
selben gegeben, was in der Weise zu Stande kommt, dass, ähnlich wie
dies bei der monothalamen Lagena gewöhnlich, jede Einzelkammer eine
die Mündung tragende halsartige Röhre entwickelt und die folgenden
Kammern nur auf diese Halsröhren aufgesetzt sind, so dass demnach die
Gesammtgestalt einer solchen Nodosaria ein perlschnurartiges Aussehen
darbietet.
Durch einfache Modifikation der Gestaltung der Einzelkammern
sehen wir aus Nodosaria die als Lingulina bezeichneten Formen hervor-
gehen (VII. 23), indem nämlich die Kammern ihre kugelige Form mit
einer parallel der Hauptaxe comprimirten vertauschen und gleichzeitig
auch die axenständige Mündung entsprechend der Comprimirung der
Schale eine in die Länge gezogene, schlitzförmige wird (VII. 23b). Rücken
die Kammern inniger aufeinander als dies bei Nodosaria der Fall ist, so
dass jede jüngere ungefähr die Mündungshälfte der nächst ältern umfasst,
so entstehen kürzere, mehr oder weniger eiförmige Gestalten, indem die
umfassenden jüngeren Kammern verhältnissmässig rasch anwachsen
müssen (VII. 25). Für solehe Formen wurde von d’Orbigny der Name
Glandulina aufgestellt. Bei der Gattung Frondicularia umfassen sich
hingegen die Kammern nahezu völlig oder völlig und die eigenthümliche
Form dieser Gattung wird noch weiter durch eine sehr starke Compri-
mirung parallel der Hauptaxe bestimmt, wodurch die Gesammtgestalt
blattartig wird (VII. 26). Auch eine vier- oder dreiseitig- prismatische
Gestaltung der einzelnen Kammern ist bei der Gattung Orthocerina d’Orb.
anzutreffen und da die Kammern sehr dicht zusammengerückt sind, wird
die Gesammtgestalt der Schale hier eine drei- bis vierseitig pyra-
midale.
Bemerkenswerthere Modifikationen des allgemeinen Typus entstehen
jedoch dadurch, dass die Hauptaxe, längs welcher die Kammern gruppirt
sind, ihren geradlinigen Verlauf aufgiebt und eine mehr oder minder aus-
geprägte Einkrümmung aufweist, welche schliesslich bis zu regulär
spiraliger Einrollung führt. Die ersten Anfänge einer solchen Einkrüm-
mung sehen wir in dem Genus Dentalina realisirt, dessen Formen sich
im Allgemeinen aufs innigste an Nodosaria anschliessen, im wesent-
lichen nur durch eine schwache, bogenförmige Krümmung der Hauptaxe
unterschieden. In Verbindung hiermit steht die fast stets excentrische
Lage der Mündung, die der ceoncaven Einkrümmungsseite der Schale
genähert ist. Achnlich wie seitlich comprimirte nodosariaartige Formen
sich finden (Lingulina), sehen wir auch solche von Dentalina-artigem Bau
auftreten, sie sind durch die Benennung Vaginulina d’Orb. ausgezeichnet
worden. Ist mit einer solehen Vaginulina-artigen Gestaltung eine sehr
langgestreckte über einen ansehnlichen Theil der eonvexen Schalen-
seite sich hinziehende, schlitzförmige Mündung verbunden, so gilt die
Bezeichnung Rimulina d’Orb. (VII. 24).
Polythalame Perforata. (Nodosarien.) 61
Geht die Einkrümmung der Hauptaxe in völlig spiralige Aufrollung
über, so entsteht das Genus Cristellaria (VII. 27; VIII. 10). Jedoch
scheint dies nicht unmittelbar aus den seither beschriebenen Formen her-
vorzugehen, sondern durch Einschaltung einer vermittelnden Uebergangs-
stufe, welche durch das Geschlecht Marginulina repräsentirt wird. Bei
letzterem sehen wir die ältesten Kammern spiralig eingerollt oder doch
stark eingekrümmt, während die jüngeren in ein schwach gebogenes,
Dentalina-artiges Wachsthum übergehen. Eine starke seitliche Compri-
mirung zeichnet diese Form wie die völlig spiralige Cristellaria aus und
macht die bilaterale Bildung der Sehale, die sich schon in der Einkrüm-
mung ausspricht, noch hervorstechender. Wie bei Dentalina treffen wir
auch hier die Mündungen nieht mehr central, axenständig auf den
Einzelkammern (speciell der letzten Kammer, wo sie frei hervortritt) an,
sondern excentrisch. Jedoch zeichnet sich die Mehrzahl der hierher-
gehörigen Formen durch eine entgegengesetzte Verschiebung der Mündung
aus; dieselbe ist nämlich hier bei Marginulina wie Cristellaria an die con-
vexe Krümmungsseite der Schale verschoben, wo sie meist etwas zu-
gespitzt hervortritt (VIII. 10, 0). Wie bei Dentalina und Cristellaria ver-
laufen auch bei Marginulina die Kammernähte (oder Septalgrenzen) sehr
schief zur Hauptaxe (resp. Spiralaxe bei Cristellaria), ein Umstand, der wohl
mit der excentrischen Verlagerung der Mündung im Zusammenhang steht.
Wie gesagt, ist bei Cristellaria die spiralige Einrollung eine völlige
geworden; die einzelnen Umgänge sind verhältnissmässig stark involut
(VII. 27). Charakteristisch ist die schon erwähnte Lagerung der kleinen
gewöhnlich rundlichen Mündung. Obgleich meist rundlich gestaltet, nimmt
sie doch z. Th. auch die Form eines Schlitzes an, ja wird auch läng-
lich dreieckig (eine Mündungsform, die den wesentlichsten Charakter des
Untergenus Robulina darstellt, das jedoch kaum von den eigentlichen
Cristellarien mit einiger Schärfe zu scheiden ist).
Die mannigfachen Modifikationen der Cristellariagestalt, die sich
durch sehr wechselnde äussere Verzierungen (VII. 27) und dergleichen
entwickeln, können hier nicht Gegenstand unserer Betrachtung sein.
Doch auch in anderen der oben kurz charakterisirten nodosaria-
artigen Formtypen macht sich z. Th. eine Marginulina-ähnliche Neigung
zur spiraligen Einrollung des Anfangstheiles der Schale geltend; so unter-
scheidet Reuss einen sogen. Mischtypus Lingulinopsis, der sich von der
oben erwähnten Form Lingulina durch cristellaria-artige Einrollung der
Anfangskammern herleitet, und in ähnlicher Weise verhält sich die
d’Orbigny’sche Gattung Flabellina (VII. 26) zu der schon charakterisirten
Frondieularia.
Nach ihrer Bauweise schliessen sich den nodosaria-artig entwickelten
Formen jedoch auch eine Anzahl, z. Th. erst in neuerer Zeit bekannt
gewordener Rhizopoden mit sandiger Schale an, die früher wenigstens
theilweise den Geschlechtern Lituola und Trochammina zugesellt wurden
und auch jetzt gewöhnlich noch in näheren Anschluss an dieselben ge-
62 Rhizopoda.
bracht werden. Ueber ihre Zugehörigkeit zu den Imperforaten oder Per-
foraten scheint mit Sicherheit noch keine Entscheidung gegeben werden
zu können, obgleich sie, wie erwähnt, gewöhnlich als imperforirt be-
trachtet werden. Von ganz nodosaria-artigem Bau erscheinen die Ge-
schlechter Reophax Montf. (emmend. Brady 117 1.), Haplostiche Reuss
und Hormosina Brady (V.14, 15). Die beiden erst erwähnten Geschlechter
besitzen äusserlich eine rauhe, sandige Oberfläche und werden daher von
den englischen Forschern dem Genus Lituola näher angeschlossen, während
Hormosina wegen ihrer geglätteten Schalenoberfläche dem proteischen
Genus Trochammina P. u. J. angereiht wird. Haplostiche unterscheidet
sich von Reophax durch eine labyrinthische Kämmerchenbildung in den
Hauptkammern in ähnlicher Art, wie sich die früher erwähnte Gattung
Lituola von Haplophragmium unterschied. In ähnlicher Weise wird denn
auch die bei Reophax einfache Mündung bei Haplostiche häufig dendritisch
bis zusammengesetzt. Auch die bis jetzt nur fossil gefundene sandige
Gattung Nodosinella Brady (105) zeigt eine ziemliche Aehnlichkeit in
ihren Wachsthumsverhältnissen, ist jedoch bis jetzt noch sehr wenig genau
bekannt. Schliesslich dürften ihrer Bauweise nach (abgesehen von ihrer
wahren systematischen Stellung) hier auch noch angereiht werden die
polythalamen Formen des Genus Saccammina Sars (V.13b), die aus einer
Anzahl von spindel- bis birnförmigen Kammern bestehen, welche kurze
Röhrehen mit einander in Verbindung setzen (ähnlich wie dies auch bei
gewissen Nodosarien der Fall ist), und eine gerade oder wenig gebogene
polythalame, perlschnurartige Schale bilden. Es darf wohl mit Recht
vermuthet werden, obgleich hierüber die bis jetzt vorliegenden Unter-
suchungen der Sacc. Carteri und Schwageri, die nach diesem Typus
gebaut sind, keinen Aufschluss geben, dass die Schale auch hier ibr
Wachsthum mit einer einmündigen Kammer ähnlich Nodosaria beginnt,
und die gewöhnlich gefundenen doppelmündigen Einzelkammern (13a) nur
von dem Zerfall der vielkammerigen Schalen herrühren.
Im Anschluss an die nodosaria-artig gebauten Schalen sei hier kurz
noch einiger sehr eigenthümlicher Formtypen gedacht, die sich bis zu
einem gewissen Grade hier anzureihen scheinen, obgleich über ihre wahren
Beziehungen durch die Besprechung an diesem Ort kein Urtheil abgegeben
werden soll. Zunächst ist es die nur fossil bekannte Gattung Ellipsoi-
dina Segu., deren wir hier zu gedenken haben und deren noch nicht völlig
aufgeklärter Bau sich vielleicht in der Weise kurz versinnlichen lässt, dass
man eine Anzahl an Grösse ziemlich rasch zunehmender eiförmiger, lagena-
artiger Kammern sich vollständig successive einhüllend denkt, so dass
die aboralen Polflächen der in einander steckenden Kammern ziemlich
dicht bis zur Berührung aneinander gelagert sind, wogegen die vorderen
durch weitere Abstände getrennt werden. Unter einander stehen jedoch
die Vorderenden der Kammern durch eine axial verlaufende, säulenartige
Bildung in Verbindung, die sich nicht etwa als Homologon der röhren-
fürmig ausgezogenen Mündung der Lagenen und gewisser Nodosarien
-
Polythalame Perforata. (Chilostomella, Uvigerina.) 63
betrachten lässt, sondern als ein besonderer, häufig wenig solider Ein-
wuchs des oralen Pols der respeetiven Kammern. An der Basis jedes
zwischen zwei Kammern ausgespannten Säulenstücks findet sich ein diese
Basis halbkreisförmig umgreifender Mündungsschlitz, der häufig noch durch
zwischen seinen Rändern sich ausspannende Querbrücken in eine Anzahl
von secundären Oeffnungen getheilt wird.
Auch die erst in neuerer Zeit auch im recenten Zustand gefundene
Gattung Chilostomella Reuss besteht aus einer Anzahl eiförmiger, sich
völlig einhüllender und mit ihren Axen nahezu oder völlig zusammen-
fallender Kammern. Jede neue Kammer wächst hier mit ihrem Mündungs-
ende so an dem aboralen Pol der vorhergehenden fest, dass eine
gewisse, ziemlich schief umschriebene Fläche dieses Pols der älteren
Kammer unbedeckt bleibt. Die Mündung ist ein halbkreisförmig die
Schale umfassender Sehlitz an jener Verwachsungsstelle, der eben dadurch
entsteht, dass hier keine Verwachsung der Wand der jüngeren Kammer
mit der der älteren stattfindet. Aus den geschilderten Wachsthumsvorgängen
der Schale ergibt sich natürlich, dass ähnlich, wie wir dies bei den
Miliolinen unter den Imperforaten gesehen haben, die Mündung der auf-
einanderfolgenden Kammern abwechselnd nach dem einen und dem andern
Pol der Axe schauen, wie denn überhaupt die allgemeinen Bildungs-
verhältnisse dieser Perforaten sich sehr innig an die für das angebliche
Miliolidengenus Uniloeulina*) geltend gemachten anschliessen.
Etwas modifieirt erscheint dieselbe Bauweise in dem nächst ver-
wandten Geschlecht Allomorphina Reuss, hier bleibt die Umfassung der
Kammern unvollständig, so dass äusserlich die 3 jüngsten, ähnlich wie
bei Triloeulina, siehtbar sind; wie denn überhaupt die allgemeine Kammer-
anordnung dieser Gattung ebenso Triloculina zu entsprechen scheint, wie
für Chilostomella eine derartige Analogie zu Uniloeulina wahrscheinlich wurde.
In naher Beziehung zu den früher besprochenen Nodosarinen und
daher von Carpenter und den übrigen englischen Forschern mit denselben
in der Abtheilung der Lagenideen vereinigt, steben zwei Gattungen, die
uns zum ersten Male einen weiteren Formtypus der polythalamen Schalen-
bildung vorführen, nämlich die Aufrollung der Kammern nicht in einer
symmetrischen, sondern in einer asymmetrischen Spirale oder, besser aus-
gediückt, in einer schraubenförmigen Spirallinie. Es sind dies die haupt-
sächlich wegen der feineren Bauverhältnisse ihrer Schalenwände, sowie ihrer
Mündung als Verwandte der Nodosarinen zu erkennenden Gattungen
Uvigerina und Polymorphina (VI. 31, VII. 4). Bei beiden sind die
Kammern in einer hohen Schraubenspirale aufgerollt, so dass die Gesammt:
gestalt eine gewöhnlich ziemlich langgestreckt kegelförmige bis ovoide
wird. Stets bleibt die Zahl der auf einen Umgang kommenden Kammern
eine nur geringe, Bei Uvigerina (VII. 31) treffen wir gewöhnlich 3 ziem-
lieh kugelige, nodosaria-artige Kammern in einem Umgang an, so dass,
*) Vergl. hierüber den system. Abschn.
8 Y
64 Rhizopoda.
da die entsprechenden Kammern der aufeinanderfolgenden Umgänge sich
reihenweis übereinander ordnen, eine mehr oder. minder regelmässige
dreizeilige Anordnung resultirt. Die nahe Beziehung dieser Formen zu
den Nodosarien ergibt sich auch aus den nicht seltenen Uebergängen zu
zweizeiliger und einzeiliger Anordnung der jüngeren Kammern (gewöhn-
lich als Sagrina d’Orb. bezeichnete Formen).
Bei Polymorphina (VIII. 4), einem äusserst formenreichen und viel-
gestaltigen Geschlecht, ist die Anordnung der ziemlich schief zur Schrauben-
axe gestellten Kammern gewöhnlich eine mehr oder minder deutlich zwei-
zeilige. Die Kammern sind bald ziemlich stark blasig angeschwollen und
dann äusserlich schärfer gegen einander abgesetzt, oder indem die Einzel-
kammern sich nur wenig scharf von einander absetzen, bleibt die äussere
Schalenfläche abgerundet ohne Septalfurchen. Die jüngeren Kammern
greifen in verschiedenem Grad nach hinten auf die älteren tiber und
zwar geschieht dieses Uebergreifen gewöhnlich in beiden Kammerreihen
in verschiedenem Maasse, wodurch die ganze Schale etwas asymmetrisch
wird; ja es kann die Umhüllung der älteren Kammern so weit gehen,
dass nur die beiden jüngsten äusserlich sichtbar bleiben. —
Von morphologischem Interesse ist ein bei gewissen Formen von
Polymorphina zu beobachtendes excessives Wachsthum der letzten Kammer.
Bei Polym. concava Williamson wächst dieses keine Mündung zeigende
letzte Segment in Gestalt einer ringförmigen ansehnlichen Scheibe um die
ganze Schale in der Ebene der beiden Kammerreihen herum, so dass die
nach gewöhnlichem Typus gebauten jüngeren Kammern gleichsam im
Centrum dieser Scheibe eingelagert erscheinen. Bei Polym. d’Orbignyi
Zborz.*) (VII. 37) hingegen entwickeln sich von der Mündungsgegend
des letzten Segmentes röhrige Auswüchse, die nach hinten zu die Schale
mehr oder minder völlig überwachsen und von denen, oder auch direet
von dem letzten Segment mehr oder minder zahlreiche, sich frei erhebende,
häufig sehr reichlich verästelte, dünnwandige Röhrchen entspringen. Bei
reichlicher Entwickelung solcher verzweigter Röhrchen, welche die Schale
mehr oder weniger umwachsen haben, erscheint dieselbe wie mit hirsch-
geweihartigen Auswüchsen bedeckt. Die Mündung des letzten Segmentes
wird nicht selten durch solche Auswüchse ganz geschlossen, wogegen die
frei sich erhebenden Röhrchen an ihren Enden z. Th. geöffnet und daher
die Function der Mündung zu übernehmen im Stande sind, wenngleich
es zwar den Anschein hat, dass sie ursprünglich blind geschlossen sich
bilden und ihre Oeffnungen durch Zerbrechen der Enden entstehen. Eigen-
thiimlich ist ferner, dass sich in den von den röhrigen Auswüchsen überzoge-
nen Wänden der älteren Kammern Durchlöcherungen, zuweilen von ziemlicher
Weite finden, die wohl ohne Zweifel durch nachträgliche Resorption der
*) Jedoch nur ein Sammelname für in ähnlicher Weise variirende Modifikationen zahl-
reicher Polymorphina-Arten, Vergl. hierüber Brady, P. u, J., Monogr. of the g. Polymor-
phina (s. unt. b. Polymorphina),.
Polythalame Perforata. (Textulariden.) 65
Kalkwände erzeugt werden. (Derartige Lochbildungen sind auch in
den Wänden anderer Polymorphinen gar nicht sehr selten.) Auch die
die einzelnen Kammern scheidenden Septen des Schaleninneren zeigen
sich nicht selten stark rückgebildet bis fast gänzlich geschwunden, was
wohl gleichfalls nur auf nachträgliche Resorption zurückzuführen sein
dürfte. *)
Wie wir schon bei Uvigerina die ursprüngliche Anordnung zuweilen
in eine einreihige übergehen sahen, so tritt dieser Fall auch bei poly-
morphina-artigen Formen auf, welche auf Grund dieses Verhaltens zu einem
besonderen Geschlecht Dimorphina erhoben worden sind.
Ganz entsprechenden Wachsthumsverhältnissen und Schalengestal-
tungen, wie wir sie soeben bei den Gattungen Polymorpbina und Uvigerina
kennen gelernt haben, treten uns auch in einer grossen Mannigfaltigkeit
der Ausführung bei der Gruppe der Textulariden unter; der Abtheilung
der Globigeriniden entgegen. Auch hier finden wir im Allgemeinen ein
hoch schraubenspiraliges Wachsthum, was im Zusammenhang mit der
Grössenzunahme der jüngeren Kammern den Schalen im Ganzen ein
spitz kegelförmiges Aussehen gibt; und wie bei den letzthin besprochenen
Geschlechtern der Lagenideen variirt die Zahl der auf jedem Umgang
sich findenden Kammern in ziemlicher Ausdehnung, so dass wir zwei-
zeilige, dreizeilige und schliesslich auch eine mehr oder minder
regelmässige schraubenspiralige Anordnung, ohne den Ausdruck einer
Reihenordnung der Kammern, antreffen. Die Gestaltungsverhältnisse
zeigen sogar in den einzelnen Geschlechtern einen ziemlichen Spiel-
raum für Modifikationen, so dass es meist eigentlich untergeordnet er-
scheinende Eigenthümlichkeiten, so namentlich die Gestaltungsverhält-
nisse der Mündung, sind, durch welche die einzelnen Formkreise
gesondert werden.
Eine regulär zweizeilige und alternirende Anordnung der Kammern
herrscht in dem Genus Textularia (im engeren Sinne); indem die Kammern
ziemlich stetig anwachsen, wird die Gestalt der Gesammtschale eine
kegel- oder keilförmige (VIII. 5), da sehr häufig die Schale in der Ebene
der beiden Kammerreihen stark abgeplattet ist. Die Mündung hat eine
für dieses und die verwandten Geschlechter ziemlich charakteristische
Lagerung, sie ist nämlich nach der Schalenaxe gewendet und liegt dem
Nahtrand an, welchen die zwei aufeinanderfolgenden Kammern der beiden
Reihen bilden (VII. 5a u. b). Indem sie diesem Nahtrand meist aut
eine gewisse Ausdehnung folgt, zeigt sie gewöhnlich eine halbkreis- bis
schlitzförmige Beschaffenheit. (In seltneren Fällen sehen wir sie jedoch
auch auf die nach vorn gerichteten Endflächen der Kammern hinaufrücken,
*) Vergl. über diese Verhältnisse Alcock, Quart. journ. of mierosc. sc. T. VII. p. 237,
und Mem, of the litter. and philos. soc. of Manchester 1868 III. p. 241, sowie Brady, P. a. J.,
Transact. of Linn, soc. Vol. 27. p. 244.
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa, 5
66 Rhizopoda.
ja sogar etwas röhrenförmig ausgezogen; auch eine labyrinthische und
zusammengesetzte Beschaffenheit derselben wird z. Th. angegeben.)
Wie wir schon früher zu erwähnen Gelegenheit hatten, nehmen die
Textularia-Arten sehr häufig Sand in ihre Schalenwände auf (wie dies
überhaupt für die gesammte Gruppe dieser Formen mehr oder weniger
gültig zu sein scheint). Ganz sandschalige Formen, von Textularia entspre-
chender Bauweise, hat Reuss durch den Namen Plecanium ausgezeichnet.
An die eigentlichen Textularien schliessen sich aufs innigste Formen an,
welche die ursprünglich zweireihige Anordnung der Kammern später mit
einer einreihigen vertauschen; rein kalkschalige derartige Formen werden
unter der Bezeichnung Gemmulina d’Orb. beschrieben, während die Mehr-
zahl der hierhergehörigen Formen eine ziemlich sandige Schale besitzen
und als Bigenerina d’Orb. zusammengefasst werden. Auch eine sehr alte
Form der Kohlenformation, die von Brady (105) den Namen Climacimma
erhalten hat, zeigt einen sehr ähnlichen Bau, soll jedoch angeblich im-
perforirt sein. In die Reihe dieser sich an Textularia zunächst an-
schliessenden Formen gehören auch einige mit abweichend gebauter Mün-
dung, so zunächst die Gattung Grammostomum Ehrbg., welche eine sehr
stark comprimirte Textularia mit sehr schief zur Längsaxe gestellten
Kammern darstellt, deren Mündung ein auf dem Vorderende der
Kammern befindlicher und parallel der Compressionsebene laufender
Schlitz ist. Etwas abweichender gestaltet sich der Bau bei der Gat-
tung Pavonina (VIII. 13), deren Zugehörigkeit zu der hier besprochenen
Gruppe erst neuerdings durch Brady (117 II.) festgestellt wurde. Wir
haben hier eine bigenerina-artige Schale, deren Anfangskammern deutlich
alternirend zweizeilig geordnet sind, während die sehr rasch in die Breite
anwachsenden jüngeren Kammern in eine einzeilige Anordnung übergehen;
gleichzeitig ist die Schale sehr stark textularia-artig comprimirt, so dass
die Gesammtgestalt eine fächerartige wird. Statt einer einfachen Mündung
finden wir auf der lang bandförmigen Endfläche der jüngsten Kammer
eine Reihe von grossen Poren (13b). In Bezug auf die allgemeineren
Gestaltsverhältnisse und die Beschaffenheit der Mündung schliesst sich die
d’Orbigny’sche Gattung Cuneolina sehr nahe an die eben erwähnte Pavo-
nina an, obgleich ihr allgemeines Gestaltungsprincip ein wesentlich ver-
schiedenes ist, indem wir es hier mit einer Textulariaform zu thun haben,
die nieht im Sinne der gewöhnlichen Formen comprimirt ist, sondern in
einer hierzu senkrechten Ebene, so dass demnach bei dieser breit fächer-
förmigen Cuneolina jede der Breitseiten von einer der Kammerreihen
gebildet wird.
In nächster Beziehung zu den typischen Textularien stehen nun
jedoch noch Formen, die statt einer zweizeiligen eine dreizeilige Anordnung
der Kammern zeigen, es sind dies die zur Gattung Verneuilina d’Orb.
gerechneten Formen, welche jedoch leicht in solche tibergehen, bei welchen
die jüngeren Kammern eine zweizeilige (Gaudryina d’Orb.) und sogar
eine einzeilige Anordnung annehmen (Clavulina d’Orb. p. p.).
Polythalame Perforata. (Bulimina, Valvulina etc.) 67
Ihren allgemeinen Formverhältnissen nach reiht sich die Gattung Buli-
mina (VII. 32) mit ihren Untergeschlechtern aufs innigste hier an und wird
vorzugsweise durch Eigenthümlichkeiten der Mündung von den ähnliche
Wachsthumsverhältnisse zeigenden textularia-artigen Formen unterschieden.
Es sind hoch schraubenspiralige Formen, bei welchen eine 2—3 zeilige
Anordnung der Kammern meist nur wenig deutlich ausgeprägt ist (Buli-
mina im engeren Sinne) oder aber eine zweizeilige Textularia-artige An-
ordnung ziemlich deutlich hervortritt (Virgulina d’Orb. und Bolivina d’Orb.).
Wie gesagt, liegt das Hauptcharakteristikum in der Gestaltung der Mün-
dung. Dieselbe ist wie bei den typischen Textularien auf der nach der
Schalenaxe schauenden Fläche der Kammern angebracht und entweder
rundlich oder meist schlitzförmig in der Richtung der Axe oder etwas
schief za ihr in die Länge gezogen. Dabei ist ihr vorderes Ende meist
rundlich erweitert, so dass sie das Aussehen eines Komma’s erhält. Die
Mündungsränder, welche gewöhnlich etwas lippenförmig aufgeworfen sind,
schieben sich mit ihren hinteren Abschnitten etwas übereinander, was
gleichfalls für recht charakteristisch gelten darf. Bei den zur Gattung
Bulimina (im engeren Sinne) gehörigen Formen macht sich zuweilen eine
ziemliche Involubilität der Umgänge geltend, indem die abgeflachten
hinteren Ränder der Kammern über die früheren Umgänge mehr oder
weniger nach hinten sich hinüberlegen oder in stachelartige Fortsätze
auswachsen.
Aehnliche allgemeine Formverhältuisse, jedoch in noch grösserer
Breite schwankend, bietet auch die Gattung Valvulina dar (VII. 34. 35),
die wegen ihrer im Alter stets sandigen Schalenbeschaffenheit früher zu
den Lituolida Carpenter’s gerechnet wurde. Hoch schraubenspiralige
Formen von mehr bulimina-artigem Aussehen reichen sich hier die Hand
mit niedergedrückten kreiselförmigen und den wesentlich verbindenden
Charakter derselben bildet die Gestaltung der Mündung, die einen
bogenförmigen Schlitz darstellt, dessen einer Rand mehr oder minder
zungenförmig gegen den anderen vorspringt. Auch solche Formen können
in einreihiges Wachsthum übergehen (VII. 36) und sind von d’Orbigny
dann seinem Genus Clavulina zugerechnet worden.
Ein weiterer sehr eigenthümlicher Formtypus lässt sich von der
Gattung Textularia herleiten, indem die Axe, um welche die Kammern
zweizeilig alternirend geordnet sind, ihre gerade Streekung aufgibt und
sich selbst spiralig oder flach schraubenspiralig einrollt. In dieser Weise
gebildet sind die Genera Cassidulina d’Orb. (VIII. 6) und Ehrenbergina
Reuss. (VII. 33), von welchen sich das letztere dadurch auszeichnet, dass
bei ihm die spiralige Einrollung nur auf den älteren Schalentheil be-
schränkt ist, während der jüngere in gestrecktes Wachsthum übergeht.
Auch die zahlreichen übrigen Formen der Abtheilung der Globigerinida
sind fast sämmtlich nach dem jetzt schon vielfach erörterten Schema der
Sehraubenspirale gebaut, jedoch dadurch von den seither besprochenen
Formen abweichend, dass unter ihnen die niedere, flache Entwicklung
ra
9”
68 Rhizopoda.
der Schraubenspirale herrscht, während die seither besprochenen Formen
sich fast durchaus durch eine sehr hohe Form derselben auszeichneten.
Im Zusammenhang hiermit steht dann ferner die Eigenthümlichkeit, dass
die jetzt zu besprechenden Formen gewöhnlich eine grössere Zahl von
Kammern in einem Umgang bilden, also die Entwicklung zwei- und drei-
zeiliger Formen nicht mehr zu verfolgen ist. Zunächst ist es die Gattung
Globigerina selbst, die unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, und
auch ein erhöhtes Interesse verdient, weil sie sich durch eine ziemliche
Variabilität ihrer Gestaltung bemerkbar macht. Die typische Form der-
selben wird eben durch eine flache schraubenspiralige Anordnung ihrer
kugeligen oder nahezu kugeligen und nur wenig innig mit einander ver-
bundnen Kammern charakterisirt (VIII. 9). Indem die jüngeren Kammern
sich nur mässig vergrössern, bleibt auf der basalen Seite der Schale eine
ziemlich weite nabelartige Höhlung frei, um die sich die Kammern herum-
legen und in diese sogen. Nabelhöhle öffnen sich dann auch die gewöhnlich
halbmondförmigen Mündungen der einzelnen Kammern. Diese letztere
Eigenthümlichkeit verräth noch besonders die, auch schon aus der ge-
sammten Anordnung hervorgegangene, relative Selbständigkeit der einzelnen
Kammern. Daneben finden sich jedoch auch Globigerinaformen, bei welchen
die jüngeren Kammern so ansehnlich wachsen und anschwellen, dass sie
in der Schraubenaxe zusammenstossen und so eine Nabelhöhle nicht mehr
zur Ausbildung kommt. Auf der apicalen Seite sind hier sämmtliche
Kammern in ihrer schraubenspiraligen Anordnung zu bemerken, auf der
basalen Seite hingegen nur einige (3, 4) der jüngsten (VIH. 9). Gleich-
zeitig tritt jedoch bei den hierhergehörigen Formen (deren Typus Glob.
inflata d’Orb. bildet) nur an der jüingsten Kammer noch eine freie, an-
sehnliche Mündung auf, während die Mündungen der älteren durch die
Jüngeren überdeckt worden sind. Hierzu gesellt sich dann drittens noch
eine Reihe von Formen, welche sich in ihrem allgemeinen Bau ziemlich
nahe an die Letztbesprochenen anschliessen, bei denen jedoch die Mündung
der jüngsten Kammer klein bleibt. Dagegen entwickeln sich nun aber
hier (nach den Beobachtungen von van den Broeck [102] und Brady
[117 IL.]) auf der apicalen Seite der Schale an einer ganzen Reihe von
Kammern accessorische und ziemliche weite Oeffnungen (z. Th. sogar in
Zweizahl auf einer Kammer).
Interessant ist jedoch, dass auch die schraubenspiralige Anordnung
der Kammern in eine symmetrisch spiralige übergehen kann, wie wir
dies unter den echten Globigerinen bei einer Form (Glob. aequilateralis
Brdy. 117 II) antreffen, fernerhin jedoch auch in dem Globigerina sehr
nahe verwandten Genus Hastigerina Wyw. Thoms. sehen (IX. 1), welche
Form sich noch durch völlige Involubilität der Umgänge und eine einzige
ansehnliche Mündung auf der Endfläche der jüngsten Kammer auszeichnet.
In einer eigenthümlichen und noch keineswegs völlig aufgeklärten
Beziehung zu der besprochenen Gattung Globigerina steht die schon früher
unter den monothalamen Formen erwähnte Orbulina, welche ohne Zweifel
Polythalame Perforata. (Globigerina, Cymbalopora.) 69
zunächst mit Globigerina verwandt ist. Es hat sich nämlich durch eine
Reihe Untersuchungen von Pourtalös*), M. Schultze und Krohn**),
Reuss ***), Major Owen 7) und Aleock fr) herausgestellt, dass die kugelige
Schale zahlreicher Orbulinen eine kleine, häufig sogar bestachelte
Globigerina im Innern einschliesse (VII. 30). Es ist dieses Verhalten in
verschiedener Weise beurtbeilt worden, entweder, wie späterhin bei der
Besprechung der Fortpflanzung noch genauer zu erörtern sein wird, als
ein Fortpflauzungsakt, so von Pourtal&s, M. Schultze und Reuss, indem
man sich die Orbulinen als losgelöste Endkammern von Globigerinen
dachte, die nun, als Brutkammer fungirend, eine junge Glohigerina in sich
erzeugten, oder sich die Globigerinen enthaltenden Orbulinen durch be-
sondere Wachsthumsvorgänge aus gewöhnlichen Globigerinen hervor-
gegangen dachte. Letztere Betrachtungsweise, die zuerst von Major
Owen aufgestellt und neuerdings von Brady adoptirt wurde, erklärt sich
die Entstehung dieser globigerinenhaltigen Orbulinen in der Weise, dass
von einer gewöhnlichen Globigerina eine excessiv grosse, sämmtliche
früheren Kammern einschliessende, sphärische Endkammer gebildet werde.
So wahrscheinlich auch letztere Bildungsweise der globigerinenbaltigen
Orbulinen erscheint, so wird doch daraus noch nicht nothwendig folgen,
dass die Gattung Orbulina überhaupt gestrichen oder doch nur als Unter-
genus von Globigerina betrachtet werden müsse, wie dies Brady (und
vor ihm schon S. Owen) will, da bekanntlich, worauf namentlich Carpenter
(74) hingewiesen hat, keineswegs sämmtliche Orbulinen den Globigerina-
einschluss aufweisen. Wollte man auch letztere Formen in der von Owen
und Brady vermutheten Weise entstanden sein lassen, so müsste man zur
Erklärung eine spätere Resorption der eingeschlossenen Globigerinaschale
zu Hilfe nehmen.
In ziemlich naher morphologischer Beziehung zu Globigerina scheint
die Gattung Cymbalopora Hagen. zu stehen (IX. 4). Wir haben
hier eine etwa flach kegelförmige Schale, die ihr Wachsthum in
deutlich schraubig spiraliger Anordnung der niedrigen Kammern beginnt,
wobei, ähnlich gewissen Globigerinaformen, eine axiale Nabelhöhle
auf der Basalseite offen bleibt. Bald jedoch geht dieses schraubenspiralige
Wachsthum in ein cyklisches über, indem Ringe von Kammern, von all-
mählich sich vergrösserndem Durchmesser, an den schraubenspiraligen
Anfangstheil sich ansetzend untereinanderlagern. Wie bei den erwähnten
Globigerinaformen öffnet sich jede Kammer mit einer auf einem röhren-
förmigen Hälschen gelegenen Mündung in die gemeinsame Nabelhöhle,
soll jedoch nach Carpenter jederseits noch eine grosse gelippte Oeffnung
besitzen, vermittels welcher die benachbarten Kammern in Communikation
*) Silliim. Americ. j. 1858. XXVI.
*%*) Arch. f. Naturgesch. 1860. I.
*#*) Sitzungsb. der k. böhm. G. d. W, 1861.
-r) Journ. Linn, soc. Zool. IX,
-r) Mem. of the litterar. and philos. soc. Manchester 1868, IIT.
70 Rhizopoda,
treten (ohne dass jedoch diese Communikation eine directe wäre). Es
scheint von Interesse, namentlich im Hinblick auf die verwandtschaft-
lichen Beziehungen dieser Form zu Globigerina, dass eine ihrer Arten
(€. bulloides d’Orb.) sich durch die Bildung einer abnorm grossen orbulina-
artigen Endkammer auszeichnet, welche die Nabelhöhle erfüllt und sich
wie Orbulina durch den Besitz weiterer Porenöffnungen neben feineren
(bei mangelnder grösser Mündungsöffnung) auszeichnet.
Eine noch eigenthümlichere Modifikation des globigerina- artigen
Baues, wie wir sie soeben bei Cymbalopora kennen gelernt haben,
treffen wir bei der aufgewachsenen Gattung Carpenteria an (IX. 2).
Hier tritt einmal mit der Festheftung eine gewisse und zum Theil sogar
recht unregelmässige Bildungsweise ein, wie solches ja bei festsitzenden
Formen von uns schon mehrfach beobachtet wurde, andererseits dagegen
zeigt diese Gattung auch Spuren einer höheren Ausbildung, wie wir sie
in besserer Entwickelung in der zunächst zu besprechenden Abtheilung
der Rotalinen antreffen werden. Im Allgemeinen können wir uns die
Bauweise der Carpenteria in der Art kurz versipnlichen, dass wir uns
eine in flacher Schraubenspirale aufgerollte Globigerina mit dem Apex
der Spirale, also den ältesten und kleinsten Kammern, auf eine Unterlage
aufgewachsen denken; gleichzeitig jedoch auch die einzelnen Kammern
so innig mit einander verbunden, dass sie äusserlich nur noch sehr wenig
von einander geschieden erscheinen und die Gesammtschale etwa die
Gestaltung eines Kegels erhält, der auf der Spitze eine Oeffnung (a) zeigt.
Diese Oeffnung und die durch sie ausmündende, ziemlich vertikal in die
Schale hinabsteigende Höhlung (2b, a) entspricht der uns von Globigerina
und Cymbalopora her bekannten Nabelhöhle und wie bei jenen Formen,
so münden auch hier sämmtliche Kammern (k, K‘, k“) in diese Central-
höhle. Die Mündungsöffnung der gemeinsamen Centralhöhle auf der
Spitze des Kegels ist häufig noch der Sitz einer besonderen Entwickelung,
wie sie nur selten bei den Foraminiferen uns entgegentritt. Sie wächst
nämlich bei gewissen Formen röhrenförmig aus, ja verästelt sich dann
baumförmig (wie dies namentlich durch Carter*) und dann weiterhin
dureh Möbius**) bei einer sehr interessanten neuen und durch sehr unregel-
mässige Kammeranordnung sich auszeichnenden Form, ©. raphidodendron,
nachgewiesen wurde), wobei jedes der häufig zahlreichen Aestchen dieser
Mündungsröhre eine Oefinung zur Ausstrahlung der Pseudopodien auf-
weist. Abgesehen von ‚untergeordneten morphologischen Bauverhält-
nissen, wie eine mehr oder minder vollständige Unterabtheilung der
ursprünglichen Kammern durch secundäre Septen, sehen wir, wie schon
oben angedeutet, eine höhere Entwickelungsstufe im Schalenbau dieser
Gattung noch darin ausgeprägt, dass die Scheidewände zwischen den
*) Ann, mn. bh. 4,..AX.
*#*) Palacontographica XXV.
Polythalame Perforata. (Rotalinen.) 71
Kammern in ihrer feineren Beschaffenheit sich von den äusseren Kammer-
wandungen differenzirt haben. Während nämlich die letzteren die grobe
Perforation der Globigerinen zeigen, sind die ersteren imperforirt und aus
zwei Lamellen zusammengesetzt (26, d—d°). — Indem letztere jedoch
nicht überall vollkommen bis zu völliger Berührung aufeinander gelagert
sind, bleiben zwischen ihnen hier und da kanalartige Lücken übrig, die,
indem sie sämmtliche Septen (auch die unvollständigen, secundären)
zusammenhängend durchziehen, ein sogenanntes Kanalsystem formiren
(2b, g, g!), das uns hier zum ersten Mal begegnet, welches wir jedoch bald
bei den höher entwickelten Typen in seiner ganzen reichen Ausbildung
kennen lernen werden.
Noch einmal tritt uns der flach schraubenspiralige Typus des
Schalenbaues in einer sehr reichen und z. Th. sehr eigenthümlichen
Entfaltung in der grossen und mannigfaltigen Abtheilung der Rota-
linen entgegen. Die ziemlich beträchtliche Zahl von Gattungstypen,
welche in dieser Abtheilung, bei verhältnissmässig hohem Grad von Ueber-
einstimmung in den allgemeinen Bauverhältnissen, unterschieden werden
(welche also im wesentlichen durch Charaktere von secundärer Bedeutung
gekennzeichnet sind), veranlasst uns, bei Gelegenheit dieser morphologi-
schen Uebersicht, die zahlreichen Formen nur im Allgemeinen und im
Hinblick auf ihre mehr gemeinsamen morphologischen Charaktere zu
verfolgen.
Die einfacheren Formen der Rotalinen bieten uns im Allgemeinen
eine ähnliche Gestaltungsweise dar, wie wir sie schon bei den schrauben-
spiraligen Globigerinen. kennen gelernt haben, wie sich denn auch
durch die grob perforirte Beschaffenheit der Schalenwandungen (Dis-
corbina und Planorbulina) noch eine nähere Beziehung zu den Globi-
gerinen ergibt. Wie gesagt, ist die Höhe der Schraubenaxe stets
nur wenig beträchtlich, so dass die steilsten Formen gewöhnlich
eine mässig hohe kegelförmige Gestaltung nicht überschreiten; meist
jedoch die Erhebung der Schalenaxe eine noch geringere bleibt.
Die Gesammtgestalt der Schale ist dann eine kreisel- bis flach scheiben-
förmige (IX. 3, 6). Natürlich sind, wie dies sich aus der morpho-
logischen Bildungsweise dieser flachen scheibenförmigen Schalen ergibt,
auch bei ihnen die beiden Flachseiten verschieden gebaut und die Gesammt-
schale daher asymmetrisch. Wir bezeichnen diejenige Seite, auf welcher
sich die Spitze (Apex) der Schraubenspirale, also die älteste und kleinste
Kammer findet, als die apicale, die entgegengesetzte Seite hingegen,
welche durch die ansehnlichsten jüngsten Kammern ausgezeichnet wird,
als die basale. Die Verschiedenheit dieser beiden Seiten der Schale wird
noch dadurch erhöht, dass auf der apicalen Seite die meist recht zahl-
reichen Umgänge sämmtlich zu sehen sind (3a), da jeder folgende durch
einen etwas grösseren Durchmesser über den vorhergehenden randlich
ein wenig hervorragt. Auf der basalen Seite bleibt hingegen gewöhn-
lich nur der letzte oder doch wenig mehr als dieser Umgang sichtbar, indem
72 Rhizopoda.
die Kammern der jüngeren Umgärge sich nach der Schraubenaxe zu so
ansehnlich erweitern, dass jeder folgende Umgang den vorhergehenden
völlig oder doch nahezu völlig auf der Basalseite bedeckt. Ausserdem ist
die meist nicht sehr ansehnliche axiale Nabelhöhle, welche sich z. Th.
erhält, meist noch durch secundäre Auflagerung von Schalenmasse aus-
gefüllt, so dass in ihr nichts von den älteren Umgängen sichtbar bleibt.
Mit der asymmetrischen Entwickelung dieser Rotalinenschalen steht im
Zusammenhang, dass dieselben häufig mit einer Seite aufgewachsen sind
(Planorbulina, Truncatulina) oder doch die lebenden Thiere sich mit einer
ihrer Seiten anheften. Je nach der speciellen morphologischen Gestaltung
kann diese zur Befestigung dienende Seite bald die apicale, bald hin-
gegen die basale sein, da nämlich die Befestigung gewöhnlich mit der
flacheren Seite geschieht und in dieser Hinsicht die beiden Seiten sehr
varliren.
So sehen wir z. Th. eine ziemlich gleichmässige Wölbung beider
Seitenflächen bei der Gattung Rotalia (abgesehen natürlich von der
sonstigen Verschiedenheit dieser beiden Seiten, welche diese ziemlich
biconvexen Schalen dennoch zu asymmetrischen stempelt), oder aber es
erhebt sich die apicale Seite convex bis kegelförmig, während die basale
flach convex oder abgeplattet bleibt und zur Befestigung dient, wie dies
namentlich auch in den Gattungen Discorbina und Pulvinulina deutlich
hervortritt. Der umgekehrte Fall dagegen ist bei den Gattungen Plan-
orbulina und Truncatulina anzutreffen; hier bleibt die apicale Seite flach
oder ist sogar etwas concav ausgehöhlt, und dient daher zur Befestigung,
die basale hingegen wölbt sich convex bis kegelförmig hervor, so dass
hier die gesammte Schalengestaltung gewissermaassen umgekehrt ist. Bei
diesen letztgeannten Formen ist denn eigentlich auch von einer schrauben-
spiraligen Aufwindung nicht mehr die Rede, sondern man kann sich die
Schalengestaltung besser in der Weise entstanden denken, dass die Um-
gänge sich in regulär spiraliger Weise aufrollen, jedoch in sehr asym-
metrischer Weise nach den beiden Seiten der Spiralaxe sich entwickeln;
auf derjenigen Seite der Spiralaxe, auf welcher ihre Entwickelung gering
bleibt, sind sie sämmtlich sichtbar (apicale Seite) und diese Seite bleibt
flach, auf der entgegengesetzten aber schwellen die Umgänge rasch sehr
an, so dass die jüngeren die älteren überdecken und nur der letzte
sichtbar bleibt, die ganze Seite aber eine convex hervorgewölbte Beschaffen-
heit erhält. Auch bei der oben schon erwähnten Gattung Rotalia tritt
häufig in ähnlicher Weise die basale Seite gegenüber der apicalen durch
stärkere Wölbung hervor.
Die soeben gegebene Auffassung des Schalenbaues der Gattungen
Planorbulina und Truncatulina lässt jetzt auch leicht verstehen, dass in
nahem Anschluss an dieselben sich auch gewisse Formen finden, welche
eine nahezu symmetrisch-spiralige Bildung aufweisen, wie wir ja auch
schon bei den Globigerinen solche symmetrisch-spiralige Formen kennen
gelernt haben. (Hierher gehören die sehr flach scheibenartigen Planorbulina-
u
Polythalame Perforata, (Rotalinen.) 73
Arten und die Anomalinen d’Orbigny’s, doch zeigt auch die Gattung
Discorbina z. Th. eine Hinneigung zu regulär spiraliger Ausbildung.)
Die Zahl der auf einen Umgang kommenden Kammern ist gewöhnlich
ziemlich beträchtlich. Entweder treten diese Kammern äusserlich blasig
kugelig hervor (wie dies bei Discorbina gewöhnlich (IX. 6), z. Th. jedoch
auch bei Planorbulina der Fall ist), oder aber sie sind innig zusammen-
gepresst, so dass die Oberfläche der Schale mehr oder weniger eben wird
und die Grenzen der Kammern nur noch als Nähte hervortreten. Häufig
sind diese Nähte noch besonders ausgezeichnet durch Auflagerung von
unperforirter secundärer Schalensubstanz, die dann besondere Nahtbänder
bildet und gleichzeitig noch in verschiedener, bier nicht näher zu be-
sprechender Weise, Verzierungen auf der Oberfläche der Schale hervorruft.
Unter einander stehen die Kammern durch Septalöffnungen in Ver-
bindung, welche sich an der Basis der Septen, also da, wo die letzteren
auf den vorhergehenden Umgang sich aufsetzen, befinden. Im Allgemeinen
stellen sich diese Oeffnungen als etwa halbmondförmige Schlitze dar; im
speciellen hingegen zeigen sie bei den einzelnen Gattungen ziemliche
Verschiedenheiten, sowohl in ihrer Gestaltung als Lagerung. Bei den
oben erwähnten spiralig symmetrischen Formen lagern sich die Septal-
öffnungen gleichfalls symmetrisch. Bei den übrigen Formen dagegen ist
auch ihre Lagerung eine asymmetrische. So sind sie bei Discorbina und
Pulvinulina ganz auf die basale Seite gerückt, während sich bei der
Gattung Rotalia meist nur eine geringere Asymmetrie der mässig grossen
Mündungsöffnung durch Verschiebung nach der Basalseite findet. Etwas
eigenthümlich ist die Lage der Mündung bei der Gattung Truncatulina;
auch bier dehnt sie sich mit ihrem Haupttheil auf der basalen, hervor-
gewölbten Seite der Schale lang schlitzartig aus, erstreckt sich jedoch
auch auf die abgeflachte Oberseite, wo sie sich längs der Naht, welche
die betreffende Kammer mit dem vorhergehenden Umgang bildet, hin-
erstreckt. Da dieser letzterwähnte Theil der Mündungsöffnung auf der
abgeflachten Oberseite bei der Bildung der folgenden Kammer nicht um-
schlossen und verdeckt wird, so zeigt sich demnach hier die Eigenthüm-
lichkeit, dass wenigstens noch eine Anzahl der jüngsten Kammern durch
besondere Oeffnungen nach aussen münden; an den älteren Kammern
hingegen wird dieser frei bleibende Theil der Mündung durch Auflagerung
secundärer Schalensubstanz geschlossen.
In der Beschaffenheit der Septen zeigt sich in bei weitem den meisten
Fällen noch das einfachste Bildungsverhältniss, indem dieselben nur aus
einer einfachen Lamelle durch Einfaltung der Vorderwand jeder Kammer
gebildet werden, und meist auch in derselben Weise wie die übrigen
Schalenwände perforirt sind. In letzterer Beziehung macht sich jedoch
schon hier und da eine höhere Ausbildungsstufe geltend, indem sich die
‘gewöhnliche Perforation der Scheidewände verliert und die letzteren
nur von einer geringen Anzahl gröberer Poren durchbohrt werden.
74 Rhizopoda.
Dagegen schliesst sich die Gattung Rotalia in Betreff der Entwickelung
der Scheidewände an die höheren Ausbildungszustände der Nummuliniden
an, indem sie, ähnlich wie wir das schon bei Carpenteria fanden, Septen
besitzt, die aus zwei Lamellen bestehen, von welchen die hintere durch
Einfaltung der Wand der hinteren Kammer, die vordere durch eine ent-
sprechende Einfaltung der Wand der vorderen Kammer hervorgegangen
ist. In gleicher Weise wie bei Carpenteria, bleibt zwischen diesen beiden
Septallamellen, indem sie nicht völlig zusammenschliessen, ein Interseptal-
raum librig, der auf Längsschnitten des Septums ein kanalartiges Ansehen
darbietet, sich jedoch spaltartig fast durch das ganze Septum erstreckt
(IX. 3b). Längs der Kammernähte, auf der äusseren Oberfläche der
Schale, münden jederseits eine Reihe von Kanälchen durch Poren aus,
welche von dem entsprechenden Interseptalraum ihren Ursprung nehmen.
Indem sich nun die Interseptalräume der jtingeren Umläufe durch diese
Poren und die zu ihnen führenden Kanälchen mit den Interseptalräumen
der früheren Umgänge in Verbindung setzen, steht das gesammte sogen.
Kanalsystem der Schale in organischem Zusammenhang und gibt uns
schon eine ungefähre Vorstellung von der Entwickelung der entsprechenden
Einrichtung bei den höheren Nummuliniden.
Zum Beschluss unserer Betrachtung der Morphologie der Rotalinen-
schalen müssen wir noch auf gewisse Unregelmässigkeiten und Ab-
weichungen im Wachsthum hinweisen, die wir ja schon mehrfach und
namentlich bei festgewachsenen Rhizopoden eine nicht unbedeutende Rolle
spielen sahen. — So geht zunächst die typische Gattung Planorbulina in
ihrem entwickelteren Zustand gewöhnlich in das ceyklische Wachsthum
über (IX. 8), indem in der von uns schon mehrfach, zuletzt wieder bei
der Gattung Cymbalopora, angetroffenen Weise von dem letzten spiraligen
Umgang randlich allseitig Kammern hervorsprossen, die einen ersten
Cyklus bilden, auf dem nun in ähnlicher Weise eine grössere oder klei-
nere Zahl weiterer Cyklen folgt. Jede Kammer dieser Cyklen besitzt
statt der früheren einfachen Oeffnung deren zwei, welche seitlich und
nach Aussen schauend angebracht sind und sich gewöhnlich mit den zwei
alternirend gestellten benachbarten Kammern des folgenden Cyklus in
Verbindung setzen. Diese meist etwas lippenförmig aufgeworfenen Mün-
dungen können sich zuweilen auch hals- bis röhrenförmig ausziehen und
die durch sie in Verbindung gesetzten Cyklen von Kammern, sowie die
einzelnen Kammern selbst, auseinanderrücken, so dass in dieser Art ein
flach ausgebreitetes reticuläres Werk von Kammern und Verbindungs-
röhrehen entsteht. Jedoch sehen wir auch die Gattung Planorbulina (und
ähnlich verhalten sich zuweilen auch die jüngsten Kammern anderer
Gattungen) in ein ganz unregelmässig zusammengehäuftes Wachsthum
übergehen, das, nachdem M. Schultze eine hierhergehörige Form unter der
Bezeichnung Acervulina beschrieben hat (VIII. 17), gewöhnlich als acer-
vuline Bildungsweise oder acervulines Wachsthum unterschieden wird.
Eine sehr merkwürdige Modifikation bietet noch die Gattung Pulvinulina
Perforate Polythalamia. (Calcarina.) 75
dar (IX. 5), indem sie durch starke Abflachung in eine scheibenförmig
entwickelte Form übergeht, deren Kammern sich allmählich sehr ver-
längern, so dass schliesslich nur wenige, bis zwei, auf den Umgang kom-
men, was auch hier schliesslich in eirkuläre Anordnung überführt. Ja es
treten in diesem Fall sogar Ringe auf, welche nur aus einer einzigen in
sich zurückkehrenden Kammer bestehen (Pulvin. vermieulata d’Orb. sp.).
Eine besonders eigenthümliche Entwickelung erreicht der Rotalinen-
typus in der Gattung Calcarina und zwar nicht durch beson-
dere morphologische Anordnungs- und Wachsthumsverhältnisse der
Kammern, sondern durch die ungemein reichliche Entwickelung secundär
aufgelagerter Schalenmasse, wie wir sie ja auch schon bei den seither
besprochenen Rotalinen fanden. Dieser besonderen Bildungsverhältnisse
wegen verdient die genannte Gattung hier noch eine kurze Besprechung.
Bezüglich der allgemeinen Anordnungsverhältnisse der Kammern verhalten
sich die hierhergehörigen Formen (IX. 7) wie die meisten übrigen Rota-
linen, es bilden die Kammern eine flache Schraubenspirale, die jedoch
hier, da die Umgänge nur ziemlich allmählich an Breite zunehmen und
mit ihren axialen Rändern weit von der Schraubenaxe entfernt bleiben,
eine weite Nabelhöhle aufweisen würde, wenn nicht schon seit dem ersten
Beginn der Schalenbildung eine dicke Lage von secundärer Schalenmasse
(sogen. supplementäres Skelet Carpenter’s d, d‘) auf die primären Kammer-
wände allseitig aufgelagert würde. Durch diese Auflagerung wird die
‚weite Nabelhöhle völlig ausgefüllt. Es bildet demnach diese secundäre
Schalenmasse hier eine dieke Auflagerungsschicht über die ganze Schale
und lässt äusserlich keine Unterscheidung der Kammern mit Ausnahme
der jüngsten zu. Es ruhen daher auch hier die primären Wandungen
der jüngeren Umgänge nicht auf den entsprechenden der älteren direet
auf, sondern auf der seeundären Schalenmasse, welche diese älteren Um-
gänge tiberdeckt (7, d’, d‘). Diese secundäre Schalenmasse entwickelt
jedoch hier noch einen besonderen, in geringerem Grad auch bei gewissen
Rotalinen ausgeprägten Charakter, indem sie, schon von dem ersten Um-
gang aus, und so fort von den übrigen, am peripherischen Rand in ziem-
lich ansehnliche Stacheln auswächst (7, f, f). Zahl, Länge und Gestaltung
dieser Stacheln, welche die äussere Erscheinung der Schale hier vorzugs-
weise bestimmen, variiren sehr; bald sind sie einfach, bald an ihren
Enden verzweigt, meist jedoch stumpf abgerundet.
Während die dünnen primären Schalenwandungen grob perforirt
erscheinen, wird dagegen die gesammte secundäre Schalensubstanz von
zahlreichen, im Allgemeinen radiär nach der Oberfläche der Schale strah-
lenden, unter einander jedoch vielfach anastomosirenden Kanälen durch-
zogen, die auf der Schalenoberfläche ausmünden. Indem jedoch gewisse
gleichfalls radial ziehende Partien von solchen Kanälen frei bleiben, bilden
sie zapfenähnliche solide, in der kanalisirten Masse steckende Partien
(7, e'‘, e'), die auf der Oberfläche tuberkelartig vorspringen (7, e). Carpenter
bezeichnet das die secundäre Schalensubstanz durehziehende Kanalwerk
76 Rhizopoda.
auch hier als Kanalsystem und stellt es in eine Kategorie mit dem oben
beschriebenen Kanalsystem der Carpenteria, Rotalia und dem noch weiter-
hin zu besprechenden der Nummuliniden. Ich kann hingegen eine Bildung,
ähnlich dem Kanalsystem der erwähnten übrigen Formen, hier nicht er-
kennen, da ihm der wichtige Charakter desselben, nämlich aus Inter-
septalräumen wenigstens zum Theil hervorgegangen zu sein, abgeht. Die
Septen der Calcarina sind einfach und enthalten keine Kanalräume.
Auch in der Bildung der Septalöffnung zeigt sich bei Calcarina eine
Abweichung von den eigentlichen Rotalinen; statt einer einfachen findet _
sich hier am basalen Rand des Septums eine Reihe porenartiger Oeff-
nungen; im Uebrigen sind die Scheidewände hier imperforirt. *)
Die höchste Ausbildungsstufe erreicht der Schalenbau der Rhizopoden,
wie schon mehrfach angedeutet wurde, in der Abtheilung der Nummuli-
niden; wo, wie dies ja ein überhaupt in der Thierwelt mehr oder minder
gültiges Gesetz zu sein scheint, mit der höheren Stufe der Entwickelung
im Allgemeinen auch eine ansehnliche Grösse verbunden ist. Innerhalb
dieser Abtheilung begegnen wir aber dennoch einfacheren, ja verhältniss-
mässig sehr einfach gebauten Formen neben den complieirten, und
sind im Stande, eine mehr oder minder zusammenhängende Reihe von
allmählich fortschreitenden Ausbildungszuständen nachzuweisen, von den
einfachsten ausgehend, bis zu den höchst entwickelten fortschreitend.
Was die gemeinsamen morphologischen Charaktere der hier zusammen-
gefassten Formen betrifft, so können wir die fast durchweg regulär spi-
ralige Aufrollung hervorheben, welche in seltenen Fällen etwas zur asym-
metrisch schraubenförmigen hinneigt und bei den höchstentwickelten
Formen in ähnlicher Weise den Uebergang ins eyklische Wachsthum
darbietet, wie wir dies auch schon in der Reihe der Imperforaten gesehen
haben. Fast durchaus ist fernerhin diese regulärspiralige Schale durch
einen hohen Grad von Involubilität ausgezeichnet, obgleich in dieser Hin-
sicht auch Modifikationen sich finden. Die höher entwickelten Formen
zeichnen sich durch die sehr vollständige Ausbildung eines, von uns schon
in geringeren Entwickelungsstufen besprochenen, sogen. Kanalsystems
aus und als weiteren Charakter, der uns zwar hier nicht näher berührt,
dürfen wir noch die fast durchaus sehr feine Perforirung der Schalen-
wände hervorheben.
Als einfachste hierhergehörige Form können wir, indem wir absehen
von gewissen schon kurz besprochenen monothalamen, durch engere Ver-
wandtschaftsbande sich hier wahrscheinlich anschliessenden Typen (wie
Involutina und Archaeodiscus), die Gattung Pullenia P. u. J. betrachten
*) Unter den sandschaligen und angeblich imperforaten Formen des, wie schon mehrfach
bemerkt, eine grosse Zahl sehr verschiedenartiger Gestalten umschliessenden Genus Trocham-
mina P. u. J. finden sich auch eine Anzahl Arten, die sich in ihrer allgemeinen Bauweise
sehr nahe an die Rotalinen anschliessen. Es erscheint daher wohl nicht unmöglich, dass sich
durch genauere Untersuchungen für diese Formen ein näherer Anschluss an die eben betrach-
tete Gruppe der Globigeriniden herausstellen dürfte.
“
tee
Perforate Polythalamia. (Pullenia, Sphaeroidina etc.) ir
(IX. 14). Dieselbe wird zwar gewöhnlich in die Nähe der Globigerinen
gestellt, mit deren symmetrisch spiraligen Formen sie wohl auch durch
verwandtschaftliche Beziehungen verknüpft sein dürfte, doch scheinen ihre
Beziehungen zu den Nummuliniden, hauptsächlich bei Berücksichtigung
erst in neuerer Zeit aufgefundener Zwischenstufen, recht innige. Diese
nur durch wenige Modifikationen vertretene kleine Form bietet uns
das Bild einer symmetrisch spiraligen Schale mit nahezu oder völlig
involuten Umgängen, die sich aus einer geringen Anzahl (4—5)
. verhältnissmässig sehr rasch an Grösse zunehmender Kammern zusammen-
setzen. Die verhältnissmässig geringe Höhe der Kammern in Verbindung
mit ihrer ansehnlichen Breite macht die Gesammtgestalt der Schale zu
einer nahezu kugeligen. Die Septalöffnung ist ein sehr breiter und
niedriger Schlitz an der Basis der Septen. Letztere sind, so weit die
vorliegenden Untersuehungen hierüber Aufschluss verleihen, einfach und
von derselben feineren Structur wie die übrigen Theile der Kammer-
wandung.
Als nahe verwandt mit der soeben kurz beschriebenen Form wird
gewöhnlich die Gattung Sphaeroidina (IX. 15) betrachtet, der wir
daher hier noch einige wenige Worte widmen wollen. In vieler
Hinsicht an Pullenia sich anschliessend, weicht sie von dieser durch die
etwas asymmetrische schraubenspiralige Aufrollung ab, ist gleichfalls ganz
involut, so dass äusserlich meist nur die 3 letzten Kammern sichtbar
sind. Am abweichendsten verhält sich die Mündung, welche sich dureh
Kleinheit und asymmetrische Lage sehr von der von Pullenia unterscheidet.
Möglicherweise dürfte sich eine neuerdings von Wallich*) beschriebene,
jedoch noch nicht ausreichend bekannte Gattung (Rupertia) ebenfalls näher
an Pullenia anschliessen. Es ist dies eine Form, welehe namentlich durch
einen nur selten bei den kalkschaligen Rhizopoden beobachteten Charakter
sich auszeichnet. Sie erhebt sich nämlich auf einem, jedenfalls durch Aus-
scheidung secundärer, nichtperforirter Schalenmasse gebildeten Stiele. Auf
diesem ziemlich dicken Stiel ist eine an Pullenia, hauptsächlich durch die
ähnlich gestaltete Mündung, erinnernde Schale aufgewachsen, welche
jedoch eine viel unregelmässigere Bildung besitzt und daher auch in
mancher Beziehung an gewisse Rotalinen, so namentlich die Gattung
Planorbulina, erinnert.
Wir erlauben uns an dieser Stelle einzuschalten, dass schon früher
gelegentlich durch Macdonald (59) eine ähnliche, wenngleich nicht ganz
sichere, Stielbildung bei einer zu den Rotalinen gehörigen und von Parker
und Jones als Calcarina Spengleri gedeuteten Form beschrieben wurde,
auch bei einer Nummulites ähnlichen, jedoch nicht näher zu bestimmenden
Form will er eine solche Stielbildung beobachtet haben (wogegen die
übrigen von ihm als Stielbildungen beschriebenen Verlängerungen nichts
2A. min. h. 4, XX.
78 Rhizopoda.
weiter wie die bekanntlich bei gewissen Formen röhrenförmig ausgezogenen
Schalenmündungen sind).
In nahem Anschluss an die jetzt noch lebende Gattung Pullenia
scheinen mir eine Anzahl fossiler, erst in neuerer Zeit, vorzüglich
durch Brady (105) und v. Möller (116), näher bekannt gewordener Gat-
tungen zu stehen, welche jedoch wenigstens zum Theil schon auf einer
höheren Ausbildungsstufe stehen. In ihrer allgemeinen Gestaltung nähern
sich diese, hauptsächlich durch Endothyra Phill. (IX. 16) und Bradyina
v. Möll. (IX. 17) vertretenen Formen der Gattung Pullenia recht sehr,
unterscheiden sich jedoch durch eine, wenngleich sehr geringe, schraubig
spiralige Aufrollung der Umgänge, welche zwar bei der völligen Involu-
bilität der Umgänge nur wenig hervortritt, aber doch eine etwas asym-
metrische Gestaltung der Schale bedingt. Die Zahl der Kammern in den
Umgängen ist auch hier im Ganzen gering und ihr Wachsthum in die
Breite rasch, wodurch eben, im Zusammenhang mit den schon hervor-
gehobenen Charakteren, die allgemeine Aehnlichkeit mit Pullenia wesentlich
bedingt wird. Bei Endotbyra sehen wir denn auch dieselbe weite Mündung
wie bei Pullenia die einfachen und in ihrer feinporösen Beschaffenheit sich
nicht von den übrigen Kammerwandungen unterscheidenden Septen durch-
setzen. Sehr eigenthümlich gestalten sich hingegen die Mündungsverhältnisse
bei der Gattung Bradyina und der nahe verwandten Cribrospira; hier
soll nach den Möller’schen Untersuchungen jedes Septum anfänglich völlig
geschlossen gebildet werden, so dass also das jüngste Septum oder die
Endfläche der jüngsten Kammer keine Mündung aufweist. Nach Bildung
einer weiteren Kammer wird der dünne Basaltheil des Septums zerstört
und damit eine ähnliche weite Communikationsöffnung zwischen den
Kammern hergestellt wie bei Endothyra und Pullenia.
Während bei der genannten Cribrospira die Septen noch einfach
gebaut, jedoch von grösseren Poren wie die übrigen Schalenwandungen
durchbrochen werden, stehen dagegen die Septen von Bradyina auf einer
höheren Ausbildungsstufe, indem sie von zwei Lamellen zusammengesetzt
werden, zwischen welchen eine Anzahl radiär verlaufender Interseptal-
kanäle frei bleiben, die auf der Oberfläche der Schale längs der Kammer-
nähte in ziemlich ansehnlichen Poren ausmünden. Andererseits münden
jedoch diese Interseptalkanäle auch frei in die Kammerhöhlungen aus und
zwar sowohl auf der centralen freien Schneide der Septen wie auch auf
deren vorderer und hinterer Fläche. Im Prineip gestaltet sich daher das
Kanalsystem hier recht ähnlich dem schon früher bei Rotalia kennen
gelernten und schliesst sich an die noch weiter bei den Nummuliniden
auftretenden höheren Ausbildungsstufen desselben an.
Sehr nahe Beziehungen zu den seither besprochenen Formen scheint
mir die Gattung Amphistegina d’Orb. (X. 1—3) aufzuweisen, wenngleich
dieselbe auch von neueren Forschern gelegentlich zu den Rotalinen gezogen
wurde. An die letztbesprochenen Genera schliesst sich Ampbhistegina
Perforate Polythalamia. (Amphistegina, Nonionina etc.) 79
speciell dadurch näher an, dass ihre ganz involute Schale eine ziemlich
bedeutende Asymmetrie der beiden Seitenflächen aufweist (X. 3). Es
lässt sich diese Asymmetrie entweder auf eine schwach schraubenspiralige
Anordnung oder, wie es hier auf dem Durchschnitt der Schale eigentlich
mehr. den Anschein hat, nur auf eine stärkere, asymmetrische Ausbildung
der einen Seite zurückführen. Diese durch stärkeres, etwa stumpf-
kegeliges Hervorspringen ausgezeichnete Seite (X. 3,b!) wird, da die
Septalöffnungen ähnlich wie bei den asymmetrischen Rotalinen sämmtlich
auf diese Schalenseite verschoben sind (3, f), als die Unterseite bezeichnet.
Im Gegensatz zu den seither besprochenen Formen sehen wir hier die
Umgangshöhe nur sehr allmählich anwachsen und da gleichzeitig die
Umgänge auch in der Richtung der Windungsaxe nur mässig zunehmen,
besitzt die Gesammtgestalt hier nicht das kugelige Aussehen der letzt-
besprochenen Formen, sondern nähert sich mehr einer biconvexen Gestal-
tung (X. le). Die Zahl der auf einen Umgang kommenden Kammern
ist sehr ansehnlich, die die Kammern scheidenden Septen sind sehr
schief zur Spiralaxe gestellt und zeigen noch eine besondere, auf der
Unterseite hervortretende Eigenthümlichkeit, welche für unsere Gattung
vorzugsweise bemerkenswerth ist. Auf der Oberseite der Schale reprä-
sentiren sich die zahlreichen Kammernähte als stark nach vorn geknickte
Linien (X. 1a); auf der Unterseite dagegen sehen wir anscheinend zwei
concentrisch umeinander gelagerte Kämmerchenspiralen (X. 1b). Und in
der That ist eiwas derartiges hier auch wirklich zur Ausbildung gelangt.
Es hat sich nämlich auf der Unterseite die flügelartig nach der Axe hin
um die früheren Umgänge herumlegende Verlängerung der Kammern
durch eine secundäre Scheidewand von dem peripherischen Kammertheil
abgesondert und diese beiden Theile jeder Kammerhälfte der Unterseite
stehen nur noch durch eine meist enge Communikationsöffnung in Ver-
bindung, was sich namentlich gut an Steinkernen fossiler Schalen nach-
weisen lässt (X. 2, a). Die Septen selbst sind von einfacher Bildung und
ausser der basal und auf der Unterseite der Schale gelegenen ziemlich
ansehnlichen Septalöffnung weisen sie gewöhnlich nur noch eine Anzahl
grober Poren auf. Wie wir ähnliches auch noch bei den weiterhin
zu besprechenden Formen finden werden, sehen wir auch hier die um die
Windungsaxe gelagerte Schalenpartie (X. 3, b, b') aus dichter, nicht
perforirter Schalensubstanz aufgebaut und ein Streif ähnlicher nicht per-
forirter Substanz bildet ferner ein durch den Verlauf der Rückenspirale
bezeichnetes Band in den Umgangswandungen, das man seiner Lage
nach den Dorsalstrang nennt (3, c?, c?). Ein Kanalsystem ist bei der
eben kurz geschilderten Form nicht angedeutet.
Eine hohe, ja die höchste Entwickelungsstufe erreicht hingegen das
Kanalsystem bei den beiden in sehr naher Beziehung zu einander stehen-
den Gattungen Nonionina und Polystomella, zwischen welchen, da
sie durch zahlreiche Uebergangsformen mit einander verknüpft scheinen,
eine scharfe Grenzlinie nicht zu ziehen ist.
30 Rhizopoda.
Die bei weitem einfacheren Formen umschliesst die Gattung Nonio-
nina, die in ihren allgemeinen Gestaltsverhältnissen sich z. Th. noch sehr
nahe an Pullenia und Endothyra anreiht. Im Gegensatz zu letzterer
Gattung jedoch haben wir hier fast durchaus regulär-symmetrisch gestal-
tete Formen von gewöhnlich sehr bedeutender, bis völliger Involubilität.
Die Zahl der auf einen Umgang kommenden Kammern ist meist ziem-
lich beträchtlich und die Zunahme der Umgangshöhe nicht sehr be-
deutend. Zuweilen jedoch wächst der letzte Umgang recht beträchtlich
in die Höhe und es nähert sich damit die ganze Gestaltung der nahe
verwandten Gattung Opereulina. Die weniger involuten Formen können
jederseits eine recht deutliche Nabelhöhle aufweisen, meist jedoch wird
dieselbe durch secundäre Schalenmasse völlig ausgefüllt und die Ablagerung
derselben erstreckt sich zuweilen strahlenartig von dem Nabel aus auf
die Kammernähte, so dass hierdurch eine sternartige Figur auf den Seiten
der Schale gebildet wird.
Die ziemlich senkreeht zur Spiralaxe verlaufenden Septen werden
von einer basalen schlitzartigen Mündung durchbohrt. Sie sind nicht
perforirt wie die Kammerwandungen, aus zwei Lamellen zusammengesetzt,
zwischen welchen sich ein Kanalsystem entwickelt. Wie sich die Ent-
faltung dieses Kanalsystems speciell bei den Nonioninen gestaltet, scheint
noch wenig sicher bekannt zu sein. Nach den Angaben von Parker und
Jones ist es häufig sehr wenig ausgebildet oder soll sogar gänzlich fehlen.
Wir schildern hier die Ausbildung des Kanalsystems bei den Nonionina
so nahestehenden Polystomellen (nach den Untersuchungen Carpenter’s),
welchen sich in dieser Hinsicht auch die Nonioninen, wenigstens in ihren
höher entwickelten Formen, anschliessen werden. Jederseits bemerkt man
hier in jedem Septum einen Interseptalkanal, der dieht unterhalb der
äusseren Schalenoberfläche verläuft und an der Rückenseite des Septums
in den der andern Seite übergeht (X. 6c, d). Von jedem dieser Kanäle
entspringen vorn und hinten, nach der Schalenoberfläche zu, zahlreiche
secundäre Kanälchen (6e, f), die wie bei Rotalia auf der Oberfläche der
Kammern längs der Kammernähte in je einer vordern und hintern Reihe
von Poren ausmünden. Die Interseptalkanäle jeder Seite nehmen ihren
Ursprung von einem jederseits der Schale verlaufenden Spiralkanal (X. 6e,
e; 6b, e u. e!), der in der Gegend der Embryonalkammer aus einer Art
lakunären Lückenwerks, wie es häufig scheint, beginnend, die nach der
Windungsaxe schauenden Ränder der Umgänge begleitet. Die Bildung
dieser Spiralkanäle kann man sich in der Weise vor sich gehend denken,
dass, bei der Auflagerung jedes neuen Umgangs auf den vorhergehenden,
ein solcher spiraliger Kanal zwischen der Oberfläche des vorhergehenden
Umgangs und der sich auflagernden Wandung des folgenden frei gelassen
wird. Von diesen Spiralkanälen entspringen dann noch bei denjenigen
Formen, bei welchen der Nabel von einer seeundären Auflagerungsmasse
ausgefüllt wird, zahlreiche letztere durchsetzende Kanälchen, welche in
ne
Polythalame Perforata. (Polystomella, Operculina.) si
ziemlich gestreckter Richtung nach der Schalenoberfläche aufsteigen und
hier ausmünden (X. 6b).
Wie gesagt, besitzt dieses Kanalsystem seine höchste, eben geschil-
derte Ausbildung bei der Gattung Polystomella; jedoch sind es noch
einige nicht uninteressante morphologische Eigenthümlichkeiten, welche
letztere weiterhin charakterisiren. Schon bei eigentlichen Nonioninen zeigt
sich nicht selten eine Hinneigung zum Zerfall der schlitzartigen Septal-
- öffnung in eine grössere Anzahl secundärer, porenartiger Oeffnungen.
Letzteres Verhalten ist dann für die eigentlichen Polystomellen typisch
geworden; es findet sich also hier statt einer einfachen Septalöffnung eine
Reihe längs des ganzen Basalrandes des Septums hinziehender Poren
(6b u. 6c, s). Ausserdem bilden sich jedoch hier weiterhin am periphe-
rischen Rand der Septen eigenthümliche, dicht unter der Schalenoberfläche
sich entwieckelnde und entweder in die hintergelegene Kammer hinein-
ragende, sackartige Ausstülpungen, oder röhrenförmig in die äussere
Kammerwandung sich erstreckende Fortsetzungen. Auch auf die Con-
figuration der Schalenoberfläche sind diese Bildungen von Einfluss, indem
entweder bei der letzterwähnten Ausbildungsform derselben längs dem
hinteren Rand jeder Kammer grubenförmige, je zwischen zwei der Septal-
röhrchen gelegene Einsenkungen sich finden (XI. 2g), oder aber bei der
erstgenannten Ausbildungsform eine Längsfurchenbildung, welche haupt-
sächlich auf dem jüngsten Umgang hervortritt (X. 6a), von jener eigen-
thümlichen Beschaffenheit der Septen äusserlich Zeugniss gibt.
Wie wir schon öfter den innigen Zusammenhang von kalk- und
sandschaligen Formen zu constatiren hatten, so sehen wir denn auch
sandschalige Rhizopoden auftreten, die sich in ihrer Gestaltung so nahe an
Nonionina anschliessen, dass ich ihre Hierhergehörigkeit nicht bezweifeln
kann. Eine solche Form ist z. B. von Brady (117 1.) als Angehörige
der Gattung Trochammina (Tr. trulissata Brdy.) geschildert worden, eine
andere, wohl gleichfalls sich hier anschliessende, sandschalige Form ist
noch deshalb von besonderem Interesse, weil. Carter*) bei ihr die Per-
foration der Wände sehr wahrscheinlich gemacht hat. Es ist dies die von
Brady (117 I.) zum besonderen Geschlecht erhobene Cyelammina, bei
welcher sich nach letzterem Beobachter der von Sandrhizopoden schon
vielfach hervorgehobene Charakter auch wieder zeigen soll, nämlich die
z. Th. völlige Erfüllung der Kammerhöhlungen durch Auswüchse der Wände,
In sehr inniger Beziehung zu einander stehen die beiden Gattungen
Opereculina (X.4) und Nummulites (XII. 1—10), so dass es eigentlich
nur gewisse Wachsthumsverhältnisse sind, welche dieselben unterscheiden.
Andererseits schliessen sie sich auch recht innig an die letztbesprochenen
Formen, Nonionina und Polystomella, an.
Wir haben hier gleichfalls wieder (mit seltenen kleinen Abweichungen)
die regulär spiralische Aufrollung, welche zwischen völliger und geringer
*) A. m. n. h. 4. XIX.
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa, [9
82 Rhizopoda.
Involubilität schwanken kann. Da jedoch bei den wenig involuten Formen
(wie z. B. Opereulina und den in der Untergattung Assilina zusammen-
gefassten Formen von Nummulites), wenn auch die Kammerhöhlungen der
jüngeren Umgänge nicht bis zu völliger Umfassung der früheren Umgänge
sich ausdehnen, doch die Schalenwandang der jüngeren Umgänge sich
verstärkend auf die vorhergehenden überlegt, so darf hier dennoch, wie
dies auch bei einem Theil der Polystomellen der Fall ist, von völliger
Involubilität gesprochen werden.
Die auf allgemeinen Wachsthumsverhältnissen beruhenden Unterschiede
beider Gattungen sind hauptsächlich: das verhältnissmässig sehr rasche
Anwachsen der Umgangshöhe bei Opereulina (X. 4a u. b), was sich
namentlich in der raschen Höhenzunahme des letzten Umgangs ausspricht
und mit der geringen Ausdehnung in der Richtung der Windungsaxe eine
meist sehr abgeflachte, scheibenförmige Gestalt der Schale bedingt. Bei
Nummulites hingegen wachsen die meist sehr zahlreichen Umgänge nur
sehr allmählich, häufig nahezu unmerklich in die Höhe (XII. 1, 2, 6) und
eine opereulina-artige Erhöhung des letzten Umgangs tritt nie auf, sondern
die ausgewachsene Schale scheint sich im Gegentheil ziemlich allgemein,
wie dies schon früher angedeutet wurde, durch Uebergang der spiraligen
Aufrollung in eine kreisförmige zu schliessen.
Bei beiden Gattungen sehen wir zahlreiche ziemlich genau radiale und
nach vorn etwas convex hervorgewölbte Septen die einzelnen Kammern
scheiden, zwischen welchen an der Basis der Septen gelegene, spaltartige
Oeffnungen die Communikation herstellen (X. 4b, e uud XI. 8, e).
Gemeinsam für beide ist fernerhin die Ausbildung eines aus nicht per-
forirter Schalensubstanz bestehenden sogen. Dorsalstrangs (X. 4b, a—a?
u. XII. 6 u. 8, a—a!), wie wir ihn ähnlich auch schon bei der Gattung
Amphistegina angetroffen haben. Hier zeichnet sich derselbe durch seine
bei Opereulina sehr deutliche Zusammensetzung aus parallel der Spiral-
axe gelagerten Kalkspieula aus*), fernerhin jedoch noch durch die ihn
der Längsrichtung nach durchziehenden zahlreichen Kanäle, welche
unter sich vielfach anastomosiren und einen Abschnitt des hochausgebil-
deten Kanalsystems darstellen, den wir bei Polystomella sammt dem
Dorsalstrang vermissten. Bei Nummulites treten unter den Längskanälen
des Dorsalstrangs hauptsächlich zwei Paar ansehnlich hervor (XII. 8, a).
Das übrige Kanalsystem wird auch hier durch dasselbe Paar ansehnlicber
Spiralkanäle gebildet (X. 4b, 4c, h, XII. 8), welche wir auch schon bei
Polystomella angetroffen haben, jedoch ist ihre Lage hier eine etwas
andere, indem sie einander näher gerückt sind, zu beiden Seiten des
Dorsalstrangs und demselben aufgelagert hinziehen, also die Septen jeder-
seits dicht neben den seitlichen Enden der spaltartigen Septalöffnung
durchsetzen. Zwischen die beiden Lamellen jedes Septums schickt der
*) Gegenüber Carpenter muss ich, nach eigner Untersuchung, die von Carter an-
gegebene Zusammensetzung des Dorsalstrangs aus Kalkspicula bestätigen.
Polythalame Perforata. (Nummulites.) s3
Spiralkanal jeder Seite einen nach dem Dorsalstrang aufsteigenden Inter-
septalkanal (X. 4b, 4e, g; u. X. 8f, 10b), der sich während seines Ver-
laufs meist vielfach verzweigt und indem die Zweige jeder Seite unter
sich, häufig jedoch auch mit denen der gegenüberliegenden Seite anasto-
mosenartige Verbindungen eingehen, entsteht ein netzartiges Kanalwerk
von mehr oder minder regulärer Ausbildung. Von dem in der Dorsal-
partie des Septums gelegenen Theil dieses Gefässwerkes nehmen denn
auch die den Dorsalstrang durchziehenden Gefässe ihren Ursprung (X,
4c, al). Bei Nummulites wenigstens ist ferner der Zusammenhang der
Kanäle des Dorsalstrangs mit den beiden ihm aufliegenden Spiralkanälen
des folgenden Umgangs sichergestellt, so dass also in dieser Weise das
Kanalsystem der aufeinanderfolgenden Umgänge und schliesslich das der
ganzen Schale in Zusammenhang steht. Wie bei Polystomella sehen wir
fernerhin auch bei Opereulina von den Interseptalkanälen jedes Septums
zahlreiche Aestchen nach der äusseren Schalenoberfläche dringen und
hier jederseits der durch imperforirte Schalenmasse ausgezeichneten Kammer-
naht in je einer Porenreihe ausmünden (X. 4b, b). Etwas anders hin-
gegen gestalten sich diese Verhältnisse bei Nummulites, indem hier jene
nach aussen führenden Aestchen nicht gleichmässig längs jeder Kammer-
naht sich erstrecken (wie denn hier auch die Kammernähte nieht wie bei
ÖOpereulina durch einen fortlaufenden Streif imperforirter Substanz aus-
gezeichnet sind), sondern es dringen sowohl von den Interseptalkanälen,
als auch direct von den Spiralkanälen, Bündel feiner nach aussen führender
Zweigkanälchen in zapfenartige nach der Schalenoberfläche sich erweiternde
und über den Septen die feintubulirten Schalenwände durchsetzende Par-
tien imperforirter Substanz ein (XII. 8e), um auf der tuberkelartig vor-
springenden Aussenfläche dieser Zapfen oder Pfeiler auszumünden (XI.
6, e, 9e). Wenn nun, wie dies bei den involuten Nummuliten gewöhn-
lich der Fall ist, derartige Zapfen nicht perforirter, jedoch von Zweigen
des Kanalsystems durchzogener Schalensubstanz der übereinandergelagerten
Umgänge- aufeinandertreffen, so setzen sie sich direct ineinander fort
(XL. 2, 9e). Wir begegnen dann auf den Durchschnitten solcher Schalen
sehr häufig derartigen Pfeilern, welche durch mehrere, ja durch sämmtliche
Umgänge hindurch sich fortsetzen. Die Septen werden ausser von der
Septalöffnung noch von einer Anzahl gröberer Poren durchbrochen, welche
auch z. Th. eine Communikation der Interseptalkanäle mit den Kammer-
räumen herstellen. Im übrigen sind wenigstens bei Opereulina die Septen
imperforirt, wogegen für Nummulites (z. Th.) von v. Möller (116), wie
früher auch schon von d’Archiac und Haime, eine perforirte Beschaffenheit
der Septen angegeben wird.
Besondere Eigenthümlichkeiten zeigen sich noch im gegenseitigen
Verhalten und der Anordnung der Septen bei Nummulites, wo eine be-
deutende Mannigfaltigkeit in dieser Hinsicht angetroffen wird. Wie schon
oben bemerkt wurde, ist ein Theil der Nummuliten sehr wenig involut,
wenigstens in dem Sinne, dass die eigentlichen Kammerhöhlungen der
6*
54 Rhizopoda.
aufeinanderfolgenden Umgänge sich ähnlich wie bei Opereulina nur wenig
umfassen (XII. 4a, 5). Bei den involuten Formen dagegen, bei welchen
die Kammerhöhlungen die vorhergehenden Umgänge seitlich, flügelartig
ausgezogen, bis zur Windungsaxe überdecken (XII. 2, 6), findet sich ent-
weder ein einfach strahlenartig radiärer Verlauf der Septen bis zur
Windungsaxe hin (XI. 3), oder diese nach der Windungsaxe jederseits
sich erstreckenden Seitentheile der Septen zeigen einen mehr oder weniger
unregelmässig hin- und hergewundenen Verlauf. Bei weiterer Entwicke-
lung dieses Verhaltens treffen die Ausbuchtungen dieser seitlichen Flügel-
theile der aufeinanderfolgenden Septen verschmelzend aufeinander (XII. 7 b?),
Durch diese eigenthümlichen Wachsthumserscheinungen werden die ur-
sprünglich einfachen Seitenflügel der Kammern in zahlreiche secundäre
Kämmerchen zerlegt (XII. 6). Ein in der Windungsaxe geführter Durch-
schnitt eines solehen Nummuliten bietet daher in der Medianlinie eine
Reihe grösserer Kammern (XU. 9, b), d. h. die centralen Kammertheile
dar, welche seitlich von einer ganzen Anzahl Schichten sehr niederer
Kämmerchen überdeckt werden (XII. 9d); es sind dies eben die
aus der Umbildung der Seitenflügel der Kammern hervorgegangenen
Kämmerchen.
Eine eigenthümliche Parallelgruppe zu der von uns schon früher be-
sprochenen imperforaten Gattung Alveolina bilden unter den Nummuliniden
die sogen. Fusuliniden (X. 11—15) mit der Hauptgattung Fusulina. In
mancher Hinsicht schliessen dieselben sich gerade der Gattung Nummulites
an, von der sie sich jedoch durch eine im allgemeinen viel einfachere
Bildungsweise wieder entfernen. Der hauptsächlichste morphologische
Charakter dieser Formen, welcher dieselben gleichzeitig den Alveolinen
nähert, ist die völlige Involubilität; die Umgänge umhüllen sich hier
völlig (XII. 15), so dass jeder neue Umgangsraum allseitig den vorher-
gehenden umfasst. Aeusserlich ist daher von den früberen Umgängen
absolut nichts sichtbar. Gleichzeitig ist jedoch die Gesammtschale in der
Richtung der Windungsaxe sehr verlängert (XII. 11, 12, 13, 15); wes-
halb, da die Umgangshöhe nur sehr allmählich anwächst, die Gesammt-
gestalt der Schale derjenigen von Alveolina sehr ähnlich wird. Bei ge-
ringerer Streckung der Windungsaxe erscheint sie demnach etwa kugelig
(Schwagerina), bei grösserer Streckung hingegen spindelförmig bis eylin-
drisch (Fusulina und Hemifusulina). Die Umgänge werden wie bei
Nummulites durch zahlreiche Septa in Kammern zerlegt (XII. 14), die
unter einander durch spaltartige, am Innenrand der Septa gelegene Oeff-
nungen in Verbindung stehen (XIL. 11m). Aehnlich wie wir jedoch die
seitlichen Theile der Septen bei gewissen Formen von Nummulites in sehr
eigenthümlicher Weise gefältelt und damit die Erzeugung secundärer
Kämmerchen verbunden sahen, finden wir solches auch bei den Fusu-
linen. Bei der Gattung Schwagerina sind die Septen in ihrer grössten
Ausdehnung von regelmässig ebenem Verlauf, an den Polen der Schale
jedoch, wo sie sich der Windungsaxe nähern, gehen sie plötzlich in
I Ü
En zu
Polythalame Perforata. (Fusuliniden, Loftusia.) 85
wellenförmig gebogenen Verlauf über, verzweigen sich auch und indem
die hier zusammenkommenden zahlreichen Septen eines Umgangs — und,
wie es scheint, sogar der aufeinanderfolgenden Umgänge — mit ihren Ver-
zweigungen und Hin- und Herbiegungen vielfach anastomosiren, bildet
sich in der Windungsaxe ein ganz unregelmässiges, labyrinthisches Fach-
werk (XII. 15n) kleiner Kämmerchen aus (sogen. filet cloisonnaire, nach
der Bezeichnung von d’Archiae und Haime für das in mancher Hinsicht
ähnliche Verhalten der seitlichen Septentheile der oben beschriebenen
Nummuliten). Anders hingegen ist das Verhalten bei den Gattungen
Fusulina und Hemifusulina. Hier sind die Septen durchaus wellenförmig
. gefältelt, parallel dem medianen Durchmesser der Schale (XI. 11s, 13),
jedoch verliert sich diese Fältelung etwa in !/, bis */, der Höhe der
Septen, so dass sich letztere in gestrecktem, geradem Verlauf an die
äussere Schalenwandung anheften. Indem nun die sich gegenüberstehenden
Ausbiegungen der aufeinanderfolgenden Septen mit einander verschmelzen,
wird jeder Kammerraum in eine grosse Zahl secundärer Kämmerchen
getheilt, welche jedoch sämmtlich mit ihren äusserlichen Theilen unter
einander in Verbindung stehen, da ja hier, wie erwähnt, die Fältelung
der Septen fehlt.
Die einfachere Bauweise, gegenüber Nummulites ete., zeigt sich in
dem völligen Mangel eines Kanalsystems bei Fusulina und Schwagerina,
womit denn auch die Einfachheit der nichtperforirten Septen in Verbin-
dung steht. Bei der Gattung Hemifusulina dagegen, die sich in allge-
mein morphologischer Beziehung genau an Fusulina anschliesst, ist mit
dem Auftreten einer doppelten Septenwand auch ein, wenn auch sehr
mangelhaft ausgebildetes, Kanalsystem verbunden.
Wir glauben, im Anschluss an die Fusuliniden, an eine sehr eigen-
thümliche, von ihrem Monographen Brady (88) für eine sandschalige Form
erklärte Rhizopode erinnern zu dürfen, über deren Stellung sich bis jetzt
mit Sicherheit nur wenig bemerken lässt. Es ist dies die auch durch
ihre Grösse bemerkenswerthe Gattung Loftusia (VII. 1), welche zuerst
tertiär, neuerdings jedoch auch in der Kohlenformation nachgewiesen
wurde. Wie die sandschaligen Formen überhaupt, wird auch die Loftusia
von Brady für eine Imperforate gehalten, wogegen viel für ihre Zugehörig-
keit zu den Perforaten zu sprechen scheint und auch die angebliche Zu-
sammensetzung ihrer Schale aus Kalksand scheint etwas fraglich, da wir
neuerdings durch v. Möller (116) erfahren haben, dass eine Reihe fossiler,
angeblich kalksandschaliger Formen als echt kalkschalige zu betrachten
sind, welche durch den Fossilisationsprocess eigenthümlich verändert
wurden. In ihren allgemeinen morphologischen Bauverhältnissen nähert
sich Loftusia in mancher Hinsicht den besprochenen Fusuliniden; sie
ist gleichfalls eine völlig involute und in ihrer Windungsaxe sehr ver-
längerte, daher ei- bis spindelförmige Form, die jedoch in ihrem feineren,
inneren Bau mannigfache sehr eigenthümliche Verhältnisse darbietet. Auf
der Innenfläche einer die Umgänge äusserlich bildenden, verhältnissmässig
s6 Rhizopoda.
dünnen Schalenlamelle hat sich nämlich eine ziemlich beträchtliche Menge
einer secundären, eigenthümlich reticulären, bis labyrinthischen Schalen-
masse abgelagert (1, e), welche auch die ellipsoidische Centralkammer
vollständig erfüll. Von dieser Auskleidungsmasse entspringen zahlreiche
sehr schief zur Spiralaxe die Umgangshöhlungen durchsetzende Septen,
die keine regulären Communikationsöffnungen besitzen, jedoch, da sie aus
der gleichen labyrinthisch retieulären Masse gebildet sind, vielfache Com-
munikationen zwischen den durch sie geschiedenen Kammern gestatten.
Ausserdem erstrecken sich jedoch noch zahlreiche, hohle säulenartige
Auswüchse zwischen den benachbarten Septen, durch welche der Kammer-
raum vielfach unregelmässig untergetheilt wird. Wie gesagt, ist der
eigenthümliche Bau dieser Gattung (deren Rhizopodennatur sogar von
Carter,*) jedoch, wie ich glaube, mit Unrecht bezweifelt wird) bis jetzt
in keine sichere Beziehung zu anderen Formen zu bringen, doch dürften
die allgemeinen Bauverhältnisse den vorläufigen Anschluss an die Fusu-
liniden wohl rechtfertigen.
Schon früher wurde bei Betrachtung der Imperforata darauf hin-
gewiesen, dass ein ganz ähnlicher Uebergang zur ceyklischen Aus-
bildungsweise, wie er von Peneroplis durch Orbieulina zu Orbitolites zu
verfolgen ist, auch bei den Perforaten angetroffen wird. Hier wird dieser
Uebergang durch die Gattung Heterostegina (X. 5) bewerkstelligt
und zwar schliesst sich diese zunächst an Operculina an. Wie bei letzterer
haben wir auch bei Heterostegina ein ursprünglich vollständig oder nahezu
vollständig involutes Wachsthum, das jedoch mit dem raschen Höhen-
wachsthum der Umgänge schliesslich in ein nur wenig involutes übergeht,
indem sich wie bei Opereulina der letzte Umgang sehr rasch bedeutend
erhöht und in der Richtung der Windungsaxe entsprechend abflacht. Eine
sehr grosse Anzahl nach vorn eonvexer und ziemlich schief zur Spiralaxe
verlaufender Septen theilt die Umgänge in zahlreiche und nur sehr kurze
Kammern, während dieselben natürlich sehr rasch an Höhe wachsen und
so bei der Betrachtung von der Seite eine etwa bandförmige Gestalt
zeigen. An der Basis jedes Septums existirt wie bei den meisten seither
besprochenen Nummuliniden eine Communikationsöffnung zwischen den
Kammern. Diese bandförmigen Kammern werden jedoch ähnlich wie bei
Orbieulina durch zahlreiche secundäre Scheidewände, welche senkrecht
auf die primären aufgesetzt sind, in secundäre Kämmerchen getheilt.
Unter sich stehen diese secundären Kämmerchen jeder Kammer in keiner
direeten Verbindung, dagegen communieiren die alternirend gestellten der
aufeinanderfolgenden Kammern in ganz ähnlicher Weise, wie wir dies
schon mehrfach unter entsprechenden Verhältnissen fanden, indem jedes
Kämmerchen sowohl mit den zwei benachbarten der vorhergehenden wie
der folgenden Kammer durch schiefe Communikationsöffnungen in Ver-
bindung steht. Sowohl die primären wie die secundären Scheidewände '
*, A. m. n.h. 4. XVIL
Polythalame Perforata. (Cycloclypeus, Orbitoides.) 87
werden von zwei Lamellen zusammengesetzt, zwischen welchen ein Inter-
Kanalsystem verläuft, das sich wie bei der nahe verwandten Opereculina
mit einem in einem Dorsalstrang zur Ausbildung kommenden Theil in
Verbindung setzt.
Das regulär-cyklische Wachsthum, wie wir es unter den Im-
perforaten schon bei Orbitolites antrafen, finden wir unter den Perforaten
bei 2 Gattungen, Cycloclypeus (VL 3) und Orbitoides (XII. 17—21) ver-
treten, von welchen die erstere, als die einfacher gebaute, hier zunächst
unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird. Wie bei der einfachen
Form von Orbitolites sehen wir hier um eine ansehnliche Centralkammer
zahlreiche, in einer Ebene ausgebreitete Kämmerchencyklen, die scheiben-
förmige Schale bilden (VI. 3 B). Zwischen den Kämmerchen jedes Cyklus
existirt auch hier keine directe Verbindung, dagegen stehen die alternirend
gestellten der aufeinanderfolgenden Cyklen durch mehrfache übereinander-
gelegene, schiefe Communikationen, ähnlich wie bei der eomplieirten Form
von Orbitolites, in Verbindung (3, D, ce, f). An jedem Kämmerchen lässt
sich eine primäre innerste Schalenlamelle unterscheiden, welche jedoch
auf den Seitenflächen der Schale von einer dicken Lage geschichteter,
secundärer Schalensubstanz überlagert wird (3 D a), während gleichzeitig
auch die aneinanderstossenden primären Schalenlamellen der benachbarten
Kämmerchen durch eine Zwischenlagerung ähnlicher, jedoch, wie die
Scheidewände überhaupt, nicht perforirter Substanz gesondert werden. In
dieser Zwischensubstanz der Scheidewände breitet sich nun ein hoch ent-
wickeltes Interkanalsystem aus (5 D, ec), das sich im wesentlichen aus
zahlreichen radiären (3 C, g), die secundären Septen, und eirkulären (3 C,
h, h!), die primären Septen durchziehenden Kanälen zusammensetzt.
Aestchen, welche von den Kanälen der secundären Septen abgehen,
münden in die Kämmerchenhöhlungen ein (3 C, g), während andere, in
der Diekenrichtung der Schale von den radialen und eirkulären Kanälen
aufsteigende Aestchen durch die nichtperforirte Schalensubstanz, welche
die Fortsetzung der Septen durch die perforirten Auflagerungen der Seiten-
flächen bildet, hindurchtretend (3 D, e), auf der Oberfläche der Schale
in feine Poren ausmünden. Ueber den Kanten, welche durch die zu-
sammenstossenden Wände benachbarter Kämmerchen gebildet werden;
verdicken sich, namentlich im centralen Gebiet der Scheibe, diese aus
nichtperforirter Substanz bestehenden Fortsetzungen der Septen zu nach
der Schalenoberfläche zu kegelartig sich verbreiternden Pfeilern (3 D, e,
c, d). Aehnliche Bildungen haben wir bei verwandten Formen schon
mehrfach angetroffen und wie dort sind sie auch hier von Ausläufern des
Kanalsystems durchzogen. Von der einfacher gebauten Gattung Cyelo-
elypeus unterscheidet sich der complieirtere Orbitoides (XII. 17—21)
hauptsächlich durch die Eigenthümlichkeit, dass hier zwischen den zahl-
reichen aufeinandergeschichteten Lamellen, welche wie bei Cyeloclypeus
die seitlichen Flächen der medianen Kämmerchenschicht überlagern, zahl-
reiche Schichten secundärer und sehr niedriger Kämmerchen eingeschaltet
85 Rhizopoda,
sind (21b, 20d), demnach in einer mehr oder minder dicken Lage jeder-
seits die mediane Hauptkammerschicht (a) überkleiden. Da auch hier
wie bei Cyeloclypeus die seitlichen Auflagerungsmassen am stärksten in
der centralen Partie der Scheibe entwickelt sind, so tritt diese einmal
gewöhnlich knopfförmig hervor und weist ferner zahlreichere überein-
andergestapelte Schichten von Nebenkämmerchen auf, als dies in den
peripherischen Theilen der Scheibe der Fall ist. Zwischen den grösseren
Mediankammern der aufeinanderfolgenden, häufig jedoch z. Th. nicht ganz
vollständigen, Cyklen existiren ähnliche Communikationen (22, a b), wie
bei Cyeloelypeus; dagegen sollen hier gewöhnlich auch die Kämmerchen
jedes Cyklus durch eine die secundären Septen durchsetzende Oefinung
(22 a') in directer Verbindung stehen. Aber auch die Nebenkämmerchen
der übereinandergeschichteten Lagen stehen durch Communikationskanäle
in Verbindung (20d), indem jedes derselben sich durch schief von ihm
auf- und absteigende Kanäle mit den 2 benachbarten, jedoch alternirend
gestellten der iber- und untergelagerten Schicht in Communikation setzt.
Auf der Scheibenoberfläche treten die nichtperforirten Scheidewände
zwischen den Nebenkämmerchen gewöhnlich etwas leistenartig hervor (20)
und die Gesammtheit dieser Leisten bildet eine erhabene netzartige Zeich-
nung. Achnlich wie bei Cycloclypeus entwickeln sich jedoch auch hier
in den zusammenstossenden Kanten der Scheidewände der Nebenkämmer-
chen kegelartige Pfeiler (20e) von nichtperforirter Masse, welche in den
Knotenpunkten des oberflächlichen Leistenwerks warzig vorspringen.
In ähnlicher Weise wie bei Cycloclypeus ist ferner hier auch ein
Kanalsystem (20h, 22) entwickelt, das jedoch im Ganzen weniger genau
bekannt ist. In Kürze mag noch erwähnt werden, dass sich in dem
hierhergehörigen Formenkreis eine reiche Mannigfaltigkeit der äusseren
Gestaltung kundgibt, welche jedoch durch gewisse Modifikationen aus der
typisch scheibenförmigen ohne Schwierigkeit abgeleitet werden kann.
Durch besondere Mächtigkeit der seitlichen Auflagerungen von Neben-
kämmerchenschichten geht die allgemeine Gestaltung in eine linsenförmige,
Ja nahezu kugelförmige, über. Durch besonders ansehnliche Entwiekelung
der Mediankammern in gewissen Radien der Scheibe bilden sich auf der
Oberfläche hervorspringende Rippen (19), die gleichzeitig auch eine be-
sondere randliche Verlängerung eingehen können, so dass der Umriss der
Scheibe eine polygonale (17) oder, bei noch stärkerem Vorspringen dieser
Rippen, sogar eine sternförmige Gestaltung (18) annehmen kann.
In ziemlich naher Beziehung zu Orbitoides scheint mir in allgemein
morphologischer Hinsicht die gewöhnlich zu den Rotalinen gerechnete
Gattung Tinoporus (XIII. 2—3) zu stehen und zwar wenigstens mit
der unter dem Namen T. baculatus bekannten Art (3). Im Hinblick auf
die soeben kurz beschriebenen Orbitoidesformen können wir die haupt-
sächlichsten morphologischen Besonderheiten dieses T. baculatus in der
Weise charakterisiren, dass wir ihn als einen Orbitoides bezeichnen, bei
welchem es nicht zur Ausbildung der medianen Kämmerchenlage ge-
Polytlıalame Perforata. (Tinoporus.) 89
kommen ist, oder bei welchem sich dieselbe nicht von den übrigen
Kämmerchen unterscheidet. Der Wachsthumsanfang des Tinoporus wird
jedoch an Stelle der ansehnlichen, bei Orbitoides sich findenden Central-
kammern durch eine Anzahl deutlich spiralig aufgerollter Kammern be-
zeichnet, die man wohl als die sehr reducirte Medianlage des Orbitoides
betrachten dürfte. Dies scheint um so mehr gestattet, als sich auch bei
gewissen Orbitoidesformen eine so erhebliche Entwickelung der Neben-
kammern findet, dass dagegen die mediane Kämmerchenlage sehr zurück-
tritt und namentlich die beiden seitlichen Nebenkammerlagen, um den
peripherischen Rand der Medianlage herumgreifend, in einander übergehen,
wobei natürlich das Weiterwachsthum) der medianen Lage gänzlich
sistirt. Es liesse sich der Bau von Tinoporus im Anschluss hieran in der
Weise deuten, dass bei ihm die mediane Kammerlage durch sehr
frühzeitiges allseitiges Herumwachsen der Nebenkämmerchen nur eine sehr
geringe Ausbildung erreicht, wogegen aber die Nebenkämmerchenlagen
sich sehr entwickeln und in allseitig kugelig umfassenden Schichten weiter-
wachsen. Gleichzeitig ordnen sich die Kämmerchen in radialen, ziemlich
regelmässigen Reihen, wie ja solches auch bei Orbitoides hervortritt. In
dieser Weise wird, da auf der einen Seite der spiraligen Anfangs-
kammerlage die Entwickelung der Kämmerchenlagen eine etwas reich-
lichere ist als auf der entgegengesetzten Seite, eine Gesammtschale von
etwas asymmetrischer, brodförmiger oder bei dem Tinoporus vesieularis
(XIII. 2a) stumpf kegelförmiger Gestalt, mit abgeplatteter Unterfläche, erzeugt.
Unter sich stehen die Kämmerchen in ganz ähnlicher Verbindung
wie die Nebenkämmerchen bei Orbitoides, und zwar in der Art, dass
jedes der Kämmerchen einer radialen Reihe durch Communikations-
öffnungen (2b) mit den zwei weiter nach aussen und ebenso den zwei
weiter nach dem Centrum zu alternirend gestellten der beiden benach-
barten Radialreihen in Verbindung steht. Während die parallel der
Oberfläche verlaufenden Böden der Kämmerchen perforirt sind, wie dies
gleichfalls bei Orbitoides der Fall, sind hingegen die seitlichen Wände
solid. Wie bei Orbitoides entwickeln sich jedoch auch hier längs der
Kanten, in welchen die Radialreihen von Kämmerchen zusammenstossen,
kegelförmige Zapfen von solider Schalensubstanz, die auf der Schalen-
oberfläche warzig hervorspriogen, wie denn auch auf der Oberfläche
eine ähnliche Netzzeichnung sichtbar ist, die von den vorspringenden
Septen der oberflächlichsten Kämmerchenschicht herrührt. Ausser diesen
Kegelzapfen von nichtperforirter Schalensubstanz (sogen. supplementäres
Skelet Carpenter’s) bilden sich jedoch hier (T. baculatus) noch weit
ansehnlichere und zum grössten Theil in die Ebene der anfänglichen
Kämmerchenspirale fallende Ansammlungen von nicht perforirter Schalen-
substanz, die sich radiär stachelartig (3), ähnlich wie die Stacheln bei
Calcarina, über die Peripherie der Schale hinaus erstrecken und ziemlich
zugespitzt in mehr oder minder ansehnlicher Längenentwickelung endigen.
Ein reichlich entwickeltes Kanalsystem durchzieht diese Stacheln, um auf
90 Rhizopoda.
ihrer freien Aussenfläche zu münden, und setzt sich andererseits auch
mit den anliegenden Kämmerchenhöhlungen in Verbindung. Auch in die
Kämmerchenwandungen soll sich nach Carpenter dieses Kanalsystem
erstrecken.
Weit einfacher gestaltet sich der Bau bei dem Tinoporus vesi-
eularis, dessen allgemeine Gestalt schon oben erwähnt wurde. Hier
fehlt mit der Ausbildung besonderer Züge unperforirter Substanz auch
die Entwickelung eines Kanalsystems. Carter*) will daher diese Art
gar nicht als hierher gehörig gelten lassen, sondern erhebt sie sammt
einer von ihm beobachteten Form, die flache, melobesia-artige Ueberzüge
auf Korallen ete. bildet, zu einer besonderen Gattung Gypsina.
Einen eigenthiimlichen Formtypus, Patellina Williams., glauben wir
hier, des leichteren Verständnisses wegen, gleichfalls im Anschluss an die
Gattung Orbitoides besprechen zu dürfen, obgleich die näheren verwandt-
schaftlichen Beziehungen dieser im Ganzen bis jetzt nur unzureichend
erkannten Formen, noch keineswegs als sicher gestellt betrachtet werden
dürfen. Die einfacheren Ausbildungszustände zeigen Bauverhältnisse, die
in ziemlich hohem Grade für einen Anschluss an gewisse Rotalinen
sprechen, wohin denn auch die Gattung Patellina von den meisten
Forschern gestellt wird. Die äussere Gestaltung ist im Ganzen charak-
teristisch für unsere Gattung, indem dieselbe stets eine höher oder flacher
kegelförmige ist (IX. 9a—b). Bei der einfachst gebauten Form findet
sich auf der Spitze dieses Kegels eine Embryonalkammer, um die sich
eine spiralig-schraubig geordnete Kammerlage herumlagert, welche jedoch
bald, ganz ähnlich wie dies bei der früher erwähnten Pulvinulina vermi-
culata geschieht, in Umgänge übergeht, welche nur aus zwei schmalen
bandförmigen Kammern bestehen. Diese letzteren Kammern lagern sich
mehr oder weniger regelmässig alternirend um einander. Der von dieser
eben geschilderten !einfachen Kammerlage gebildete dünne Mantel des
Kegels umschliesst eine weite axiale oder Nabelhöhle, die von einer
Ablagerung secundärer Schalensubstanz mehr oder weniger ausgefüllt
wird. Die beschriebenen halbkreisförmigen Kammern lassen unter sich
keinerlei deutliche Communikationen wahrnehmen und ihre Hohlräume
werden mehr oder minder vollständig, jedoch nie gänzlich, durch von der
Aussenwand hereinwachsende secundäre Septen in Kämmerchen getheilt.
Bei einer sich hieran anschliessenden, wie die eben erwähnte, gleichfalls
recenten Form (IX. 9), ist die Theilung der Kammern in Kämmerchen
eine völlige, so dass sich zwischen den einzelnen Kämmerchen keine
Communikationen mehr auffinden lassen, und dies um so mehr, als die
seeundären Septen solid sind, während die äussere Wandung jedes
Kämmerchens von einer geringen Zahl von Poren durchbrochen wird.
Weiterhin hat sich jedoch bei dieser Form ein völlig ceyklisches
Wachsthum der Kammern ausgebildet, so dass auf die verhältnissmässig
BA.‘ D.
Polythalame Perforata. (Patellina.) 91
grosse Embryonalkammer der Kegelspitze sogleich völlig eyklisch
geschlossene Kammern folgen, welche in die erwähnten Kämmerchen
untergetheilt sind. Auch die Ausfüllungsmasse der Nabelhöhle (9b) zeigt
hier eine Weiterbildung, da sie von einem lacunenartigen Netzwerk
secundärer Kämmerchen durchzogen wird. Es lässt sich daher die letzt-
besprochene Form auch wohl mit einem Orbitoides vergleichen, dessen
Mediankammerlage, statt scheibenförmig in einer Ebene ausgebreitet zu
sein, eine kegelmantelartige Entwickelung genommen hat und bei welchem
die Ablagerung secundärer Schalenmasse, sowie die von ihr bedingte
Bildung secundärer Kämmerchen, nur auf einer und zwar der Unterseite
der Hauptkammerlage stattgefunden hat. Noch mehr Uebereinstimmung
mit der Ausbildung der accessorischen Nebenkämmerchenschichten bei
Orbitoides scheint die Ablagerung der Nabelhöhle bei gewissen fossilen,
bedeutend grossen Patellinen zu besitzen. Hier sind zunächst diese zahl-
reichen Schichten von Nebenkämmerchen so geordnet, dass wie bei
Orbitoides oder Tinoporus die Kämmerchen der verschiedenen Schichten
in vertikalen Reihen übereinandergelagert sind. Auch tritt wenigstens bei
einem Theil der hierhergehörigen Formen auf der Kegelbasis eine ähn-
liche netzartige Zeichnung hervor, wie wir sie oben bei Orbitoides und
Tinoporus kennen gelernt haben, wie denn auch die zwischen den senk-
rechten Reihen von Nebenkämmerchen sich findenden soliden Pfeiler, die
mit ihren Breitenden tuberkelartig über die Oberfläche der Kegelbasis
hervorragen, sich hier wiederfinden.
Etwas abweichend verhält sich bei letzteren Formen z. Th. die den
Kegelmantel bildende Lage der Hauptkämmerchen. Dieselben können näm-
lich nochmals durch tertiäre, nicht völlig die Kammerräume durchsetzende
Scheidewände in Kämmerchen tertiärer Ordnung getheilt sein, oder aber
es kann das eyklische Wachsthum in dieser Kämmerchenlage unterbleiben,
so dass dieselbe sich in Form einer regulär schraubenspiraligen Röhre
darstellt, welche durch zahlreiche Scheidewände in Kämmerchen getheilt
ist, so dass also in letzterem Fall eine Ausprägung der primären Kammer-
abschnitte, wie wir sie bei den seither besprochenen Formen kennen
gelernt haben, sich nicht zu finden scheint.
Den Abschluss unserer Betrachtung der morphologischen Eigenthüm-
lichkeiten des Schalenbaues der Rhizopoden möge ein, wie es scheint,
sehr eigenthümlicher Typus bilden, der gewöhnlich den Rotalinen näher
angeschlossen wird, welche Anreihung mir jedoch im Ganzen wenig
gesichert erscheint; es ist dies die Gattung Polytrema (IX. 11a—b).
Unter den jetzt Lebenden steht dieselbe sehr vereinzelt, wogegen
sie mit gewissen fossilen, aber ihrer Natur nach noch nicht völlig sicher-
gestellten Formen eine Anzahl Structureigenthümlichkeiten theilt. Wir
meinen hier einmal die so eigenthümliche, nach Carpenter und Brady eine
sandschalige Foraminifere darstellende Parkeria und dann die palaeozoische
Gruppe der Stromatoporidae, in deren Nähe zuweilen auch das zweifel-
hafte Eozoon gebracht wird.
92 Rhizopoda.
Wie bemerkt, ist allein die recente Gattung Polytrema allseitig als
Rhizopode anerkannt, obgleich ihr Aeusseres sehr abweichend von den
meisten seither besprochenen Formen ist und weit mehr das Bild eines
kleinen Korallenskelets (Edelkoralle), als das einer Rhizopodenschale dar-
bietet (11a).
Mit einigen Worten müssen wir daher hier zunächst des Gesammt-
habitus gedenken. Von einem mehr oder weniger dicken, stammartigen und
mässig hohen, festgewachsenen Basalstock erheben sich eine Anzahl mehr
oder minder entwickelter, verzweigter oder unverzweigter Aeste, deren
Enden geöffnet sind, wenn man auch im Ganzen nur selten noch intakte
Astenden trifft. Was den feineren Bau betrifft, so bemerkt man zunächst
an der Basis eine Anzahl unregelmässig gehäufter bis spiralig angeordneter
Anfangskammern, deren äussere Schalenwandung feinperforirt ist, wogegen
die Septen solid sind. Das Weiterwachsthum vollzieht sich durch eine
ziemlich unregelmässige Aufeinanderhäufung von Kammern, die sich rasch
lamellenartig in die Breite ausdehnen und sehr nieder werden. Zugleich
bildet sich an diesen Kammern ein sehr eigenthümlicher Charakter aus.
In mehr oder weniger regelmässigen Abständen senkt sich nämlich die
Schalenwandung, indem sie gleichzeitig ihre Perforation verliert, zu hohlen
Pfeilern nach Innen ein (11b 1s), die sich auf die Aussenfläche der
unterliegenden Kammer aufsetzen. In Höhe, Dicke und Weite des Lumens
unterscheiden sich diese Pfeiler beträchtlich und z. Th. werden sie auch
durch Öbliteration ihrer Lumina solid. Die Lumina der hohlen Pfeiler
führen natürlich durch eine porenartige Oeffnung auf der Aussenfläche der
Kammerwand in den Hohlraum der aufliegenden Kammer oder, wo solche
fehlt, nach aussen. Durch diese hohlen Pfeiler wird jedoch gleichzeitig
eine Communikation der Kammerräume unter einander und mit der
Aussenwelt hergestellt, indem die Pfeiler an der Basis sehr gewöhnlich
(ob immer?) eine ziemlich ansebnliche Oeffnung besitzen (11b, 0). Die
Bauweise der Aeste ist noch nicht ganz sicher ermittelt, scheint jedoch
im Prineip in der Weise sich zu gestalten, dass eine oder mehrere über
einander gelagerte Kammerlamellen in einen astartigen hohlen Fortsatz aus-
wachsen, wobei sich die Pfeiler in der innersten Kammerröhre eines solchen
Astes nicht mehr gegen eine unterliegende Wandung, sondern gegen ein-
ander stützen. An den Enden sind, wie schon gesagt, die Zweige geöffnet.
Weiter im Inneren des basalen Stammes zuweilen sich findende grössere
Räume werden von Carter*) durch nachträgliche Resorption erklärt, wo-
gegen es mir eher scheinen will, dass dieselben davon herrühren, dass
bei fortgesetztem Wachsthum die ursprünglich freien Basen der Zweige
mit ihren weiteren Höhlen in den Stamm eingeschlossen wurden.
In Kürze möge denn hier noch eine Darstellung der Hauptzüge der
Bauweise jener oben schon erwähnten fossilen und zweifelhaften Parkeria
folgen, wodurch die bis zu einem gewissen Grade vorhandene Aehnlich-
*, A.m.n. h. 4. XVII.
a oe ee bee
Polythalame Perforata. (Parkeria.) 93
keit mit dem geschilderten Bau von Polytrema erhellen dürfte. Diese
bis zu 2 englischen Zoll im Durchmesser erreichende, gewöhnlich ziem-
lich regulär kugelige Form (V. 23) soll nach Carpenter und Brady (88)
eine kalksandschalige Imperforate sein, jedoch dürften bezüglich des einen
wie des anderen Charakters noch einige Zweifel erlaubt sein, wie wir sie
oben schon für die ähnlich geschilderte Loftusia geltend machten.
Eigenthümlich ist der Bau der von Carpenter geschilderten Central-
kammern bei Parkeria, welche in grösserer Zahl in gerader Linie und in
einem Radius der kugeligen Schale angeordnet sein sollen (23, &,—e,),
so dass die älteste und kleinste am meisten peripherisch, die jüngste und
grösste hingegen im Centrum der Kugel gelegen ist. Carter*) bestreitet
jedoch die Natur dieser vermeintlichen Centralkammern, und hält sie für
einen Fremdkörper, welcher von der Parkeria überwachsen wurde. Nach
ihm sollen verschiedenartige Bruchstücke von Cephalopodenschalen oder
auch Aggregate von kleineren Rhizopodenschalen und Schwammnadeln
die Stelle dieser vermeintlichen Centralkammern vertreten können.
Um diesen Centraltheil lagern sich nun zahlreiche kugelige Schalen-
lamellen (l,—1,) herum, welche dürch Zwischenräume, die etwa primären
Kammerräumen der Rhizopoden gleichzustellen wären, von einander getrennt
werden. Jede dieser Lamellen besteht aus zwei Schichten, einer inneren
dünneren und angeblich soliden und einer äusseren dickeren labyrinthisch
röhrigen, die sich, wie die Schalensubstanz überhaupt, aus verkitteten
Sandkörnchen aufbauen soll. Zwischen den einzelnen Schalenlagen wird
die Verbindung durch pfeilerartige oder kegelförmige hohle Radialbalken
hergestellt (23b, rp, 23a D, A,B). In den Centraltheilen der Schale sollen
diese Pfeiler fast nur von der soliden Innenlamelle gebildet werden,
während sie in den äusseren Theilen eine sehr ansehnliche Umhüllung
von der labyrinthischen Aussenschicht erhalten (23b, ıp). Auf der Aussen-
fläche jeder Schalenlage öffnen sich die Hohlräume der sie stützenden
Pfeiler in den nächstfolgenden Kammerraum. Ausserdem setzen sich
jedoch auch die Hohlräume der labyrinthischen Schichten je zweier auf-
einanderfolgender Schalenlagen durch die Vermittelung der Pfeiler in
directe Verbindung.
Wir erkennen aus diesem Verhalten, dass hauptsächlich durch die
hohlen Pfeiler und ihre Beziehung zu den von ihnen in Verbindung ge-
setzten Schalenlagen zwischen Parkeria und der früher geschilderten
Polytrema eine gewisse Aehnlichkeit hergestellt wird.
Auf ähnliche Verhältnisse gründen sich auch die von einer Reihe
von Forschern betonten Beziehungen zwischen der Gattung Polytrema
(und den Rhizopoden überhaupt) und der eigenthümlichen Abtheilung der
sogen. Stomatoporiden. **)
*) A. m. n. h. 4. XIX.
**) Vergl. über diese zweifelhafte Gruppe, sowie über das Eozoon den systemat. Abschnitt,
94 Rhizopoda.
Abnorme Schalenbildungsverhältnisse.
Unter den mannigfachen Abnormitäten und Missbildungen der Schalen
unserer Rhizopoda, die gelegentlich zur Beobachtung gekommen sind,
sind hauptsächlich die eigenthümlichen Doppelbildungen von Interesse,
welche sowohl bei monothalamen wie polythalamen Schalen sich zuweilen
finden. Bei den monothalamen Süsswasserbewohnern sind derartige Fälle
bis jetzt nur sehr selten beobachtet worden, jedoch zeigt eine Beobachtung
von Hertwig und Lesser an Trinema, dass sie auch hier nicht völlig
fehlen. Bei letzterer Form beobachteten H. und L. ein Monstrum, das
sich etwa wie 2 Einzelindividuen darstellte, die mit ihren .vorderen Enden
verschmolzen und in einem Winkel von etwa 100° zusammengestellt
waren; auch eine eigenthümliche, fast wie in Theilung sich repräsentirende
Arcella vulgaris, die vom Verf. gelegentlich beschrieben wurde, darf zu
der Kategorie dieser Bildungsabweichungen gezählt werden.
Gar nicht sehr selten scheinen sich derartige Doppelbildungen dagegen
bei der monothalamen Gattung Lagena zu finden und hierhergehörige
Exemplare sind schon von Williamson (61), Parker und Jones (79),
Aleock (86) und Anderen beschrieben worden. Sie repräsentiren sich in Ge-
stalt von flaschenförmigen Lagenagehäusen, die an ihrem Hinterende
durch eine mehr oder weniger tiefgreifende Einfurchung in zwei Lappen
getheilt sind (VII. 22) oder erscheinen wie zwei Lagenen, die mit ihren
Hinterenden verschmolzen sind (VII. 18). Andersartig dagegen sind die
auch gar nicht so selten bei dieser Gattung anzutreffenden Doppelbildungen,
welche den Uebergang zu den polythalamen Nodosarinen vermitteln. Hier
ist seitlich oder auf das Mündungsende einer Lagena eine zweite Kammer
mehr oder minder regelmässig aufgesetzt (X. 21).
Wie gesagt, sind derartige Doppelbildungen jedoch auch bei Poly-
thalamen gelegentlich beobachtet worden und während ihre Bildungsweise
bei Lagena und anderweitigen Monothalamen im Ganzen ohne grosse
Schwierigkeit verständlich wird, dürfte sich für die zu erwähnenden Poly-
thalamien die Frage nach der Bildung solcher Vorkommnisse etwas
schwieriger gestalten. Da bis jetzt genauere Untersuchungen des feineren
Schalenbaues nicht vorliegen, so lässt sich auch vermuthungsweise nur
wenig in dieser Richtung äussern. Speciell die Gattung Polystomella
unter den Nummuliniden scheint eine Neigung zu derartigen Missbildungen
zu besitzen. M. Schultze hat solche von Polystomella strigilata beschrieben,
hei welchen sich der letzte Umgang in zwei neben einander herlaufende
Umgänge spaltet, so dass die Schale Aehnlichkeit mit einem Verwachsungs-
zwilling erhält. Entsprechende Vorkommnisse haben weiterhin Parker und
Jones von P. striatopunetata bekannt gemacht. *)
Sehr bemerkenswerth sind fernerhin die eigenthümlichen Abnormitäten,
*) Beschreibungen weiterer Monstrositäten von Nodosaria und Marginulina sollen sich
bei Reuss (Die Verstein. d. böhm. Kreideform, 1. Abth. 1845) finden.
Gestaltung des Weichkörpers. - 95
®
welche die Gattung Orbitolites zuweilen darbietet und die gleichfalls der
Kategorie der eben besprochenen Bildungen wohl angereiht werden
dürfen.*) So sind zuweilen Exemplare von Orbitolites gefunden worden,
bei welchen die eine Hälfte der Scheibe von regulärem Bau war, während
die entgegenstehende Hälfte sich in zwei unter mehr oder minder grossem
Winkel von einander abstehende Scheiben spaltete. Eine derartige
Monstrosität lässt sich wohl in ähnlicher Weise als eine Art von Doppel-
bildung betrachten, wie die früher geschilderten von Polystomella. Etwas
abweichender, wenn auch im Prineip wohl auf entsprechende Bil-
dungsvorgänge zurückführbar, sind die gleichfalls nicht gar seltenen
Exemplare von Orbitolites, bei welchen aus einer regulär gebauten Scheibe
sich einseitig eine vertikal aufgesetzte halbe Scheibe erhebt, die entweder
von gleichem Durchmesser wie die Hauptscheibe ist, oder aber nur die
Hälfte dieser erreicht, in welch letzterem Fall sie sich dann über einem
Radius der Hauptscheibe erhebt. Andererseits reihen sich hier dann noch
weitere Formen an, bei denen eine oder mehrere, jedoch weniger voll-
ständige Scheiben sich von der Hauptscheibe zu erheben vermögen, die
häufig nur peripherisch zur Ausbildung gelangen und durch welche Formen
der Anschluss an die früher schon kurz erwähnten gefalteten und mit
radialen Auswüchsen versehenen grossen Formen vermittelt zu werden
scheint.
4. Der Bau des Weichkörpers der Rhizopoda,
«@. Allgemeine Gestaltsverhältnisse des Weichkörpers.
Die Gestalt des protoplasmatischen Weichkörpers der beschalten
Rhizopoda wird natürlich von der Gestaltung der Schale, sei diese nun
völlig oder nur z. Th. von demselben erfüllt, bestimmt. Bei der grossen
Mehrzahl der unbeschalten Rhizopoda hingegen ist die Gestalt des Weich-
körpers eine mehr oder minder unregelmässig wechselnde, wie es die in
sehr verschiedener Weise sich entwickelnden Pseudopodien während des
beweglichen Zustandes bedingen. Dennoch lässt sich bei einer Reihe von
Formen, trotz der wechselnden Gestaltungszustände, eine gewisse Grund-
gestalt mehr oder minder deutlich erkennen.
Im Allgemeinen scheint wenigstens für eine beträchtliche Zahl dieser
nackten Rhizopoden eine allseitig abgerundete, kugelige Gestaltung als
Grundform des Körpers festgehalten werden zu dürfen, da wir sehen,
dass unter gewissen Verhältnissen, die eine Unterbrechung der Bewegung
und der Pseudopodienentwickelung hervorrufen — so bei dem Uebergang
in den Ruhezustand (bei der Encystirung), fernerhin bei der Einwirkung
von Inductionsschlägen, sowie z. Th. auch chem. Reagentien — der
betreffende Rhizopodenkörper sich der Kugelgestalt nähert. Wie bemerkt,
*) Vergl. bei Carpenter (74).
96 Rhizopoda,
bewahren aber auch eine Reihe von Formen eine gewisse Grundgestalt
ihres Weichkörpers trotz reichlicher und wechselnder Pseudopodienbildung
ziemlich dauernd bei. Zunächst haben wir hier Formen zu erwähnen,
bei welehen es überhaupt nicht zur Entwicklung eigentlicher Pseudopodien
kommt, sondern wo sich der Rhizopodenkörper ohne tiefgreifende äussere
Gestaltveränderungen, so zu sagen, fliessend fortbewegt, gewissermaassen
ein einziges Pseudopodium darstellend. Als Beispiele dieser Art können
wir zunächst die bekannte Amoeba Guttula Duj. (II. 3) (in deren Nähe
jedenfalls auch die Gattung Hyalodiscus H. u. L. gehört) aufführen. Wir
finden hier einen scheibenförmig abgeflachten Körper, von nahezu kreis-
runder bis ovaler Gestalt, der tropfenartig und sehr anhaltend in einer
und derselben Richtung hinfliesst, ohne seine Gesammtgestaltung namhaft
zu ändern. Aehnlich sehen wir bei der Amoeba Limax Duj. (II. 2) und
einigen Verwandten eine mehr bandartig gestreckte Form fast ohne
Pseudopodienentwickelung hingleiten.
Auch die Formen mit reichlicher Entwickelung von Pseudopodien,
seien letztere nun von einfacher stumpfer, bis zarter und verästelter
Gestaltung, lassen gewöhnlich eine gewisse Grundgestalt des Pseudopodien
aussendenden Weichkörpers erkennen und zwar. nähert sich derselbe
gleichfalls entweder mehr der kugeligen bis scheibenförmigen oder der in
einer Richtung ausgezogenen, bandförmigen Gestalt.
Ob eine dauernde, bestimmte Gestaltung des Weichkörpers sich bei
einem völlig nackten Rhizopoden findet, ist eine Frage, welche keineswegs
sicher entschieden scheint, wenngleich jedenfalls für eine Anzahl Formen
von monaxonem Bau die Schalenhaut, wenn sie überhaupt entwickelt
ist, eine so zarte Beschaffenheit besitzt, dass die dauernde und bestimmte
Gestaltung des Körpers bei der Schmiegsamkeit der Membran ohne Zweifel
vorzugsweise von der Formbeständigkeit des Weichkörpers bedingt wird.
Als hierhergehörige Beispiele dürfen aufgeführt werden der nach
Clapar&de und Lachmann schalenlose Petalopus (II. 13) mit etwa ovalem,
vorn abgestutztem Körper, von welchem abgestutzten Körperende die
eigenthümlichen Pseudopodien entspringen. Auch die im Allgemeinen
durch ähnliche Gestaltung sich auszeichnende Gattung Plagiophrys ist nach
ihren Entdeckern Claparede und Lachmann schalenlos und F. E. Schulze
konnte sich bei den von ihm beobachteten hierhergehörigen Formen eben-
falls nicht von der Existenz einer Schalenhaut überzeugen. Zweifelhaft
in dieser Hinsicht erscheint ferner noch die Gattung Diplophrys mit ihren
von beiden Polen des ovalen Körpers entspringenden Pseudopodien-
büscheln. Uebrigens ist ja die Schwierigkeit des Nachweises zarter
Schalenhäutehen genugsam bekannt und andererseits eine, wenn auch nur
zeitweise, Formbeständigkeit des Weichkörpers der Rhizopoda, bei der
Regularität der von ihm erzeugten Schalenbildungen, nicht wohl zu be-
zweifeln.
3
2
c
4
$
i
ü
1
ü
ö
i
ö
E
Allgemeines über das Protoplasma. 97
8. Beschaffenheit des Protoplasmas des Rhizopodenkörpers im
Allgemeinen.
Im Ganzen haben wir in diesem Abschnitt nur wenige Bemerkungen
beizubringen, da die Schilderung der allgemeinen Eigenschaften und des
Verhaltens des Protoplasmas der Protozoön, die wir in der allgemeinen
Einleitung zum Gegenstand unserer Betrachtung erwählt haben, auch
für die Rhizopoden im Besonderen ihre Gültigkeit besitzt.
Die physikalischen Erscheinungen des Rhizopodenprotoplasmas können
beträchtlichen Schwankungen unterworfen sein. Schon das optische Ver-
halten lässt in manchen Fällen einen Schluss auf die bei verschiedenen
Formen sehr verschiedene Consistenz zu. Ein geringeres Lichtbrechungs-
vermögen deutet im Allgemeinen auf eine geringere Consistenz, auf eine
flüssigere Beschaffenheit hin, umgekehrt ein stärkeres auf einen geringeren
Grad von Verflüssigung. In gleicher Weise lässt sich aus der Art der
Bewegung ein Schluss in dieser Hinsicht ziehen, da eine rascher strömende
Bewegung und Verschiebung der Plasmatheilchen gegeneinander gleichfalls
eine mehr flüssige Beschaffenheit des betreffenden Plasmas anzuzeigen scheint,
wie trägere Bewegungsvorgänge das Gegentheil wohl vermuthen, jedoch
nicht mit Bestimmtheit voraussetzen lassen. In wie weit die später noch
zu besprechenden Gestaltsverschiedenheiten der Pseudopodien mit der
verschiedenen Consistenz des Protoplasmas im Zusammenhang stehen und
daher einen Rückschluss auf die Protoplasmaconsistenz gestatten mögen
(wie dies zuweilen angenommen worden ist; vergl. bei Mereschkowsky [118]),
scheint sehr wenig sicher. Jedenfalls scheint es nicht zulässig, die Ent-
wickelung feiner, zarter Pseudopodien in einen directen Zusammenhang
mit einer mehr schwerflüssigen Beschaffenheit des Protoplasmas zu bringen
und umgekehrt, da ja häufig gerade sehr zarte Pseudopodien durch ihre
sehr lebhaften Strömungserscheinungen auf eine mehr flüssige Beschaffen-
heit ihres Protoplasmas hindeuten.
Als Beispiele protoplasmatischer Rhizopodenkörper von dichterer,
srösserer Consistenz darf hier wohl an die grossen in der Erde lebenden
Amöben erinnert werden, bei welchen wenigstens die peripherische Körper-
partie eine solche hohe Consistenz zu besitzen scheint, wogegen zahl-
reiche kleinere Amöben sich durch sehr leicht fliessende Beschaffenheit
ihres Plasmas auszeichnen. *) Im Allgemeinen scheint auch für die zahl-
reichen in süssem Wasser lebenden, einkammerigen Formen mit spitzigen
und im Ganzen wenig verästelten und wenig anastomosirenden Pseudopodien
eine zähere Consistenz des Plasmas gegenüber den marinen Retieulaten, mit
ihrer gewöhnlich so lebhaften Körnchenströmung der Pseudopodien, fest-
gehalten werden zu dürfen. Im Speciellen dürfte jedoch der Consistenz-
grad bei einer und derselben Form zu verschiedenen Lebenszeiten wechselnd
*) Die sich zuweilen bei Amöben, wie auch der grossen Pelomyxa, durch lebhafte Mole-
kularbewegung der feinkörnigen Einschlüsse des Endoplasmas ausspricht,
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa, 7
98 Rhizopoda.
sein, wie sich dies z. B. mit einiger Berechtigung aus dem verschie-
denen Verhalten der Amoeba radiosa (jedoch auch zahlreicher anderer
in bald trägeren, bald rasch beweglichen Zuständen sich findender Formen)
wird entnehmen lassen. Erstgenannte Form sehen wir ziemlich plötzlich
aus einem starren, mit langen, wenig beweglichen Pseudopodien aus-
serüsteten Zustand in einen recht beweglichen, durch stumpfe, breite Fort-
sätze fortschreitenden, übergehen, was wohl mit einer Veränderung in
der Consistenz des Plasmas verknüpft sein dürfte.
Eine dichtere Beschaffenheit scheint das Plasma ferner nicht selten
bei dem Uebergang in den encystirten Zustand anzunehmen, indem hier-
mit, wie wir später noch genauer zu betrachten haben werden, nicht
selten eine Volumverminderung verbunden ist und sich auch eine dichtere
Beschaffenheit schon durch die erhöhte Lichtbrechung des encystirten
Plasmakörpers kundgibt.
Was die Structurverhältnisse betrifft, so müssen wir zunächst das
Vorkommen ganz structurlosen, hyalinen Plasmas anerkennen, möge dies
nun, wie dies z. Th. bei gewissen Formen der Fall ist, den ganzen
Weichkörper bilden oder nur eine äusserliche Zone desselben.
In den meisten Fällen jedoch bietet das Plasma eine äusserst fein-
körnige Beschaffenheit dar, und es unterliegt wohl keiner Frage, dass
wir in dieser gleichmässig durch das ganze Plasma, oder doch einen
bestimmten, von dem übrigen in dieser Hinsicht differenzirten Theil, sich
erstreckenden Granulation ein bestimmtes Structurverhältniss zu erkennen
haben; wiewohl häufig die feine Granulation, welche wir hier im Sinne
haben, von den verschiedenen Forschern nicht hinreichend scharf von
körnigen Einschlüssen, wie sie in sehr manrigfacher Ausbildung anzu-
treffen sind, unterschieden wurde. Weitere Structurverhältnisse scheinen
nur selten zur Ausbildung zu kommen, beschrieben wird zwar z. Th. eine
netzförmig-faserige Structur gewisser Amöben,*) jedoch könnte diese
Erscheinung sich wohl, wie unten noch gezeigt werden wird, auf eine
allgemeine Vacuolisation zurückführen lassen. Eine eigenthümliche faserige
Struetur des Plasmas wurde von mir bei einer grossen Amöbe beob-
achtet (II. 4).**)
y,. Differenzirung des Plasmas in besondere Zonen oder Regionen.
Wie schon mehrfach hervorgehoben, wird bei einer sehr grossen Zahl
von Rhizopoden der gesammte Weichkörper von durchaus gleichmässiger
Plasmamasse gebildet. Hierher gehört vor Allem die grosse Zahl der
marinen Rhizopoden, die Perforata also durchaus und von den Imperfo-
rata ein grosser Theil. Von nackten Formen gehört hierher ein Theil
der Amöben (einschliesslich Protamoeba); auch bei der ansehnlichen
Pelomyxa lässt sich kaum von einem ständig differenzirten Aussenplasma
*) S. bei Heitzmann, Sitzungsb. d. Wien. Akad. 1973. III Abth.
**) Ztschr. f. w. Z. Bd. 30.
Differenzirung des Plasmas. (Ecto- und Entoplasma.) 99
reden. Auch die marinen Monerenformen Protomyxa, Myxodyetium und
Protogenes, welche wir gleichfalls unter die Rhizopoden (in unserem Sinne)
einreihen, zeigen keinerlei Unterscheidung von besonderen Plasmaregionen.
Ebenso ist bei den beschalten Süsswasserformen im Allgemeinen nicht
viel von der Differenzirung einer besonderen Rindenschicht wahrnehmbar,
wenn sich auch die oberflächlichste Schicht des Weichkörpers häufig
etwas freier von körnigen Einschlüssen zeigt. Dennoch erkennt man bei
letzteren Formen eine Hinneigung zur Sonderung des Plasmas, indem
die Pseudopodien gewöhnlich eine hyaline, von körnigen Einschlüssen
wenigstens ganz freie Beschaffenheit zeigen, ihre Bildung demnach durch
lokales Zusammenströmen reinen, von Einschlüssen freien Plasmas
geschehen muss.
Eine mehr oder minder scharf ausgeprägte Sonderung des Plasmas
in eine oberflächliche Rinden- und eine Marksubstanz (Eetosark und Ento-
sark, Eetoplasma und Entoplasma) zeigt sich hingegen bei einem Theil
der nackten Formen. Zahlreiche Amöben und amöbenartige Organismen
(wie die Gattungen Hyalodiscus H. u. L., Dactylosphaera H. u. L., Gloi-
dium Sorok., Plakopus F. E. Sch.) zeigen eine oberflächliche, mehr
oder weniger dicke, aus hyalinem Protoplasma gebildete Rindenschicht
(I. 11, 12; II. 1, 5, 6), welche ein körniges Entoplasma umschliesst. Beson-
dere Strueturverhältnisse dieses Ectoplasmas, wie sie uns bei anderen
Protozoön noch begegnen werden, sind hier, soweit bekannt, niemals
vorhanden. Eine scharfe Grenze existirt natürlich zwischen dem hyalinen
Ecto- und dem körnigen Entoplasma nicht, wie auch schon daraus her-
vorgeht, dass bei gewissen Amöben und auch Pelomyxa, wo für
gewöhnlich ein Ectoplasma sich nicht unterscheiden lässt, unter gewissen
Verhältnissen eine solche hyaline, äussere Plasmalage auftritt, die sich
demnach hier in gleicher Weise aus dem körnigen Plasma hervorgebildet
haben muss, wie sich, lokal begrenzt, ein hyalines Pseudopodium aus einem
aus körnigem Plasma bestehenden Rhizopodenkörper entwickelt. *)
Eine Differenzirung gewisser Körperregionen kann sich jedoch auch
noch in anderer Weise an dem Leibe gerade soleher Rhizopoden hervor-
bilden, welchen die oben schon geschilderte Unterscheidung von Ecto-
und Endoplasma abgeht.
Bei einer Reihe von Euglyphinen und Gromiinen lassen sich 2, auch
3 hintereinander gelegene Abschnitte des monaxonen Körpers dadurch
untercheiden, dass sich die später noch genauer zu erwähnenden, körnigen
Einschlüsse vorzugsweise in der mittleren Körperregion anhäufen (III.
*) In neuerer Zeit wurde von zwei italienischen Forschern, Maggi und Cattaneo, bei der
eigenthümlichen amöbenartigen Gattung Podostoma Clp. u. L. (vergl. hierüber den systemat.
Abschnitt), weiterhin jedoch auch bei Arcella, noch eine dritte, zwischen Ecto- und Entoplasma
sich einschiebende Region als „Mesoplasma‘“ unterschieden. Diese Mesoplasmaregion soll
hauptsächlich durch die Einlagerung der contractilen Vacuolen charakterisirt sein. Bis jetzt
scheint mir, die Berechtigung zur Unterscheidung eines solchen Mesoplasma noch nicht ge-
nügend begründet zu sein. (Vergl. Rendie. R. Ist. Lomb, 2, IX; Atti soc. ital. d, sc. n. XXI).
7*
100 Rhizopoda.
12a, 17a), während die vordere wie auch die hintere, den Kern ein-
schliessende Region homogen bleiben; häufig dehnt sich jedoch die körnige
Erfüllung auf die gesammte vordere Körperhälfte aus, so dass dann nur
zwei Abschnitte hervortreten (so Euglypha, Trinema, Lecythium, Platoum).
Auch das umgekehrte Verhalten wird angetroffen, so bei Cyphoderia, wo
der hintere, kernhaltige Abschnitt sich durch seinen Körnerreichthum von
dem vorderen unterscheidet (III. 13). Natürlich ist in solchen Fällen die
Scheidung dieser Regionen noch weniger scharf als in den gewöhnlichen
Fällen der Differenzirung in Eeto- und Entoplasma.
Eine, an die soeben erwähnte erinnernde, Regionenbildung wird auch
gewöhnlich, doch ohne scharfe Scheidung in einzelne Regionen, im Körper
der polythalamen marinen Rhizopoden durch die Vertheilung des fast
regelmässig vorhandenen, feinkörnigen Farbstoffes hervorgerufen. Die
grösste Anhäufung desselben findet sich in den ältesten Kammern, wogegen
sich seine Menge in den jüngeren successive verringert, so dass das
Protoplasma der jüngsten oder auch noch das mehrerer vorletzten Kammern
nahezu oder völlig farblos erscheint.
öd. Färbung des Protoplasmas.
In den allermeisten Fällen besitzt das Plasma der Rhizopoden keine
besondere Färbung, sondern zeigt die bekannte, schwach bläulich-grüne,
zuweilen auch mehr gelbliche Färbung, welche dem Protoplasma unter
dem Mikroskop überhaupt eigenthümlich ist. Es scheint überhaupt fraglich,
ob jemals eine intensivere eigenthümliche Färbung des Plasmas sich
findet; es dürften sich vielmehr die wenigen Fälle, in welchen eine Fär-
bung des Plasmas selbst angegeben worden ist, doch vielleicht auch als
zu der gewöhnlichen Kategorie gehörig herausstellen, wo nämlich die
scheinbar diffuse Färbung durch sehr fein vertheilten Farbstoff bedingt
wird. So gibt z. B. Häckel für seine Protomyxa aurantiaca auch neben
dem Vorhandensein eines röthlichen bis orangerothen Farbstoffs eine gelb-
röthliche Färbung des Protoplasmas selbst an. So erwähnen ferner
Carpenter, Jeffreys und Thomson*) eines Rhizopoden mit olivengrüner
Sarkode.
gs. Besondere Einschlüsse des Protoplasmas.
sg!. Nichteontractile Vacuolen, Gasblasen und eigenthümliche Producte
des Stoffwechsels.
Nichteontraetile Flüssigkeitsräume (Vaeuolen) sind eine
sehr gewöhnliche Erscheinung im Protoplasma der Rhizopoden und treten
in sehr verschiedener Grösse und Zahl auf (I. 1a). Gewöhnlich finden sie
sich vereinzelter im Weichkörper, und wo derselbe eine Sonderung in Eeto-
und Entoplasma zeigt, in diesem letzteren zerstreut; seltener hingegen wird
*) Proc. roy. soc. XVII.
Gasblasen, Nahrungsvacuolen, Farbstoff’bläschen. 101
ihre Zahl so beträchtlich, dass das sie trennende Plasma nur noch ein
Maschenwerk von Scheidewänden zwischen ihnen herstellt, das Plasma eine
schaumige oder alveoläre Beschaffenheit annimmt. Ein derartiges Verhalten
begegnet uns z. B. gewöhnlich bei Pelomyxa (II. 6g), auch bei gewissen
Amöben tritt ähnliches mehr oder weniger deutlich hervor (so z. B. bei der
von Mereschkowsky [118] beschriebenen A. alveolata und der neuerdings
von R. Lankester aufgestellten Gattung Lithamoeba *); auch bei Plakopus
ruber ist nach F. E. Schulze eine schaumige Beschaffenheit eines Theils
des Körpers ziemlich häufig).
Der Betrachtung der contractilen Vacuolen werden wir einen beson-
deren Abschnitt widmen.
Eine sehr eigenthümliche Erscheinung im Protoplasma gewisser Süss-
wasserrhizopoden bildet das zeitweilige Auftreten von Gasvacuolen. Zuerst
wurde dieses Phänomen von Perty bei Arcella beobachtet**), bei welcher
Gattung dasselbe auch späterhin am häufigsten studirt wurde; weitere
Beobachtungen hierüber rühren von Engelmann, Bütschli, Entz und du
Plessis ***) her, die das Vorkommen solcher Gasblasen auch bei Difflugia
und Amoeba constatirt haben. Wie schon der erste Beobachter derselben
richtig fand, dienen sie den betreffenden Organismen gewissermaassen als
Schwimmblasen zur Erhebung und zum Schwimmen im Wasser, oder auch
nur, wie dies z. B. bei Arcella beobachtet wurde, zur Veränderung der
Lage des Thieres, Aufrichtung oder Umkehrung desselben. Die Entwicke-
lung des Gases geschieht nach Engelmann bei Arcella sehr plötzlich und
wachsen die Blasen in etwa 5—20 Minuten zu ihrer häufig recht be-
trächtlichen Maximalgrösse heran. Ihre Zahl ist sehr verschieden; wäh-
rend bei Arcella gewöhnlich 2—5, zuweilen jedoch auch bis 14, beobachtet
wurden, scheint bei Difflugia gewöhnlich nur eine einzige, dafür jedoch
desto ansehnlichere, zur Ausbildung zu kommen. Auch bei Amoeba wurden
von Entz mehrere Blasen beobachtet. Im Ganzen scheinen sie, wie sie
rasch entstanden, auch rasch wieder zu vergehen. In 5—10 Minuten,
oder auch noch kürzerer Zeit, können sie vom umgebenden Protoplasma
wieder völlig absorbirt werden. Ueber die Natur des entwickelten Gases
liegen bis jetzt kaum Beobachtungen vor, Bütschli glaubt, wegen der
raschen Absorption desselben durch Kalilauge, auf CO, schliessen zu
dürfen.
Wie bei den Protozo@ön sehr gewöhnlich, wird auch bei den Rhizo-
poden die in den Körper eingeführte Nahrung häufig von Flüssigkeit um-
geben, in Vacuolen eingeschlossen, so dass wir also auch hier Nahrungs-
vacuolen antreffen, über deren Bildung dann später noch Weiteres zu be-
*) (Ju. journ. micr. sc. XIX,
*%*) Perty, M., Eine physiol. Eigenthümlichkeit der Rhizopodensippe Arcella. Mittheil.
der naturf. Gesellsch. zu Bern, 1849.
*#*) Engelmann, Arch. neerland. sciences exactes et nat. T. IV., Zoolög. Anzeiger
Jahrg. I. — Bütschli, Archiv f. mikrosk, Anatomie Bd. XI. — Entz, Zoolog. Anzeiger Jahrg. I,
— Du Plessis, Bull. soc. Vaudoise sc. nat. Vol. 15.
102 Rhizopoda.
richten sein wird. Möglicherweise sind die bei den marinen Rhizopoden
mehrfach erwähnten grösseren Farbstoffbläschen z. Th. auf solche
Nahrungsvacuolen zurückzuführen, deren Flüssigkeit bei der Veränderung
der aufgenommenen, pigmentirten Nahrung durch aufgelöste Farbstoffe
sich färbt, was auch schon Carpenter vermuthete.*) Wir sehen wenigstens
ähnliches bei gewissen Infusorien vor sich gehen. Die Färbung solcher
Bläschen ist dieselbe, wie die des noch zu besprechenden, körnigen
Pigments, also gewöhnlich eine rothe bis bräunliche.
An die besprochenen Farbstoffbläschen von wahrscheinlich vacuolärer
Natur schliessen sich nun die feinkörnigen und anderweitigen Pigmente
an, welche sehr gewöhnlich im Protoplasma der Rhizopoden und in dem
der marinen fast durchaus verbreitet sind. Unter diesen Pigmenten sind
namentlich die feinkörnigen, intensiv rothen bis gelblichrothen und gelb-
braunen bei den marinen Rhizopoden ungemein verbreitet und verleihen,
wie schon oben bemerkt wurde, durch ihre reichliche Anhäufung diesen
Formen meist eine mehr oder minder intensive Färbung. Schon oben
wurde ihrer besonders reichlichen Anhäufung in den älteren Kammern
der Polythalamen gedacht. Die genauere Untersuchung dieses Farbstoffs,
sowie der oben schon erwähnten Farbstoffbläschen, bei Polystomella und
Gromia durch M. Schultze (53) ergab, dass es sich hier um einen dem
Diatomin entsprechenden Körper handelt, weshalb M. Schultze nicht
anstand, denselben von der vorzugsweise aus Diatomeen bestehen-
den Nahrung herzuleiten. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergab sich
auch noch daraus, dass sich in hungernden Polystomellen der Farbstoff
sehr verminderte, wogegen reichliche Fütterung ihn bald wieder vermehrte.
Aber auch die Süsswasserformen weisen Pigmente ähnlicher Art nicht
selten auf. So findet sich ein ähnliches diatomin-artiges Pigment häufig
bei Pseudochlamys patella. Ein tiefviolettes, feinkörniges Pigment findet
sich bei der Amphizonella violacea Greeff. Ein zinnoberrothes, zuweilen
ins braunrothe und grünliche gehendes, ist charakteristisch für den Plakopus
ruber F. E. Schulze’s und soll wahrscheinlich aus dem Chlorophyll der
aufgenommenen Nahrung hervorgehen, wie ja ähnliche Umwandelungen
gefressener Chlorophyllmassen zu gelben bis braungelben Massen auch
schon anderweitig, so z. B. von Auerbach bei dem Cochliöpodium bilim-
bosum beobachtet wurden. **) Chlorophyll selbst, als endogenes Erzeugniss
des Rhizopodenkörpers, ist mit Sicherheit kaum bekannt, es scheint sich
hier fast durchaus, um als Nahrung aufgenommenes Chlorophyll zu handeln.
Doch ist eine der beschriebenen Varietäten der Dactylosphaera vitreum
H. u. L. mit grünen Körnern reichlich gefüllt, während die andere Varietät
ähnliche gelbe Körner zeigt. Zahlreiche Chlorophylikörner enthalten
fernerhin auch eine Art oder Varietät von Cochliopodium, sowie sehr
*) Grössere Nahrungsbestandtheile, wie Diatomeen, scheinen jedoch bei den marinen
Rhizopoden gewöhnlich nicht in besondere Nahrungsvacuolen eingeschlossen zu werden,
22) 2.8. w; 2. VII.
Pigmente, Chlorophyll, Fettkörnchen, Excretkörnchen. 103
häufig die Difflugien.*) Reingelbes Pigment findet sich auch noch bei
einigen weiteren Formen; so sind die Spindelzellen einer Art der, in
ihren Beziehungen zu den Rbizopoden zwar noch etwas zweifelhaften Laby
rinthula Cienkowsky’s von feinkörnigem, gelbem Pigment erfüllt, während
bei der eigenthümlichen Diplophrys sich ein oder mehrere gelbe bis orange-
farbene, oder sogar rubinrothe und zuweilen recht ansehnliche Kugeln
finden (zuweilen sind sie jedoch auch farblos) (IV. 2a, a). Hier handelt
es sich jedoch, wie das Verhalten zu Chloroform und Alkohol ausweist,
wohl sicher um einen festen, gefärbten, fettartigen Körper, also kein
eigentliches Pigment.
Ausser gefärbten, körnigen oder tröpfcehenförmigen Einschlüssen des
Rhizopodenprotoplasmas finden sich jedoch auch sehr gewöhnlich un-
gefärbte vor, deren Natur keineswegs immer ganz sicher gestellt scheint.
Häufig mögen diese z. Th. sehr kleinen, stark lichtbrechenden Körnchen
und Tröpfchen mit Recht als Fett betrachtet werden. So sind sehr kleine
derartige Fetttröpfehen, jedoch auch gewöhnlich untermischt mit etwas
grösseren (bis zu 0,001—0,002'), im Protoplasma der marinen Rhizopoden
durchaus verbreitet; auch bei den Süsswasserrhizopoden sind, wie soeben
schon gelegentlich von Diplophrys erwähnt wurde, zuweilen Fettkugeln
vorhanden; so haben ferner die Untersuchungen Hertwig’s die fettige
Natur der im Protoplasma der Mikrogromia zerstreuten, feinen Körnchen
wegen ihres Verhaltens zu Osmiumsäure sehr wahrscheinlich gemacht.
Eine grosse Zahl der im Protoplasma der Süsswasserrhizopoden sehr
verbreiteten und wohl in Zusammenhang mit den Stoffwechselverhältnissen
zu gewissen Zeiten in grösserer Menge angehäuften, stark lichtbrechenden
Körner sind jedoch häufig unrichtig als Fettkörner beansprucht wor-
den.**) Es sind dies Körnchen von äusserster Kleinheit bis zu ziem-
lieh ansehnlichen Dimensionen, so dass die grössten derselben sich als
coneretionenartige Einschlüsse darstellen. ***) Ihre Färbung ist gewöhnlich
etwas dunkel, mit einem Stich ins gelblichbraune oder olivenfarbige.
Meist bieten sie ziemlich wechselnde, unregelmässige Formen dar (s. II. 11;
II. 12a, 17a), doch ist für ihre Beurtheilung noch besonders charak-
teristisch, dass sie gar nicht selten auch in krystallinischer Gestaltung
auftreten können, und zwar scheinen sie rhombisch zu krystallisiren,
vorzugsweise in Pyramiden oder Combinationen, in welchen eine Pyramide
vorherrscht (vergl. hierüber haupts. bei Auerbach})). Ihre Unlöslichkeit
in Alkohol und Aether, sowie verdünnten Mineralsäuren, ihre Löslichkeit
dagegen in concentrirten Säuren und Alkalien schliesst ihre Fettnatur
aus; Auerbach vergleicht sie den Dotterplättchen des Fischeies, ich
*) S, haupts. Carter A. m. n. h. 3. XIII.
*%) Bei Carter erscheinen sie unter der Bezeichnung „granules“.
. ###) Wie sie z. B. neuerdings in sehr hervorragender Grösse und Zahl von Ray Lankester
in seiner Lithamoeba discus angetroflen worden sind (Quart. journ. Micr. sc. N. 5. T. XIX.)
+) Z. £. w. Z. Bd. VII.
104 Rhizopoda.
halte es hingegen, wie ich das auch schon früher ausgesprochen habe, *)
für das Wahrscheinlichste, dass wir es hier mit einem Endproduct des
Stoffwechsels zu tbun haben. Da die chemische Natur dieser, bei
den Protozo@ön überhaupt sehr verbreiteten Körperchen mit Sicherheit
noch nicht festgestellt ist, so bleibt es bis jetzt nur Vermuthung, in ihnen,
wie ich geihan, ein oxalsaures oder, wie Entz will, ein harnsaures Salz
anzunehmen. Ihre bei Infusorien häufig sehr eigenthümliche, büschelig
krystallinische Beschaffenheit bat mich, hauptsächlich im Hinblick auf ähn-
liche Krystallbildungen oxalsaurer Salze, zu der ausgesprochenen Ver-
muthung veranlasst. Die grosse Verbreitung dieser von mir mit dem
Namen Secretkörnehen (wohl besser Exeretkörnchen) belegten Ein-
schlüsse bei den Protozoön überhaupt, lässt auch wohl mit Recht ver-
muthen, dass sie bei den marinen Rhizopoden ebenso häufig sein werden,
wie bei den Süsswasserformen.
Eigenthümlich ist ferner noch, dass es hauptsächlich diese Exeret-
körnchen zu sein scheinen, welche, durch ihre Anhäufung in gewissen
Körpergegenden, die oben schon bei einer Anzahl Süsswasserformen be-
tonte Unterscheidung bestimmter Regionen ermöglicht. Es scheint hier-
nach, dass die Abscheidung solcher Exeretkörnchen bei den betreffenden
Formen vorzugsweise auf gewisse Körperregionen lokalisirt ist.
Das Vorkommen von Stärkemehlkörnern, als endogener Erzeugnisse
der Sarkode des Rhizopodenkörpers, scheint bis jetzt mit Sicherheit in
keinem Fall erwiesen zu sein. Auerbach**) erwähnt zwar z.B. des Vor-
kommens zahlreicher kleiner Amylumkörnchen in der oberflächlichen
Plasmaschicht seines Cochliopodium bilimbosum, jedoch ist derartiges von
andern Untersuchern dieser und: nahe verwandter Formen bis jetzt nicht
wieder gesehen worden. Stärkekörner werden nach Carter***) auch im
Protoplasma gewisser Difflugien reichlich angetroffen und sollen sich nach
demselben Forscher auch im Plasma seiner Operculina arabica, also
einer marinen Form, gefunden haben.) Ob die Beobachtung Cien-
kowsky’s, ff) dass die Spindelzellen der in ihrer Stellung noch zweifelhaften
Labyrinthula sich durch Jod blau färben, hierhergezogen werden darf,
scheint sehr zweifelhaft, da diese Bläuung bei vorheriger Behandlung der
Spindeln mit Alkohol nicht eintreten soll.
Wir haben dann noch einer Reihe von Inhaltskörpern zweifelhafter
Natur zu gedenken, die sich z. Th. verbreiteter, z. Th. hingegen nur bei
gewissen Formen im Protoplasma gefunden haben. Hierher gehören zu-
nächst blasse Bläschen mit homogenem oder feingranulirtem Inhalt und
einem Durchmesser von etwa 0,002—0,003, die M. Schultze sehr ver-
breitet bei den marinen Rhizopoden getroffen hat und die durch Einwir-
ZT WM AR:
2) 77, Tower VI:
FFF\ A. m, n,. DLS.EXL. m,
+) A. m. n. h. 3. VII.
r+r) Arch. fm. A. II
Stärkemehlkörner, Glanzkörper etc. 105
kung von Essigsäure oder verdünnter Kalilauge bis zum Verschwinden
erblassen sollen. Ihre Natur dürfte nach diesen Angaben schwer zu
beurtheilen sein. Zweifelhafter Natur sind auch die bräunlichen und
z. Th. sehr unregelmässig gestalteten Körperchen, welche nach den Unter-
suchungen von M. Schultze der Gromia Dujardini ihre braune Färbung
verleihen. Ihre Resistenz gegen starke Alkalien und Mineralsäuren und
die schwärzlichviolette Färbung durch Jod und Schwefelsäure machen eine
Beziehung zu Cellulose noch am wahrscheinlichsten, obgleich ihre Unlös-
lichkeit in eoncentrirter Schwefelsäure hiermit nicht übereinstimmt.
Von besonderem Interesse erscheinen noch eigenthümliche Einschlüsse,
welche die, auch in anderer Beziehung so interessante Pelomyxa gewöhn-
lich enthält.*) Zunächst sind die sogenannten Glanzkörper Greefl’s
zu erwähnen (II. 6d—f, 6g, f), die wir am besten hier besprechen werden,
da ihre Natur bis jetzt noch nicht hinreichend aufgeklärt werden konnte,
wenn auch einige Beobachtungen für ihren Zusammenhang mit der Fort-
pflanzung der Pelomyxa zu sprechen scheinen. Die Hauptauszeichnung
dieser Körper besteht in ihrer homogenen, glänzenden Beschaffenheit, doch
lässt sich auf der Oberfläche eine kapselartige, feste, glänzende Hüllschicht
nachweisen. In Bezug auf Gestalt und Grössenverhältnisse sind sie sehr
verschieden, wenn auch die kugelige Form meist vorherrscht; daneben finden
sich jedoch auch ovale bis völlig unregelmässige Gestalten. Gegen verdünnte
Essigsäure verhalten sie sich resistent, concentrirte jedoch macht sie
zusammenfallen und granulirt und Jod färbt sie stark braun. Greeff ver-
muthet eine selbständige Vermehrung dieser Körper durch Theilung,
jedoch darf dies wohl noch als zweifelhaft betrachtet werden, da directe
Theilung nicht verfolgt, sondern nur aus bisquitförmigen Gestaltungen
erschlossen wurde (6f). In gleicher Weise ist das von Greeff vermuthete
Hervorgehen dieser Glanzkörper aus den frei gewordenen Kernkörperchen
der zahlreichen Nuclei bis jetzt noch keineswegs hinreichend erwiesen
oder auch nur sehr wahrscheinlich.
Neben diesen Glanzkörpern birgt nun das Protoplasma der Pelomyxa
gewöhnlich noch zahlreiche eigenthümliche, kleine, stäbchenförmige Kör-
perchen,**) die häufig dadurch in eine nähere Beziehung zu den Glanz-
körpern treten, dass sie dieselben äusserlich dicht umhiüllen (II. 6b). Die
Stäbchen, welche aus organischer Substanz gebildet sind, erscheinen hyalin
und erreichen bis zu 0,008 Mm. Länge; von einer feineren Struetur ist
an ihnen kaum etwas mit Sicherheit zu bemerken.
D}
&°. Contractile Vacuolen.
Die Bildung eontractiler Vaeuolen kommt nur einem Theil der Rhizo-
poden zu und scheint sogar der grossen Mehrzahl derselben, nämlich den
*) Vergl. Greefl, Arch. f. m A.X.
*#*) Archer (Qu. journ. mier. sc. 1871 p. 101) hat bei den von ihm untersuchten Pelo-
ınyxen diese Stäbchen vermisst, so dass es sich hier doch vielleicht um nicht constante
Gebilde handelt.
106 Rhizopoda.
marinen Formen, abzugehen. Ob jedoch letztere dieser Gebilde durchaus
entbehren, scheint zur Zeit noch keineswegs sicher gestellt und bedarf es
neuer Untersuchungen, um über diesen Punkt ins Klare zu kommen.
Mit Sicherheit ist das Fehlen contractiler Vacuolen für eine Anzahl
Siisswasserformen festgestellt, so fehlen sie den Protamöben, wie auch
bei der viel höher differenzirten Pelomyxa keine besonderen contractilen
Vaeuolen sich finden sollen. Bei den kernlosen Myxodietyum und
Protogenes Häckel’s sind überhaupt keinerlei Vacuolen im Plasma beob-
achtet worden. Doch auch beschalten Süsswasserformen fehlen contractile
Vaeuolen z. Th.; so sind sie vermisst worden bei Leceythium und Plagio-
phrys, wie ja auch für die nahe verwandten Gromien von den meisten
Forschern das Fehlen der Vacuolen behauptet wird, während sie neuer-
dings von Wallich sowohl bei marinen als Süsswasser-Gromien angegeben
worden sind. Mit Sicherheit fehlen sie jedoch wieder der sehr nahe-
stehenden Lieberkühnia.*)
Bei gewissen Formen, so nach Häckel’s Angabe bei der Protomyxa,
scheint sich kaum eine Scheidung zwischen contractilen und nicht con-
tractilen Vacuolen ziehen zu lassen, da sich die zahlreich vorhandenen
Vacuolen hier sämmtlich sebr langsam zu contrahiren scheinen.
Die Zahl der contractilen Vacuolen der zahlreichen Süsswasserformen,
wo solche deutlich entwickelt sind, ist sehr verschieden und scheint auch
bei einer und derselben Form kaum jemals völlig constant zu sein. Neben
solchen, die gewöhnlich nur eine zeigen, wie dies z. B. bei zahlreichen
Amöben der Fall ist, treffen wir andere mit 2, 3 und mehr, bis über ein
Dutzend bei Arcella z. B.; Claparede und Lachmann (60) haben Amöben
mit bis zu 20 contractilen Vacuolen beobachtet.
Auch die Lage der contractilen Vacuolen im Körperprotoplasma ist
mannigfachen Verschiedenheiten unterworfen. Während bei den proteischen
Amöben auch die contractile Vacuole im Allgemeinen ihre Lage stets
wechselt, zeigt sich doch bei zahlreichen eine Neigung zu constanter
Lagerung derselben in dem hinteren, bei der Bewegung nachfolgenden
Körperende, und bei einer Anzahl von Formen, wie A. Limax und Guttula
(II. 2, 3), aber auch verrucosa (Ehrbg.) Duj. (= quadrilatera Carter), ist
diese Einlagerung der Vacuole in das Hinterende ganz constant geworden.
Bei den monaxonen, beschalten Formen ist ihre Lage recht verschieden,
jedoch finden sie sich bei Anwesenheit mehrerer gewöhnlich ziemlich
nahe beisammen. So sehen wir die bei Euglypha (Ill. 12a) und Trinema
meist in mehrfacher Zahl (gewöhnlich bis zu 3) vorhandenen Vacuolen in
einer mittleren Zone, auf der Grenze zwischen der körnigen Region und
der hinteren homogenen versammelt, und ähnlich verhält es sich auch bei
gewissen Gromiinen, wie Platoum (III. 17a). Auch bei Arcella (II. 9a)
ist dasselbe Verhalten zu constatiren, indem hier die Vacuolen ringförmig
im peripherischen Rand des abgeplatteten Körpers zusammengestellt sind,
*) S, Cienkowsky, 104a, Gromia paludosa = Lieberkühnia Clap. Lachm.
Contractile Vacuolen, Nuclei. 107
welcher Rand ja etwa der Aequatorialzone der gestreckten Formen ent-
spricht. Bei anderen Formen treffen wir sie jedoch bald mehr in den
vorderen, bald in den hinteren Körperabschnitt verlagert. Das erstere
Verhalten gilt für Cyphoderia (III. 13, ev) und Mikrogromia (Ill. 15b, e),
während sie bei Hyalosphenia und Quadrula mehr ins hintere Körperende
gerückt sind (II. 10a u. 12 ev).
Stets jedoch scheinen die Vaeuolen, wenigstens kurz vor und während
ihrer Contraktion, dicht unter die Körperoberfläche zu rücken, ja zuweilen
auch die Oberfläche buckelartig hervorzutreiben (vergl. Platoum stercoreum
Cienkowsky, Diaphoropodon Arch. [IV. 1, v] und Amoeba Blattae Bütschli).
Deshalb darf, im Hinblick auf die Erfahrungen über ihre Entleerung bei
anderen Protozoönabtheilungen, wohl auch hier diese Entleerung nach
Aussen angenommen werden. Durch direete Beobachtung ist jedoch dieser
Vorgang bei den Rhizopoden bis jetzt noch kaum festgestellt worden;
auch sind keinerlei vorgebildete Oeffinungen oder Ausführgänge zur Ent-
leerung der Vacuolen gesehen worden. Die Contraktion selbst erfolgt mit
sehr verschiedener Schnelligkeit.
In gleicher Weise liegen auch nur sehr wenige Erfahrungen über
die Neubildung der an Stelle der contrahirten tretenden Vacuole vor. Im
Allgemeinen scheint einfach eine kleine, allmählich heranwachsende Va-
cuole an Stelle der geschwundenen zu entstehen, doch liegen auch
Beobachtungen vor, welche eine Entstehung der Vacuole durch den
Zusammenfluss mehrerer kleiner erweisen, wie solches ja bei anderen
Protozo@nabtheilungen sehr gewöhnlich ist. Ein solches Verhalten hat
Greeff bei seiner Amoeba terricola*) eonstatirt und Verf. später gleich-
falls bestätigt gefunden. Hier entstehen an Stelle der contrahirten, in
mehrfacher Anzahl vorhandenen und mit den Strömungen des Plasmas
hin- und hergeschobenen Vaeuolen zahlreiche äusserst kleine, welche
sich rasch zu einer Anzahl grösserer vereinigen, die nun ihren weiteren
Zusammenfluss langsam weiter fortsetzen, oder durch die Strömungen
des Plasma’s von einander fortgetrieben werden, um dann erst allmählich
bei ihrer Begegnung weiter zu verschmelzen. Von den in dieser Weise
entstandenen, grösseren Vacuolen wird dann zuweilen eine nach der Ober-
fläche getrieben, worauf ihre Contraktion eintritt. **)
3
&°. Nuclei der Rhizopoden.
Allgemeines Vorkommen der Rhizopodennuclei.
Wie schon mehrfach hervorgehoben wurde, ist die Anwesenheit von
Nuclei im Protoplasma der Rhizopoda, in dem Umfang, den wir dieser
*) Arch. f. mikr. A. II.
*#) Ganz ähnlich schildert Lieberkühn die Heryorbildung der contractilen Vacuole bei
einer von ihm beobachteten Amöbe (nach der Beschreibung sehr ähnlich A. Guttula Duj.).
Hier vereinigen sich die neu entstandenen, zahlreichen kleinen Vacuolen successive zu einer
einzigen grossen, die hierauf stets ans Hinterende geschoben wird, wo ihre Contraction sich
vollzieht. (Schrft. d. Ges. z. Bef. d. ges. Naturw. zu Marburg IX. p. 371.)
108 Rhizopoda,
Abtheilung geben, keineswegs eine allgemeine. Sie geht den häufig
mit den übrigen kernlosen Protozoön als Moneren zusammengefassten
Formen ab. Wir haben schon früher unsere Gründe angegeben, weshalb
wir kernlose sowohl als kernhaltige Formen in näheren Zusammenhang
bringen und es vorziehen, ihre verwandtschaftlichen Beziehungen naclı
ihrem gesammten körperlichen Erscheinen zu bestimmen.
Wir werden hierzu hauptsächlich auch noch dadurch bestimmt, dass
der Nachweis der Kerne zuweilen keine geringen Schwierigkeiten hat, die
häufig noch dadurch erhöht werden mögen, dass, wie sich dies nament-
lich durch neuere Untersuchungen herausstellte, statt des früher meist
gesuchten einen ansehnlichen Kernes häufig mehr oder weniger zahlreiche
kleine vorhanden sind, welche der Beobachtung (namentlich, wenn dieselbe
nicht durch Färbungsversuche unterstützt wird) leicht entgehen können.
Es wird daher wohl nieht als eine unbegründete Vermuthung bezeichnet
werden dürfen, wenn wir hier den Glauben aussprechen, dass mannig-
fache im Laufe der Zeit beschriebene monere Rhizopoden sich doch noch
als kernhaltig herausstellen dürften. Wir persönlich haben bis jetzt noch
nicht Gelegenheit gehabt, uns bei unseren mannigfachen Untersuchungen
mit einer unzweifelhaft kernlosen Süsswasserform bekannt zu machen.
Immerhin liegt kein ausreichender Grund vor, die Existenz kernloser
Formen überhaupt bezweifeln zu wollen. Als solche kernlose Formen
sind zunächst amöbenartige Süsswasser- und Meeresrhizopoden beschrieben
worden, die als Protamoeba oder Gloidium zu besonderen Gattungen
erhoben wurden. Weiterhin rechnen wir hierher die Häckel’schen Moneren
Protomyxa, Myxodyetium und Protogenes. Von beschalten Formen wird
das Fehlen des Kernes durch Claparede und Lachmann von Lieberkühnia
berichtet und von einem auf diesem Gebiet so erfahrenen Beobachter wie
Cienkowsky bestätigt. Von mancher anderen Form ist bis jetzt die Kern-
haltigkeit noch nicht mit Sicherheit erwiesen, wenn auch das Vorhanden-
sein von Nuclei bei nahen Verwandten dieselbe sehr wahrscheinlich
macht. Was die marinen Rhizopoden betrifft, so war für diese bis in die
neueste Zeit die Annahme ihrer Kernlosigkeit eine allgemeine, bis, wie
dies schon früher durch M. Schultze und Wallich für Gromia festgestellt
worden war, durch R. Hertwig und F. E. Schulze auch für eine, bis jetzt
zwar ziemlich beschränkte Anzahl mono- und polythalamer Formen die
Gegenwart eines oder mehrerer Kerne erwiesen wurde.
Wie schon aus den eben gemachten Bemerkungen hervorgeht, ist
die Zahl der vorhandenen Kerne bedeutenden Schwankungen unterworfen,
so dass wir von einem, und dann gewöhnlich auch durch beträchtliche
Grösse sich auszeichnenden Kern Uebergänge bis zu sehr hohen Zahlen,
100 und mehr, finden, in welchen Fällen dann die Kerne naturgemäss
eine relativ sehr geringe Grösse zeigen. Wenn wir einerseits derartige
weite Schwankungen in der Kernzahl durch eine Reihe verschiedener
Formen hindurch zu verfolgen vermögen, so begegnen wir andererseits
zuweilen ähnlichen Schwankungen in gleich weitem Spielraum bei einer
Pe
Nuclei. (Zahlenverhältnisse.) 109
und derselben Form, wenn auch für gewöhnlich die Differenzen in der
Zahl der vorhandenen Kerne sich in engeren Grenzen bewegen.
Nach solchen Erfahrungen dürfte es überhaupt fraglich erscheinen,
ob sich die Einkernigkeit bei einem Rhizopoden das gesammte Leben
hindurch erhält und ob nicht derartige mehrkernige Zustände zu
gewissen Zeiten den Rhizopoden durchaus eigenthümlich sind. Letztere
Vermuthung wird noch durch die Auffassung der mehrkernigen Zustände
überhaupt gestützt, denn es kommt diesen ohne Zweifel eine nicht un-
wichtige Bedeutung im Leben unserer Organismen zu, und werden wir
dieselbe wohl, ohne fehlzugehen, auf dem Gebiete der Fortpflanzung zn
suchen haben. Zunächst machen wir uns hier mit den einschlägigen Verhält-
nissen etwas näher bekannt. Eine geringe Zahl von Kernen ist gewöhnlich
den Amöben eigenthümlich ; einer (II. 1—5 n), zuweilen jedoch auch 2 und 3
finden sich hier zumeist, doch zeigt sich gerade bei gewissen hierhergehörigen
Formen eine aufallende Vermehrung der Kerne bei bestimmten Individuen.
So hat Bütschli*) bei der Am. princeps neben einkernigen, durch einen
recht ansehnlichen Kern ausgezeichneten Individuen häufig auch solche
gefunden, welche eine grössere bis sehr grosse Zahl (100—200) Kerne
enthielten, so dass sich alle Uebergangsstufen bezüglich der Kernzahl
nachweisen liessen, wie solches auch durch frühere Untersuchungen von
Stein, Wallich**) und Carter***) wahrscheinlich gemacht worden war,
wenn auch die beiden letzteren Forscher die zahlreichen kleinen Kerne
fälschlich (Carter z. B. als Fortpflanzungszellen) deuteten. Während wir
so bei Amoeba (ähnlich verhält sich nach Bütschli auch die A. Blattae)
zuweilen eine sehr hohe Kernzahl antreffen, hat sich ein solches Verhalten
bis jetzt bei der wohl nahe verwandten, grossen Pelomyxa durchaus
gezeigt; die Zahl der hier vorhandenen Kerne ist stets eine sehr grosse
und steht in Beziehung zu der Grösse des Thieres, so dass sehr grosse
Exemplare gewiss mehrere Hundert solcher Zellkerne einschliessen
(U. 6g, e).
Obgleich eine ziemliche Zahl der beschalten Monothalamen des süssen
Wassers bis jetzt nur in Besitz eines oder doch nur weniger Zellkerne
getroffen wurde, zeigen andere ganz ähnliche Verhältnisse wie die
eben erwähnten Amöben, und gerade von solchen, wie z. B. Arcella und
Difflugia, sind die grossen Schwankungen in der Kernzahl schon ver-
hältnissmässig lange bekannt. Bei Arcella finden sich fast durchaus
mehrere Kerne (II. 9a,n) und ihre Zahl ist grossen Differenzen unterworfen,
während gewöhnlich etwa 3—6 vorhanden sind, hat doch schon Auerbach
Individuen mit etwa 40 Kernen beobachtet. Aehnliches treffen wir auch
bei der nahe verwandten Gattung Difflugia. Hier findet sich gewöhnlich
im hinteren Abschnitt des Körpers ein Kern, jedoch hat neuerdings
*) Abh. d. Senckenb. naturf. Gesellsch. X. p. 164 (d. Sep.-Abdr.).
Zr AUE m... h. 3.9: XU.
„es An: m. 0. h. 9.8. ZI,
110 Rhizopoda.
R. Hertwig*) auch Individuen der Difflugia proteiformis untersucht, die
bis zu 40 Kernen enthielten und gleiches wurde auch schon früher von
M. Schultze berichtet. Diese Erfahrungen machen es nicht unwahrschein-
lich, dass die von Carter bei mehreren Gelegenheiten beschriebenen sogen.
Fortpflanzungszellen der Difflugia pyriformis und eompressa in gleicher
Weise, wie dies oben bezüglich der sogen. Fortpflanzungszellen der
Amöben angedeutet wurde, als solche in grösserer Menge vorhandene
kleine Nuclei betrachtet werden dürfen. (Wir werden späterhin bei Er-
örterung der Fortpflanzung nochmals auf diese Angelegenheit zurück-
zukommen haben.)
Auch für einen marinen Rhizopoden, nämlich die Gromia oviformis,
wurden schon vor längerer Zeit durch M. Schultze**) ganz gleiche Ver-
hältnisse eonstatirt. Bei jungen Thieren findet sich hier ein Kern, wie
das unter den seither beschriebenen Formen auch für Arcella nachgewiesen
wurde. Bei den älteren Exemplaren hingegen war die Zahl der Kerne
stets vermehrt (IV. 6n), so dass sich eine grosse Mannigfaltigkeit ver-
schiedener Kernzahlen, von 2 bis zu 60 auffinden liessen. Im letzteren
Fall fand sich jedoch neben den zahlreichen kleinen noch ein etwas
grösserer. (Auch M. Schultze wurde durch diese Beobachtungen über die
zahlreichen kleinen Kerne der Gromien auf die Vermuthung geführt, dass
es sich hier möglicherweise um Fortpflanzungszellen handle.)
Wie schon oben hervorgehoben wurde, sind die Beobachtungen über
die Verbreitung der Kerne bei den kalkschaligen und sandschaligen
Rhizopoden noch sehr spärlich. Die ersten einschlägigen Beobachtungen
auf diesem Gebiet rühren zwar auch schon von M. Schultze her, dennoch
sind bis jetzt die Kerne nur bei einer kleinen Zahl von Gattungen nach-
gewiesen. Schultze (53) hat sich von der. Gegenwart eines kernartigen
Körpers bei einer zu Lagena (Oolina d’Orb.) mit Zweifel gestellten Form
überzeugt, die mir überhaupt nicht zu dieser Gattung zu gehören, sondern
eine kalksandschalige Form zu sein scheint. Ebenso hat er einen hellen
kernartigen Fleck in der jüngsten Kammer junger Pulvinulinen (Rotalia
veneta M. Sch.) und in den beiden jüngsten Kammern gewisser Textu-
larien nachgewiesen.
Kerne sind jedoch auch von einem englischen Forscher, wiewohl
ohne ihre wahre Natur zu erkennen, bei einer Reihe mariner Rhizo-
poden nachgewiesen worden. Es scheint mir nämlich keiner Frage zu
unterliegen, dass die von Str. Wright***) im Protoplasma von Gromiinen,
Miliolinen, Orbulina, Rotalina und Truncatulina aufgefundenen, vermeint-
lichen Eier nichts weiter als die Kerne der betreffenden Formen waren;
wenigstens scheint dies mit grosser Sicherheit aus der Abbildung der
*) Jenaische Zeitschr. f. Naturwissensch. Bd. XI.
#9) 158. u. Archort. sm, zAsalT.
BER) CA. m. 2. h,28 all
ran
Nuclei. (Vorkommen bei marinen Rhizopoden, Zahl, Lage.) 111
betreffenden Eier in einer ziemlich reichkammerigen Truncatulina hervor-
zugehen. *)
Mit voller Sicherheit sind dagegen erst in neuerer Zeit die Kerne
mit Hülfe von Färbungsmethoden von F. E. Schulze und R. Hertwig bei
einer Reihe mariner Formen nachgewiesen worden. Auch hier ver-
rathen die zum Theil sehr schwankenden Zahlenverhältnisse der Kerne
ein ähnliches Verhalten, wie bei den schon besprochenen Formen. So
fand F. E. Schulze bei der monothalamen Lagena (Entosolenia) globosa
Will. 1 Kern, ähnlich auch bei der Quinqueloculina fusca Brdy., dagegen
R. Hertwig bei Spiroloculina byalina F. E. Sch. 1—7 Kerne (IV. 16).
Bei den von Hertwig untersuchten kleinen Rotalinen (wahrscheinlich Pulvi-
nulina) schwankte die Kermzahl zwischen 1—4, so dass in einer Anzahl
von Fällen die Zahl der Kerne der Kammerzahl gleichkam, z. Th. jedoch
auch geringer blieb. Eine Beziehung zwischen der Anzahl der Kammern
und Kerne polythalamer Rhizopoden ist jedoch in keiner Weise Regel;
so fand sich bei 2 Textularien mit respective 5 und 13 Kammern je nur
1 Kern und dasselbe gilt für Globigerina (VII. 28a) und eine sogen.
Rotalina inflata Will.**) (VII. 38) nach R. Hertwig. Auch F. E. Schulze
fand bei der vielkammerigen Polystomella striatopunetata F. u. M. ge-
wöhnlich nur einen Kern, seltener 2 und nur einmal 3. Jedenfalls geht aus
diesen Beobachtungen zur Geniüge hervor, dass die Zahl der Kerme bei
den Polythalamen, möge sie auch noch so verschieden sein, in keiner
Weise mit der Kammerzahl correspondirt.
Hinsichtlich der Kernverhältnisse der marinen, sandschaligen Rhizo-
poden ist bis jetzt nur sehr wenig ermittelt worden. Bessels***) hat in
dem Protoplasma der Astrorbiza limieola eigenthümliche kugelige Körper
beobachtet, die er eneystirten Moneren vergleicht und die, nach der
Abbildung zu urtheilen, wohl Kerne gewesen sein könnten. Diese Deutung
wird dadurch, dass neuerdings R. Lankester}) im Protoplasma der
Haliphysema grosse Mengen bläschenförmiger, kugeliger Kerne beobachtete,
wesentlich sicherer.
Was die Lage der Kerne im Protoplasmakörper betrifft, so ist die-
selbe häufig eine sehr wechselnde, da sie als frei im Protoplasma (resp.
Entoplasma, wo ein solches entwickelt ist) schwebende Körper mit dessen
Verschiebungen auch ihre Lage ändern. Dies gilt z. B. fast durchaus für
die Amöben und Verwandten, wenngleich bei den oben schon hervor-
gehobenen Formen, welche mit einer eigenthümlichen Bewegungsweise
*) Die Richtigkeit dieser Deutung wird ganz unbezweifelbar, wenn man bemerkt, dass
Wright die von ihm bei seiner Boderia (Journ. Anat. and Phys. I. 1867) beschriebeneu Kerne
bald als Nuclei, bald als Eier bezeichnet, also die Kerne der Rhizopoden, wie aus weiteren
Bemerkungen hervorgeht, eben für die Eier hält.
**) Dieselbe ist jedoch jedenfalls nicbt identisch mit der Williamson’schen Art, da
letztere nach Parker und Jones eine sandschalige sogen. Trochammina ist,
***) Jen. Zeitschr. IX.
+) Qu. j. mier. sc. XIX,
112 Rhizopoda,
eine fast eonstante Lagerung der Vacuole im Hinterende verbinden, auch
der Kern gewöhnlich hinten, in der Nähe der Vaeuole, sich findet. Bei
Anwesenheit zahlreicher Kerne sind dieselben meist durch den ganzen
Körper vertheilt, doch auch zuweilen, wie z. B. bei Gromia, vorzugsweise
im Hinterende versammelt. Diese Einlagerung des einen oder der in
Mehrzahl vorhandenen Kerne im Hinterende des monaxonen Körpers ist
bei den monothalamen Süsswasserformen und wie es nach der Beob-
achtung F. E. Schulze’s bei Lagena scheint, auch bei den marinen sehr
gewöhnlich.
Für die polythalamen Formen darf bei Anwesenheit von nur einem
Kern wohl vorausgesetzt werden, dass derselbe ursprünglich seine Lagerung
in der Embryonalkammer hatte. Da er jedoch späterhin nicht mehr in
derselben angetroffen wird, sondern sich nach F. E. Schulze bei Poly-
stomella gewöhnlich in einer Kammer des mittleren Drittels findet, so darf
schon hieraus auf eine allmähliche Vorwärtswanderung des Kernes mit
der Zunahme der Kammerzahl geschlossen werden. Das Gleiche ergibt
sich aus den Beobachtungen Hertwig’s an Globigerina und der sogen.
Rot. inflata. Aber auch durch direete Beobachtung liess sich eine solche
Vorwanderung bei den Polythalamen sehr wahrscheinlich machen, in-
dem es beiden Forschern gelang, den Kern noch im Stadium des Durch-
tretens von einer zur folgenden Kammer wahrzunehmen. Die grosse Enge
der Verbindungsöffnungen zwischen den aufeinanderfolgenden Kammern
bei Polystomella macht es nothwendig, dass sich der Kern beim Durch-
tritt sehr schmal auszieht. Bei gewissen Globigerina-Arten wird durch die
Beobachtung eines solchen Durchtretens des Kernes (VII. 28a, n) von einer
Kammer in die andere die Existenz einer Communikationsöffnung zwischen
den Kammern sicher erwiesen.
Gestalts- und Bauverhältnisse der Rhizopodenkerne.
Soweit die bis jetzt vorliegenden Untersuchungen reichen, ist die
Gestaltung der Rhizopodenkerne fast durchweg eine kugelige, ellipsoidische
oder scheibenförmig abgeplattete. Bandförmig verlängerte oder gar ver-
ästelte Kerngestalten, wie sie in anderen Protozo@änklassen zuweilen auf-
treten, sind hier noch nie beobachtet worden.
Was ferner die feineren Bauverhältnisse betrifft, so ist der sogen.
bläscehenförmige Bau der bei weitem vorherrschendste und, wie wohl
mit Recht angenommen werden darf, auch der ursprünglichste. Diese Bau-
weise des Zellkernes sehen wir namentlich bei den zahlreichen Süsswasser-
formen fast durchaus vertreten und auch bei gewissen marinen Formen
ist eine ähnliche Bildungsweise sehr wahrscheinlich. Ein derartiger
bläschenförmiger Kern (I. 1—3, 9a; III. 10 ete. n) zeigt zunächst eine
mehr oder minder deutliche Kernhülle oder Kernmembran, welche von einer
hellen, durchsichtigen, und, wie wohl aus ihrer allgemeinen Erscheinung
mit Recht gefolgert werden darf, flüssigen Masse erfüllt ist, dem sogen.
Bau des Nucleus. (Kernkörper.) 113
Kernsaft. Innerhalb dieser findet sich sodann ein mehr oder minder an-
‘sehnlicher, ziemlich dichter und daher dunkelbläulich erscheinender Binnen-
oder Kernkörper. Wie angedeutet, schwankt dieser Binnenkörper in
seinen Grössenverhältnissen sehr beträchtlich; er kann den von der Kern-
hülle umschlossenen Raum nahezu völlig ausfüllen, so dass zwischen ihm
und der äusseren Membran nur eine schmale, helle, mit Kernsaft erfüllte
Zone übrig bleibt, oder es sinkt seine Grösse mehr und mehr herab,
bis er schliesslich nur ein unansehnliches Korn in dem weiten, von
Kernsaft erfüllten Binnenraum des Nucleus darstellt (II. 12). Nicht sämmt-
liche Kerne der Süsswasserformen verharren jedoch auf einer so einfachen
Bildungsstufe, sondern ein Theil zeigt eine etwas complieirtere Form, welche
sich wohl durch eine Umbildung des ursprünglich einfachen Binnen-
körpers von der eben geschilderten herleiten lässt. So zeigt sich z. Th.
eine Vermehrung der verhältnissmässig kleinen Binnenkörper, statt eines
finden sich‘ eine Anzahl rundlicher Kernkörperchen, wie z. B. nach
F. E. Schulze bei Hyalosphenia (bis 6 Körperchen), in geringerem
Maass auch bei Cyphoderia (II. 10, n). Auch scheint es nach den
vorliegenden Beobachtungen nicht unwahrscheinlich, dass sich bei ge-
wissen Formen eine zeitweise Veränderung in dem gewöhnlichen Ver-
halten des Kernes zeigt; so wird z. B. für die Euglyphen von Carter
und Hertwig-Lesser in übereinstimmender Weise ein einfacher, bläschen-
förmiger Kern beschrieben, während F. E. Schulze bei den von ihm
untersuchten Exemplaren entweder gar nichts von einem Kernkörper
oder an dessen Stelle eine grössere Anzahl kleiner Kernkörperehen fand.
Bei manchen Formen scheint jedoch die Zertbeilung des einfachen
Kernkörpers noch weiter zu gehen, wenigstens dürfen wir diese Auffassung
im Interesse der Schilderung hier festhalten; so zeigen die zahlreichen
kleinen Kerne gewisser Formen der Amoeba Princeps einen ziemlich ab-
weichenden Bau (II. 1b). Hier liegt dieht unter der Kernmembran eine
Zone kleiner, dunkler Körperchen, in einfacher Schicht angeordnet. Aehn-
lich scheint sich der Bau des Kernes bei den erwachsenen Formen der
Amoeba terricola Greeff’s (II. 5n) und der Amphizonella violacea desselben
Forschers zu verhalten, nur wird hier eine völlige Erfüllung des Kern-
inneren von solchen kleinen rundlichen Körperchen beschrieben, was mir
jedoch, wenigstens für die A. terricola, nach den gegebenen Abbildungen
nicht ganz wahrscheinlich zu sein scheint.*) Bei den mit wenigen oder
*) S, Greeff, Arch. f. mikr. Anat. Bd. II. — Auch bei Pelomyxa zeigen die so massen-
haft vorhandenen Kerne einen sehr ähnlichen Bau. Der Innenseite der sehr deutlichen Kern-
hülle sind im wasserhellen Kerninhalt (wohl Kernsaft) zahlreiche, meist ziemlich feine Körnchen
angelagert, unregelmässiger oder regelmässiger über die ganze Innenfläche und zuweilen auch
noch durch den eigentlichen Binnenraum der Kerne zerstreut, Zuweilen fand Greeff diese
feinen Kernkörner vergrössert und mit vacuolenartigen Bläschen im Inneren, Durch weitere
Vergrösserung der Körner und hauptsächlich dieses Bläschens lässt er aus ihnen schliesslich
die früher geschilderten, sogen. Glanzkörper der Pelomyxa hervorgehen, welche durch Sprengung
der Kernhülle ins Körperprotoplasma übertreten sollen.
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. 5
114 Rhizopoda.
nur einem grossen ovalen Kerne versehenen Exemplaren der A. Princeps
hat sich der feinere Bau des Kernes etwas anders gestaltet (II. 1c), statt
der Zone rundlicher Körner unterhalb der Kernmembran findet sich hier
eine ähnlich gelagerte Zone, welche aus unregelmässigen, feinkörnigen,
hier und da netzförmig verzweigten und zusammenhängenden plasmatischen
Massen besteht, also eine Bildung zeigt, welche an das Fadennetz der
Zellkerne, wie es durch neuere Forschungen in weiter Verbreitung nach-
gewiesen wurde, erinnert.
Eine ziemliche Aehnlichkeit mit den geschilderten Kernen der Amöben
scheinen auch die Kerne einer Anzahl bis jetzt hierauf untersuchter
mariner Rhizopoden zu zeigen. Nach M. Schultze sind die Kerne der
Gromien gänzlich von kleinen, sehr blassen Bläschen erfüllt und nach
F. E. Schulze enthält der ansehnliche Kern älterer Polystomellen zahl-
reiche stark lichtbrechende, meist kugelige Einschlüsse, während der
kleinere Kern jugendlicher Exemplare meist nur einen solchen nueleolus-
artigen Körper einschliesst, so dass hieraus auf eine fortdauernde Ver-
mehrung dieser Einschlüsse mit dem Wachsthum des Kernes geschlossen
werden daıf.
Besonders eigenthümlich verhalten sich noch die Kerne gewisser von
R. Hertwig untersuchter Rotalinen und Globigerinen. Bei den ersteren
zeigten zuweilen vorhandene, kleine Kerne eine ganz homogene Beschaffen-
heit, gewöhnlich war jedoch der nur in der Einzahl vorhandene, kugelige
und ziemlich grosse Kern sehr eigenthümlich gebaut, wie solches bis jetzt
in ähnlicher Weise nur bei gewissen ciliaten Infusorien nachgewiesen
wurde, Zunächst war der Kern hier nicht bläschenförmig, sondern es
umsehloss die Kernmembran (sie wurde jedoch hier nicht direet beob-
achtet) einen sie vollständig erfüllenden, plasmatischen Inhalt, der sich
aus zwei Abschnitten zusammensetzte (VII. 38 n), einem feinkörnigen,
diehteren, sich mit Karmin stärker färbenden und einem hellen homogenen,
der sich nur schwach färbte. In ihrer Grösse verhielten sich beide Ab-
schnitte etwa gleich, oder es blieb der homogene hinter dem körnigen an
Grösse zurück. Wir erwähnen schliesslich noch, dass auch der von
F. E. Schulze bei Lagena beobachtete Kern eine homogene oder, nach
der Anwendung von Säuren, feinkörnige Beschaffenheit zeigte. Auch die
von Ray Lankester beschriebenen Kerne der Haliphysema scheinen sich
ihrer Bauweise nach innigst hier anzuschliessen, da sie innerhalb einer
deutlichen, dieken Kernhülle einen feingranulirten oder homogenen Inhalt
zeigen.
&. Pseudopodienbildung, Bewegung und Nahrungsaufnahme der
Rhizopoda.
Wie die Ueberschrift dieses Abschnittes besagt, werden wir hier mit
der allgemeinen Besprechung der Pseudopodienbildung gleichzeitig auch
die Bewegungs- und Ernährungsverhältnisse in Betracht ziehen, da die-
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nn, ee ine Be
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Pseudopodienbildung. (Lobosa,) 115
selben ja mit der Beschaffenheit der Pseudopodien in den innigsten
Beziehungen stehen.
Wie schon gelegentlich angedeutet wurde, kennen wir einfache nackte
Rhizopodenformen, gewisse Amöben, welche eigentlich gar keine beson-
deren Pseudopodien entwickeln, sondern sich fliessend mit ihrer ge-
sammten Masse bewegen, ohne hierbei tiefgreifende Gestaltsveränderungen
zu zeigen. In der A. Guttula und Limax haben wir derartige Formen
schon kennen gelernt und auch die ansehnliche Pelomyxa bewegt sich,
wenigstens häufig, für längere Zeit in dieser Weise. Der Vorgang dieser
fliessenden Bewegung des gesammten Rhizopodenleibes ergibt sich bei
näherer Untersuchung in der Art, dass von der hinteren Region, das heisst
der bei der Bewegung das Hinterende bildenden Leibespartie, das Proto-
plasma beständig in einem Strom in der allgemeinen Bewegungsrichtung
des Organismus nach dem vorderen Ende hineilt und, hier angelangt, zu
beiden Seiten abfliessend, sich in den seitlichen Theilen nach hinten wendet.
Zu beiden Seiten der mittleren Leibesgegend sammeln sich so die zurück-
kehrenden Protoplasmamassen an und gehen in einen relativ ruhenden
Zustand über, indem ihre Rückwärtsbewegung allmählich erlischt. Weiter-
hin werden dann diese Ansammlungen ruhenden Protoplasmas wieder
in den nach vorwärts sich bewegenden Strom hineingezogen, so dass also
eine Art Cirkulation des gesammten Leibesprotoplasmas die Grundlage
für die fliessende Bewegung des Körpers abgibt.
Eine derartige Cirkulation des gesammten Körperprotoplasmas in
ziemlich regelmässiger Weise sehen wir nun zuweilen, abgesehen von
den bei jeder Pseudopodienentwickelung nothwendigen Strömungen und
Verschiebungen, auch neben einer reichlichen Pseudopodienentwickelung
stattfinden. Hierfür bietet die sogen. Lieberkühnia (= Gromia paludosa
Cienkowsky) ein gutes Beispiel.
Ganz ähnlich im Allgemeinen wie die fliessende Bewegung des
gesammten Leibes, welche eben geschildert wurde, verhält sich auch die
Entwickelung eines Pseudopodiums bei den übrigen Lobosen; hier bewegt
sich der strömende Zufluss des Protoplasma’s nach einer oder mehreren
lokal beschränkten Stellen der Leibesoberfläche hin und tritt hier als ein
fingerartiger, an seinem Ende stumpf abgerundeter Fortsatz hervor. In
einem solchen Pseudopodium verhält sich der eintretende Strom ganz
ähnlich, wie wir das eben bei der Strömung des gesammten Leibesproto-
plasmas gesehen haben, das heisst: es bewegt sich das Protoplasma
in dem axialen Theil des Fortsatzes nach vorwärts und fliesst an
dessen Ende allseitig nach den Seiten hin ab, und indem es sich hier
in relativ ruhendem Zustand anhäuft, wächst durch fortdauernden, inneren
Zufluss das Pseudopodium allmählich in die Länge. Hierbei kann es sich
dann ereignen, dass sich der zufliessende Strom an seinem Ende ver-
zweigt, in Folge dessen dann auch das Pseudopodium sich verästelt und
durch mehrfache Wiederholung derartiger Stromabzweigungen können
sich dann schliesslich mehrfach getheilte Pseudopodien hervorbilden.
RE
116 Rhizopoda.
Ebenso wie solche Pseudopodien an einer oder mehreren Stellen der
Körperoberfläche hervorgeflossen sind, wie man sich wohl ausdrücken
darf, werden sie jedoch auch wieder eingezogen. Dieser Vorgang der
Zurückziehung der Pseudopodien bietet ungefähr das entgegengesetzte
Bild wie ihre Entstehung. Indem nach einer gewissen Zeit der
Zufluss aus dem Körperinneren sistirt,.kommt das Pseudopodium zu einem
kurzen Ruhezustand, es steht der zufliessende axiale Strom desselben
still. Mittlerweile haben sich die Strömungsrichtungen des Körperplasmas
überhaupt geändert und in Folge dessen beginnt, durch Zuströmung des
Plasmas nach einer anderen Stelle der Körperoberfläche, sich hier ein
neues Pseudopodium hervorzubilden. Nach einiger Zeit sehen wir dann,
wie der axiale Theil des Plasmas des alten Pseudopodiums in eine
rückströmende Bewegung übergeht und so die Plasmamasse des Fort-
satzes, zunächst von der Endspitze desselben beginnend, allmählich in
den Körper zurückgeführt wird, wobei sich, entsprechend dem Abfluss,
das Pseudopodium allmählich verkürzt, bis es schliesslich wieder
völlig in die allgemeine Leibesmasse aufgenommen worden ist. In
solcher Weise also sehen wir Neu- und Rückbildung der Pseudopodien
bei den mit derartigen lappen- oder fingerförmigen Pseudopodien ver-
sehenen Amöben und Verwandten vor sich gehen, die man häufig
(nach dem Vorgange Carpenter’s), eben wegen dieser Beschaffenheit ihrer
protoplasmatischen Leibesfortsätze, als Lobosa zusammenfasst.
Ist die Leibesmasse solcher Formen deutlich in eine hyaline Rinden-
schicht oder Eetoplasma und eine körnige Innenmasse oder Entoplasma
gesondert, so bilden sich die Pseudopodien zunächst ausschliesslich aus
dem hyalinen Ecetoplasma und bestehen auch, wenn sie eine mässige
Grösse nicht überschreiten, gewöhnlich nur aus solchem. Wenn sich je-
doch durch fortgesetzten Plasmazufluss das Pseudopodium zu ansehnlicher
Grösse entwickelt, dann tritt gewöhnlich auch die körmige Entoplasma-
masse in dasselbe ein und bildet eine axiale, körnige Partie des basalen
Abschnittes des Pseudopodiums (II. 1a).
Aus diesen Verhältnissen darf wohl der Schluss gezogen werden,
dass es die hyaline Eetoplasmaschicht ist, welche vorzugsweise die
Strömungserscheinungen zeigt und dies geht auch noch dadurch
besonders hervor, dass sich auch bei dem Hinfliessen, ohne Entwicke-
lung eigentlicher Pseudopodien, eine Anhäufung solch hyalinen Plasmas
am Vorderende findet, wenn überhaupt eine Sonderung in die beiden
Plasmapartien am Leibe des betreffenden Rhizopoden ausgebildet ist.
So sehen wir denn auch die Pseudopodienbildung bei einer Reihe von
Lobosen, an deren Körper sich keine deutliche Scheidung zwischen Ecto-
und Entoplasma durchführen lässt, dennoch nur aus hyalinem oder doch
sehr feinkörnigem Plasma stattfinden, wie dies der Fall ist bei den be-
kannten beschalten Lobosen, Arcella, Difflugia, Hyalosphenia, Qua-
drula etc. (s. II).
Unter den Lobosa selbst zeigt jedoch im Speciellen die Gestaltung
Pseudopodienbildung. (Lobosa.) 117
der Scheinfüsschen eine ziemlich reiche Mannigfaltigkeit, und eine nicht
unbeträchtliche Reihe noch hierherzurechnender Formen weist schon An-
klänge an die Gestaltungsverhältnisse, wie wir sie in vollkommenerer Weise
bei den sogen. Reticulosa späterhin kennen lernen werden, auf.
Bei den nackten Formen der hier zu betrachtenden Gruppe, also
vorzugsweise den Amöben und Verwandten, wird natürlich die Gesammt-
gestalt des Körpers im beweglichen Zustand durch Gestalt und Bildungs-
weise der Pseudopodien bestimmt. Neben Formen mit kurzen, stumpfen
Fortsätzen, welche allseitig vom Körper in grösserer oder geringerer Zahl
entspringen, treffen wir solche, bei welchen dieselben länger und dünner,
mehr fingerförmig werden. Entspringen solche Fortsätze gleichmässig
von dem gesammten Rand des ziemlich scheibenförmigen Körpers, so
erhält der Körper ein strahliges Aussehen, wie z. B. bei der Dactylo-
sphaera H. und Lesser’s (I. III. 11, 12), der Amoeba polypodia M. Sch.
(F. E. Sch.) und der Amoeba radiosa (bei letzterer treten jedoch auch
Formen auf, welche sich durch sehr lange, dünne, strahlenartige Pseudo-
podien von den übrigen Amöben entfernen [I. 10]). Andererseits sehen
wir die Enden der fingerförmigen Pseudopodien sich nicht selten ver-
zweigen (seltener bei A. diffluens O. F. M., häufiger bei A. brachiata Duj.),
und in eigenthümlicher Weise zugespitzt und zerschlitzt erscheinen die
Pseudopodien der A. lacerata (Duj.) From. Auch die beschalten Formen
zeigen z. Th. etwas abweichende Bildungsverhältnisse, so besitzt eine von
Hertwig und Lesser beschriebene Difflugia acropoda ziemlich breite, ab-
geflachte und flammenartig spitzig zerschlitzte Pseudopodien, welche an
die der ebenerwähnten A. lacerata sich anschliessen.
Auch treten hier z. Th. besonders abweichende Pseudopodienbildungen
auf; so dürfen hierher gerechnet werden die eigenthümlichen, an ihren
Enden schwimmhautartig verbreiterten Pseudopodien von Petalopus (II. 13)
Cl. u. L. und die noch merkwürdigeren, membranartigen Pseudopodien
von Plakopus F. E. Sch., welche sich in verschiedenen Richtungen vom
Körper erheben können, unter sich winkelig zusammenstossend und so
trichter- oder kappenförmige Hohlräume zwischen sich einschliessen (II. 14).
Im Anschluss an die Betrachtung der Pseudopodienentwickelung der
Lobosa fügen wir hier gleich einige Angaben über die Art der Nahrungs-
aufnahme bei, da ja dieser Process in direeter Beziehung zu der
Pseudopodienbildung steht. Es liegen hauptsächlich bei den Amöben ge-
nauere Beobachtungen dieses Vorgangs vor, wo Lachmann *) und Leidy **)
denselben in übereinstimmender Weise verlaufen sahen. Ein aufzunehmen-
der Nahrungskörper wird von den Pseudopodien gewissermaassen allseitig
umflossen und indem sich dieselben jenseits um den Nahrungskörper ver-
schmelzend vereinigen, wird dieser, sammt einer gewissen Quantität
Wasser, in den Protoplasmakörper aufgenommen. Auch ein einzelnes
*) Verh. d. nat.-h. Ver. d. preuss. Rheinl. XVI.
*#) Proceed. Acad Philad. 1874. p. 143 u. 1877. p. 288.
118 Rhizopoda.
Pseudopodium wird ohne Zweifel die Fähigkeit besitzen, einen kleineren
oder grösseren Nahrungskörper derartig zu umfliessen. Etwas anders
gestaltet sich jedoch der Vorgang bei Aufnahme ansehnlich grosser
Nahrungstheile, so z. B. längerer Algenfäden; in solchen Fällen sieht
man die Amöbe gewissermaassen den Nahrungskörper umfliessen, der in
dieser Art, häufig nicht ohne beträchtliche Anstrengungen des Amöben-
körpers und zuweilen erst nachdem hierdurch der Algenfaden in
mehrere Stücke zerbrochen worden ist, in den Körper aufgenommen wird.
Interessant ist die neuerdings von Duncan*) und Leidy gemachte
Beobachtung, dass die Amöben hauptsächlich mit ihrem sogen. Hinterende
die Nahrungsaufnahme vollziehen sollen.
Wie [angegeben, zeigt sich schon bei einer ziemlichen Zahl den
echten Lobosen sehr nahestehender Formen eine Hinneigung zur Ent-
wickelung zärterer, fadenförmiger und zugespitzter Pseudopodien. Diese
treten uns in noch höherer Entwickelung in der Abtheilung der
sogen. Reticulata entgegen. Einfachere Verhältnisse, durch welche
ein naher Anschluss an die eben charakterisirten Lobosen vermittelt
wird, zeigen uns die meisten Süsswasserformen dieser Gruppe, wie ja
auch die Lobosen vorzugsweise dem süssen Wasser angehören. Hier
treffen wir zarte, ziemlich dünne, häufig noch ganz hyaline Pseudopodien
mit mehr oder minder ausgeprägt spitzwinkeliger Verästelung ihrer
Enden, jedoch ohne grosse Neigung zur Verschmelzung unterein-
ander. Es bilden sich hier entweder nur wenige oder keine Ana-
stomosen zwischen den Pseudopodien, fast nie aber ein so reiches
Netzwerk, wie dies bei den marinen Reticulata fast durchweg der Fall
ist. Treffliche Beispiele dieser Form der Pseudopodienbildung sehen wir
bei Euglypha, Trinema, Cyphoderia, /Platoum und Leeythium (s. IIL),
hier finden wir dieselben ganz hyalin und körnchenlos; auch die Amphi-
stomeen schliessen sich hier an. Gewisse Gromien (z. B. Gromia Dujar-
dini M. Sch.) besitzen ähnliche, hyaline, spitzig verästelte und sehr starr
erscheinende Pseudopodien. Ob bei solchen hyalinen Pseudopodien eine
ähnliche, wahrscheinlich nicht fehlende Strömungserscheinung des Plasmas
der Pseudopodien stattfindet, wie sie an den körnerführenden Pseudo-
podien sehr deutlich ist, kann bei dem Mangel der Körnchen hier nur
schwierig festgestellt werden.
Die typisch reticulären Formen, wozu wir ausser einer kleinen Zahl
von 'Süsswasserformen — wie z. B. die Mikrogromia, Lieberkühnia,
einen Theil der Gromien und Pseudodifflugien — die grosse Masse der
marinen Rhizopoden zu rechnen haben, zeichnen sich durch die meist
sehr feinen, fadenförmigen, gewöhnlich in sehr grosser Anzahl entwickelten
Pseudopodien aus. Dieselben sind körnchenführend, zeigen das Phänomen der
sogen. Körnchenströmung und treten durch mehr oder weniger zahlreiche,
*) Duncan, P. M., Studies amongst Amoeba. Popular science review 1877. (Nicht
eingesehen!)
Pseudopodienbildung. (Reticulata.) 119
netzförmig zwischen den Pseudopodien ausgespannte Anastomosen in
Communikation (IV. 6; IX. 1; XI. 2). Die trefflichsten Schilderungen
derartiger Pseudopodiennetze, ihrer Bildung und ihres Verhaltens, hat
M. Schultze bei mehreren Gelegenheiten gegeben.*) Bei den einmündigen
imperforaten Formen entwickeln sich diese sehr zahlreichen, in ihrer
Stärke etwas schwankenden Pseudopodien aus der einfachen Schalen-
öffnung, z. B. einer Gromia oder Miliola;**) zuweilen breitet sich je-
doch das Protoplasma, indem es reichlicher aus der Mündung hervorquillt,
wie ein Ueberzug über die Schale aus und lässt nun allseitig die zarten
Pseudopodien ausstrahlen. Bei den Perforaten scheint zwar die Entwicke-
lung der Pseudopodien gleichfalls zunächst von der weiteren Schalen-
mündung aus vor sich zu gehen, späterhin treten jedoch die Pseudopodien
allseitig aus den Poren der Schale hervor.
Es bestehen diese Pseudopodien, wie eine Untersuchung bei starker
Vergrösserung: nachweist, aus einem sehr feingranulirten Plasma, das
zahlreiche stark lichtbrechende Körnchen, von rundlicher bis stäbchen-
förmiger Gestalt, mit sich führt, die an der Oberfläche der Fäden hin-
gleiten, ‘so dass sie meist über dieselbe noch etwas hinausragen. Wie
schon bemerkt, sind diese Körnchen in mehr oder minder lebhaft strömen-
der Bewegung begriffen; man sieht sie an den Fäden einerseits von der
centralen Körpermasse hinauseilen bis zu dem äussersten Pseudopodien-
ende, während sie andererseits auf den gleichen Fäden in rückläufigem
Strom sich zur Schale zurückbewegen. Hieraus geht hervor, dass sich
an jedem der Pseudopodienfäden das Plasma in strömender Bewegung
befindet, dass sich ein Strom, aus der Körpermasse hervortretend, nach
der Peripherie begibt, während gleichzeitig ein rückkehrender dem Körper
wieder zueilt.***) Zuweilen treten an den fadenartigen‘Pseudopodien auch
lokale, spindelförmige Anschwellungen, Varicositäten, auf, die sich ähnlich
wie die Körnchen an dem Faden fortbewegen können. 7) Was die Länge
*) S. 53 und: Das Protoplasma der Rhizopoden und der Pflanzenzellen. Leipzig 1863.
*#) Bei den oben erwähnten Süsswassergeschlechtern Mikrogromia, Lieberkühnia und
z. Th. auch Gromia entspringen die Pseudopodien von einer stielartigen Verlängerung des
Vorderendes des Protoplasmakörpers, die aus der Schalenmündung hervorgestreckt wird, dem
sogen. Pseudopodienstiel. Bei Mikrogromia und Lieberkühnia (III. 15, 16, p) entspringt dieser
Pseudopodienstiel nicht vom vorderen Theil des Weichkörpers, sondern etwas hinter demselben
seitlich, so dass hierdurch die schon im Schalenbau angedeutete bilaterale Gestaltung noch
deutlicher zum Ausdruck kommt.
**#*) Diese Schilderung M. Schultze’s von dem Vorhandensein der Doppelströme an den
Pseudopodien der Reticularia kann sich doch wohl vorzugsweise nur auf die, wenn der Aus-
druck erlaubt ist, ruhenden, d. h. in ihrer Gestalt für eine gewisse Zeit wenig veränderlichen
beziehen, da in den sich hervorbildenden Pseudopodien oder umgekehrt in den sich zurück-
ziehenden doch wohl die Strömung einseitig erfolgen, oder doch die Strömung in einer
Richtung sehr gegen die in anderer vorherrschen muss, Doch gibt Schultze ausdrücklich an,
dass sich an den im Hervortreten begrillenen, an ihren Enden meist knopfförmig angeschwol-
lenen Pseudopodien ein rückläufiger Strom bemerken lasse, wie umgekehrt auch sogar während
der Einziehung ein centrifugaler Strom zu bemerken sein soll,
+) Im Allgemeinen scheint es wenig wahrscheinlich, dass den fadenartigen Pseudopodien
120 Rhizopoda.
der in soleher Weise entwickelten Pseudopodien betrifft, so ist dieselbe
gewöhnlich sehr ansehnlich und erhebt sich bis zu dem 6—10fachen des
Schalendurchmessers. Natürlich vermag sich ein solch zartes, reiches
Pseudopodiennetz gewöhnlich nicht frei in dem umgebenden Medium zu
erheben, sondern kriecht auf einer Unterlage hin. Es ist leicht einzusehen,
wie durch Verkürzung der Pseudopodien auch eine langsame Ortsverände-
rung der ganzen Schale bewerkstelligt werden kann und so, ähnlich wie
dies auch für die seither besprochenen Formen gilt, der Organismus sich
mit Hülfe seiner Pseudopodien kriechend bewegt.
Wie durch Verschmelzung der Pseudopodien Netze hergestellt werden
können, so können dieselben auch stellenweise zu grösseren protoplasma-
tischen, plattenartigen Anhäufungen zusammenfliessen und dies findet
namentlich statt, wenn es gilt, Nahrungskörper mit Hülfe der Pseudo-
podien in den Körper einzuführen. Es geschieht dies in der Weise, dass
der aufzunehmende Körper von mehreren Pseudopodien ergriffen und
gewissermaassen umflossen wird, indem Protoplasma reichlich zuströmt,
den betreffenden Körper umhüllt und derselbe hierauf durch Verkürzung
der Pseudopodien allmählich in den Körper hereingezogen wird.*) Fraglich
scheint es jedoch, ob ein solcher Nahrungskörper zu seiner Verdauung
stets nothwendig in die Hauptkörpermasse, resp. die Schale, eingeführt
zu werden braucht, oder ob nicht die Assimilirung auch ausserhalb der
Schale, wenn nur eine hinreichende Umhüllung desselben durch lebendiges
Protoplasma stattgefunden hat, vor sich zu gehen vermag.
Die hier geschilderte, jetzt allgemein anerkannte Natur der reticulären Pseudopodien
der Rhizopoden und ihrer Körnchenströmung, welche schon von Dujardin in richtiger Weise auf-
gefasst worden war, gab seiner Zeit Veranlassung zu einem hartnäckigen Streit zwischen
M. Schultze und Reichert, wie einer Anzahl weiterer Forscher, die sich theils auf die eine,
theils mehr auf die andere Seite schlugen. Untef diesen ist hauptsächlich noch Häckel zu
nennen, der mit grosser Lebhaftigkeit die Dujardin-Schultze’sche Ansicht vertheidigte. Ehren-
berg, dessen Ansichten über die Natur der marinen Rhizopoden schon früher, gelegentlich des
historischen Ueberblicks, mitgetheilt wurden, hat sich nie mit der Dujardin-Schultze’schen Auf-
fassung ausgesöhnt, und stets daran festgehalten, dass es sich bei der Bildung der Pseudopodien-
netze nicht um eine wahre Verschmelzung handle, sondern um eine innige Aneinander-
lagerung der stets getrennt bleibenden Pseudopodienfäden — dass demnach die gesammte
Netzbildung nur eine scheinbare sei. Reichert, **) als ein heftiger Gegner der ganzen sogen.
Sarkodetheorie, hält wie Ehrenberg diese Netzbildung für eine scheinbare und wandte sich
der Rhizopoden z. Th. eine Differenzirung in Axenfaden und Rindenschicht zukomme, wie
wir solches späterhin bei einem Theil der Heliozoön und Radiolarien finden werden; dennoch
möge an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht werden, dass M. Schultze für die körnchen-
armen und weniger leichtflüssigen Pseudopodien eine solche höhere Ausbildungsstufe nicht
unmöglich hält (s. „‚Das Protoplasma“).
*) Bei dieser Gelegenheit sei noch erwähnt, dass M. Schultze mehrfach eine sehr plötz-
liche lähmende Wirkung der Pseudopodiennetze von Gromia und Polystomella auf dieselben
berührende Infusorien beobachtete; ein Moment, das für ihre Bedeutung als Organe zur
Nahrungsaufnahme nicht gering anzuschlagen sein wird.
**) Monatsberichte d. Berliner Akad. 1862, Arch. f. An. u. Physiol. 1862 (Abdruck).
Monatsber. 1863, 1865 (Abdr. im Arch. f. A. u. Ph.). Ueber Schultze’s Vertheidigung siehe
auch: Arch. f. Naturgesch. 1863 und haupts.: Das Protoplasma 1863.
Pseudopodienbildung. (Starre, pseudopodienart. Fortsätze bei Amöben.) 121
namentlich auch gegen das Phänomen der Körnchenströmung, das nach ihm nicht durch
Strömung thatsächlich existirender Körnchen, sondern durch das Fortschreiten von Contraktions-
wellen an den Pseudopodienfäden hervorgerufen werde. Es handle sich also hier, wie gesagt,
nicht um wirkliche Körnchen, sondern der Anschein solcher sei hervorgerufen durch schlingen-
artige Contraktionswellen, die an dem Faden hüpfend sich fortbewegten. Es kann hier nicht
unsere Aufgabe sein, diesen Streit durch alle die Gründe und Gegengründe hindurch zu ver-
folgen. Wir heben nur hervor: dass einmal die gesammte optische Erscheinung der Körnchen
und ihrer Bewegungen, ferner die Netzbildung der Pseudopodien gegen die Ehrenberg-
Reichert’sche Auffassung spricht, andererseits der namentlich von Häckel und späterhin auch
von M. Schultze geführte Nachweis, dass feine, dem Rhizopodenkörper zugeführte Karmin-
oder Stärkemehlkörnchen in derselben Weise wie die eigentlichen sogen. Protoplasmakörnchen
die Erscheinung der Strömung auf den Pseudopodien zeigen, hinreichend die gegentheilige
Ansicht widerlegt. Auch anderweitige kleine Fremdkörper können in solcher Weise von dem
rückläufigen Strom der Pseudopodien ergriffen und als Nahrungsbestandtheile dem eigentlichen
Thierkörper zugeführt werden. Uebrigens hat Reichert in seinen späteren Abhandlungen über
diesen Gegenstand seinen ursprünglich schroffen Gegensatz vielfach gemildert. Wir glaubten
hier einige kurze Bemerkungen über diese Streitfragen einschalten zu sollen, da hauptsächlich
die Untersuchung unserer Rhizopoden zum Austrag derselben geführt hat.
Eine recht eigenthümliche und bemerkenswerthe Erscheinung tritt
uns noch darin entgegen, dass eine Reihe von Rhizopoden das Vermögen
besitzt, Pseudopodien oder doch pseudopodienartige Fortsätze von
zweierlei Gestalt auszusenden. Gelegentlich haben wir dieses Verhalten
schon bei der sogen. Amoeba radiosa erwähnt, die zuweilen ihre ansehn-
lich langen, strablenartigen Pseudopodien einzieht und sich mit Hülfe
kurzer, stumpfer Fortsätze weiterbewegt. Auch bei seiner Gromia granu-
lata (= Plagiophrys lentiformis H. u. L.) hat F. E. Schulze zuweilen
das Hervortreten kurzer, lappenförmiger Pseudopodien zwischen den Basen
der gewöhnlichen, lang fadenförmigen beobachtet.
Ziemlich allgemein scheint jedoch den Amöben noch die Eigenthüm-
lichkeit zuzukommen, an ihrem Hinterende eine Anzahl, häufig wie ein
Schopf zusammenstehender, kurzer fransen- oder haarartiger, ectoplasma-
tischer Fortsätze zu entwickeln (II. 5, d). Möglich, dass diese Erscheinung
schon von Dujardin bei seiner Amoeba inflata beobachtet wurde, späterhin
haben sich hauptsächlich Lieberkühn,,*) Wallich **) (der auf diesen ver-
gänglichen Charakter seine A. villosa —= princeps Ehrbg. gründete),
Carter und Andere mit dieser Erscheinung beschäftigt und es hat sich
herausgestellt, dass es sich hier wohl um eine bei Amoeba und verwandten
Organismen ziemlich verbreitete Erscheinung handelt. So zeigt sich
dieselbe ähnlich zuweilen auch bei Pelomyxa und Plakopus F. E. Sch.,
und auch die später bei den Flagellaten zu besprechenden, mit Geissel
versehenen Amöben, so z. B. die Mastigamoeba F. E. Schulze’s und die
Amoeba monociliata Carter’s bieten das gleiche Verhalten.
Diese haarartigen Fortsätze machen einen sehr starren Eindruck und
scheinen keiner activen Bewegung fähig zu sein; sie sind daher auch
kaum in die Kategorie der eigentlichen Pseudopodien zu ziehen. Während
*) S, bei Clap. u. Lachm. 60.
**) A, m. n. h. 3. XI u. XII.
1232 Rhizopoda.
sie meist verhältnissmässig sehr kurz bleiben, hat Archer*) einmal bei einer,
wegen der Anwesenheit eines solchen hinteren Schopfes kurzer Fortsätze
als A. villosa bezeichneten Form, auch nebenbei noch einen Büschel feiner
Fortsätze von Körperlänge und gelegentlich auch unter den gewöhnlichen
kurzen, hintern Fortsätzen einige körperlange angetroffen.
In dieselbe Kategorie starrer, kurzer Oberflächenfortsätze gehören
ohne Zweifel auch die von Hertwig und Lesser bei ihrer Dactylosphaera
vitreum beschriebenen, welche die ganze oder nur einen Theil der Ober-
fäche sammt den Pseudopodien bedecken, und an denen sie gleichfalls
Bewegungen nicht wahrzunehmen vermochten (I. 11). Eine solche Aus-
dehnung dieses Härchen- oder Zöttehenbesatzes über das gesammte Eecto-
sark amöbenartiger Rhizopoden findet sich aber noch weiter verbreitet, so
hat schon Stein **) (15) einen amöbenartigen Organismus, der gänzlich von
solchen kurzen Borsten überzogen war, unter dem Namen Chaetoproteus
beschrieben; späterhin wurde dann ein ähnlicher, wenn nicht identischer,
von Leidy***) aufgefunden. In dieselbe Kategorie, wie die eben be-
schriebenen haarartigen, starren Fortsatzbildlungen der Amöben, mögen
auch die bei dem interessanten Diaphoropodon Archer’s von der gesammten
Körperoberfläche zwischen den Schalenpartikeln entspringenden haarartigen
Fortsätze gehören (IV,1). Neben solchen entwickelt diese Form dann noch mehr
oder minder zahlreiche, sehr lang fadenartige, oder in sehr eigenthümlicher
Weise tannenbaumartig verästelte Pseudopodien aus der Schalenmündung.
Ueber die eigentliche Natur und Bedeutung dieser zöttchen- bis
haarartigen Fortsätze der amöbenartigen Rhizopoden vermag vielleicht
aus einer Beobachtung Czerny’s}) einiger Aufschluss geschöpft werden.
Derselbe fand nämlich, dass Amöben bei Zusatz von !/,°/, Kochsalzlösung
zahlreiche, feine, wimperartige Fortsätze aussenden, die „rasch länger,
dann knotig werden, sich biegen und in zitternde Bewegung gerathen.“
Möglich, dass hieraus der Schluss gezogen werden darf, dass das Ecto-
plasma der Amöben die Eigenthümlichkeit besitzt, bei stärkerer Verdichtung
durch Wasserentziehung (wie sie ohne Zweifel in Folge des Zusatzes von
Kochsalzlösung eintritt) solehe Fortsätze zu entwickeln. Diese Auffassung
erscheint auch noch deshalb nicht unplausibel, weil es das Hinterende
der kriechenden Amöbe ist, wo sich der Schopf soleher Fortsätze gewöhn-
lich entwickelt. Aus früher in der Einleitung erörterten Gründen aber,
scheint es wahrscheinlich, dass eben am Hinterende die Dichte des Proto-
plasmas am bedeutendsten, resp. dasselbe hier am wasserärmsten ist.
Gewisse eigenthümliche Erscheinungen zeigen sich z. Th. noch bei
der Einziehung der Pseudopodien mancher Rhizopoda, und verdienen
hier noch eine kurze Besprechung. Bei der schon mehrfach erwähnten
Daetylosphaera vitreum haben Hertwig und Lesser beobachtet, dass die
*) 00.7. micr. eo, NL
*#*) Abh. d. k. böhm, Ges. d. W. X.
*##F) Proc. acad. Philad. 1874.
r) Arch. f. mikr. Anatomie Bd. V. p. 158.
Pseudopodienbildung. (Einziehung, geisselnde Pseudopodien.) 123
strahlenartigen, jedoch ziemlich dieken Pseudopodien vor ihrer Einziehung
plötzlich knorrig und unregelmässig werden und hierauf rasch zurück-
fliessen. Noch bemerkenswerther ist das schon Carter (75. 13) und
Fresenius*) bekannte, später auch durch Hertwig und Lesser geschil-
derte Verhalten der fadenartig zugespitzten Pseudopodien bei Cyphoderia.
Hier fliesst das Pseudopodium entweder rasch zu einem Protoplasma-
tropfen zurück oder zieht sich zunächst plötzlich zu einer, ihre Windungen
allmählich verkürzenden, Spirale zusammen; dasselbe geschieht gewöhnlich
auch, wenn das Pseudopodium ein Nahrungspartikelchen ergriffen hat,
das dann in einem Protoplasmatropfen eingeschlossen, der sich an dem
Ende des Scheinfüsschens gebildet hat, in den Körper des Thieres ein-
gezogen wird. Einen ähnlichen Vorgang hat dann ferner auch F. E. Schulze
bei seiner Gromia granulata (wohl = Plagiophrys lentiformis H. u. L.)
beobachtet, indem hier bei der Einziehung eines Pseudopodiums plötzlich
eine Erschlaffung desselben, mit welliger Kräuselung, zu beobachten war,
worauf es zu einem Klumpen zusammenschmolz.
Zum Beschluss unserer Betrachtung der Pseudopodienbildung der
Rhizopoda müssen wir noch einen Blick auf die seltneren Vorkommnisse
pseudopodienartiger Fortsätze mit schwingenden bis geisselnden Bewegungs-
erscheinungen werfen. Wir kennen nur einen oder vielleicht zwei hierher
gehörige Fälle, die sich bei amöbenartigen Organismen gefunden haben
und die unser Interesse um so mehr in Anspruch nehmen, als, wie be-
kannt, eine ganze Reibe amöbenartiger Organismen mit der Zeit entdeckt
worden ist, die durch den Besitz einer mehr oder minder ansehnlichen
Geissel sich den eigentlichen Flagellaten so innig anschliessen, dass wir
vorgezogen haben, sie diesen anzureihen und ihre Besprechung daher auf
später zu verschieben. Die jetzt zu erwähnenden Vorkommnisse aber
scheinen eine ziemlich direete Uebergangsstufe von den gewöhnlichen
Amöben zu jenen Geisselamöben zu bilden.
Der einfachste hierbergehörige Fall liegt zunächst bei der schon
mehrfach erwähnten Amoeba radiosa Auerb. vor. Die strahlenartigen
langen Pseudopodien, welche diese Form im ruhenden Zustand aussendet
(I. 10), besitzen nach meinen Beobachtungen**) zeitweilig die Fähigkeit,
mit ihren fein ausgezogenen, häufig schlingenförmig umgebogenen Enden
leicht hin und her zu schwingen oder sich anhaltend drehend zu bewegen.
Wie schon früher bemerkt, werden dann diese Pseudopodien zuweilen
eingezogen und der Organismus bewegt sich mittels breiter, lappiger
Pseudopodien fort. Ganz ähnlich verhält sich nun nach den Untersuchungen
Lachmann’s (60) eine zu der Gattung Podostoma erhobene Form, die
sich hauptsächlich dadurch von der geschilderten A. radiosa unterscheidet,
dass die langen, fadenartigen Fortsätze sich auf einem basalen kurzen,
diekeren Fortsatz erheben und der Pseudopodienfaden heftige geisselnde
Bewegungen ausführt, also sich hier in sehr hohem Grade der Natur
*) Abhandl. d. Senckenb. nat. Ges. II.
ern Lw 2, XIX
124 Rhizopoda.
wahrer Geisseln nähert. Er dient zur Nahrungsaufnahme, indem kleine
Nahrungskörperchen an ihm herabgleiten und durch den basalen Träger
des Geisselfadens aufgenommen werden. Dass sich an dieser Stelle eine
persistirende Oeffnung zur Aufnahme der Nahrungskörper finde, wie Cla-
par&de und Lachmann angeben, scheint mir sehr wenig wahrscheinlich.
Etwas abweichend von dieser Schilderung des Podostoma ist die
Darstellung, welche L. Maggi*) von demselben entwirft. Nach letzterem
Beobachter sollen sich statt der von Claparede und Lachmann geschil-
derten, geisselnden Fortsätze auch häufig bedeutend längere, fadenförmige
(und wohl auch geisselnd bewegliche) finden, die sich an ihrem Ende
nicht zuspitzen, sondern durchaus gleichförmige Dicke besitzen. Ihren
Ursprung sollen sie nicht, wie die gewöhnlichen Pseudopodien, aus dem
Ectoplasma, sondern aus der früher erwähnten, sogen. Mesoplasmaschicht
nehmen. Merkwürdigerweise sollen nun diese langen, fadenartigen Fort-
sätze an ihrem Ende eine Oeffnung zur Aufnahme der Nahrung besitzen,
von deren Existenz ich jedoch ebensowenig überzeugt bin, wie von der
oben nach Claparede und Lachmann angegebenen Mundöffnung an der
Basis des geisselartigen Pseudopodiums. Ueberhaupt scheint mir die
Beziehung der von Maggi untersuchten Organismen zu dem Podostoma
filigerum Cl. u. L. nicht ganz sicher, wogegen ich trotz der Einwendungen
Cattaneo’s die Beziehungen des Podostoma zu A. radiosa für sehr innige
halten muss, worin auch ihr Entdecker Lachmann mit mir übereinstimmt,
der beide Formen gleichfalls für sehr innig verwandt erklärt. **)
n. Gallertige Umhüllungen des Weichkörpers.
Bildungen, wie sie die Ueberschrift dieses Abschnittes bezeichnet,
sind verhältnissmässig seltene Vorkommnisse bei den Rhizopoda; dennoch
sind 2 hierhergehörige, bei verwandtschaftlich sich sehr wenig nahe-
stehenden Formen findende Fälle bekannt geworden, von denen es jedoch
fraglich erscheinen darf, ob sie in näherer Beziehung zu einander stehen.
Der erste betrifft eine amöbenartige Form, die sogen. Amphizonella
Greef?’s ***) (II. 7). Hier wird der amöbenartige Körper von einer ziemlich
dicken, hyalinen Umhüllungsschicht überzogen. Dieselbe ist recht resistent
gegenüber Säuren und Alkalien, besitzt jedoch jedenfalls nur eine etwa
gallertige Consistenz, da sie von den fingerförmigen Pseudopodien leicht
durchbohrt wird und ebenso schnell wieder an Stelle der eingezogenen
Pseudopodien zusammenfliesst.
Der zweite Fall hingegen betrifft eine marine, pelagische Form der
Perforata, nämlich die sogen. Hastigerina Murrayi (Untergenus von Globi-
gerina). Hier fand zuerst Murray *) bei wohlerhaltenen, lebenden Thieren
eine den Durchmesser der Schale fast um das Doppelte an Dicke über-
*) Rendic. d. R. Istit. Lomb, IX. 1876.
**) Verh. d. nat.-hist. Ver. d. pr. Rheinl. u. Westph. XVI.
**%) Arch. f. mikr. A. II.
*) Proc. roy. soc. XXIV. p. 532.
re
Gallertige Hüllen. Weichkörper und Schale bei Monothalamia. 125
treffende Umhüllung von „bubble like extensions“ der Sarkode, wie er
sich ausdrückt (IX. 1). Dass es sich jedoch hier, wie schon der erste
Anblick der Abbildung lehrt, um eine ähnliche Alveolenhülle handelt, wie
sie bei den Radiolarien so weit verbreitet ist, hat R. Hertwig,*) der
genaue Kenner der Radiolaria, durch eigene Untersuchung der Hastigerina
oder einer sich ähnlich verhaltenden pelagischen Globigerinenform gezeigt.
Demnach wird auch hier eine ansehnlich dicke Gallerthülle die Schale
sammt Thierkörper äusserlich umhüllen, durch welche Gallerthülle sich
Sarkodenetze hindurchziehen, die von der Oberfläche der Gallerte die
Pseudopodien entspringen lassen. Die „bubble like extensions‘“ aber sind
zahlreiche ansehnliche, sogen. Alveolen (Flüssigkeitsvaeuolen), die in der
Substanz der Sarkodenetze der Gallerte gebildet werden.
Eine genauere Darstellung der jentsprechenden Bildungen der Radio-
larien wird späterhin bei diesen mitgetheilt werden. Es liegt die Ver-
muthung sehr nahe, dass solehe Gallert- und Alveolenbildung nicht nur auf
die erwähnte Gattung beschränkt sei, sondern eine weitere Verbreitung unter
den pelagischen Rhizopoden besitze, worauf denn auch die Bemerkung
Murray’s hindeutet, dass auch die stachellosen Formen der pelagischen
Rhizopoden (also wohl hauptsächlich Pulvinulinen) ähnliche blasige Ueber-
züge entwickelten.
5. Verhalten des Weichkörpers zur Schale und Bildung der Schale
durch den Weichkörper.
In seinem erwachsenen Zustand zeigt der Organismus der beschalten
Rhizopoden ein etwas verschiedenes Verhalten zu der ihn umhüllenden
Schalenhaut; wir haben daher hier auch auf diese Verhältnisse noch einen
Blick zu werfen.
Unzweifelhaft geschieht die erste Bildung eines Schalenhäutchens in
direeter Auflagerung auf die Oberfläche des Protoplasmaleibes selbst, ja
es handelt sich wohl auch hier um eine direete chemische Umbildung
der äussersten Plasmaschieht, welche den Anstoss zur Schalenbildung
gibt, wofür ja die von uns früher namhaft gemachten Fälle sprechen,
in welchen das Vorhandensein eines Schalenhäutchens unsicher ist. In
diesen letzterwähnten sowohl, als auch in den sich zunächst anschliessenden
Fällen mit sehr dünner oder doch biegsamer und zarter Schalenhaut,
wie wir solches z. B. bei Lieberkühnia, Lecythium, Gromia und unter
den Lobosen bei Cochliopodium gefunden haben, liegt daher auch die
Schalenhaut der Oberfläche des protoplasmatischen Weichkörpers noch
dicht auf. Hat dieselbe hingegen eine grössere Festigkeit erlangt, so
zeigt sich bei den monothalamen Formen des Süsswassers häufig eine
Zurückziehung des Körpers von der Schale, die dann also nicht mehr
völlig von dem Weichkörper ausgefüllt wird. Ein solches Verhalten ist
namentlich bei den Lobosen weit verbreitet, wird jedoch auch bei den
*) Jen. Zeitschr, IX.
126 Rhizopoda.
Retieulata nicht selten angetroffen. Entweder trennt in diesen Fällen eine
mehr oder minder ansehnliche, mit Flüssigkeit erfüllte Zone den Weich-
körper völlig von der Schale, der sich dann nur noch an der Mündung
an dieselbe zur Befestigung anzulegen scheint, wie sich solches z. B. bei
Mikrogromia und Platoum, jedoch auch bei Euglypha und Trinema
beobachten lässt; oder aber es heftet sich der Weichkörper durch be-
sondere zarte, vom Hinterende des Körpers entspringende Plasmafortsätze
im Grunde der Schale fest. In diesen Fällen, wie sie unter den Lobosen
sehr wohl ausgeprägt bei Arcella (II. 9a), Hyalosphenia (II. 10), Qua-
drula (II. 12) und Difflugia, unter den Reticulata hingegen bei Cyphoderia
(III. 13) zu beobachten sind, hat sich demnach hauptsächlich das Hinter-
ende des Körpers weit von dem Schalengrunde zurückgezogen, so dass
bisweilen der Weichkörper wie in der Mündung aufgehängt erscheint.
Unzweifelhaft sind diese zur Befestigung verwertheten protoplasma-
tischen Fortsätze des Hinterendes auch einer activen Veränderung fähig
und vermögen den Weichkörper in den Schalengrund zurückzuziehen.
Einige Forscher berichten sogar von einem plötzlichen Zurückziehen
soleher Formen, ohne Zweifel mit Hülfe dieser hinteren Fortsätze. So
gibt Stein *) dieses Verhalten von seiner Hyalosphenia euneata an, doch
hat F. E. Schulze bei seiner H. lata nichts Aehnliches beobachtet und Carter
berichtet ebenso ein plötzliches Zurückziehen seiner Difflugia bipes (wahr-
scheinlich zu Nebela Leid. zu stellen [III. 10]) mittels ihrer hinteren Fortsätze,
wobei sich der Weichkörper gleichzeitig zu einer Kugel abrunden soll. **)
Bei den marinen, kalkschaligen und sandschaligen Rhizopoden
scheint nach den Untersuchungen M. Schultze’s und anderer Forscher der
Weichkörper die Schalenhöhlungen gewöhnlich völlig anzufüllen, wie dies
schon daraus hervorgeht, dass man durch vorsichtiges Auflösen der Kalk-
schalen mittels Säure gewöhnlich einen untadelhaften Ausguss der Schalen-
räume in Gestalt des restirenden Plasmakörpers erhält. Für die poly-
thalamen Formen hebt jedoch M. Schultze hervor, dass die jüngste Kammer
häufig keine völlige Erfüllung mit Protoplasma, sondern nur ein feines
Gespinnst von Protoplasmafäden enthalte und hält diesen Zustand für den
primitiven, dem eine völlige Erfüllung erst nachträglich folge.
Aber nicht nur die weiten, eigentlichen Schalenräume der marinen
Formen sind in dieser Weise meist völlig durch Sarkode erfüllt, sondern
auch die Porenkanäle der Perforaten sowie das Kanalsystem, wo ein
solches vorhanden ist, besitzen eine Erfüllung durch Protoplasma. Für
die Porenkanäle ergibt sich dies ja schon aus dem Durchtreten der Pseudo-
podien, für das Kanalsystem hingegen ist eine solche Erfüllung gleichfalls
verständlich, da dasselbe ja stets in irgend einer Weise mit den Kammer-
räumen eommunieirt. Dass jedoch auch dieses Kanalsystem der Schale
der höheren Rhizopoden thatsächlich mit Protoplasma erfüllt sei, wie
*) Abh. d. k. böhm. G. d. W. X.
**) A. m. n.h. 4. V;
Be 2 en ee ee ee er ne Saas
Pr |
ee "ee re
Bildung der Schale durch Weichkörper ete. 127
Carpenter vermuthete, und nicht etwa Flüssigkeit führe, wie dies z. B. von
Carter*) behauptet worden war (der hiernach das Kanalsystem für eine
den Einströmungskanälen der Spongien vergleichbare Einrichtung erklärte),
hat erst Kölliker**) an vorsichtig entkalkten Formen nachgewiesen, bei
welchen es gelang, die Protoplasmareste in den Kanälen noch deutlich
zu beobachten.
Ein weiteres eigenthümliches und wichtiges Verhalten des Weich-
körpers zur Schale scheint bei den marinen Rhizopoden zuweilen vor-
handen zu sein, nämlich die mehr oder minder völlige Umfliessung der
äusseren Schalenoberfläche durch aus dem Inneren hervorgedrungenes
Protoplasma. Bei den Imperforaten (so z. B. sehr schön bei Gromia)
tritt das Protoplasma aus der Schalenöffnung aus und ergiesst sich als
ein Ueberzug über die Schalenoberfläche (IV. 6), während bei den Per-
forata ein solcher Ueberzug durch Verschmelzung der Basaltheile der aus
den Poren hervorgedrungenen Pseudopodien sich bilden kann. In wie
weit jedoch diese Erscheinung unter den marinen Rhizopoden verbreitet
ist, scheint bis jetzt, bei der Mangelhaftigkeit unserer Kenntniss derselben
im lebenden Zustand, nur wenig aufgeklärt. Die Wachsthums- und
Bildungsverhältnisse der Schale, auf die wir gleich noch näher einzugehen
haben werden, machen es sehr wahrscheinlich, dass solche Ueberdeckungen
der äusseren Schalenfläche mit Protoplasma hierbei eine wichtige Rolle
spielen, wie dies ja auch durch Carpenter und Wallich ***) betont wurde,
welch letzterer sogar diese äussere Plasmalage mit einem besonderen
Namen, Chitosark, belegt hat, und auch bei den monothalamen Süss-
wasserformen einer solchen (jedoch bis jetzt von Niemand gesehenen)
äusseren Plasmalage, eine wichtige Rolle beim Sehalenbau zuschreibt. |
Wenn wir uns jetzt zu einer Erörterung der wichtigen und interes-
santen Frage wenden, in welcher Weise der so einfach organisirte Plasma-
körper der Rhizopoden im Stande ist, so complieirt gebaute Schalen-
bildungen zu erzeugen, wie wir sie z. B. unter den Nummuliniden antreffen,
so müssen wir zunächst gestehen, dass thatsächliche Erfahrungen hierüber
kaum vorliegen. Es beschränken sich die Vorstellungen hierüber wesentlich
auf Vermuthungen und Wahrscheinlichkeiten, wie man sie aus den Bau-
verhältnissen der fertigen Schale, mit Berücksichtigung der Beschaffenheit
des Weichkörpers, a posteriori zu entwickeln vermag. Namentlich Carpenter
(74) hat sich mit der Erörterung dieser Frage bei den einzelnen Formen
beschäftigt. Die einfacheren Verhältnisse des Schalenbaues der mono-
thalamen Süsswasserformen haben wir oben schon kurz auch in Bezug
auf ihre Entstehung erörtert und kommen späterhin noch auf besondere
Verhältnisse zurück.
Was hingegen die marinen kalkschaligen Formen betrifft, so heben
wir hier kurz noch die wichtigsten Punkte hervor, ohne uns jedoch auf
a m,n.h. 2.X%.
*#*) Icones histiologicae I.
*##*) A, m. n. h. 3. XIIL p. 72—82.
128 Rhizopoda.
eine Erörterung der besonderen Bildungsverhältnisse bei einzelnen Formen
näher einzulassen, sondern beschränken uns darauf, uns bei einer ausge-
wählten, complieirten Form den wahrscheinlichen Gang der Schalenbildung
kurz vorzuführen.
Was zunächst den Unterschied in dem Bau der Schalenwandung
bei den Imperforaten und Perforaten betrifft, so darf derselbe wohl auf
die ursprüngliche Verschiedenheit der die Schalen aufbauenden Weich-
körper zurückgeführt werden. Die Imperforata leiten sich sonder Zweifel
von Formen ab, welche auch schon im nackten, schalenlosen Zustand
ihre Pseudopodien vorzugsweise von einer gewissen Körperstelle aus-
sendeten, so dass, indem sich die Körperoberfläche gleichmässig, mit
Ausnahme der Pseudopodienursprungsstelle, mit einem Schalenhäutchen
bekleidete, eine imperforate, nur mit einer grösseren Oeffnung versehene
Schale entstand. Die Perforaten hingegen müssen wir von Formen her-
leiten, welche das Vermögen besassen, allseitig zarte, fadenartige Pseudo-
podien auszusenden, wenn auch eine gewisse Körperstelle in dieser Hin-
sicht bevorzugt war. Indem sich auf der von unzähligen feinen Pseudopodien
bedeekten Körperoberfläche einer derartigen Form ein Schalenhäutchen
bildete, blieben natürlich die Ursprungsstellen der Pseudopodien offen, so
dass in dieser Weise eine von zahlreichen feinen Porenöffinungen durch-
bohrte Schalenwand ihre Entstehung nahm. Diese Bildungsweise der
perforirten Schalenwandungen scheint durch die früher geschilderte,
interessante Zusammensetzung der Wandungen aus zarten prismatischen
Gebilden, von welchen jedes von einem Porenkanal durchbohrt wird,
noch besonders unterstützt zu werden. Es würde so jedes dieser Prismen
das Theilchen der Schalenwandung repräsentiren, das von je einem
Pseudopodium gebildet worden wäre.
Wenn wir uns in dieser Weise die erste Entstehung eines Schalen-
häutchens durch Secretion oder Umbildung der oberflächlichsten Plasma-
schicht vorstellen können, welches erste Schalenhäutehen vielleicht auf
die sogen. innere Cuticula (insofern eine solche bei den Kalkschalen über-
haupt ausgeprägt ist) bezogen werden darf, so fragt sich weiter, wie das
ansehnliche Diekenwachsthum, das ja die Schalenwände zahlreicher Formen
zeigen, vor sich geht. Bezüglich dieser Frage, glaube ich, ist das Richtige
schon von Carpenter, Wallich und Kölliker ausgesprochen worden, d. h.:
das weitere Diekenwachsthum der Schalenwand erfolgt vorzugsweise,
wenn nicht ausschliesslich, durch Auflagerung von Schalenmasse auf die
äussere Fläche der Schalenanlage.
Die hierfür hauptsächlich geltend gemachten Gründe sind: 1) die
Thatsache, dass von einer Verengerung der Schalenräume, wie sie die
Folge einer von Innen stattfindenden Verdiekung sein müsste, nichts zu
beobachten ist; 2) die Ausbildung äusserlicher Skulpturen in Gestalt von
Knoten, Rippen, Stacheln und dergleichen, welche der jugendlichen Schale
fehlen, hingegen im erwachsenen Zustand hervortreten; 3) die ganz
zweifellose Thatsache, dass bei jenen früher schon namhaft gemachten
Wachsthum der Schale, 199
zahlreichen Formen, welche eine Auflagerung von sogen. secundärer
Schalensubstanz (Zwischenskelet) auf die’primäre Kammerwand zeigen,
diese secundäre, häufig sehr deutlich schichtweis abgesetzte Masse eine
äusserliche Auflagerung darstellt. Dies ist hauptsächlich in den Fällen
sehr deutlich, wo solche Auflagerungsmasse sich von einem jlingeren
Umgang aus als directe Fortsetzung einem älteren auflagert. (Zahlreiche
Beispiele hierfür bieten die Nummuliniden.)
Von gerivgerer Bedeutung für die Entscheidung dieser Frage scheint
mir hingegen die von Kölliker gleichfalls betonte, frühzeitige und stete
Gegenwart der sogen. inneren Cuticula zu sein; einmal deshalb, weil, wie
oben schon erörtert wurde, diese Cutieula überhaupt kaum eine selbständige
Bildung zu sein scheint, andererseits aber ihre stete und frühzeitige
Gegenwart sich auch wohl mit einigen Voraussetzungen bei einer Ver-
dickung der Schale durch innere Auflagerung verstehen liesse.
Aus diesen Bemerkungen über die Art des Diekenwachsthums der
Schalenwandungen erklärt sich wohl die grosse Bedeutung, welche wir mit
Carpenter, Kölliker und Wallich schon oben dem für einige Formen mit
Sicherheit constatirten, zeitweiligen oder dauernden Sarkodeüberzug der
Schale zugeschrieben haben, denn in diesem müssen wir hauptsächlich
die Bildungsstätte jenes Wachsthums der Schale durch äussere Auflage-
rungen suchen. Bei den Perforaten mögen jedoch auch die basalen Ab-
schnitte der zahlreichen Pseudopodien an Stelle eines continuirlichen
Ueberzugs dienen (soweit es sich hier nicht um lokale Auflagerungen von
solider Beschaffenheit handelt).
Es darf jedoch hier nicht stillschweigend übergangen werden, dass
diese Vermutbungen über den Vorgang des Dickenwachsthums der Schalen
in mancher Hinsicht noch problematisch erscheinen, da ihnen die Grund-
lage ausgedehnter Beobachtungen abgeht; so scheint mir namentlich für
die porcellanartigen Schalen der Imperforata, an welchen von einer
Schichtung nie etwas zu sehen ist, diese Auflagerungslehre etwas un-
sicher; um so mehr, als z. B. M. Schultze und andere Forscher, welche
die hierhergehörigen Milioliden lebend untersuchten, nichts von einem
protoplasmatischen Ueberzug der Schalenoberfläche, etwa wie bei Gromia,
berichten.
Was die speciellen Wachsthumsverhältnisse bei den einzelnen Gat-
tungen betrifft, die zu der grossen Mannigfaltigkeit der Rhizopodenschalen
führen, so liegt hierüber, wie schon bemerkt, wenig oder kein Material
zur Beurtheilung der thatsächlichen Vorgänge vor, so dass, wie gesagt,
es sich zumeist um einige aus dem Bau der betreffenden Formen her-
zuleitende Schlussfolgerungen bezüglich der Wachsthumsvorgänge handelt.
Was zunächst die monothalamen Formen betrifft, so bieten dieselben
wenig Anlass zu eingehenderen Erörterungen dar; es ist ja die Schalen-
gestaltung ohne Zweifel zunächst abhängig von gewissen, den Protoplasma-
körper beherrschenden Gesetzmässigkeiten der Form, ohne dass wir bis
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozon. 9
130 Rhizopoda.
jetzt im Stande wären, tiber die fraglichen Gründe und Bedingungen uns
äussern zu können. Denn dass diese unmöglich in solehen Aeusserlich-
keiten gesucht werden dürfen, wie sie z. B. von Wallich*) für die Er-
klärung der so mannigfachen Schalengestaltungen der Difflugien geltend
gemacht worden sind, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Nach diesem
Beobachter soll nämlich die allgemeine Gestalt der Difflugienschale
wesentlich von solchen Bedingungen beeinflusst werden; zunächst durch
die Art der ursprünglichen Vertheilung des Fremdkörpermaterials, das zum
Bau der Schalen dient, indem eine einseitige Anhäufung desselben die
Schale schief ziehen und die Mündung daher excentrisch verlagern soll.
Aehnlich wirke jedoch auch eine fortdauernde, gleichmässige Strömung
des von den Difflugien bewohnten Wassers; ja es soll sich, nach seiner
Vorstellung, auf die einfache Wirkung soleher Wasserströmungen die
spiralige Einrollung der Difflugia spiralis zurückführen lassen. Mag man
den äusseren Verhältnissen einen noch so weit gehenden Einfluss auf die
Bildungsverhältnisse der Rhizopoda zuschreiben, so wird man sich doch
wohl nie von der Wirksamkeit derselben eine derartig grobmechanische
und dabei noch sehr unklare Vorstellung machen dürfen.
Eine sehr eigenthümliche Erscheinung tritt jedoch im Wachsthum der
monothalamen Süsswasserrhizopoden z. Th. hervor und ist wohl auch
nicht ohne Einfluss auf die Vorstellung, die man sich von dem Wachs-
thum der Polythalamen zu bilden hat. Es ist dies nämlich die zunächst
bei Arcella durch Claparede und Lachmann sehr wahrscheinlich gemachte
sogen. Häutung, d. h. ein Verlassen der alten und die Bildung einer
neuen Schale. Hierbei tritt der protoplasmatische Thierleib zum grössten
Theil aus der Mündung der Schale hervor und scheidet hierauf eine neue
ab, so dass nach Bildung diesor letzteren zwei mit ihren Mündungen
einander zugewendete Schalen aufeinandergelagert sich finden, von
welehen die neugebildete noch ganz hell, nahezu ungefärbt, ist, die
alte hingegen sich durch ihre intensiv braune Färbung auszeichnet.
Schliesslich soll das Thier die alte Schale völlig verlassen und sich in
die neugebildete zurückziehen. Nach den Angaben Claparede’s und
Lachmann’s soll sich dieser Process der Schalenneubildung mehrfach im
Leben der Arcella wiederholen, wogegen Hertwig und Lesser, wie wir
unten bei der Fortpflanzung noch näher zu besprechen haben werden,
einige Zweifel gegen die zutreffende Deutung dieser Vorgänge erhoben,
indem sie eine ähnliche Vermehrung durch Theilung mit Schalenneubildung
beobachteten. Jedoch dürfte, wie sie selbst bemerken, auch wohl eine
solche Häutung neben ähnlichen Theilungserscheinungen sich finden.
Auch bei Euglypha und der, in Bezug auf den Aufbau der Schale
aus Plättchen, ähnlichen Quadrula, finden sich Anzeigen, die, wenn auch
nicht mit völliger Sicherheit, auf eine Erneuerung der Schale, eine Art
*)- A. m.ın. h, 8. XIIE.
Häutungsvorgänge, Neubildung von Kammern bei Polythalamia, 131
Häutung, bezogen werden dürfen. Schon die älteren Beobachter Carter
und Wallich haben, wie die neueren Untersucher Hertwig und Lesser,
sowie F. E. Schulze, im Hintergrund leerer oder von dem protoplasma-
tischen Thierleib erfüllter Schalen häufig freie, oder zu ganzen Packeten
zusammengelagerte Schalenplättchen angetroffen. Bei lebenden Euglyphen
hat namentlich Schulze solche Plättchen in einer Schicht der Oberfläche
des Thierleibes, unterhalb der eigentlichen Schale, aufgelagert gesehen.
Die Vermuthung einer gelegentlichen Erneuerung der Schale liegt hier-
nach, wie auch Hertwig und Schulze annehmen, sehr nahe; dennoch ist
bis jetzt eine sichere Entscheidung dieser Frage nicht wohl möglich, da
nach Hertwig und Lesser’s Beobachtungen bei der Encystirung von
Euglypha eine aus ähnlichen Plättehen zusammengesetzte Cystenhülle
unterhalb der alten Schale gebildet wird, zu deren Aufbau die er-
wähnten Schalenplättchen Verwendung finden könnten. Aehnliches wird
über einen Häutungsvorgang bei Difflugia von Entz (110) berichtet, hier
soll nach der Schilderung dieses Beobachters die Schale zuweilen in Stücke
zerfallen, unterhalb welchen schon eine neugebildete Schale vorhanden sei.
(Auf diese Erscheinung wird denn auch von Entz vorzugsweise die
Behauptung gegründet, dass die die Schale der Difflugien aufbauenden
Kieselstückchen von dem Thierleib selbst gebildet würden.)
Ein weiterer Vertheidiger der zeitweiligen Neubildung der Schalen
der Monothalamen ist Aleock (86), der diese Ansicht vorzüglich auch
für die marinen, kalkschaligen Formen ausgesprochen hat. Den Haupt-
grund bildet für ihn die Unmöglichkeit, das Wachsthum dieser Formen
ohne Hülfe eines solchen Vorgangs zu verstehen. M. Schultze (53) hin-
gegen ist der Ansicht, dass sich das Wachsthum der monothalamen
Schalen nur durch innere Resorptions- und äussere Auflagerungserschei-
nungen erklären lasse. Wir glauben diese Frage hier vorerst auf sich
beruhen lassen zu sollen, da es für ihre Entscheidung an thatsächlichem
Material völlig gebricht.
Den Vorgang bei der Bildung neuer Kammern der en
Rhizopoden dürfen wir uns wohl im Ganzen ähnlich wie die oben charak-
terisirte Neubildung einer Schale bei Arcella denken. Soweit ich die
zahlreichen Abbildungen und Beschreibungen von polythalamen Rhizopoden-
schalen vergleichen konnte, bin ich auf kein Beispiel gestossen, das etwa
eine in Bildung begriffene, noch unvollständige Kammer darstellte. Es
scheint daher, dass in ähnlicher Weise, wie sich die neue Schale bei
jener Häutung oder Theilung der Arcella bildet, auch die Bildung einer
neuen Kammer bei den polythalamen Schalen vor sich geht. Es wird zu
diesem Behuf ziemlich rasch eine entsprechende Plasmamenge aus der
einfachen oder den mehrfachen Oeffnungen der jüngsten Kammer aus-
treten und sich gleichmässig und allseitig mit einem Schalenhäutchen
bekleiden, oder es wird doch die Ausbildung des Schalenhäutchens sich
über den gesammten neuen Kammerabschnitt hin sehr rasch vollziehen.
Hiermit stimmen auch die wenigen direeten Beobachtungen über die
9g%*
132 Rhizopoda.
Neubildung einer weiteren Kammer, die M. Schultze (53) bei Polystomella
und einigen Rotalinen anstellte, ziemlich gut überein. Er sah die neue
Kammer sich wie einen Wulst um die Mündung der jüngsten, vorhergehen-
den anlegen, bemerkt jedoch gleichzeitig, dass, „ehe die Schale (dieser
neuen Kammer) vollständig erhärtet, sie meist diejenige Ausdehnung an-
zunehmen scheine, die ihr im vollständig ausgebildeten Zustand zukomme.“
Bei Polystomella glaubt er jedoch eine nachträgliche, nur durch innere
Resorption und äussere Auflagerung stattfindende Vergrösserung der neu-
gebildeten Kammer annehmen zu müssen, auch sollen hier die eigenthüm-
lichen taschen- oder röhrenförmigen Aussackungen der Kammerhöhle erst
nachträglich gebildet werden. Möglich, dass durch die geschilderten
Bildungsvorgänge sich auch die von M. Schultze bemerkte, sehr unvoll-
ständige Füllung der jüngsten Kammer erklärt, indem das Plasma nach
Bildung dieser Kammer zum Theil wieder in die alten Kammern zurück-
treten mag.
Suchen wir uns, gestützt auf diese wenigen Erfahrungen, Rechen-
schaft zu geben von dem Bildungsgang einer neuen Kammer bei einer
etwas complieirteren Form, z. B. einer Opereulina, so hätten wir etwa
Folgendes festzuhalten. Zur Bildung einer neuen Kammer wird eine
entsprechende Protoplasmamasse aus der basalen Septalöffnung, sowie
den secundären Porenöffnungen des letzten Septums hervortreten und wird
sich vor diesem in Form eines neuen Kammerabschnitts anhäufen.
Gleichzeitig wird sich jedoch auch hierzu noch Protoplasma gesellen,
welches aus dem Kanalsystem des Dorsalstrangs des vorhergehenden
Umgangs hervorgedrungen ist. Der plasmatisch vorgebildete neue Kammer-
abschnitt wird sich nun allseitig, mit Ausnahme des durch den Dorsal-
strang des vorhergehenden Umgangs begrenzten Abschnittes mit einer
dünnen Schalenlamelle umkleiden, jedoch wird diese da, wo sie sich auf
das letzte Septum auflagert, kanalartige Räume offen lassen, welche das
Kanalsystem in der Scheidewand zwischen der neugebildeten und der
vorhergehenden Kammer bilden. Fernerhin wird gleichzeitig zu jeder
Seite des Dorsalstrangs des vorhergehenden Umgangs ein Theil der Spiral-
kanäle gebildet, indem hier die neugebildete Schalenlamelle einen kanal-
artigen Raum zwischen sich und der Oberfläche des vorhergehenden
Umgangs offen lässt, mit welchen Spiralkanälen dann der neugebildete
Abschnitt des Kanalsystems in der Scheidewand in offene Verbindung
tritt. Die Art und Weise, wie die neugebildete Kammerlamelle ihre
Differenzirung in perforirte und solide Theile erhält, ergibt sich nach dem
früher darüber Bemerkten von selbst. Das weitere Diekenwachsthum der
Wände der neugebildeten Kammer ist gleichfalls nach den früheren An-
gaben verständlich und dürfte hier nur noch hervorzuheben sein, dass der
Dorsalstrang der neugebildeten Kammer wohl hauptsächlich in direetem
Anschluss an den der vorhergehenden Kammer wächst.
Etwas abweichend geschieht jedenfalls das Wachsthum der eyklisch
gebauten Rhizopodenschalen, wie Orbitolites und Orbitoides. Hier wird bei
Bildungsvorgang der Schale bei Operculina und den sandschaligen Rhizopoden. 153
der einfachen Form von ÖOrbitolites aus den zahlreichen, rundlichen
Oeffnungen der Kämmerchen des letzten Cyklus eine ringförmige Proto-
plasmamasse hervortreten, die sich durch Umkleidung mit einer Schalen-
lamelle zu dem Cyklus neuer Kämmerchen mit ihren verhältnissmässig
weiten Communikationen gestaltet. Bei der complieirten Varietät von
Orbitolites hingegen und ebenso bei Cycloclypeus und Orbitoides müssen
sich die einzelnen Kämmerchen eines neuen Cyklus mehr unabhängig von
einander bilden, jedoch ohne Zweifel ziemlich gleichzeitig.
Eine Bemerkung verdient wohl noch die Frage nach den Bildungsvor-
gängen der aus Fremdkörpern aufgebauten Schalen. Schon früher wurde die
Thatsache hinreichend hervorgehoben, dass sich hierbei in vielen Fällen
eine unzweifelhafte Auslese des verwertheten Materials erkennen lässt. *)
In welcher Art jedoch eine solche bewerkstelligt wird, ist bis jetzt
noch ganz unermittelt, ebensowenig als etwas darüber bekannt ist, in
welcher Weise die betreffenden Organismen die einzelnen Fremdkörperchen
ihrer Schale einfügen. Bei den kalkschaligen Formen, die äusserlich ihre
Schale durch mehr oder minder reichlich eingewebte Sandkörner ver-
stärken, kann dieses Material doch wohl nur durch äussere Heranziehung
mittels der Pseudopodien und Einlagerung — insofern es etwa nicht blos
mechanisch anklebt und eingebacken wird — der Schale eingefügt werden.
Die rein sandigen Schalen hingegen lassen vielleicht noch eine andere
Art der Entstehung zu, die jedoch hier nur als eine eventuell zu prüfende
Vermuthung ausgesprochen werden mag. Wenn wirklich, wie dies oben auf
Grund der Beobachtungen von Entz angegeben wurde, die Difflugien
ihre Schale z. Tb. erneuern und unter der alten die neue schon vor-
gebildet vorhanden ist, so kann sich, meiner Ansicht nach, diese That-
sache (da ich an dem Aufbau der Difflugienschale aus Fremdkörpern
festhalten muss), nur so erklären lassen, dass das zum Schalenbau ver-
werthete Fremdmaterial in die protoplasmatische Leibesmasse der Difflugien
selbst aufgenommen und nachträglich auf der Oberfläche zur Bildung der
Schale angelagert wurde. Dass Sand und Schlamm nicht selten in die
protoplasmatische Leibesmasse gewisser Rhizopoden aufgenommen werden,
wissen wir z. B. durch M. Schultze für Gromia, durch Greeff für Pelomyxa.
Auch eine Mittheilung von Leidy, der eine sehr reichliche Aufnahme von
Sand in die Leibesmasse einer Amöbe beobachtete, darf wohl hier an-
geführt werden, wenn auch durch sie direet nichts bewiesen wird. Auch
die vielfach hervorgehobene Eigenthümlichkeit zahlreicher sandschaliger
mariner Formen: ihre Kammerhöhlungen durch labyrinthische, aus Sand
gebildete Auswüchse der Kammerwand mehr oder minder auszufüllen,
darf wohl hier gleichfalls aufgeführt werden; denn es kann wohl kaum
anders sein, als dass solche Auswüchse nachträglich entstehen und dann
wird ihre Bildung auch nur in der Weise verständlich, dass das zu
ihrem Aufbau verwerthete Material durch die protoplasmatische Leibes-
*) Vergl. hierüber auch Normann A. m. n.h. 5.1
134 Rhizopoda.
masse selbst aufgenommen und an den Ort seiner Ablagerung gebracht
wurde. *)
6. Fortpflanzungserscheinungen, Koloniebildung und Encystirung
der Rhizopoda,
Wie schon bei Gelegenheit angedeutet wurde, sind die Fortpflanzungs-
verhältnisse der Rhizopoda im Ganzen nur wenig und speciell die der
marinen Formen sehr unzureichend erforscht. Im Allgemeinen darf jedoch
auf Grund der bis jetzt vorliegenden, gesicherten Beobachtungen wohl be-
hauptet werden, dass die Fortpflanzungserscheinungen der Rhizopoda, wie.
der Protozoa im Allgemeinen, die der Zelle überhaupt zukommenden
sind, d. h. Theilung, Knospung und möglicherweise auch endogene Zell-
bildung; dass jedoch in keiner Weise hier Fortpflanzungserscheinungen
mit Sicherheit beobachtet worden sind, welche der geschlechtlichen Fort-
pflanzung der Metazoön in einer Weise sich näher anschlössen, dass
hierdurch die einfache Zellnatur des Rhizopodenorganismus in Frage ge-
stellt würde.
«. Fortpflanzung durch einfache Theilung oder Knospung.
Die einfache Theilung, wobei der Körper der betreffenden Protozo@n
in zwei, seltener durch fortgesetzten oder zuweilen auch gleichzeitigen
Zerfall in vier und mehr Theilstücke zerlegt wird, wurde bei den Rhizo-
poden, und zwar sowohl nackten als beschalten, häufig beobachtet. Bis jetzt
wurde aber nur in verhältnissmässig wenigen Fällen der nähere Vorgang,
namentlich das Verhalten des einen oder der mehrfachen Kerne, insofern
sich solche finden, festgestellt.
Für eine Reihe von unbeschalten, kernlosen Formen (sogen. Moneren
Häckel’s) soll die einfache Zweitheilung die einzige Art der Vermehrung
bilden; es sind dies namentlich Protamoeba und Protogenes; speciell bei
diesen Formen soll keine Andeutung eines umhüllten, eystenartigen Ruhe-
zustandes sich zeigen, der ja, wie wir in der Folge noch mehrfach zu
sehen Gelegenheit haben werden, häufig auch mit einer Vermehrung des
in der Cystenhülle eingeschlossenen Thierkörpers verbunden ist. Da
jedoch die einschlägigen Untersuchungen dieser Formen keineswegs so
ausgedehnt sind, dass hierdurch mit Sicherheit das völlige Fehlen eines
solchen encystirten und eventuell mit Vermehrung verknüpften Ruhe-
zustandes erwiesen wäre, so darf wohl vorerst noch daran gezweifelt
werden, ob bei ihnen wirklich die einfache Theilung durchaus die
einzige Art der Vermehrung bildet. Was fernerhin das Vorkommen der
einfachen Zwei- oder auch Mehrtheilung betrifft, so scheint dieser Vorgang
*) Auch eine Beobachtung von Brady (117 I), der im Inneren der sandschaligen und
allseitig abgeschlossenen Thurammina, zuweilen eine kleinere, ähnliche Schale beobachtete,
könnte möglicherweise hierhergezogen werden; jedoch liegt hier wohl derselbe Fall vor, wie
bei Orbulina, über die weiter unten bei der Fortpflanzung zu vergleichen ist.
Theilung der Amöben. 135
sicher gestellt unter den nackten Formen bei den Gattungen Amoeba,
Gloidium und Pelomyxa, sowie Labyrinthula (wenn man deren Hierher-
stellung zugibt); unter den beschalten hingegen bei Lieberkühnia, Diplo-
phrys, Arcella, Lecythium, Mikrogromia, Platoum und Mierocometes. Je
nach der Bauweise des betreffenden in Theilung eingehenden Organismus,
namentlich insofern es sich hierbei um einen nackten oder beschalten
handelt, muss natürlich der Verlauf des Vorgangs ein etwas verschiedener
sein. Ueber die einfache Zweitheilung der Amöben oder amöbenartigen
Rhizopoden liegen genauere Untersuchungen nur von F. E. Schulze
bei einem mit der Amoeba polypodia M. Sch. identifieirten Organismus
vor (der jedenfalls der sogenannten A. radiosa Duj. sehr nahe steht
und auch mit der von Hertwig und Lesser beschriebenen Dactylosphaera
nahe verwandt ist). Ueber die Vermehrung der Amoeba durch einfache
Zweitheilung haben jedoch auch schon frühere Forscher häufig berichtet.
So hat schon Rösel von Rosenhof die Theilung seiner Amoeba diffluens
beschrieben und abgebildet, |von späteren Beobachtern eines solchen
Vorgangs seien hier nur erwähnt Pick*) und Greeff.**)
Während Greeff bei der Theilung seiner Amoeba brevipes (wohl
kaum verschieden von der A. verrucosa [Ehrbg.]) Duj.) eine sehr unwahr-
scheinliche, mit der Durchschnürung des Amöbenleibes gleichzeitig er-
folgende Durchschnürung des in seiner Gestalt sich gar nicht ver-
ändernden Kernes beschreibt, hat dagegen F. E. Schulze den Theilungs-
vorgang bei der sogen. A. polypodia in einer Weise beobachtet, die sich
den genauer bekannten Theilungserscheinungen anderer Protozo@n näher
anschliesst. Hier erfolgte die Theilung des, einen sehr ansehnlich grossen
Kernkörper einschliessenden Kernes vor der eigentlichen Durchschnürung
des Protoplasmaleibes; wenigstens liess sich vor der vollständigen
Sonderung der beiden Kernhälften keine Andeutung eines Theilungs-
vorgangs an dem Thierleib selbst entdecken. Die Kerntheilung wurde
hauptsächlich an dem Verhalten des grossen Kernkörpers festgestellt, da
sich die äussere Kerngrenze nicht scharf unterscheiden liess. Es zeigte
sich zunächst eine Längsstreckung des Kernkörpers und hierauf dessen
Einschnürung, worauf sich das Mittelstück zu einem feinen Verbindungs-
fädchen zwischen den Hälften auszog, das schliesslich durchrissen wurde.
Nachdem sich die beiden neugebildeten Kerne in der auf der späteren
Theilungsebene des Thierkörpers senkrechten Richtung etwas von einander
entfernt hatten, erfolgte denn auch die allmähliche Durchschnürung des
Amöbenleibes selbst. Der ganze Theilungsact verlief in etwa 10 Minuten.
Mit dieser Beobachtung F. E. Schulze’s ist denn auch alles, was wir
bis jetzt von den Theilungsvorgängen der Zellkerne bei den Rhizopoden
wissen, erschöpft. Ich habe bei einigen vielkernigen Exemplaren der
Amoeba Blattae zuweilen Kernformen beobachtet, die wegen ihrer spindel-
*) Verh. d. zoolog. bot. Ver. Wien 1857.
#%*) Arch. f. mikr. Anat. II.
136 Rhizopoda.
förmigen Gestalt möglicherweise auf Theilungszustände bezogen werden
durften.*) Von Cienkowsky hingegen wird für eine Reihe von Rhizo-
poden geradezu in Abrede gestellt, dass die neuen Kerne der beiden, oder
aber der in grösserer Menge durch Theilung oder Knospung entstehenden
jungen Sprösslinge, sich von einer Theilung des ursprünglichen Zellkernes
herleiten. Nach Cienkowsky’s Angaben (104a) soll sich nämlich bei der
gleich noch näher zu besprechenden Theilung von Mikrogromia, Lecythium
und Platoum der neue Kern des einen, aus der Schale hervortretenden
Theilungssprösslings ganz selbständig und unabhängig von dem restirenden,
alten Kern bilden.
In etwas eigenthümlicher und mannigfaltiger Weise verläuft der
Theilungsvorgang bei den beschalten Monothalamen. Bei solchen For-
men, welche mit einem sehr dünnen, der Oberfläche des Körpers dicht
aufliegenden Schalenhäutchen versehen sind, wie Lieberkühnia und
Leeythium, tritt der interessante Fall ein, dass der Thierkörper mitsammt
der Schale sich theilt; letztere wird gleichzeitig mit durchgeschnürt
und es erfordert dieser Theilungsprocess jedenfalls noch gewisse, bis
jetzt wenig aufgeklärte Vorgänge bei der Trennung der beiden durch-
schnürten Schalenhälften, sowie zur Vervollständigung des Schalenhäutchens
an den durchschnürten Stellen. Bei Lieberkühnia verläuft die Theilung quer
und wird zunächst dadurch angedeutet, dass sich an dem Hinterende des
Thieres aus dem Protoplasmaleib ein neuer Pseudopodienstiel entwickelt, der
den hinteren Pol des Schalenhäutchens durchbricht und hier eine neue Mün-
dung erzeugt, sofort auch seine Pseudopodien entwickelnd. Hierauf erfolgt die
Durchschnürung im Aequator und zieht sich die eingeschnürte Mittelregion
schliesslich zu einem Verbindungsstrang aus, welcher endlich durchreisst
und von den Theilsprösslingen eingezogen wird (III. 16). Im Gegensatz
hierzu, geht die Theilung bei Lecythium in der Längsebene vor sich. Bei
der amphistomen Diplophrys, bei der die Verhältnisse des Schalenhäutchens
keineswegs noch ganz sicher gestellt sind, erfolgt nach Cienkowsky die Ver-
mehrung gleichfalls durch einfache Quertbeilung, jedoch soll bei den sich
theilenden Individuen ein Schalenhäutehen nicht bemerkbar sein. Auch
die von Greeff**) beobachteten Exemplare von Diplophrys Archeri, bei
welchen statt der gewöhnlichen zwei, 4 Pseudopodienbüschel entwickelt
waren, dürfen wohl auf Theilungsvorgänge bezogen werden. Da man
*) Z. f w. Z. XXX.. In demselben Bande beschreibt E. Buck eine sehr eigenthümliche,
angebliche Kernvermehrung bei Arcella, doch stehen die Angaben zu sehr im Widerspruch
mit den von verwandten Organismen bekannten Vorgängen der Kernvermehrung, als dass wir
sie ohne weitere Bestätigung für wahrscheinlich halten sollten. Buck glaubt die Kerne der
Arcella überhaupt als eine Art von Tochterzellen auffassen zu dürfen, deren Vermehrung zunächst
durch eine Art endogener Zellbildung vor sich gehe, wobei sich der Kern in einen maulbeer-
artigen Haufen kleinerer Kerne zerlege; während bei dem zweiten Modus der von ihm aufgeführten
Kernvermehrung eigentlich nur eine Vermehrung des Kernkörpers in unserem Sinne erfolgt
(für Buck ist dies der eigentliche Kern einer Tochterzelle). Ein näheres Eingehen auf diese
zweifelhaften Untersuchungen glauben wir hier unterlassen zu sollen,
**) Arch. f. m. Anat. XII.
Theilung bei Monothalamia. 137
aber sehr häufig Gelegenheit hat, 4 zu einer Gruppe innig vereinigte
kleine Exemplare dieser Art zu beobachten (IV. 2b), so dürfte wohl die
Theilung hier gewöhnlich nicht mit einfachem Zerfall zu zweien ab-
schliessen, sondern successive zu vieren weiterschreiten. Aehnlich scheint
sich auch eine kleine, von mir mehrfach in Heuinfusionen beobachtete
Amöbe zu verhalten, bei welcher ich sehr häufig auf Gruppen von
4 ruhenden kleinen, ohne Zweifel durch Theilung hervorgegangenen Indi-
viduen stiess. Ferner reihen wir denn hier auch die Beobachtung Sorokin’s
an seinem kernlosen, amöbenartigen Gloidium an,*), das sich durch ziem-
lich regelmässig verlaufende, jedoch nicht successiv, sondern simultan
stattfindende Viertheilung vermehrt. Weiter unten werden wir bei
Protomyxa noch eine weit regere Vermehrung durch gleichzeitigen Zerfall
kennen lernen.
Die diekschaligen Monothalamen besitzen naturgemäss nicht mehr
das Vermögen, den Körper mitsammt der Schale durch Theilung zu ver-
mehren. Hier ist (wenigstens für den einen Theilsprössling) die Neu-
bildung einer Schale nothwendig.
Schon früher hatten wir Gelegenheit, auf den Zweitheilungspro-
cess der Arcella hinzuweisen, wie er sich nach den Beobach-
tungen von Hertwig und Lesser gestaltet;**) es tritt hier der zur Bildung
des neuen Sprösslings verwerthete Theil des protoplasmatischen Leibes
aus der Schalenmündung hervor und lagert sich, indem er sich mit einer
neuen Schale umkleidet, vor der Mündung an. Nach erfolgter Schalen-
bildung dieses neuen Sprösslings vollzieht sich dann die Trennung der
beiden Theilhälften, von denen die eine die alte Schale weiter bewohnt,
die andere sich hiugegen in neugebildeter Schale entfernt. In gleicher
Weise mag sich der Theilungsvorgang auch noch bei zahlreichen weiteren
Monothalamien gestalten, jedoch wurde bis jetzt nur noch bei Platoum
stercoreum ein entsprechender Vorgang von Cienkowsky nachgewiesen.
Andererseits kann jedoch der Theilungsvorgang solcher Monothalamen
auch in der Weise modifieirt auftreten, dass sich die völlige Theilung
innerhalb der Schale vollzieht und die Schalenneubildung des einen
Sprösslings erst nach seinem Austritt vor sich geht. Ein soleher Vor-
gang wurde in ziemlich übereinstimmender Weise von R. Hertwig***)
und Cienkowsky (104a) bei der Mikrogromia socialis beobachtet.
Hier erfolgt die Theilung, wie bemerkt, innerhalb der Schale, und zwar
ebensowohl in der Längs- als Querrichtung. Nach erfolgter Theilung
schiebt sich der eine Sprössling — und zwar scheint keiner der beiden
in dieser Hinsicht einen bestimmten Vorzug zu geniessen — aus der
Sehalenmündung hervor (III. 15e) und bewegt sich entweder mit seinen
*) Morph. Jahrb. IV.
#*) Wir glauben hier auch noch darauf hinweisen zu sollen, dass schon Schneider 1854
die vermeintlichen Conjugationszustände der Arcella als Theilungs- und Knospungsvorgänge
gedeutet hat. (Arch. f. A. u. Ph. 1854.)
###*) Arch. f. m. A, X. Supplem.
138 Rhizopoda.
Pseudopodien amöbenartig fort oder nimmt nach Einziehung der Pseudo-
podien eine flagellatenartige Gestalt an (III. 15d), indem er zwei Geisseln
an dem einen Pol des ellipsoidischen Körpers entwickelt und in dieser
Verfassung sich von seiner Bruderhälfte entfernt. Dieser interessante
Fall von sogen. Sehwärmerbildung ist bis jetzt (mit Ausnahme der bei
der bezüglich ihrer Stellung etwas zweifelhaften Protomyxa zu schildern-
den Schwärmerbildung) der einzige im Bereich der Rhizopodenwelt mit
Sicherheit bekannte. Die Verbreitung jedoch, welche dieser Modus der
Fortpflanzung bei den z. Th. so nahe verwandten beiden anderen Ord-
nungen der Sarkodinen besitzt, legt es nahe, zu vermuthen, dass wohl
auch unter den Rhizopoden diese Art der Fortpflanzung sich noch in
weiterer Verbreitung finden dürfte. Nur bei Trinema Acinus haben jedoch
bis jetzt Hertwig und Lesser durch Beobachtung das Vorkommen einer
ähnlichen Vermehrungsart direet wahrscheinlich gemacht.
Eine Beobachtung Cienkowsky’s an seinem Mierocometes paludosa
belehrt uns jedoch darüber, dass die Theilung innerhalb der Schale
auch mit einem völligen Verlassen der alten Schale von Seiten der beiden
Sprösslinge verbunden sein kann, wobei also jeder der Sprösslinge in die
Nothwendigkeit versetzt ist, sich eine neue Schale zu bilden.
Von besonderem Interesse erscheint der bis jetzt nur bei der Gattung
Arcella mit einiger Sicherheit nachgewiesene gleichzeitige Knospungs-
process einer grösseren Zahl kleiner, schalenloser Sprösslinge. Leider
sind hierbei, wie bei den Theilungserscheinungen der Rhizopoden über-
haupt, die feineren Bildungsvorgänge noch nicht näher verfolgt, nament-
lich ist eine etwaige Betheiligung der Kerne des Mutterorganismus noch
unermittelt geblieben. Was das Nähere dieses Fortpflanzungsprocesses
der Arcella betrifft, so bemerkt man auf der aboralen Fläche oder an der
Peripherie des Thierkörpers ziemlich gleichzeitig, oder doch im Verlauf
verhältnissmässig kurzer Zeit, das Auftreten einer ziemlichen Zahl (bis 9), *)
flach scheibenförmiger, knospenartiger Protoplasmastücke, die wohl ohne
Zweifel durch Knospung aus dem Arcellenleib hervorgegangen sind. Sie
erhalten nach einiger Zeit eine contractile Vaeuole und lassen auch einen
Kern wahrnehmen. Bald beginnen sie amöboide Bewegungen auszuführen
und kriechen schliesslich in Gestalt kleiner, unbeschalter Amöben aus der
Arcellaschale heraus, sich von dem Mutterthier entfernend.
Die Zweifel, welche über Herkunft und Bedeutung dieser Sprösslinge
*) Nach den, jedoch nicht hinreichend zuverlässig erscheinenden, Beobachtungen von
E. Buck (Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. 30) scheint es nicht unmöglich, dass die Zahl dieser
Sprösslinge zuweilen noch eine viel höhere ist. So will B. bis zu 30 kleine Amöbenspröss-
linge, aus einer Arcella hervorgehend, gesehen haben. Die Entstehungsart dieser Sprösslinge
ist jedoch nach ihm eine sehr eigenthümliche, indem sie durch einen, zunächst von einer
blasigen bis maulbeerartigen Beschaffenheit angedeuteten, Zerfall des gesammten Arcellaleibes
entstehen sollen. Hierbei sollen die Kerne der Arcella mit etwas umgebendem Protoplasma
sich zu grösseren derartigen Sprösslingen umgestalten, während in den kleineren sich Kerne
selbständig hervorbilden sollen.
Schwärmer v. Mikrogr., Knospensprössl. v. Arcella, verm. Fortpfl,-Körper mariner Rhizopoda. 139
von Arcella noch berechtigter Weise erhoben werden dürften, werden
durch die von Buck *) und Cattaneo**) verfolgte Umbildung soleh nackter
kleiner Amöben zu einer beschalten, jungen Arcella beträchtlich verringert.
Was jedoch hauptsächlich dieser Fortpflanzungsweise der Arcella:
durch ziemlich gleichzeitige Entwiekelung einer grösseren Anzahl von
Sprösslingen, ein erhöhtes Interesse verleiht, ist die wahrscheinliche Ana-
logie, welche dieselbe mit den bis jetzt bekannten Fortpflanzungserschei-
nungen der marinen Rhizopoden aufweist.
Von dem wirklichen Fortpflanzungsact dieser letzteren scheint erst
Gervais im Jahre 1847***) etwas Sicheres beobachtet zu haben. Die
früheren Angaben von Ehrenberg über die Fortpflanzung unserer Formen
durch Eier und die vermeintliche Beobachtung äusserlich anhängender
Eierbeutel bei Polystomella und Nonionina haben sich durch die Be-
mühungen von M, Schultze bald als irrig erwiesen. Ebenso wenig Erfolg
hatten die von anderer Seite ausgehenden Bemühungen, die Bildung sogen.
Keimkugeln oder Eier in dem Protoplasmaleib der marinen Rbizopoden
zu erweisen. Schon Dujardin gab an: zuweilen den protoplasmatischen
Kammerinhalt von Truncatulina zu kugeligen Haufen zusammengruppirt
getroffen zu haben. M. Schultze hat hierauf bei gewissen Rotalinen das
Auftreten mehr oder minder zahlreicher dunkler Kugeln in den Kammern
beobachtet, zuweilen so reichlich angehäuft, dass sie sämmtliche Kammern
erfüllten. Jedoch schon die allmähliche Bildung dieser Kugeln aus kleinen
molekulären Körnehen, die ohne von einer gemeinsamen Hülle umschlossen
zu werden, sich zu den erwähnten Kugeln zusammengruppiren, lässt die
Bedeutung derselben als Fortpflanzungskörper sehr zweifelhaft erscheinen.
Zu völliger Gewissheit scheint jedoch dieser Zweifel erhoben, wenn wir
ferner beachten, dass diese Kugeln sich durch ihre Resistenz, selbst gegen
die stärksten Mineralsäuren und kochende Alkalien, als Körper ausweisen,
die unmöglich von lebendiger, thierischer Substanz gebildet sein können.
Auch Carpenter;) hat kugelige oder ovale, zuweilen sogar in
Zweitheilung begriffene Körper in den oberflächlichen Kammern von
Orbitolites zahlreich gesehen; sie besassen jedoch eine feste Hülle. Die
Abbildungen, welche Carpenter von diesen als Fortpflanzungszellen gedeuteten
Körpern gibt, macht es mir sehr plausibel, dass die neuerdings von Moseley ff)
ausgesprochene Ansicht: es seien dieselben parasitische, einzellige Algen (die
nach ihm auch im frischen Zustand grün gefärbt sind), wohl zutrifft. Sie
für Zellkerne zu halten, wie es R. Lankester nicht ganz ungerechtfertigt
dünkt, erscheint mir dagegen wenig sicher. Andererseits habe ich jedoch
schon früher meiner Ueberzeugung Ausdruck verliehen, dass die ver-
meintlichen, von Str. Wright bei einer Reihe mariner Rhizopoden
RYL-c
**) Att. soc. Ital. d. sc. natur. XXI. 1978.
*%##) Gompt, rend. 1847, auch L’Institut 1847.
+) 73.
+) Not. by a naturalist on the Challenger. Lond. 1879. p. 292.
140 Rhizopoda.
nachgewiesenen Eier nichts weiter wie die Zellkerne gewesen seien. Die
oben erwähnten kugeligen Fortpflanzungskörper haben jedoch auch
Carter beschäftigt, der sich vielfach bemühte, eine sogen. geschlechtliche
Fortpflanzung der Süsswasserformen zu erweisen. Eine Beobachtung
über angebliche Embryonen in den Kammern von Orbitolites*) hat er
später selbst zurückgenommen und die vermeintlichen Embryonen für
parasitische Diatomeen (Cocconeis) erklärt.**) Schon früher***) hat er
das Vorkommen kugeliger Fortpflanzungskörper bei seiner Operculina
arabica nachzuweisen gesucht und dieselben mit den von ihm bei
Süsswasserformen (Amoeba und Euglypha) aufgefundenen sogen. Fort-
pflanzungskugeln verglichen. Was wir von jenen Fortpflanzungskugeln
der Süsswasserformen zu halten haben, wurde z. Th. schon bei Gelegen-
heit der Kernfrage erörtert, soll jedoch noch weiter unten näher besprochen
werden. Zur Beurtheilung der Fortpflanzungskugeln der Operculina
dagegen fehlt uns ein sicherer Anhalt, jedoch darf wohl ohne grosse An-
maassung behauptet werden, dass ihre Bedeutung für die Fortpflanzung
mehr wie zweifelhaft ist und dies um so mehr, als der gleiche Beobachter
dieselben Fortpflanzungskörper auch bei einer Reihe von fossilen Formen,
wie Nummulites, Orbitoides ete. nachgewiesen haben will.
Gehen wir jedoch nach kurzer Besprechung dieser irrigen, oder doch
jeder sicheren Basis entbehrenden Beobachtungen zu der Betrachtung der
wenigen sicheren Beobachtungen über.
Der oben schon erwähnte Gervais gab 1847 an, bei Milioliden das
Austreten zahlreicher lebendiger Jungen beobachtet zu haben, nachdem
ein Begattungs- (resp. Conjugations-) Act vorhergegangen sei. Genauere
Untersuchungen über die Vermehrung der Milioliden und Rotalinen, durch
Erzeugung einer zahlreichen Brut junger Thiere, verdanken wir jedoch
wieder M. Schultze. Es gelang ihm durch directe Beobachtung innerhalb
der zertrümmerten Schale einer zehnkammerigen, kleinen Rotaline nicht
weniger als 20— 30 junge, nur dreikammerige Thiere nachzuweisen (64). Die
Beobachtung eines zweiten solchen Thieres liess auch das ziemlich plötz.
liche Auftreten zahlreicher soleher jungen Rotalinen in der nächsten Um-
gebung des Mutterthieres erkennen; jedoch konnte nicht mit Sicherheit
festgestellt werden, ob dies Austreten der jungen Brut durch Aufbrechen
der Schale des Mutterthieres oder durch Hervorgehen derselben aus der
Schalenmündung bewerkstelligt wurde. Wenn aus diesen Beobachtungen
hervorzugehen schien, dass nicht der ganze Weichkörper des Mutterthieres
zur Bildung der Brut verbraucht wird, so schienen hingegen frühere
Beobachtungen über die Fortpflanzung der Milioliden in diesem Sinne zu
sprechen.) Diese zeigten nämlich das Auftreten zahlreicher (bis zu 40)
kleiner Milioliden in der bräunlichen, schleimigen Umhüllungsmasse, mit
*) A. m. 2. AEX
”"®), A. m. n. h, 4 XVLp. 420.
***) Ann. mag. n. h. 3. VIII.
+) Arch. f. An. u. Phys, 1856,
Fortpflanzung mariner Rhizopoden. 141
welcher sich ansehnliche Exemplare von Triloculina umgeben hatten, und
in dieser Weise an den Wänden eines Glasgefässes eine ziemliche Reihe
von Tagen ruhend befestigt waren. Die Untersuchung des Mutterthieres
nach der Entwickelung der Brut liess nur noch sehr geringe Spuren von
feinkörniger Sarkode auffinden. Wie gesagt, schien daher in diesen Fällen
der Weichkörper nahezu völlig in der Bildung der Brut aufgegangen zu sein.
Auch von anderer Seite liegen noch einige Angaben über die Ent-
wiekelung beschalter Brut in der Schale mariner Rhizopoden vor. So hat
Str. Wright die ältere Beobachtung von Ehrenberg über das Vorkommen
junger Thiere in der Spirillina vivipara Ehrbg. bestätigt. Reuss hat ge-
legentlich das Vorhandensein einer jungen Globigerina in der Endkammer
einer erwachsenen gesehen und bezüglich der Entwickelung einer zahl-
reichen beschalten Brut bei Orbitolites liegen uns die übereinstimmenden
Angaben von Carpenter (und Parker), sowie Semper*) vor. Hier geschieht
die Entwickelung je eines jungen Thieres in den einzelnen Kämmerchen
des Scheibenrandes. Innerhalb dieser Kämmerchen des Mutterthieres
bildet die junge Orbitolitesbrut nur den embryonalen Theil der Schale
aus, bestehend aus der sogen. Embryonalkammer und der zweiten,
nahezu einen völligen Umgang beschreibenden Kammer. Erst nach dem
Hervortreten der jungen Thiere aus der Mutterschale, was nach Semper
durch Aufbrechen derselben vor sich gehen soll, bildet sich der erste
Cyklus der Kämmerchen.
Schon oben wurde bei Gelegenheit der Beschreibung der Gattungen
Orbulina und Globigerina auf die vielbesprochenen Vorkommnisse hin-
gewiesen, die von Pourtales, M. Schultze, Reuss und Anderen als
Fortpflanzungserscheinungen der Globigerina gedeutet worden sind.
Bekanntlich bestehen diese Befunde in dem häufigen Vorhandensein einer
deutlichen, kleinen Globigerinaschale in einer Orbulina. Nach der Deutung,
welche dieser Erscheinung von den oben erwähnten Forschern im Sinne
einer Fortpflanzung gegeben wurde, wären die Orbulinen als die los-
gelösten Endkammern von Globigerinen zu betrachten, innerhalb deren
nun eine kleine, junge Globigerina erzeugt werde. Dem gegenüber wurde
schon oben die entgegenstehende Ansicht von Macdonald, Aleock und
‚Brady dargelegt, wonach es sich hier keineswegs um eine Fortpflanzungs-
erscheinung handele, sondern die Orbulinaschale erst nachträglich, die
Globigerina einschliessend, zur Ausbildung gelange. Aus den schon früher
dargelegten Gründen halten auch wir es für nicht unwahrscheinlich, dass
die letztere Auffassung das Richtige getroffen hat.
Fragen wir uns nach dieser Uebersicht der spärlichen Beobachtungen
iiber die Vermehrungsweise der marinen Rhizopoden, wie sich dieselben
in eine nähere Beziehung zu den genauer bekannten Fortpflanzungsver-
hältnissen der Süsswasserrhizopoden bringen lassen, so finden wir bis
*) Die von Semper untersuchte und als Nummulites bezeichnete Form war sicher ein
Örbitolites. (Z. f. w. Z. XIII. p. 568.)
142 Rhizopoda.
jetzt nur in den geschilderten Erscheinungen bei Arcella einen Anknüpfungs-
punkt. Wir dürfen uns wohl die Brutbildung bei jenen marinen Formen
z. Th. wenigstens als einen ähnlichen Knospungsprocess denken, wie wir
ihn auch bei Arcella anzunehmen berechtigt sind.*) Dabei erhebt sich
jedoch noch die Unterfrage: ist dieser Vorgang der Brutbildung wohl
stets unter dem Bild einer solchen Knospung verständlich, wie dies z. B.
für Orbitolites mit der nur in der Randzone sich entwickelnden jungen
Brut erscheint, oder wird nicht auch z. Th. die Entwickelung dieser Brut
in ähnlicher Weise durch einen Zerfall des gesammten Weichkörpers vor
sich gehen, wie wir den gesammten Inhalt der Centralkapsel bei den
Radiolarien in die Brutbildung eingehen sehen. Die Beobachtungen
M. Schultze's an den Milioliden scheinen einer solchen Annahme nicht
ungünstig zu sein.
Was jedoch gegenüber den Fortpflanzungserscheinungen der Süss-
wasserformen namentlich auffällt und worüber auch kein Zweifel statt-
finden kann, ist die frühzeitige Bildung der Schale, schon vor dem
Austritt der Brut aus dem mütterlichen Gehäuse — ein Verhalten, für das wir
bis jetzt bei den Süsswasserformen kein Analogon besitzen. Damit
scheint auch wohl das Vorkommen einer Metamorphose, wenn ich mich
so ausdrücken darf, in dem Entwickelungsgang der marinen Formen
ausgeschlossen, so namentlich das Auftreten von Schwärmerbildung.
Die im Obigen gegebene Darlegung unserer Kenntnisse von der
Fortpflanzung der marinen Rhizopoden wird jedoch, auch ohne weitere
Bemerkungen, die Ueberzeugung hervorrufen, dass wir noch sehr weit
davon entfernt sind, einen einigermaassen genügenden Einblick in diese
jedenfalls viel des Interessanten darbietenden Verhältnisse zu besitzen.
Obwohl die Fortpflanzung durch einfache Theilung schon von vorn-
herein bei den marinen beschalten Rhizopoden wenig Aussicht auf Vor-
handensein besitzt, so scheint doch unter gewissen anormalen Verhältnissen
etwas derartiges eintreten zu können. Ich meine hier nämlich jene selt-
samen Doppelbildungen, wie sie gelegentlich sowohl bei monothalamen
als polythalamen Rhizopoden beobachtet worden sind. Was die mono-
*) In neuester Zeit hat R. Lankester mehrfach in der Mündungsregion des proto-
plasmatischen Leibes der sandschaligen Haliphysema eine grössere Zahl ei-ähnlicher Gebilde
getroffen.Dieselben waren hüllenlos, die kleinen ohne, die grösseren mit deutlichem Zellkerne
und, wie es schien, z. Th. sogar in Vermehrung durch Zweitheilung begriffen. Lankester
erblickt in diesen Gebilden endogen erzeugte Keime der Haliphysema. Ich erwähne diese
Beobachtung hier hauptsächlich noch deshalb, um darauf hinzuweisen, dass mit obiger
Darstellung des wahrscheinlichen Fortpflanzungsprocesses der marinen Rhizopoden keineswegs
die Möglichkeit der Erzeugung endogener Keime gänzlich in Abrede gestellt werden soll,
wenn ich auch durch die mitgetheilte Beobachtung Lankester’s diese Möglichkeit noch in keiner
Weise für erwiesen erachte, da über das weitere Schicksal dieser vermeintlichen Eikeime
nichts ermittelt wurde. Wir machen bei dieser Gelegenheit noch darauf aufmerksam, dass
S. Kent (A. m. n. h. 5. II.) die Jugendformen der Haliphysema in amöbenartigen, kleinen,
unbeschalten Formen entdeckt haben will, die sich später festhefteten und anfänglich, vor
dem Bau einer Schalenhülle, noch von ihrer ganzen Oberfläche zarte Pseudopodien entwickelten,
Abnorme und unvollständige Theilungsprocesse von Mono- und Polythalamia. 143
thalamen derartigen Bildungen betrifft, wie sie z. B. in der Gattung
Lagena gar nicht so selten durch Williamson, Parker und Jones, sowie
durch Alcock ‚beobachtet wurden, so kann deren Entstehung nicht wohl
auf etwas anderes, als auf eine sehr frühzeitige, noch im schalenlosen
Zustand stattgefundene, jedoch unvollständige Theilung zurückgeführt
werden. Alcock, der, wie schon oben hervorgehoben wurde, für einen
mehrfachen Schalenwechsel im Lebenslauf der monothalamen Formen
plaidirt, ist der Ansicht, dass gerade diese Doppelmonstra hierfür be-
weisend seien, indem er ihre Entstehung auf eine unvollständige Theilung
während eines solchen Schalenwechsels zurückführt. Was ähnliche
Doppelbildungen der polythalamen Formen betrifft, wie sie durch M. Schultze
bei Polystomella und in etwas abweichender Weise auch durch Parker
und Jones nachgewiesen wurden, so scheint es zweifelhafter, wie hier
die Entstehung zu deuten ist, da genauere Untersuchungen über den Bau
dieser monströsen Schalen nicht vorliegen. Dagegen scheinen die eigen-
thümlichen Doppelbildungen, wie sie gelegentlich bei Orbitolites beobachtet
wurden, kaum einer Erklärung durch einen unvollständigen, frühzeitigen
Theilungsprocess zugängig, sondern sind wohl das Erzeugniss besonderer,
wiewohl an eine Vermehrung erinnernder Wachsthumsvorgänge.
8. Koloniebildung in Zusammenhang mit der Theilung oder Knospung
der Rhizopoda.
Die Erscheinung der sogen. Koloniebildung steht in so inniger Be-
ziehung zu den besprochenen Fortpflanzungsvorgängen durch Theilung
oder Knospung, dass dieselbe hier im Anschluss an letztere zunächst
einer kurzen Besprechung unterzogen werden darf. Wir verstehen unter
einem kolonialen Verbande nur einen solchen, dessen einzelne Mitglieder
thatsächlich in direeter, lebendiger Verbindung vermittelst ihrer protoplasma-
tischen Leibessubstanz stehen. Derartige koloniale Verbände gehören
gerade nicht zu den häufigen Erscheinungen unter den Rhizopoden, jedoch
hat die neuere Forschung uns auch auf diesem Gebiet mit einer Anzahl
hierhergehöriger und nicht uninteressanter Fälle bekannt gemacht. Das
ausgezeichnetste Beispiel solcher Koloniebildung bietet uns wohl die hier-
nach benannte Mikrogromia socialis dar.*) Wir haben schon oben die
mit Schwärmerbildung verbundene Fortpflanzung dieser Form durch Quer-
oder Längstheilung besprochen. Nicht stets führt jedoch die Längstheilung
der Thiere zur völligen Trennung der beiden Sprösslinge, sondern
es erhält sich zwischen beiden häufig ein organischer Zusammenhang
durch die Pseudopodienstiele. — Auch in diesem Fall verlässt jedoch der
eine Theilsprössling nach einiger Zeit die Schale des Mutterthieres, mit
dem er jedoch durch den Pseudopodienstiel noch in organischem
*) Unter den unbeschalten Formen tritt uns eine schr hübsche koloniale Entwickelung
bis jetzt allein bei der, hinsichtlich ihrer Stellung etwas zweifelhaften, moneren Form Myxo-
dyctium entgegen; hier stehen wie bei Mikrogromia zahlreiche Einzelindividuen durch ihre
reichlich wurzelartig verästelten Pseudopodiennetze im Zusammenhang.
144 Rhizopoda.
Zusammenhang bleibt. Nach einiger Zeit wird sich das neugebildete
Individuum mit einer Schale bekleiden. Durch fortgesetzte Vermehrung
können sich in dieser Weise Kolonien zahlreicher Individuen bilden, indem
diese sämmtlich durch ihre Pseudopodien in Verbindung bleiben. In ihrem
Verhalten zeigen diese Kolonien eine Reihe wechselnder Zustände, die
sogar zur Trennung derselben in zwei Arten, ja sogar Gattungen,
Veranlassung gaben. Sie treten nämlich einmal im gehäuften Zustand auf
(UI. 15a), indem sämmtliche Individuen zu einem dichten Klumpen zu-
sammengedrängt sind, von dem dann allseitig die Pseudopodien aus-
strahlen (dieser Zustand wurde ursprünglich von Archer, seinem Entdecker,
als Cystophrys Haekeliana bezeichnet und in die Nähe der Radiolarien
gezogen). Andererseits vermag jedoch die Kolonie sich auch flach aus-
zubreiten, die einzelnen Individuen trennen sich durch mehr oder minder
weite Zwischenräume von einander und stehen untereinander durch die
netzartig ausgespannten Pseudopodien in Verbindung. (Es ist dies der
Zustand, den Archer ursprünglich als Gromia socialis beschrieb.)
In ähnlicher Weise sehen wir jedoch auch noch eine Anzahl nahe
verwandter Formen eine Koloniebildung eingehen, so das Lecythium hya-
linum. Hier hat schon Fresenius*) in richtiger Weise die Koloniebildung
durch Längstheilung beobachtet, wie sie später durch die Untersuchungen
von Cienkowsky (104a) bestätigt wurde. Die in solcher Weise ent-
standenen Kolonien des Lecythium bilden traubige Verbände, indem
sämmtliche Einzelthiere durch das aus den Schalenmündungen heraus-
getretene und zu einer breiten Platte verschmolzene Protoplasma, von
welchem die Pseudopodien ausstrahlen, in Verbindung stehen. Nach
F. E. Schulze’s Beobachtungen dieser Form (seiner Gromia socialis Arch.)
sollen aber solche koloniale Verbände auch durch allmähliche successive
Verschmelzung von Einzelindividuen entstehen können; jedoch scheint mir
nicht völlig sichergestellt zu sein, wenigstens nach dem Wortlaut der
Schulze’schen Beschreibung, ob er wirklich die Verschmelzung von mehr
als zwei Individuen direct beobachtet hat (s. 101 III).
Eine ähnliche Koloniebildung treffen wir schliesslich auch bei dem
nahe verwandten Platoum stercoreum Cienk. (= Chlamydophrys Cienk.);
hier geht jedoch die Bildung neuer Kolonialindividuen nach den Unter-
suchungen von A. Schneider**) und Cienkowsky (104a) in etwas ab-
weichender Weise vor sich. Ein einfaches Thier erzeugt zunächst
durch theilweises Austreten des Körperprotoplasmas und durch Ab-
scheidung einer neuen Schale um diesen ausgetretenen Theil ein neues
Individuum, ähnlich wie wir es auch bei Arcella gesehen |haben. Es
erfolgt nun jedoch häufig keine Trennung der beiden Individuen, sondern
dieselben bleiben durch eine breite Protoplasmabrücke, von der die
Pseudopodien ausstrahlen, in Verbindung. Aus dieser Protoplasmabrücke
#) Abh. d. Senckenb. naturf. Ges. II.
**) Arch.f. A, u./Ph: 185%
Koloniebildung. (Platoum, Labyrinthula.) 145
gemeinschaftlichen Pseudopodienplatte können sich nun noch zalıl-
reiche weitere Individuen entwickeln, indem sich an derselben neue Aus-
buchtungen erzeugen, in denen nach Cienkowsky unabhängig von den
früberen ein neuer Kern entsteht und sich weiterhin eine neue Schalen-
umhbüllung bildet. Die Form der Kolonie ist ganz ähnlich der von Leey-
thium (III. 17b). Das nur durch etwas abweichende Schalenstructur
sich unterscheidende, von Entz (110) beschriebene Geschlecht Plecto-
phrys zeigt auch eine ganz entsprechende Koloniebildung.*)
*) In die Nähe der Rhizopodenkolonien lassen sich vielleicht auch die eigenthüm-
lichen Zellenaggregate der sogen. Labyrinthula Cienkowsky's (Arch. f. mikr. A. IIL)
bringen, die wir daher hier anmerkungsweise kurz noch betrachten wollen, da, wie schon
mehrfach zu bemerken Gelegenheit war, die Stellung dieser Gattung bei den Rhizopoda über-
haupt wenig sicher erscheint; wir haben sie dennoch hierher gezogen, da bei den übrigen
Protozoön noch weniger eine passende Einreihung derselben zu ermöglichen ist, weiterhin
jedoch auch die betreffenden Formen noch speciellerer Aufklärung zu einem vollen Verständniss
ihrer Örganisationsverhältnisse und einer richtigen Würdigung ihrer verwandtschaftlichen Be-
ziehungen bedürfen. Im nicht beweglichen Zustand bildet die Labyrinthula haufenförmige
Aggregate von rundlichen bis bohnenförmigen gekernten Zellen, die entweder ohne erkennbare
Zwischensubstanz zusammengelagert sind, oder aber von einer feinkörnigen Zwischensubstanz,
die auch als dünne Rinde den Haufen überzieht, zusammengehalten werden (I. $Sd). Der
Uebergang in den beweglichen Zustand vollzieht sich in der Weise, dass von der Oberfläche
des Haufens farblose, hyaline oder sehr fein faserige Fortsätze von starrer Beschaffenheit her-
vorgeschoben werden (I. 8a), die sich vielfach verästeln und durch reichliche Verbindungen
unter einander ein labyrinthisches Netzwerk bilden (Sb), längs welcher sogen, Fadenbahn nun
die Zellen langsam hinwandernd von dem Centralhaufen nach der Peripherie fortgleiten.
Bei dieser Wanderung nehmen die Zellen eine spindelförmige Gestalt an, sind jedoch über-
haupt etwas gestaltsveränderlich (8c). Der fraglichste Punkt in der Natur dieser eigenthüm-
lichen Labyrinthula-Zellenaggregate bildet die Entstehung und Natur der sogen. Fadenbahn.
Protoplasmatisch scheint dieselbe nicht zu sein, sondern eine Ausscheidung der Zellen dar-
zustellen, womit jedoch ihr scheinbar selbständiges Entstehen und Vergehen nicht ganz wohl
in Einklang zu bringen ist. Vielleicht dürften die von Cienkowsky (104a) bei seinem Diplo-
phrys stercoreum beobachteten, eigenthümlichen Aggregationen zahlreicher Einzelindividuen,
die mit ihren von beiden Körperpolen ausstrahlenden, fadenartigen Pseudopodien aneinander
hinkriechen und so gleichfalls netzartige, z. Th. hoch sich erhebende Aggregate von Individuen
bilden, die der Fadenbahn der Labyrinthula mit ihren Zellen sehr ähnlich sehen, doch noch
zur Aufklärung der Verhältnisse bei Labyrinthula beitragen. In wieweit sich ein von Archer
(Qu. j. mier. sc. XV.) beobachteter, und als Chlamydomyxa labyrinthuloides bezeichneter
rhizopodenartiger Organismus an die eben erörterte Labyrinthula anschliesst (I. 9), lässt sich
bis jetzt noch nicht mit genügender Bestimmtheit angeben. Es handelt sich hier um einen
von einer Cellulosehülle umkleideten, protoplasmatischen Körper, der durch eine polare, riss-
artige Oeflnung ansehnlich lange, pseudopodienartige Fortsätze aussendet, welche sich baumförmig
verästeln und zahlreiche feine hyaline Fäden entwickeln, die eine ähnliche Fadenbahn formiren,
wie bei der Labyrinthula. Auch hier gleiten dann zahlreiche, während ihrer Wanderung
spindelförmige, jedoch kernlose Körperchen auf der Fadenbahn hin, die sich in dem cen-
tralen Protoplasmakörper als kugelige, plastische Körperchen vorgebildet vorfinden. Die
Fadenbahn scheint nach Archer’s Schilderung bei der Chlamydomyxa die Natur pseudopodien-
artiger Fortsätze zu haben und da die sogen. Spindeln hier kernlos sind, andererseits auch
der Gesammtorganismus durch Nahrungsaufnahme und Vacuolenbildung seines Centralkörpers
sich dem gewöhnlichen Rhizopodenorganismus näher anschliesst, so scheint mir vorerst eine
directe Annäherung der Chlamydomyxa an die Labyrinthula kaum gerechtfertigt. Die neuer-
dings von R Lankester (Qu. journ. mier. sc. XIX.) ausgesprochene Ansicht, dass die sogen.
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozon. 10
146 Rhizopoda.
Unter den marinen Rhizopoden scheint eine ähnliche Kolonie-
bildung nur sehr selten einzutreten. Jedoch hat R. Hertwig*) neuer-
dings eine Kolonie sehr junger (dreikammeriger) Rotalinen beobachtet.
Etwa 30—40 Individuen bildeten ein Häufchen ähnlich der sogen.
Cystophryskolonie der Mikrogromia und wurden durch eine gemeinsame
Protoplasmamasse mit einander vereinigt. Zu den kolonialen Verbänden
dürfen wir wohl auch die von Bessels**) und Anderen mehrfach beob-
achteten, dureh ihre armartigen Fortsätze in directem Verbande stehenden
Individuengruppen der Astrorhiza limicola Sund. rechnen. Bessels ver-
muthet ihr Hervorgehen durch Sprossung, worauf auch die zuweilen zu
beobachtende Anschwellung und besondere Grösse eines der Arme
hindeute.
Im Anschluss an diese Erörterung der sogen. Koloniebildung der
Rhizopoda ist es wohl am Platze, in Kürze auch noch der Frage nach
der morphologischen Auffassung der polythalamen Formen der Rhizopoden
einige Augenblicke zu schenken, da, wie bekannt, die regelmässige
Wiederholung der Kammerbildung häufig zur Annahme einer Kolonie-
bildung Gelegenheit gegeben hat. Wir sehen hier natürlich ab von
solchen Ansichten über die koloniale Zusammensetzung der marinen Rhi-
zopoden, wie sie Ehrenberg seiner Zeit vortrug, der zum Hauptkriterium
in dieser Frage die Zahl der Kammermündungen machte und daher For-
men mit zahlreichen Mündungen (wie z. B. Peneroplis) zu einer von zahl-
reichen Einzelthieren, entsprechend der Zahl der Mündungsporen, be-
wohnten Kolonie stempelte.
Dagegen scheint es nun bei erstmaliger Ueberlegung recht natürlich,
die polythalamen Förmen, bei welchen eine so reguläre Wiederholung
bestimmter Abschnitte in Form und Bildung sich findet, als in innigem
Verbande stehende Kolonien zu deuten, da ja jede Einzelkammer einer
solchen Polythalamie gewöhnlich in hohem Grade mit der Bildung der
einfachen Kammer einer Monothalamie übereinstimmt. Die Bildung neuer
Kammern wäre hiernach als ein Theilungs-, resp. Sprossungsact, zu be-
trachten. Diese, von einer Reihe von Forschern auch heute noch vertretene
Ansicht steht jedoch mit gewissen anderweitigen Bauverhältnissen des
Rhizopodenorganismus in nicht wohl zu vereinbarendem Widerspruch.
Schon M. Schultze (53) hat sich gegen diese Auffassung sehr entschieden
ausgesprochen, obgleich ihm der Hauptgrund, welcher gegen dieselbe vor-
gebracht werden kann, noch nicht bekannt war. Diesen Grund jedoch
bilden die Kernverhältnisse.
Wie wir oben schon genügend zu erörtern Gelegenheit hatten, steht
die Zahl und Vertheilung der Zellkerne in gar keiner bestimmten Be-
Spindeln der Chlamydomyxa und Labyrinthula wohl als Zellkerne zu betrachten seien, könnte
möglicherweise für die erstgenannte Gattung einige Wahrscheinlichkeit besitzen, wogegen mir
dieselbe für Labyrinthula ganz ungerechtfertigt erscheint.
*) Jen. Zeitschr. X.
*#) Jen. Zeitschr. IX.
Koloniebildung. (Marine Formen, Bezieh. d. Polythalamie z. Kolonieb.) 147
ziehung zu der Kammerzahl, wir lernten einkernige Polythalamia und
vielkernige Monothalamia kennen. Da uns jedoch die marinen Poly-
thalamia als kernführend wohl bekannt sind, so dürften wir, wenn es
sich in ihren Kammerabschnitten wirklich um individuelle Wiederholungen
im Sinne einer kolonialen Bildung handelte, mit Recht die Gegenwart
eines oder mehrerer Zellkerne in jedem Kammerabschnitt verlangen.
Wir sind daher nieht berechtigt, in der Ausbildung und regelmässigen
Wiederholung der Kammerabschnitte bei den Polythalamen eine wirkliche
morphologische Wiederholung von Individuen einfacherer Art, wie sie
uns die Monothalamien darbieten, nach Art einer Kolonie- oder Stock-
bildung zu erkennen. Immerhin jedoch ist die Regularität der Wieder-
holung der einfachen Kammerabschnitte bei diesen Formen von einer
Art, dass sie bis zu gewissem Grade eine wirkliche Wiederholung
der Form und Theile des Einzelindividuums der Monothalamie vorführt.
Wenn wir uns nun nach Vergleichen für ein derartiges morphologisches
Verhalten in den Abtheilungen der höheren Thierwelt umsehen, so werden
wir nicht verkennen, dass von einem allgemein morphologischen Stand-
punkt aus die Segmentation, wie sie uns in verschiedenem Grad der Aus-
bildung die gegliederten Metazo@n darbieten, eine nicht zu leugnende
Aehnlichkeit mit der Kammerung der Polythalamien darbietet. In beiden
Fällen sehen wir Wiederholung einer Anzahl morphologisch sich ent-
sprechender Körperabschnitte, die gleichzeitig bis zu einem gewissen
Grade als Homologa einer einfacheren, ungegliederten Individualitäts-
stufe erscheinen. In beiden Fällen jedoch sind die einzelnen Ab-
schnitte oder Metameren mehr oder weniger weit von der Höhe der
Individualisation entfernt, die wir an den einzelnen Gliedern einer Kolonie
oder eines Stockes antreffen, indem ihnen zunächst eine Anzahl von
Organisationseigenthümlichkeiten, die wir dem vollkommenen Individuum
zuschreiben müssen, abgehen, wie andererseits dem ganzen, aus den
Wiederholungen solcher einzelner Körperabschnitte zusammengesetzten
Organismus eine Reihe von Organisationseigenthümlichkeiten zukommen,
die in centralisirter Ausbildungsweise gemeinsam für die Gesammtheit
des betreffenden Organismus vorhanden sind. Wie jedoch die Grenzlinie
zwischen Kolonie und gegliedertem Organismus auch unter den höheren
Formen nur schwierig oder nicht scharf zu ziehen ist, so kann in gleicher
Weise auch hier auf dem Gebiet der Protozoön eine solche Schwierigkeit
sich erheben, wenn auch die bis jetzt bekannten Beispiele eigentlicher
Koloniebildung im Bereich der Rhizopoda sich recht scharf abgrenzen
lassen gegen die Erscheinung der Polythalamie, die wir, wie gesagt, im
allgemein morphologischen Sinne am ehesten mit der Segmentation der
Metazoön zu vergleichen im Stande sind,
10*
148 Rhizopoda.
y. Ueber die Erscheinung der Encystirung bei den Rhizopoden, ohne oder
in Verbindung mit Vermehrung."
Wie bei zahlreichen Protozo@n überhaupt, finden wir auch unter den
Rhizopoden (wenigstens denen des süssen Wassers) eine sehr ausge-
sprochene Neigung, sich zu gewissen Zeiten ihres Lebens mit einer durch
selbstthätige Ausscheidung gebildeten Hüllhaut zu umkleiden (die gewöhn-
lich nach Aussen völlig abgeschlossen ist) und in diesem encystirten Zu-
stand längere oder kürzere Zeit ruhend zu verharren, oder noch innerhalb
der Cystenhülle einen Vermehrungsprocess durch Theilung einzugehen.
Wenn nun auch bei den Protozo@n eine solche Vermehrung im eneystirten
Zustand nicht gerade selten stattfindet (wiewohl gerade die Rhizopoden
hierfür bis jetzt nur wenige Beispiele geliefert haben), so scheint doch in
der Mehrzahl der Fälle der Eneystirungsprocess wenigstens ursprünglich
nieht in directem Zusammenhang mit der Vermehrung gestanden zu haben.
Er scheint im Gegentheil ursprünglich, wie dies auch jetzt thatsächlich
noch häufig der Fall ist, entweder zum Schutz des Organismus gegen
äussere schädliche Einflüsse, wie Austrocknung oder faulige Verderbniss
des Wassers entstanden zu sein, andererseits jedoch auch, um nach reich-
licher Nahrungsaufnahme gewissermaassen in ungestörter Ruhe die auf-
genommene Nahrung assimiliren zu können. Wie schon bemerkt, zeigen
gerade die Rhizopoden nur selten, nach den bis jetzt darüber vorliegenden
Beobachtungen, eine Vermehrung durch Theilung innerhalb der Cysten-
hülle, ja der einzige Fall, der eine regelmässige Fortpflanzung durch
Eneystirung anzudeuten scheint, betrifft gerade einen Organismus, dessen
Stellung unter den übrigen Rhizopoden keineswegs völlig gesichert ist,
nämlich die bekannte monere Form, die Häckel’sche Protomyxa.
Betrachten wir zunächst jene Fälle etwas näher, wo bis jetzt wenig-
stens keinerlei Vermehrungsvorgänge in Verbindung mit der Eneystirung
beobachtet wurden. Derartige Eneystirung scheint unter den nackten und
beschalten Formen des süssen Wassers ziemlich allgemein verbreitet zu
sein, wogegen bis jetzt wenigstens im Bereich der marinen, beschalten
Formen nichts Analoges beobachtet wurde.
Eine Reihe von Beobachtungen liegen über Encystirungsvorgänge bei
Amöben und amöbenartigen Rhizopoden vor, ohne dass jedoch bis jetzt
dieser Vorgang gerade hier in eingehenderer Weise ermittelt worden
wäre. A. Schneider*) will die Eneystirung der Amöben (es ist die Rede
von A. diffluens und radiosa) beobachtet haben und schildert den Vor-
gang in der Weise, dass anfänglich die Bildung der Cystenhülle lokal
begrenzt, einseitig beginne, während gleichzeitig noch die amöboide Be-
weglichkeit des Protoplasmakörpers auf der entgegenstehenden Seite sich
äussere. Allmählich wachse schliesslich die Hülle allseitig um die Amöbe
herum. Gegen diese Schilderung hat Auerbach **) vielleicht mit Recht
©), Arch. 3. Arm Rh. 1854:
BL. $. w.-2. NIE,
Encystirung. (Amöben und Verwandte.) 149
Einsprache erhoben und die Vermuthung geäussert, dass Schneider
möglicherweise durch das eigenthümliche Verhalten einer Form, wie sie
z. B. Cochliopodium darbietet, getäuscht worden sei. Sicherer dagegen
scheint die Beobachtung des Eneystirungsprocesses einer fraglich als
Amoeba Gleicheni Djrd. bezeichneten Form durch Carter.*) Hier bildet
sich bemerkenswerther Weise keine kugelige, sondern eine etwas kegelige,
gewöhnlich kurz gestielte, braune und rauhe Cyste, die mit ihrem zu-
gespitzten Ende oder dem Stielehen, in welches dieses sich fortsetzt, an
fremde Gegenstände festgeheftet ist. Weiterhin haben auch J. Lüders **)
und Wallich ***) Eneystirungserscheinungen von Amöben beschrieben und
zwar übereinstimmend von solchen Formen, die, nach reichlicher Aufnahme
von Diatomeennahrung, sich nun gewissermaassen zu einer sogen. Ver-
dauungseyste, wie sie hauptsächlich bei den heliozoönartigen Sarkodinen
häufig beobachtet wird, umbildeten. Hierbei wurde nur eine zarte,
z. Th. faltige Cystenhülle entwickelt. Die, nach dem Wiederaustreten der
Amöben, in der Cystenhülle zurückgelassenen Diatomeenschalen gaben
mehrfach Veranlassung zu der Beschreibung sogen. Diatomeeneysten,
welche jedoch, wie gesagt, von der Eneystirung der Amöben, z. Th. jedoch
auch heliozo@nartiger Süsswassersarkodinen herrühren.
Für den amöbenartigen Plakopus ist die Eneystirung durch F. E. Schulze
mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit festgestellt worden; die dünne Cysten-
hülle besitzt hier eine regulär kugelige Bildung und liegt dem eingehüllten
Weichkörper direet auf. Die Bildung geschichteter, kugeliger Cysten
wurde auch von Sorokinf) bei seinem Gloidium constatirt und ihr
Bau ist von besonderem Interesse, weil sich an einer Stelle eine
Einrichtung zum Austritt des eneystirten Plasmakörpers findet. Es ist
nämlich nur die äusserste und älteste Schicht der Cyste völlig geschlossen,
während die jüngeren, inneren Schichten an der erwähnten Stelle unter-
brochen sind. An dieser Stelle wird daher in der Cystenhülle ein nach
Innen trichterförmig sich erweiternder Kanal gebildet, der nur durch die
äusserste Cystenschicht geschlossen ist. Durch diesen Kanal verlässt denn
auch der eneystirte Körper die Cystenhülle wieder.
Im Bereich der Monothalamia des süssen Wassers scheint die En-
eystirung sehr allgemein verbreitet zu sein, jedoch in mancher Hinsicht
etwas verschieden zu verlaufen. So kann die Eneystirung sowohl inner-
halb der Schale, als auch nach Austritt aus derselben vor sich gehen;
es kann sich nur eine einfache oder es können sich mehrfache, successive
gebildete und ineinander geschachtelte Cystenhüllen entwickeln. Für
gewöhnlich eneystirt sich der Weichkörper innerhalb der Schale und
unter deren Schutz.
#) A, m..n.;h. 23 XVIL w 3 Zur
**) Bot, Zeitung 18. Jahrg. 1860.
BEA. ım..n. h. 9. XII.
-r) Morph. Jahrb. IV.
150 Rhizopoda.
Zuweilen tritt sogar ein Theil der Schale selbst mit in die Bildung
der Cystenwandung ein, wenigstens lässt sich der von Archer (108)
beschriebene Eneystirungsprocess der Pseudochlamys patella in dieser
Weise auffassen. Hier wird nämlich nicht eine den Weichkörper allseitig
umgebende Cystenhülle abgeschieden, sondern es bildet sich nur eine
uhrglasförmige Umhüllung auf der oralen Seite des Weichkörpers, deren
Ränder mit der Schale verwachsen und die in solcher Weise den Weich-
körper gewissermaassen nach Aussen abkapselt. Ein vielleicht hiermit
vergleichbarer Verschluss der Schalenmündung tritt, wie wir gleich noch
sehen werden, auch bei dem Eneystirungsprocess der Gattungen Difflugia
und Euglypha auf.
Unter den Arcellinen hat Auerbach die Bildung einer einfachen
kugeligen und ziemlich diekwandigen Cystenhülle bei seinem Cochlio-
podium bilimbosum beobachtet. Die Cystenhülle liegt hier dem Thier-
körper ziemlich dieht auf, so dass nur zuweilen eine schmale, helle Zone
zwischen ihm und der Hülle bemerkbar ist. Eigenthümlich erscheint noch
eine die Cystenhülle äusserlich einhüllende, schleimige, feinkörnige Lage.
Wie sich bei diesem Eneystirungsprocess die eigenthümliche eigentliche
Schale des Cochliopodium verhält, ist nicht bekannt.*) Die Bildung
einer einfachen, kugeligen Cyste, wohl auch mit einfacher Hülle,
wurde durch Hertwig und Lesser für Arcella festgestellt; sie liegt hier
innerhalb der Schale dieht der Mündung an. Auch bei gewissen Difflugien,
die jedoch bezüglich ihrer Schalenstructur sich vielleicht näher an die
Gattung Quadrula anschliessen, hat Wallich**) einen Enceystirungsprocess
verfolgt; hierbei hatte sich der Weichkörper des Thieres kugelig zusammen-
geballt und in die mittlere Hälfte der Schale zurückgezogen. Die sonst
runde Mündung der Schale war durch Zusammenklappen ihrer Ränder
geschlossen und ausserdem hatte sich innerhalb der Schale, etwas vor
dem zusammengekugelten Thierkörper, ein häutiges Diaphragma gebildet,
wodurch also ein völliger Abschluss des Weichkörpers gegen die Aussen-
welt hergestellt wurde. Bildung einer einfachen kugeligen Cyste wurde
ferner von Cienkowsky bei dem Platoum stercoreum beobachtet, wo dieser
Vorgang hauptsächlich noch desshalb unser Interesse beansprucht, weil er
nicht innerhalb der Schale, sondern, nach Austritt des protoplasmatischen
Körpers, vor oder noch innerhalb der Schalenmündung stattfindet (III. 17 e).
Auch hier tritt, wie solches oben schon gelegentlich der Gattung Cochlio-
podium angedeutet wurde, noch eine feinkörnige, äusserliche Umhüllung
zu der eigentlichen Cystenkapsel hinzu. Von besonderem Interesse erscheint
#) Auerbach kam durch fortgesetzte Beobachtungen zu einigen Vermuthungen über
das weitere Schicksal dieser Cysten, mit denen er eine besondere amöbenartige Form, die er
späterhin, als sich zahlreiche leere und aufgesprungene Cysten vorfanden, vielfach beobachtete,
in Zusammenhang bringt; da jedoch die Zugehörigkeit dieser Formen zu dem Entwickelungs-
kreis des Gochliopodium in keiner Weise sicher festgestellt scheint, so gehen wir hier nicht
näher auf diese Beobachtungen und Vermuthungen ein.
Er, SASm: no DR
Eneystirung. (Monothalamia.) 151
uns ferner noch die Beobachtung, dass die protoplasmatischen Weichkörper
einer ganzen Kolonie dieser Art zuweilen ausserhalb der Schalen zu einem
einheitlichen Protoplasmakörper zusammenfliessen, der sich dann ganz
wie ein einfaches Individuum zu eneystiren vermag. Zur Vervollständigung
unserer Angaben über die Eneystirungserscheinungen der hierhergehörigen
Formen, fügen wir noch bei, dass durch Cienkowsky auch für den
interessanten Microcometes einfache kugelige Cystenbildung innerhalb der
Schale festgestellt wurde.
Etwas complieirter gestalten sich die Cystenbildungen bei den jetzt
noch zu erwähnenden Formen, bei welchen durch successive Wiederholung
der Hüllbildung zwei ineinander geschachtelte Cystenhäute zur Entwicke-
lung gelangen. Durch die gesonderte Betrachtung, die wir diesen Vor-
kommnissen zukommen lassen, soll nicht etwa angedeutet werden, dass
wir hierin etwas ganz besonderes sehen, sondern es mögen einfache und
doppelte Cystenumhüllungen vielleicht sogar bei einer und derselben Form
zuweilen gleichzeitig nebeneinander sich finden, wie solches bei den
Heliozo@ön z. B. thatsächlich der Fall zu sein scheint. Mit einer solchen
doppelten Cystenhülle sah Cienkowsky die Spindelzellen der merk-
würdigen Labyrinthula sich zuweilen umkleiden, und zwar geht hier dieser
Eneystirungsprocess ziemlich gleichzeitig für sämmtliche Individuen eines
Labyrinthula-Aggregates vor sich (I. 8d), und werden alle die Cysten
in eine gemeinsame, ziemlich feste Masse eingehüllt, welche wohl durch
Umbildung der sogenannten Rindenschicht der beweglichen Aggregate
hervorgeht.
Eine doppelte Hüllbildung scheint ferner in der Abtheilung der
Euglyphinen ziemlich allgemein verbreitet zu sein, da sie wenigstens für
Euglypha und Trinema sicher constatirt ist, wogegen bei Cyphoderia
bis jetzt nur eine kugelige Zusammenballung des Weichkörpers in der
Schalenmitte von M. Schultze und F. E. Schulze gefunden wurde, ein
Vorgang, der wohl ohne Zweifel zur Eneystirung führen dürfte.
Bei Euglypha und Trinema ist der Eneystirungsvorgang zuerst von
Carter (56), späterhin hauptsächlich von Hertwig und Lesser (99) beobachtet
worden. Der Vorgang ist von den letztgenannten beiden Forschern am
genauesten bei Euglypha alveolata ermittelt worden, die wir daher auch
unserer Schilderung zu Grunde legen. Wie bei Difflugia wird auch
hier zunächst die Schalenmündung durch ein Diaphragma gegen die
Aussenwelt abgeschlossen (III. 12b, d) und zwar soll dessen Aufbau hier
durch verklebte Fremdkörper, wie Algenfäden, Diatomeen und dergleichen,
zu Stande kommen. Die eigentliche Cyste liegt im Grunde der Schale
und wird zunächst von einer recht ansehnlichen, etwa die Hälfte der
Schalenlänge erreichenden, ovalen Aussenhille gebildet (b), die interessanter
Weise ganz dieselbe Zusammensetzung aus hexagonalen Plättchen zeigt,
wie die eigentliche Schale. Innerhalb dieser Aussenhülle liegt die kugelige
innere Cystenhülle (ce), die den sehr körnigen und daher recht undurch-
152 Rhizopoda.
sichtigen Weichkörper dicht umschliesst. _Auch diese Innenhülle ist
nicht völlig glatt und structurlos, sondern äusserlich wie innerlich von
zahlreichen feinen Buckelchen bedeckt, so dass sie auf dem optischen
Durchschnitt ein perlschnurartiges Aussehen besitzt. Bemerkenswerth ist
ferner hauptsächlich noch die Befestigung dieser inneren, kugeligen Cyste
durch einen zarten, homogenen und ziemlich langen Strang (f) in dem
spitzeren, vorderen Ende der Aussenhülle.
Bei der nahe verwandten Gattung Trinema hat Carter die Bil-
dung einer ovalen bis viereckigen, einfach umhüllten Cyste im Schalen-
hintergrund beobachtet; dagegen wurde von Hertwig und Lesser auch
für diese Form die wenigstens zeitweilige Bildung doppelter Cysten-
hüllen wie bei Euglypha ermittelt. Die eigentliche innere Cystenhülle
soll auch hier kugelig sein, und den sehr körnigen, undurchsichtigen
Weichkörper dicht umschliessen, wogegen die äussere Hülle der Innen-
wand der Schale dicht anliegen, ja vielleicht mit derselben verschmolzen
sein soll.
Unter den amphistomen Monothalamien ist die Eneystirung bis jetzt
nur von Cienkowsky (104a) für Diplophrys Archeri constatirt worden.
Auch hier bilden sich zwei zarte, kugelige Cystenhüllen, von welchen die
innere glatt, die äussere hingegen mit zahlreichen bläschenförmigen Aus-
buchtungen besetzt erscheint.
Wenden wir uns nun zu denjenigen wenigen Fällen, wo in Zusammen-
hang mit der Eneystirung ein Vermehrungsprocess aufgefunden werden
konnte. Es ist dies bis jetzt nur bei zwei, wie schon früher bemerkt,
bezüglich ibrer verwandtschaftlichen Beziehungen zu den eigentlichen
Rhizopoden etwas unsicheren Formen geglückt. So konnte Cienkowsky *)
feststellen, dass die in der obengeschilderten Weise eneystirten Spindel-
zellen der Labyrinthula sich durch Viertheilung in der Cyste vermehren
(I. Se u. f). Es erfolgt nach einiger Zeit ein Ausschlüpfen der Spröss-
linge, die wohl zu jungen Spindelzellen sich entwickeln, wenngleich dieser
Uebergang nicht direct beobachtet werden konnte.
Etwas abweichend verhält sich der zweite, eventuell hierher zu rech-
nende Fall, der durch Häckel **) bei seiner Protomyxa aurantiaca entdeckt
wurde. Hier scheint die Eneystirung sicher zu einem Forfpflanzungsact
geworden zu sein, obgleich sich nach den bis jetzt vorliegenden Unter-
suchungen auch nicht mit völliger Bestimmtheit wird verneinen lassen,
dass nicht gelegentlich auch hier Eneystirung obne Vermehrung vor-
kommen möge.
Die Protomyxa bildet nach Häckel’s Beobachtungen kugelige, von
einer einfachen, jedoch ziemlich dicken und geschichteten Gallerthülle
*) Arch. f. mikr. A. III,
**) Jen. Zeitschr. IV.
Eneystirung (mit Vermehrung, Protomyxa). Copulation. 153
umschlossene Cysten (I. 1b), unter deren Schutze der eingeschlossene
Protoplasmakörper durch gleichzeitige Theilung oder Sprossung (Mono-
sporogonie Häckel’s) in zahlreiche (ca. 200) kugelige Theilstücke zerfällt.
Letztere treten durch Platzen der Cyste nach einiger Zeit hervor, ent-
wickeln eine Geissel (lc) und schwärmen — sehr ähnlich den Zoosporen
der Myxomyeeten (ohne jedoch einen Nucleus und eine contractile
Vacuole zu besitzen) — eine Zeitlang umher. Unter Einziehung der Geissel
gehen sie dann in kleine amöbenartige Gestalten über (1d), die entweder
allmählich und direct zu der reifen Form heranwachsen sollen, nicht
selten aber durch Verschmelzung mehrerer ein Plasmodium, ähnlich dem
der Myxomyceten, zu bilden im Stande sind, durch dessen weiteres Aus-
wachsen sich alsdann die entwickelte Form heranbildet.
Ist nun schon die Stellung der Protomyxa unter den übrigen Rhizo-
poden in Anbetracht ihrer allgemeinen Bauweise eine etwas zweifelbafte,
so dürften durch ihre soeben in kurzen Zügen wiedergegebene Fort-
pflanzungsgeschichte diese Zweifel nur noch verstärkt werden und hieraus
vielleicht eine Anreihung derselben an die Myxomyceten als natürlicher
sich ergeben. In Berücksichtigung jedoch, dass unsere Kenntnisse der
Fortpflanzungserscheinungen der Rhizopoden im Ganzen keine sehr ein-
gehenden sind, kann wohl auch nicht in Abrede gestellt werden, dass
nicht doch noch nähere Anknüpfungspunkte zwischen den Fortpflanzungs-
verhältnissen der Protomyxa und denen echter Rhizopoden gefunden werden
dürften.
d. Copulations- und Conjugationserscheinungen bei den Rhizopoda.
Wenn auch im Allgemeinen bis jetzt fast keine sicheren Unter-
suchungen über eine Beziehung der Copulations- oder Conjugationserschei-
nungen der Rhizopoda zu einem damit zusammenhängenden Vermehrungs-
process vorliegen, so dass eine Anzahl Forscher, wie Cienkowsky, und auch
Hertwig und Lesser, geneigt sind, überhaupt jeden Zusammenhang dieser
interessanten Vorgänge mit der Fortpflanzung in Abrede zu stellen, so dürfte
sich doch vielleicht bei genauerer Erforschung ein solcher Zusammenhang,
wenigstens in gewissen Fällen, ergeben. Wie die Schwierigkeit der ein-
schlägigen Untersuchungen jedoch von vornherein erwarten lässt, sind
unsere Kenntnisse bezüglich derartiger Vorgänge im Leben der Rhizo-
poden bis jetzt recht beschränkte.
Zunächst finden wir hier, wie auch in anderen Abtheilungen der
Protozoen,, völlige, gelegentlich eintretende Verschmelzungen zweier oder
auch mehrerer Individuen zu einem einheitlichen Organismus, und wir
hatten schon oben Gelegenheit, das Vorkommen solcher Verschmelzungen
bei den Gattungen Leeythium und Protomyxa zu erwähnen. Bei letzterer
Form waren es die jugendlichen, amöbenähnlichen Sprösslinge, die häufig
zu zweien oder zu mehreren einen Verschmelzungsprocess eingingen, ohne
dass sich, ebenso wie bei den sich ähnlich verhaltenden Myxomyceten, ein
154 Rhizopoda.
direeter Zusammenhang dieses Processes mit einer Vermehrungserschei-
nung zeigte. Auch von Amöben ist mehrfach eine solche Ver-
schmelzung zweier oder mehrerer Individuen berichtet worden, so hat
Kühne*) diesen Vorgang bei einer kleinen marinen Amöbe mehrfach
gesehen, das Gleiche wird von Maggi**) berichtet, und auch Carter will
einen jedoch etwas zweifelhaften Conjugationsprocess bei seiner Amoeba
radiosa Djrd. (die jedoch, wie er später bemerkt, wohl eher zu Cochlio-
podium gehört) beobachtet haben. ***) Häufig scheint jedoch ein Copulations.
process bei den Amöben nicht stattzufinden, da man so vielfach Gelegen-
heit hat, Amöben in dichtester Berührung aneinander hinkriechen zu
sehen, ohne dass eine Verbindung zwischen ihnen hergestellt würde.
Auch bei den Monothalamien des süssen Wassers sind Verschmelzungs-
processe mit Sicherheit constatirt worden, jedoch scheint es sich hier in
den meisten Fällen nicht um eine dauernde, völlige Verschmelzung der
beiden Weichkörper zu handeln, sondern um eine vorübergehende, zeit-
weise Vereinigung, die wir daher zum Unterschied von der völligen Ver-
schmelzung oder Copulation, nach Analogie mit den ähnlichen Vorgängen
bei den Infusorien, als Conjugationsprocess bezeichnen. Wie bei letzteren
Formen haben auch hier diese Vereinigungen häufig zu der Vorstellung
einer wirklichen geschlechtlichen Vermischung, eines Austausches wahrer
Geschlechtsprodukte, Veranlassung gegeben, wie weiter unten noch näher
erörtert werden wird. Andererseits hat man auch die Conjugations-
erscheinungen der Monothalamien ganz in Abrede stellen wollen, nament-
lich gestützt auf die schon früher erwähnten Theilungs- und Häutungs-
erscheinungen der Arcella, wobei die beiden Schalen, die alte tiefbraune
und die neugebildete, noch schwach gefärbte, eine ähnliche Stellung zu
einander besitzen, wie sie auch die in Conjugation befindlichen Thiere
annehmen. Hierauf gestützt glaubte man die Conjugationserscheinungen
der Monothalamia wenigstens grossentheils als solche Theilungs- oder
Häutungserscheinungen ansprechen zu dürfen.
Es unterliegt nun aber keiner Frage, dass auch wirkliche Conjugations-
erscheinungen solcher Formen und speciell auch der Arcellen sich finden.
Die Conjugationszustände der Monothalamien bieten sich gewöhnlich in
der Weise dar, dass zwei Thiere sich mit den Mündupgen ihrer Schalen
gegeneinander stellen, wobei gewöhnlich die Mündungsöffnungen dicht
aufeinander gepresst werden, während die beiderseitigen Weichkörper in
*) Unters. über das Protoplasma etc. 1864.
**) Rendic. d. R. Istit. Lomb. IX. p. 436.
*#*#*) Einen zweifelhaften Conjugationszustand hat Greeff bei seiner Amphizonella violacea
beobachtet. Die von Tatem (Monthl. m. journ. VI.) angeblich gesehenen Conjugationszustände
von Amöben sind jedenfalls ganz unbeweisend. Derselbe glaubt nämlich aus dem Verlauf
der Strömungserscheinungen im Protoplasmaleib gewisser Amöben ihren Hervorgang aus der
Verschmelzung zweier Individuen erschliessen zu können. Es sind jedoch diese Strömungs-
erscheinungen keine anderen als die schon früher geschilderten, normalen einer einfach hin-
fliessenden Amoeba.
Copulation und Conjugation. 155
Verschmelzung treten, so dass das Protoplasma in strömender Bewegung
von der einen nach der anderen Schale beobachtet wird.
Derartige Conjugationsformen sind schon von Cohn*) für Arcella
vermuthet worden, jedoch hatte er es wohl sicher mit den erwähnten
Theilungszuständen zu thun; späterhin hat Bütschli **) unzweifelhafte Con-
jugationszustände bei dieser Gattung beobachtet und nicht nur zwei, SOn-
dern auch drei Thiere in eigenthümlicher Weise zusammengelagert und
durch direete Verbindung ihrer Plasmakörper in Conjugation angetroffen.
Sehr häufig wurden solche Verbindungen auch bei Difflugia beobachtet ***)
und von Carter+) z. B. mit geschlechtlicher Fortpflanzung in Beziehung
gebracht; auch Archerfr) hatte häufig Gelegenheit, die Conjugations-
erscheinung bei Difflugia zu beobachten und hält diesen Vorgang seiner
Häufigkeit wegen für recht bedeutungsvoll. Auch er wurde durch seine
Beobachtungen dazu geführt, die Ansicht zurückzuweisen, dass es sich
hier vielleicht um einen Knospungs- oder Theilungsprocess handeln könne.
Wir haben ferner noch Kenntniss von dem gleichen Process erhalten
durch Carter für Euglypha,frf) durch Archer und F. E. Schulze für
Pseudodifflugia; durch letzteren Forscher für Cyphoderia wie Hertwig und
Lesser für Trinema. Gabriel beobachtete Conjugation zweier Thiere mit
nachfolgender Trennung bei Platoum (seinem Troglodytes). Hieraus
scheint jedenfalls hervorzugehen, dass es sich hier um eine Erscheinung
von sehr allgemeiner Verbreitung handelt. Zweifelhafter dagegen ist es,
ob wir auch den marinen Mono- und Polythalamien solche Conjugations-
erscheinungen zuschreiben dürfen. Die einzige Beobachtung, welche sich
in dieser Hinsicht vielleicht aufführen lässt, ist die alte Angabe von
Gervais,*+), der Milioliden vor der Erzeugung einer jungen Brut zu
zweien aneinanderhängend getroffen haben will.
Von inneren Veränderungen im Plasmaleib der conjugirten Thiere
ist mit Sicherheit bis jetzt nichts bekannt geworden, namentlich ist das
Verhalten der Zellkerne hierbei sowohl, als auch bei den Verschmelzungs-
erscheinungen, die früher schon erwähnt wurden, völlig unbekannt. Dass
auch bei den Monothalamien derartige Copulationsvorgänge sich zu er-
eignen vermögen, daran sei hier nachträglich nochmals durch die Hin-
weisung auf die schon oben erwähnten Verschmelzungserscheinungen der
*) Z. f. w. Zool. IV.
**) Arch. f. m. Anatomie Bd. XI.
**#) Schon der erste Entdecker der Difflugia, Leclerc (1815), beobachtete solche mit
ihren Mündungen zusammengelagerte Exemplare der Difflugia spiralis und hielt sie für
Begattungszustände. Auch Cohn hat (l. s. c.) derartige Conjugationszustände bei Difflugia
aufgefunden.
+) A. m. n. h. 3. XIl.
“r) Qu. journ. mier. sc. VI.
FF) Carter hat auch schon bei Arcella wie Euglypha die Vereinigung von 3—4 Indi-
viduen beobachtet (56 u. 75).
*+) Compt. rend. 1847. p. 467.
156 Rhizopoda.
Weichkörper einer ganzen Kolonie von Platoum zur Bildung einer Cyste
erinnert.
Was die Trennung der conjugirten Monothalamien nach vollzogenem
Conjugationsprocess betrifft, so scheint gewöhnlich jedes der beiden oder
der in grösserer Zahl zusammengetretenen Individuen seinen Antheil am
Protoplasmaleib wieder mitzunehmen, indem sich die Verbindung zwischen
den Einzelindividuen löst. Immerhin erscheint es jedoch auch nicht un-
möglich, dass in gewissen Fällen der Leib des einen Thieres völlig mit
dem des anderen verschmilzt und, nach Trennung der beiden Schalen,
die eine leer zurückgelassen wird (wobei es sich dann also eigentlich
um Copulation handelte).
&. Kurze Tebersicht der Versuche, eine geschlechtliche Fortpflanzung
der Rhizopoda nachzuweisen.
Obgleich im Ganzen bis jetzt nur wenig sichere Anzeigen dafür
sprechen, dass die im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Copulations-
und Conjugationserscheinungen in eine directe Analogie mit dem Copu-
lationsvorgang gebracht werden dürfen, wie ihn die Ei- und Spermazelle
der Metazo@ön im Befruchtungsaet darbieten, so darf dieser Gesichtspunkt
doch nicht aus dem Auge gelassen werden und erneute und erweiterte
Forschungen mögen wohl noch sicherere Anhaltspunkte zu einer solchen
Vergleichung liefern.*) In diesem Sinne lässt sich daher möglicher-
weise von einer geschlechtlichen Fortpflanzung der Rhizopoda wohl reden.
Daneben haben sich jedoch eine Reihe von Bestrebungen geltend gemacht,
die darauf hinzielten, bei den Rhizopoden geschlechtliche Fortpflanzungs-
verhältnisse zu erweisen, die sich in einem viel engeren Sinne jenen der
Metazo@n anschlössen, wobei nämlich innerhalb des Rhizopodenleibes
Geschlechtsprodukte in ähnlicher Weise wie bei den Metazoön, also Ei-
und Samenzellen, hervorgebracht werden sollten, durch deren Vermischung
oder Aufeinanderwirkung der Fortpflanzungsact zu Stande käme. Die in
dieser Richtung angestellten Versuche waren ohne Zweifel einmal wesent-
lich bedingt durch die lange Zeit unklare Vorstellung von dem morpho-
logischen Werth des Rhizopodenorganismus überhaupt, was es nicht un-
plausibel erscheinen liess, in der Voraussetzung eines näheren Anschlusses
an die Metazo@n, auch eine Gleichheit in den Fortpflanzungsverhältnissen
zu constatiren. Andererseits waren sie jedoch wohl auch wesentlich be-
einflusst durch den anscheinend sehr sicheren Nachweis derartiger Vor-
gänge bei anderen Protozo@nabtheilungen, namentlich den Infusorien.
*) Jedoch sind directe Beziehungen eines Conjugations- oder Copulationsactes zu nach-
folgender Vermehrung durch Theilung oder Knospung nicht mit hinreichender Sicherheit
erwiesen. Abgesehen von der weiter unten zu berührenden, unsicheren, älteren Angabe von
Gervais für marine Rhizopoden, hat neuerdings Bütschli die früher geschilderte Knospenfort-
pflanzung der Arcella mehrfach auf vorhergehende Conjugation erfolgen sehen, wenngleich
auch hieraus noch nicht auf einen stetigen Zusammenhang dieser beiden Vorgänge geschlossen
werden darf.
Sogen. geschlechtl. Fortpfl. (Amöben.) 157
Wir dürfen hier jedoch wohl mit Sicherheit aussprechen, dass es bis
jetzt in keinem Falle geglückt ist, den versuchten Nachweis für die
Rhizopoden zu führen; sondern dass die Beobachtungen, worauf sich die
betreffenden Auffassungen hauptsächlich gründeten, theils viel zu lücken-
haft sind, um als Beweise für eine derartige Lehre gelten zu können,
theils sich jedoch in wesentlich anderer Weise erklären lassen.
Es ist schwierig, diese hauptsächlich von Carter in England und
Greeff in Deutschland vertretene Auffassung und ihre Beweisgründe hier in
Kürze zu schildern. Wir wollen dies jedoch so kurz wie möglich ver-
suchen, da ein längeres ‚Verweilen bei diesen, nach unserer wie Hertwig’s
Ansicht, irrthümlichen Deutungen wohl kaum gerechtfertigt wäre. Eine
Schwierigkeit erwächst unserer Darstellung noch daraus, dass es keines-
wegs leicht ist, die z. Th. schwankenden Darstellungen der angeführten For-
scher, hauptsächlich diejenigen Carter’s, richtig zu verstehen und in kurzen
Ausdrücken wiederzugeben. Die thatsächlichen Beobachtungen sind aus-
schliesslich Süsswasserrhizopoden entnommen, und vorzugsweise an Amoeba,
Arcella, Difflugia und Euglypha angestellt worden. Es hatte sich durch
die Beobachtungen Carter’s*) ergeben, dass bei Amoeba an Stelle des
einfachen Nucleus zuweilen zahlreiche kleinere kugelige, bläschenförmige
Körperchen auftreten, die einen granulirten Inhalt aufwiesen. Bei Amoeba
Gleicheni (?) und radiosa Duj. (?), wo Carter zuerst diese Beobachtung
machte, glaubte er sich davon überzeugt zu haben, dass die Entwickelung
der Bläschen durch einen successiven Theilungsprocess des Nucleus vor
sich gehe. Die Inhaltskörnchen der Bläschen werden nun hier, zwar mit
einiger Reserve, als Spermatozoidien bezeichnet und auch angegeben,
dass diese vermeintlichen Spermatozoidien zuweilen aus ihren Bläschen
hervortreten und durch das Protoplasma der Amöben zerstreut angetroffen
werden. Ausserdem wird jedoch bei den gleichen Amöben auch die Ent-
wickelung ei-artiger, zellenähnlicher Körper im Plasma beschrieben, von
welchen jedoch nur eine sehr unvollständige Darstellung gegeben wird.
Nach der Beschreibung und Abbildung dieser ei artigen Körper bei Euglypha
haben sie ganz die Bildung kleiner, bläschenförmiger Zellkerne mit ziem-
lich ansehnlichem, dunklem Nucleolus.
In den späteren Abhandlungen Carter’s wird der körnchenführenden
Spermatozo@önkapseln der Amöben gar nicht mehr gedacht, sondern es
‚werden schon 1857 bei Amoeba verrucosa die ganz entsprechenden
körnchenführenden Bläschen (granuliferous cells) als Eier bezeichnet. Bei
Amoeba princeps werden dann schliesslich 1863 dieselben Gebilde, die
auch hier durch successive Theilung des grossen einfachen Nucleus ent-
stehen sollen, als Fortpflanzungszellen betrachtet, ohne dass jedoch Carter
anzugeben im Stande wäre, wie die Entwickelung einer jungen Amöben-
brut aus diesen angeblichen Fortpflanzungszellen zu Stande komme.
*) Vergl. hierüber 56, 75, ferner A. m. n. h. 3. XIL XV.
158 Rhizopoda.
Höchstens liesse sich in dieser Hinsicht eine Beobachtung Wallich’s *) ver-
werthen, der gleichfalls diese vermeintlichen Fortpflanzungszellen bei der-
selben Amöbe gesehen hat, jedoch auch die Ausstossung kleiner Amöben
aus einer Amoeba princeps beobachtet haben will. Wir haben nun schon
oben bei Gelegenheit der Besprechung der Kernverhältnisse der Rhizo-
poden Gelegenheit genommen, darauf hinzuweisen, dass die angeführten
Fortpflanzungszellen der Amöben, Eier sowohl wie vermeintliche Spermato-
zoönkapseln, wohl nichts weiter sind, als die kleinen Nuclei eines vielkernigen
Zustandes, wie er ja bei Amöben und Rhizopoden überhaupt, häufig vor-
zukommen scheint, wobei wir es als eine offene, da bis jetzt noch durch
keine sicheren Beobachtungen erwiesene, Frage betrachten, ob diese
zahlreichen kleinen Kerne sich durch successive Theilung aus einem ur-
sprünglichen einfachen Kern entwickeln, wie es die mitgetheilten Beob-
achtungen Carter’s und Wallich’s angeben. Noch eine weitere vom Nucleus
ausgehende ‚Bildung von Fortpflanzungskörpern sucht jedoch Carter für
die Amoeba princeps wahrscheinlich zu machen. Zuweilen soll der ein-
fache Nucleus sich vergrössern und eine sehr deutlich granulirte Be-
schaffenheit der nucleolaren Substanz annehmen. Nach Carter’s Vermuthung
hätten wir es hier dann mit einem zu einer Art Brutkapsel umgebildeten
Kern zu thun; die Inhaltskörner desselben würden vermuthlich nach
einiger Zeit entleert werden und nach vorübergehender Annahme eines
flagellatenartigen Stadiums sich zu jungen Amöben entwickeln.
Letztere Ansicht von der Bedeutung des Nucleus als einer Art von
Fortpflanzungsorgan glaubt auch Greeff**) durch seine Untersuchungen
an Amoeba terricola bestätigt gefunden zu haben. Auch hier soll sich
der Nucleusinhalt — ursprünglich ein einfacher, ansehnlicher Nucleolus ***)
— durch allmählichen Zerfall zu einer grossen Zahl rundlicher Körper ent-
wickeln, die nach erlangter Reife in das Protoplasma der Amöbe entleert
werden sollen — ein Vorgang, der jedoch nicht durch direete Beobachtung
festgestellt, sondern nur durch die Anwesenheit ähnlicher Körperchen im
Protoplasma der Amöben wahrscheinlich gemacht wurde. Zuweilen sollen
sich auch Amöben finden, die ganz erfüllt von solchen Körperchen sind
=) A. m.'n. hi 3. XL
*%*) Aehnliche Anschauungen über die Fortpflanzung der Amöben entwickelt auch
Wallich. Nach ihm (vergl. haupts. A. m. n. h. 3. XII. p. 448) soll dieselbe sich in dreierlei
Weise, abgesehen von einfacher Theilung oder Knospung, vollziehen. Nämlich einmal durch
directes Lebendiggebären kleiner, schon vollständig entwickelter Amöben. Zweitens durch
Entwickelung der von ihm Sarceblasten genannten Inhaltskörner des Amöbenleibes (nach
unserer Deutung kleine, in grösserer Zahl vorhandene Zellkerne) zu jungen Amöben, mit oder
ohne gleichzeitige Eneystirung des Mutterkörpers, und schliesslich drittens durch Zerfall der
sogen, Sarcoblasten in die sie constituirenden Körner und durch Entwickelung dieser zu jungen
Amöben. Das Auftreten der sogen. Sarcoblasten während des encystirten Zustandes lässt
meiner Ansicht nach, bei Berücksichtigung der Abbildungen Wallich’s, auch die Annahme zu,
dass hier möglicher Weise ein Zerfall des encystirten Amöbenkörpers in eine grössere Anzahl
Theilsprösslinge vorgelegen habe.
###) Arch. f. mikr. Anat. II.
+ Sogen. geschlechtl. Fortpfl. (Amöben, Monothal.) 159
und des Nueleus entbehren. Die Weiterentwickelung dieser Fortpflanzungs-
körperchen erfolge jedoch nicht in dem Mutterthier, sondern erst nach
Entleerung derselben. Die allmähliche Hervorbildung junger Amöben aus
derartigen Körperchen wird denn auch von Greeff geschildert; zuerst soll
ein als heller Fleck erscheinender Kern und hierauf eine eontractile
Vacuole kenntlich werden. Wie aus dieser kurzen Schilderung hervor-
-geht, fehlt dem wirklichen Nachweis eines solchen Entwickelungsganges
die Beobachtung sehr wichtiger Uebergangsstadien und glaube ich wohl
vermuthen zu dürfen, dass der oben geschilderte Zustand mit zahlreichen
solchen Fortpflanzungskörperehen, bei fehlendem Nueleus, sich vielleicht
auch als ein Stadium mit sehr zahlreichen kleinen Kernen erweisen
dürfte. *)
Wie sehon bemerkt, hat jedoch Carter auch bei beschalten Süss-
wasserformen einen ähnlichen Fortpflanzungsprocess nachzuweisen ver-
sucht. Zunächst bei Euglypha. Hier sollen sich in der Nucleusgegend,
ohne dass jedoch eine Herleitung von dem Nucleus selbst zu beobachten
war, dieselben Spermatozoidien führenden sogen. Körnchenzellen ent-
wickeln, während sich in anderen, zum Theil jedoch auch denselben
Individuen, ei-ähnliche Zellen (sehr kernähnlich) hervorbilden sollen;
letztere, wie auch bei Amoeba ursprünglich behauptet wurde, ohne Be-
ziehung zu dem Nucleus. Dass die angeblichen Geschlechtsprodukte
während des Conjugationsactes ausgetauscht würden, wie es als Carter’s
Ansicht mehrfach angegeben wurde, scheint mir nicht aus seinen Angaben
hervorzugehen. Dagegen scheint er bei Euglypha die Entwickelung der
sogen. Spermatozoidenkapseln von vorhergehender Conjugation abhängig
zu machen, wie er ähnliches späterhin auch für Difflugia angab.
Fraglicher wie bei Amöben erscheint hier bei Euglypha die Bedeutung
jener sogen. samenkapsel- und ei-ähnlichen Körperchen, von welchen er
die letzteren in ähnlicher Weise auch bei Trinema (56) und Arcella
(75. XIII.) beobachtet hat. Für letztere Form scheint es wohl kaum
zweifelhaft, dass es sich um Kerne gehandelt hat, von denen Carter Arcella
*) Auch bei der interessanten Pelomyxa glaubt Greeff (A. f. mikr. A. X.) einen ähn-
lichen Fortpflanzungsprocess wahrscheinlich gemacht zu haben. Hier sollen die aus den Kernen
hervorgetretenen Keimkörner zunächst, wie schon früher mitgetheilt wurde, zu den eigenthüm-
lichen Glanzkörpern werden. Da er nun gelegentlich zahlreiche kleine Amöben aus einer
Pelomyxa hervorbrechen sah, so glaubt er die Glanzkörper jedenfalls als die Sporen der Pelo-
myxa betrachten zu dürfen, wenn auch ihr directer Zusammenhang mit den erwähnten kleinen
Amöben, die sich z. Th. nach ihrem Hervortreten zu kleinen Flagellaten umbildeten, nicht
sicher erwiesen sei. Sporenartige Gebilde, jedoch mit deutlicher Hülle und mit Zellkern
führendem protoplasmatischem Inhalt, habe ich bei Pelomyxa beobachtet, ohne jedoch ihre
Weiterentwickelung verfolgen zu können. Auch Str. Wright sucht eine vom Nucleus aus-
gehende Fortpflanzung bei seiner amöbenartigen Boderia nachzuweisen. Der Protoplasmakörper
soll nach vorhergehendem Verschwinden der Nuclei in eine grosse Zahl von navicula-artigen
Körperchen (die den Pseudonavicellen der Gregarinen verglichen werden) zerfallen und jedes
dieser sich nach einiger Zeit zu einer kleinen Amöbe entwickeln, deren weiteres Verhalten
nicht erkannt wurde (s. Journ. Anat, a. Phys. I. 1867).
160 Rhizopoda.
höchstens zwei zuschreibt. Für Euglypha und Trinema scheint mir die
Entscheidung unsicherer, da neben den erwähnten Körperchen gewöhnlich
noch ein ansehnlicher Nucleus beschrieben wird und Hertwig und Lesser
die sogen. Körnchenzellen gleichfalls gesehen zu haben angeben, ohne
über ihre Natur ins Klare gekommen zu sein.
Auch über Difflugia liegen ähnliche Beobachtungen Carter’s vor.
Hier soll der Conjugationsact gleichfalls die Einleitung zur Entwickelung
der Geschlecehtsprodukte sein. Nach der Trennung entwickeln sich zahl-
reiche Kügelehen im Nucleus und es schwinden die Chlorophyll- und
Stärkekörner. Hierauf sollen sich die in das Protoplasma ausgetretenen
Nucleuskügelchen zu granulirten Körperchen, den Fortpflanzungszellen,
entwickeln. Der Nucleus erscheine hierauf sehr erschöpft (effete). Eine
direete Weiterverfolgung dieser Fortpflanzungskörperchen gelang nicht,
dagegen glaubt er dieselben als kleine Flagellaten, die in der Umgebung
seiner Difflugien auftraten, wieder gefunden zu haben und verfolgte
schliesslich noch deren Uebergang in Amöben.
Durch spätere Beobachtungen hat er jedoch seine Ansicht über die
Entwickelung der Geschlechtsprodukte der Difflugien sehr modifieirt. Er
fand nämlich bei seiner Difflugia compressa grosse, sogen. Fortpflanzungs-
körper neben dem Nucleus im Protoplasma und glaubt daher jetzt, dass
dieses die weiblichen Elemente seien, während die früher beobachteten,
kleinen granulirten Körperchen wohl männliche, befruchtende Elemente
darstellten.
Wir haben über letztere, wie aus den obigen Angaben hervorgeht, sehr
schwankenden Beobachtungen und Deutungen kaum zu bemerken, dass
es in hohem Grad zweifelhaft erscheint, ob hier wirkliche Fortpflanzungs-
erscheinungen vorliegen. Ob auch hier nicht vielkernige Zustände zu den
vermeintlichen Deutungen Veranlassung gegeben haben, müssen wir vorerst
dahin gestellt sein lassen.
Ein Zerfall des Kernes in sporenartige Kügelchen, ähnlich wie es
Greeff und Carter für gewisse Amöben geschildert haben, wird auch
von E. Buck*) als Fortpflanzungsaet des Platoum beschrieben und die
direete Entwickelung solcher Sporen zu der ausgebildeten Form zu er-
weisen gesucht. Auch für Arcella sucht derselbe Forscher einen ähnlichen
Fortpflanzungsprocess wahrscheinlich zu machen. **)
Ganz abweichend von allen übrigen seither bekannten Fortpflanzungs-
erscheinungen der Rhizopoden wäre nach Gabriel’s Untersuchungen die
Vermehrungsart seines Troglodytes zoster (wohl identisch mit der Platoum
stercoreum Cienkowsky’s). Wir versuchen in einer Anmerkung das
Wesentliche dieses vermeintlichen Fortpflanzungsactes wiederzugeben,
*) 2. f. w. Z. XXX.
**) Die Ausbildung zahlreicher körnchenartiger Sporen will Maggi auch bei gewissen
Amöben beobachtet haben und glaubt, dass die von ihm einmal gesehene Copulation seiner
Amöben die Einleitung zu dem Sporenbildungsprocess darstelle. (Rendic. d. R. Istit. Lomb,
IX, p. 436.)
Wohnortsverhältnisse, 161
müssen jedoch gestehen, dass wir den ganzen Process für sehr unwahrschein-
lich halten und die Vermuthung nicht unterdrücken können, dass Gabriel
durch postmortale Zerfallsvorgänge, sowie durch Entwickelung von Schizo-
myceten getäuscht wurde. *)
7. Biologische Verhältnisse der Rhizopoda, soweit dieselben im Voran-
stehenden noch keine eingehendere Beachtung erfahren haben,
«. Wohnortsverhältnisse,
Die wahre ursprüngliche Heimath der Rhizopoda sind die Gewässer,
und zwar sowohl die süssen als die salzigen. Es erscheint hier zwecklos,
noch besonders auf den Reichthum der fliessenden und stehenden Gewässer
des Binnenlandes, wie der verschiedenen Meere an unseren Rhizopoden
aufmerksam zu machen. Was zunächst die specielleren Lebensverhält-
nisse der Siüsswasserformen betrifft, so treffen wir dieselben einmal im
Bodensatz, im Schlamm, an — dieser bildet sogar für einen Theil, wie
die Amöben und amöbenartigen unbeschalten Formen, die eigentliche
Heimath — wogegen zahlreiche beschalte Formen mit Vorliebe auch auf
Steinen und Wasserpflanzen herumkriechen, ja z. Th. auch, wie dies
wenigstens für die Arcellen und Difflugien nachgewiesen ist, sich vorüber-
gehend, mit Hülfe der früher erwähnten Gasentwiekelung, an die Oberfläche
der Gewässer zu erheben vermögen. Nur wenige Formen jedoch scheinen
sich dauernd oder doch zuweilen in fauligen Infusionen zu entwickeln
und unter diesen sind hauptsächlich kleinere Amöben zu erwähnen, wo-
gegen kleinere Monothalamien nur selten unter solchen Verhältnissen
auftreten.
Nicht selten hat man jedoch Gelegenheit zu beobachten, dass Formen,
deren eigentliche Heimath jedenfalls die süssen Gewässer noch sind oder
*) Der dem Platoum von Gabriel zugeschriebene Fortpflanzungsvorgang lässt sich kurz
dahin resümiren: 1) Zwei Thiere conjugiren sich vorübergehend; trennen sich hierauf und
alsdann tritt 2) eine Auflösung der Körnchen der früher von uns schon erwähnten, mittleren
Körnchenzone (des sogen. Zoster Gabriel’s) ein; 3) treten in der Leibesmasse zahlreiche feine,
runde Körperchen auf, die sehr lebhafte Bewegungen zeigen und unter Nachlassen der
Bewegung allmählich schwinden. Diese Körperchen werden als Befruchtungskörperchen be-
zeichnet, ohne dass hierfür ein ersichtlicher Grund vorhanden ist. 4) Bildet sich in der
Leibesmasse, die jetzt Keimmasse genannt wird, eine feine Körnelung aus, welche an Chagrin-
papier erinnert, und daher als Chagrin bezeichnet wird. Diese Masse ballt sich hierauf etwas
zusammen und wird allmählich durch Zerfall der Schale frei. Bei anderen Rhizopoden soll
diese Chagrinmasse sich nur aus einem Theil der Leibesmasse entwickeln. 5) Die einzelnen
Chagrinkörnchen sind die Keime des Troglodytes. Sie lösen sich durch Zerfall der Masse
los und wachsen allmählich heran, erhalten eine ovale Form und eine contractile Vacuole und
werden daher als Monostigmaform bezeichnet. 6) Je zwei solcher Monostigmen verschmelzen,
zunächst nur theilweise, mit ihren Hinterenden und bilden so die sogen. Diplostigmaforı.
7) Diese bildet sich nun durch allmähliches Wachsthum, Auftreten der sogen. Zosterkörnchen
und eines Kernes, und schliessliches völliges Verschmelzen der Vorderenden, sowie Bildung
einer Schale, zu dem Troglodytes aus.
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa, 71
162 Rhizopoda.
doch früher waren, ausserhalb derselben an Orten, wo ihnen nur ge-
nügende Feuchtigkeit geboten wird, ihr Leben fristen. Am auffallendsten
dürfte dies für die unbeschalten Formen erscheinen, jedoch bietet das
ähnliche, ja noch auffallendere Verhalten der Plasmodien der Myxo-
myceten ganz entsprechendes dar.
So treffen wir Amöben in feuchtem Sand oder Moos von Bäumen
und zwar sowohl am Fusse solcher als in ziemlicher Höhe über dem
Erdboden an. Schon Dujardin*) hat sich von solchen Vorkommnissen
überzeugt und Greeff**) hat später eine ganze Reihe Amöben, sowie die
interessante Amphizonella in feuchtem Sande gefunden, mir selbst gelang
es, dieselben Formen im feuchten Moos eines Daches nachzuweisen.
Ganz dieselben Erscheinungen bieten uns jedoch auch die beschalten
Formen dar, auch von diesen hat schon Dujardin Arcella, Difflugia, Euglypha
und andere im Baummoos aufgefunden; auch Ehrenberg hat sich vielfach
mit solchen Untersuchungen beschäftigt, so schon 1848 ***) das Vorkommen
lebenskräftiger Exemplare von Arcella, Euglypha, Lecythium und Dif-
flugia (?) im Dachrinnensand erwiesen, dann namentlich seine Studien
auch auf das in beträchtlicher Höhe über dem Erdboden an Bäumen
wachsende Moos ausgedehnt7) und auch hier in seinen zahlreichen Ab-
handlungen das Vorkommen von Monothalamien vielfach nachgewiesen,
obgleich es sich hierbei wohl meist um leere, todte Schalen handelte. In
neuerer Zeit hat sich auch Leidyjr) in Nordamerika mit der Unter-
suchung ähnlicher Verhältnisse beschäftigt und Difflugia, Euglypha und
Trinema unter entsprechenden Verhältnissen gleichfalls lebenskräftig an-
getroffen. Dass es sich in diesen Fällen meist um Formen handelt, die
durch Winde im encystirten oder zum Theil vielleicht auch nicht en-
eystirten Zustand gewissermaassen verschlagen wurden, dürfte keinem
Zweifel unterliegen.
In dieselbe Kategorie dürfen wir vielleicht auch die von Cienkowsky
auf Pferdemist beobachtete Diplophrys stereoreum und das unter ähnlichen
Verhältnissen getroffene Platoum stercoreum, sowie den jedenfalls zur
gleichen Gattung gehörigen, von Gabriel in feuchter, mit thierischen Ex-
crementen durchsetzter Erde gefundenen sogen. Troglodytes rechnen, deren
nächste Verwandte ja das süsse Wasser bewohnen.
Wenden wir uns jetzt zu einer etwas näheren Betrachtung der marinen
Formen, so haben wir zunächst die relativ recht scharfe Abgrenzung
derselben von denen des süssen Wassers hervorzubeben. Im Ganzen
scheinen nur sehr wenige Geschlechter gleichzeitig im süssen und Salz-
wasser vertreten zu sein. Unter diesen ist zunächst der proteischen
*) Ann..d.' sc. nat.3. sen I. 18.
*=*) Arch. £. mikr. Anat. II.
*#°#) Monatsber. d. Berliner Akad. 1848.
-r) Ebendaselbst u. M. d. Berliner Akad. 1849, sowie Abhandl. d. Berl. Akad. 1872.
“r) Proc. acad. Philad. III. 1877.
en.
Landlebende, Brackwasserformen etc. 163
Gattung Amoeba zu gedenken, von der ich mit Entz*) wohl annehmen
möchte, dass sie mit identischen Arten in beiden Gebieten vertreten ist,
jedenfalls aber auch im Meer ein häufiges Vorkommen besitzt. Aehnlich
scheint sich nur noch Gromia zu verhalten, die Meeres- und Sisswasser-
formen, ja identische Arten in beiden Regionen aufweist.
Da jedoch eine Reihe von Meeresformen im Stande ist, eine Vermin-
derung des Salzgehaltes bis zu gewissem Grad zu ertragen, umgekehrt
dagegen gewisse Süsswasserformen sich an etwas gesalzenes Wasser zu
gewöhnen vermögen, so sehen wir solche Meeres- und Süsswasserformen
sich in brackischen Gewässern z. Th. begegnen und vermischt leben. So
haben die Untersuchungen von Brady und Robertson (89) ergeben, dass
in den brackischen Gewässern Grossbrittanniens mehr als ein Drittel der
überhaupt vorhandenen marinen Rhizopodengeschlechter vertreten sind
und die fehlenden Genera sind z. Th. überhaupt sehr selten oder
zweifelhaft. Eine Reihe der gelegentlich vertretenen Formen ist je-
doch recht selten, wogegen andere in beträchtlichem Reichthum vorhanden
sind. Einige Formen setzen sich sogar bis in Gewässer fort, die zeit-
weise nur Spuren von Salz enthalten (so Quinqueloculina, Trochammina,
Lituola, Truncatulina, Rotalia, Polystomella und Nonionina), ja die beiden
letzterwähnten Geschlechter gehen sogar in reines Süsswasser über. Da
gewisse Difflugien auch noch in schwach gesalzenes Wasser hinein-
gehen, so treten sie gelegentlich untermischt mit echten Meeresformen auf.
Aehnlich hat auch Siddall (114) Difflugien mit Gromia oviformis und
Polystomella striatopunetata gemeinschaftlich lebend im brackischen Wasser
des Dee angetroffen. Der gleiche Beobachter führt nicht weniger als
62 marine Arten aus dem Brackwasser des erwähnten Flusses auf, doch
scheint es mir nicht ganz sicher, ob diese Arten sämmtlich auch wirkliche
Bewohner des Brackwassers sind, da die meisten nur als todte Schalen
gefunden wurden; die gleiche Bemerkung muss jedoch auch bezüglich
der Untersuchungen von Brady und Robertson gemacht werden. **)
Was nun die Lebensweise der marinen Rhizopoden betrifft, so wissen
wir von früher, dass ein Theil derselben direct festgewachsen, dauernd
seinen Standort auf Steinen, Korallen, Muschelschalen, Seepflanzen ete.
beibehält; wir brauchen hier nur an die Geschlechter Carpenteria, Poly-
trema, Nubecularia und eine Reihe sandschaliger Formen zu erinnern, die
exquisite Beispiele dieses Verhaltens darbieten. Eine grosse Zahl anderer
Formen hingegen, die sich vorzugsweise in littoralen Regionen entwickelt
zeigt, sucht sich gleichfalls einen Wohnort an Seepflanzen, Polypen-
stöckehen und dergleichen, ohne sich jedoch dauernd zu befestigen, son-
dern nur vermittels der Pseudopodien sich festhaltend und hinkriechend.
Hierher zählen namentlich zahlreiche Imperforata, jedoch auch viele Per-
*) Naturhist. Hefte f. Zoologie etc. v. Nation.-Mus. in Budapest 1877. 4. H.
*#) Bezüglich der Veränderungen, welche die Brackwasserformen in ihrem Schalenbau
gewöhnlich zeigen, vergl. weiter unten p. 171.
Er ®
164 Rhizopoda.
forata, so hauptsächlich die Rotalinen und wohl auch ein ziemlicher Theil
der Nummuliniden. Für weitere Formen bildet schliesslich der Meeres-
grund den vorzugsweisen Aufenthaltsort; dies gilt wohl ganz besonders
für die sandschaligen Formen, jedoch auch zahlreiche kalkschalige.
Immerhin ist es schwer, sich nach den bis jetzt vorliegenden Unter- :
suchungen ein sicheres Urtheil darüber zu bilden, ob ein solches Leben
im Sand und Schlamm der Bodenfläche sehr verbreitet ist, da die meisten
Untersuchungen sich eben einfach mit dem Nachweis der todten Schalen
begnügten, von denen es doch häufig sehr fraglich erscheint, ob sie da,
wo sie zur Deponirung gelangten, auch thatsächlich gelebt haben. Der-
selbe Umstand beeinflusst jedoch auch unser augenblickliches Wissen von
der Tiefenverbreitung der marinen Rhizopoden sehr, da auch die Unter-
suchungen über diese Verhältnisse sich fast durchaus mit der Constatirung
des blossen Vorkommens der Schalen begnügten.
Im Allgemeinen ist zweifellos die marine Rhizopodenfauna in ihrer
grössten Mannigfaltigkeit in der littoralen Zone oder doch nur bis zu
mässigen Tiefen entwickelt. So gilt dies fast durchaus für die kalk-
schaligen Imperforata und wenn hier auch einzelne Formen in grosse
Tiefen hinabsteigen, wie dies z. B. die Miliolinen z. Th. thun, so
sind es gewöhnlich ziemlich verkümmerte Exemplare, die dortselbst an-
getroffen werden.
Zu sehr grossen Tiefen scheinen im Allgemeinen die sandschaligen
Formen hinzuneigen, so gibt Brady (115 1.) für eine ganze Reihe der-
selben Tiefen von 2000—5000 Faden an, wiewohl auch für eine ziemliche
Zahl dieser ein sehr weiter Spielraum der bathymetrischen Verbreitung
zu bestehen scheint, da manche von jenen ungeheuren Tiefen bis in ver-
hältnissmässig seichtes Wasser hineinragen, wenn auch die meisten mit
ca. 300 Faden ihre obere Grenze erreicht zu haben scheinen. Immerhin
finden wir jedoch auch eine gewisse Zahl dieser sandschaligen Formen
littoral.
Die Perforaten entwickeln ihre grösste Mannigfaltigkeit in Tiefen
bis zu etwa 300 Faden, doch gehen gewisse Formen bis zu sehr grosser
Tiefe hinab. So sehen wir Lagena, die ihre Hauptentwickelung in mässiger
Tiefe erreicht, auch noch in sehr grossen Tiefen ziemlich reichlich auf-
treten, und eine Reihe von Geschlechtern sind anscheinend vorzugsweise
in den grössten Abgründen entwickelt. Hierher gehören namentlich Orbu-
lina, Globigerina, Pulvinulina, Pullenia und Sphaeroidina.
Es ist nun eine sehr eigenthümliche Erscheinung, dass man sich
durch neuere Untersuchungen immer mehr überzeugt hat, dass gerade
diese, früher vorzugsweise der Tiefsee zugeschriebenen Formen, auch in
sehr geringer Tiefe leben, aber nicht in der nächsten Nähe der Küsten,
sondern vielmehr vorzugsweise auf hoher See als pelagische Oberflächen-
thiere. Diese hochinteressante Erfahrung, durch welche eine ziemliche
Reihe von Rhizopodenformen in ihren Lebensverhältnissen plötzlich in
nächsten Anschluss an die ihnen ja auch sonst nahe verwandten Radiolarien
Beziehung zu Meerestiefe, pelag. Formen. 165
gebracht werden, ist jedoch keineswegs so sehr neu, wie es häufig dar-
gestellt wird. Schon d’Orbigny (29) hatte 1839 seine sogen. Nonionina
pelagica (= Hastigerina Murrayi Wyw. Thomson) im paeifischen Ocean
pelagisch gefischt; später hat hauptsächlich Major Owen *) unsere Kennt-
niss vom pelagischen Leben einer Reihe von Rhizopodengeschlechtern
gefördert, indem er eine ganze Anzahl Globigerinen, fernerhin Or-
bulina, ausserdem jedoch auch noch die Gattung Pulvinulina mit
mehreren Arten an der Meeresoberfläche fischte. Früher schon hatten
jedoch auch Macdonald, Wallich, Bailey, Joh. Müller, Pourtal&s, Krohn und
Häckel einige hierhergehörige Beobachtungen gesammelt. Eine weitere wich-
tige Vermehrung hat schliesslich unser Wissen von diesen Verhältnissen
durch die ausgedehnten Erforschungen der Challengerexpedition erfahren,
die gerade der Untersuchung dieser Frage ihr Augenmerk vorzüglich
zuwendete. Aus diesen von Brady (115 Il.) einer näheren Unter-
suchung unterzogenen Ergebnissen der Challengerexpedition hat sich
nun herausgestellt, dass von den oben erwähnten, für die Tiefsee be-
sonders charakteristischen kalkschaligen Geschlechtern auch noch Pullenia
und Sphaeroidina pelagisch gefunden werden. Die Zahl der hiernach
überhaupt bis jetzt als pelagisch festgestellten Geschlechter beträgt 9,
und zwar gehören diese sämmtlich zu den Perforata und nach der
Carpenter’schen Classifikation auch sämmtlich zu der Familie der Globi-
gerinida. Es sind nicht weniger als 6 Arten von Globigerina, 1 Orbulina,
1 (oder 2) Hastigeriva, ca. 4 von Pulvinulina und je 1 von Pullenia,
. Sphaeroidina, Candeina, Cymbalopora und Chilostomella, also im Ganzen
ca. 15 Arten.
Unter diesen Formen sind einige, wie Candeina und Chilostomella,
sehr selten, wogegen Hastigerina und Cymbalopora zwar an gewissen
Orten in grosser Menge auftreten, jedoch eine sehr lokale Verbreitung
zeigen. Ueber die besonderen Lebensverhältnisse dieser pelagischen
Formen ist bis jetzt kaum etwas festgestellt. Dennoch wollen wir hier
auf die Owen’schen Beobachtungen hinweisen, nach welchen diese Wesen
den Tag über nicht an der Meeresoberfläche anzutreffen sein sollen,
während sie nach Sonnenuntergang erscheinen; auch windiges Wetter soll
mehr als Windstille ihr Erscheinen an der Oberfläche begünstigen. Diese
Beobachtungen würden demnach darauf hindeuten, dass sie wie die Radio-
larien die Fähigkeit besitzen, sich in grössere Tiefe herabzusenken und
wieder aufzusteigen. Hiermit steht denn auch in Einklang, dass es durch-
aus nicht nur die oberflächlichsten Regionen des hohen Meeres sind, in
welchen man die erwähnten pelagischen Formen antrifft, sondern auch
mehr oder minder tiefe Regionen.
Im Anschluss an diese Beobachtungen hat sich nun, wie leicht be-
greiflich, eine vielbesprochene Streitfrage über die Lebensweise der ge-
nannten Geschlechter erhoben, namentlich im Hinblick auf ihr gleichzeitiges
*) Journ, Linn, Soc. Zool. IX,
166 Rhizopoda.
Vorkommen in so sehr beträchtlichen Tiefen. Es ist jedenfalls sehr
eigenthümlich, dass gerade diese verbreitetsten pelagischen Geschlechter
auch zu den gewöhnlichsten Tiefseeformen gehören und sie es haupt-
sächlich sind, die sich in grossen Mengen in den meisten Oceanen in
Tiefen von 250 bis ea. 3000 Faden in Form des sogen. Globigerinen-
schlammes anhäufen. Die erwähnte Streitfrage ist daher auch als
identisch zu betrachten mit der Frage nach der Entstehungsweise des
sogen. Globigerinenschlammes.
Bei dem grossen Interesse, welches diese Angelegenheit besitzt, dürften
an dieser Stelle einige historische Notizen nicht unerwünscht sein. Die
erste Nachweisung einer solchen ausgedehnten, hauptsächlich aus Rhizo-
podenschalen zusammengesetzten Ablagerung verdanken wir Bailey im
Jahre 1848.*) Zunächst wurde dieselbe in mässiger Tiefe gefunden,
1855**) jedoch konnte ihre Verbreitung im nordatlant. Ocean in Tiefen
von 1000 —2000 Faden von dem gleichen Forscher constatirt werden.
Seit dieser Zeit ist dann die Bildung einer solchen Ablagerung noch in
weiterer Verbreitung festgestellt worden und haben wir hauptsächlich
wieder durch die Challengerexpedition einen Einblick in die geographische
Verbreitung und die Tiefenverhältnisse derselben erbalten.***) Hieraus
geht hervor, dass die Bildung dieses Globigerinenschlammes im paei-
fischen Ocean eine beschränktere ist, wie im atlantischen, dass im
ersteren seine Verbreitung hauptsächlich zwischen 50° s. Br. und 10° n. Br.
eingeschlossen ist, während er im letzteren im offenen Ocean stets bis zu
1800 Faden Tiefe in unregelmässig begrenzten Territorien sich vorfindet,
wogegen seine Ausdehnung auf grössere Tiefen von bis jetzt noch un-
bekannten, besonderen Bedingungen abhängig scheint.
Die Frage über die Entstehungsweise dieses Globigerinenschlammes
wurde nun entweder in der Weise beantwortet, dass man die pelagischen
Formen allmählich nach ihrem Absterben zu Boden sinken liess, während
nach der Ansicht der Gegner die betreffenden Rhizopodenformen, also
hauptsächlich Orbulina und Globigerina, auf dem Meeresboden jener
Tiefen selbst leben über dem Leichenhaufen ihrer Millionen von Brüdern,
die ihnen in den Tod vorangingen. Die Entscheidung dieser Frage hat
ihre grossen Schwierigkeiten und es darf wohl, ohne dass wir hier die
ganze stattliche Reihe von Gründen und Gegengründen, die im Laufe der Zeit
beigebracht worden sind, sämmtlich aufführen, zunächst anerkannt werden,
dass bis jetzt eine ganz sichere Lösung derselben niebt möglich scheint.
Dass die Schalenreste der abgestorbenen pelagischen Formen zu Boden
sinken und hier zur Bildung dieses Schlammes beitragen, ist eine Sache,
die sich wohl von selbst erklärt, um so mehr, als wir in demselben
Schlamm häufig noch Schalenreste anderer pelagischer Thier- und Pflanzen-
*) Smithson. contribut. II. 1851.
*#) S. Americ. journ. 2. s. XXIII.
***) Proc. Toy. soc. XXYV.
Bildungsweise des sogen. Globigerinenschlammes. 167
formen, wie Radiolarien und Diatomeen, antreffen. Es bleibt also haupt-
sächlich die Frage übrig, ob die erwähnten Geschlechter neben ihren
pelagischen Formen auch Tiefseearten umfassen, oder ob dieselben Arten
für beiderlei Lebensbedingungen eingerichtet sind. Was den ersten
Punkt betrifft, so scheint es nach den bis jetzt vorliegenden Erfahrungen
einigermaassen sicher, dass wenigstens von Globigerina und Pulvinulina
(auch Sphaeroidina und Pullenia) gewisse Arten der Tiefsee ausschliess-
lich eigenthümlich sind, woraus also die Folgerung gezogen werden darf,
dass jene Geschlechter beiderlei Lebensbedingungen gerecht werden können.
Immerhin ist jener Punkt nicht so ganz sicher zu entscheiden, da einmal
die Beobachtungen über pelagische Formen keine allzuausgedehnten sind
und andererseits jene Tiefseeformen bis jetzt keineswegs mit Sicherheit
im lebenden Zustand constatirt wurden. Letzteres gilt jedoch überhaupt
für die Rhizopoden des Globigerinenschlammes. Zwar haben Ehrenberg,
Wallich*) und neuerdings auch Brady (115 II.), wie auch andere, z. Th.
noch eine deutliche und frisch erscheinende Sarkodeerfüllung gefunden;
dagegen ist es bis jetzt durchaus nicht gelungen, wirkliche Lebens- und
namentlich Bewegungserscheinungen jener Sarkodekörper wahrzunehmen,
denn die von Wallich angeblich gesehenen, hügelartigen, kleinen Pseudo-
podien scheinen in dieser Frage von keiner entscheidenden Bedeutung zu
sein. Wenn wir die Erfahrungen M. Schultze’s berücksichtigen, der eine
grosse Resistenz und sehr langsame Zerstörung des Sarkodekörpers auch
nach dem Tode beobachtet hat (53), so scheint überhaupt der mehrfach
erbrachte Nachweis einer Sarkodeerfüllung nur mit Vorsicht verwerthet
werden zu dürfen. Durch Wallich und Brady ist ferner hauptsächlich
darauf aufmerksam gemacht worden, dass dieselben Arten in der Tiefe
durchschnittlich eine bedeutendere Grösse und diekere Schalen besitzen,
wie an der Oberfläche, dass es daher nicht wohl möglich sei, die ersteren
von den letzteren herzuleiten; doch scheint mir auch dieser Punkt nicht
durchaus beweisend zu sein, da gerade die allmähliche Grössenzunabme
in Verbindung mit der Verdickung der Schalenwände das allmähliche
Sinken der Oberflächenthiere hervorrufen kann, ohne dass dieselben da-
durch sofort ihr Leben und Weiterwachsthum einbüssten und hieraus der
grössere Reichthum des Bodens an grossen und dickschaligen Formen
sich vielleicht erklären liesse. Eine derartige, gewissermaassen zwischen
den beiden Extremen vermittelnde Ansicht hat noch Carpenter**) aus-
gesprochen, der übrigens an der Lebensfähigkeit der Tiefseeglobigerinen
nicht zweifelt, jedoch der Annahme zuneigt, dass die jungen Globigerinen
an die Oberfläche aufstiegen, hier eine Zeit lang lebten und alsdann
wieder zu Boden sänken; eine Ansicht, die wohl kaum recht plausibel
erscheinen dürfte, wenn man sich eine Vorstellung von den Schwierigkeiten
*) The north atlantic seabed. Lond, 1862. Deep-sea researches on the biology of
Globigerina. Lond. 1876,
#*) Proc. roy. soc. XXIII
168 Rhizopoda.
und der Dauer der Reise, welche diese jugendlichen Globigerinen durch
die 1000-2000 Faden hohe Wasserschicht zu unternehmen hätten, macht.
Lassen wir daher hier diese Angelegenheit einstweilen, bis sicherere
Beweise nach einer oder der anderen Richtung beigebracht sind, auf sich
beruhen, und heben wir nur noch hervor, dass von den Forschern, die
sich eingehender mit dieser Frage beschäftigt haben, Ehrenberg, Wallich,
Huxley und, wie erwähnt, auch Carpenter und Brady, für die Lebens-
fähigkeit der Rhizopoden des Globigerinenschlammes (natürlich nur der
oberflächlichsten Schicht desselben) eintreten, wogegen schon Bailey die
späterhin hauptsächlich von den Gelehrten der Challengerexpedition,
Wyw. Thomson und Murray *) vertheidigte Ansicht von der ursprünglich
pelagischen Lebensweise der Rhizopodenformen des Globigerinenschlammes,
ausgesprochen hat.
Nur selten scheint der Rhizopodenorganismus sich an parasitische
Lebensweise gewöhnen zu können und die bis jetzt bekannt gewor-
denen, hierherzurechnenden Fälle gehören fast ausschliesslich den Amöben
an. Diese scheinen in der That ziemlich häufige Parasiten sowohl bei
Wirbelthieren als Wirbellosen zu sein, wenn auch in manchen der be-
kannt gewordenen Fälle die Amöbenformen möglicherweise als eine Ent-
wiekelungsstufe gregarinenartiger Parasiten angesprochen werden dürften.
Der gewöhnliche Aufenthaltsort solcher parasitischer Amöben scheint der
Darmkanal zu sein, hier sind sie bei Wirbelthieren sowohl als Wirbel-
losen gelegentlich in recht beträchtlicher Menge beobachtet worden. Im
Dickdarm des Menschen scheint die sogen. Amoeba Coli Lösch**) sogar
unter gewissen Umständen recht nachtheilige Wirkungen hervorrufen zu
können und wenigstens ein schon vorhandenes Darmleiden sehr zu ver-
schärfen im Stande zu sein. Bei Kaninchen ***) und namentlich Fröschen })
sind gleichfalls gelegentlich solche Darmamöben beobachtet worden und
im Darm der Insekten, so hauptsächlich der so parasitenreichen Schaben 7)
hat sich ebenfalls die Anwesenheit ansehnlicher Amöben mehrfach con-
statiren lassen.
Ueber den Parasitismus beschalter Formen liegen bis jetzt kaum
sichere Beobachtungen vor, doch gibt E. Buckfjr) an, das Lecythium
hyalinum parasitisch sowohl in verschiedenen Räderthieren, Cyelops-
larven und Infusorien, als auch den Zellen von Süsswasserpflanzen
beobachtet zu haben. Innerhalb der erwähnten Thiere sollen die
in Form der früher geschilderten Sporen eingedrungenen Lecythien
eine so grosse Verwüstung anrichten, dass sie den Tod derselben bald
*) Siehe Proc. roy. soc. XXI—XXV.
##) Lösch, Arch. f. pathol. Anat. 65, siehe namentlich auch Leuckart, Die Parasiten
des Menschen II. Aufl.
*##) Waldenberg, Arch. f. pathol. Anat. 40.
+) Lieberkühn, Arch. f. An. u. Phys. 1854.
++) Bütschli, Zeitschr. f. wiss. Zool. XXX.
th) Z. 6. W. ZU EANERG
Parasitismus; Nahrung. 169
herbeiführen, worauf sie wieder zum freien Leben übergehen.*) Auch
die eigenthümliche Chlamydomyxa lebt nach Archer**) in ihrer Jugend
parasitisch im Zellgewebe von Süsswasserpflanzen und soll hier wieder-
holte Eneystirungen durchmachen,
3. Nahrungsverhältnisse der Rhizopoda.
Da wir die Art der Nahrungsaufnahme unserer Thiere schon bei
früherer Gelegenheit hinreichend eharakterisirt haben, so bleibt uns hier
hauptsächlich noch die Natur der Nahrung zu betrachten übrig. In dieser
Hinsicht lässt sich im Allgemeinen wenig sagen, jedoch scheinen im
Ganzen die Rhizopoda ihre Nahrung vorzugsweise aus dem Pflanzenreich
zu entnehmen. Einzellige kleine Pflänzehen, wie Diatomeen, Protocoecen
und dergleichen, jedoch auch Detritus und Theile mehrzelliger Pflanzen,
hauptsächlich Algen, machen wohl ohne Zweifel die Hauptmasse der Rhizo-
podennahrung aus, und zwar ebensowohl der Formen des süssen Wassers,
wie der marinen. Namentlich letztere scheinen nach den Beobachtungen
von M. Schultze besonders auf Diatomeen angewiesen zu sein. Ab-
weichende Fälle sind natürlich hier ebensowohl, wie anderwärts vertreten,
wir brauchen nur auf die obenerwähnten Vorkommnisse von Parasitismus
hinzuweisen, wie ja auch die gelegentliche Aufnahme kleiner Protozo@n
als Nahrung keineswegs ausgeschlossen ist.
Besondere Schwierigkeiten scheint die Frage nach der Ernährungs-
weise der Rhizopoden der Tiefseegründe zu bereiten, was denn auch
zu der Aufstellung sehr eigenthümlicher Ansichten geführt hat. Der nächste
Weg zur Lösung dieser interessanten Frage wäre natürlich die genaue
Untersuchung des Protoplasmaleibes solcher Formen, woraus sich ergeben
dürfte, ob und welche Art geformter Nahrung dieselben zu sich nehmen.
Bis jetzt scheinen jedoch gesicherte Beobachtungen hierüber kaum vor-
zuliegen. Da nun bis jetzt anscheinend keine geeignete Nahrung in
jenen Tiefseegründen für unsere Rhizopoden aufgefunden wurde, so
haben einige englische Forscher, wie Wallich, Wyw. Thomson ***)
und Carpenter}) die Ansicht ausgesprochen, dass dieselben wohl über-
haupt nicht mit fester, sondern flüssiger Nahrung ibr Leben fristeten.
Im Speciellen hat Wyw. Thomson sich die Existenz flüssiger Nahrung in
jenen Tiefseegründen etwa in der Art vorgestellt, dass durch das be-
ständige Absterben so grosser Massen mariner Organismen und die
allmähliche Zerstörung und Lösung derselben, das Meerwasser stets eine
zur Ernährung dieser Formen hinreichende Quantität gelöster organischer
*) Die von Lambl (Aus dem Franz-Joseph-Kinder-Spitale Bd. I.) angeblich im Darın-
schleime eines Kindes gefundenen Arcellen und Difflugien, werden ohne Zweifel das Resultat
einer- Täuschung gewesen sein.
#*) (Ju. journ. mier. sc. XV.
*#%*) The depth of the sea. Lond. 2. ed. 1574.
*+) Proc. roy. soc. XIX. p. 155.
170 Rhizopoda.
Substanzen enthalte, ja, wie er sich auch ausdrückt, gewissermaassen
eine sehr verdünnte Lösung von Protoplasma darstelle.
Mir scheint eine solche Theorie sehr wenig plausibel, hauptsächlich
wegen der grossen Verschiedenheit, die sie zwischen so nahe verwandten
Formen hinsichtlich der Ernährungsverhältnisse aufzustellen sucht, auch
glaube ich nicht, dass thatsächlich so grosse Schwierigkeiten für die
Erklärung der Ernährungsverhältnisse der Tiefseerhizopoden existiren.
Wie schon Möbius*) sehr wahrscheinlich gemacht hat, dürfen wir voraus-
setzen, dass die Zerfallsmassen der abgestorbenen Thier- und Pflanzen-
bewohner der seichteren Küstenregionen allmählich nach der Tiefe geführt
werden; **) andererseits existirt ja auch in jenen Tiefseeregionen noch
thierisches Leben höherer Ausbildungsstufe, von dessen Zerfallsprodukten
wohl die Ernährung jener Tiefseerhizopoden vor sich gehen kann, ohne
dass wir auf jene Ausflucht der flüssigen, gelösten Nahrungsstoffe zu re-
eurriren nöthig hätten.
Wie leicht begreiflich, steht diese Frage im innigsten Zusammenhang
mit jener früher erörterten: nach der Lebensweise jener massenhaften
Tiefseerhizopoden des sogen. Globigerinenschlammes. Wird, wie wir dies
für sehr wahrscheinlich halten, zugegeben, dass wenigstens ein grosser
Theil der Rhizopoden jenes Tiefenschlammes ursprünglich von der Ober-
fläche herstammt und dass die Sarkode noch z. Th. wohl erhalten mit
nach jenen Tiefen gebracht wird, so dürfte hiermit eine Erklärung für
die Ernährung nicht nur zahlreicher Tiefseerhizopoden, sondern auch
höher organisirter Tiefseethiere gegeben sein.***) Auch mag es nicht ganz
unwahrscheinlich sein, dass auch der protoplasmatische Leib noch weiterer
einzelliger Oberflächenorganismen, wie z. B. der Diatomeen, gleichfalls
ähnlich widerstandsfähig ist und auch durch diese in gleicher Weise die
Ernährung der Tiefseethiere gefördert wird.
‚, Abhängigkeit der Organisation von äusseren Lebensbedingungen.
Y 8ıl5 8 5
Bezüglich dieser, in der Neuzeit mit besonderem Interesse verfolgten
Verhältnisse haben die Rhizopoden bis jetzt nur wenig Bemerkens-
werthes erkennen lassen. Immerhin sind einige Punkte zur Sprache ge-
kommen, die hier kurz berührt werden mögen.
*) Z. f. wiss. Zool. XXI.
**) Durch die Ohallengerexpedition od in einer ganzen Reihe von Beobachtungen
festgestellt, dass thatsächlich Theile von Land- oder Uferpflanzen bis zu Tiefen von 1400 Faden
und in weite Entfernung von den Küsten herabgeführt werden. Aehnliches haben auch die
Tiefenuntersuchungen von A. Agassiz an der Küste von Florida ergeben. (Vergl. Moseley,
Notes of a natur. on the Challenger p. 583 ff.)
*#®) Ganz ähnlich spricht sich auch Moseley an eben citirtem Ort aus. Er hat sich von
der lange conservirenden Eigenschaft des Meerwassers gleichfalls an Salpen überzeugt und
schätzt nach von ihm angestellten Beobachtungen die Zeit, die eine mässig grosse Salpe ge-
brauche, um bis zu einer Tiefe von 2000 Faden zu sinken, auf etwa 4 Tage und 4 Stunden,
während die Erhaltungsfähigkeit der todten Salpe in Seewasser eine vielmal längere ist.
Ernährung der Tiefseerhizopoden; Einf. äusserer Lebensbed. 171
Nach einer Reihe von Erfahrungen scheint die Meerestiefe nicht obne
Einfluss auf die Bildungsverhältnisse, namentlich die Grössenentwickelung
gewisser mariner Rhizopoden zu sein. Im Allgemeinen scheinen z. B.
die vorzugsweise in geringerer Tiefe einheimischen und hier ihre reichste
und höchste Entwickelung erreichenden Imperforaten in grösserer Tiefe
zu verkümmern und kleiner zu werden. Auch für manche Geschlechter
der Perforata scheint sich Aehnliches zu zeigen. Etwas zweifelhaft muss
jedoch bis jetzt noch der nähere Grund dieser Verkümmerung in der
Tiefe bleiben. Nach den Ergebnissen der neueren Tiefseeforschungen
hat es nämlich den Anschein, als wenn diese Erscheinung eher auf die
Temperatur-, als auf die gesteigerten Druckverhältnisse in jenen grösseren
Tiefen zurückführbar wäre. Es haben sich nämlich in recht beträchtlichen
Tiefen (600 Faden) sehr grosse Exemplare von Cornuspira, Biloculina
und Cristellaria gefunden, jedoch in wärmeren Meeren, so dass hieraus
mit Carpenter, *) wie gesagt, eher die Abnahme der Temperatur als
wesentlicher Grund für die erwähnte Verkümmerung angenommen wer-
den darf.
Verändernd wirkt ferner, wie die directe Beobachtung ergeben hat,
die Abnahme des Salzgehaltes auf die marinen Rhizopoden ein, und zwar
vorzugsweise auf die Schalenbildung, der jedoch wohl auch hauptsächlich
die Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Die hierhergehörigen Ergebnisse
haben sich bei der Untersuchung der im Brackwasser lebenden Rhizo-
poden feststellen lassen und sind, wie wir schon früher zu bemerken
Gelegenheit hatten, hauptsächlich Brady (89) und Siddall (114) zu ver-
danken.
Im Allgemeinen scheint sich aus denselben zu ergeben, dass die kalk-
schaligen Formen mit der Abnahme des Salzgehaltes an Kalkgehalt der
Schale Einbusse erleiden. Entweder zeigt sich dies nur in einer Abnahme
der Wandstärke der Schalen, oder aber in völligem Verluste kalkiger
Imprägnation. Die Schale wird rein chitinös, wie solches bei gewissen
Miliolinen beachtet worden ist. Auch gewisse sandschalige Formen, wie
Trochammina inflata Mntg., sollen unter diesen Verhältnissen das kalkige
Schaleneement mehr und mehr verlieren, womit gleichzeitig auch die In-
erustirung durch Fremdkörper sich vermindert, so dass auch hier schliess-
lich die Schale völlig chitinös werden soll.
Von beiden englischen Forschern wird ferner noch angeführt, dass
zuweilen bei den Brackwasserformen eine grüne Färbung des Thierleibes
durch Chlorophyll zu bemerken sei, eine Erscheinung, die wohl wahr-
scheinlicher chlorophyllhaltiger Nahrung, als endogener Erzeugung von
Chlorophyll zuzuschreiben sein dürfte.
Schon früher **) haben wir der Versuche Wallich’s gedacht, bei den
Difflugien auch die allgemeinen Gestaltungsverhältnisse der Schalen von
*), A. m. n. h. 4. IX. p. 287.
##) 1 pag. 130.
172 Rhizopoda.
äusseren Bedingungen herzuleiten und uns schon gegen die Durehführ-
barkeit dieses Versuches erklärt,
Ss, System der Rhizopoda,
«@. Historische Entwickelung.
Bekanntlich herrschten bis zu Dujardin’s bahnbrechenden Unter-
suchungen von 1835 und 1841 gänzlich verfehlte Vorstellungen über die
Natur und daher auch die Verwandtschaftsverhältnisse der marinen
khizopoden, so dass wir erst von dieser Zeit an die Aufstellung
eines natürlichen Systemes der hierhergehörigen Organismen erwarten
dürfen. Was zunächst die Ordnung als solche betrifft, so hat, wie gesagt,
erst Dujardin die Zusammengehörigkeit der Süsswasser- und Meeresformen
erkannt und sie in seinem System von 1841 (35) in zwei Familien direct
neben einander unter seine II. Ordnung der Infusoires non syme&triques
ou asymetriques, die unseren Sarkodina entspricht, gestellt. Die beiden
Familien der Amibiens und Rhizopodes sind in einem besonderen
Paragraphen im Gegensatz zu dem damals einzig bekannten Genus Ac-
tinophrys der Heliozoa vereinigt (wozu jedoch unrichtiger Weise auch noch
die Acineten gesellt wurden). 1848*) vereinigte v. Siebold jedoch die
beiden Dujardin’schen Familien zu einer Klasse der Rhizopoda, unter
welchen er wohl auch die damals bekannten Heliozoön einbegriff.
M. Schultze (53) fasste seine Rhizopoda in dem Sinne, wie wir dies in
diesem Buche festgehalten haben, obgleich er hierzu einmal durch die
Nichtkenntniss der Radiolaria, andererseits durch Zweifel an der Selbst-
ständigkeit der Actinophryen bestimmt wurde. Späterhin, nach genauerer
Bekanntschaft mit den Radiolarien durch die Untersuchungen Joh. Müller’s,
wurden auch diese letzteren, sowie die Heliozoa, sehr allgemein mit
unseren Rhizopoda zu einer Klasse Rhizopoda vereinigt, so von J. Müller, **)
Claparede und Lachmann (60), Häckel, ***) Carpenter ete., wogegen wir
uns hier erlaubt haben, die Bezeichnung Rhizopoda mehr in dem alten
Sinne Dujardin’s wieder nur auf einen Theil der Pseudopodien entwickeln-
den Protozoön zu beschränken und nur in dem geringfügigen Umstand
von Dujardin abzuweichen, dass wir die kleine Dujardin’sche Familie der
Amöben gleichfalls mit den Rhizopoden vereinigen. Diese Beschränkung
der Bezeichnung Rhizopoda kann um so mehr als gerechtfertigt erscheinen,
als die Bedeutung des Ausdrucks im Ganzen doch noch mehr für die von
uns hier zusammengefasste Gruppe als für die Radiolaria und gar Heliozoa
zutreffend erscheint.
Den häufigen Versuch, die d’Orbigny’sche Bezeichnung der marinen
Rhizopoden als Foraminifera, die noch von der unrichtigen Vergleichung
*) Lehrbuch der vergleichenden Anatomie wirbelloser Thiere von Siebold.
*#*) Abh. d. Berl. Ak. 1858.
###* Monogr. d. Radiolaria. 1862.
BEWN
Systemat. Auffassung der Rhizopoda; Hauptuntergruppen. 173
dieser Formen mit den Uephalopoden hergenommen ist, auf die Gesammt-
heit unserer Rhizopoda auszudehnen, halten wir für wenig nachahmens-
werth, da dieser Name, abgesehen von seiner ursprünglichen Verfehltheit,
für eine ganz ansehnliche Reihe von Formen in keiner Weise irgend eine
Bedeutung besitzen kann.
Nachdem wir uns so über die Ordnung als solche orientirt haben,
fragt es sich, wie dieselbe in grössere Untergruppen oder Unterordnungen
zerlegt wurde und auch hierfür finden wir die ersten Andeutungen, denen
wir noch heute folgen, bei Dujardin. Es sind die beiden Familien
Dujardin’s, die wir zu unserer „Rhizopoda“ zusammenziehen, nämlich die
Amibiens und die eigentlichen beschalten Rhizopoden, welche auch wir,
zunächst aus mehr praktischen wie zwingenden, natürlichen Gründen, in
gleicher Weise unterscheiden. Aehnlich hat auch schon M. Schultze seine
Rhizopoda in 2 Unterabtheilungen, nämlich Nuda und Testacea, zerfällt.
Dieselben beiden Abtheilungen treten uns auch späterhin wieder in dem
System von R. Hertwig als Unterabtheilungen der Rhizopoda (im weiteren
Sinne) entgegen, nur hat Hertwig die Testacea Schultze’s in Thalamophora
umgewandelt. *)
Häufig wurde der Versuch gemacht, die mit contractilen Vacuolen
und nach den früheren Untersuchungen auch allein mit Kernen versehenen
Süsswasserrhizopoden schärfer von den marinen Formen zu scheiden; so
hat schon Joh. Müller 1858 die Ersteren (einschliesslich Actinophrys) als
Infusoria rhizopoda sämmtlichen übrigen Rhizopoda (seinen Rhizopoda
genuina) gegenübergestellt; auch Claparede fasste diese Süsswasserformen
als Ordn. Proteina seiner Rhizopoda (= Sarkodina) zusammen, erhob aber
gleichzeitig auch die Gromida neben den übrigen marinen Formen (seinen
Foraminifera) zu einer besonderen Ordnung. Bei Stein (und Reuss) **)
treten die Claparede’schen Rhizopoda proteina neben den Foraminifera
d’Orb. als die beiden Ordnungen unserer Rhizopoda gleichfalls auf, wäh-
rend Häckel 1862 diese Proteina als Rhizopoda sphygmica (mit contractiler
Blase) von den Rhizopoda asphyeta (ohne solche Blase) unterschied.
Ein anderes Eintheilungsprineip ist von Carpenter 1562 (74) geltend
gemacht worden. Er zerlegt unsere Rhizopoda nach der Beschaffenheit
ihrer Pseudopodien in die beiden Abtheilungen der Lobosa und Retieularia.
Auch F. E. Sehulze (101. VI.) adoptirt diese Untertheilung, die überhaupt
viel Anklang gefunden hat. Wir haben schon früher mit Hertwig und
Lesser ***) darauf hingewiesen, dass wir wegen der Unmöglichkeit, eine
auf diesem Prineip beruhende Scheidung mit einiger Schärfe durchzu-
führen, der Eintheilung in Amoebina (oder Nuda) und Testacea (oder
Thalamophora) den Vorzug geben, wenn wir auch gestehen müssen,
dass diese Eintheilung ebensowohl auf Schwierigkeiten stösst, wie die
*) Vergl. Jenaische Zeitschr. X. und Organismus der Radiolarien. 1879,
*®) (65).
*##) S, (99),
174 Rhizopoda.
erstere. Wir verlassen hiermit die Betrachtung des Entwickelungsganges
der systematischen Bestrebungen auf dem Gebiet der Rhizopoda und
werden dieselbe späterhin bei der Charakterisirung der Untergruppen
noch weiter fortzusetzen haben.
Es bleibt uns jedoch noch eine wichtige, allgemein systematische
Frage zur Erörterung übrig, nämlich die nach dem Umfang und der Con-
stanz des Artbegriffes im Bereich der Rhizopoda. Aus den Erfahrungen
zahlreicher Erforscher der verschiedenen Abtheilungen der Protozoänwelt,
scheint im Allgemeinen hervorzugehen, dass die Beständigkeit der Art-
charaktere auf dieser niedersten Stufe thierischen Lebens nicht viel ge-
ringer ist, als bei den höheren Gruppen. Es hat sich dies speciell auch
durch die älteren und neueren, recht zahlreichen Erfahrungen über die
Rhizopodenfauna des süssen Wassers bewährt. Hier erkennen die meisten
Forscher eine ziemliche Beständigkeit der Artcharaktere und hiermit die
Möglichkeit, Arten überhaupt mit einiger Schärfe zu unterscheiden, an.
Sehen wir ab von so proteischen und in keiner Weise ausreichend stu-
dirten Formen wie die Amöben, so bleibt uns nur ein Süsswassergenus,
wo ähnlich, wie dies durch Parker, Jones und Carpenter für die marinen
Formen festgehalten wird, eine Unterscheidung von scharfbegrenzten
Arten überhaupt nicht möglich sein soll, nämlich bei Difflugia nach den
Untersuchungen von Wallich.*) Dieser Forscher will nicht nur die eigent-
lichen Difflugien, sondern auch die Angehörigen der Gattungen Quadrula
und Arcella sämmtlich zu einer Art gerechnet wissen, da alle die ver-
schiedenen Formen durch Uebergänge aufs innigste mit einander verknüpft
seien. So wenig nun auch die grosse Variabilität in der eigentlichen
Gattung Difflugia geleugnet werden kann, wie dies auch schon Lachmann **)
hervorhob, so kann man doch nur mit Archer***) die Ansichten von
Wallich für viel zu weit gehend erachten, ja es dürften sich in der Gat-
tung Difflugia selbst doch wohl noch einigermaassen fixirte Arten unter-
scheiden lassen. Wie schon gesagt, ist jedoch die Lehre von der Un-
möglichkeit der Artunterscheidung in dem gewöhnlichen. Sinne zuerst
durch Parker, Jones und Carpenter für die marinen Rhizopoden geltend
gemacht worden (73). Nach den sehr ausgedehnten Erfahrungen dieser
Forscher ist die Unterscheidung distineter Arten eine völlige Unmöglich-
keit, wenigstens in dem Sinne, in welchem der Artbegriff bei höheren
Abtheilungen gewöhnlich aufgefasst wird. Die einzig mögliche Art der
systematischen Gruppirung der so variablen marinen Formen sei die Zu-
sammenfassung und Aneinanderreihung der um eine besonders aus-
gesprochene Form sich gruppirenden mehr oder minder abweichenden
Gestalten zu einer generischen Abtheilung, in welcher dann z. Th. noch
eine Anzahl von Subgenera zu unterscheiden sein dürften. Handelte es
*).A. m. meh, 2 KU
**) Verh. d. nat.-hist. Vereins d. preuss. Rheinl. XVI.
*#*) ()u. journ. micr, sc. VI, p. 185.
Artbegrilf bei Rhizopoda. 175
sich um eine thatsächliche Feststellung der mit den Species höherer Ab-
theilungen zu vergleichenden Formreihen der marinen Rhizopoden, so
seien dies jene generischen Abtheilungen, jedoch nicht die von früheren
Autoren beschriebenen Arten, noch die auch noch weiterhin, aus praktischen
Gründen, mit binomischen Bezeichnungen belegten, speeielleren, schwanken-
den Formen, sondern es hätten diese letzteren höchstens den Werth von
Varietäten. Wie schon hieraus hervorgeht, konnten die genannten eng-
lischen Forscher doch nicht vermeiden, aus mehr praktischen Gründen
ihre umfassenden, sogen. generischen Abtheilungen in eine grosse Anzahl
von sogen. Arten und häufig auch Subgenera zu zerlegen.
Auf dem Continent, wo namentlich von Seiten der Paläontologen das
Studium der fossilen Schalenreste der Rhizopoda mit grossem Eifer be-
trieben wurde, hat sich diese Auffassung der englischen Forscher niemals
rechten Beifall erworben, sondern dieselben haben (wie Reuss, Gümbel,
Schwager und Andere) an der früheren Auffassung und Unterscheidung
der Arten festgehalten.
Es ist nicht zu leugnen, dass durch diese Verschiedenheit der Auf-
fassungen die systematische Bearbeitung der marinen und fossilen Rhizo-
poden eine z. Th. sehr verwirrte geworden ist, so dass von dem einen
Forscher eine Formreihe mit der binomischen Bezeichnung der Art ver-
sehen wird, die von Anderen kaum als Varietät betrachtet wird, oder
von denselben Forschern heute Varietäten zu Arten gemacht werden, die
ein anderes Mal wieder eingezogen werden. Auch die Anwendung der
sogen. subgenerischen Bezeichnungen wird sehr frei gehandhabt, so dass,
wie bemerkt, die Verwirrung der Synonymik und die Unsicherheit der
Feststellung der sogen. Arten auf unserem Gebiet wohl einen so hohen
Grad erreicht hat, wie es kaum in einer anderen Abtheilung der Thier-
welt der Fall sein dürfte. Dass unter solchen Bedingungen Aufgaben,
wie die Ermittelung der geographischen Verbreitung oder der paläonto-
logischen Entwickelung auf bis jetzt kaum zu bewältigende Hindernisse
stossen müssen, dürfte ohne weitere Auseinandersetzungen genügend
erhellen.
Bevor wir zu der speciellen systematischen Betrachtung der Rhizo-
poden übergehen, möge hier noch mit wenigen Worten die Mannigfaltig-
keit der Ausbildung dieser Gruppe durch einige Zahlenangaben etwas
näher erläutert werden. Nach den von mir gefertigten Zusammenstellungen
erhebt sich die Zahl der bis jetzt mit hinreichender Sicherheit unterschie-
denen lebenden Arten (die Art in dem oben näher erläuterten Sinne auf-
gefasst) auf ca. 650-700. Die Vertheilung derselben auf Süsswasser und
Meer ergibt sich folgendermaassen: ca. 100 Arten gehören dem Süsswasser
oder überhaupt dem Festlande an, während auf die Meeresfauna ca. 550
bis 600 Arten zu rechnen sind.*) Ich habe mich bei dieser Zusammen-
*) Die Zahl der zu den einzelnen systematischen Abtheilungen gehörigen Arten ergibt
sich dem Leser leicht aus den für die einzelnen Gattungen, soweit es möglich war, namhaft
gemachten Artzahlen,
176 Rhizopoda.
stellung auf die lebenden Arten beschränkt, weil dieselben unser Interesse
hier zunächst in Anspruch nehmen und weil eine entsprechende, einiger-
maassen kritische Sichtung der ausgestorbenen Formen bei dem oben er-
wähnten Stand der Dinge Schwierigkeiten bereiten würde, die in keinem
Verhältniss zu dem zu erzielenden, ohne Zweifel doch sehr problematischen
Resultate stünden.
8. Vebersicht des Systemes der Rhizopoda mit kurzer Charakteristik der
Abtheilungen bis zu den Gattungen hinab.
Ordnung Rhizopoda, Dujard. (1835) 1841, emmend. Bütschli.
Rhizopodes + Amibiens Duj. 1841, Rhizopoda v. Siebold 1548, Rhizopoda M. Schultze
1854, Infusoria rhizopoda + Polythalamia Joh. Müller 1858, Proteina pr. p. + Gromida +
Foraminifera Clapar&de 1858; Stein (Reuss) Rhizopoda proteina + Foraminifera 1861; Amoe-
bidae + Acyttaria Häckel 1862; Lobosa + Reticularia Carp. 1862; Moneres pr. p. + Laby-
rinthulea (?) + Protoplasta (— Gregarina) + Acyttaria Häckel 1868; Sarkodina (— Heliozoa)
Hertwig u. Lesser 1874; Lobosa + Reticularia + Rhizopoda innucleata pr. p. F. E. Schulze
1877; Moneres pr. p. + Amoebina + Thalamophora R. Hertwig 1879.
I. Unterordnung Amoebaea, Ehrbg. 1830.
Amoebina Duj. 1841, v. Siebold 1848, Nuda M. Schultze 1854, Infusoria rhizopoda
Joh. Müller 1858, Amoebina pr. p. Claparede 1858; Gymnica pr. p. Stein 1861, Amoebidae
pr. p. Häckel 1862, Amoebina pr. p. Carpenter 1862, Gymnomoneres pr. p. + Gymnamoeba
pr. p. Häckel 1866; Rhizopoda innucleata pr. p. + Amoebidae F. E. Schulze 1877; Gymno-
moneres + Gymnamoebae Hertwig 1879.
Char. Nackte Rhizopoda von meist unbeständig wechselnder Gestalt,
mit Pseudopodien von loboser oder reticulärer, selten hingegen mehr
strahlenartiger Bildung. Mit oder ohne Kerne und contractilen Vacuolen.
1. Familie. Amoebaea lobosa.
Char. Pseudopodien von loboser Gestaltung oder doch ohne Netz-
bildung. (Die Scheidung dieser Formen von der folgenden Familie mit
reticeulaten Pseudopodien wird sich ebensowenig durchführen lassen, als
solches bei den beschalten Formen der Fall ist, dennoch glaube ich diese
Sonderung einer etwaigen Theilung in Nucleata und Innucleata vorziehen
zu sollen.)
Protamoeba, Häckel 1866 (84); Maggi (R. Istit. Lomb. Rendie. X.),
Mereschkowsky (118).
Lobose, kleine Amöben ohne Kern und contractile Vacuolen. Fort-
pflanzung angeblich nur durch Zweitheilung im beweglichen Zustand.
Sisswasser und Meer. Zahl der unterschiedenen Arten ca. 4—6.
Gloidium, Sorokin 1878 (Morph. Jahrb. IV.).
Unterschieden von Protamoeba durch Besitz von eontractiler Vacuole
und die Fortpflanzung durch simultane Viertheilung im beweglichen
Zustand. Eneystirung ohne Vermehrung beobachtet. Süsswasser. 1 Art.
Amoeba, Aut. (emmend. Bütschli) (II. 1—5); Auerbach, Z. f. w. Z.
VIL; Wallich, A. m. n. h. 3. XI. XII.; Carter, ibid. XII.; Greeff, Arch.
System. 177
f. mikr. A. IL; Leidy, Proe. Ae. Philad. 1874, 77; Frommentel, Etud. sur
les mierozoaires etc. Paris 1874; Mereschkowsky (118).
Synon. Proteus Rösel und OÖ. F. Müller pr. p., Corycia Dujard, (?), Trichamoeba
Frommentel pr. p., Oouramocba Leidy pr. p., Lithamoeba R. Lankester (Qu. journ.
mier. sc. 1879).
Kernhaltig; stumpf lobose, selten etwas verästelte oder spitzige und
zerschlitzte Pseudopodien. Zuweilen auch ohne eigentliche Pseudopodien-
entwickelung sich fliessend bewegend. Contractile Vacuolen vorhanden.
Fortpflanzung durch Zweitheilung im beweglichen Zustand. Encystirung
bis jetzt ohne Vermehrung beobachtet. Süsswasser und Meer. Zahl der
unterschiedenen Arten sehr beträchtlich, von denen jedoch höchstens etwa
ein Dutzend einigermaassen wohl charakterisirt erscheinen.
?* Chaetoproteus, Stein 1857 (Sitz.-B. d. k. böhm. Ak. X.).
Synon. Dinamoeba Leidy (Proc. acad. Phil. 1874, 77).
Von Amoeba durch Besatz der Leibesoberfläche und der Pseudopodien
mit kurzen, stachelartigen Fortsätzen unterschieden. Süsswasser. 1 oder
2 Arten. (Fraglich, ob von Amoeba zu trennen.)
Hyalodiscus, Hertwig und Lesser 1874 (99).
Synon. Amoeba (Guttula) Duj. und Auerbach,
Scheibenförmig, ohne Entwiekelung eigentlicher Pseudopodien sich
fliessend bewegend mit Erhaltung der Gestalt. Kern und contractile
Vacuolen (ob immer?) vorbanden. Süsswasser. 1—2 Arten.
Plakopus, F. E. Schulze 1875 (101) (II. 14).
Synon. Hyalodiscus Mereschkowsky (118).
Statt der gewöhnlichen Pseudopodien Entwickelung schwimmhaut-
artiger Plattenfortsätze, die sich allseitig erheben können und in geraden
Kanten zusammenstossen. Zuweilen jedoch auch in hyalodiscusartigen
Zustand übergehend. Kern und contraetile Vaeuolen vorhanden. Süss-
wasser. 2 Arten.
Daetylosphaera, Hertw. u. Lesser 1874 (99) (I. 10—12).
Synon. Amocha (radiosa, Perty, Auerbach etc.; polypodia M. Schultze,
F. E. Schulze).
Finger- oder strahlenartige Pseudopodien allseitig radienartig vom
rundlichen Körper ausstrahlend und zuweilen schwach geisselartig beweg-
lich. Nach Einziehung der langen Pseudopodien zuweilen durch kurze,
bruchsackartige sich bewegend. Süsswasser. Artzahl ca. 2--3.
? Podostoma, Clap. u. Lachm. 1858; Bütschli (Z. f. w. Z. XXX.);
Maggi (Rendiec. R. Ist. Lomb. 2. IX.); Cattaneo (Atti soe. ital. d. se. n. XXI.).
Sehr ähnlich Dactylosphaera (speciell D. radiosa); jedoch die zeit-
weise entwickelten, strahlenartigen, langen Pseudopodien heftiger, geisseln-
der Bewegung fähig; sie dienen zur Nahrungsaufnahme. 1 Art. Stüss-
wasser. (Fraglich, ob von Dactylosphaera zu trennen.)
Pelomyxa, Greeff 1874 (Arch. f. mikr. A. X.) (II. 6).
Synon, Pelobius Greeff 18970. Vergl. Archer (Qu. journ. m, sc, 1571), F. E. Schulze
(101, IV.).
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. 19%
178 Rhizopoda.
Amöbenartig, sehr gröss (bis 2 Mm. Durchmesser); Bewegung durch
bruchsackartige, stumpfe Fortsätze. Sehr grosse Zahl von Kernen und
sogen. Glanzkörpern, sowie gewöhnlich kleine, stäbehen- oder bacterien-
artige Körperchen einschliessend. 1 Art. Süsswasser.
Amphizonella, Greeff 1866 (Arch. f. mikr. A. II.) (II. 7).
Synon. ? Amoeba (Auerbachii) Lachm. (Verh. nat.-h. Vereins pr. Rheinl. XVL).
Amöbenartig, mit ziemlich dicker, gallertartiger Hülle, die von den
hyalinen, kurzen, fingerartigen Pseudopodien durchbrochen wird. Feuchte
Erde, Süsswasser (?). 2 Arten etwa.
2. Familie. Amoebaea reticulosa, Btschli.
Mit netzbildenden, meist allseitiig vom Körper entspringenden
Pseudopodien. (Die Beziehungen dieser Formen, namentlich der Pro-
tomyxa, scheinen nach den Myxomyceten hinzuweisen, so dass ihre
Hierherstellung bis jetzt keineswegs als völlig gesichert betrachtet
werden darf.)
Gymnophrys, Cienk. 1876 (104a).
Kleiner, ovaler bis unregelmässiger Protoplasmakörper, farblos, ohne
Kerne und contractile Vacuolen. Pseudopodiennetze von wenigen, an
beliebigen Stellen der Körperoberfläche sich entwickelnden, ziemlich an-
sehnlichen Stämmen entspringend. 1 Art. Marin und Süsswasser.
Boderia, Str. Wright 1867 (Journ, Anat. a. Phys. 1.).
Ziemlich ansehnlicher, nackter (?)*) veränderlicher Protoplasmakörper,
mit 1 bis zahlreichen Nuclei und mehr oder weniger zahlreichen, Netze
bildenden, sehr langen Pseudopodien, ähnlich Gymnophrys. (Abgesehen
von der Anwesenheit der Kerne, scheint sich diese Form sehr nahe an
die vorhergehende anzuschliessen.) 1 Art. Marin.
Protomyxa, Häckel 1868 (84) (I. 1).
Unregelmässiger, kernloser, bis 1 Mm. im Durchmesser erreichender
Protoplasmaklumpen, von dem zahlreiche dicke, vielfach baumförmig ver-
ästelte und anastomosirende Pseudopodien ausgehen. Fortpflanzung durch
Eneystirung und Zoosporenbildung. 1 Art. Marin.
Myxodycetium, Häckel 1868 (84).
Zahlreiche, Protomyxa ähnliche, kernlose Einzelindividuen zu Kolo-
nien durch Anastomosirung ihrer Pseudopodien vereinigt. Fortpflanzung ?
(Kenntniss bis jetzt sehr mangelhaft). 1 Art. Marin.
Protogenes, Häckel 1864 (Z. f. w. Z. XXVL).
Kugeliger, bis unregelmässig scheibenförmig ausgebreiteter, Kernloser
Protoplasmakörper mit sehr zahlreichen feinen, verästelten und anastomosi-
renden Pseudopodien. Fortpflanzung soll nur durch Zweitheilung geschehen,
jedoch Kenntniss des Organismus bis jetzt sehr mangelhaft. 1 Art. Marin.
*) Wright schreibt zwar seiner Boderia eine „sehr zarte, farblose, membranartige
Hülle“ zu, jedoch scheint mir die Anwesenheit einer solchen sehr unwahrscheinlich, auch
zeigen die Abbildungen nichts davon,
System. 179
Anhang zu der Unterordnung der Amoebaea.
Bathybius, Huxley (Quart. journ. mier. sc. VIII); Häckel (84);
Gümbel (Neues Jahrb. f. Mineralogie 1870); W. Thomson (The depth of
the sea, 2. ed. 1874); Bessels (Protobathybius), Jenaische Zeitschrift
Bd. IX.; American naturalist T. IX.; Die amerik. Nordpolexpedition.
Leipz. 1879, p. 320—21; Wallich, Ann. mag. nat. h. 4. ser. Vol. II.
u. VI; Häckel, Kosmos Bd. I.; W. Thomson, Proc. roy. soc. Bd. 23.
Problematischer, sehr einfacher protoplasmatischer Organismus, ohne
Kerne und Vacuolen, der in ausgedehnten Massen, gewissermaassen
Schleimnetze bildend, den Grund des Meeres, hauptsächlich in den hoch-
nordischen Regionen, bedecken soll.
Die ursprünglich dem Bathybiusschlamm als eigenthümliche Inhalts-
körper zugeschriebenen sogen. Coceolithen (Discolithen und Cyatho-
lithen Huxley) (I. 2—3) haben sich bald als in keiner Weise diesem direct
angehörig erwiesen. Es sind übrigens diese Coccolithen schon viel früher
hauptsächlich durch Ehrenberg*) (zuerst 1836) als wesentliche Bestand-
theile der Kreide, wie auch im Meeresschlamm nachgewiesen worden
(Kreide-Morpholithe, Krystalloide). Hierzu gesellten sich dann 1860 die
von Wallich zuerst**) beschriebenen sogen. Coccosphaeren (I. 6). Es
sind dies rundliche oder eiförmige, zellähnliche Bläschen von 0,003 bis
0,032 Mm. im Durchmesser, die nach Wallich von einer äusseren, festen
Membran gebildet werden sollen, auf deren Innenfläche mehr oder weniger
zahlreiche Coceolithen anhaften und gewissermaassen die Kugel aufbauen.
Ö. Schmidt ***) beschrieb als weitere ähnliche Kalkgebilde des Bathybius-
schlammes die sogen. Rhabdolithen (I. 4), kleine stäbchenförmige Körper-
chen, die z. Th. einem coccolithenartigen Scheibehen aufsitzen.
Die neueren englischen Untersuchungen haben dann ergeben, dass
auch diese Rhabdolithen zu Rhabdosphaeren vereinigt getroffen werden f)
(I. 7) und dass, wie dies früher schon von Wallich dargestellt wurde,
sowohl Coceosphaeren wie Rhabdosphaeren ihre eigentliche Heimath an
der Oberfläche der hohen See haben, wie es denn auch nach diesen
Ergebnissen wohl völlig sicher erscheint, dass, wie schon Sorby ff) und
Wallich behaupteten, die freien Coccolithen und Rhabdolithen aus dem
Zerfall der Coceo- und Rhabdosphären herzuleiten sind.
Sehr fraglich erscheint jedoch noch immer die Natur dieser Kalk-
gebilde. Die meisten Anhänger zählt jetzt wohl die von Carterfjr) und
*) Vergl. hier M.-B. d. Berl. Akademie 1836, Abhandl. der Berl. Akademie 1838,
M.-B. d. Berl. Ak. 1840, Mikrogeologie und Nr. 95.
**) A, m. n. h. 3. VII. (s. auch 3. XI.) und Notes on the pres. of anim, life at vast
deapth etc. Lond. 1860 u. schliessl. A. m. n. hı. 4. XIX,
###) Sitz.-B. d. Wien. Ak. LXII. 1870.
++) Proc. roy. soc. XXV.
+r) A. m. n. h. 3. VII
tr) A: m. n. h. 4. VI,
180 Rhizopoda.
ähnlich auch W. Thomson *) entwickelte Ansicht, dass die Coccolithen
als einzellige Kalkalgen zu betrachten seien, die Coccosphaeren hingegen
als die Sporangien dieser Algen. Mir scheint jedoch der Beweis für eine
solche Auffassung bei weitem nicht auch nur annäbernd erbracht zu sein.
Dagegen müssen wir hier darauf aufmerksam machen, dass Harting in
künstlicher Weise, nämlich durch sehr langsame Fällung von kohlensaurem
Kalk, bei Gegenwart von eiweissartigen, thierischen Substanzen, zahlreiche
Kalkgebilde hergestellt hat (I. 5), die eine grosse Aehnlichkeit mit den Cocco-
lithen besitzen.**) Hiernach ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu
weisen, dass es sich bezüglich der Coccolithen vielleicht überhaupt nicht um
im lebenden Organismus erzeugte Gebilde oder gar selbst Organismen
handelt, sondern um natürliche Kalkconcretionen bei Gegenwart organi-
scher Stoffe, eine Ansicht, die von Ehrenberg stets vertreten wurde.
Was den Batbybiusschleim selbst betrifft, so schien dessen Natur
durch die angeblich von Carpenter und W. Thomson constatirte Proto-
plasmabewegung desselben gesichert.***) Dagegen ist nun jedoch die
ganze Frage durch die neueren Beobachtungen von W. Thomson und
den übrigen Zoologen der Challengerexpedition wieder zu einer sehr
zweifelhaften geworden. Es wollen sich nämlich die genannten Forscher
jetzt überzeugt haben, dass der vermeintliche Bathybiusschleim nichts
weiter sei, als durch Zusatz starken Alkohols aus dem Meerwasser ge-
fällter feiner Schlamm von schwefelsaurem Kalk, der durch sein Ver-
halten gegen Färbungsmittel und sein mikroskopisches Aussehen eine Ver-
wechselung mit Protoplasma wohl möglich mache. Huxley hat hierauf seine
frühere Ansicht über den Bathybiusschlamm gleichfalls zurückgezogen. Dem
gegenüber will nun aber Bessels während der nordamerikanischen Polar-
expedition im Smithsund (92 Faden Tiefe) bathybiusartige Protoplasma-
massen aufgefunden haben, denen er den Namen Protobathybius Robert-
soni gibt. Dieselben bildeten maschenartige Netzwerke mit prächtiger
amöboider Bewegung und Körnchenströmung, nahmen Karminkörnchen
auf und enthielten keine Coceolithen. Auf diese Beobachtungen von
Bessels gestützt, bekämpft Häckel7) die neuere Auffassung Thomson’s
und kommt zum Schluss: der Bathybius sei wohl lokal beschränkt und
nur in den nördlichen Meeren verbreitet. Den Protobathybius von Bessels
hält er für identisch mit dem Bathybius Häckelii.
Wenn nun auch wohl kein berechtigter Zweifel an der plasmodium-
artigen Natur des von Bessels beobachteten Organismus erhoben werden
darf und hiernach die Existenz eines mit den früheren Schilderungen des
Bathybius ziemlich übereinstimmenden, rhizopodenartigen Organismus am
Grunde gewisser Meere nicht in Abrede gestellt werden darf, so ist da-
*) The depth of the sea. 2. ed. 1874.
*#*), Harting, Rech. de morphol. synth£t. etc, Naturk. Verh. d. kon. Akad. Deel XIV.
##%) W, Thomson |. c.
7) Kosmos, herausgeg. von Caspary, I.
er ag
System. 181
gegen bis jetzt keine sichere Gewähr vorhanden, dass der arsprünglich
untersuchte sogen. Bathybiusschleim wirkliche Protoplasmassen enthalten
habe. Nach der von Gümbel (s. oben) vorgenommenen Analyse eines
solchen von Huxley ihm übergebenen Bathybiusschlammes enthielt derselbe
nur 3,05 °/, organischer Substanz (jedoch auch bemerkenswerther Weise
gar keine Schwefelsäure, dagegen 20 °/, Kieselsäure).
I. Unterordnung. Testacea, M. Schultze’1854. (Thalamophora,
R. Hertwig 1876.)
In diese Unterordnung stellen wir, wie schon früher bemerkt, sämmt-
liche beschalten Rhizopoden ohne Rücksicht auf die Bildungsverhältnisse der
Schale, also auch die mit weniger wohl ausgebildeter Hülle versehenen
amöbenartigen Formen, die von R. Hertwig nach dem Vorgang Häckel’s als
Lepamoeba unter die Familie der Amoebina gebracht werden. Es ist ferner-
hin schon mehrfach hervorgehoben worden, dass auch eine scharfe Trennung
zwischen den unbeschalten und beschalten Formen nicht wohl zu bewerk-
stelligen ist, indem die Ausbildung einer Schalenhülle sehr allmählich zu
Stande kommt und daher eine Anzahl Mittelglieder von unentschiedener
oder doch bis jetzt noch zweifelhafter Stellung sich finden müssen. Wir
haben dieselben hier, insofern sie sich an sicher beschalte Formen näher
anschliessen, mit diesen zusammengestellt.
Als eine natürliche Gruppe betrachtet zu werden, kann die grosse
Abtheilung der Testacea gewiss nicht beanspruchen und geben wir gern
zu, dass dieselbe wohl sicher von verschiedenen Punkten aus ihren Uır-
sprung von den Unbeschalten genommen haben wird. Die grossen
Schwierigkeiten jedoch, welche sich der Begründung wahrer verwandt-
schaftlicher Zusammenhänge, bei der geringen Zahl und der Wandelbarkeit
der verfügbaren Charaktere, entgegenstellen, mag es rechtfertigen, dass
wir hier von einem Versuch, die Ableitung der beschalten Formen von
den verschiedenen Typen der Unbeschalten in der Classifikation zum
Ausdruck zu bringen, vorerst Abstand genommen haben.
Wir glauben am besten an dieser Stelle eine kurze historische Ueber-
sicht der von d’Orbigny festgehaltenen Classifikationsprineipien der be-
schalten marinen Rhizopoden mittheilen zu sollen, denn nur solche bilden
in den zahlreichen Werken dieses Beobachters der Gegenstand seiner
Untersuchungen. Ursprünglich (22) hat er nur polythalame Schalen
gekannt und daher auch nur solche in seinem System von 1826 bertück-
sichtigt. Die Basis seiner systematischen Anordnung bildete die Art des
Aufbaus der polythalamen Schalen, die Gruppirungsweise der Kammern;
so blieb von ihm der Unterschied zwischen Imperforata und Perforata
völlig unberücksichtigt, wie auch andererseits zahlreiche Formen auf
Grund der ähnlichen Zusammengruppirung der Kammern nebeneinander-
gestellt wurden, welche die spätere Forschung als zu verschiedenen Reihen
gehörig erwiesen hat. Nachdem ihm späterhin auch die einkammerigen
182 Rhizopoda.
Formen bekannt geworden waren, erhob er diese zu einer Abtheilung
der Monostegia. Die mehrkammerigen vertheilte er dagegen in folgende
Abtheilungen: 1. Stichostegia, mit in einer einzigen, nicht spiralen
Axe aufgereihten Kammern, die heutigen Nodosarien und Verwandten
umfassend. 2. Die Enallostegia mit Kammern, die ganz oder theil-
weise alternirend nach zwei oder drei Axen in verschiedener Weise
zusammengruppirt sind, jedoch ohne regelmässige spiralige Anordnung.
Hier finden wir hauptsächlich Textularia und Verwandte, jedoch auch
Polymorphina, Sphaeroidina ete. 3. Helicostegia. Mit regulär spiralig,
schneekenförmiger Anordnung der Kammern nach 1 oder 2 Axen. Hierher
wurden zunächst schraubig-spiralige Formen zu einer Unterabtheilung der
Turbinoidea zusammengestellt, wie Uvigerina, Bulimina, Valvulina und die
grosse Reihe der Rotalinen, während in den Unterabtheilungen der Am-
monoidea und Nautiloidea hauptsächlich die symmetrisch spiraligen Formen
ihren Platz fanden, perforirte und imperforirte bunt durcheinander.
4. Die Agathistegia umgreifen hauptsächlich die Miliolinen und bedürfen
‘daher hier keiner besonderen Charakteristik. Die Anordnungsverhältnisse
der Kammern dieser Formen hat d’Orbigny schon ziemlich richtig erkannt.
5. Entomostegia werden durch die Untertheilung der Kammern durch
Scheidewände oder kleine Röhrehen in Unterkämmerchen charakterisirt,
und hier finden sich Amphistegina, Orbiculina, Heterostegina neben Fabu-
laria und Alveolina. Späterhin (1852) errichtete d’Orbigny für die eyklisch
wachsenden Formen noch eine 6. Abtheilung der Cyclostegia, welche
die früher von ihm wenig berücksichtigten Genera Orbitolites, Orbitoides,
jedoch auch Tinoporus (= Orbitolina d’Orb.) umfasste.
A. Tribus Imperforata, Carpenter 1862 (Reuss 1861).
Char. Schalenwandungen solid, nicht von feinen Poren perforirt,
dagegen mit 1—2 Mündungsöffnungen, oder auch, durch Unterabtheilung
der ursprünglich einfachen Mündung, einer grösseren Zahl kleinerer poren-
artiger Oeffnungen. Einkammerig bis vielkammerig.
- Den Imperforata von Carpenter sind hier auch die beschalten Lobosa
desselben eingeordnet, da wir, wie bemerkt, die Trennung der Rhizopoda
in Lobosa und Reticulosa nicht festhalten. Die schon von M. Schultze
1854 versuchte Eintheilung der Testacea in Mono- und Polythalamia
halten wir mit Carpenter für unnatürlich; natürlicher wird die Verwerthung
dieser Bezeichnungen dann, wenn man wie R. Hertwig (1879) die Mono-
thalamia auf die Süsswasserformen und die Gromien beschränkt; jedoch
wird hierdurch die Bezeichnung Polythalamia für die restirenden marinen
Formen ganz verwirrend, da sich unter letzteren zahlreiche einkammerige
finden.
w
System. 183
1. Familie. Arcellina, Ehrbg. 1830 und 38 (nicht später).
Arcellina p. p. v. Siebold 1848; Lagenida p. p. M. Schultze 1854; Amoebina
p- p- Clap. 1858; Arcellina + Difflugina p. p. Stein 1861; Amoebina p. p.
Carp. 1862; Lepamoeba Häckel 1868; Thekolobosa Häckel 1878; Mono-
thalamia monostomata p. p. Hertwig 1879.
Char. Schale einaxig, kappenförmig bis langgestreckt, zuweilen
durch etwas einseitige Lagerung der polaren, engeren oder weiteren ein-
fachen Mündung bilateral. Pseudopodien lobos. Kerne und contractile
Vaeuolen gewöhnlich vorhanden.
Cochliopodium, Hertwig u. Lesser 1874; F. E. Schulze (101, III.)
a: 21):
Synon. Amoeba p. p. Auerbach (Z. f. w. Z. VII), Amphizonella (Greeff) Archer
(90), ? Cyphidium Ehrbg. (31).
Schale biegsam und von kappenartiger Gestalt, dem Körper dicht
aufliegend, daher mit diesem grosser Gestaltsveränderungen fähig.
(Structur erinnert an Arcellaschale.) Schalenöffnung, aus der die lobosen
Pseudopodien bündelartig hervortreten, sehr weit. Contractile Vacuolen
2 bis mehr. 1 Kern. Süsswasser. 1—2 Arten.
? Pyxidicula, Ehrbg. 18358; Carter (A. m. n. h. 5. XIIL.); Hertwig
und Lesser (99).
Synon. Arcella p. p. Clap. u. Lachm. (60), ? Pseudochlamys (Clap. u. Lachm.)
F. E. Schulze (101, IIL.). ;
Schale uhrglasförmig und die weite untere Oeffnung nur durch
schmalen Umschlagssaum des Randes etwas verengt. Schalenoberfläche
mit feinen Höckerchen bedeckt. Thierkörper wie Arcella. Süsswasser;
1 Art. (Nach meiner Ansicht möglicherweise nur Jugendzustand von
Arcella, vergl. A. f. mikr. A. X. und Buck Z. f. w. Z. XXX.)
?Pseudochlamys, Clap. u. Lehm. 1855 (60); Hertwig u. Lesser (99)
(I. 8).
Schale in Gestalt und Farbe wie Arcella; orale, flache Wand jedoch
sehr dünn. Oberseite mit arcella-artiger Gitterzeichnung. Thierkörper
wie Arcella (gewöhnlich nur 1 Kern). 1 Art. Süsswasser. (Auch diese
Form möchte ich für einen Jugendzustand von Arcella halten.)
Arcella, Ehrbg. 1830; Perty (48); Clap. u. Lachm. (60); Carter
(56, ete.); Wallich (A. m.n. h. 3. XIII); Ehrenberg (95); Bütschli (Arch.
f. m. A. X.); Leidy (Pr. Ac. Philad. 1876); Buck (Z. f. w. Z XXX.);
Cattaneo (Att. soe. it. d. se. n. XXI.); Hertwig u. Lesser (99) (T. II. 9).
Char. Schale uhrglasförmig mit convexer Oberseite und flacher Oral-
seite, in deren Centrum die mässig weite, kreisrunde Mündung. Braun.
Feine, eigenthümliche Gitterstruetur. Thierkörper füllt die Schale nicht
völlig aus. Meist die Kerne und contractilen Vacuolen in grösserer Zahl.
Süsswasser (auch feuchter Sand und Moos). 1 sichere Art, die sonst
noch beschriebenen Arten sind unsicher.
184 Rhizopoda.
Hyalosphenia, Stein 1857 (Sitz.-B. d. k. böhm. G. X.); F. E. Schulze
(101, III.) (II. 10).
Synon. Arcella (oblonga) Lachm. (Verh. des n.-V. d. preuss. Rh. XVI.), Catharia
Leidy (Proc. acad. Philad. 1874. 1875).
Schale chitinös, structurlos. Gestalt oval bis birnförmig, mit ver-
längerter Hauptaxe, parallel dieser stark comprimirt. Mündung einfach.
Thierkörper die Schale nicht völlig ausfüllend, difflugienartig. Süsswasser.
2—3 Arten. (Einige weitere nordamerikanische Formen hat Leidy, jedoch
bis jetzt sehr unvollständig, beschrieben.)
Quadrula, F. E. Schulze 1875 (101, III.) (II. 12).
Synon. Difflugia p. p. Wallich (A. m. n. h. 3. XIIL), Ehrenberg (95).
Schalengestalt ähnlich Hyalosphenia, jedoch weniger comprimirt;
aus meist quadratischen, glashellen Plättechen (Chitin?) aufgebaut. Hinter-
ende der Schale zuweilen bestachelt, ähnlich Euglypha. Tbierkörper
difflugia-artig. Süsswasser. Sichere Arten 2. (Bei Ehrenberg [95] finden
sich jedoch eine ziemliche Anzahl unsicherer, wohl hierhergehöriger
Schalenformen beschrieben.)
Difflugia, Leclere 1815; Ehrenberg (31); Perty (48); Clap. u.
Lachm. (60); Wallich (A. m. n. h. 3. XIII.); Carter (A. m. n. h. 3. XII.
und XIll.); Hertwig und Lesser (99); Leidy (Proc. Ac. Philad. 1877)
(II. 1-8).
Synon. Arcella p. p. Ehrenberg (95), Echinopyxis Clap. u. Lachm. (60), Centro-
pyxis Stein (Sitz.-B. d. k. böhm. G. X.), Nebela Leidy (Pr. A. Philad. 1874 u. 76).
Schale mit Fremdkörpern incrustirt, die durch chitinöses oder z. Th.
vielleicht auch mehr protoplasmatisches Bindemittel verkittet werden
(hauptsächlich Sandkörnchen, Diatomeenschalen, seltner rundliche bis ovale
Scheibehen oder eylindrische Stäbchen von zweifelhafter Herkunft). Gestalt
ziemlich variabel. Regulär monaxon, kugelig bis langgestreckt und dabei
das Hinterende z. Th. in Spitze ausgezogen oder mit mehreren symmetrisch
oder asymmetrisch gestellten, hornartigen Fortsätzen geziert. Häufig stark
comprimirt, z. Th. die Mündung jedoch einseitig excentrisch verschoben
und dann Gestaltung bilateral. Mündungsrand zuweilen etwas nach Innen
oder Aussen umgeschlagen, z. Th. auch eigenthümlich erenulirt. Thier-
körper die Schale gewöhnlich nicht ganz erfüllend; mit lobosen, selten
etwas zerschlitzten Pseudopodien. Vacuolen und Kerne in sehr verschie-
dener Zahl. Süsswasser. Zahl der Arten sehr beträchtlich, jedoch schwierig
festzustellen, wegen grosser Variabilität; bis jetzt mögen sich etwa
1'/, Dutzend Formtypen einigermaassen auseinanderhalten lassen. (Eine
sehr grosse Zahl unsicherer Arten wurde von Ehrenberg [95] beschrieben.
Zu einem besonderen Geschlecht Nebela erhebt Leidy diejenigen Difflu-
gien, die als Schalenmaterial die erwähnten eigenthümlichen scheiben-
förmigen Körperchen oder zugleich Stäbchen zeigen. Dieselben besitzen
ferner eine birnförmige Gestaltung und sind meist ziemlich stark com-
primirt.
System. 185
Leequereusia, Schlumberger (Ann. d. se. nat. Zool. 3. 11L.); Ehren-
berg (M.-B. d. B. A. 1840); Cohn (Zeitschr. f. w. Z. IV.); Carter (75);
Entz (110); Mereschkowsky (118) (III. 9).
Synon. Difflugia Aut.
Schalenstructur wie Difflugia, jedoch durch einseitige Wendung der
Schalenmündung und spiraliges Weiterwachsthum des Schalenhalses etwa
retortenförmig; die einzige Form des Süsswassers, die eine spiralige Ein-
rollung aufweist (höchstens jedoch !/, Umgang). 1 Art.
Anhang zur Familie der Arcellinen.
Petalopus, Cl. u. Lehm. 1855 (60) (II. 15).
Ovaler, vorn abgestutzter Körper, angeblich ohne Schale. Pseudo-
podien nur vom abgestutzten Vorderende entspringend; etwas verästelt
und an den Enden plattenförmig verbreitert. Nucleus und contractile
Vaceuole? 1 Art, Süsswasser. (Diese seither noch nicht wiedergesehene
Form habe ich vorläufig hierhergestellt, da mir die die Abwesenheit eines,
wenn auch zarten Schalenhäutchens keineswegs sicher erwiesen zu sein
scheint.)
Arcellina, du Plessis 1876. (Sitz.-B. d. phys. medie. Soc. zu
Erlangen 1876.)
Zweifelhafte marine Form. Kugelig, seltener eiförmig, bis zu Hanf-
korngrösse. Dünne Schale chitinös mit rundlicher Oeffnung auf konischem
Vorsprung. Schalenwände sollen sehr fein porös (!) sein, jeder Porus
äusserlich auf einem Wärzchen der Schalenoberfläche münden. Pseudo-
podien lobos, nur aus der Mündungsöffnung austretend. Kerne in Mehr-
zahl, sowie sogen. Glanzkörper (ähnlich Pelomyxa?) vorhanden.
2. Familie. Euglyphina Bischli.
Schale chitinös oder kieseiig, aus hexagonalen oder rundlichen
Plättehen aufgebaut. Monaxon bis bilateral. Pseudopodien fadenartig
zugespitzt, wenig anastomosirend. Kern und contractile Vacuolen vor-
handen.
Euglypha, Duj. 1841; Carter (A. m. n. h. 3. XII. u. XV.); Hertwig
u. Lesser (99); F. E. Schulze (101, III.) (III. 12).
Synon. Difflugia p. p. Ehrbg. (95), Sphenoderia Schlumberger (A. sc. n. Zool. 3. IIL.).
Schale monaxon, ellipsoidisch, bis beutel- und birnförmig; Mün-
dung ziemlich weit. Kieselige, kreisförmige bis hexagonale Plättchen
bauen in schiefen Reihen die Schale auf. Mündungsrand gewöhnlich
zackig. Häufig Hinterende bestachelt oder auch kürzere Stacheln über
die ganze Schale verbreitet. Pseudopodien nicht anastomosirend. Süss-
wasser. Ca. 3—4 sichere Arten, jedoch finden sich bei Ehrenberg (95)
noch eine ziemliche Reihe unsicherer Formen erwähnt.
Trinema, Duj. 1836; Carter (56); Hertw. u. Lesser (99); F. E.
Schulze (101, III.).
Synon. Difflugia (enchelys) Ehrbg. (31), Euglypha (pleurosoma) Carter, Arcella
p. p. Ehrbg (95).
186 Rhizopoda.
Schalenstructur und Thierkörper wie Euglypha, dagegen Mündung
auf etwas abgeplattete Unterfläche gerückt und somit Schale bilateral.
Süsswasser. 1 Art.
Cyphoderia, Schlumb. 1845; H. u. L. (99); F. E. Sch. 101, III.)
(IH. 13).
Synon. Difflugia Ehrbg. p. p. (95), Euglypha Perty p. p. (43), Wallich p. p.
(l. e. s. Diffl.), Lagynis M. Schultze (53).
Schale aus chitinösen Plättchen gebildet, die jedoch relativ viel
kleiner sind, als bei den vorhergehenden beiden Geschlechtern. Gestalt
etwa länglich beutelförmig mit halsartig gerader oder nach der Seite
gewendeter Mündung. Süsswasser und Ostsee. 2 Arten.
Anhang zur Familie der Euglyphinen.
Campascus, Leidy 1877 (Proc. Ac. Philad. 1877. P. III.).
Gestalt der Schale und Bau des Protoplasmakörpers ähnlich Cypho-
deria, Schale chitinös mit Fremdkörpern inerustirt. Hinterende jederseits
mit hornartigem Fortsatz ähnlich gewissen Difflugien. 1 Art. Süsswasser.
2. Familie. Gromiina, Btschli; Gromidea Clap. und Lachm. 1858;
Stein (Reuss) 1861; dto. Carp. p. p. 1862.
Mit chitinöser, fast stets ganz structurloser Schale, von monaxoner
oder etwas bilateraler, ovaler Gestaltung und ziemlich verengter Mün-
dung. Pseudopodien meist reticulos, stets jedoch dünn, fadenförmig
und spitzig. Kerne und contractile Vacuolen vorhanden oder fehlend.
Lieberkühnia, Clap. u. L. 1858 (60) (III. 16).
Synon. Gromia Cienkowsky (104a).
Körper ovoid, mit sehr zarter, dicht anliegender Hülle bekleidet;
Mündung etwas hinter dem etwas zugespitzten Vorderende. Die Pseudo-
podien entspringen von einem Pseudopodienstiel, der :von der Mitte
der antioralen Seite des Thierkörpers seinen Ursprung nimmt und aus
der Mündung austretend ein sehr reiches Pseudopodiennetz entwickelt.
Contractile Vacuolen und Kerne vermisst. Süsswasser. 1 oder 2 Arten.
Mikrogromia, R. Hertw. 1874 (Arch. f. mikr. Anat. X. Suppl.
(IH. 15).
Synon. Gromia Archer (90), Cystophrys Archer (90).
Schale beutelförmig, klein, etwas bilateral durch die sehr wenig
einseitig verschobene, etwas halsartig ausgezogene Mündung. Körper
die Schale nur z. Th. ausfüllend. Pseudopodien von einem oralen
Pseudopodienstiel entspringend. 1 Kern und 1 contractile Vacuole. Häufig
koloniebildend. Süsswasser. 2 Arten.
Platoum, F. E. Sch. 1875 (101, ILL.) (III. 17).
Synon. Difflugia Schneider (A. f. A. u. Ph. 1854), Chlamydophrys Cienk, (104a),
Troglodytes (abriel (Morph. J. 1).
Unterschiede von Mikrogromia sehr gering. Schalengestalt sehr ähn-
lich, jedoch Mündung etwas spitziger ausgezogen, terminal bis sehr wenig
System, 187
seitlich verschoben. — Im Querschnitt elliptisch bis rundlich. Schalen-
haut etwas biegsam. Thierkörper die Schale nicht völlig erfüllend. Häufig
koloniebildend. Süsswasser, feuchte Erde und faulende Stoffe. 2—3 Arten.
Plectophrys, Entz 1877 (110).
Nur durch eine eigenthümlich faserige (oder vielleicht eher etwas
schuppig zu bezeichnende) Schalenstruetur von Platoum unterschieden.
1 Art. Salzteich bei Klausenburg (Ungarn).
Leceythbium, H. u. L. (99) 1874.
Synon. Arcella p. p. Ehrbg. (31), Fresenius (Abh. d. Senckenb. Ges. IL), Gromia
Schlumberger (A. sc. n. Z. 3. IIL), — socialis F. E. Sch (101, IIL.), Phonergates
Buck (Z. f. w. Z. XXX.)
‚Schale in ihrer Gestalt sehr ähnlich Mikrogromia, klein, jedoch dem
Körper dieht aufliegend; ob biegsam oder starr, wird verschieden an-
gegeben. Contractile Vacuole gewöhnlich nicht, Kern vorhanden. Zuweilen
Koloniebildung. Süsswasser. 1 Aıt.
Gromia, Duj. 1835 (26); M. Sch. (53); F. E. Sch. (101, III.) (III. 18,
IV. 6).
Synon. Sphaerula Dalyell (The powers of the creat.), Plagiophrys Hertwig und
Lesser (99).
Gestalt ei- bis kugelförmig; chitinöse Schale dem Körper direct auf-
liegend und meist ziemlich biegsam, daher zuweilen mit diesem die
Gestalt etwas ändernd. Wanddicke recht variabel. Mündung terminal.
Pseudopodien theils sehr fein reticulös, körnchenführend, theils hyalin,
spitzig verästelt und wenig anastomosirend. 1 bis zahlreiche Kerne. Con-
tractile Vacuolen gewöhnlich fehlend. Süsswasser und marin. Ca. 4 Arten.
(Wenn es wirklich gromia-artige Rhizopoden ohne Schalenhaut gibt, wie
Claparede und Lachmann (60) für ihre Plagiophrys angaben und wie es
nach den Beobachtungen von F. E. Schulze (101, III.) gleichfalls scheint,
so dürfte für diese der Gattungsname Plagiophrys zu reserviren sein.)
? Pamphagus, Bailey 1853 (Sill. amer. journ. 2. XV.); Archer
(Qu. journ. mier. se. 1871).
Zweifelhaftes Geschlecht, soll nach Archer birnförmigen, von sehr
zarter Schalenhaut umschlossenen Körper besitzen, von dessen breitem
Ende die langen verästelten ae Aare entspringen. Grosser Nucleus.
Süsswasser. 1 Art.
Pseudodifflugia, Schlumberger 1845 (III. 14).
Synon. Pleurophrys Clap. u. Lachm. (60), Hertw. u. L. (99), F. E. Sch. (101, IIL),
Archer (90).
Gestalt und Bau des Weichkörpers gromia-artig. Schale mit Fremdkör-
pern difflugia-artig inerustirt. Süsswasser und Brackwasser. Artzahl ca. 5—6.
Diaphoropodon, Archer 1870 (90) (IV. 1).
Schale monaxon, eiförmig, aus lose vereinigten Fremdkörpern (haupts.
Diatomeen und Protococeuszellen) gebildet. Pseudopodien von zweier-
lei Art; einmal zahlreiche sehr lange, hyaline, z. Th. tannenbaumartig
188 Rhizopoda.
verästelte, aus der Mündung hervortretende und dann fein haarförmige,
nicht retractile, allseitig zwischen den Schalenpartikeln vorspringend.
(Ob wirklich Pseudopodien?) Contractile Vacuole vorhanden. Süsswasser.
1.-Art.
Anhang zur Familie der Gromiina.
Leeythia, Wright 1861 (A. m. n. h. 3. VIII.).
Mangelhaft beschriebener, vielleicht hierher gehöriger Organismus.
Etwa zu vergleichen einem auf langem, aboralem Stiel getragenen Lecy-
thium, aus dessen Schalenöffnung strahlenartig zahlreiche feine Pseudo’
podien austreten. 1 Art. Marin.
Squamulina, M. Sch. 1854 (53).
Schale kalkig, flach linsenförmig bis unregelmässig, mit dünner,
flacher Seite festgeheftet. Auf Oberseite excentrisch gelegene, mässig
weite, rundliche Mündung. Marin. 1 Art. Fossil? (Scheint mir ziemlich
fraglich, namentlich im Hinblick auf ihre eventuellen Beziehungen zu dem
so vielgestaltigen Geschlecht Nubeeularia; daher auch ihre Stellung bei
den Gromiinen fraglich. Von Carpenter an die Spitze der Miliolida
gestellt.)
4. Familie. Amphistomina Btschli. (Monothalamia amphistomata
Hertw. 1879).
Char. Schale sehr zart bis dicker, chitinös oder von Fremdkörpern
gebildet. Monaxon, etwa eitronenförmig und an beiden Polen mit Mün-
dung versehen. Pseudopodien fadenförmig, spitzig bis reticulos. Nucleus
vorhanden.
Diplophrys, Barker 1868 (Qu. journ. mier. se. VI. p. 232, VII.
p- 123); Archer (90); Greeff (Arch. f. mikr. A. XI.); Hertw. u. L. (99);
F. E. Sch. (101, IIL) (IV. 2).
Körper klein, nahezu kugelig bis spindelförmig. Schalenhäutehen
höchst zart (nicht völlig sicher). Mehrere contractile Vacuolen und 1 oder
mehrere gelbe bis orangerothe Fettkörper. Süsswasser und Mist. 2 Arten.
Ditrema, Archer 1876 (Qu. journ. mier. sc. XVI.).
Schale hyalin, gelblich, ziemlich diek und starr. Mündungsränder
etwas nach Innen umgeschlagen. Süsswasser. 1 Art.
Amphitrema, Archer 1870 (90) (IV. 3).
Schale oval, mit Fremdkörpern inerustirt; Mündungen etwas hals-
artig verlängert. Contractile Vacuole fehlt. Süsswasser. 1 Aıt.
Gruppe Miliolida, Carp. emmend. B. (Miliolida Carp. 1862 + pars
Lituolidarum Carp.).
Schalengestalt sehr verschieden, mono- und polythalam. Structur
kalkig, imperforirt, äusserlich gewöhnlich porcellanartig glänzend; oder
sandig und imperforirt (für diese sandigen Formen kann ein allgemeiner
System. 189
Charakter nicht angegeben werden; ihre wenig sichere Stellung wird ihnen
durch ihre gestaltlichen Beziehungen zu den kalkschaligen Formen
gegeben).
5. Familie Miliolidina (Miliolidea Reuss 1561 + pars Lituolidarum).
Char. Mono- bis polythalam, spiralig eingerollt, auf 1 Umgang
kommen nur 2 Kammern bei den Polythalamen. Kalk- oder sandschalig.
Cornuspira, M. Sch. 1854 (53, 64) (IV. 8).
Synon. Öpereulina p. p. Reuss et alior. olim.
Kalkig, frei, monothalam, symmetrisch spiralig eingerollt und sehr
wenig involut. Meist parallel der Windungsebene sehr eomprimirt und
letzter Umgang rasch in die Höhe wachsend. Zahl der lebenden Arten
ca. 3. Seit Trias.
Ammodiscus, Reuss (V. 20—22).
Synon. Cornuspira Will. p. p., Trochammina Parker u. J., sowie Carp. p. p.. Invo-
lutina Terqu. p. p., Operculina d’Orb. p. p.
Frei, cornuspira-artig, jedoch sandig; äusserlich ziemlich glatt.
Häufig unregelmässiger werdend, so z. Th. knäuelförmig unregelmässig
gewunden, oder letzter Umgang geradlinig weiter ‚wachsend. Zu-
weilen durch gelegentliche unregelmässige Einschnürungen Neigung zur
Polythalamie. (Fraglich, ob alle hierhergerechneten Arten imperforirt.
Unsicher ist die vielleicht verwandte Terebralina Terqu. aus Lias.)
Lebende Arten ca. 2. Seit Kohlenformation.
Miliola, Lamarck 1804; Parker (Transact. mier. soc. n. s. Vl.).
Synon. Serpula p. p. Linne, Frumentaria Soldani, Vermiculum Montagu.
Schale kalkig oder seltener sandig bis chitinös; spiralig ein-
gerollt und polythalam; jede Kammer nimmt die Hälfte eines Umgangs
ein, so dass die Mündungen abwechselnd an einem und dem anderen Pol
liegen. Mündung weit, gewöhnlich springt ein zungenförmiger Fortsatz
von der Wand des vorhergehenden Umgangs in sie ein. Wenig bis völlig
involut und hiernach die Zahl der äusserlich sichtbaren Kammern sehr
verschieden. (Hierher dürfen wohl auch eine Anzahl sandschaliger, von
Parker, Jones, Carpenter und Brady zu Trochammina gezogener fossiler
Formen gestellt werden, da sie ganz den Bau von Miliola zeigen und die
sandschaligen Rhizopoden, wie schon mehrfach bemerkt, überhaupt keine
natürliche Abtheilung bilden.)
Untergenera:
Spiroloeulina d’Orb. 1826 (IV. 10).
Umgänge sich nur berührend, so dass äusserlich die Kammern beider-
seits sämmtlich sichtbar sind. Zahl der lebenden Arten ca. 9. Vom oberen
Jura ab.
Quingueloculina, d’Orb. 1829 (IV. 11).
Synon, Adelosina d’Orb., Miliolina Will. p. p.
Umgänge sich mehr oder weniger umfassend, jedoch auf einer
190 Rhizopoda.
Seite mehr, so dass äusserlich auf dieser Seite gewöhnlich 3, auf
der entgegengesetzten aber 4 Kammern sichtbar bleiben. Jedoch die
Zahl dieser sichtbaren Kammern etwas variabel. Mündung selten sieb-
förmig. Zahl der lebenden Arten ca. 22. Seit Kreide.
Triloculina, d’Orb. 1827 (IV. 25, VII. 3).
Synon. Crueiloculina d’Orb., Lagena Brown p. p., Miliolina Will. p. p.
Char. Aeusserlich nur die 3 jüngsten Kammern sichtbar. Mündung
meist ähnlich vorhergehenden, z. Th. jedoch durch 4 vorspringende Ecken
kreuzförmiger Sehlitz (Crueiloculina d’Orb.). Zahl der lebenden Arten
ca. 8. Vom Jura ab. (Brady [117, 1I.] weist neuerdings wieder auf die
zahlreichen Uebergänge zwischen diesem Untergenus und Quinqueloeulina
hin und schlägt daher vor, beide unter der schon früher von Williamson
in diesem Sinn angewendeten Bezeichnung Miliolina zusammenzufassen.
Biloculina, d’Orb. 1826 (IV. 12—15).
Synon. Renoidea Brown p. p., Lagenula Flemm. p. p., Pyrgo Defr.
Char. Vollständig involut, so dass äusserlich nur die 2 jüngsten
Kammern sichtbar. Meist parallel der Längsaxe linsenförmig abgeplattet.
Mündungszunge häufig sehr entwickelt. Zahl der lebenden Arten ca. 7.
Seit Trias.
Anhang:
Uniloceulina d’Orb. (Mod. und 1839) soll sich durch völlige Um-
fassung der früheren Kammern durch jede folgende auszeichnen, daher
äusserlich nur die jüngste sichtbar. Bis jetzt nur 1 zweifelhafte lebend
beobachtete Form.
Fabularia, Defr. (IV. 21, VIII. 2).
Gestalt und Wachsthum wie Biloculina, nur viel grösser. Kammer-
höhlungen von Schalenmasse bis auf ein System zahlreicher, anastomosi-
render Längsröhren erfüllt; daher Mündung siebförmig. Nur Tertiär.
6. Familie Peneroplidina, Reuss 1860 (Sitz.-B. d. k. böhm. G. 1860).
Kalkig oder sandig, polythalam; z. Th. die Kammern noch miliolinen-
artig, jedoch stets 3 oder mehr auf dem Umgang (wenigstens in den
jüngeren Umgängen). Häufig Uebergang in gerades Wachsthum. Mündung
einfach oder in zahlreiche porenartige Oeffnungen zerfallend.
Hauerina, d’Orb. 1846 (IV. 20).
Kalkig, frei, spiral aufgerollt. Anfangsumgänge miliola-artig, spätere
hingegen mit 3—4 Kammern. Grössenzunahme der Kammern recht
allmählich. Mündung siebförmig. Zahl der lebenden Arten ca. 5. Seit
Jura.
Vertebralina, d’Orb. 1826 (IV. 17—19).
Synon. Articulina d’Orb., Renulites Lam., Renulina Blainv., ? Ceratospirulina Ehrbg.
Kalkig, frei, Anfangskammer spiral eingerollt, miliola-artig, gewöhn-
lich 3 Kammern auf den Umgang. Hierauf geradliniges Wachsthum,
System. 191
Scheidewandbildung schwach, Mündung daher einfach. Häufig parallel
der Längsaxe sehr abgeplattet. Z. Th. spiraliger Anfangstheil sehr klein
und wenig entwickelt (Articulina) und gleichzeitig Kammern sehr lang-
gestreckt. Zuweilen dagegen sehr abgeplattet und Kammern rasch in die
Breite wachsend, so dass Gesammtgestalt nierenförmig (Renulites). Zahl
der lebenden Arten ca. 5. Seit Unter-Tertiär.
Peneroplis, Montf. 1810; Carpenter (57, 3. ser.).
Synon. Nautilus p. p. F. u. M., Cristellaria p. p. Lam.
Char. Kalkig, frei, spiralig eingerollt, wenig bis ziemlich involut.
Zahl der Kammern auf einem Umgang recht beträchtlich, daher Einzel-
kammern nur kurz, jedoch ziemlich rasch an Höhe anwachsend. Meist
parallel der Windungsebene sehr abgeplattet. Scheidewände sehr wohl
entwickelt. Mündung verzweigter Längsspalt oder Längsreihe von Poren.
Untergenera:
Peneroplis, s. str. (V. 1).
Wenig involut, letzter Umgang gewöhnlich in mässig langes gerades
Wachsthum übergehend und sich dann häufig fächerförmig ausbreitend,
mit sehr niederen, jedoch in der Höhenrichtung sehr ausgedehnten
Kammern. Mündung gewöhnlich 1, seltener 2 Längsreihen von Poren
auf der Septalfläche. Lebende Arten ca. 3. Seit Eocän.
Dendritina, d’Orb. (IV. 22—24, VIII. 12).
Synon. Spirolina d’Orb. p. p., Coscinopora Ehrbg.
Mehr involut, Septalflächen daher hufeisenförmig; ohne fächerartige
Ausbreitung der jüngsten Kammern. Spirolina d’Orb. mit Uebergang in
gestrecktes Wachsthum. Mündung dendritisch verzweigter Längsschlitz.
Lebende Art 1. Seit Tertiär.
Anhang:
Nubecularia, Defr. 1825 (IV. 9).
Synon. Serpula p. p. Sold., Webbina p. p. d’Orb.
Char. Kalkig, z. Th. jedoch auch etwas sandig; mit breiter Basal-
fläche aufgewachsen und diese gewöhnlich ohne oder doch nur mit sehr
dünner Wandung. Polythalam. Anfang spiralig, jedoch bald sehr unregel-
mässig werdend.. Kammern nur durch Wandeinschnürungen getrennt.
Aeusserlich von Kammerbildung gewöhnlich nur wenig sichtbar. Zuweilen
in eine Art cyklischen Wachsthums übergehend. Lebende Arten ca. 2.
Seit Trias.
Placopsilina, d’Orb. 1850 (V. 19).
Synon. Lituola p. p. P. u. J., Carp.
Char. Sandig, äusserlich rauh; aufgewachsen ähnlich Nubeeularia
und auch wie bei dieser die aufgewachsene Seite häufig ohne Wand-
bildung. Beginn mehr oder weniger regelmässig spiral, jüngerer Theil
häufig in gerades Wachsthum übergehend oder aber auch sehr unregel-
mässig bis acervulin. Lebende Arten ca. 1; Fossil seit?
132 Rhizopoda.
Lituola, Lmek. emmend. B.
Synon. Lituola P. u. J.. Carp. p. pP.
Sandig, äusserlich raub, frei, polythalam, spiralig symmetrisch auf-
gerollt; nahezu völlig involut; jüngere Kammern häufig in gestrecktes
Wachsthum übergehend.
Untergenera:
Haplophragmium, Reuss 1860 (V. 17).
Synon. Lituola p. p. Carp., P. u. J., Nonionina p. p. Will, M. Sch., Spirolina
Aut. p. p., D’Örbignyina v. Hagen, Proteonina Will. p. p
Kammerhöblungen ohne labyrinthische Einwüchse; Mündung ein-
fach, gewöhnlich an Basis des Septums, an gerade gestreckten Kammern
terminal. Lebende Arten ca. 1—2. Fossil seit?
Lituola, s. str. Reuss, Brady (V. 18).
Kammerhöhlungen von labyrinthischen Auswüchsen erfüllt; Mündung
unregelmässig, dendritisch bis siebförmig. Lebende Arten ca. 1. Fossil
seit Kohlenformation.
7. Familie Orbitolitina (= Orbitulitidea Reuss 1861).
Gestalt und Wachsthumsverhältnisse ziemlich verschieden. Kalkig.
Primäre Kammern durch secundäre Scheidewände in secundäre Kämmer-
chen getheilt.
Orbieculina, Lamck. 1816; Williamson (47); Carpenter (57, 2. ser.)
(VL. 2):
Synon. Nautilus F. u. M.. Helenis, Archais, Ilotes Montf.
Char. Anfangstheil der Schale spiralig, involut aufgerollt, hierauf
in eyklisches mehr oder minder völlig kreisförmig geschlossenes Wachs-
thum übergehend. Umrisse der flachen Schale bis fächer-, nieren- und
nahezu kreisförmig. Ursprungstheil knopfförmig verdickt. Bis zu 1 Cm.
und mehr Durchmesser etwa. Lebende Arten ca. 2. Fossil seit Tertiär.
Orbitolites, Lam. 1801; Williamson (47); Carpenter (43, 57 1. ser.);
Gümbel (96) (VI. 1, V. 3, 4).
Synon. Discolithes Fortis p. p., Madreporites Deluc., Milleporites F. de St. Fond.,
Orbulites Lam., Marginopora Quoy et Gaym., Sorites Ehrbg.. Omphalocyclus Bronn,
Cupulites d’Orb., Cyelolina d’Orb.
Char. Scheibenförmig, Kreisrund; auf Embryonalkammer und grosse,
dieselbe etwa zur Hälfte umgebende 2. Kammer folgt sogleich eyklisches
Wachsthum zahlreicher Kämmerchenkreise. Entweder nur 1 Lage Kämmer-
chen oder jederseits oberflächlich noch eine Lage kleinerer secundärer
Kämmerchen abgesondert. Centrum der Scheibe dünn, häufig concav ver-
tieft; Ränder zuweilen sehr verdickt, wulstförmig, auch z. Th. gefaltet.
Durchmesser zuweilen bis gegen 2 Centimeter. Lebende Arten ca. 2 (wohl
mehr). Fossil seit Lias. .
System. 193
Alveolina, Bose (d’Orb.) 1826; Deshayes (A. sc. nat. XV.); Carter
(A. m. n. h. 2. XIV.); Carpenter (57, 2. s.); Parker u. Jones (62, f) (V. 2).
Synon. Discolithes Fortis p. p., Nautilus F, u. M. p. p., Borelis, Clausulus, Milio-
lites Montf., Melonites, Melonia Lamck.
Char. Spiralig-symmetrisch aufgerollt, gänzlich involut und Windungs-
axe ansehnlich verlängert; daher Gestalt kugelig bis spindel- und ceylinder-
förmig. Kammern durch auf der Windungsaxe senkrechte Septa in zahl-
reiche Kämmerchen getheilt, und z. Th. diese nochmals durch tertiäre
der Windungsaxe parallele Septen in 3—4 tertiäre Kämmerchen zerlegt.
Hiernach Zahl der porenartigen Oeffnungen auf Endfläche verschieden.
Längsdurchmesser bis zu 75 Mm. (fossil), recent kleiner bis 15 Mm.
Länge. Lebende Arten ea. 2. Fossil seit Kreide.
Familie Arenacea.
Wir vereinigen bier eine Reihe mariner, z. Th. sehr unvollständig
bekannter sandschaliger Rhizopoden von meist monothalamem, z. Th. aber
auch polythalamem Bau. Die Zusammenstellung dieser Formen ist eine
ganz provisorische und nur dadurch bedingt, dass es bis jetzt nicht mög-
lich erscheint, dieselben anderweitig natürlich einzureihen und wir die
schon mehrfach auch von anderer Seite ausgesprochene Ueberzeugung
theilen, dass die Carpenter’sche Gruppe der sandschaligen Formen, die
Familie der Lituolida, nicht aufrecht erhalten werden kann. Es wird
daher die Aufgabe der kommenden Zeit sein, die verwandtschaftlichen
Beziehungen der hierhergehörigen Formen, namentlich ihr Verhalten zu
Imperforata oder Perforata, im Einzelnen genauer festzustellen.
a. Schale mehr oder minder langgestreckt konisch bis röhrig,
monothalam, am spitzen Ende geschlossen, am breiten geöffnet; frei oder
aufgewachsen.
Jacullela, Brady 1879 (117, 1.).
Frei, langgestreckt. Kammerhöhle ohne labyrinthische Einwüchse,
Länge bis 9 Mm. 1 Art lebend. (Nicht sicher, ob überhaupt zu Rhizo-
poden gehörig.)
Botellina, Carp., Jeffr. u. Thoms. 1870 (Proc. roy. soc. XVIlIl.),
Thoms. (The d. of the sea).
Mit spitzem Ende wahrscheinlich aufgewachsen. Innenfläche mit
labyrinthischen Auswüchsen. 1 Art lebend (bis 25 Mm. lang).
Hyperammina, Brady 1878 (115, 117, 11.).
Frei oder in ganzer Länge aufgewachsen, röhrig, loser Bau. Ge-
schlossenes Ende abgerundet oder zu kugeliger Kammer aufgebläht.
Mündungsende einfach oder sich vielfach verästelnd. Aufgewachsene
Formen mit vielfach unregelmässig hin- und hergebogener Röhre. Länge
bis 16 Mm. Lebende Arten 3. Fossil wahrscheinlich seit Silur. (Die
aufgewachsenen Formen nähern sich sehr Webbina d’Orb.)
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa, 13
194 Rhizopoda.
Haliphysema, Bowerbank 1862.*)
Synon. Squamulina Carter.
Pokal- bis röhrenförmig, mit aboralem, stielförmig ausgezogenem
Ende und verbreiterter, scheibenförmiger Basis aufgewachsen. Mündung
einfach, terminal, oder das orale Ende verästelt ausgewachsen. Schwamm-
nadeln gewöhnlich sehr zahlreich in Schalenwand aufgenommen und
hauptsächlich das orale Ende meist ganz stachelig; bis jetzt nur lebend.
Artenzahl ca. 2.
(Bekanntlich wurde die Gattung Haliphysema von Bowerbank zu-
nächst für eine Schwammform erklärt. Carter hat hingegen 1870 den
Nachweis zu führen versucht, dass dieselbe zu den Rhizopoden gehöre
und sie dem M. Schultze’schen Geschlecht Squamulina eingereiht. Häckel
fand hierauf ganz ähnliche Skeletbildungen bei seinen Physemarien, und
erklärte daher auch die Haliphysema Bowerbank’s und Carter’s als zu
diesen gehörige Formen. Schliesslich wurde durch Kent und weiterhin
bestätigend durch R. Lankester die Rhizopodennatur der Bowerbank’schen
Form sieher erwiesen. Es ist daher zunächst nur die Annahme möglich,
dass thatsächlich äusserlich ganz übereinstimmend sich verhaltende, bis
zur Verwechselung ähnliche Rhizopoden und Physemarien sich finden.)
Pelosina, Brady 1879 (117, L).
Monothalam, kugelig bis röhrenförmig, monaxon, mit terminaler,
auf chitiniger Halsröhre gelagerter Mündung. Wandung dick, aus
Schlamm geformt. Z. Th. zusammenhängende Individuen (jedoch wohl
nur äusserlich). Recent. Arten 2.
b. Schale röhrig; an beiden Enden geöffnet, oder von einer Central-
kammer gebildet, von der zwei oder auch mehr einfache oder verästelte
Mündungsröhren ausgehen. Frei oder aufgewachsen.
Marsipella, Norm. 1878 (A. m. n. h. 5.1.); Brady (117, 1.) (V. 9).
Synon. Proteonina (Will.) Carp. The Microscop 1875.
Freie, geradgestreckte, in Mittelregion etwas verdiekte Röhre; beider-
seits geöffnet, Wand dick. (Länge bis 6 Mm.) Recent. 2 Arten.
Rhabdammina, Sars 1865 (80); Brady (117, 1.) (V. 10).
Frei; kleine Centralkammer mit 2 entgegenstehenden, langen Armen
oder 3—5 strahlenähnlichen. Bis zu 25 Mm. Durchmesser. Recent.
2 Arten.
Astrorhiza, Sandahl 1857 (Ofvers. Kongl. Vet. Ak. Forh. 1857);
Carpenter (Qu. journ. mier. se. XVL.); Leidy (Proc. Ac. Philad. 1875);
Normann (Pr. roy. soc. XXV.); Brady (117, I.) (V. 11).
Synon. Haeckelina Bessels (Jen. Zeitschr. IX.), Astrodiscus F. E. Schulze (103).
*) Die ziemlich beträchtliche Literatur über Haliphysema mag hier kurz angegeben
werden. Bowerbank, Philos. Transact. 1862. British Spongiadae 1865--66. Proc. Zoolog.
soc. 1873. Parfitt, Transact. Devonsh. Assoc. 1868, A. m. n. h. 5. I. Carter, Ann. m, n.h.
4.V. VLXLXX.5.I. Häckel, Jen. Zeitschr. Bd. X. Kent, S,A. m. n.h. 5.1 ulIl.
Normann, A.m.n.h.5.I, Mereschkowsky, A. m, n. h. 5. I. 'R. Lankester, Qu
Im. 26. XIX:
System. 195
Frei; lose oder festere, aus Schlamm oder Sand gebildete Wand.
Scheibenförmige Centralkammer mit bis zu 15 armartigen, strahlenförmig
gestellten Mündungsfortsätzen, oder aber auch z. Th. mit verzweigten,
geweihartigen Armen (A. arenaria Carp.) von sehr mannigfaltiger und
z. Th. sehr unregelmässiger Bildung. Auch eiförmige Kammern mit zahl-
reichen allseitig entspringenden Armen ete. Zuweilen Vereinigung mehrerer
Individuen mittels der Armfortsätze. Recent. Artzahl 4. (Fraglich, ob
die von Carpenter, Normann und Brady hierher gerechneten Formen sich
wirklich zunächst an die A. limicola Sand. anschliessen.)
Aschemonella, Brady (117, I.) schliesst sich Astrorhiza sehr nahe
an; 2 oder mehr Armfortsätze entspringen von dem einen Ende der ovalen
bis spindelförmigen Kammern und endigen frei oder verbinden sich mit
benachbarten Individuen zu mehrkammerigen Gebilden.
Dendrophrya, Wright 1861 (A. m. n. h. 3. VII.).
Lässt sich etwa auffassen als eine Astrorhiza, die mit ihrer Central-
scheibe aufgewachsen ist, und zahlreiche sich frei erhebende, ver-
ästelte oder aber auf der Unterlage hinkriechende Armfortsätze aussendet.
Bis 6 Mm. Durchmesser. Recent. 2 Arten.*)
e. Schale ein vielfach verästeltes, zartes Röhrenwerk darstellend.
Rhizammina, Brady 1879 (117, 1).
Frei; unregelmässig verästeltes Netzwerk oder algenartiges Gewebe
(bis zu 25 Mm. im Durchm. erreichend). Recent. Artzahl 1.
Sagenella, Brady 1879 (117, I.) (V. 16).
Aufgewachsen in ganzer Ausdehnung; dichotomisch verästelt, Aeste
anastomosirend. (Gesammtdurchmesser bis zu 6 Mm.) Recent. Artzahl 1.
d. Mono- bis polythalam, Kammern kugel- bis eiförmig, mit terminaler,
häufig röhrenförmig verlängerter Mündung. Polythalame Formen mit
nodosaria-artig aufgereihten Kammern.
Saecammina, Sars 1865 (80); Brady (117. I.) (V. 13).
Synon. Carteria Brady 1869 (A. m. n. h. 4. VII.).
Char. Frei, mono- oder polythalam. Kammern sphärisch. bis spindel-
und birnförmig; die Kammern der polythalamen Formen durch Ver-
bindungsröhren in gerader Linie nodosaria-artig aufgereiht. (Kammer-
länge bis zu 3 Mm.) Lebende Arten 1. Fossil seit Kohlenformation.
Webbina, d’Orb. 1839; Brady (117, 1.).
Synon. Trochammina P. u. J. (62, XIIL.), Carp. p. p.
Aehnlich Saccammina, jedoch in ganzer Länge aufgewachsen; auf-
gewachsene Fläche ähnlich Nubeecularia unvollständig. Zusammenreihung
der Kammern der polythalamen Formen häufig sehr unriegelmässig werdend.
Recent. Zahl der Arten ca. 2.
*) Dawson führt noch zwei von ihm gefundene Gattungen von Sandrhizopoden auf (91),
Hippocrepina und Rhabdopleura (mit ?), die zwar durch beigefügte Holzschnitte dar-
gestellt, jedoch nicht weiter geschildert werden; wir begnügen uns daher hier mit dem Hin-
weis auf diese Formen,
13*
196 Rhizopoda.
Anhang:
Trochammina, P.u. J. 1859 (62, n.); Carp. (74); Brady (117. 1.).
Bekanntlich wurden die sandschaligen marinen Rhizopoden von P.
u. J., sowie Carpenter in nur 3 Gattungen gebracht und in der Familie
der Lituolida unter den Imperforata zusammengestellt. Von diesen 3 Gat-
tungen hat sich Valvulina als sicher zu den Perforata in die Nähe von
Bulimina gehörig ergeben; die Gattung Lituola wurde schon früher be-
sprochen; die Gattung Trochammina hingegen umschloss eine grosse Zahl
in ihren Gestaltsverhältnissen ungemein verschiedener, mono- und poly-
thalamer Formen, die nur durch die feinere Beschaffenheit ihrer Schalen-
wände zusammengehalten wurden. Dieselben setzen sich nämlich aus
feinen Sandkörnchen zusammen, die so innig verbunden sind, dass die
Aussenfläche der Schale stets glatt, ja z. Th. wie polirt erscheint; auch
die Innenfläche ist glatt und niemals mit labyrinthischen Auswüchsen
bedeckt. Brady hat dieses proteische Geschlecht schon in die Unter-
gattungen Ammodiscus Reuss, Trochammina s. str., Hormosina und
Webbina d’Orb. zerlegt; wir glaubten, wie dies auch schon von Zittel
durchgeführt wurde, diese einzelnen sogen. Untergattungen denjenigen
kalkschaligen Formen anschliessen zu sollen, denen sie durch ihre Gestalt-
bildung am nächsten kommen. Es bliebe hiernach nur die sogen. Unter-
gattung Trochammina s. str. Brady übrig (da Hormosina im Anschluss
an die Nodosarien besprochen werden wird). Diese umfasst polythalame,
rotaloid, trochoid oder nautiloid aufgerollte Formen, die sich in ihrer
Gestaltung z. Th. den kalkschaligen Rotalinen oder Nonioninen, z. Th.
auch Pullenia, Globigerina und Haplophragmium so nahe anschliessen,
dass wir sehr geneigt sind, sie in die Nähe dieser zu stellen. Da wir
jedoch keine eigenen Erfahrangen über diese Formen besitzen, so glauben
wir zunächst auf diese Verhältnisse nur hinweisen zu sollen und
hoffen, dass künftige Untersuchungen über die Stellung dieser Formen
wohl bald entscheiden werden. Wahrscheinlich wird wohl das Genus
Trochammina am besten gänzlich eingezogen werden.
I. Unterordnung Perforata, Carp. 1862 (+ pars Lituolidarum).
Grossentheils kalkschalig, hyalin und perforirt; zum kleineren Theil
hingegen sandig und zwar bis zur völligen Verdrängung und Schliessung
der Poren. Mono- und polythalam.
Gruppe Lagenidae, Carp. 1862.
Mono- und polythalam. Wände hyalin und sehr fein perforirt. Poly-
thalame Formen mit einfach gebauten Scheidewänden, da die Wandung
jeder neuen Kammer nicht allseitig gebildet wird, sondern der hintere
Abschluss von dem zur Scheidewand werdenden Vordertheil der vorher-
gehenden Kammer formirt wird. Eigentliches sogen. Zwischenskelet und
System. 197
Kanalsystem fehlt daher, hingegen Auflagerungen von nicht perforirter
secundärer Schalensubstanz recht verbreitet. Mündung gewöhnlich
charakteristisch, etwas röhrenförmig verlängert und meist von radialen,
strahlenartigen Furchen umstellt.
1. Familie. Rhabdoina, M. Sch. 1854.
Char. Mono- und polythalam. Polythalame Formen durch gerade
oder schwach gebogene bis spiralig eingerollte Aufreihung der Kammern
gebildet.
Lagena, Walker u. Jacobs 1784; Williamson (An. m. n. h. 2. 1.);
Reuss (Sitzb. d. Ak. Wien 1863); Jones, O. R. (Transact. Lin. soc. XXX.)
(VII. 2—22). |
Synon.*) Serpula (Lagena) W. u. J., Vermiculum Montagu, Serpula. Maton a.
Rackett, Pennant, Turton, Lagenula Montfort, Fleming etc., Oolina d’Orbigny,
Reuss etc., Miliola, Cenchridium Ehrbg., Entosolenia Ehrbg., Will., Ovulina
Ehrbg. etc., Apiopterina p. p. Zborz., Fissurina Reuss etc., Amphorina d’Orb. etc.,
Amygdalina, Phialina Costa, Seguenza, Tetragonulina, Trigonulina, Obliquina
Seguenza.
Char. Einkammerig, frei, kalkig, monaxon. Ei- bis spindelförmig.
Meist eine polare Mündung, selten beiderseits geöffnet. Skulpturverhältnisse
sehr mannigfaltig. Mündung z. Th. in nach Innen tief hinabsteigende
Röhre ausgewachsen (Entosolenia); zuweilen bei starker Schalenabplattung
spaltartig (Fissurina). Lebende Arten sehr zahlreich (ca. 40 —50). Fossil
seit Kohlenformation.
Nodosarina, P. u. J., Carp. 1862.
Frei, polythalam, kalkig. Kammern in gerader bis schwach bogiger
Axe aufgereiht. Mündung terminal oder etwas seitlich gerückt.
Untergenera von Nodosarina:
Nodosaria, Lamek. 1816 (VIII. 14).
Synon. Nautilus Linn& etc., Orthoceras Gualtieri etc., Orthocera Lamck. etc.
Schale eylindrisch bis schwach konisch, Kammern in gerader Axe
aufgereiht, sich nicht umfassend oder durch Verbindungsröhren getrennt.
Mündung central. Fossil bis zu 1 Zoll lang. Lebende Arten ca. 12.
Fossil seit Dyas (Kohlenformation ?).
Lingulina, d’Orb. 1826 (VII. 23).
Geradaxig; parallel der Axe stark comprimirt, Mündung daher schlitz-
förmig. Kammern dicht aufeinandergepresst bis etwas umfassend. Lebend
ca. 2 Arten. Fossil seit Trias. (Lingulinopsis Reuss ausgezeichnet durch
spiralige Einrollung der Anfangskammern.)
Glandulina, d’Orb. 1826 (VII. 25).
Synon. Nautilus (Örthoceras) Batsch.
Von Nodosaria unterschieden durch Umfassung der vorderen Hälfte
*) Nach Parker u. Jones (81).
198 Rhizopoda.
der älteren Kammern von Seiten der jüngeren. Gesammtgestalt etwa
eiförmig. Lebende Arten ea. 1. Fossil seit Trias. (Psecadium Reuss
wird durch etwas gebogene Schalenaxe charakterisirt.)
Orthocerina, d’Orb. 1826.
Synon. Triplasia Reuss, Rhabdogonium Reuss.
Geradegestreckt, Kammern dicht aufeinandergesetzt, sich ziemlich,
rasch vergrössernd. Querschnitt drei- oder vierseitig, daher Gesammt-
gestalt etwa umgekehrt drei- oder vierseitige Pyramide. Mündung einfach
rund. Lebende Arten 1. Fossil seit ob. Jura. (Dentalinopsis Reuss ist
eine Orthocerine mit Uebergang in dentalina-artig gebogenes Wachsthum.
Kreideformation.)
Dentalina, d’Orb. 1826.
. Synon. ÖOrthoceras, Nautilus, Orthocera u. Nodosaria Autor. p. p.
Ganz ähnlich Nodosaria, jedoch Axe schwach bogig gekrümmt; Mün-
dung fast stets excentrisch an die concave Krümmungsseite gerückt.
Lebende Arten ca. 14. Fossil seit Dyas (Kohlenformation ?).
Vaginulina, d’Orb. 1826.
Synon. Örthoceras, Nautilus, Örthocera Autor., Dentalina Will. p. p., Spirolina
Brown, Citharina d’Orb.
Unterscheidet sich von Dentalina hauptsächlich durch seitliche Com-
pression, schwach gebogen bis nahezu gerade. Lebende Arten ca. 8.
Fossil seit Rhät. Stufe.
Rimulina, d’Orb. 1826 (VII. 24).
Wie Vaginulina. Mündung jedoch schlitzförmig und auf die convexe
Krümmungsseite der Kammern verlängert. Lebende Arten 1. Fossil seit
Tertiär.
Frondicularia, d’Orb. 1826; Reuss (Sitzb. d. k. böhm. Ges. 1860).
Synon. Mucronina d’Orb.
Aehnlich Glandulina, jedoch Umfassung der Kammern noch voll-
ständiger bis zu gänzlichem Einschluss der älteren durch die jüngeren.
Parallel der Hauptaxe sehr stark blattförmig comprimirt. Mündung ein-
fach, terminal, eng. Lebende Arten ca. 7. Fossil seit Rhät. Stufe.
Flabellina, d’Orb. 1839; Brady (117, IL.) (VII. 26).
Unterscheidet sich von der vorhergehenden Gattung durch spiralige
Einrollung oder unregelmässige Zusammenhäufung der Anfangskammern.
Lebende Arten 2. Fossil seit Trias.
Marginulina, d’Orb. 1826,
Synon. Nautilus, Orthoceras, Örthocera, Cristellaria, Orthocerina, Hemicristel-
laria Autor.
Unterscheidet sich von Dentalina und Vaginulina durch die spi-
ralige Einrollung der Anfangskammern. Mündung excentrisch und auf
die convexe Krümmungsseite der Schale gerückt. Uebergangsform
zwischen Dentalina und Cristellaria. Lebende Arten ea. 9. Fossil seit Trias.
System. 199
Cristellaria, Lamck. 1816 (VII. 27, VIII. 10).
Synon. Nautilus Aut. p. p., Lenticulites u. Lenticulina Lamck. etc., Polystomella
Lamck., Nummularia p. p. Sorby, Nummulina p. p. d’Orb., 16 verschiedene Genera
bei Montf., Planularia, Saracenaria Defr., d’Orb., Robulina d’Orb. etc, Hemicristel-
laria, Hemirobulina Stache.
Völlig spiralig symmetrisch eingerollt und involut; Septen und
daher auch Kammernähte recht schief nach vorn zur Spiralaxe ge-
neigt. Kammerzahl der Umgänge ca. 8—9. Mündung nodosaria-artig,
am peripherischen convexen Krümmungsrand gelegen; zuweilen schlitz-
förmig bis dreiseitig (Robulina d’Orb.). Häufig Kiel oder Nabelknopf.
Lebende Arten ca. 20. Fossil seit Trias.
Anhang zur Familie der Rhabdoina.
Conulina, d’Orb. 1839.
Frei, kalkig; Kammern zahlreich nodosaria-artig in gerader Axe autf-
gereiht, sehr niedrig und rasch in die Breite wachsend, daher Gesammt-
gestalt etwa umgekehrt konisch. Statt einfacher Mündung zahlreiche
Poren auf Endfläche. (Zugehörigkeit zu Perforata bis jetzt noch nicht
constatirt.) 1 Art lebend. Kreideformation?
Wir schliessen hier ferner noch eine Anzahl sandschaliger Formen
an, die von den englischen Forschern gewöhnlich als Untergeschlechter
der Gattungen Lituola und Trochammina betrachtet und auch dem-
entsprechend als imperforat bezeichnet werden. Die grosse Ueberein-
stimmung in den allgemeinen Bau- und Wachsthumsverhältnissen, welche
diese Formen z. Th. wenigstens mit den kalkschaligen Nodosarien zeigen,
lässt ihre einstweilige Einreihung an dieser Stelle nicht ungerechtfertigt
erscheinen.
Hormosina, Brady 1879 (117, L.) (V. 15).
Frei, monotbalam, lagena-artig; oder polythalam nodosaria-artig.
Feinsandig glatt, daher von Brady als Untergeschlecht von Trochammina
betrachtet. Recent. 2 Arten.
Reophax, Montf. 1808; Brady (105 u. 117, I.) (V. 8 u. 14).
Synon. Lituola p. p. P. u. J., Carp., Dentalina Aut. p. p.
Frei, monothalam lagena artig, oder polythalam nodosaria-artig, gerade
bis gekrümmt. Rauhsandig. Mündung einfach; Kammerhöhlungen ohne
labyrinthische Einwüchse. Lebende Arten ca. 7. Geolog. Verbreitung?
Haplostiche, Reuss 1861.
Wie Reophax, jedoch Kammerhöhlungen durch labyrinthische Ein-
wüchse in zahlreiche unregelmässige Kämmerchen getheilt; Mündung daher
dendritisch bis zusammengesetzt. Recent? Fossil Dyas.
Polyphragma, Reuss.
Synon. Lichenopora Reuss.
Aehnlich Haplostiche, jedoch mit Anfangsende festgewachsen. Mündung
siebförmig. Fossil. Kreideformation. (Noch zweifelhafter hinsichtlich
200 Rhizopoda.
ihrer Stellung sind die beiden von Brady aus der Kohlenformation und
dem Dyas beschriebenen sandschaligen Gattungen Nodosinella und
Stacheia (105), wir versuchen es hier nicht, dieselben zu charakterisiren.)
2. Familie. Polymorpbhinina.
Char.‘ Polythalam, kalkig; Kammern in hoher Schraubenspirale
aufgerollt, mit mehr oder weniger deutlicher zwei- bis dreizeiliger An-
ordnung.
Polymorphina, d’Orb. 1826 (emmend. Br., P. u. J. Transact. Linn.
soc. XXVIL); Aleock (Qu. j. m. se. VII. u. Mem. of litter. a. philos. soc.
Manchester III.) (VIII. 4).
Synon.*) Polymorphium Soldani p. p., Serpula W. u. J., Anthusa, Cantharus,
Misilus Montf., Renoidea Brown p. p., Aulostomella Alth., Raphanulina, Apiopterina
p. p. Zborz., Prosoporus, Grammostomum, Strophoconus, Bigenerina, Vaginulina,
Pleurites, Sagrina, Sphaeroidina p. p. Ehrbg., Globulina, Guttulina, Pyrulina d’Orb.,
Rostrolina, Atractolina v. Schlicht.
Meist frei; Kammern mehr oder minder deutlich zweizeilig geordnet
und ziemlich schief zur Hauptaxe, blasig aufgetrieben oder Schale
äusserlich gleichmässig abgerundet. Jüngere Kammern die älteren in
sehr verschiedenem Grad überdeckend. Mündung rundlich bis spalt-
förmig, meist etwas zitzenförmig verlängert (lagena-artig), am vorderen
Ende der Kammern ziemlich axial gelegen. Aeussere Sculpturen mannigfach,
z. Th. abnorme Wachsthumserscheinungen. Lebende Arten ca. 22. Fossil
seit Trias (Silur?).
Untergattung Dimorphina, d’Orb. 1826.
Synon. ÖOrthoceratium Sold. p. p.
Von Polymorphina unterschieden durch den Uebergang der jüngeren
Kammern in gestreckt einzeiliges, nodosaria-artiges Wachsthum. Lebende
Arten 1. Fossil seit Tertiär.
Uvigerina, d’Orb. 1826 (VII. 31). Untergattung Sagrina (Sagraina)
d’Orb. 1839.
Synon. Polymorphium Soldani p. p.
Frei. Mehr oder minder deutlich dreizeilig, jedoch zuweilen mit
Uebergang der jüngeren Kammern in zwei- und einzeiliges nodosaria-
artiges Wachsthum (Sagrina d’Orb.). Mündung lagena-artig. Zahl der
lebenden Arten ca. 14.
Familie Globigerininae, Carp. 1862 (p. p.).
Char. Mono- bis polythalam, chitinös, kalkig, (hyalin) oder sandig;
Perforation gewöhnlich (jedoch keineswegs durchaus) grob und ziemlich
weit gestellt. Mündung im Gegensatz zu den Lagenidae gewöhnlich
schlitzförmig und nicht röhrenförmig ausgezogen. Scheidewände fast stets
*) Nach Brady, P. u. J. I. c.
System. 201
einfach und daher Kanalsystem und sogen. Zwischenskelst nur bei einigen
Formen entwickelt. (Wie sich aus dieser Aufzählung ergibt, ist es nicht
wohl möglich, diese immerhin recht natürlich erscheinende Formenreihe
durch gewisse feststehende Charaktere scharf zu definiren.)
Unterfamilie Globigerinae, Carp. 1862 (p. p.).
Monothalam oder polythalam und dann die in niedriger Schrauben-
spirale oder symmetrischer Spirale aufgerollten Kammern blasig, Kkugelig
aufgetrieben und gewöhnlich (jedoch nicht immer) die Kammermündungen
getrennt in gemeinsame Nabelhöhle mündend.
Microcometes, Cienk. 1876 (104a); Entz (110) (IV. 5).
Schale kugelig, häutig (chitinös) mit 1—5 (häufig 3) porenartigen
Mündungen. Thierkörper füllt die Schale nicht aus. Pseudopodien lang,
verästelt oder unverästelt, nicht anastomosirend. 1 Nucleus; contraetile
Vacuolen mehrfach. Lebende Arten 2. Süsswasser und Salzteich bei
Klausenburg.
? Orbulina, d’Orb. 1839; Pourtales (Sillim. americ. j. 1858);
M. Schultze (Arch. f. Nat.-G. 1860 I.); Reuss (Sitzber. d. k. böhm. Ges.
1861); Wallich (s. b. Globigerina); Owen (J. Linn. soe. Zool. IX.); Aleock
(Mem. lit. a. philos. soc. Manchester III.); Thomson a. Murray (Proc. roy.
soc. 23); Brady (117, II.) (VII. 30).
Synon. Sphaerula Sold.
Homaxon, kugelig. Zweierlei Poren, zahlreichere feinere und gröbere,
weitergestellte. Grössere Kammeröffnung meist feblend (ihr Vorkommen
überhaupt nicht ganz sicher). Aeusserlich im intakten Zustand meist
lang bestachelt (ob immer?). Häufig eine kleinere Globigerinaschale ein-
schliessend. Lebende Arten 2. Fossil seit Rhät. Stufe. (Ueber die Be-
rechtigung der Trennung dieser Formen von Globigerina sind, wie schon
früher bei Gelegenheit der morphologischen Besprechung des Schalenbaues
und der Fortpflanzung näher ausgeführt wurde, die Ansichten sehr getheilt.
Brady (117, II.) führt sie neuerdings als Untergeschlecht von Globigerina
auf. Wenn jedoch, wie Carpenter und andere Beobachter versichern,
häufig keine innere Globigerinaschale zu finden ist, so könnte bis auf
weiteres wenigstens für solche Formen die Gattung Orbulina reservirt
werden.)
Globigerina, d’Orb. 1826; Wallich (Deep sea research. London
1876); Thomson and Murray (Proc. roy. soc. 23); Brady (117, 1I.);
Hertwig (Jen. Zeitschr. XI.) (VIII. 9).
Synon. Polydexia Ehrbg., Rhynchospira Ehrbg., Coscinospira Stuart.
Polythalam, kalkig, Kammern kugelig; meist in flacher Schrauben-
spirale aufgerollt und die Kammern rasch an Grösse wachsend. Zu-
weilen jedoch nahezu oder völlig symmetrisch spiralig. Halbmond-
förmige Mündungen entweder sämmtlich in die weite Nabelhöhle getrennt
führend, oder nur die der letzten Kammer frei und unbedeckt. Zuweilen
auf Oberseite accessorische Kammermündungen in verschiedener Zahl
202 Rhizopoda.
auftretend. Meist äusserlich lang bestachelt (ob immer?). Lebende Arten
ca. 13. Fossil seit Trias.
Untergenus Hastigerina, Wyw. Thomson 1876 (IX. 1).
Synon. Nonionina (pelagica) d’Orb., Globigerina P. u. J.
Aehnlich Globigerina; symmetrisch spiralig, gänzlich involut, Mündung
der letzten Kammer allein nach aussen geöffnet, gross. — Lang gestachelt.
Lebende Arten ca. 1—2. Fossil?
Candeina, d’Orb. (Mod. 1826) 1846; Brady (117, 11.).
Polythalam, kalkig, schraubenspiralig (3 Kammern gewöhnlich auf
1 Umgang). Kammern kugelig und rasch anwachsend. Statt einfacher
Mündung Reihen von grossen Poren längs der Kammernähte. Recent.
Artzahl 1.
Cymbalopora, Hagen. 1850 (IX. 4).
Synon. Rosalina d’Orb. p. p.
Char. Kalkig, frei, feinporös, globigerina-artig schraubenspiralig
beginnend, jedoch in eyklisches Wachsthum übergehend. Gesammtgestalt
flach kegelförmig mit tiefer Nabelhöhle. Kammeröffnungen führen getrennt
in diese Nabelhöhle. Lebende Arten ca. 4. Fossil seit Kreide.
Carpenteria, Gray 1858; Carpenter (57, 4. ser., 74); Carter (A. m.
n. h. 4. XVII. XIX. XX.); Möbius (Palaeontographica XXV.) (IX. 2).
Synon. Raphidodendron (Möbius) Carp.
Kalkig, aufgewachsen. Kammern schraubenspiralig aufgerollt bis
sehr unregelmässig. Gesammtgestalt etwa kegelförmig, Kammeröff-
nungen führen in axialen Centralraum, der auf freiem Kegelende mündet.
Zuweilen diese Mündung in einfache oder baumförmig verästelte Röhre
auswachsend. Kammern durch Secundärsepten mehr oder minder unter-
getheilt. Hauptscheidewände doppelt und Kanalsystem schwach entwickelt.
Recent. Arten ca. 2—3.
‘° Anhang zur Unterfamilie der Globigerinae.
Wir reihen hier noch eine Anzahl bezüglich ihrer Stellung zweifel-
hafter Sandıhizopoden an, die einen orbulina-artigen Bau zeigen.
Psammosphaera, F. E. Sch. 1875 (103); Brady (117, I.) (V. 6).
Frei oder aufgewachsen, sphärisch, ohne grössere Mündungsöffnung.
Wand dick, äusserlich rauh. 2—4 Mm. Durchm. Recent. 1 Art.
Stortosphaera, F. E. Sch. 1875 (103).
Frei, sphärisch; äusserlich von diechtstehenden, nicht geöffneten
Zacken bedeckt. Ohne Schalenmündung. Recent. 1 Art.
Thurammina, Brady 1879 (117, I.) (V. 5).
Synon. Lituola Carp. (The Microsc. 5. edit.).
Meist frei; monothalam, sphärisch; mit oder ohne Hauptmündung
auf kurz röhrenförmigem Hals; stets jedoch noch in verschiedener
Zahl auf Tuberkeln über die ganze Schale verbreitete Nebenmiün-
System. 203
dungen. Zuweilen mehrere Individuen äusserlich zusammenhängend.
Feinsandig. Recent. Artzabl 3.
Sorosphaera, Brady 1879 (117, 1.).
Frei; polythalam; Kammern sphärisch bis etwas unregelmässig. In
unregelmässig acervuliner Weise zusammengehäuft, Kammer hierbei z. Th.
nur halbkugelig ausgebildet. Keine Mündungen oder Communikationen
zwischen den Kammern. Durchm. 4—5 Mm. Recent. 1 Aıt.
Unterfamilie Cryptostegia, Reuss 1861.
Kalkig, frei, hyalin, feinporös; polythalam. Kammern etwa ovoid,
völlig oder doch sehr involut. In gerader Axe aufgereiht oder zwei- bis
dreizeilig geordnet. Mündung quer schlitzförmig, an einem Pol der
Kammern gelegen.
Ellipsoidina, Seguenza; Brady (A. m. n. h. 4. 1.).
Kammern in gerader Linie aufgereiht, die jüngeren die älteren
successive völlig umfassend und einschliessend, durch eine säulenartige
Verbindung ihrer vorderen Pole zusammenhängend. Mündungen der
Kammern am vorderen Pol, an der Basis dieser Säule, schlitzförmig und
durch Querbrücken in eine Anzahl secundärer Oeffnungen getheilt.
Fossil. Miocän (1 Art).
Chilostomella, Reuss 1849; Brady (117, I1.).
Kammern ovoid, sich nahezu völlig umfassend, alternirend zwei-
zeilig geordnet, so dass die schlitzförmigen, queren 'Mündungen bald
an dem einen, bald an dem andern Pol der Schale liegen. (Allgemeine
Bauverhältnisse ganz entsprechend der sogen. Uniloculina unter den Im-
perforata.) Lebende Arten 1. Fossil seit Tertiär.
Allomorphina, Reuss 1849; Brady (117, 11.).
Aehnlich Chilostomella und verhält sich zu dieser etwa so, wie
Triloeulina zu Uniloculina. Also Kammern sich weniger umfassend und
äusserlich 3 sichtbar. Lebende Arten 1. Fossil seit oberer Kreide-
formation.
Unterfamilie Textularidae, Carp. 1862.
Polythalam, kalkig und sandig; in meist hoher Schraubenspirale
zwei-, mehrzeilig oder ohne Ausprägung von Zeilen aufgerollt. Meist
ziemlich grob perforirt.
Textularia, Defr. 1828 (Textilaria); Parker u. J. (62, h.).
Kammern alternirend zwei-, selten dreizeilig entlang der Hauptaxe
aufgereiht. Gesammtgestalt stets mehr oder weniger umgekehrt kegel-
bis keilförmig. Mündung meist an Basis der axialen Kammerfläche,
halbkreisförmig bis halbmond- und schlitzförmig, seltener mehr terminal.
204 Rhizopoda.
Untergattungen:
Textularia s. str. (VII 5).
Synon. Polymorphium Sold. p. p., Loxostomum, Clidostomum, Rhynchoplecta,
Proroporus p. p. Ehrbg.
Regulär zweizeilig, häufig stark in der Medianebene beider Kammer-
reihen abgeplattet, Mündung meist normal. Grössere Formen häufig etwas
sandig. Lebende Arten ca. 25. Fossil seit Kohlenformation. (Plecanium
nannte Reuss sandschalige, echte Textularien.)
Bigenerina, d’Orb. 1826.
Synon. Gemmulina d’Orb.
Aehnlich Textularia, jedoch jüngere Kammern in einreihiges Wachs-
thum übergehend. Meist etwas sandig. Lebende Arten ca. 5. Fossil
seit Kohlenformation. (Climacimma nennt Brady (105) bigenerina-artige
und angeblich imperforirte, innerlich labyrinthische Formen der Koblen-
formation.)
Grammostomum, Ehrbge.
Synon. Vulvulina d’Orb.
Regulär zweizeilig; sehr stark comprimirt. Mündung spaltförmig
parallel der Abplattungsebene. Lebende Arten ca. 4. Fossil seit Kohlen-
formation. (Schizophora Reuss unterscheidet sich von Grammostomum
durch Uebergang in einzeiliges Wachsthum. Tertiär.)
Verneuilina, d’Orb.
Synon. Tritaxia Reuss.
Dreizeilig., Mündung axial oder terminal. Gaudryina d’Orb.
(emmend. P., J. u. Carp.) ist eine Verneuilina mit Uebergang in zwei-
zeiliges, Clavulina d’Orb. (emmend. P., J. u. Carp.) hingegen mit Ueber-
gang in einzeiliges Wachsthum. Lebende Arten ca. 8. Fossil seit Kreide-
formation.
Cuneolina, d’Orb. 1839.
Frei; Textularia mit starker Abplattung, jedoch senkrecht zu der bei
Textularia gewöhnlichen Richtung. Jüngere Kammern rasch sich ver-
breiternd, daher Gesammtgestalt fächerförmig. Statt einfacher Mündung
eine Reihe grosser Poren. Lebende Arten 1. Fossil seit Kreideformation.
Pavonina, d’Orb. 1826; Brady (117, IL.) (VIII. 13).
Anfangskammern textularia-artig aufgereiht; spätere einzeilig; sehr
stark abgeplattet und sich sehr rasch verbreiternd; Gesammtgestalt daher
fächerförmig. Statt einfacher Mündung 1 Reihe von Poren auf der End-
fläche. Recent. 1 Art.
Bulimina, d’Orb. 1826.
Frei, kalkig oder etwas sandig; in hoher Schraubenspirale aufgerollt
mit 2 bis zahlreichen Kammern auf 1 Umgang; wenig bis recht involut.
Gesammtgestalt stets ziemlich gestreckt kegelförmig bis eylindrisch. Be-
sonders charakteristisch Mündung. Der Windungsaxe zu gerichtet und
System. . 205
parallel dieser meist länglich schlitzförmig ausgezogen. Vorderes Ende
des Schlitzes häufig etwas erweitert, dann etwa kommaförmige Gestalt
der Mündung; Ränder häufig lippenförmig aufgewulstet und etwas über-
einander geschoben. Fossil seit Triasformation.
Untergenera:
Bulimina s. str.
Deutlich sehraubenspiralig, zuweilen, jedoch wenig deutlich, Neigung
zu drei- oder zweizeiliger Anordnung, z. Th. sogar in einreihige über-
gehend. Zuweilen Neigung zur Involubilität. Lebende Arten ca. 13.
(Ataxophragmium nennt Reuss sandige Buliminen.)
Robertina, d’Orb. 1846, soll sich nach d’Orbigny hauptsächlich
dadurch von Bulimina unterscheiden, dass die Kammern noch durch eine
secundäre Scheidewand untergetheilt werden. (Carp. definirt hingegen
dieses Untergenus etwas anders.) Lebend.
Virgulina, d’Orb. 1826.
Synon. Grammobotrys Ehrbg.
Dünne, kalkige, langgestreckte Schale, mehr oder weniger deutlich
zweizeilig. Lebende Arten ca. 3.
Bolivina, d’Orb. 1839.
Ganz regelmässig zweizeilig, jedoch Mündung ganz bulimina-artig.
Lebende Arten ca. 6.
Valvulina, d’Orb. 1826 (VII. 34—36).
Synon. Clavulina, Virgulina, Robertina, Bolivina d’Orb. p. p.
Frei oder angewachsen; sandig (in der Jugend jedoch deutlich hyalin
und perforirt). Schraubenspiralig und häufig dreizeilig. Gesammtgestalt
dreiseitig pyramidal, kegel- oder kreiselförmig. Zuweilen auch ins ein-
zeilige übergehend (Clavulina d’Orb. p. p.). Mündung gewöhnlich bogen-
förmiger Schlitz mit zungenförmigem Vorsprung des einen Randes (Haupt-
charakter). Lebende Arten ca. 10. Fossil seit Kohlenformation.
Chrysalidina, d’Orb. 1846.
Kalkig, frei, regulär dreizeilig, Kammern sehr niedrig und sehr
schief zur Hauptaxe gerichtet. Aeussere Kammernähte hingegen hori-
zontal. An Stelle grösserer Mündung eine Anzahl grober Poren. Lebende
Arten 1. Fossil seit Kreideformation.
Cassidulina, d’Orb. 1826 (VIII. 6).
Kalkig, frei, feinporös; Kammern textularia-artig, zweizeilig auf-
gereiht, jedoch Aufreihungsaxe nicht gerade gestreckt, sondern spiralig
symmetrisch oder ganz niedrig schraubig aufgerollt. Letzter Umgang die
vorhergehenden einhüllend. Mündung lang schlitzförmig, asymmetrisch
gelegen. (Untergatt. Ehrenbergina Reuss (VII. 33), hier die spiralige
Einrollung auf Anfangstheil der Schale beschränkt.) Lebende Arten ca. 6.
Fossil seit Miocän.
206 Rhizopoda.
Unterfamilie Rotalinae, Carp. (74); Parker u. J. (Qu. journ. geol.
soc. 1872).
Polythalam, gewöhnlich grobperforirt; kalkig (jedoch wohl nicht
durchaus); niedrig schraubenspiralig aufgerollt, so dass auf der apicalen
Fläche sämmtliche Kammern, auf der basalen hingegen nur die des letz-
ten Umgangs sichtbar sind. Zuweilen jedoch auch zu völlig symmetri-
scher Aufrollung übergehend. Bald die apicale, bald die basale Seite
mehr hervorgewölbt. Mündung meist schlitzförmig, bald mehr auf die
apicale, bald mehr auf die basale Fläche gerückt. Scheidewände gewöhn-
lich einfach, nur bei Rotalia doppelt und mit Kanalsystem. Häufig in
abnorme Wachsthumsverhältnisse übergehend.
Discorbina, Lamck. (P. u. J. emmend.) 1804 (IX. 6).
Synon. Discorbites, Rotalia, Rosalina, Valvulina, Asterigerina, Anomalina und
Globigerina d’Orb. p. p., Rotalia Will. p. p.
Frei, kalkig, niedrige Schraubenspirale mit mehr oder weniger empor-
gewölbter Apicalseite. Basalseite flach, Kammern sphärisch, meist auf-
gebläht. Ziemlich grob porös. Mündung excentrisch, hauptsächlich auf .
Basalseite, schlitzförmig. Nabelhöhle der Basalseite meist von nicht per-
forirter Kalkmasse erfüllt oder von Lamelle solcher überdeckt, welche
sternartige Fortsätze in die Septalfurchen aussendet. (Asterigerina d’Orb.)
Lebende Arten ca. 20. Fossil seit Kreideformation.
Planorbulina (d’Orb. 1826), P. u. J. (IX. 3).
Synon. Planorbulina, Rotalia, Rosalina, Anomalina, Truncatulina, Planulina,
Gyroidina d’Orb. p. p, Acervulina M. Sch.
Kalkig, recht grob porös (vielleicht bezeichnendster Charakter für
diese Formen); aufgewachsen mit apicaler Fläche; diese daher abgeplattet,
während basale Fläche mehr oder minder hervorgewölbt. Mündung
schlitzförmig, auf basale Fläche gerückt.
Untergattungen:
Planorbulina s. str.
Synon, Siphonia Reuss, Acervulina M. Sch.
Flach aufgewachsen, Kammern ziemlich blasig aufgetrieben. Nach
einer Anzahl von Umgängen in mehr oder weniger eyklisches Wachs-
thum tbergehend, wobei die Zahl der Kammermündungen sich vermehrt.
Lebende Arten ca. 15. Fossil seit Lias. (Acervulina M. Sch. ist eine
aus sehr unregelmässig übereinandergethürmten Kammern bestehende
Planorbulina, und auch die neuerdings von Carter beschriebene Aphrosine
(Journ. mier. soe. Vol. II.) scheint nur eine etwas unregelmässig wachsende
Planorbulina zu sein.)
Truncatulina, d’Orb. 1826 (emmend. P. u. J.).
Synon. Lobatula Flem., Polyxenes, Cibicides, Aspidospira, Aristerospira Ehrbg.
Nicht eyklisch auswachsend. Zur Anheftung dienende Apicalfläche
abgeflacht, freie Basalfläche stark convex hervorgewölbt. Mündung
System. 207
charakteristisch (vergl. frühere Beschreibung). Lebende Arten 4. Fossil
seit Kohlenformation.
Anomalina, d’Orb. 1826.
Nahezu symmetrisch spiralig, bald mehr planorbulina-, bald mehr
truncatulina-artig. Lebende Arten 2.
Planulina, d’Orb.
Nahezu symmetrisch und sehr stark scheibenförmig abgeflacht, nicht
eyklisch auswachsend. Lebende Arten 1.
Pulvinulina (d’Orb. 1826), P. u. J. emmend. (IX. 5).
Synon. Rotalia, Planorbulina, Valvulina, Nonionina d’Orb. p. p.
Frei, kalkig, fein porös (sehr wichtiger Charakter). Apicalfläche
meist kegelförmig erhaben, Basalfläche mehr oder weniger convex. Z. Th.
jedoch auch sehr niedergedrückt. Kammerzahl mässig gross, Nabel der
Basalfläche häufig ausgefüllt, ebenso die Kammernähte; häufig gekielt.
Mündung auf Basalfläche schlitzartig. Jüngere Kammern zuweilen in eine
Art eyklisches Wachsthum übergehend (vermiculat). Lebende Arten ca. 30.
Fossil seit Kohlenformation.
Rotalia (Lamek. 1801) P. u. J. emmend.; Williamson (Transact.
mier. soc. 2. s. I.) (IX. 3).
Synon. Nautilus Aut. ant. p. p., Rotalia, Rosalina, Gyroidina. Asterigerina und
Calcarina d’Orb. p. p.
Frei, kalkig; feinporös; Kammerzahl der Umgänge ziemlich gross;
apicale Seite flach öder wenig erhoben, Basalseite ziemlich flach bis
kegelförmig erhoben. Mündung wenig asymmetrisch gelegen bis ganz
auf Basalseite gerückt. Nabel und Kammernähte häufig von nichtperfo-
rirter Schalenmasse erfüllt. Septen doppelt, mit wohlausgebildetem Kanal-
system. Lebende Arten ca. 13. Fossil seit Kreideformation. (Oberer
Jura?)
Calcarina, d’Orb. 1826; Carp. (57, 4. s.) (IX. 7).
Synon. Siderolithes Lamck., Siderolina d’Orb., Siderospira, Pleurotrema Ehrhg.
Frei, kalkig, niedere Schraubenspirale, mit wenig sich verdeckenden
Umgängen. Hauptcharakter allseitige Umhüllung durch secundäre, von
zahlreichen Kanälen (sogen. Kanalsystem) durchzogene Schalensubstanz,
die hauptsächlich peripherisch in mehr oder minder zahlreiche einfache
oder verzweigte lange Stacheln auswächst. Mündung an Basis der ein-
fachen Septen, gewöhnlich in einer Reihe von groben Poren untergetheilt.
Lebende Arten ca. 4. Fossil seit Kreideformation (Kohlenform.? Brady).
Anhang zur Unterfamilie der Rotalinae:
Sandschalige Rotalinen. Es wurde schon früher bemerkt, dass
eine Anzahl der sandschaligen, gewöhnlich dem Genus Trochammina bei-
gerechneten Formen wahrscheinlich zu den Rotalinen zu stellen sind.
208 Rhizopoda.
Polytrema, Risso 1826; Blainv. 1834; M. Schultze (Arch. f. Nat.-G.
1863, I.); Carpenter (74 u. A. m. n. h. 4. XVII); Carter (A. m. n. h. 4.
RWIL: XIX. IR AIR TI,
Synon. Millepora Pallas, Linne, Esper, Lamck., Pustularia Gray. '
Kalkig, aufgewachsen, polythalam spiralig beginnend und hierauf in
sehr eigenthümlicher Weise weiterwachsend. Gesammtgestalt baumförmig,
mit mehr oder weniger ästig verzweigtem Distalende. Enden der Aeste
geöffnet. Meist roth gefärbt. (Ueber die feineren Bauverhältnisse vergl.
die früher gegebene Beschreibung.) Recent. 1 Art. (Verwandtschaftliche
Beziehungen bis jetzt noch wenig aufgeklärt, von Carpenter, P. u. J. als
eine modifieirte Rotaline, etwa von Planorbulina sich ableitend, betrachtet.
Doch ist die feinere Bauweise so eigenthümlich, dass mir diese Auffassung
sehr fraglich erscheint.)
? Parkeria, Carp. 1869 (88); Carter (A. m. n. h. XIX) (V. 23).
Frei; nach Carp. kalksandschalig, nach Carter kalkigfaserig, nicht
sandig. Kugelig bis linsenförmig (bis zu 50 Mm. im Durchm.). Aus
zahlreichen concentrischen Lamellen, die durch radiäre Pfeiler verbunden
werden, zusammengesetzt. Ohne grössere Kammermündung. Im Centrum
eine Anzahl in gerader Linie hintereinanderliegender Embryonalkammern,
die von Carter auf einen umwachsenen Fremdkörper zurückgeführt werden.
Fossil, Kreideformation. (Carter leugnet die Rhizopodennatur der Parkeria
und betrachtet sie als das Basalskelet eines Hydractinia ähnlichen
Hydroidpolypen.)
Patellina, Will. 1858 (61); Carp. (74) (IX. 9).
Synon. Orbitolina d’Orb. p. p. Aut., ? Cyelolina d’Orb., Conulites Carter (A. m. n. h.
3. VIII).
Ziemlich verschieden und z. Th. bis jetzt noch wenig sicher. Gestalt
etwa flach kegelförmig. Spitze des Kegels mit Embryonalkammer, hieran
anschliessend der Kegelmantel, gebildet aus halbe Umgänge formiren-
den Kammern oder aus schraubigspiraliger Röhre. Stets jedoch Untertheilung
der Kammern durch zahlreiche secundäre Septen. Von besonderen Kammer-
mündungen nichts bekannt; auf der Aussenfläche eine Anzahl Poren.
Kegelhöhle von exogener Schalenmasse mehr oder weniger erfüllt. Hierin
z. Th. Ausbildung von Nebenkämmerchen von unregelmässiger oder regel-
mässigerer Bildung und häufig ganz orbitoides- oder tinoporus-artiger
Anordnung. Lebende Arten ca. 3. Fossil seit Kreide. (Wie schon früher
bemerkt, scheinen mir die verwandtschaftlichen Beziehungen dieser
interessanten Gattung noch keineswegs hinreichend aufgeklärt; ja es
scheint mir sogar bis jetzt ihre Zurechnung zu den Perforaten noch nicht
gegen jeden Zweifel sichergestellt. Ob die von P.. J. und Carp. ihr an-
gewiesene Stellung bei den Rotalinen sich durch eingehendere Unter-
suchungen als richtig erweisen dürfte, oder ob nicht doch ein näherer
Anschluss an Orbitoides und Tinoporus gerechtfertigt erscheint, wagen
wir hier nicht zu entscheiden.
Er
System. 309
Familie Nummulitinae (Nummulinida Carp. 1862) emmend. Btschli.
Kalkig, selten sandig; hyalin und gewöhnlich fein bis sehr fein porös.
Mono- bis polythalam, symmetrisch spiralig aufgerollt, selten etwas asym-
metrisch schraubenförmig. Fast stets völlig involut, jedoch häufig die
seitlich übergreifenden Partien der späteren Umgänge ohne zwischen-
bleibende Kammerhöhlungen direet zur Verstärkung der Wand des vorher-
gehenden Umgangs aufgelegt. Mündung fast stets schlitzförmig an Basis
. des einfachen oder doppelten Septums gelegen; dieses gewöhnlich nicht
perforirt, nur von einer Anzahl grober Poren durchbohrt. Kanalsystem
bei den höheren Formen sehr wohl und z. Th. in sehr complieirter Weise
entwickelt. Z. Th. mit Uebergang in eyklisches Wachsthum und Unter-
theilung der Kämmerchen durch Secundärsepta, in ähnlicher Weise wie
bei den Orbitolitina unter den Imperforata.,
(Die Familie der Nummulitinae ist hier in einem weiteren Sinne gefasst, als dies von
Carpenter geschehen, indem ihr eine Anzahl Formen zugesellt wurden, die Carpenter unter
den Globigeriniden aufführt oder die erst in neuerer Zeit bekannt wurden. Neben anderen
Charakteren scheint mir die ausgesprochene Neigung zu symmetrisch spiraligem und völlig
involutem Wachsthum diese Formen hauptsächlich zu verbinden.)
Unterfamilie Involutinae, Btschli.
Monothalam, symmetrisch bis etwas asymmetrisch spiralig, kalkig,
eornuspira-artig, jedoch involut, mit Beschränkung der Kammerhöhlung
auf die peripherischen Theile der Umgänge.
Involutina (Terqu. 1862), Bornemann emmend. (Z. d. d. geolog.
G. 26) Brady. (IX. 12).
Kalkig, frei, cornuspira-artig aufgerollt und selten etwas asym-
metrisch. Durch Ueberlagerung durch die Schalenlamellen der späte-
ren Umgänge die Nabelhöhlungen ganz ausgefüllt, so dass Umgänge
äusserlich nicht sichtbar. Feinere und gröbere Porenkanäle vorhanden
(jedoch die feinen, nummulitenartigen Porenkanäle von Archaeodisceus
nicht beobachtet, aber doch vielleicht vorhanden). Fossil (Lias). (Proble-
matina nennt Bornemann einige von Terquem beschriebene Involutina-
arten, die durch den Besitz von Scheidewänden sich als polythalam er-
weisen sollen; Silieina (Involutina Terg. p. p.) hingegen sandig-kieselige
involutina-artige Formen; beide Gattungen sind jedoch bis jetzt noch zu
wenig genau bekannt, um über ihre Stellung mit Sicherheit urtheilen zu
können. Lias.)
Archaeodiseus (Archaediscus), Brady (A. m. n. h. 4. XI. u. 105)
(IX. 13).
Monothalam, äbnlich Involutina, jedoch die Aufrollung nicht in einer
Ebene, sondern wechselnd in verschiedenen. Aeusserlich die Umgänge
nieht sichtbar. Gesammtgestalt linsenförmig. Zweierlei Poren. Fossil,
Kobhlenformation. 1 Art. |
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. 14
210 Rhizopoda.
Spirillina, Ehrbg. 1841 (emmend. P., J. u. Carp.).
Synon. Oolis Phill., Operculina Reuss etc. p. p., Cornuspira M. Sch. p. p.
Kalkig, frei, symmetrisch bis etwas asymmetrisch aufgerollt und Um-
gänge nur sehr allmählich anwachsend. Nicht involut. Meist grob porös.
Häufig Auflagerungen von exogener Schalenmasse. Lebende Arten ca. 7.
Fossil seit Tertiär. (In mancher Hinsicht scheint mir die Gattung Spi-
rillina zunächst an die beiden soeben besprochenen Gattungen sich an-
zuschliessen, jedoch sind nach den bis jetzt vorliegenden Untersuchungen
sehr erhebliche Unterschiede nicht zu verkennen. Carp., P. u. J. stellen
sie zu den Globigerinida.)
Unterfamilie Pulleninae, Btschli.
Polythalam, kalkig, feinporös, meist frei. Spiralig aufgerollt, zu-
weilen etwas asymmetrisch. Involut; Kammerzahl der Umgänge gering
und Kammern rasch in die Höhe und namentlich auch Breite wachsend,
daher Gesammtgestalt mehr oder weniger kugelig. Septa gewöhnlich
einfach, daher meist kein Kanalsystem. Mündung meist sehr ansehnlicher
Querschlitz an Basis der Septen.
Pullenia, P. u. J. 1862 (IX. 14),
Synon. Nonionina p. p. d’Orb.
Symmetrisch, völlig involut. Kammerzahl auf 1 Umgang 4—5; Höhe
der Kammern gering, dagegen Breite recht ansehnlich. Gesammtgestalt
kugelig. Mündung sehr breiter, niederer Schlitz an Basis der Septen.
Kein Kanalsystem. Septen perforirt (?). Lebende Arten ca. 5. Fossil
seit oberer Kreideformation.
Sphaeroidina, d’Orb. 1826 (IX. 15).
Synon. Sexloculina Fi2.
Unterscheidet sich hauptsächlich, durch asymmetrisch, seitlich an der
Basis der Septen gelegene, kleine halbmondförmige Mündung. Zahl der
lebenden Arten 2. Fossil seit oberer Kreide. (Die Hierhergehörigkeit
der Sphaeroidina ist etwas fraglich; da sie jedoch ohne Zweifel in nächster
Beziehung zu Pullenia steht, so dürfte trotz ihrer Abweichungen ihre
Hierherziehung gerechtfertigt erscheinen.)
?Rupertia, Wallich 1877 (A. m. n. h. 4. s. XIX.).
Kalkig, zuweilen jedoch auch etwas sandig, verhältnissmässig grob
porös. Ziemlich unregelmässige spiralige Aufrollung. Gesammtgestalt
kugelig bis unregelmässig., Kammern äusserlich nicht unterscheidbar.
Mündung breit halbmondförmig. Durch dicken, kurzen, aus nicht perfo-
rirter Schalenmasse bestehenden Stiel aufgewachsen. Scheidewände im-
perforirt. Recent. 1 Art. (Die Hierhergehörigkeit dieser Gattung scheint
recht fraglich, jedoch scheinen mir die verwandtschaftlichen Verhältnisse
noch am meisten auf Pullenia hinzudeuten.)
System. 211
Endothyra, Phill. 1846; Brady (105); v. Möller (116) (IX. 16).
Synon. Rotalia Hall, Nonionina p. p. Eichwald, Involutina p. p. Brady.
Allgemeine Bildung ähnlich Pullenia. Kammerzahl der Umgänge
jedoch bedeutend grösser (bis 20 im letzten Umgang). Kalkig nach
Möller (nach Brady angeblich kalksandig), feinporös. Septen einfach,
perforirt; Mündung ansehnlich. Fossil, Kohlenformation. (Nach Brady
angeblich zu sandigen Imperforata gehörig.)
Cribrospira, v. Möller (116).
Aehnlich Endothyra, jedoch etwas asymmetrisch schraubenspiralig.
Mündung gross, jedoch nach v. Möller secundär gebildet, daher der
letzten Scheidewand gewöhnlich fehlend. Septa einfach, mit gröberen
Poren. Fossil, Kohlenformation.
Bradyina, v. Möller (116) (IX. 17).
Synon. Nonionina Eichwald p. p., Lituola Brady p. p.
Aehnlich Cribrospira, grob perforirt, asymmetrisch. Kammerzahl der
Umgänge mässig gross (7”—8 im letzten Umgang). Zweiter Umgang mit
abgeschnürten Seitenkammern unter der apicalen Windungsspitze. Mün-
dung wie Cribrospira. Septa zweiblätterig mit Kanalsystem und einer
Anzahl gröberer Poren. Fossil, Kohlenformation.
Amphistegina, d’Orb. 1826; Williamson (47); Carpenter (57, 3. s.)
(X. 1-3).
Kalkig, frei. Etwas asymmetrisch, flach schraubenspiralig; eine Seite
mehr eonvex als die andere. Kammerzahl der Umgänge zahlreich, die
Höhlungen erstrecken sich bis nahezu zur Windungsaxe. Höhen- und
Breitenzunahme sehr allmählich, daher Gesammtgestalt etwa linsenförmig.
Septa stark vorwärts gekrümmt; auf mehr convexer, sogen. Unterseite
durch secundäre Septen von jedem Kammerflügel ein secundäres Käm-
merchen abgetheilt. Septa einfach, ohne Kanalsystem. Mündungen spalt-
artig, einseitig auf sogen. Unterseite gerückt. Lebende Arten ca. 3.
Fossil seit Kohlenformation. (Diese Gattung neigt sich durch zahlreiche
Charaktere schon sehr zu der folgenden Unterfamilie hin, ist daher wohl
am besten als eine mit dieser vermittelnde zu betrachten.)
Unterfamilie Nummulitidae.
Symmetrisch, gewöhnlich sehr vielkammerig. Kammern meist nur
wenig in die Breite wachsend, daher Gesammtgestalt gewöhnlich, jedoch
keineswegs immer, ziemlich abgeflacht. Septa imperforirt, zweilamellig
mit mehr oder minder, z. Th. sehr hoch entwickeltem Kanalsystem.
Polystomella, Lamck. 1822; Williamson (46 u. 47); Carpenter
(57, 4. ser.) (X. 6, XL).
Umgänge ziemlich in die Breite wachsend, dagegen in der Höhe nur
mässig zunehmend. Gesammtgestalt daher nicht sehr abgeflacht bis
14*
2313 Rhizopoda.
linsenförmig. Kammerzahl der Umgänge gering bis mässig gross. Kanal-
system mehr oder weniger wohlentwickelt. Kein Dorsalstrang.
Untergenus Nonionina, d’Orb. 1826.
Synon. Noniona, Melonis, Florilus, Chrysolus Montf., Pulvillus, Lenticulina p. p., Placentula
Lamck., Geoponus Ehrbg.
Mündung einfacher, basaler, halbmondförmiger Schlitz. Kammer-
höhlungen einfach ohne zipfelförmige Aussackungen. Nabel z. Th. un-
ausgefüllt. Kanalsystem weniger wohl entwickelt. Lebende Arten ca. 14.
Fossil seit Kreideformation. (Durch die einfachsten Formen scheint sich
diese Gattung noch ziemlich innig an Pullenia anzuschliessen, die höher
entwickelten führen ganz allmählich zu Polystomella s. str. hinüber.)
Untergenus Polystomella s. str.
Synon. Nautilus p. p. L. et Aut. ant., Geophonus, Elphidium, Pelorus, Andromedes, Sporilus
Themeon, Calcanthus Montf., Vorticialis Blainv., Polystomatium Ehrbg., Faujasina d’Orb.
Mündung in eine basale Reihe von groben Poren untergetheilt.
Kammerzahl der Umgänge ziemlich gross. Kammerhöhlungen peripherisch
nach hinten in zipfelförmige Aussackungen fortgesetzt (z. Th. äusserlich
wohl sichtbar). Kanalsystem sehr wohl entwickelt. Nabel stets aus-
gefüllt. Lebende Arten ca. 11. Fossil seit Kreideformation (Kohlen-
formation ?).
Cycelammina, Brady 1876 (Proc. roy. soe. XXV. u. 117, I.).
Synon. Lituola Carp. The Microsc. 5. edit., Carter A. m. n. h. 4. XIX.
Ganz ähnlich Nonionina, jedoch sandschalig. Kammerhöhlungen
durch röhrige Auswüchse mehr oder weniger erfüllt. Recent. 1 Art.
(Sandige, ganz nonionina-artige Formen hat ferner Brady als Trochammina
beschrieben, so Trochammina trulissata [117, 1.].)
Operceulina, d’Orb. 1826; Carter (An. m. n. h. 2. X.); Carpenter
57, 3. ser.); Parker! u. 'J. (62, 8.) (X. 2).
Synon. Nautilus Gronovius, Schroedt., Lenticulites Basterot, Defr.
Wenig Umgänge, sehr rasch, namentlich der letzte, in die Höhe wach-
send, dagegen in Breite sehr wenig zunehmend; Gesammtgestalt daher
scheibenförmig abgeplattet. Kammerzahl mässig gross. Kammerhöhlungen
nicht flügelartig über die Seitenflächen fortgesetzt. Mündung einfach,
niedriger Querschlitz. Kanalsystem wohl entwickelt, mit Dorsalstrang.
Lebende Arten ea. 2—3. Fossil seit Kreideformation.
Nummulites, Lamek. 1801; Joly et Leymerie (M&m. Acad. sc. de
Toulouse 3. s. IV.); Carpenter (43); d’Archiae et Haime, Descript. d.
anim. foss. d. groupe Nummulitigue de l’Inde. Paris 1853); Parker u. J.
(62, 8); Gümbel (N. Jahrb. f. Min. 1872); Brady (A. m. n. h. 4. XIII.
u. 105); v. Möller (116) (XII. 1—10).
Synon. Helieites Sold., Discolithes, Camerina Brug., Lenticulites Schloth., Lyco-
phris p. p. Rotalites Montf., Nummularia Sowb., Nummulina d’Orb. etc., Orobias Eichw.
Umgangszahl meist sehr gross; Umgangshöhe sehr allmählich
B
zung
System. 213
wachsend, Breitezunahme gleichfalls meist gering, daher gewöhnlich
scheibenförmig bis linsenförmig, seltener bis kugelig. Kammerzahl der
Umgänge sehr gross; letzter Umgang meist cyklisch geschlossen. Mün-
dung einfach. Kanalsystem sehr wohl entwickelt, mit Dorsalstrang.
Unterg. Assilina, d’Orb. (Explanatae d’Arch. et H.) (XI. 4, 5).
Kammerhöhlungen ähnlich Opereulina nicht flügelartig über die Seiten
, bis zum Nabel fortgesetzt, daher die Umgänge äusserlich meist sämmtlich
sichtbar.
Unterg. Nummulina, d’Orb. (XII. 1—3, 6—10).
Kammerhöhlungen flügelartig über die Seiten der Schale bis zur
Windungsaxe sich fortsetzend, daher äusserlich gewöhnlich nur der letzte
Umgang sichtbar. Verhalten der die seitlichen Kammerflügel scheidenden
Theile der Septen verschieden, z. Th. einfach radiär verlaufend (Radiata
P. u. J. = Plicatae + striatae d’Arch. et H. [XII. 3]); oder sinuös sich
hin- ‚und herbiegend (Sinuatae P. u. J. = laeves + sublaeves + pars
punctulatarum d’Arch. et H.), oder die gewundenen Septen vielfach ana-
stomosirend und daher die Seitenflügel in zahlreiche secundäre Kämmer-
chen zerlegt (Reticulata P. u. J. = Retieulatae + Subreticulatae d’Arch.
et H.). Lebende Arten ca. 1. Fossil seit Kohlenformation.
Anhang zur Unterfamilie der Nummulitiden.
? Bdelloidina, Carter 1877 (A. m. n. h. 4. XIX.).
Flach aufgewachsen, kalksandig, allgemeine Bauweise erinnert sehr
an Peneroplis unter den Imperforata; Mündung eine Reihe die Septen
durchsetzender Poren. Obere freie Schalenwand labyrinthisch entwickelt,
jedoch nach Carter sicher perforirt. Recent. 1 Art. (Die Stellung dieser
Form erscheint bis jetzt ganz zweifelhaft, und haben wir sie daher einst-
weilen ganz provisorisch hierhergewiesen, da wir ausser Stande sind, mit
einiger Sicherheit über ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu ent-
scheiden. Der Nachweis der Perforirung verbietet ihre Unterbringung
bei Lituola und Verwandten.)
Unterfamilie Fusulinidae, v. Möller 1878,
Kalkig, frei, feinporös. Regulär spiralig aufgerollt, völlig involut.
Umgänge nur mässig in die Höhe wachsend, dagegen sehr rasch in die
Breite, so dass die Gesammtgestalt, ähnlich Alveolina unter den Imperfo-
rata, kugelig bis in der Windungsaxe langgestreckt, spindelförmig und
cylindrisch wird. Kammerhöhlungen bis zur Windungsaxe ausgedehnt,
daher die früheren Umgänge völlig von dem letzten verdeckt. Kammer-
zahl der Umgänge ziemlich hoch. Letzter Umgang durch ceyklisches Aus-
wachsen oder in anderer Weise völlig abgeschlossen. Mündung mässig
breiter, basaler Querschlitz, symmetrisch gelegen. Septa meist einfach
und Kanalsystem selten angedeutet. Durchaus fossil.
214 Rhizopoda. r
Fusulina, Fischer v. W. 1829 (Bullet. s. imp. nat. Moscou 1829);
Verneuil (Sill. am. journ. 2. ser. II.) v. Möller (116); (XII. 11—15).
Synon. Alveolina Ehrhg. p. p.
Schale spindelförmig bis eylindrisch. Septa einfache Lamellen; ihr
nach der Windungsaxe gerichteter Theil (bis zu */, ihrer Höhe) in wellen-
förmige, parallel der Höhenlinie der Kammern gerichtete Falten gelegt.
Durch Zusammentreffen dieser Falten der benachbarten Septen Bildung
zahlreicher seeundärer Kämmerchen. (Bis zu 12 Mm. lang.) Kohlen-
formation.
Schwagerina, v. Möller 1877 (116).
Synon. Borelis Ehrbg. p. p., Fusulina p. p. Meck, Barbot de Marny, Stuckenberg.
Kugelig bis etwas längsgestreckt; Hauptunterschied von Fusulina,
dass Septa hier in ihrer grössten Ausdehnung nicht gefältelt und erst bei
ihrer Annäherung an die Windungsaxe plötzlich stark wellenförmig sich
hin und her falten und sich verzweigend unter einander anastomosiren.
Fossil. Obere Kohlen- bis untere Dyasformation.
Hemifusulina, v. Möller 1877 (116).
Allgemeiner Bau sehr ähnlich Fusulina; Septa jedoch doppellamellig
mit kanalsystemartigen Interseptalräumen. Grösse gering. Kohlenfor-
mation.
Anhang zur Familie der Fusulinida.
Fusulinella, v. Möller 1877 (116).
Synon. Melonia Ehrbg., Borelis p. p. Ehrhg., Alveolina p. p. Ehrbg., Fusulina
p. p. Abich, Schwager, Brady.
Gestaltsverhältnisse ähnlich Fusulina. Septa mit mittleren, ebenen
und seitlichen, schwach gefältelten Theilen. — Schalenwandungen nach
v. M. dicht, imperforirt; sammt den Septa aus zwei Lamellen gebildet,
zwischen welchen ziemlich entwickeltes Kanalsystem sich findet. (Bis
5 Mm. Länge.) Fossil. Kohlenformation. (Wie schon früher bemerkt,
sind die Beziehungen dieser Form zu den perforirten Fusuliniden so innig,
dass sie vorerst, bis zu einer eventuellen Bestätigung ihrer Imperforirt-
heit, wohl am besten hier zu belassen sein dürfte.)
? Loftusia, Brady 1869 (88); Carter (A. m. n. h. 4. XVII.); Dawson,
G. M. (Qu. j. geol. soc. 35) (VI. 1).
Frei, spiralig symmetrisch aufgerollt, völlig involut, ähnlich Fusuli-
nida, Gestalt ellipsoidisch bis linsenförmig. Umgänge sehr nieder (bis 25),
durch zahlreiche sehr schiefe Septen in Kammern getheilt, die durch
säulenartige, senkrecht sich erhebende Auswüchse der Septen noch in
zahlreiche unregelmässige secundäre Kammerräume untergetheilt werden.
Kalksandig nach Brady. Aeussere Kammerlamelle dicht (?), innere dickere
aus labyrinthischem Werk gebildet, das auch die Septen und säulen-
artigen Auswüchse bildet. Längsdurchmesser bis 80 Millim. Fossil.
Kohlenformation und Tertiär. (Carter ist geneigt, auch diese Form, wegen
N
7 WERE
System. 215
ihrer Beziehungen zu der Parkeria, die mir jedoch sehr wenig nahe zu
sein scheinen, für das Basalskelet eines Hydroidpolypen zu erklären.
Mir scheint die Rhizopodennatur der Loftusia nicht wohl zu bezweifeln,
dagegen ihre Stellung sehr unsicher. Ihre Hierherziehung ist daher eine
ganz provisorische.)
Unterfamilie Cyeloclypidae, Btschli.
Polythalam, mit ursprünglich spiraliger Aufrollung, die späterhin,
ähnlich wie bei den Orbitolitina unter den Imperforata, in eyklisches Wachs-
thum übergeht, oder ceyklisches Wachsthum sogleich auf die Central-
kammer folgend. Ursprüngliche Kammerräume wie bei den ÖOrbitolitina
durch secundäre Septen in Kämmerchen untergetheilt. Gestalt stets
scheibenförmig abgeflacht. Primäre und secundäre Septa zweilamellig,
mit sehr hoch entwickeltem Kanalsystem.
Heterostegina, d’Orb. 1826; Carpenter (57, 2. ser. (X. 5).
Beginn der Schale symmetrisch spiralig, involut aufgerollt; letzter
Umgang sich rasch opereulina-artig erhöhend und verflachend. Kammer-
länge sehr gering, und die Kammern des letzten Umgangs häufig sehr
schief, nahezu parallel mit der Spiralaxe verlaufend, so dass hierdurch
Uebergang zu cyklischem Wachsthum angebahnt wird. Mündung an
Basis der Primärsepten, ähnlich Operceulina. Dorsalstrang entwickelt (bis
12’Mm. Durchmesser). Lebende Arten 1—2. Fossil seit Untertertiär.
Cyceloelypeus, Carp. 1856 (57, 2. ser. u. 74 (VI. 3).
Scheibenförmig, kreisrund bis gegen 60 Mm. Durchmesser. Um ein-
fache Centralkammer sogleich Cyklen von radial verlängerten Kämmerchen
in einfacher Lage. Seitenflächen der Scheibe von dieker, geschichteter,
perforirter Kalkmasse überdeckt. Kanalsystem sehr hoch entwickelt.
Lebende Art 1. Fossil seit Miocän.
Orbitoides, d’Orb. 1847; Carpenter (43, 57, 2. ser.); Gümbel (Abh.
d. k. bair. Ak. X. 2. Abth.) (XII. 16—21, XIII: 1).
Synon. Nummulites und Lenticulites Aut. p. p., Discolithes Fortis p. p., Lyco-
phrys Defr. p. p., Asteracites Schloth. p. p., Orbitulites Aut. p. p., Hymenocyclus
Bronn, Cyelosiphon Ehrhg.
Gestalt und Bau schliesst sich nahe an Cyeloclypeus an und unter-
scheidet sich hauptsächlich dadurch, dass auf beiden Scheibenflächen,
zwischen den hier aufeinandergeschichteten Kalklamellen, mehr oder minder
zahlreiche Lagen von Nebenkämmerchen sich entwickeln. Grosse Embryo-
nalkammer und diese noch von 3—5 recht grossen Centralkammern in
spiraliger Anordnung umgeben; hierauf folgen die kleinen .Kämmerchen
der Medianlage, gewöhnlich sehr bald in regulär eyklischer Anordnung.
Fossil, oberste Kreideformation bis Miocän. Artzahl recht beträchtlich,
216 Rhizopoda.
Untergenera:
Discocyelina, Gümbel 1868 (XII. 16).
Linsenförmig, oder dünn scheibenförmig; Mediankammern der Peri-
pherie nicht durch Querwände untergetheilt.
Rhipidocyclina, Gümbel 1868.
Linsenförmig; Mediankammern nach der Peripherie zu stark in Höhe
und Breite erweitert und durch der Medianebene parallele tertiäre Scheide-
wände untergetheilt.
Actinocycelina, Gümbel 1868 (XI. 19).
Flach linsenförmig, kreisrund mit zahlreichen strahlenartigen Ver-
diekungen, die vom Centrum der Scheibe auslaufen und durch erweiterte
Mediankammern gebildet werden.
Asterocyclina, Gümbel 1868 (XI. 17, 18, XIII. 1).
Aehnliche radiale Verdickungen, wie bei der vorhergehenden Unter-
gattung, diesen entsprechend der Rand der Scheibe ausgewachsen, so
dass die Gesammtgestalt polygonal bis sternförmig wird. Erweiterte
Mediankammern auch hier untergetheilt.
Lepidocycelina, Gümbel 1869 (XII. 22).
Flach linsen- oder dünn scheibenförmig; Mediankammern auf dem
Horizontalschnitt peripherisch halbkreisförmig abgerundet. (Bei den vor-
hergehenden Untergattungen dagegen rectangulär.) :
Anhang zur Unterfamilie der Cyclocly pinae.
Tinoporus, de Montf. 1808; Carpenter (57, 4, ser., 74); Carter
(A. m. n. h. 4. XIX. u. XX.) (XIIL 2).
Synon. Orbitolina P. u. J., Calcarina d’Orb,, Reuss p. p.
Etwa von der Bildung eines Orbitoides, bei welchem die mediane
Kammerlage nahezu völlig rudimentär geworden ist. Sie spricht sich
nur noch aus in den planorbulina-artig sehr bald in eyklisches Wachs-
thum übergehenden Anfangskammern der Schale. Nach beiden Seiten
von diesen sind zahlreiche Schichten von Kämmerchen, ähnlich den
Nebenkämmerchen von Orbitoides entwickelt. Gesammtgestalt etwa linsen-
förmig bis stumpfkegelig. Sogen. Zwischenskelet und Kanalsystem z. Th.
wohl ausgebildet (T. baculatus) und dann ersteres in eine Anzahl von
strahlenartigen Stacheln randlich hervortretend, gleichzeitig auch das Aus-
wachsen der Kämmerchenlagen längs dieser Stacheln mehr oder minder ver-
anlassend, z. Th. jedoch ohne Entwickelung eines solchen Zwischen-
skelets und Kanalsystems. Lebende Arten 2. Fossil seit Kreideformation.
(Die Gründe, wesshalb wir die Gattung Tinoporus, entgegen der Auf-
fassung von Parker, J. und Carp., von den Rotalinen entfernen und in
Anschluss an die Cyeloclypinen bringen, sind schon früher bei Gelegen-
heit der morphologischen Betrachtung des Schalenbaues erörtert worden.
Carter hingegen hält den Tinoporus baculatus für nächstverwandt mit
A ana.
System. 217
Calcarina, dagegen die des Kanalsystems entbehrende Form T. vesicularis
für hiervon sehr verschieden, die er nun für nächstverwandt mit einer von
ihm früher zu Polytrema gezogenen Form hält. Letztere erhebt er jetzt
zu einer besonderen Gattung Gypsina; sie bildet flache, melobesia-
artige*) Ueberzüge auf Korallen ete., aus zahlreichen tinoporusartig auf-
einandergehäuften Kammern bestehend, ohne Anwesenheit einer grösseren
besonderen Mündung der Schale.)
r
y. Anhang zur systematischen Uebersicht der Rhizopodengattungen.
Zweifelhafte oder durch neuere Untersuchungen als nicht hierher-
gehörig erwiesene Formen,
Eozoon, Dawson 1865 (XII. 8).
Uebersicht der wiehtigsten Schriften über Eozoon:
Logan, Qu. j. geolog. soc. XXI.
Dawson, Qu. j. geolog. soc. XXI.
Carpenter, Qu. j. geolog. soc. XXI.
Gümbel, Sitzungsb. bayr. Akad. 1866.
Pousyrewski, B. Ac. Petersb. X,
Hochstetter, Sitzungsb. d. Wiener Ak. 53.
Fritsch, Arb. d. geolog. Sect. d. Laudesdurchforsch. in Böhmen 1869.
= King and Rowney, Qu. j. geolog. soc. XXIL.; Proc. irish Acad. Vol. X. und N. S.
ol. I. .
Carpenter, Qu. j. geolog,. soc. XXL.
Carter, A. m. n. h. 4. XII., XIV., XVL
Carpenter, A. m. n. h. 4. XII.
Burbank and Perry, Proc. Boston soc. 14.
M. Schultze, Verhandl. naturh. Vereins preuss. Rheinl. u. W. XXX, u. Tagebl. der
Naturf.-Vers. 1873; A. m. n. h. 4. s. XIII.
King and Rowney, A. m. n. h. 4. s. XIIL u. XIV.
Dawson, The dawn of life etc. London 1875; A. m. n. h. 4. XVIL XVIL; Qu. j-
geol. soc. 1876.
Hahn, O,, Würtemb. naturw. Jahresh. 1876 u. 78.
Gümbel, Corresp.-Bl. zool. min. Verein Regensb. 1876.
- Möbius, Palaeontograph. XXV.
Dawson, Am. j. sc. a. arts 1879,
Möbius, Am. j. sc. a. arts, 1879.
Die von Logan (1865) entdeckten, eigenthümlichen Einschlüsse
in gewissen Schichten krystallinischen Kalkes der laurentischen Gneiss-
formation Canada’s, welche Einschlüsse von Dawson den Namen Eozoon
canadense erhalten haben, sind bis zu dieser Stunde trotz vielfacher Unter-
suchungen seitens der Zoologen, Paläontologen und Mineralogen noch ein
ihrer Natur nach sehr bestrittenes Objeet geblieben. Es ist bekannt, dass
die hervorragendste Autorität auf dem Gebiet der Schalenbildungen der
Rhizopoden, Carpenter, nach eigenen Untersuchungen sich sofort für die
Rhizopodennatur der fraglichen Gebilde erklärte und seit dieser Zeit mit
Lebhaftigkeit diese, wesentlich von ihm begründete Auffassung gegen
zahlreiche Angriffe vertheidigt hat.
*) Melobesia, eine flache, unregelmässige Ueberzüge auf Steinen etc. bildende Kalkalge.
218 Rhizopoda.
Ausser an ihrer ursprünglichen Fundstätte wurden diese Eozoon-
gebilde bald auch noch in entsprechenden Schichten Baierns, Böhmens,
Irlands und Finnlands gefunden und sogar mehrere Arten unterschieden.
Dieselben bestehen aus mehr oder weniger ausgedehnten, ca. 4 bis
5 Millim. dieken Lagen von Serpentin, die in verschiedener Zahl,
durch Zwischenlagen von krystallinischem Kalk getrennt, regelmässiger
oder unregelmässiger übereinandergeschichtet sind. Das Ganze bildet
knollige Massen, die bis Kopfgrösse erreichen. Die Serpentinlagen er-
scheinen wie aus einer grossen Anzahl kugeliger bis ellipsoidischer An-
schwellungen zusammengesetzt (8, k), die etwa den Ausgüssen der Kammer-
höhlungen unregelmässig gebauter, polythalamer Rhizopoden gleichen
und daher auch in diesem Sinne von den Vertheidigern der Rhizopoden-
natur des Eozoon aufgefasst werden. Auf der Grenze zwischen den ein-
zelnen Serpentinlagen und den zwischengelagerten Kalkschichten findet
sich gewöhnlich (jedoch keineswegs ganz regelmässig und in sehr verschie-
denem Grad der Deutlichkeit) eine feinfaserige Lage (8, k'). Die Faserung
derselben ist gewöhnlich, jedoch keineswegs wieder durchaus, senkrecht
zur Oberfläche der Serpentinlamellen gerichtet. Nach der Auffassung von
Carpenter u. A. entspräche diese Lage der feinperforirten, eigentlichen
Kammerwandung, deren Tubuli durch Serpentin erfüllt sind.
Weiterhin lassen sich in den kalkigen Zwischenlagen noch verästelte,
dendritische Einlagerungen wahrnehmen (c), die sich etwa als Ausfüllungen
eines Systems verzweigter Kanäle, das die Zwischenmasse durchzieht,
auffassen lassen. Eine ganze Reihe verschiedener Mineralien sollen sich
an der Bildung dieser dendritischen Gestaltungen betheiligen, so haupt-
sächlich Serpentin und andere Silikate, jedoch auch Caleit, Bitterspath
und sogar vielleicht zuweilen Graphit. Jedoch wird die ursprüngliche
Bildung durch Caleit und Bitterspath von King und Rowney in Abrede
gestellt, es soll sich nach ihnen hier um Pseudomorphosen handeln.
Carpenter, Dawson und die sich ihnen anschliessenden Vertheidiger
der Rhizopodennatur des Eozoon haben nun die geschilderten Befunde in
nachstehender Weise auf die Organisationsverhältnisse der Schalengebilde
der Rhizopoden zurückzuführen gesucht. Wie schon bemerkt, entsprechen
nach ihnen die Serpentinlagen mit ihren knolligen Anschwellungen den
Ausfüllungsmassen der in unregelmässigen Schichten übereinandergelagerten
Kammern (k), die in je einer Lage durch ziemlich weite Verbindungskanäle
oder Oeffnungen communieiren, z. Th. jedoch auch stolonenartige Verbin-
dungen mit den benachbarten Kammerlagen eingehen (st). Die feinfaserige
Schicht (k!) hingegen repräsentirt die eigentliche Kammerwand. Die zwischen
den einzelnen Serpentinschichten eingelagerten Kalkschichten (sk) vertreten
das sogen. Zwischenskelet und die sich darin findenden, dendritischen
Bildungen (ec) sind das von verschiedenen Mineralien ausgefüllte Kanal-
system, welches die Communikation der einzelnen Kammerlagen durch das
Zwischenskelet hindurch vermittelte. Im Allgemeinen führt dann diese
Auffassung vom Bau des Eozoon zu der Einreihung dieser Form bei den
a u u. 22 zu
Eozoon. 219
Nummuliniden, zu denen sie nach Carpenter etwa in ähnlicher Beziehung
stehen soll, wie die Gattung Polytrema zu den Rotalinen.
Dawson hat ferner einzelne oder in geringer Zahl zusammenhängende,
eiförmige bis kugelige Serpentingebilde von faseriger Structur gefunden
(Kalk von St. Pierre Seigniory of Petite Nation), die er als losgelöste
Kammern von Eozoon anspricht und mit dessen Fortpflanzung in Be-
ziehung setzt. (Ursprünglich wurden sie von ihm Archaeosphaerium
genannt.)
Von deutschen Forschern hat hauptsächlich Gümbel die Rhizopoden-
natur des Eozoon vertheidigt; M. Schultze gab an, sich von der organi-
schen Natur des sogen. Kanalsystems überzeugt zu haben, wogegen er
in der sogen. Kammerwandung eine unorganische Bildung erblickte.
Mit grosser Entschiedenheit wurde jedoch schon sehr bald nach der
ersten Bekanntwerdung der Eozooneinschlüsse durch zwei englische
Forscher, King und Rowney, die organische Natur desselben in Abrede
gestellt. Die gewichtigsten Gründe, die von ihnen gegen die Carpenter-
Dawson’sche Ansicht vorgebracht wurden, glauben wir hier ganz kurz
anführen zu sollen. 1) Werden nach ihnen ganz ähnliche Gestaltungen,
wie sie uns in den Serpentinlagen des Eozoons entgegentreten, auch
durch Coneretionenbildung verschiedener anderer Mineralien erzeugt (so
Chondrodit, Coecolit, Pargasit ete.); 2) verhält sich das sogen. Zwischen-
skelet des Eozoon ganz so wie die Grundmassen, in welchen die Con-
ceretionen der erwähnten Mineralien zur Ausbildung gelangen; 3) die
faserige eigentliche Kammerwand verhält sich genau wie eine den
Chondrodit umhüllende, asbestförmige Lage und ist nichts wie eine äusser-
liche Umbildung der Serpentinlagen zu Chrysotil; 4) das sogen. Kanal-
system verhält sich ganz wie ein dendritisches Mineral, wie sich solche
dendritische Bildungen zuweilen auch in reinen Kalken und gewissen
anderen Mineralien finden. Aehnliche schichtförmige Abwechselungen
verschiedener Mineralien, wie sie bezüglich Kalk- und Serpentinlagen im
Eozoon vorliegen, sollen sich gelegentlich auch in anderen Gesteinen
finden, wo ihr Nichtzusammenhang mit organischen Structurverhältnissen
unfraglich sei. Auch Carter hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten
gegen die organische Herkunft des Eozoon ausgesprochen. Von deutscher
Seite wurde von v. Hahn die Zurückweisung der Carpenter’schen Auf-
fassung versucht, jedoch glauben wir die Untersuchungen dieses Beob-
achters hier wohl ohne Vorwurf mit Stillschweigen übergehen zu dürfen,
als er in seinem neuesten Elaborat*) nun doch wieder zu der organischen
Natur des Eozoon zurückgekehrt ist, es jedoch jetzt für einen pflanzlichen
Organismus (den er auch Eophyllum benennt) erklärt. Das berechtigte
Aufsehen, welches die Hahn’sche Arbeit über das Eozoon einst erregte.
erscheint jetzt durch die wunderlichen neuesten Entdeckungen dieses
Forschers in einem sehr zweifelhaften Lichte.
*) Die Urzelle etc. Tübingen 1879,
2230 Rhizopoda.
Während Hahn das Eozoon hauptsächlich durch Umbildung von in
Kalk eingeschlossenem Olivin zu Serpentin sich entstanden dachte, haben
King und Rowney eine hiervon sehr verschiedene Ansicht zu entwickeln
versucht, von der hier nur soviel bemerkt sei, dass sie es durch all-
mähliche Zerstörung und Ersetzung einer ursprünglichen Serpentinbildung
durch ein Carbonat entstehen lassen.
Wie King und Rowney ging auch neuerdings K. Möbius in der Hoff-
nung, die Rhizopodennatur des Eozoon sicher erweisen zu können, an
eine erneute Untersuchung desselben. Er wurde jedoch gleichfalls zu
der entgegengesetzten Ansicht geführt und seine Gründe sind in vieler
Hinsicht übereinstimmend mit denen seiner englischen Vorgänger. Wir
glauben auch hier noch die wesentlichsten derselben andeuten zu sollen.
Die Deutung der faserigen Hüllschicht als Kammerwand einer Rhizo-
podenschale ist unzulässig, da sie sich durchaus aus feinen prismatischen
Krystallnadeln ohne Zwischenmasse zusammensetzt; auch ist der Verlauf
der Faserung häufig ein solcher, dass er sich nicht mit der Tubulation
der Rhizopodenschalen in Einklang bringen lässt. Auch die Form-
verhältnisse des sogen. Kanalsystems entsprechen nicht denen dieser
Einrichtung bei den Rhizopoden. Es sind nach Möbius plattgedrückte,
stengelartige Bildungen ohne organische Regelmässigkeit. Schliesslich
vermisst M. im Bau des Eozoon den genetischen und physiologischen
Zusammenhang der einzelnen Formtheile untereinander; so namentlich
den für die polythalamen Rhizopoden allgemein gültigen Beginn des
Wachsthums von Anfangskammern aus und ferner hinreichend regel-
mässige Beziehungen der Kammerräume, der faserigen Kammerwand und
des vermeintlichen Kanalsystems zu einander.
Wenn wir hier noch hervorheben, dass Carpenter und Dawson
auch gegenüber diesen neuesten und eingehenden Untersuchungen von
Möbius, ihre Auffassung des Eozoon unverändert aufrecht halten, so
hätten wir damit ungefähr die Hauptphasen in der Eozoonfrage kurz ge-
kennzeichnet. Wir überlassen es dem Urtheil der Leser, sich für die
eine oder die andere Seite zu entscheiden und wollen nur bezüglich
unserer eigenen, allein auf das ernstliche Studium der einschlägigen Lite-
ratur gestützten Meinung bemerken, dass wir uns persönlich der durch
King und Rowney, sowie Möbius, vertheidigten Ansicht von der nicht-
organischen Natur dieser Bildungen anschliessen. Ein entscheidendes
Wort in dieser auf dem Grenzgebiet biologischer und petrographischer
Forschung sich bewegenden Frage wird, unserer Meinung nach, wohl
erst dann ausgesprochen werden, wenn sich Petrographen und Zoologen
zu gemeinsamer Arbeit die Hände reichen, während seither die Unter-
suchung wesentlich immer nur von der einen oder der anderen Seite
in Angriff genommen wurde.
Eozoon, Stromatoporida. 1
Stromatoporida (XIII. Figg. 9 u. 10).
In den silurischen und devonischen Schichten Europas und Nordame-
rikas finden sich häufig und z. Th. in grossen Massen Ueberreste einer
eigenthümlichen Gruppe fossiler Organismen, die bis jetzt trotz ziemlich
zahlreicher Untersuchungen hinsichtlich ihrer wahren Natur nicht aus-
reichend aufgeklärt sind. Es sind dies die sogen. Stromatoporiden,
wie nach der zuerst 1827 durch Goldfuss*) beschriebenen Gattung
Stromatopora diese Abtheilung benannt wurde. Goldfuss glaubte jene
Stromatopora zu den Spongien rechnen zu sollen und diese Auffassung
hat sich bis zur neuesten Zeit vielfacher Anerkennung erfreut, namentlich
haben die eingehendsten Erforscher der durch die Auffindung einer Reihe
von Stromatopora etwas abweichender Geschlechter allmählich erweiterten
Gruppe der Stromatoporiden, Rosen 1867 **) und Murie und Nicholson
1878***) die Spongiennatur derselben gleichfalls zu erweisen gesucht.
Während jedoch Rosen auf Grund seiner Untersuchungen eine eigen-
thümliche Gruppe fossiler Hornschwämme in ihnen erkannt haben
wollte, suchten Murie und Nicholson ihre Zugehörigkeit zu den Kalk-
schwämmen zu erweisen, unter denen sie ihnen eine ähnliche Stellung
zuwiesen, wie den Hexactinelliden unter den Kieselschwämmen. Immerhin
muss jedoch hervorgehoben werden, dass die letzterwähnten Untersucher
ihrer Ansicht nur mit einiger Reserve Ausdruck verleihen und die mög-
liche Richtigkeit der von anderer Seite betonten Zugehörigkeit derselben
zu den Hydroiden nicht ganz zurückweisen. Ohne dass wir hier näher
auf die historische Entwickelung der Kenntnisse von den Stromatoporiden
einzugehen gedenken, heben wir doch hervor, dass sie von anderer
Seite theils den Korallen, theils den Bryozoen zugerechnet wurden und
schliesslich noch die Ansicht zu entwickeln versucht wurde, dass sie
ihre richtige Stellung bei den Rhizopoden finden. Letztere Auffassung
wurde ursprünglich von Carpenter angedeutet und hierauf namentlich von
Dawson näher zu begründen versucht. 7) Ohne dass wir hier ein Urtheil
nach einer oder der andern Seite hin auszusprechen uns berufen fühlten,
halten wir es doch für gerechtfertigt, die wichtigsten Eigenthümlichkeiten
der Gruppe kurz zu besprechen, da in der That 'mancherlei Anklänge
mit gewissen Rhizopoden, namentlich der Gattung Polytrema und den zwar
gleichfalls unsicheren Gattungen Parkeria und Eozoon vorhanden sind.
Nach ihrer makroskopischen Entwickelung bilden die Stromatoporiden
mehr oder minder unregelmässige, meist flach ausgebreitete Ueberzüge(Fig.9).
Zuweilen erreichen sie eine sehr ansehnliche Ausbreitung bis zu mehreren
*) Goldfuss, Petrefacta Germaniae 1826.
*#) Rosen, Fr., Ueber die Natur der Stromatopora etc. Inauguraldissert. Dorpat 1867.
##*) Nicholson and Murie, On the minute struct. of Stromatopora and its allies.
Journ. Linn. soc, Zoology XIV. 1878. Eine vollständigere Uebersicht über die Literatur siehe
an dieser Stelle.
+) Quart. journ, geolog. soc. 1879,
2223 Rhizopoda.
Fussen, verhältnissmässig selten erheben sie sich höher von ihrer Unter-
lage bis zu halbkugeligen, z. Th. auch etwas gelappten bis ästigen
Massen. Die freie Oberfläche dieser Gebilde ist entweder ziemlich glatt
oder wellig auf- und niedergebogen, häufig auch warzig; zuweilen
und namentlich bei gewissen Geschlechtern (Caunopora, nach M. und N.
auch Stromatopora,*) Stromatocerium) zeigen sich mehr oder weniger
weite, porenartige Oeffnungen der Oberfläche, die in vertikal durch die
Masse absteigende Röhren führen, welche von den Vertheidigern der
Schwammnatur der Stromatoporiden gewöhnlich den Oseula der Schwämme
verglichen wurden. Diese Oeffnungen sind dann nicht selten auf der
Spitze der warzenartigen Erhebungen gelagert.
Ueber die feinere Bauweise unserer Fossilien geben hauptsächlich
Vertikal- und Horizontalschliffe Auskunft, jedoch scheint der Erhaltungs-
zustand im Allgemeinen kein sehr günstiger zu sein, so dass eine genauere
Untersuchung unter starken Vergrösserungen Schwierigkeiten bereitet.
Eine derartige Untersuchung zeigt zunächst, dass die ganze Masse aus
meist dünnen Kalklamellen zusammengesetzt ist (1), die bei den flach aus-
gebreiteten Exemplaren der Unterlage mehr oder weniger parallel hin-
ziehen, bei den sich freier erhebenden hingegen mehr der freien Ober-
fläche parallel angeordnet sind. Zwischen diesen Lamellen, deren
ursprüngliche Bildung aus Kalk, trotz ihrer gelegentlichen Umwandelung
in Kiesel, füglich nicht bezweifelt werden kann, bleiben entsprechend
aufeinander geschichtete Interlamellarräume (il), die meist in ihrer Höhen-
entwickelung die Lamellen etwas übertreffen, zuweilen jedoch auch (so
bei Stromatocerium [Wall.| Nich. u. M. und Pachystroma N. u. M.) sehr
niedrig und unregelmässig sind, bei sehr ansehnlicher Dicke der Lamellen.
Bei den meisten Stromatoporiden stehen nun die successiven Lamellen
durch zahlreiche senkrecht zwischen ihnen ausgespannte pfeilerartige
Bildungen (pf) in Verbindung, so dass also auf dem Vertikalschliff dieser
Formen eine mehr oder weniger regelmässige, rechteckige Maschenzeich-
nung, durch Lamellen und Pfeiler gebildet, hervortritt. Nicht immer
scheinen jedoch diese Pfeiler vollständig zu sein, sondern reichen zuweilen
nicht bis zur nächsten Lamelle, endigen also dann frei in den Interlamellar-
räumen. Was die feinere Beschaffenheit der die Lamellen und Pfeiler auf-
bauenden Kalkmasse betrifft, so bietet dieselbe nach M. und N. eine gra-
nulirte Beschaffenheit dar, lässt jedoch keine Zusammensetzung aus
Nadeln wahrnehmen. Nach Dawson sind die Lamellen von zahlreichen
runden Poren durchbrochen, durch welche die benachbarten Interlamellar-
räume in Communikation stehen, und welche Poren bei ansehnlicherer
Dicke der Lamellen auch zu Tubuli werden können. M. und N. konnten
nicht überall solehe Communikationen zwischen den Interlamellarräumen
constatiren, bei gewissen Formen jedoch fanden sie die Durchbrechungen
der Lamellen so zahlreich und regelmässig, dass die Structur derselben
*) Einschliesslich Coenostroma,
Stromatoporida. 223
eine netzförmige wurde. Aehnliches hatte früher schon Rosen geschildert
und abgebildet und hauptsächlich auf Grund dieser Structurverhältnisse
eine ursprüngliche Zusammensetzung der Lamellen und Pfeiler aus Horn-
fasern angenommen. Was die Beschaffenheit der Pfeiler betrifft, so
werden dieselben von Rosen wie N. und M. als solide geschildert, wogegen
sie Dawson neuerdings nur z. Th. für solid, z. Th. jedoch für hohl erklärt,
so dass durch die Höhlung der Pfeiler je zwei Interlamellarräume, mit
Ueberspringung des vom Pfeiler durchsetzten, zwischenliegenden, in Com-
munikation gesetzt werden. Wir erinnern hier gleich an das ähnliche
Verhalten der hohlen Pfeiler zwischen den Lamellen der Parkeria und
Polytrema, da diese Einrichtungen hauptsächlich zu der Vergleichung
mit den erwähnten Rhizopodengeschlechtern Veranlassung gaben.
Nicht bei sämmtlichen Geschlechtern der Stromatoporiden sind jedoch
solche Pfeiler entwickelt, bei Arthrodyetion N. und M. sind die Lamellen
wellenförmig hin- und hergebogen und werden die Interlamellarräume
durch Aufeinandertreffen der Wellenberge und Thäler der benachbarten
Lamellen in blasig-zellige Räume untergetheilt; auch bei den Gattungen
Stromatocerium (Hall) N. und M., sowie Pachystroma N. und M. sind
keine Pfeiler entwickelt.
Besonders eigenthümlich ist das Vorkommen ziemlich weiter, schon
oben erwähnter Vertikalröhren, die, von der Oberfläche entspringend,
die gesammte Lamellenmasse mehr oder weniger tief, bis vollständig
durchsetzen. Bei Stromatopora (wo nach N. und M. sich solche Vertikal-
röhren gleichfalls finden, während Dawson das Vorkommen solcher
Röhren bei der eigentlichen Gattung Stromatopora leugnet und die be-
treffenden Vorkommnisse für Bohrröhren parasitischer Thiere oder über-
wachsene Korallenröhren, Syringopora hauptsächlich, erklärt) — bei
Stromatopora und Stromatocerium sind diese Röhren ohne besondere
Wandungen, bei Caunopora hingegen sind sie mit eigenen Wandungen
versehen. Bei Coenostroma sollen nach Dawson auch Gruppen solcher
Vertikalröhren zusammenstehend vorkommen.
Von besonderem Interesse sind ferner noch eigenthümlich sternförmig
zusammengruppirte Systeme von horizontal oder meist etwas schief zu
den Lamellen verlaufenden Kanälen, die nach Rosen (Ausströmungskanäle)
sowie M. und N. ohne besondere Wandungen sein sollen und gewöhnlich
in grosser Zahl in mehr oder weniger regelmässigen Abständen sich bei
einer ziemlichen Reihe von Formen finden. Meist liegen die Centren der
oberflächlichen dieser sternförmigen Kanalsysteme auf warzenartigen
Erhebungen. Dawson verlegt diese Kanäle bei Caunopora und Coeno-
stroma in eine hier jeder Lamelle zukommende Auflagerungsschicht (die
er dem sogen. supplementären Skelet der Rhizopodenschalen an die Seite
stellt, während nach Rosen wie N. und M. diese Kanalsysteme sich ver-
ästelnd meist schief durch eine grössere Zahl von Lamellen fortsetzen.
Rosen und Dawson lassen diese sternförmigen Kanalsysteme in ihrem
Centrum in die Vertikalröhren einmünden, während M. und N. sich von
224 Rhizopoda.
einer derartigen Verbindung mit ausführenden Vertikalröhren nicht über-
zeugen konnten.
Bei dieser Gelegenheit mag noch erwähnt werden, dass auch Dawson
Kanäle beschreibt, welche die Lamellen schief durchsetzen und z. Th. in
die hohlen Pfeiler einmünden sollen.
Etwas besondere Verhältnisse zeigt noch die Gattung Stylodyetyon
(Syringostroma N. pr. p.), wo sich durch die ganze Masse der Lamellen
hindurch vertikale Pfeiler entwickeln, die durch Einfaltung und Ver-
schmelzung sämmtlicher Lamellen längs gewisser Vertikallinien entstehen,
wobei diese Pfeiler entweder eine ziemlich solide oder eine retikuläre Be-
schaffenheit besitzen.
. Nach dieser kurzen Erörterung der wichtigsten Organisationseigen-
thümlichkeiten der Stromatoporiden brauchen wir kaum noch näher
auseinanderzusetzen, in welcher Weise speciell von Dawson der Vergleich
mit den Bildungsverhältnissen der Gattung Parkeria und dem Eozoon
durchgeführt wird und darauf hin die gesammte Gruppe den perforaten
Rhizopoden, gewissermaassen als Vertreter des Eozoon während der palaeo-
zoischen Zeit, zugetheilt wird.
Gegenüber dieser Auffassung hat sich dann hauptsächlich die zuerst
von Lindström,*) dann Carter,**) Steinmann***) und Zittel (11) ver-
tretene Ansicht von der Hydrozo@nnatur der Stromatoporiden Geltung ver-
schafft. Hiernach wären dieselben, ebenso wie die Parkeria nach Carter,
als die verkalkten Basalskelete Hydractinia ähnlicher Hydroidpolypen zu
betrachten. Nach Steinmann fände sich auch ein hierhergehöriger Ver-
treter in der Kreideformation.
Wie schon früher bemerkt, maassen wir uns kein Urtheil über diese
Frage an und haben den Leser durch die obigen Schilderungen in den
Stand setzen wollen, sich einigermaassen selbst zu orientiren. Uebrigens
erscheinen uns die jetzigen Untersuchungen noch kaum zu einer sicheren
Entscheidung ausreichend, namentlich da auch die zum Vergleich heran-
gezogenen Basalskelete der Hydractinien noch nicht genügend erforscht
sein dürften.
Die Familie der sogen. Dactyloporida.
Wichtigste Literatur:
D’Orbigny (Cours @l&ment. d. Palaeont. et Gcol. T. II. 1852), Parker u. Jones (62.d),
Carpenter (74), Gümbel, Abhandl. d. bair. Akad. Bd. XI. (sehr wichtige monograph. Bearbei-
tung), X. (Receptaculites) u. Sitz.-B. d. bair. Akad. (Petrascula), Munier-Chalmas, Compt.
rend. 85, Parker u. Jones (Oyulites) A. m. n. h. 4. XX,, Munier-Chalmas (Övulites) soc.
geolog. de France 1879.
Obgleich es keinem Zweifel mehr unterliegt, dass die sogen. Gattung
Dactylopora und die ganze Familie der Dactyloporida, wie sie von
*) Öefvers. af Kongl. Vetensk. Akad. Förh. 1873.
=) A, m, mE. A Sc1X%
*##) Steinmann, Palaeontographica 25. 1877.
ID rn en
Dactyloporida. 225
Andern ins System der Rhizopoden eingereiht wurde, ins Pflanzenreich
und zwar zu den Algen zu verweisen ist, so dürfte es doch, in Anbetracht
der Rolle, welche diese Formen lange Zeit unter den Rhizopoden gespielt
haben, nicht unberechtigt erscheinen, ihrer hier mit wenigen Worten zu
gedenken. Dies wird auch desshalb nicht unerwünscht sein, als gewiss
von neuem Versuche auftauchen werden, sie unter den Rhizopoden zu
belassen, wie denn z. B. Brady sich neuerdings wieder zweifelnd über ihre
‚ Stellung bei den Rhizopoden ausgesprochen hat (117, 11.).
Hierhergehörige Formen hat zuerst Bose unter dem Namen Reteporites
zu den Zoophyten gestellt, wohin sie auch von Lamouroux verwiesen
wurden. Gleicher Ansicht waren ferner Lamarck, Blainville und Defrance,
von welchen der erstere das Genus Daetylopora zur Aufnahme dieser
Formen schuf, dem noch ein zweites, Polytrypa, von den beiden letzt-
genannten Forschern an die Seite gestellt wurde. D’Orbigny zog Daectylo-
pora zuerst zu den Rhizopoden und erklärte sie für nächstverwandt mit
dem von ihm gleichfalls zu den Rhizopoden gezogenen Lamarck’schen
Genus Ovulites. Reuss war noch 1861 ein Anhänger der Bryozo@nnatur
dieser Formen, erklärte sich jedoch 1866 für ihre Zureechnung zu den
Rhizopoden. Durch die Untersuchungen von Parker und Jones, sowie
Carpenter, schien die Rhizopodennatur der 3 von ihnen unterschiedenen
Genera Daetylopora, Acieularia d’Arch. (1543) und Ovulites sichergestellt,
jedoch verwiesen sie die beiden erstgenannten Gattungen als nächstver-
wandt unter die Imperforata, die letzte hingegen zu der Familie der
Globigerinida unter die Perforata. Später haben jedoch Parker und Jones
diese Stellung der G. Ovulites eorrigirt und sie, wie schon d’Orbigny, in
die Nähe von Daetylopora gezogen. Ein sehr eingehendes Studium
widmete Gümbel hauptsächlich den so zahlreichen fossilen Vertretern
dieses Formenkreises und unterschied eine grosse Anzahl von Gattungen
und Arten. Jeden Zweifel an der Rhizopodennatur dieser Gebilde glaubte
er für beseitigt erklären zu dürfen.
Wir entwerfen hier eine kurze Charakteristik dieser Formen mit
Beiseitelassung einer Anzahl zweifelhafter, noch später zu erwähnender
Geschlechter, indem wir uns zunächst auf den Standpunkt der Vertreter
ihrer Rhizopodennatur stellen. Wir haben es hier zu thun mit kalkigen,
porcellanartigen und z. Th. nicht unansehnlichen Gehäusen, von cylin-
drischer bis tonnenförmiger Gestaltung und einem weiten, cylindrischen,
nicht weiter untergetheilten axialen Hohlraum (XIII. 6, 7). Das eine
Ende, und zwar ist dies das Anfangsende des Wachsthums, ist geschlossen,
das andere hingegen weit geöffnet. (Häufig jedoch erscheint durch Ab-
reibung oder Bruch beiderseits eine Oeffnung.) Aufgebaut wird diese
Schale aus vertikal aufeinandergesetzten Ringsegmenten (XIII. 5a, 7), die
loser oder so fest mit einander verwachsen sind, dass sie nicht mehr von
einander unterschieden werden können (XII. 6). (Zuweilen finden sich
auch freie Ringe oder sogar nur Ringabschnitte, die als besondere ein-
fachste Form, Daetylopora eruea, von P., J. und Carpenter betrachtet
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. 15
236 _ Rhizopoda.
werden (4, 5b), während Gümbel geneigt ist, hierin nur Zerfallsprodukte
höher entwickelter Formen zu erkennen.)
Jeder Ring oder Ringabschnitt wird von einer grösseren Anzabl
meist ganz innig verwachsener Kammern aufgebaut (7, a), von denen
jede einen gewöhnlich eiförmigen Hohlraum umschliesst, der sich in die
Centralhöhle des Gehäuses öffnet; gleichzeitig strahlen auf der Grenze
der benachbarten Ringe zahlreiche, ziemlich weite, unverzweigte Kanäle
von dem inneren Centralraum bis zur Aussenfläche aus, wo sie münden
(Haploporella Gümb.). Zuweilen (Dactyloporella Gümb.) finden sich neben
den eigentlichen Kammerhöhlungen noch sackartige, secundäre Hohlräume
oder auch an ihrer Stelle Hohlringe (7, b) in den Wandungen der Ge-
häuse, von welchen aus zahlreiche Kanälchen in divergirender Richtung
büschelartig oder wie die Finger an der Hand gruppirt, aber nie ver-
zweigt, bis zur Oberfläche ausstrahlen (XIII. 7d), während gleichzeitig
kurze Kanälchen die Verbindung mit dem Centralraum herstellen. Schliess-
lich können auch z. Th. weder eigentliche Kammer- noch Nebenhöhlungen
zur Ausbildung gelangen (Thyrsoporella und Gyroporella Gümb.) und
dann bleiben nur die vom centralen Hohlraum radial zur Oberfläche ver-
laufenden Kanälchen als gemeinsamer Charakter der ganzen Abtheilung
übrig. In Anschluss an die Reihe der soeben kurz besprochenen Formen
werden nun z. Th. durch Carpenter, z. Th. durch Gümbel, noch eine An-
zahl etwas abweichender fossiler Formen gebracht, von denen die Gat-
tungen Ovulites Lamek., Petraseula Gümb., Acieularia d’Arch., Uteria Mich.
und Cylindrella Gümb. wohl zweifellos, wie dies auch aus den gleich
noch zu erwähnenden Untersuchungen von Munier-Chalmas hervorgeht,
mit Recht hier angereiht werden, während die sehr alte silurische und
devonische Form Receptaculites ihren Platz kaum mit einiger Sicherheit
hier angewiesen erhalten kann, wenngleich sie durch Gümbel, ihrem ge-
nauesten Monographen, gleichfalls den Dactyloporiden angereiht wurde.
Soweit ich mir ein Urtheil über dieselbe zu bilden vermochte, kann ich,
wie gesagt, in ihren Bauverhältnissen nichts finden, woraus sich mit
Sicherheit eine Hierherziehung rechtfertigen liesse und ebensowenig ver-
mag ich ihren Bau mit der gleich zu besprechenden Auffassung der
Dactyloporiden als Kalkalgen zu vereinbaren.
Im Jahre 1877 hat Munier-Chalmas neue Beobachtungen über die
Dactyloporiden mitgetheilt, aus denen hervorgeht, dass es sich, wenigstens
insoweit die eigentlichen, soeben charakterisirten Formen in Betracht
kommen, nicht um Rhizopoden, sondern um Kalkalgen handelt. Nach
ihm schliessen dieselben sich der Familie der Dasycladeen Harvey’s am
nächsten an, ja sind z. Th. sogar nicht einmal generisch von gewissen
zu dieser gehörigen Gattungen unterschieden. Bis jetzt liegt über die
Munier’schen Untersuchungen nur ein kurzer vorläufiger Bericht vor, so
dass wir kaum in der Lage sind, hiernach die Beziehungen der mannig-
fachen Formen zu den Kalkalgen hinreichend zu würdigen. Wir werden
jedoch versuchen, in Kürze die Eigenthümlichkeiten unserer Formen auf
Dactyloporida. 227
die Organisationsverhältnisse der Kalkalgen zurückzuführen, wie sie sich
aus den erwähnten Untersuchungen ergeben.
Dasycladeen und Dactyloporiden vereinigt M. zu einer Abtheilung
der Siphoniata verticillata, für welche folgende Eigenthümlichkeiten
hauptsächlich maassgebend sind. Der Thallus dieser Algen, von einfacher
oder verzweigter Bildung, wird gebildet von einer axialen Haupt-
zelle (die dem centralen Hohlraum des Dactyloporidengehäuses ent-
spricht); um diese herum gruppiren sich zahlreiche radiär und zu
Wirteln zusammengestellte secundäre Zellen (die einerseits den sogen.
Kanälen, andererseits jedoch auch Theilen der Kammerhöhlungen der
Daetyloporiden entsprechen). Durch Bildung einer Kalkhülle werden
dann schliesslich alle diese Zellen in einen festen Kalkeylinder zusammen-
gepackt.
Bei einem Theil der Geschlechter zeigen jedoch die secundären
Wirtelzellen selbst wieder Differenzirung, und zwar zunächst zu einer die
Centralzelle direct umgebenden Lage, die denjenigen Kanälchen von
Dactylopora entsprechen, die aus dem centralen Hohlraum in die eigent-
lichen Kammerhöhlungen oder in die ringförmigen Nebenhöhlungen
Gümbels führen. Ferner hat sich hier eine zweite äussere Lage grösse-
rer schlauchförmiger Zellen gebildet, welche den Kanälen von Dactylopora
entspricht. Schliesslich gesellen sich hierzu dann noch Sporangien, ein-
fache oder untergetheilte Hohlräume, in welchen wir die eigentlichen
Kammerhöhlungen von Dactylopora wiederfinden. Wie sich die Formen
verhalten, bei welchen von solchen Kammerhöhlungen nichts vorhanden
ist und ob bei sämmtlichen Daetyloporiden mit Kammerhöhlungen diese
letzteren als solche Sporangienräume zu deuten sind, scheint uns aus den
bis jetzt vorliegenden Mittheilungen nicht mit Sicherheit hervorzugehen.
Wie gesagt, ist nach M. die Verwandtschaft gewisser Formen der
Dactyloporiden zu einzelnen Gattungen der Dasycladeen so gross, dass
sie geradezu unter lang bekannte Gattungen dieser letzteren einzureihen
sind. So gehört Haploporella Gmb. als Untergenus zu Cymopolia Lamour.
und auch Zittel hat sich durch eigene Untersuchung von Cymopolia von
dieser Uebereinstimmung überzeugt.
Auch von den oben anhangsweise erwähnten Geschlechtern will
Munier z. Th. die Algennatur festgestellt haben, so von Ovulites, Acieu-
laria und Uteria.
Wenn auch, wie bemerkt, bis jetzt noch nicht die wahre Natur der
Dactyloporiden in jeder Hinsicht aufgeklärt erscheint, so wird doch wohl
kein Zweifel mehr obwalten können, dass sie aus der Liste der Rhizo-
poda und überhaupt aus der Reihe der thierischen Organismen zu
streichen sind.
15 *
228 Rhizopoda.
9, Geographische Verbreitung der Rhizopoda.
Bei der Besprechung der in dieses Kapitel gehörigen Fragen dürfen
wir uns im Allgemeinen wohl kurz fassen, da die thatsächlichen Grundlagen
für eine ausreichende Discussion derselben noch sehr wenig ausgedehnte
sind. Wie es für die Süsswasserprotozo@n überhaupt gültig zu sein
scheint, bieten uns auch die Rhizopodenbewohner der süssen Gewässer
keine Anhaltspunkte zur Annahme besonderer geographischer Verbreitungs-
bezirke dar, sondern ihre Verbreitung scheint eine ganz allgemeine zu
sein und sich überall für die verschiedensten Gattungen derselben da und
dort die geeigneten Lebensbedingungen zu finden. Wir können zwar
ebensowenig, wie z. B. bei den Infusorien, bis jetzt die Allgemeingültig-
keit dieses Ausspruchs striete erweisen, doch deutet das Auftreten einer
ganzen Reihe von Geschlechtern an sehr weit von einander entfernten
Orten darauf hin, dass auch die scheinbar weniger verbreiteten Ge-
schlechter bei eingehenderer Untersuchung eine entsprechende weite
Verbreitung zeigen werden.
Wie gesagt, ist jedoch bis jetzt unser thatsächliches Wissen auf
diesem Gebiet sehr beschränkt. Wirklich methodische Durchforschungen
aussereuropäischer Gebiete liegen, so zu sagen, nicht vor. Vereinzeltere
bierhergehörige Beobachtungen verdanken wir Carter*) und Wallich **)
in Ostindien, letzterem Forscher z. Th. noch aus verschiedenen anderen,
gelegentlich von ihm berührten, aussereuropäischen Orten (wie Grön-
land ete.), ferner Leidy***) und einigen weiteren Forschern bezüglich
der nordamerikanischen Fauna und schliesslich hauptsächlich auch Ehren-
berg,j) der ja mit grossem Fleisse die verschiedenartigsten Schlammproben
und dergleichen aus den entlegensten Stellen der Erde auf die Gegen-
wart unserer Organismen geprüft hat. Auf die Angaben dieser Forscher
gestützt, glauben wir zum Beleg unseres oben über die geographische
Verbreitung der Süsswasserformen aufgestellten Satzes doch noch eine
Reihe von Thatsachen mittheilen zu sollen, die wir hier in Form einer
Tabelle folgen lassen. In diesen Fällen weiterer Verbreitung sind es ge-
wöhnlich sogar dieselben Arten, soweit sich hierüber nach den vorliegenden
Untersuchen urtheilen lässt, welche die betreffenden Gattungen an so weit
von einander entlegenen Punkten repräsentiren.
*) S. hauptsächlich 56, 75.
**) Ann. mag. nat. h. 3. XIII.
###) Proc, acad. Philad. II. III.
-*) Hauptsächlich 95, jedoch zahlreiche weitere Abhandlungen in den Monatsberichten
der Berliner Akademie, sowie über polare Formen in „Die zweite deutsche Nordpolarfahrt‘
Leipzig 1873. 1874. Vergl. auch Schmarda: Zur Naturgeschichte Aegyptens, Denkschr. der
Wiener Akademie VII,
Geographische Verbreitung (Süsswasserformen). 229
\ > 8 ei
| z, 58 w ; = ar MAUER TG. =
BEER HN Be E
AS | > 3 | a3 Fr) v2 ee n
) _ I An | A<« ‘ =
6 an | < 3
Amoeba . * * * a
Chaetoproteus # *
Pyxidicula . * #
Arcella * * * E; * *
Difilugia . a ii, * * *
“ Hyalosphenia | a
Quadrula . % | elhn. IE: *
Euglypha * e B ? | * | * * a
Trinema . * * * ? TALK * ;
Cyphoderia . * Mn RR TR RR RE #
Sehen wir in dieser Weise die bekannteren und häufigeren Gattungen
eine weite, ja, wie wohl angenommen werden darf, eine allgemeine Ver-
breitung in horizontaler Ausdehnung über die Erdoberfläche darbieten, so
scheint das Gleiche auch für die Verbreitung in vertikaler Richtung
Gültigkeit zu haben. Natürlich sind die über diesen Punkt vorliegenden
Beobachtungen noch spärlicher, als die erstbesprochenen, dennoch geben
auch hierüber die Untersuchungen von Perty in der Schweiz und Leidy
in Nordamerika, sowie gelegentliche Beobachtungen Ehrenbergs einigen
Aufschluss. So traf Perty (48) in den Alpen Difflugien in 8000‘ Höhe
an (die gleiche Höhe constatirte auch Ehrenberg für eine Difflugia des
Himalaya), Arcella, Euglypha und Trinema konnten in Höhen von 5000‘
in der Schweiz nachgewiesen werden. Leidy (Proc. acad. Philad. III.
p. 321) überzeugte sich, dass die Rhizopodenfauna der Rocky-mountains
noch in 10,000° Höhe wesentlich denselben Charakter besitzt, wie die
Philadelphia’s und machte bei dieser Gelegenheit noch die Erfahrung,
dass dieselbe sich vorzüglich reichlich auf Sandstein, Quarz, Thon- und
granitischem Boden entwickelt, wogegen auf Kalkboden stets nur eine
sehr ärmliche Rhizopodenfauna zur Ausbildung gelangen soll. Ein wesent-
licher Einfluss der Höhe auf die Verbreitung der Süsswasserrhizopoden
hat sich demnach bis jetzt nicht ergeben und dies um so weniger, als
es dieselben Arten sind, die sich in der Ebene und jenen z. Th. so be-
trächtlichen Höhen finden.
Etwas anders gestaltet sich die geographische Verbreitung der Meeres-
formen. Nicht dass hier eine ähnlich lokale Verbreitung der grossen
Mehrzahl der Geschlechter sich zeigte, wie sie in höheren Abtheilungen
der Thierwelt gewöhnlich angetroffen wird, sondern aus den bis jetzt in
ziemlicher Zahl vorliegenden Untersuchungen scheint im Gegentheil her-
vorzugehen, dass eine sehr grosse Zahl der Geschlechter eine kosmopol-
tische Verbreitung besitzt. Dennoch ergibt sich mit Sicherheit, dass
einer Reihe von Geschlechtern eine beschränktere Verbreitung zukommt;
— fraglich bleibt jedoch, wie mir scheint, die Verbreitung der bis jetzt
nur selten gefundenen Geschlechter, von denen es, in Anbetracht der trotz
aller Beschränkung immer noch sehr weiten Verbreitung der besser be-
230 Rhizopoda.
kannten Geschlechter, sehr wahrscheinlich ist, dass auch sie sich einer
ähnlichen weiten Verbreitung erfreuen, und nur ihre relative Seltenheit
die Ursache für ihre scheinbare lokale Beschränktheit bildet.
Ich habe mich bemüht, das mir zugängliche Material über die geo-
graphische Verbreitung der marinen Rhizopoden zu sammeln, um zu einem,
wenn auch noch sehr beschränkten, Ueberblick über diesen Gegenstand
zu kommen. Diese Arbeit wird natürlich sehr erschwert, ja z. Th.
geradezu illusorisch gemacht, durch die grosse Schwierigkeit der Arten-
begrenzung und die Verwirrung der Synonymik. Denn wenn man sich der
Auffassung von Parker, Jones und Carpenter anschliesst, so dürfte es, bei
der von diesen Forschern betonten so überaus grossen Variabilität der
Formen, schwierig sein zu erweisen, dass zwei identische oder doch sehr
ähnliche Formen weit entlegener Gebiete thatsächlich sich in entsprechen-
der Weise verhalten, wie dies für die höheren Thiere angenommen wird —
d. h. dass sie als eine Formreihe gemeinsamen Ursprungs zu betrachten
sind, die sich über eine weite Fläche ausgebreitet hat, oder ob nicht
beide sehr ähnliche Formen gesondert von einander ihren Ursprung ge-
nommen haben.
Eine Hauptsehwierigkeit bei dem Versuch der Erörterung der geographi-
schen Verbreitung bildet jedoch der Mangel einer durchgehenden kritischen
Siehtung der zahlreichen d’Orbigny’schen Arten. Da sich ein derartiges
Unternehmen nur unter Mithülfe eigenen, ansehnlichen Vergleichmaterials
wird bewerkstelligen lassen, so konnte ich dies nur bis zu einem gewissen
Grade durchführen. Immerhin hoffe ich, dass durch die unten mitgetheilte
Tabelle über die geographische Verbreitung der Gattungen, Untergattungen
und Arten eine annähernde Uebersicht gewonnen werden kann.
Die Vergleichung dieser Tabelle ergibt nun eine Reihe allgemeinerer
Punkte, die hier zunächst kurz erörtert werden mögen.
Die Zahl der Geschlechter und Untergeschlechter*) nimmt im All-
gemeinen in den wärmeren Meeren zu, oder anders ausgedrückt, eine
ziemliche Anzahl von Formen ist auf die wärmeren Meere beschränkt;
wenigstens fehlen sie den kälteren Meeren der nördlichen Hemisphäre,
die bis jetzt allein eingehender durchforscht sind. Eine Zählung ergibt,
dass von 70 kalkschaligen Gattungen und Untergattungen ca. die Hälfte (38)
den arktischen Meeren fehlen; dass hingegen an den brittischen Küsten
und der Nordsee dieser Mangel sich nur auf ca. 25 Gattungen erstreckt,
im Mittelmeer schliesslich nur auf 15 herabsinkt. Dagegen ist kein Ge-
schlecht oder Untergeschleeht den arktischen oder den nördlichen gemässig-
ten Meeren eigenthümlich, alle hier vertretenen verbreiten sich auch durch
die warmen Meere.
Eine im Ganzen nicht sehr erhebliche Zahl von Geschlechtern scheint
*) Bei dieser Betrachtung sind die sandschaligen Formen nicht weiter berücksichtigt
worden, da eine beträchtliche Zahl derselben nur sehr wenig bekannt ist und die systemati-
schen Fragen hier am unsichersten liegen.
Geographische Verhreitung (Meeresformen). 231
den tropischen Meeren allein eigenthümlich zu sein, es sind dies 12 von
jenen 15 Geschlechtern, die nach obiger Angabe dem Mittelmeer fehlen,
während die 3 übrigen Gattungen (Chilostomella, Hauerina und Nummu-
lites) die sich in nördlicheren Meeren gefunden haben, wohl ohne Zweifel
auch noch im Mittelmeer anzutreffen sein werden. Es sind diese 12 Gat-
tungen sämmtlich an Artzahl sehr beschränkt; auch ist ihre geographische
‚Verbreitung in den tropischen Meeren, soweit dieselbe bis jetzt be-
kannt, meist keine weite; jedoch mag dies, wie schon oben bemerkt
wurde, mehr auf unzureichender Erfahrung, als auf einem thatsächlich
lokal beschränkten Auftreten dieser Formen beruhen. Die eben hinsicht-
lich der Zahl der vorhandenen Gattungen kalkschaliger Rhizopoden näher
betrachteten Distriete sind bei weitem die am besten durchforschten ;
wollte man nach den thatsächlich in den verschiedenen wärmeren Meeren
bis jetzt gefundenen Zahlen von Gattungen urtheilen, so müsste man eine
z. Th. nicht unbeträchtliche Verminderung gegenüber dem Mittelmeer an-
nehmen. So stellt sich mit Berücksichtigung aller sicheren mir vor-
liegenden Daten die Zahl der bis jetzt im rothen Meer gefundenen Gat-
tungen und Untergattungen nur auf ca. 29, die von den canarischen
Inseln, der Westküste von Afrika und dem tropischen atlantischen Ocean
auf 38, die von den westindischen Meeren auf 42, von der Ostküste
Südamerikas auf 37, von der Ostküste Afrikas (Seychellen, Madagascar
und indischer Ocean) auf 48, vom malayischen Archipel auf 24, Australien
und Neuseeland auf 42 und den oceanischen Inseln, sowie dem paeifischen
Ocean überhaupt auf 37. Wie gesagt, wäre es jedoch gewiss ungerecht-
fertigt, in diesen Zahlenverhältnissen die Summe der thatsächlich in jenen
angeführten Regionen verbreiteten Gattungen und Untergattungen finden
zu wollen; die einzige Thatsache, dass von jenem Plus des Mittelmeeres
die eine oder die andere Gattung bald in der,. bald in jener der oben
aufgeführten Regionen angetroffen wird (mit alleiniger Ausnahme der sehr
wenig bekannten Gattungen Squamulina und Rimulina) beweist zur
Genüge, dass jene Verhältnisse nur aus unserer unzureichenden Erfahrung
sich herleiten. Andererseits ist uns jedoch auch dieser Umstand direct
wohl bekannt.
Berücksichtigen wir die Zahl der Arten, so lässt sich fernerhin aus
der weiter unten folgenden Tabelle wohl noch einiges hervorheben, wenn
auch der Grad der Sicherheit kein sehr erheblicher ist. Für eine ziem-
liche Reihe von Gattungen scheint nämlich die Artzahl in den wärmeren
Meeren zuzunehmen; wir führen als Beispiele hierfür namentlich die Gat-
tungen Quinque- und Triloculina, ferner Nodosaria, Vaginulina, Cristellaria,
Marginulina, Textularia und Pulvinulina auf. Dagegen scheinen eine
weitere Reihe von Gattungen eine ebenso reiche Artzahl in den kälteren,
wie den wärmeren Meeren aufzuweisen; ein Blick auf Lagena, Poly-
morphina, Virgulina, auch Rotalia (jedoch erst in der gemässigten Region
beginnend) wird dies lehren. Inwiefern bis jetzt ein Werth auf die be-
sonders reichliche Entwickelung einiger Gattungen (wie Bulimina und
232 Rhizopoda.
Nonionina) in der arktischen Region zu legen ist, wollen wir hier nicht
zu entscheiden suchen.
Was den Reichthum der einzelnen oben unterschiedenen Faunen-
gebiete an Arten betrifft, so wollen wir hier nur die drei bestbekannten
derselben vergleichen, nämlich das arktische, das nördliche gemässigte
und das mittelmeerische, wobei wir, wie auch schon bei der Betrachtung
der Geschlechter, eine Zunahme der Artzahl in den wärmeren Meeren im
allgemeinen antreffen werden. Die Zahl der bis jetzt in den erwähnten
drei Regionen gefundenen Arten beträgt in der Reihenfolge, in der sie
soeben genannt worden sind, ca. 99, 185 und 198, wobei jedoch zu be-
merken ist, dass die nördliche gemässigte Region bei weitem die genauest
bekannte ist, und namentlich für die Mittelmeerregion die Zahl der Arten
bei ausgebreiteteren Untersuchungen sich wohl noch ziemlich erhöhen
dürfte. So beträgt die Zahl der bis jetzt allein an den britischen Küsten
nach der Zusammenstellung von Siddall und Brady gefundenen Arten
166, so dass, wie gesagt, diese Region mit Bestimmtheit als die genauest
durchforschte zu bezeichnen sein dürfte.
Was die 99 Arten der arktischen Region betrifft, so dürfte hier noch
hervorgehoben werden, dass nach den Erfahrungen der britischen Nord-
polexpedition (115) die Rhizopodenfauna der arktischen Region des paci-
fischen Oceans im Ganzen ein sehr einförmiges Gepräge besitzt, indem
die grosse Mehrzahl (ca. 95°/,) sämmtlicher angetroffener Rhizopoden
sich aus wenigen Arten zusammensetzt und zwar sind dies: Globigerina
bulloides, Cassidulina laevigata und crassa und Polystomella striatopunc-
tata. Hierzu gesellen sich gewöhnlich noch ein oder zwei Formen von
Nonionina und auf sandigem Grund auch Polystomella arctica. Hiernach
möchte es scheinen, dass auch die Rhizopodenfauna der arktischen Re-
gionen, trotz der nicht unerheblichen Zahl von 99 bis jetzt überhaupt in
ihr angetroffenen Arten, doch im Ganzen einen ähnlichen Charakter zeigt,
wie die arktische Meeresfauna überhaupt, d. h. das Vorherrschen weniger
Formen in sehr beträchtlichen Mengen.
In der folgenden Tabelle versuchen wir nun eine Uebersicht der bis
jetzt ermittelten Hauptergebnisse über die geographische Verbreitung der
marinen Rhizopoden zusammenzustellen. Zum Verständniss derselben
schicken wir einige Erläuterungen voraus. Die Unterscheidung einzelner
Faunengebiete ist eine ziemlich willkürliche und einzig von den vorliegen-
den, ausgedehnteren Untersuchungen gewisser Gebiete abhängig gewesen.
Wir haben solche Gebiete wie die Antillen und die canarischen Inseln,
über welche eingehendere Untersuchungen vorliegen, zum Mittelpunkt
einer Region erhoben, der wir weitere, zerstreute Beobachtungen aus be-
nachbarten Gebieten angeschlossen haben. Nach diesem Grundsatz sind
demnach in der folgenden tabellarischen Uebersicht 11 Regionen unter-
schieden, die wir zunächst hier etwas genauer zu charakterisiren
haben.
, R
Geographische Verbreitung (Meeresformen). 233
I. Arktische Meere; die bezüglichen Beobachtungen beziehen sich
sowohl auf den arktischen atlantischen als pacifischen Ocean, die Küsten
von Grönland, des arktischen Norwegens, die Baffinsbai ete.
I. Nördlich gemässigte Meere; begreifend die Küsten von
Grossbritannien, die Nordsee, Ostsee, die Küstengebiete des gemässigten
Norwegens, die Ostküste von Nordamerika, die gemässigten Gebiete des
nordatlantischen Oceans, den Kanal und die Westküste von Frankreich.
III. Das Mittelmeer.
IV. Das rothe Meer.
V. Die eanarischen Inseln, die wenigen Beobachtungen von
der Westküste von Afrika und aus dem tropischen atlantischen Ocean.
VI. Westindische Meere.
VI. Die Ostküste von Südamerika, hauptsächlich Befunde
von der sogen. Albrolhos Bank.
VIH. Die Ostküste von Afrika, hauptsächlich Befunde von den
Seychellen und Madagascar, sowie dem indischen Ocean.
IX. Malayischer Archipel.
X. Australien und Neuseeland.
XI. Die Küsten der oceanischen Inseln und die im Ganzen
sehr spärlichen Beobachtungen aus dem pacifischen Ocean überhaupt,
mit Ausnahme seiner arktischen Region.
Wir geben zunächst stets eine Totalübersicht der Zahl der überhaupt
bis jetzt in jeder Gattung oder Untergattung unterschiedenen Arten und
hierauf die Totalzahl der in jeder der unterschiedenen Regionen bis jetzt
angetroffenen Arten. Hierauf folgt eine nach Nummern gegebene Ueber-
sicht der Arten jeder Region, so dass hieraus in jedem einzelnen Fall
leicht zu eruiren ist, wie viel Arten je zwei Regionen gemeinsam sind,
und in welcher Verbreitung durch die verschiedenen Regionen bis jetzt
eine und dieselbe Art angetroffen wurde.*) Wenn das Vorkommen einer
Gattung in einer Region nur im Allgemeinen, obne Kenntniss der betreffen-
den Arten, bekannt wurde, so bezeichnen wir dies durch ein *; wo ferner
die Verbreitung einer Gattung durch gewisse Regionen, aus welchen noch
kein direeter Beweis für ihr Vorkommen vorliegt, aus der sonstigen Ver-
breitung mit Sicherheit wohl zu erschliessen ist, so deuten wir dies durch
ein ? an.**)
*) Das ganze Arsenal von Artnamen hier vorzuführen, glaubten wir nicht unternehmen
zu sollen.
**), Ausser den schon in der allgemeinen Literaturübersicht aufgeführten Schriften über
die geographische Verbreitung der marinen Rhizopoden, die fast sämmtlich von mir bei der
Zusammenstellung der folgenden Uebersicht benutzt werden konnten, mögen hier noch nach-
stehende Abhandlungen angemerkt werden, die mir unzugänglich blieben:
Robertson, D., Note of rec, Foraminif. etc. of Firth of Olyde (Transact. geol. soc. Glasgow V.).
—— Report on dredging etc. of Durham and N.-Yorksh. (Rep. Brit. Assoc. Bristol Mest.),
Winther, G., Danmarks Foraminifera. Kjöbenh. 1874.
Terquem, O., Foraminif. de Ja plage de Dunkerque. 2 p. Paris 1876—78.
234 Rhizopoda.,
Imperforata.
I: IL.) Ir... | IV. 1 Ve) NE AaVEaavan IX. | X. | XI.
Squamulina „waEk 1 i
Totalzahl 1. | R
Ammodiscus . 1 4 ? he | 3 3 ? ? ? ?
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Spiroloculina... 4,6 ? ) 451: #83 4138
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4 6 .9g 7 bi} 5
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Quinqueloculina. | 4 12 11/3 4:51,16.|::8 41) 9:43:84 08 2
Tot. 29. 1.1. 1.1.1011 9° 280) as ol
5ER | 2 22 3 | 2 | 3.477 |
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Triloculina .... 3 6 7 1 3'| 10:|:2 3 3 5 2 |
Tot. 23. 1 1 2 1 3 3 1 3 2 2 3
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Geographische Verbreitung beschalter Meeresformen. 235
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Branlina..‘.... * ? # P4 ? P4 ? 3
ot.) 3. 1 1 1 1
3 2 2
Bzbitolites*) ... * x * * * ? Pa 1, EX ? * *
Tot. 4. | | | |
Arenacea.
Botallas.....! Reg. II.
Kobt.1.
ee 9 durchaus sehr weit verbreitet.
ot. 3.
J a: BL Reg. II, weitere Verbreitung unsicher.
ot. 1.
Marsipella..... Reg. V, und weiter.
Rob 4,
Rhyzammina ... Verbreitung sehr weit.
Bot. 1.
Sagenella ..... Reg. XI.
Lüc*1,
_ Rhabdammina... Reg. IL, VI und VII.
. ol 3. |
*) Da es mir nicht möglich war, die Verbreitung der einzelnen Formen einigermaassen
sicher zu ermitteln, so habe ich speciellere Angaben unterlassen; jedoch sei hier soviel be-
merkt, dass die complieirter gebauten Formen auf die wärmeren Meere beschränkt sind.
236 Rhizopoda.
le I
1,1 mr) Be m AM vu vur.| x. | x n
Astrorhiza..... 1 3 1 | 1 1 1
Tot. 3. 2 1 2 3 3 2
Er
Aschemonella .. Reg. V, VII und XI.
Tot. 1.
Dendrophrya ... Reg. I. :
Tot. 2.
Haliphysema ... Reg. II.
Tot. 1—2. N
Saccammina.... | Reg. II und weiter.
Tot. 1.
WEDBIna: 5 ie: Reg. I, V und VI.
Tot. 2.
Perforata.
Tagena F SRkın er 16 | 2272| 3 4 1 6 9 s |32|12| 2
Tot. 54. 1 1 2 10 5 2 2 2 2 2 10
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*) Eingerechnet zwei neuerdings von Möbius (Beiträge zur Meeresfauna der Insel Mau-
ritius etc. 1880) von Mauritius beschriebne Arten.
**) Eingerechnet eine neuerdings von Brady (Qu. journ. mier. sc. Vol. 21. n.s.) von den
Fiji-Inseln beschriebne Art.
Bronn, Klassen des Thierreichs. Protozon. 16
242 - Rhizopoda.
10, Paläontologische Entwicklung der Rhizopoda,
Bearbeitet von C. Schwager. *)
Nachdem die Eozoonfrage schon bei früherer Gelegenheit eine ziem-
lich ausführliche Erörterung erfahren hat, würde es zu weit führen,
wenn man dieselbe hier nochmals berühren wollte, und will ich nur be-
merken, dass trotz allem bisher Angeführten erst die Zukunft endgültig
zu entscheiden haben wird, ob wir in dem Eozoon den ältesten bekannten
Vertreter der Rhizopoden aus den sogenannten archäischen Formationen
zu begrüssen haben oder nicht.
Wir wenden uns daher gleich zur Betrachtung der
Paläozoischen Formationen.
Wichtigere Literatur:
Ehrenberg, Monatsber. der Berliner Akad. 1858.
Parker und Jones, Ann. magaz. nat. hist. London 1863 u. 1872.
Dawson, G. M., On a new species of Loftusia. (Quart. journ. geolog. soc. Vol. 35.
Fischer de Waldheim, G., Oryctographie du Gouvernem. de Moscou. 1829—37.
Eihrenberg, Mikrogeologie 1854.
Geinitz, Die Versteinerungen d. deutschen Zechsteingebirges u. Rothliegenden. Dresden 1848,
Jones, R., in King, W., Monograph. of the Permian fossils of England. London 1850.
Reuss, A. E., Entomostr. u. Foraminiferen im Zechstein der Wetterau. Jahrb. der Wetter-
auischen Gesellschaft f. 1851—53. Hanau 1854.
Richter, R., Zeitschr. d. deutschen geolog. Gesellsch. Bd. VII.
Hall, J., Trans. Albany Institute Vol. IV. (Kohlenkalk von Indiana u. Illinois.)
Eichwald, E., Lethaea rossica. Stuttgart 1860.
Geinitz, H. B., Dyas. Leipzig 1861.
Schmidt, E., Ueber die kleineren organ. Formen des ZecHsteinkalkes von Selters. N. Jahrb.
f. Mineralogie etc. 1867.
Young and Armstrong, Transact. geolog. soc. of Glasgow. Vol. III. u. IV. (Kohlenkalk
von Schottland.)
Brady, H. B., A monograph of CGarboniferous and Permian Foraminifera. Palaeontogr.
soc. 1876.
——— On a Group of Russian Fusulinae. Ann. mag. nat. hist. 1876.
Stache, Fusulinenkalke aus Ober-Krain, Sumatra u. Chios. Verh. geol. Reichsanst. Wien 1876.
Zittel, Handbuch der Paläontologie. München 1876.
Möller, V. von, Die spiralgewundnen Foraminiferen des russischen Kohlenkalks.. Me&m.
acad. St. P£tersbourg T. s. T. XXV. 1878.
—____ Die Foraminiferen des russischen Kohlenkalks. Ibid. 7. s. T. XXVIL. 1879.
——— Ueber einige Foraminiferen führende Gesteine Persiens. Jahrb. der geolog. Reichs-
anst. Wien 1880.
Steinmann, G., Mikroskopische Thierreste aus dem deutschen Kohlenkalk. Zeitschr. der
deutschen geolog. Gesellsch. 1880.
*) Die Schwierigkeiten, welche, wegen des Umfangs und der weiten Zerstreuung der ein-
schlägigen Literatur, sowie der Verwicklung der systematischen Verhältnisse, die Abfassung
eines kurzen Berichtes über die paläontologische Entwicklung der Rhizopoden darbietet, liess es
ınir wünschenswerth erscheinen, einen auf diesem Gebiet seit längerer Zeit thätigen Fach-
mann um seine gütige Mitwirkung zu ersuchen, Ich hege die Hoffnung, dass trotz einiger
Ungleichheiten, welche hierdurch in die Darstellung eingeführt worden sind, das Werk im
Ganzen dadurch gewonnen hat. 0, Bütschli,
Paläontolog. Entwicklung (Kohlenform.). 243
Es existiren zwar mannigfache Angaben über das Auftreten von
Rhizopoden im Silur, von welchen namentlich jene so bewährter Forscher,
wie es Parker und Jones sind, gewiss alle Beachtung verdienen; trotz-
. dem schwebt aber noch ein gewisses Dunkel über diesen Vorkomm-
nissen, und lässt sich an das, was von denselben bisher bekannt wurde,
kaum irgendwie anknüpfen. Auch im Devon fand Schlüter*) eine Form,
welche er als Coelotrochium Decheni an Ovulites anschliessen zu können
glaubt, die aber Steinmann wohl mit Recht zu den Kalkalgen stellen
möchte, zu denen allerdings auch Ovulites gehört.**) Auf die, ausserdem
im Silur und Devon vorkommenden Receptaculiden und Stromatoporiden
brauchen wir hier nicht näher einzugehen, da wir über dieselben schon
früher berichtet haben und deren Beziehungen zu den Rhizopoden über-
haupt noch mannigfach in Frage kommen.
Ganz anders gestaltet sich das Verhältniss dagegen bei den Rhizo-
poden des Kohlenkalks. Hier sind es keine zweifelhaften Formen, denen
wir gegenüberstehen, wir finden da im Gegentheil manche Vorkommnisse,
die sich in ungeahnter Weise selbst an recente Formen anschmiegen.
Steinkohlenformation. >
Obwohl gewiss vorauszusetzen ist, dass es früher oder später gelingen
wird, in älteren Schichten die Vorläufer der verhältnissmässig so hoch
entwickelten Rhizopodenfauna dieser Formation zu entdecken, so spielt
dieselbe bei dem jetzigen Stande unseres Wissens doch immerhin die Rolle
einer Primordialfauna, und muss man sich vor der Hand damit begnügen,
von dieser Etappe aus die weitere Entwicklung der bezüglichen Formen
zu verfolgen.
Dies aber dürfte es rechtfertigen, wenn wir bei der Vorführung der
betreffenden Fauna etwas mehr ins Detail eingehen, um so mehr, als
manche Unsicherheiten, welche sich in den bisherigen Bearbeitungen der-
selben noch finden, wohl einer gewissen Feststellung bedürfen. Es ist
dies übrigens nicht zu verwundern, wenn man die Schwierigkeiten
in Betracht zieht, welche der Erhaltungszustand hier so häufig einer ge-
naueren Untersuchung entgegensetzt. Was die Reihenfolge betrifft, in
welcher diese Formen vorgeführt werden, so schliesst sie sich, der
Gleichartigkeit wegen, im Ganzen an die im systematischen Abschnitt
eingehaltene Folge an, und sind die bisher aus dem Carbon bekannt
gewordenen Gattungen mit Ausschluss der Synonyme folgende:
Haplophragmium Reuss. Brady führt in seiner Monographie
bloss eine Form dieser Gattung an, die allerdings mit Recht der vorliegen-
den Abtheilung zugezählt werden muss und zwar jener Untergruppe mit
einfacher centraler Mündung, welche bereits von Reuss als d’Orbignyna
Hagenow abgetrennt wurde; von Haplophragmien sensu strietiori, mit
*) Zeitschr, der deutschen geolog. Gesellsch. 1879,
*#*) Die eingehende Bearbeitung von Munier-Öhalınas in Bull. soc. geol. de France
3. Ser. T. VII: Nr. 10 lässt über die Stellung dieser Form kaum mehr einen Zweifel zu.
10*
244 Rhizopoda.
einfachen Kammern, aber mehr oder weniger siebförmiger Mündung,
findet man dort jedoch nichts erwähnt, doch kann ich nieht umhin, Endo-
thyra globulus (Eichwald) Möller (IL. Taf. I. Fig. 1), sowie auch die als
Endothyra Panderi M. und End. parva M. aufgeführten Formen dafür
zu erklären, denn ich vermag kein Merkmal zu finden, das sie von ersterer
Gattung trennen würde. Auch die bei Möller als fraglich angegebene
Form, die l. e. Abth. I. Taf. IV. Fig. 6 abgebildet ist, dürfte wohl
hierher gehören, falls sie nicht eine echte Lituola mit Sekundärsepten
darstellt.
Lituola Lamarck. Von typischen Lituolen wird bei Brady eine
Form als L. nautiloidea Lmk. angeführt, was jedenfalls auf eine exorbi-
tante Langlebigkeit dieser Species hindeuten würde.
Wichtiger jedoch als die bisher angeführten Lituolideen, in Anbetracht
der Rolle, welche er zum Theile in der Zusammensetzung der Kohlenkalk-
faunen spielt, ist ein anderer Repräsentant dieser Gruppe, welcher wohl
als das aufgefasst werden muss, was man bisher als die Nonioninenform
von Haplophragmium zu betrachten gewöhnt war, nämlich:
Endothyra Phillips. Die älteren Formen, wie z. B. die von Phillips
zuerst aufgestellte Species E. Bowmanni Ph. zeigen zwar meist eine
ausgesprochene Ungleichseitigkeit, während unter denen aus jüngeren
Schichten sich gerade im Gegentheil mehr annähernd gleichseitige Formen
finden, doch wird man bei genauerer Untersuchung wohl auch bei letz-
teren den, wenn auch flach turbinoiden Aufbau zu erkennen vermögen.
Brady führt diese Formen als porenlos und halbsandig an, während
Möller, dem augenscheinlich ein besser erhaltenes Material zu Gebote
stand, das Vorhandensein von Poren’ betont. Ich kann nach den Beob-
achtungen, die ich zu machen Gelegenheit hatte, nur Beides bestätigen,
so sehr es sich auch zu widersprechen scheint. Die vorliegende Gattung
kann an Massenhaftigkeit des Vorkommens im Kohlenkalke stellenweise
selbst mit den Fusulinen wetteifern.
Trochammina P. et J. An die von Brady aufgeführten Arten
dieser Gattung schliessen sich jene eng an, die aus dem oberen Zech-
steine angegeben werden, und ist möglicherweise hier‘der Ausgangspunkt
mancher, später gesondert auftretender Formen zu.suchen.
Saccammina Sars. Zu den genauen Untersuchungen dieser Gattung,
wie wir sie Brady verdanken, wäre nur hinzuzufügen, dass die grosse Form
aus dem Kohlenkalke von Punchab, welche Prof. Zittel in seinem Handbuche
erwähnt, in ganz ausgezeichneter Weise, jenes eigenthümliche Relief kleiner
Sechsecke zeigt, wie wir es bei manchen Lageniden beobachten können.
Nodosinella Brady. Repräsentirt hier, in Gemeinschaft mit der
vorhergehenden Form, die Gruppe der Arenacea, die ich als wohl be-
rechtigt zu betrachten allen Grund habe.
Lagena Walker et Jakob. Von den bei Brady angeführten Formen
besitzt namentlich L. Lebouriana B. ein so charakteristisches Aussehen,
Paläontolog. Entwicklung (Kohleuform.). 245
dass an deren Zugehörigkeit zu der betreffenden Gattung kaum gezweifelt
werden kann.
Climacammina Brady (Cribrostomum Möller).*) Bei diesem Genus
scheint ein eigenthümliches Verhältuiss im Aufbau, das bei anderen
agglutinirenden Foraminiferen nur hier und da beobachtet wird, als
Norm vorzukommen. Die Schale wird nämlich bei jeder einzelnen Kan-
mer Anfangs rein kalkig, mit ziemlich gedrängt stehenden, gleichmässig
vertheilten Poren abgeschieden. Erst später werden Sandkörner mit zum
Aufbaue derselben verwendet, wodurch, wie es nicht anders zu erwarten
ist, die Entstehung von Poren auf einzelne Partien beschränkt, oder
deren Bildung auch vollständig sistirt werden kann. Die Zeichnungen,
welche v. Möller seinem Werke beigibt, zeigen dieses Verhältniss in ganz
ausgezeichneter Weise, aber auch bei Brady ist Taf. I. Fig. 8 Aehn-
liches bereits angedeutet.
Textularia Defrancee. Manche Formen, die ich, namentlich aus
dem Carbon von China und Japan kennen zu lernen Gelsgenhen hatte,
dürften wohl zu den echten Textularien oder wenigstens zu der agglu-
tinirenden Abänderung derselben, den Plecanien, zu zählen sein.
Tetrataxis Ehrenberg. Was diese eigenthümliche Form betrifft,
die eine sehr grosse horizontale Verbreitung besitzt, jedoch nirgends
gerade häufig zu sein scheint, so erinnert dieselbe in dem äusseren Aufbaue
ihres konischen Schalen-Mantels an Patellina, obwohl sie anderseits doch
wieder viel mehr Aehnlichkeit mit manchen gerundet konischen, agglutini-
renden Textilarien besitzt. Dass aber diese Tetrataxis-Form aus der
Reihe der Arten, die bisher unter der Genusbezeichnung Valvulina auf-
geführt wurden, ausgeschieden und die alte Ehrenberg’sche Bezeichnung
für dieselben beibehalten werden müsse, darin kann man v. Möller nur
beistimmen. Ebenso kann ich die Beobachtung Möllers nur bestätigen,
dass auch bei dieser Gattung, zumeist nur in den jüngern Theil der Schale
Sand aufgenommen wird.
Höchst eigenthümlich ist das, sowohl von Brady als auch von Möller
beobachtete Auftreten zierlich vertheilter Sekundärsepta bei manchen dieser
Formen. Durch das letztere Merkmal würde sich auch Brady’s Valvulina
rudis annähernd hier anschliessen, doch erweist sich dieselbe im Ganzen
als so eigenartig, dass ich sie bei keiner bisher aufgestellten Gattung
unterzubringen wüsste.
Valviulina pliecata Br. und Valv. bulloides Br. werden wohl bei
Valvulina verbleiben müssen; doch dürfte es nothwendig werden, dieses
‘Genus etwas mehr einzuengen, als dies bislang vielfach der Fall war.
Truneatulina d’Orbigoy. Wenn man die Beschreibung, und
namentlich die Abbildung der Form, welche Brady unter dem Namen
T. Boueana d’Orb. aus dem Kohlenkalke anführt, mit den tertiären
*) Durch ein Versehen wurde p. 204 fälschlich geschrieben Climacimına,
246 Rhizopoda.
Repräsentanten dieser Art vergleicht, so dürften sich doch wohl Merkmale
finden lassen, welche beide Arten von einander scheiden, obwohl sich
scheinbar unmittelbar verbindende Glieder immerhin finden lassen mögen.
Pulvinulina Parker et Jones. Eine sehr charakteristische Art
dieser Gattung, welehe in einer nahestehenden Verwandten allerdings erst
wieder in der Kreide erscheint, dann aber, mit wenig Veränderungen bis
in die Jetztzeit hinaufreicht, lernen wir ebenfalls durch Brady, in der
P. Broeckiana Br. aus dem Kohlenkalke kennen, und gibt so dieselbe
thatsächlich das Beispiel einer sehr langlebigen Gruppe ab. ei
Calearina d’Orbigny. Der äusseren Form nach, wie sich aus der
Abbildung bei Brady ersehen lässt, zeigt die betreffende Kohlenkalkform
keine besondere Aehnlichkeit mit den jüngeren Vertretern dieser Gattung,
doch die Angabe der Schalenstruktur muss jedes Bedenken beseitigen,
das sich gegen die richtige Einreihung der als C. ambigua Brady be-
zeichneten Form erheben könnte.
Spirillina Ehrbg. Von diesem Genus werden von Möller einige recht
charakteristische Formen angeführt, die sich ganz ungezwungen an die
Jüngeren Vertreter dieser Gruppe anschliessen, obwohl sie immerhin merk-
liche Verschiedenheiten zeigen.
Archaediscus Brady. Diese eigenthümliche Gattung, deren Durch-
schnitte, wie sie sich in den Dünnschliffen zeigen, namentlich bei Möller
sehr charakteristisch gezeichnet sind, repräsentirt meist in den verschie-
denen Kohlenkalkproben, in denen ich sie zu beobachten Gelegenheit
hatte, für sieh allein die rein kalkschaligen Foraminiferen, und fällt
dieselbe durch ihre auffallend durchsichtige, dicke Schale meist ziemlich
auf. Im Ganzen scheint dieselbe feinporös zu sein, doch konnte ich
auch mehrmals grobporige Partien deutlich unterscheiden, genau in der
Weise wie sie Brady zeichnet. w
Cribrospira Möll. Diese Gattung, welche ich jedoch nicht selbst
untersuchen konnte, schliesst sich der allgemeinen Gestalt nach an die
ganz eingerollten Formen von Haplophragmium an, doch wäre es immer-
hin denkbar, dass sie eine rein kalkige Schale besitzt, wofür jedenfalls
die Art der Perforation sprechen würde. i
Bradyina Möll. Ganz unerwartet steht man hier einer Form gegenüber,
die enge Beziehungen zu den Polystomellen besitzt, von denen sie sich
aber durch ihren unsymmetrischen Aufbau unterscheiden würde. Exem-
plare von Kaluga, die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, und die ich
allen Grund habe hierher zu rechnen, zeigen dieses Merkmal ganz augen-
fällig, doch scheinen dieselben eine agglutinirte Schale zu besitzen.
Amphistegina d’Orbigny. Einen eigenthümlichen Eindruck macht
es, diese Form, welche man höchstens in der oberen Kreide zu suchen
gewöhnt war, in überdies noch so sehr typischen Repräsentanten hier
wiederzufinden, und könnte man durch solche Funde verleitet werden,
Paläontolog. Entwicklung (Kohlenform.). 247
Jenen recht zu geben, welche den Foraminiferen alle Tauglichkeit zur
Unterscheidung von Schichten absprechen möchten. Doch gibt es der
Gründe übergenug, welche für das Gegentheil sprechen.
Nummulites Lamarek. Was von der vorhergehenden Gattung ge-
sagt wurde, gilt von der vorliegenden noch in erhöhtem Maasse, deren
erstes Auftreten einst als eines der charakteristischsten Merkmale des
Eoeän galt. Durch die exorbitante Entwicklung, welche sie dort findet,
wird. sie aber für diese Abtheilung ihre bezeichnende Rolle allerdings
auch immer behaupten.
Fusulina Fischer v. Waldheim. Die beste Charakterisirung dieser
für den Kohlenkalk schon lange als typisch bekannten Rhizopode ver-
danken wir Val. v. Möller, dem aber auch bei der Bearbeitung dieser
Formen ein ganz besonders umfangreiches Material zu Gebote stand.
Noch in Zittels Handbuche der Paläontologie, in welchem mir die
Aufstellung der Diagnose für diese Gattung überlassen wurde, hatte ich
der bisherigen Auffassung folgend die Fusuliniden im Allgemeinen unter
diesem Namen zusammengefasst, und auf die damals noch unfertige Unter-
suchung dieser Abtheilung fussend, die Mündungsverhältnisse von Formen
aus dem Kohlenkalke von China als die typischen betrachtet. Sehr bald
wurde jedoch auch mir klar, dass hier eine Trennung in verschiedene
Gruppen nicht zu vermeiden sei. Mehr als irgend ein anderes Vorkommen
sind es aber die erwähnten Funde aus dem chinesischen Kohlenkalke,
welche Klarheit in das gegenseitige Verhältniss dieser jedenfalls ver-
wandten Typen zu bringen vermögen, und geht aus denselben nicht nur
hervor, dass jene Formen, welche v. Möller als Schwagerina ab-
trennt, thatsächlich eine selbständige Gruppe bilden; sondern dass die ex-
tremen dort vorkommenden Repräsentanten dieser neuen Gattung es ausser-
dem möglich machen, die für dieselbe aufgestellte Diagnose wesentlich zu
ergänzen. Für die Fusulinen bleibt die Fältelung der Kammern, welche
zwar schon Salter kenntlich abgebildet hat, und die auch v. Möller be-
sonders hervorhebt, immerhin charakteristisch, den Schwagerinen gegen-
über tritt aber noch als trennendes Merkmal der Mangel des Basalskelets
hinzu, das wir dort kennen lernen werden. Die Mündung, welche bei der
Form von Savaninsk, die ich zuerst zu untersuchen Gelegenheit hatte, so
häufig, sehr bald verschwindet, stellt bei den Fusulinen ausserdem that-
sächlich, im normalen Zustande, eine aus dem Unterrande der Septal-
fläche ausgeschnittene mediane Spalte dar, während wir bei den Schwage-
rinen mannigfache Schwankungen in dieser Richtung kennen lernen werden.
Ein verbindendes Merkmal dagegen, welches beide Formengruppen zu
einem Ganzen, den Fusulineen vereinigt, liegt jedoch in den eigenthüm-
lich in die äussere Wand eingekeilten Septalwänden, die mir sonst bei
keiner andern Foraminifere bekannt sind. Bei einem Durchschnitte, wie
wir ihn etwa Taf. XII. Fig. 14 sehen, findet man nämlich, dass das Sep-
tum sich mit zugeschärftem Aussenrande, zwischen die benachbarten
248 Rhizopoda.
Aussenränder zweier Kammern hineinschiebt, sodass es gerade nur noch
an die Septalnaht heranreicht.
Hemifusulina Möller. Das einzige trennende Merkmal, welches
diese Form von den eigentlichen Fusulinen scheiden würde, wäre
das Vorhandensein eines Interseptal-Canalsystems, doch muss ich ge-
stehen, dass ich einige Zweifel an dem Vorhandensein desselben nicht
zu unterdrücken vermag, denn ähnliche Bilder wie das auf Taf. XI.
Fig. 1 und Taf. XIV. Fig. 1—4 der 1. Abth. bei v. Möller, konnte
ich mehrfach an Fusulinellen beobachten; doch scheinen mir dieselben
stets nur durch die allmähliche Umwandlung der ursprünglichen Kalksub-
stanz hervorgebracht zu sein. Jedenfalls wird es erneuter Untersuchungen,
an vielleicht noch besser erhaltenem Materiale bedürfen, um diese Frage
zur vollen Klarheit zu bringen.
Was die geologische Verbreitung der Fusulinen betrifft, so ist es be-
kannt, welche Rolle sie namentlich im oberen Kohlenkalke spielen, wo sie
nicht selten in der Art der Nummuliten im Eocän förmlich gesteinsbildend
auftreten. Ihr vertikales Vorkommen ist jedoch ziemlich eng begrenzt
und gehen sie nicht über die obere Abtheilung des untern Kohlenkalkes
einerseits und über die untern Dyasschichten anderseits hinaus.
Schwagerina Möller. Von den Formen, welche v. Möller als grund-
legend für dieses Genus betrachtet, konnte ich bloss Schw. Verbeeki
untersuchen, da es mir nicht gelang, Exemplare der in Berlin deponirten
Schw. princeps Ehrbg. zur Ansicht zu erhalten. Die trefflich erhaltenen
Exemplare von ersterer Art jedoch, die ich Herrn Ingenieur Verbeek
und Prof. F. Römer verdanke, lassen so sichere Vergleiche zu, dass ein
Zweifel an der Zusammengehörigkeit derselben mit den mannigfaltigen
Vorkommniesen aus dem Kohlenkalke von China nicht aufzukommen
vermag. Bei den extremsten Formen dieser Abtheilung, die mir von den
erwähnten Fundpunkten bekannt wurden, zeigt sich aber das eigenthüm-
liche Verhältniss, dass auf der Basis jeder Kammer eine schwache Kalk-
platte abgesetzt wird, von welcher wallartige Erhöhungen sich erheben,
die in ihrem Gesammtverlaufe sich zu Spiralreifen vereinigen. Diese
Erhöhungen, welche die Schale wie nahe an einandergelegte Fassreifen
umgeben, können dort, wo sie stärker entwickelt sind, die langen, geraden
Kammern förmlich in Nebenkammern abtheilen; während sie anderseits
wieder manchmal so wenig ausgesprochen erscheinen, dass man sie sehr
leicht übersehen kann, wie diess sowohl bei Brady als auch bei Möller
der, allerdings sehr zu entschuldigende Fall war. Bei Schw. Verbeeki und
ihren nächsten Verwandten muss man allerdings schon sehr gute Exem-
plare zur Verfügung haben und bereits darauf aufmerksam sein, um diese
Reifen zu sehen; ich fand sie aber, nachdem ich sie einmal kennen ge-
lernt hatte, doch immer wieder, ja Spuren derselben kann man selbst
an der von Möller auf Taf. IX. Fig. 1? der 1. Abth. gegebenen Abbildung
bemerken.
a
Paläontolog. Entwicklung (Kohlenforim.). 249
Für diese eigenthümliche Ablagerung, welche ich als ein besonders
‚charakteristisches Merkmal der Schwagerinen zu betrachten Grund habe,
möchte ich die Bezeichnung „Basalskelet“ in Vorschlag bringen. Auch die
Mündungsverhältnisse werden übrigens von diesem Basalskelete wesentlich
beeinflusst, denn die Formen, welche diese Ablagerung kaum wie einen
Hauch angedeutet besitzen, zeigen einfache Spaltmündungen, während bei
etwas stärker entwickelten Reifen sowohl Spaltmündungen als auch
zugleich Reihen runder Mündungslöcher vorkommen können; bei hochent-
wiekeltem Basalskelete aber jedem Intervalle zwischen den Reifen ein
rundes Mündungsloch entspricht.
In der geologischen Verbreitung schliessen sich die Formen dieser
Gattung eng an Fusulina an mit dem einzigen Unterschiede, dass sie
etwas später auftreten.
Fusulinella Möller. Dieses Genus scheint sich in manchen
seiner Repräsentanten den Fusulinen sehr zu nähern und ist es wohl
diese Beziehung, welche v. Möller durch die Wahl des Namens aus-
sprechen wollte. Das Hauptmerkmal- jedoch, welches die vorliegenden
Formen von den Fusuliniden scheidet, ist der auch von Möller betonte,
ununterbrochene Uebergang der äusseren Schalenwand in die Septalfläche
bei den ersteren, während als eines der wichtigsten Merkmale bei letz-
terer Gruppe das Einkeilen der Septalflächen zwischen die Aussenwände
der Kammern bereits erwähnt wurde. Die typischen Repräsentanten dieser
Gattung scheinen ebenfalls rein kalkschalig zu sein, obwohl sie an Durch-
sichtigkeit den Formen von Archaediscus immerhin weit nachstehen.
Ob die agglutinirenden Formen mit ähnlichem Aufbaue, wie z. B.
Fus. Struvi Möller, die auch Steinmann anführt, zu einer besonderen
Gruppe zusammenzulegen wären, müssen noch eingehendere Unter-
suchungen erweisen.
Auch Fusulinella besitzt eine grosse Verbreitung.
Stacheia Brady. Ich führe diese eigenthümliche und interessante
Form erst hier, gewissermaassen im Anhange an, weil ich dieselbe nir-
gends streng anzuschliessen vermag. Für die so gleichmässige Unter-
abtheilung der Kammern finden sich allerdings auch bei Tetrataxis Ana-
logien, und für das Proteische der Form, welches z. Th. durch die An-
heftung bedingt wird, die sie von der Unterlage abhängig macht, lassen
sich mannigfache Vergleiche finden; aber dennoch zeigt die Gattung so
viel Eigenartiges im Habitus, dass sie dadurch eine sehr isolirte Stellung
erhält. Auch Stacheia scheint im Kohlenkalke eine ziemliche Verbreitung
zu besitzen. Ob Loftusia mit ihren vielfach unterabgetheilten Kammern
hier nieht nahe Beziehungen findet, möchte allerdings zu erwägen sein,
namentlich da diese Gattung nach den Untersuchungen Dawson’s eben-
falls schon im Kohlenkalke Nordamerikas vertreten ist.
250 Rhizopoda.
Dyas-Formation.
Wenn wir die Rhizopodenvorkommnisse innerhalb dieser Formation
mit jenen vergleichen, die wir in der vorhergehenden kennen lernten, so
finden wir Antangs kaum eine wesentliche Veränderung, und Alles,
was sich an Verschiedenheiten findet, liesse sich wohl als durch den
Mangel unserer derzeitigen Kenntniss erklärt betrachten. Anders ge-
staltet sich diess jedoch, wenn wir in die höheren Lagen dieser Ab-
theilung hinübertreten. Hier findet sich keine Spur mehr von Fusulinen,
und auch Climacammina scheint zu verschwinden. Statt dessen ge-
winnen die echten Nodosarien, die nach meinen Erfahrungen schon im
Kohlenkalke, wenn auch sehr selten, vorkommen, hier grösstentheils
numerisch das Uebergewicht. Nodosinella kommt nach Brady vor. Tetrataxis
wurde bisher noch nicht nachgewiesen, dürfte aber kaum ganz fehlen. Archae-
discus wurde zwar nicht gefunden, doch tritt statt dessen eine andere dieser
Gattung im Aufbau äusserst ähnliche Form (stellenweise sogar ganz häufig)
auf, bei der ich aber, trotzdem ich sie von verschiedenen Fundpunkten
kenne, nie eine Spur von Poren zu entdeeken vermochte. Auch Cornu-
spira, allerdings meist mit wechselnder Spiralebene und deshalb der viel-
umfassenden Species Trochammina incerta zugehörig (wenn man diese
Fassung annehmen will) kommt stellenweise nicht selten vor; vereinzelt
ist dagegen das Vorkommen agglutinirender Textilarien, die jedoch dem
Kohlenkalke auch keineswegs vollständig fehlen. Stacheia wurde bisher
noch nicht nachgewiesen. Auch für die übrigen, meist mehr vereinzelten
Vorkommnisse des Kohlenkalkes wurden in der vorliegenden Formation
noch keine Vertreter gefunden.
Mesozoische Formationen.
Wichtigere Literatur:
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geol. soc. Vol. XVI. 1860.
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Terquem, Mömoires sur les Foraminiferes du Lias et du systeme oolithique etc. Me&m.
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Akad, Wiss, Wien 1867. Bd. LV.
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Paläontolog. Entwicklung (Triasforın.). 251
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Abth. IV.
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Beiträge zur genaueren Kenntniss der mecklenburg. Kreidegebilde. Zeitschr. Deutsch.
geol. Gesellsch. Bd. 7.
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Bd. 40.
— —— Die Foraminiferen des Kreidetuffes von Mastricht. Sitzber. Wien. Akad. Wiss. Bd. 44.
-—— Die Foraminiferen des senonischen Grünsandes von New-Jersey. Sitzber. Wien. Akad.
Wiss. Bd. 44.
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Formation. Quart. journ. geol. soc. XX VIII.
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Marsson, Die Foraminiferen der weissen Schreibkreide der Insel Rügen. Mitth. naturwiss.
Ver. Neuvorpommern u. Rügen. 10. Jahrg.
Trias-Formation. Für diese Formation ist namentlich ein Fora-
miniferen-Vorkommen von Wichtigkeit, dessen genauer geologischer Hori-
zont zwar noch Gegenstand der Controverse ist, der sich aber keines-
falls von der unteren Grenze der Trias weit entfernt. Es sind diess
die Belerophonschichten, wie sie Stache nennt, aus dem Pusterthale in
Tyrol, auf deren Foraminiferenreichthum bereits Loretz (Zeitschr. Deutsch.
geolog. Gesellsch. 1874) besonders aufmerksam machte, und deren ein-
gehende Bearbeitung wir von Gümbel zu erwarten haben. *)
In diesen Schichten, deren Einschlüsse ich namentlich aus dem reichen
Materiale, das ich Prof. R. Hörnes verdanke, und aus den Präparaten des
Dr. Loretz kenne, kommt neben sehr zahlreichen Cyprideen, Bryozoen etc.
besonders eine Rhizopodenform, und stellenweise sogar sehr häufig vor,
welche dem äusseren Ansehen nach an manche Involutinen erinnert, den
Struktur- und Aufbauverhältnissen nach sich aber näher an Archaediseus
anzuschliessen scheint. Für dieselbe wäre die Speciesbezeichnung gre-
garia wohl am Platze. Neben dieser Form macht sich ebenfalls eine
zweite, wenn auch lange nicht so häufig vorkommende bemerkbar, welche
*) Die vorläufige Benennung und Abbildung des grössten Theiles dieser Formen findet
man bereits in Gümbel’s „Anleitung zu geol. Beob. in den Alpen“,
252 Rhizopoda.
zu jenen Valvulinen gehört, welche wir oben als typisch bezeichnet
haben. Gümbel nennt sie V. alpina. Zum Theile gleichfalls nicht selten
kommt Bulimina contorta G. vor, die im Ganzen allerdings an manche
agglutinirende Buliminen, namentlich an Ataxaphragmium variabile aus
der Kreide erinnert, aber eine gelippte Mündung und ausserdem
aus alternirenden Kanımern zusammengesetzte Umgänge besitzt. Endo-
thyra radiifera Gümbel dürfte vielleicht besser zu Fusulinella zu stellen
sein. Auch Textilarien fehlen in diesen Schichten nicht; sowie ich auch
Tetrataxis erkannt zu haben glaube.
Ueberblicken wir nun nochmals die angeführten Formen, so zeigen
dieselben mehr oder weniger Verwandtschaft mit den Vorkommnissen
des Kohlenkalks. Anders gestaltet sich dies jedoch bei den Lingulinen,
indem Lingulina lata Gümb. nahe Beziehungen zu gewissen Formen des
Muschelkalkes und unteren Keupers und L. subacuta Gümb. sogar zu
solchen aus dem Lias besitzt. Trochammina vnlgaris Gümb. findet da-
gegen Vewandte sowohl nach oben als nach unten.
Wenden wir uns nun zu den mit Sicherheit der Trias zugezählten
Schichten, so sind aus dem Gebiete des Buntsandsteins, wohl in Folge
des meist so ungünstigen Versteinerungsmittels bisher noch keine Rhizo-
poden nachgewiesen worden. Auch aus dem Muschelkalke wurden die-
selben noch nicht beschrieben, doch fehlt es nicht an Angaben über das
Vorkommen derselben. Im alpinen Muschelkalke hatte ich selbst Gelegen-
heit, dieselben zu beobachten, und sind sie in jenem von der Schreyer-
alpe gar nicht so selten. Nodosarien machen sich dort ziemlich be-
merkbar, und ausserdem konnte ich eine Form erkennen, welche, wie
bereits erwähnt, der Lingulina lata Gümb. wohl sehr nahe steht. Auch
typische Cristellarien kommen hier bereits vor. Pulvinulinen finden sich,
ebenfalls und zum Theile sogar nicht selten. Die Reihe der poren-
losen Foraminiferen scheint hier ausserdem durch eine archaediscus-
ähnliche Nubecularia vertreten zu werden, wie wir sie ähnlich im Zech-
stein kennen lernten.
Wenden wir uns jetzt zu den nächsthöheren Schichten des unteren
Keupers, so führen uns dieselben wieder auf bereits bebautes Terrain.
Es sind dies vor Allem die Ablagerungen von St. Cassian und die so-
genannten Raibler Schichten, deren Rhizopodenvorkommen wir namentlich
durch Reuss und Gümbel kennen. Auch das von mir vielfach beobachtete
Vorkommen von Rhizopoden in den sogenannten Hierlatzschichten wäre
hier anzuschliessen.
Als die auffälligste Erscheinung tritt uns hier vor allem das erste
Auftreten echter Globigerinen entgegen, an welches sich das Vorkommen
von Textilarien aus der Gruppe der Globifera Ehrbg., wie es Sandberger
angibt, eng anschliesst. Cristellaria setzt hier fort, zum Theile bereits
begleitet von Marginulina, von der sich jedoch Spuren auch selbst schon
im alpinen Muschelkalke finden. Nodosarien sind zum Theil nicht selten,
doch wäre Dentalina Korynephora G. die erste echte Dentalina mit schief
Paläontolog. Entwicklung (Trias- und Juraform.). 953
gegen die Hauptachse liegenden Septalwänden. Lingulina entwickelt sich
gleichmässig weiter. Polymorphina wird zwar hier zuerst angegeben, doch
dürfte diese Gattung immerhin erheblich tiefer herabgehen. Fraglich ist es,
ob Polym. ? longirostris, welche sich in verwandten Formen durch den
Lias bis in den oberen Jura fortsetzt, hierher oder zu den Milioliden zu
stellen sei, da die Schalenbeschaffenheit dieser Form bisher noch nicht
sicher erkannt werden konnte. Rotalien, namentlich Pulvinulinen, von
denen Gümbel auch eine angibt, finden sich besonders in den Hierlatz-
schichten, und zum Theile sogar häufig. Von porenlosen Foraminiferen
führt Reuss eine Biloeulina an, und ausserdem kommen, stellenweise
sogar durchaus nicht selten, namentlich in den Hierlatzschichten, die be-
reits erwähnten archaediseus- oder auch involutina-ähnlichen Nubecularien,
sowie auch Cornuspira vor.
Gehen wir in der Reihe der Schiehten noch ein klein wenig höher,
so sind für uns die Angaben besonders von Wichtigkeit, welche Peters
über das Vorkommen von Rhizopoden im Dachsteinkalke macht. Die ver-
schiedenen Faciesverhältnisse, unter denen uns hier das Rhizopodenvor-
kommen vorgeführt wird, geben uns einen werthvollen Ruhepunkt zum
Vergleiche mit den Vorkommnissen aus älteren oder jüngeren Schich-
ten, von denen wir im besten Falle, nach unserer jetzigen Kenntniss,
meist nur durch kurze geologische Zeiträume analoge Faciesverhältnisse
zu verfolgen vermögen.
Hier finden wir das erste Mal das Massenvorkommen der Globigerinen
erwähnt, sowie auch das häufige Auftreten einer langhalsigen Lagena.
Kaum merklich ist dagegen die Aenderung in dem Gesammtbilde der
Rhizopodenfauna bei dem Uebertritt in die höchsten Schichten der
Trias, in jene des rhätischen Keupers. Wenn wir von den Vorkommnissen
in Chelaston absehen, welche die betreffenden Autoren selbst, der geogno-
stischen Lage nach als zweifelhaft bezeichnen, so ist das, was wir über
die Foraminiferen ‚dieser Zone kennen, doch recht gering. Es führen zwar
Gümbel*) und Schafhäutl **) verschiedene Formen an, doch bedarf manche
- bezügliche Angabe, namentlich jene des Vorkommens von Cuneolina doch
wohl erst der Bestätigung. Auch ich veröffentlichte einige wenige Arten
in Dittmar’s. „Contortazone“. Aus dem Allen lässt sich aber doch nur
sehr wenig entnehmen, was den Einblick in die Entwicklung der Fora-
miniferen im Allgemeinen besonders fördern würde. Erfreulicheres Licht
in dieser Richtung finden wir dagegen in der nächsten Formation, der
Jura-Formation. Namentlich was die untere und mittlere Ab-
theilung derselben, den Lias und Dogger, betrifft, so verdanken wir
das Meiste, was wir an Foraminiferenvorkommen aus derselben ken-
nen, dem unermüdlichen Eifer eines französischen Forschers, Terquem’s,
dessen Arbeiten wohl erst in späterer Zeit in ihrem vollen Werthe erkannt
%
*) Gümbel, ©. W., Geognost. Beschr. des bayr. Alpengebirges. Gotha 1861.
*#) Schafhäutl, Geognost, Unters. d. süudbayr. Alpengebirges. München 1851,
254 Rhizopoda.
werden dürften. Mag auch Manchem die Zersplitterung seiner Arten zu gross
erscheinen, es spricht sich doch gewiss ein selten feiner Formsinn und eine
grosse Sorgfalt darin aus, wie er die Einzelformen zur Species zusammenfügt.
Sehr werthvolle Beiträge haben wir in dieser Richtung auch Bornemann
zu danken, der übrigens der erste war, von dem die Bearbeitung der
Foraminiferen einer speciellen Liasfauna in die Hand genommen wurde.
Obgleich aber auch selbst hier noch gar manche Lücke auszufüllen ist
und wir namentlich nicht selten genöthigt sind, die Vorkommnisse aus
verschiedenen Faciesverhältnissen mit einander zu vergleichen, wenn wir
ein zusammenhängendes Band der Entwicklung erhalten wollen, so genügt
doch das was wir bereits kennen, um uns einen grossen Theil der Beziehun-
sen erkennen zu lassen, welche sich nach oben und nach unten ergeben.
Vor Allem auffällig erscheint die fortschreitende Differenzirung bei den
Nodosarien und Dentalinen, die zu einer immer grösseren Mannig-
faltigkeit der vorkommenden Formen Veranlassung gibt. Dasselbe gilt
und vielleicht sogar in noch höherem Grade von den Cristellarideen,
speciell den Marginulinen, welche hier einen ausserordentlichen Form-
reichthum entfalten. Allmählich sieht man da auch die flache, als
Vaginulina bezeichnete Abänderung aus denselben hervorgehen, an-
fangs mit den zugleich vorkommenden Marginulinen noch eng ver-
knüpft, bis sie endlich in jüngeren Formationen zu jener typischen Ent-
wicklung gelangt, wo sie förmlich Hemiedrien der mit vorkommenden
Frondieularien darstellt. Auch bei den hier ebenfalls nicht selten vor-
kommenden Lingulinen finden wir Aehnliches. Unter der grossen Zahl
von Formen, wie wir sie namentlich bei Terguem kennen lernen, heben
sich nämlich zwischen ganzen Reihen, die man förmlich als Pseudo-
Frondieularien bezeichnen könnte, immer mehr solche heraus, welche
sich mehr oder weniger an die spätere typische Entwicklung dieser Formen
anschliessen, die nur mehr lose mit den gleichzeitigen Frondieularien zu-
sammenhängen. Eine grosse Mannigfaltigkeit, in welche einige Ordnung zu
bringen Terquem mit Erfolg versucht, zeigen hier auch die Polymor-
phinen, während die Textularien dagegen keine besonders hervorragende
Rolle zu spielen scheinen. Cornuspira macht sich jetzt überall bemerk-
bar meist in Gemeinschaft von Involutina, welche namentlich in
manchen alpinen Liasgesteinen in erstaunlicher Menge vorkommt. Die
Rotalideen scheinen zwar bloss an einzelnen Punkten häufiger auf-
zutreten, doch zeigen sie stellenweise eine immerhin bemerkenswerthe
Entwicklung. Auch eine echte Polystomella wird von Terquem be-
reits hier vorgeführt.
Was nun die porenlosen, rein kalkigen Formen betrifft, von denen
wir Cornuspira schon erwähnten, so ist hier namentlich das erstmalige
Auftreten von Orbitulites von Wichtigkeit, dessen Kenntniss wir Gümbel
verdanken. Auch Milioliden kommen sporadisch vor.
Nicht sehr wesentlich finden wir den Charakter der Fauna verändert,
wenn wir in den oberen, den sogenannten weissen Jura oder Malm ein-
‘ Paläontolog. Entwicklung (Kreideform.). 255
treten und erst in den obersten Lagen desselben, dem Kimmeridgien,
findet sich eine neu auftauchende Gattung Rhabdogonium,*), welche
dann in sehr nahe verwandten Formen nach oben unmittelbar weiter
fortsetzt. Erwähnungswerth ist ausserdem auch der Nachweis von
Nummulitenformen im Malm, obwohl wir Repräsentanten dieser
Gruppe bereits im Kohlenkalke kennen gelernt haben.
Kreide-Formation. Haben wir im Jura Terquem’s und Borne-
mann’s gedacht, an die sich im Malm die Arbeiten Gümbel’s und des
Verfassers vorliegenden Ueberblickes anschliessen, so dürfen wir hier des
Altmeisters der systematischen Foraminiferenkunde, A. E. Reuss, nicht
vergessen, dem wir so wichtige Arbeiten über die Faunen der Kreide,
neben nicht minder umfassenden und noch zahlreicheren über die
Einschlüsse des Tertiärs verdanken, und als deren unmittelbare Fort-
setzung in jeder Hinsicht jene seines Schülers und Freundes F. Karrer
gelten können. Uebersehen dürfen wir aber auch hier keinesfalls die
Verdienste, welche sich um die Kenntniss der Rhizopodenfauna dieser
Formation der Vater der allgemeinen Rhizopodenkunde, d’Orbigny, er-
worben hat. Auch Marsson brachte uns in neuerer Zeit einen werthvollen
Beitrag in dieser Richtung.
Wenden wir uns nun wieder zu dem Foraminiferen-Vorkommen selbst,
so weit wir es innerhalb der Kreideformation kennen, so macht sich vor
Allem schon in der unteren Kreide das Aufleben der Rotalideen
und der verwandten Globigerinideen bemerkbar; auch das Massen-
vorkommen von typischen Globigerinen, das wir allerdings bereits in der
Trias erwähnt finden, das aber dort bloss eine Einzelerscheinung dar-
zustellen scheint, dürfte damit zusammenhängen. Die Cristellarideen
und noch mehr die Vaginulinen spielen zwar auch hier noch eine be-
deutende Rolle, doch dominiren sie bereits lange nicht mehr in dem
Maasse, wie diess besonders in den tieferen Schichten des Jura der Fall
war. Bei den Nodosarien und Dentalinen zeigt sich anderseits in-
sofern eine Veränderung, als die in einander fliessende Masse kleiner For-
men, wie sie namentlich im oberen Jura vorkommt, sich hier um festere Typen
zu gruppiren beginnt. Echte Haplophragmien treten ausserdem in der
unteren Kreide und zum Theile in grosser Häufigkeit auf, nicht selten begleitet
von verwandten nonioninenartigen Formen, die ich, wie bereits erwähnt,
von dem Grundstocke der Endothyren, nach meiner Auffassung genommen,
vor der Hand nicht zu trennen vermag. Nirgends sehr häufig vorkommend,
aber durch sehr charakteristische Formen vertreten, sind ausserdem die
Frondieularien und Flabellinen. Auch Polymorphina findet
sich ziemlich gleichmässig zerstreut und erhält einen neuen Zuwachs
durch die verwandte Pleurostomella. Amphimorphina**) wird
*) Im systematischen Abschnitt zu Orthocerina d’Orb. gezogen.
*#) Durch ein Versehen wurde sowohl Pleurostomella Rss. wie Amphimorphina Neugeb.
im systematischen Theil nicht erwähnt. Beide gehören zu der Familie der Rhabdoina. Die
356 Rhizopoda.
hier zwar das erste Mal angegeben, doch dürfte vielleicht eine Glandulina
Gümbel’s von St. Cassian besser hier einzureihen sein, und der Anfang
dieser Form dadurch bedeutend weiter nach rückwärts versetzt werden.
Von geflochtnen Formen finden sich namentlich Textularien nicht selten, neben
denen dann Proroporus Ehrbg. (Textularia) das erste Mal erscheint, sowie
Tritaxia Rss. (Verneuilinad’Orb.). Von den nicht porösen kalkschaligen For-
men macht sich Nubecularia und Cornuspira mit verschiedenen sich ihnen
eng anschliessenden Formen hier bemerkbar, sowie Hauerina, die jedoch
Reuss auch schon aus dem braunen Jura angibt. Milioliden kommen
ebenfalls, jedoch stets bloss vereinzelt vor.
Hier ist es auch am Platze einer Form zu gedenken, die für die
Grenzlage zwischen der unteren und mittleren Kreide stellenweise eine
hohe Bedeutung besitzt, und die zum Theil so massenhaft vorkommt,
dass sie thatsächlich gesteinsbildend auftritt. Es ist diess Orbitolina
(im systematischen Theile unter Patellina aufgeführt), deren Foraminiferen-
charakter mir jedoch jetzt zum mindesten zweifelhaft geworden ist. Mit
Patellina, an welche sie vielfach angereiht wurde, hat dieselbe vor Allem
entschieden nichts gemein, denn ich fand bei allen Orbitolinen, von den
verschiedensten Fundorten genommen, stets wenigstens Spuren eines
kieseligen Skelets, das bei Patellina wohl noch Niemand gesehen haben
dürfte, und besitzt diese Form überdiess eine förmliche Epithek, welche
wohl bei keiner Foraminifere vorkommt.
Gehen wir nun aus der unteren Kreideformation noch um einen
Schritt höher in die mittlere und obere Abtheilung derselben, so ver-
lieren die Cristellarien nach und nach relativ immer mehr an Boden,
während die Rotalien und Globigerinen immer mehr davon gewinnen.
Allmählich stellen sich auch immer mehr neue Typen ein, von denen die
bemerkenswerthesten, die echten Orthocerinen, Bulimina (hier meist
durch agglutinirende Formen vertreten), Gaudryina, Verneuilina, Chry-
salidina, dann Cymbalopora Park. et Jones (non Hagenow), Allo-
morphina, Alveolina, und in den höchsten Lagen Orbitoides sein
dürften. Auch Amphistegina sowie Calcarina, von denen wir zwischen ihrem
ersten Auftreten im Kohlenkalke und dem hier, keine Verbindung kennen,
treten wieder auf. Cymbalopora Hagenow aus der Kreide von Mastricht,
hat dagegen mit den Formen, welche später mit diesem Namen be-
. zeichnet wurden, gewiss nichts zu thun.
erstere Form besitzt ein nodosaria- bis dentalina-artiges Gehäuse. Die jüngeren Kammern
umfassen den oralen Theil der nächst älteren abwechselnd auf einer Seite mehr wie auf der
andern. Die jüngste Kammer kurz zugespitz. Mündung halbrund oder halbelliptisch, unter
der Spitze auf einer Seite der Kammer liegend und zwar abwechselnd auf der vordern und
hintern Seite. Die Form ist aus der Kreide und dem Tertiär bekannt. Amphimorphina
Neugeb. lässt sich als eine Frondicularia auffassen, die in ihren jüngeren Theilen in ein
nodosaria- oder dentalina-artiges Wachsthum übergeht. Auch sie fand sich bis jetzt nur fossil
und reicht bis in das Tertiär hinein. - 0. B.
un ar Be
Paläontolog. Entwicklung (Tertiär). 257
Känozoische Formationen.
Wichtigere Literatur:
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Denkschr. Wien. Akad. Wissensch. Bd. 1. 1849.
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Costa, Fauna del Regno di Napoli „Foraminiferi“. Napoli 1853.
d’Archiac et Haime, Description des animaux fossiles du groupe nummulit. de I’Inde.
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Reuss, Beiträge zur Charakteristik der Tertiärschichten des nördlichen und mittleren Deutsch-
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Tertiär-Formation. Mit dem Eintritt in diese Formation machen
sich, so wie auf anderen Gebieten der organischen Welt, so auch bei
den Foraminiferen ungewöhnlich eingreifende Veränderungen bemerkbar.
Haben schon früher die Rotalideen und Globigerinideen den Stichostegiern
und Cristellarideen den Vorrang abgelaufen, so treten jetzt auch die
porenlosen Formen, namentlich die Miliolideen immer mehr in den
Vordergrund. Zwar finden sich dieselben bereits in der oberen Kreide,
vor Allem in jener der Gosau, und an einzelnen Stellen sogar in grosser
Menge zusammengehäuft, aber erst hier gewinnt deren Vorkommen eine
allgemeinere Verbreitung. Auch Alveolina, die allerdings von d’Archiae
bereits aus dem Cenoman angegeben wird und später auch in höheren
Kreideschichten nachgewiesen wurde, gelangt erst mit dem Beginne des
Eocän zu so massenhafter Entwicklung, dass sie sogar an der Zusammen-
setzung mancher Gesteine einen wesentlichen Antheil nimmt. Aehnliches,
wenn auch in weit bescheidenerem Maasse, gilt von Orbitulites.
Neu erscheinen dagegen, Peneroplis mit der Nebenform Dendritina;
dann Fabularia, Artieulina und Vertebralina, und namentlich ist
es das Pariser Eocän, welches hier wie eine Colonie im Sinne Barrande’s
zu einer wahren Brutstätte, besonders von Miliolidenformen wird.
Wenden wir uns nun wieder zu den Perforaten, so sind es hier vor
Allem die Nummuliten, welche unser Interesse in hervorragender
Weise in Anspruch nehmen und zwar hauptsächlich deshalb, weil sie zum
Theile eine so ausserordentliche Massenentwicklung zeigen, dass sie stellen-
weise förmlich ganze Gebirge zusammensetzen. Ihnen schliessen sich
beinahe ebenbürtig die Orbitoiden an. Von den mehr vereinzelt vor-
kommenden Formen machen sich ausserdem die neu auftretenden Gattungen
Heterostegina, Tinoporus, dann Clavulina und in den obersten
Lagen des Eocän stellenweise Bolivina bemerkbar, von welchen letztere
Jedoch auch bereits in der oberen Kreide und zum Theil sogar recht
häufig vorkommt. Auch die Gattungen und Untergattungen Uvigerina,
Rhyncehospira,*) Sphaeroidina etc. erscheinen das erste Mal.
*) Im systematischen Theil unter Globigerin a aufgeführt.
Paläontolog.. Entwicklung (Tertiär). 259
Wenn wir nun zu den oberen Abtheilungen des Tertiär übergehen,
so macht sich vor Allem die rapide Abnahme der Orbitoideen und der
Nummuliten bemerkbar, von denen erstere hier ganz auszusterben scheinen,
während die letzteren nur mehr in kleinen Formen kümmerlich weiter
existiren, und theilweise durch die einfacheren, hier nicht selten massen-
haft auftretenden Ampbhisteginen ersetzt werden. Die Differenzirung der
Formen schreitet aber immer noch weiter fort und macht sich jetzt
namentlich bei jenen mit trochoidem Aufbaue bemerkbar, unter denen
besonders die dünnschaligen von der Bewegung ergriffen werden. Aste-
rigerina, Patellina, Discorbina ete. erscheinen als Produkte der-
selben.
> Auch die Textilarien halten sich ziemlich auf der Höhe der Entwick-
lung, namentlich soweit es die agglutinirende Abtheilung (Plecanium
Reuss) betrifft, ja letztere treten zum Theile noch häufiger auf, als diess
jemals in der Kreide der Fall war. Dass aber irgendwo echte, rein kalk-
schalige Textilarien im Tertiär zu einer so bedeutenden Massenentwick-
lung gelangen würden, wie diess z. B. in der Kreide von Palästina zum
Theile der Fall ist, wo sie die Globigerinen förmlich vertreten, dafür
ist mir kein Beispiel bekannt. Im Anschluss an die Textilarien tritt hier
ausserdem Reussia das erste Mal auf; eine Form, die ich um ihrer
Schalenbeschaffenheit willen von Tritaxia abtrennen zu müssen glaubte.*)
Auch Cassidulina und Ehrenbergina kennt man bisher noch nicht
aus älteren Schichten. Polystomella und die Cryptostegier (Allo-
morphina und Chilostomella) kommen zwar schon früher vor, aber erst
hier gelangt besonders die erstere zu der Bedeutung, welche sie im
oberen Tertiär und in der Jetztzeit besitzt. Bei den agglutinirenden For-
men macht sich dagegen, den Vorkommnissen aus der nächst älteren
Periode gegenüber, eine gewisse Abnahme geltend, obwohl dieselben in
unserer Zeit zum Theile wieder aufzuleben scheinen.
Quartär-Formation. Mit Sicherheit der Diluvialperiode zuzuweisende
marine Ablagerungen kennt man so wenige, dass man von denselben hier
abzusehen genöthigt ist, und nun eigentlich zu der jüngsten Periode, jener
der Jetztzeit übergehen sollte. Von dem Foraminiferenvorkommen desselben
aber einen Ueberblick geben zu wollen, wäre vor der Hand in so ferne un-
nütz, als ja doch zu erwarten steht, dass das Gesammtbild durch die Resultate
der eingehenden Untersuchungen, welche wir in der nächsten Zeit von H. B.
Brady zu erwarten haben, wesentlich alterirt werden könnte, indem dieselben
das umfassendste bisher bekannte, recente Material, jenes der Challenger-Ex-
pedition zum Gegenstande haben. Namentlich diese Untersuchungen dürften
aber erst erweisen, ob bei den gekammerten Rhizopoden (Foraminiferen) that-
sächlich zweierlei Entwickelungstendenzen bestehen, wie mir aus dem bis-
her Bekannten hervorzugehen scheint. Es drängt nämlich augenscheinlich
*) 0. Schwager. Saggio di una classificazione dei Foraminiferi. Boletino R. com. geol.
d'Italia 1877. pag. 18. Nr. 66.
17%
260 Rhizopoda.
eine Reihe von Formen nach einer Complieirung in dem architektonischen
Gesetze des Aufbaues der Schale, ohne jedoch über den Rahmen der
Protozoennatur hinüberzugreifen ; während die andere dagegen, welche sich
mehr an die Süsswasserformen anschliesst, nach einer höheren Orga-
nisation des Weichkörpers zu gravitiren scheint, und für welche auch die
Schalenform deshalb weit weniger an feste Regeln des Aufbaues gebunden
sein dürfte. Diese letztere Abtheilung wird wohl zum grössten Theile mit
der Gruppe der Arenacea Bütschli zusammenfallen, während als Gipfel-
formen im Sinne der ersteren Rotalia, Polystomella, Nummulites, Fusulina
und Orbitoides etc. gelten können.
Das hier Gegebene soll nur eine in ihren einfachsten Grundlinien
gezeichnete Skizze der Foraminiferen-Entwicklung im Laufe der geologi-
schen Zeiten darstellen; es dürfte aber dennoch genügen, um die fort-
schreitende Entwicklung dieser Formen zu zeigen, die allerdings auch
hier nicht in einer geraden Linie stattfindet, und gerade dadurch charak-
terisirt erscheint, dass bald die eine, bald die andere Gruppe mehr in den
Vordergrund trat; oder anderseits manche, welche gewissermaassen in
eine Sackgasse der Entwicklung gerieth, einen Abschluss ihrer Existenz
fand.
Heliozoa, Geschichte. 261
II. Unterabtheilung (Unterklasse).
Heliozoa.
1, Uebersicht der historischen Entwicklung unsrer Kenntnisse von den
Heliozo@n,
Die geschichtliche Entwicklung der Heliozoönforschung schliesst sich
auf das innigste an den schon früher besprochnen Entwicklungsgang
unsres Wissens von den Süsswasserrhizopoden an, da ja die Heliozoa
ganz vorzugsweise im süssen Wasser ihre Heimath haben. Im Ganzen
hat jedoch die Erforschung dieser nicht gerade sehr umfangreichen und
daher dem Auge des Beobachters seltner sich darbietenden Gruppe lang-
samere Fortschritte gemacht, als dies bezüglich der Süsswasserrhizopoden
zu verzeichnen war; es ist erst der jüngsten Zeit aufgespart geblieben,
den Nachweis zu führen, dass doch auch diese Abtheilung eine bei
weitem reichhaltigere und mannigfaltigere Ausbildung besitzt, als bis vor
verhältnissmässig kurzer Zeit vermuthet wurde.
Die erste Beobachtung und Schilderung eines hierhergehörigen Ge-
schöpfes fällt in die zweite Hälfte des vergangnen Jahrhunderts. Wenn
Joblot’s (1) Abbildung mit Recht auf eine Actinophrys bezogen werden
darf, gebührt ihm (1754) die Ehre des ersten Darstellers eines Heliozoon;
mit Sicherheit dürfen wir dagegen die Trichoda sol des verdienstvollen
OÖ. F. Müller (2 u. 5) auf Actinophrys und Actinosphaerium (die erst
relativ spät unterschieden wurden) zurückführen. Möglicherweise gleich-
falls hierher gehörig scheint mir ein 1775 von demselben Beobachter (3)
kurz beschriebner Organismus, welcher einen kugligen, bis zu 1 Linie im
Durchmesser erreichenden, grünen Körper besass, von dem allseitig zarte,
farblose Fäden ausstrahlten. Die ansehnliche Grösse dieses in der Ab-
bildung sehr heliozo@nartig erscheinenden Organismus verbietet es, den-
selben etwa als ein chlorophylliführendes, einfaches Heliozoönthier zu
deuten; dagegen ist es immerhin möglich, dass es Kolonien zahlreicher
Einzelindividuen eines grünen Heliozoon waren, welche O. F. Müller hier
beschrieben hat.
262 Heliozoa.
Treffliche Untersuchungen, in Anbetracht der sehr beschränkten
Hülfsmittel seiner Zeit, verdanken wir dem Pastor Eichhorn (4, 1783),
der eine musterhafte Schilderung und zahlreiche Abbildungen des Actino-
sphaerium lieferte und namentlich schon die allgemeinen Lebenserschei-
nungen dieses interessanten Organismus vortrefflich aufklärte.
O0. F. Müller hatte seine Triechoda sol mit zahlreichen ciliaten
Infusionsthieren in einer Gattung vereinigt und fand hierin an seinem
Nachfolger Ehrenberg einen Gesinnungsgenossen, der zwar die erwähnten
Heliozoön von der direkten Gattungsgemeimschaft mit Ciliaten erlöste,
indem er für die Trichoda sol Müller’s 1830 die Gattung Actinophrys
errichtete, dieselbe jedoch noch in seinem grossen Infusorienwerk (6) in
einer Familie mit eiliaten Infusorien zusammenstellte und so ihre wahren
Beziehungen zu den rhizopodenartigen Organismen völlig verkannte.
Eine Anzahl weiterer Arten und eine neue Gattung Trichodiscus, die
er 1838 noch beschrieb, haben sich theils nicht aufrecht erhalten lassen,
theils konnten sie bis jetzt nicht mit Sicherheit auf seither besser bekannt
gewordene Formen zurückgeführt werden.
Erwähnenswerth erscheint jedoch an dieser Stelle noch, dass sich
Ehrenberg 1840*) überzeugte, dass der von Eichhorn beschriebne „Stern“
specifisch verschieden sei von einer kleineren Form, für die er den
Müller’schen Speciesnamen ‚‚sol“ beibehielt, während die grössere, Eich-
horn’sche Form von ihm jetzt als Actinophrys Eichhornii aus-
gezeichnet wurde.
Ehrenberg hatte jedoch noch in andrer Hinsicht die verwandtschaft-
lichen Beziehungen der Actinophrys irrthümlich aufgefasst, indem er sie
mit seiner den Acinetinen angehörigen Gattung Podophrya zusammen-
stellte, eine Missdeutung, die sich noch verhältnissmässig lange Zeit in
der Zusammenfassung der Acineten und der Actinophryen geltend machte.
Erst Dujardin erkannte 1841 (7) die wahren Beziehungen der
Actinophrys, geleitet durch seine schon früher genügend betonte, richtige
Deutung des Rhizopodenorganismus. Er würdigte zuerst die wahre Natur
der strahligen Fortsätze des Actinophryenkörpers, indem er sie den
Pseudopodien der Rhizopoden an die Seite stellte und die früher beliebte
Vergleichung mit den Wimpern der Ciliaten abwies. Wie gesagt, wies
er daher den Actinophrysformen, direct neben den Rhizopoden, den ihnen
gebührenden, richtigen Platz an, beharrte jedoch noch bei der irrigen
Vereinigung der Acinetinen mit den Actinophryiden.
Ende der 40er Jahre wurde diese Auffassung Dujardin’s durch die
Kölliker’sche Untersuchung der Actinophrys Eichhornii (9) bestätigt
und gesichert und verschaffte sich denn auch bald allgemeine Geltung
(obgleich noch Perty [12] 1852 der alten Anschauung huldigte). Durch
die eben erwähnten Untersuchungen Kölliker’s, durch frühere Beobachtungen
*) Monatsberichte der Berliner Akademie f. d. J. 1840. p. 198.
nn
Geschichte. 263
von Siebold’s*), durch weitere von Cohn (10), Claparede (13),
Fr. Stein (14), Weston (16), Lieberkühn (15), Claparede und
Lachmann (17) wurde die genauere Kenntniss der Organisation und
der Lebenserscheinungen von Actinophrys und Actinosphaerium im Laufe
der 50er Jahre bedeutsam gefördert. Wir heben hier nur den Nachweis
des Eeto- und Entosarks, der contraktilen Vacuolen, des Kerns ete., so-
wie von den Lebenserscheinungen Beobachtungen über Nahrungsaufnahme,
Fortpflanzung und Conjugation hervor. Gegen Schluss der 50er Jahre wurde
durch Untersuchungen von Claparede und Lachmann, hauptsächlich
jedoch von Joh. Müller und E. Häckel die hochinteressante Gruppe der
marinen Radiolarien einer genaueren Erkenntniss zugeführt und damit
hebt denn auch eine neue Phase in der Geschichte unserer Heliozo@n an.
Wenngleich keiner der genannten Forscher eine innigere Zusammen-
fassung der damals bekannten Heliozoa mit den Radiolaria befür-
wortete, sondern Alle die ersteren in innige Beziehungen zu den Süss-
wasserrhizopoden brachten, so wurde doch bald eine solche Zusammen-
fassung der beiden Gruppen versucht, und zwar scheint dies zuerst 1861
mit voller Entschiedenheit von Carpenter unternommen worden zu
sein**). Eine genauere Erörterung der für diese Zusammenstellung
maassgebenden Gründe kann hier vorerst nicht unsre Aufgabe sein, es
wird genügen, in dieser Beziehung auf.die allgemeinen Gestaltsähn-
lichkeiten, welche die Vertreter beider Abtheilungen darbieten, hin.
zuweisen. Durch eine, im Jahr 1864 von Carter (21) gefundne
neue Heliozoönform (Acanthocystis) erwuchsen dieser Vergleichung neue
und sehr gewichtige Stützpunkte; in dieser Acanthoeystis war nämlich
zuerst mit Sicherheit eine mit Kiesel-Nadeln und -Stacheln ausgerüstete
Form nachgewiesen worden, welche eben, auf Grund dieser Eigenthüm-
lichkeit, sehr innige Beziehungen zu den Radiolarien, speciell den Acantho-
metriden, darzubieten schien. Auch in der wichtigen, von M. Schultze
1862 ermittelten Bauweise der Pseudopodien von Actinosphaerium glaubten
wenigstens eine Reihe von Forschern eine neue Verwandtschaftsbeziehung
zu den Radiolarien zu erkennen.
Es dürfte wohl nicht unrichtig sein, wenn wir es hauptsächlich diesen
neueröffneten Gesichtspunkten zuschreiben, dass die Erforschung der
Heliozo@n in den folgenden Jahren einen bedeutsamen Aufschwung nahm,
der eben sowohl zu einem tiefergehenden Verständniss des allgemeinen
Baues, wie zur Auffindung einer ziemlichen Reihe neuer und z. Th. sehr
interessanter Formen führte.
Grosse Verdienste erwarb sich in dieser Hinsicht zunächst R. Greeff,
der schon 1867 (27) die grosse Radiolarienähnlichkeit des Aetinosphaerium
hervorzuheben glauben durfte und durch seine fortgesetzten, umfang-
reichen Studien unsrer Gruppe, die ihn zur Entdeckung zahlreicher neuer
*) Vergl. Anatomie der wirbellosen Thiere. 1848.
**) On the systematic Arrangement of the Rhizopoda (The nat. history review N. IV,
1861) So: Introduct. to the stud. of Foraminifera. 1862,
264 Heliozoa. >
Formen führten, zu dem beredtesten Vertheidiger dieser Ansicht wurde
(27, 33, 35, 40). Es sei hier gleich betont, dass als Cardinalpunkt für
diese Vergleichung der Nachweis eines, der sogen. Centralkapsel der
Radiolarien entsprechenden Gebildes auch bei den Heliozoön gelten
musste, welcher Nachweis denn auch von Greeff für zahlreiche Heliozoen-
formen, jedoch mit wenig Glück, zu führen versucht wurde. Zur gleichen
Ansicht bekannten sich weiterhin Focke 1868 (28) und Grenacher
(29, 31) 1868 und 69, von welchen der erstere jedoch kaum einen be-
deutsamen Grund für die Zusammenstellung der von ihm gefundenen
Heliozoönformen mit den Radiolarien hervorzuheben wusste, während
Grenacher durch den Nachweis gewisser, vor ihm wenig oder nicht be-
kannter Eigenthümlichkeiten von Actinophrys und Acanthocystis seiner
Ansicht eine gewisse, wenn auch gerade nicht sehr haltbare, Stütze verlieh.
In England begann der verdienstvolle W. Archer etwa zu gleicher
Zeit die Erforschung der Heliozo@n (32) und glaubte ebenfalls, auf Grund
seiner Beobachtungen, die nahe Verwandtschaft mit den Radiolarien für
sehr wahrscheinlich erachten zu dürfen.
Im Anschluss hieran sei dann noch erwähnt, dass auch Ant. Schneider
(36) sich sehr energisch zu Gunsten dieser Auffassung aussprach.
Als Gegner der Radiolariennatur der Heliozoa erhoben sich im Jahr
1874, gestützt auf eigne Untersuchungen, R. Hertwig und Lesser (39).
Indem sie die einzelnen, zu Gunsten dieser Auffassung geltend gemachten
Merkmale der Heliozoa einer genauen Besprechung und Vergleichung
unterzogen, gelangten sie zu der Ueberzeugung, dass eine direkte Ver-
wandtschaft zwischen den beiden in Sprache stehenden Abtheilungen,
nach dem Stande der augenblieklichen Kenntnisse, keine Wahrscheinlich-
keit besitze und suchten mit Glück die einzelnen von Greeff, Archer,
Grenacher und Schneider hervorgehobnen Vergleichspunkte zu widerlegen.
Dennoch hatten sie sich hierbei zu weit führen lassen; wesentlich wegen
der damals in vieler Hinsicht noch mangelhaften Kenntniss der Radio-
larien. So ist hauptsächlich das von ihnen in erster Reihe aufgeführte
Argument, nämlich die Vielzelligkeit der Radiolarien, im Gegensatz zu
der aus ihren Untersuchungen hervorgehenden Einzelligkeit der Heliozoön,
durch die späteren Radiolarienuntersuchungen R. Hertwig’s*) selbst hin-
fällig geworden. Immerhin wird den Untersuchungen und Erörterungen
beider Forscher das grosse Verdienst zuzuerkennen sein, dass sie in sehr
präeiser Weise die Differenzpunkte der beiden Gruppen hervorhoben,
wozu sie eben hauptsächlich ihr tiefergehendes Verständniss des Heliozoen-
organismus befähigte.
Nach dem eben bemerkten wird es nicht verwunderlich erscheinen,
dass R. Hertwig in seinen spätern Arbeiten die frühere, scharfe Entgegen-
setzung der Heliozoön und Radiolarien aufgab und im Jahre 1879 sogar
*) Hertwig, R., Zur Histologie der Radiolarien. Leipzig 1876 und: Der Organismus
der Radiolarien. Jena 1879.
Geschichte und Literatur. 265
die Berechtigung der Zusammenstellung beider Abtheilungen zu einer grösse-
ren Gruppe, im Gegensatz zu unseren Rhizopoda, anerkannte. Auch
F. E. Schulze, der gleichfalls eine Reihe hierhergehöriger Formen
dureh treffliche Untersuchungen aufklärte, hatte schon 1877 einer ähn-
lichen Ansicht Ausdruck gegeben, indem er die beiden Abtheilungen zu
einer Gruppe der Radiaria zusammenstellte (38, V). Archer stellte sich
in seinen späteren Arbeiten ganz auf den Standpunkt R. Hertwig’s und
Lesser’s und gab die direkte Unterordnung der Heliozoa unter die Radio-
laria auf. Wir werden, wie schon früher bemerkt, die Heliozoa als gleich-
berechtigte Gruppe zwischen Rhizopoda und Radiolaria betrachten und
unsere Gründe hiefür späterhin, bei der Besprechung der Radiolaria, etwas
genauer darstellen.
Wie schon aus dem seither Bemerkten hervorgeht, haben die erwähn-
ten Forscher, Greeff, Hertwig und Lesser, Archer und F. E. Schulze durch
ihre Untersuchungen zur Aufklärung der Bau- und Lebensverhältnisse
unsrer Gruppe sehr wichtige Beiträge geliefert und ihnen reihen sich
weiter noch die Beobachtungen E. Häckel’s (der auch den Namen Helio-
zoa aufstellte)*) und Cienkowsky’s an.
Um die Erforschung der Fortpflanzungsverhältnisse haben sich haupt-
sächlich verdient gemacht Cienkowsky, Greeff, Ant. Schneider, F. E. Schulze,
Hertwig und neuerdings A. Brandt.
So sehen wir denn durch die vereinten Bemühungen dieser Beob-
achter unsre Kenntniss der Heliozo@ön zu einer ziemlichen Ausbildungsstufe
erhoben, von der wir in den folgenden Abschnitten versuchen wollen,
eine Darstellung zu geben.
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12. Perty, M., Zur Kenntniss der kleinsten Lebensformen in der Schweiz. Bern 1852.
*) Generelle Morphologie. 1866.
*%*) Alles Wichtige ist hier chronologisch zusammengestellt worden, ohne Rücksicht auf
den Umfang der betreffenden Abhandlungen,
266 Heliozoa.
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35. Greeff, R., I. Ueber die Actinophryen oder Sonnenthierchen des süssen Wassers als
echte Radiolarien, zur Familie der Acanthometriden gehörig. II. Ueber die Fortpflanzung
der Actinophryen. Sitzungsber. der niederrhein. Gesellsch. in Bonn. 28. Jahrg. 1871.
p. 4—9.
36. Schneider, Ant., Zur Kenntniss der Radiolarien. Z. f. wiss. Zool. XXI. 1871. p. 505—
512 (s. auch Bd. 'XXIV. p: 579).
37. Greeff, R., Ueber die Encystirung und Fortpflanzung. des Actinosphaerium Eichhornii.
Arch. £. mikr, Anatomie Bd. 14. 1977. p. 167—71. Abdruck aus Sitzungsberichte der
Ges. zur Beförd. der ges. Naturw. zu Marburg. 1875. p. 61.
. Schulze, F. E., Rhizopodenstudien. Arch. f. mikr. Anat. I. II. (Bd. X,) 1874. V. (Bd. XII.)
9. Hertwig, R., und Lesser, E., Ueber Rhizopoden und dens. nahestehende Organismen.
Arch. f. mikr. Anat, X. Suppl. 1874.
. Greeff, R., Ueber Radiolarien und radiolarienartige Rhizopoden des süssen Wassers. Arch.
f. mikr. Anat. XI. 1875. (Vorläufiger Bericht im Sitzungsber. der Gesellsch. z. Beförd.
d. ges. Naturw. zu Marburg. Novbr. 1873.)
. Cienkowsky, L., Ueber einige Rhizopoden und verwandte Organismen. Arch. f. mikr.
Anat. XII. 1876.
42. Archer, W., Resum& of recent contributions to the knowledge of „freshwater rhizopoda“.
Qu. journ. mier. sc. Vol. XVI. u. XVII. 1876 u. .77.
3. Hertwig, R., Studien über Rhizopoden. Jenaische Zeitschr. f. Medic. u. Naturwiss.
Bd, XI. 1877. p. 324—48.
Allgem. morpholog. Auffassung. 267
44. Brandt, K., Ueber die Fortpflanzung von Actinosphaerium Eichhornii. Sitzungsberichte
der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. 1877. p. 73.
45. Brandt, K., Ueber die Axenfüden der Heliozoön u. die Bewegungen von Actinosphaerium.
Sitzungsber. d. Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin f. 1878.
46. Mereschkowsky, C. v., On Wagnerella borealis, a new genus of sponge, nearly all. to
the Physemaria. A. m. n. h. 5. s. Vol. I. 1878.
— — Etudes s. les &ponges de la mer blanche. M&m. Acad. imp. Pötersbourg. 7. s.
T. XXVI, 1878.
47. Mereschkowsky, C. v., Studien über die Protozoön des nördl. Russlands. Arch. f.
mikr. Anat. XV. 1879.
48. Mayer, P., Wagnerella borealis. Zoolog. Anzeiger Bd. If, 1879. p. 357—58.
49, Schneider, Aim., Monobia confluens, nouyv. monere. Arch, de zoologie exp£erim.
T, VII. 1878.
50. Leidy, J., Freshwater Rhizopods of North-America. Un, St. geologic. suryey of the Ter-
ritories. Vol. XII. 1879. Washington.
51. Cattaneo, G., Sull’ Anatomia e fisiologia dell’ Acanthocystis flava Greeff, Ann. societ.
ital. sc. nat. Vol. 22 (s. auch Stud. fatt. n. laboratorio di Pavia 1879).
2, Kurzer Ueberblick der morphologischen Auffassung und Gestaltung
des Heliozoönkörpers, sowie der Hauptgruppen dieser Abtheilung,
Gemäss unsrer schon früher (p. 1 und 2) gegebenen Definition der
Sarkodinen,im Allgemeinen und der Heliozoa im Speciellen, haben wir
die uns hier beschäftigenden Wesen als einzellige Organismen aufzufassen,
seien es nun kernlose, einkernige oder mehrkernige Formen. Nicht selten
begegnen wir jedoch bei ihnen einer Neigung zur Bildung kolonialer Ver-
bände, wofür ja auch schon die Rhizopoden einige Beispiele lieferten. Schon
früher lernten wir ferner die homaxone, kuglige Gestaltung als eine sehr
charakteristische Eigenthümlichkeit der Heliozoa kennen und zwar zeich-
nen sich durch solche sowohl der hüllenlose Weichkörper wie die Skelet-
oder Hüllbildungen, welche sich bei einigen Formen entwickeln, aus.
Dennoch verrathen auch die hierherzurechnenden Sarkodinen eine all-
mähliche Befestigung dieser, bei den hochentwickelten, typischen Formen
kaum veränderlichen Kugelgestalt.
Eine Anzahl entschieden tiefer stehender Formen zeigt nämlich eine viel geringere
Constanz der homaxonen Gestaltung, die, zwar vorübergehend, im ruhenden Zustand sehr
deutlich hervortritt, dagegen während der Bewegung tiefgreifende Veränderungen erfährt, in-
dem der Gesammtkörper dabei in amöbenartiger Weise seine Gestalt wechselt.
Die noch wenig ausgeprägte Kugelgestalt mancher Formen berechtigt
uns, dieselben zunächst an die nackten Rhizopoden anzuschliessen und
die Annahme wird wohl erlaubt sein, dass die höheren Formen sich all-
mählich aus derartigen einfacheren hervorgebildet haben.
Einen weiteren, höchst wichtigen Charakter bildet die Stellung und
Beschaffenheit der Pseudopodien. Zunächst ist hinsichtlich dieser hervor-
zuheben, dass sie stets sehr fein, strahlenartig, nie jedoch stumpflobos,
wie die Pseudopodien gewisser Süsswasserrhizopoden, erscheinen. Ferner
strahlen sie fast stets allseitig von der Körperoberfläche aus, wenngleich
auch in dieser Beziehung bei den niederen Formen einige Abweichungen
zu verzeichnen sind. Bei typischer Anordnung strahlen die Pseudopodien
demnach in den Radien des kugligen Heliozoönkörpers aus, so dass ein
268 Heliozoa.
solcher, mit voll entwickelten Pseudopodien, wohl die Bezeichnung Sonnen-
tbierchen verdient.
In Zusammenhang mit dieser Anordnung, wie andrerseits einer
sehr geringen Neigung zur Verästelung und weiterer, später zu er-
wähnender Eigenthümlichkeiten, kommt es nur selten zu Verschmel-
zungen benachbarter Pseudopodien und niemals zur Entwicklung eines
so reich entfalteten Pseudopodiennetzes, wie wir es bei der grossen
Mehrzahl der Rhizopoden antrafen.
Ein Theil der Heliozoa besitzt dann weiterhin noch einen besonderen
Stützapparat der einzelnen Pseudopodien, eine Einrichtung, die sich bis
jetzt nur noch bei gewissen Radiolarien vorgefunden hat. Durch das be-
sondre Verhalten dieser fadenartigen Axenstützen der Pseudopodien im
Innern des eigentlichen Heliozoönkörpers werden noch eine Reihe besondrer
Organisationseigenthümlichkeiten bedingt. — Ein allmählicher Fortschritt
in der Ausbildung des Heliozoänorganismus zeigt sich ferner durch die
bei den höheren Formen meist deutliche Differenzirung in Ecto- und Ento-
sark, wie durch den möglichen Kernmangel gewisser niederer Formen.
Contraktile Vacuolen sind sehr allgemein verbreitet, doch wird ihr gelegent-
liches Fehlen, nach den von uns schon früher entwickeltem Prineipien,
keinen Grund zur Abtrennung dieser Formen bilden können.
Von besondrem Interesse und beachtenswerther Wichtigkeit sind die
Skeletelemente, welche sich bei zahlreichen höheren Formen zum Schutze
des Weichkörpers entwickelt haben. Schon die durchaus kieselige Natur
dieser Skeletelemente verräth einen tieferen Unterschied von den gewöhn-
lichen Hüllbildungen der Rhizopoden, nähere Beziehungen dagegen zu den
Radiolarien. Jedoch ist auch die morphologische Entwicklung dieser Skelet-
gebilde ziemlich verschieden von den Hüllgebilden der Rhizopoden. Ihre
Bildung scheinen diese Skelettheile stets auf der Oberfläche des Thier-
körpers durch Abscheidung des Protoplasmas zu nehmen, dagegen er-
strecken sie sich, soweit bekannt, nicht in das Innere des Protoplasma-
leibes, wie dies bei einer ziemlichen Zahl von Radiolarien gefunden wird.
Meist sind es nur lose zusammenhängende, kleine Skeletgebilde, sehr ver-
schiedenartiger Gestalt, welche eine der Oberfläche des Thierkörpers mehr
oder minder dicht aufliegende, kuglige, lockre Hülle bilden. Andrerseits
kann jedoch auch eine allseitig durchlöcherte, zusammenhängende Kiesel-
hülle zur Entwicklung kommen. Gewissen Heliozoön scheint weiterhin dauernd
oder vorübergehend eine gallertartige Umhüllung eigenthümlich zu sein.
Die Fortpflanzungsverhältnisse verrathen, soweit bekannt, ziemliche
Uebereinstimmung mit denen der Rhizopoden. Einfache oder mehrfach
wiederholte (wahrscheinlich z. Th. auch simultane) Theilung im nackten
oder eneystirten Zustand scheint sehr verbreitet zu sein. Daneben findet
sich jedoch auch die, uns schon von den Rhizopoden her bekannte Fort-
pflanzung durch Schwärmerbildung.
Auf Grundlage der vorstehenden Erörterungen können wir am Schlusse
dieses Abschnittes die in der Folge zu unterscheidenden Hauptgruppen
Weichkörper (Protoplasma, Ecto- und Entosark). 269
kurz charakterisiren. Wir fassen die nackten skeletlosen Formen zunächst
zu einer Gruppe der Aphrothoraca zusammen, reihen hieran die kleine
und bis jetzt noch wenig sichere Abtheilung der Chlamydophora, der
mit gallertartiger Hülle versehenen Formen; hieran schliessen sich dann
die Heliozoön mit aus losen Skeletelementen gebildeter Kieselhülle als
Chalarothoraca und endlich diejenigen mit zusammenhängender kie-
seliger Kugelhülle, als Desmothoraca an.
3. Der Bau des Weichkörpers der Heliozoa.
Ein näheres Eingehen auf die allgemeinen Eigenthümlichkeiten des
Protoplasmas der Heliozoa dürfen wir hier füglich unterlassen. Im Be-
sonderen sei nur bemerkt, dass die Consistenz des Plasmas auch hier
eine ziemlich verschiedenartige zu sein scheint, wenn es erlaubt ist, hier-
auf aus der grösseren oder geringeren Intensität der Strömungserschei-
nungen der Pseudopodien und aus dem allgemeinen optischen Verhalten
einen Schluss zu ziehen.
In den meisten Fällen besitzt das Protoplasma keine speeifische
Färbung, sondern zeigt den bläulichen bis grünlichen Schimmer, der dem-
selben überhaupt unter dem Mikroskop eigenthümlich ist.
Doch gibt Greefl für zwei, bis jetzt im Ganzen wenig genau bekannte Formen (Chondro-
pus viridis und Astrodisculus flavescens) eine mehr oder minder intensiv gelbe. Färbung des
Plasmas an, während Acanthocystis flava Grff. (wahrscheinlich identisch mit A. Pertyana Arch.)
eine gelblichbraune Körperfärbung besitzt. Ebenso zeigen die nackten Vampyrellen sehr ge-
wöhnlich eine verschieden nüancirte, anscheinend diffuse Färbung des Plasmas, die, wie es
nach den Cienkowsky’schen *) Untersuchungen (24, 41) nicht zweifelhaft erscheint, in direktem
Zusammenhange mit der Art der aufgenommenen Nahrung steht. Die auftretenden Färbungen
sind verschiednes Roth, von Hellroth bis Orange und lebhaftem Ziegelroth ; andrerseits finden
sich dagegen auch mehr bräunliche, bis sogar ins Grünliche gehende Färbungen; seltner
hingegen trifft man ungefärbte Exemplare. Ob in diesen Fällen wirklich eine diffuse
Färbung des Plasmas vorliegt, oder ob es sich nur um sehr fein vertheiltes Pigment,
wie es ja bei den Heliozoön so verbreitet ist, handelt, scheint bis jetzt noch kaum hin-
reichend sichergestellt. Speciell bei dem erwähnten Chondropus ist es sogar fraglich, ob der
gelbe, von Greeff beschriebne und abgebildete Sarkodesaum thatsächlich als ein solcher, oder,
wie Archer (42) auch vermuthet, als eine gallertartige Hüllbildung in Anspruch zu nehmen ist.
Der plasmatische Weichkörper der Heliozoa erscheint entweder durch-
aus gleichartig, ohne Differenzirung in besondre Unterabschnitte oder es
lässt sich ein äusseres Eetosark (Rindenschicht) und ein inneres Entosark
(Markschicht) mehr oder weniger deutlich unterscheiden **).
Was zunächst die ersteren Formen betrifft, so dürfen wir sie ohne Zweifel wegen dieser
gleichartigen Beschaffenheit des Plasmas als die einfacheren und niedriger stehenden betrachten.
Dies stimmt auch damit überein, dass wir die grösste Zahl solcher einfach gebauten Formen
*) Chlorophyllreiche Nahrung scheint hauptsächlich die rothen Färbungen hervorzurufen,
wogegen ausschliessliche Diatomaceennahrung hellere Nüancirung bis Farblosigkeit zu erzeugen
scheint.
**) Die erste sichere Unterscheidung des Ecto- und Entosarks scheint 1848 von Nicolet
(8) bei Actinophrys ausgeführt worden zu sein, worauf dann im folgenden Jahr Kölliker (9)
das Gleiche bei Actinosphaerium zeigte,
270 Heliozoa.
auch unter den skeletlosen antreffen (von den skeletlosen Formen machen nur die Gattungeu
Actinolophus, Actinophrys und Actinosphaerium eine Ausnahme). Unter den Chlamydophora
und Chalarothoraca scheint dagegen die Differenzirung dieser beiden Plasmaregionen eine
ziemlich allgemeine Verbreitung zu besitzen, wenn auch, wie natürlich, bei gewissen Formen
noch keine völlige Sicherheit bezüglich dieses Punktes erreicht ist. Auffallend erscheint es
unter diesen Verhältnissen, dass die durch ihre vorzügliche Skeletbildung sich auszeichnenden
Desmothoraca nach den übereinstimmenden Angaben der Forscher einer solchen Differenzirung
völlig ermangeln.
Indem wir die Besprechung der specielleren Bildungsverhältnisse und
der unterscheidenden Momente zwischen Ecto- und Entosark auf später
verschieben, muss jedoch hier hervorgehoben werden, dass in der Aus-
bildung dieser Plasmaregionen bei den Heliozo@ön eine nicht zu verken-
nende Verschiedenheit gegenüber den von uns schon früherhin erläuterten,
entsprechenden Differenzirungsverhältnissen gewisser Rhizopoda sich findet.
Während bei den letzteren das Ecetosark sich gewöhnlich durch sehr
homogene, körnerfreie Beschaffenheit gegenüber dem körnigen, die Nah-
rungskörper während der Verdauung einschliessenden Entosark auszeichnet,
finden wir hier sehr häufig, jedoch nicht durchaus, das Umgekehrte.
Ueber die gegenseitigen Lagerungsbeziehungen der beiden Plasmaregionen
ist zu bemerken, dass das Ectosark natürlich als eine mehr oder minder
ansehnliche Rindenschicht das centrale Entosark umscheidet, ohne dass
jedoch die beiden Regionen, wie der homaxone Bau des Heliozo@nkörpers
es vermuthen liesse, sich stets völlig concentrisch umfassen.
Das letztere ist jedoch ganz sicher der Fall bei Actinophrys und Actinosphaerium
(T. XIV. 7a, XV. 1a, 1b), wo das Entosark (M) eine centrale Kugel bildet, die von einer,
je nach dem Alter der Thiere verschieden starken Ectosarkhülle (R) allseitig umschlossen
wird. Inwiefern sich ein derartiges Verhalten auch bei den skeletführenden Formen findet,
muss noch weiterer Forschung unterzogen werden. Gerade bei den in dieser Hinsicht best-
gekannten Chalarothoraca (Acanthocystis hauptsächlich) und ebenso bei der Gattung Actinole-
phus unter den Skeletlosen findet sich ein durch R. Hertwig (43) nachgewiesenes, abweichen-
des Verhalten. Hier liegt die den Kern umschliessende, mehr oder minder kuglige Entosark-
masse entschieden excentrisch zu dem Mittelpunkt des Gesammtkörpers, ja sie reicht sogar
an einer gewissen Stelle bis zur Körperoberfläche heran, so dass hier das Entosark, unbedeckt
von Ectosark, einen Theil der Körperoberfläche formirt (XVI. 8a, M). Durch diese excen-
trische Lagerung des Entosarks, wodurch gleichzeitig eine ebensolche des Kernes veranlasst
wird, erfährt natürlich auch die streng homaxone Bauweise der betreffenden Heliozoön eine
Beeinträchtigung, wenn dieselbe auch in der äusserlichen Gestaltung nicht in Erschei-
nung tritt.
Die Schärfe der Scheidung zwischen Ento- und Eetosark ist natürlich
Verschiedenheiten unterworfen und obgleich beide Regionen thatsächlich
allmählich in einander übergehen, so ist dieser Uebergang z. Th. doch
ein so rascher, dass eine ziemlich scharfe Grenze zwischen beiden Regionen
hervortritt.
Es wird in solchen Fällen nicht sehr verwunderlich erscheinen, dass im Zusammenhang
mit den früher geschilderten Annäherungsversuchen zwischen Heliozoön und Radiolarien,
hauptsächlich von Greeff für eine Anzahl von Formen die Ansicht geltend gemacht wurde,
dass das Entosark der Centralkapsel der Radiolarien zu homologisiren sei (im Speciellen ge-
schah dies z. B. für das Actinosphaerium). Im Hinblick auf eine derartige Auffassung, darf
wohl hier nochmals besonders betont werden, dass bis jetzt in keinem Falle eine wirkliche,
membranartige Grenzschicht zwischen Ento- und Ectosark beobachtet worden ist, also eine
Weichkörper (Ecto- und Entosark, Vacuolisation). 971
Einrichtung, die sich der Centralkapselmembran der Radiolarien an die Seite stellen liesse,
völlig fehlt*). Auch die mehrfach geäusserte Ansicht, dass die Entosarkmasse der Heliozo@n
gleichwohl dem intrakapsulären Protoplasma der Radiolarien zu homologisiren sei, dass dem-
nach unsre Gruppe gewissermaassen den Radiolarienbau in sehr unvollständig ausgebildeter
Form vorführe, kann ich keineswegs für wahrscheinlich erachten, doch werden die Gründe
hierfür sich besser erst später bei Besprechung der Radiolarien entwickeln lassen.
Indem wir nun zu der Besprechung der besonderen, im Protoplasma
der Heliozo@ön sich findenden Einschlüsse übergehen, werden wir gleich-
zeitig Gelegenheit haben, die Unterschiede zwischen den beiden Proto-
plasmaregionen genauer zu entwickeln, da ihre Differenz vorzugs-
weise auf der Natur und Vertheilung dieser Einschlüsse beruht. Zu-
nächst wenden wir unsre Aufmerksamkeit den Flüssigkeitsvacuolen zu,
die gerade bei unseren Heliozo@n häufig eine ganz hervorragende Rolle
spielen. Unter diesen sind es dann wieder die nicht contractilen oder
doch wenigstens die nicht rhythmisch an- und abschwellenden, welche an
erster Stelle betrachtet zu werden verdienen. Die Entwickelung derartiger
Flüssigkeitsräume im Plasmaleibe der Heliozoa ist eine ungemein ver-
breitete Erscheinung und- es dürfte wohl mit Recht bezweifelt werden, ob
sie irgend einer Form gänzlich fehlen, wenn auch bis jetzt für einzelne
Arten ihre Gegenwart nicht mit Bestimmtheit angegeben wird. Was ihre
Vertheilung im Plasmaleib betrifft, so finden sie sich bei mangelnder
Scheidung von Ecto- und Entosark meist ohne Regel durch den ganzen
Körper vertheilt, wogegen die höher differenzirten Formen sehr gewöhn-
lich eine mehr oder minder ausgesprochene Verschiedenheit des Eeto- und
Entosarks in Bezug auf die Vertheilung oder das sonstige Verhalten der
Vacuolen erkennen lassen. Aber auch hinsichtlich der Reichlichkeit ihres
Auftretens macht sich ein recht verschiedenes Verhalten kenntlich; wäh-
rend sie nämlich bei einem Theil der Gattungen nur vereinzelt oder doch
im Ganzen spärlich zu bemerken sind, treten sie bei anderen in so reich-
licher Zahl auf, dass das gesammte Protoplasma die alveoläre oder
vaeuolisirte Beschaffenheit annimmt, die uns schon bei einzelnen Rhizo-
poden aufstiess. — Doch ist auch der Vaeuolenreichthum bei einem und
demselben Individuum Schwankungen unterworfen und werden wir später
noch zu erwähnen Gelegenheit haben, dass selbst solche Formen, für
welche die Vaeuolisation durchaus eigenthümlich und constant erscheint,
dieselbe in gewissen Lebensperioden völlig einbüssen können.
Unter den einfacheren, nackten Formen zeigt sich eine reichliche Vacuolisation, ja z. Th.
ein ganz schaumiges Plasma bei der Gatt. Nuclearia und ähnlich auch bei gewissen Formen
oder doch unter gewissen Lebensverhältnissen bei Vampyrella, während andererseits ‚die
Vacuolen hier zuweilen nur sehr spärlich gefunden werden. Ein Beispiel für sehr geringe
*) Greeff (27) hat zwar speciell für Actinosphaerium eine membranartige Protoplasna-
hülle um die Entosarkmasse nachzuweisen versucht, und hierin ein Homologon der Central-
kapselmembran der Radiolarien erblickt, jedoch haben — abgesehen von der schon an und
für sieh wenig bedeutungsvollen Vergleichung einer Protoplasmahülle und einer chitinösen
Membran — die späteren Untersucher, F. E. Schulze wie Hertwig und Lesser, eine derartige
Protoplasmamembran um die Entosarkmasse nicht nachzuweisen vermocht.
973 Heliozoa.
Entwickelung der Vacuolen, ja wohl zeitweisen völligen Mangel derselben, bietet unter den
Skeletlosen die Gatt. Actinolophus dar und unter den skeletführenden Formen scheint sich
keine zu finden, bei welcher von einer Vacuolisation des Plasmas die Rede sein könnte,
wenn auch spärliche Vacuolen wohl überall gelegentlich angetroffen werden.
Eine ganz besondere Entwickelung erreichen die Vacuolen bei zwei
typischen skeletlosen Heliozoönformen, den Gattungen Actinophrys und
Actinosphaerium. Hier ist der Reichthum an Vacuolen so gross, dass
eine völlig alveoläre Bildung des Plasmas, wenigstens in gewissen Regionen,
eingetreten ist, wodurch denn auch gelegentlich mannigfache Missdeutungen
dieser Organisationsverhältnisse hervorgerufen wurden.
Etwas einfachere Verhältnisse bietet die kleinere Actinophrysform
dar, indem sich die Vacuolen hier auf das verhältnissmässig sehr dicke
Eetosark beschränken (XIV, 7a). Sie liegen darin so dicht gedrängt,
dass die sie scheidenden Plasmamassen zu dünnen Scheidewänden werden.
Die grössten, häufig auch etwas convex über die Oberfläche des Thier-
körpers vorspringenden Vacuolen liegen nach aussen, nach innen nehmen
sie allmählich an Grösse ab; das wenig umfangreiche Entosark, welches den
central gelegnen Kern umschliesst, und sehr allmählich in das Eetosark
übergeht, ist hier ganz vacuolenfrei. Anders hingegen gestalten sich die
Verhältnisse bei dem grösseren Actinosphaerium (XV. 1a—1b); hier er-
scheint das gesammte Plasma, Eetosark (R) sowohl wie Entosark (M),
durchaus vacuolär, jedoch unterscheiden sich beide Regionen durch die
Beschaffenheit und die Anordnung der Vacuolen. Das Entosark ist von
zahlreichen kleineren und ohne besondere Anordnung zusammengelagerten
Vacuolen ganz durchsetzt, auch scheinen dieselben hier im allgemeinen
durch etwas stärkere Plasmazwischenwände geschieden zu sein, wenn sie
auch gewöhnlich so dicht zusammengedrängt sind, dass sie sich gegen-
seitig polygonal abplatten. Die bei erwachsenen Thieren etwa 1/—!/s
des Gesammtdurchmessers erreichende Ectosarkschicht weist grössere
Vacuolen auf, welche hauptsächlich im jugendlichen Zustand, wo sie nur
eine einzige Lage im sehr ansehnlich dieken Ectosark bilden, eine sehr
regelmässig radiäre Anordnung besitzen, sich gegenseitig in radialer Rich-
tung abplattend. Im erwachsenen Zustand liegen gewöhnlich mehrere
Schichten von Rindenvacuolen über einander (XV. 1b, R), womit denn
auch die radiäre Anordnung etwas an Regelmässigkeit verloren hat.
Diese Verschiedenheit der Vacuolen Bildung und -Anordnung im Ecto-
und Entosark des Actinosphaerium ist Ursache, dass hier eine ziemlich
scharfe Grenze zwischen den beiden Plasmaregionen sich findet, obgleich
natürlich die eigentliche Plasmamasse beider unmittelbar in einander
übergeht; die Bestimmtheit dieser Grenze wird noch dadurch erhöht, dass
nach F. E. Schulze (38, I.) die Vacuolen der äussersten Grenzregion des
Entosarks sich durch Kleinheit auszeichnen, wie denn hier auch die
dunkeln Körnchen, welche eine Auszeichnung des Entosarks bilden, be-
sonders reichlich angehäuft sind. Im Ganzen macht diese Grenzregion
des Entosarks den Eindruck grösserer Dichtigkeit und Festigkeit.
Fe
Bau des Weichkörpers (Vacuolisation). 273
Trotz ihrer grossen Constanz sind diese Vacuolen von Actinophrys
und Actinosphaerium dennoch vergängliche Gebilde, wenn sie auch unter
den gewöhnlichen Lebensverhältnissen wohl nur gelegentlich und vereinzelt
schwinden und sich wieder neu bilden. Dagegen ist für beide Gattungen
durch die Untersuchungen Hertwig und Lesser’s (39), sowie die Kühne’s*)
bekannt, dass sowohl durch heftige mechanische, wie elektrische Reizung
ein Schwinden der Vacuolen des Ectosarks eintritt. Hertwig und Lesser
sprechen von einem Collabiren derselben, Kühne hingegen lässt dieselben
bei Actinophrys platzen und sich entleeren. Mir scheint das Letztere
überhaupt mehr Wahrscheinlichkeit für sich zu haben. Das Schwinden
der Vaeuolen kann schliesslich bei Actinosphaerium so weit gehen, dass
das Eetosark völlig homogen und vacuolenfrei wird.
Bei beiden Heliozo@önformen wird dadurch jedoch die Lebensthätigkeit
nicht im geringsten beeinträchtigt, indem nach einiger Zeit die Neubildung
der Vacuolen beginnt und schliesslich das Thier sich völlig wieder zu
seinem ursprünglichen Zustand restituirt. Die Neubildung der Ectosark-
vacuolen bei Actinosphaerium machte auf Hertwig und Lesser den Ein-
druck, als wenn Flüssigkeit aus den centralen Partien in die homogen
gewordene Rinde eindringe. Aber auch ohne solche Veranlassung durch
äussere Reizung tritt im Leben der beiden genannten Gattungen zuweilen
ein Schwinden der Vacuolen ein, ja noch weitergehend, indem für Actino-
sphaerium dann auch die Entosarkmasse devacuolisirt wird. Dieser Fall
ereignet sich, wie wir später noch genauer zu erörtern haben werden, bei
dem Uebergang in den encystirten Zustand, der hierdurch eingeleitet wird.
Ob sich auch sonst gelegentlich eine völlige Rückbildung der Vacuoleu
bei einer der beiden in Frage stehenden Gattungen ereignet, scheint sehr
unwahrscheinlich, denn die Angabe Carter’s (23), dass er manchmal Actino-
phrys sol ganz vacuolenfrei beobachtet habe, kann einmal von der zu-
weilen nicht geringen Schwierigkeit herrühren, welche die Beobachtung
der Vacuolen gerade bei dieser Form nach dem übereinstimmenden Urtheil
der Forscher häufig bereitet, andererseits könnte sie jedoch auch durch
Verwechselung mit einer anderen Heliozoönform hervorgerufen wor-
den sein.
Im Anschluss an die vorstehende Besprechung der Vacuolen verdient
fernerhin Erwähnung, dass auch bei unserer Abtheilung, wie wir solches
schon mehrfach bei den Rhizopoden zu verzeichnen hatten, die aufge-
nommenen Nahrungskörper sehr allgemein von sogen. Nahrungsvacuolen
eingeschlossen und hierin der Assimilation unterzogen werden. Ueber die
Bildung dieser Vacuolen herrscht keineswegs hinreichende Sicherheit. Bei
Actinophrys und Actinosphaerium, wo bis jetzt die eingehendsten Studien
über diese Verhältnisse angestellt worden sind, scheint es nicht, dass es
peripherische Vacuolen des Ectosarks sind, in welche die Nahrung auf-
genommen wird und welche so zu Nahrungsvacuolen würden, wie dies
*) Untersuchungen über das Protoplasma. Leipzig 1864.
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. 18
274 Heliozoa.
mehrfach vermuthet wurde, sondern es ist wahrscheinlicher, dass sich
solche Nahrungsvaeuolen durch Flüssigkeitssekretion um die aufgenom-
mene Nahrung bilden. Weiteres über diese Frage wird sich dann noch
besser bei Besprechung der Nahrungsaufnahme mittheilen lassen.
Wenden wir uns im Verlaufe unserer Darstellung jetzt sogleich zu
den sogenannten contractilen Vacuolen, die wie bei den Siüsswasser-
ıhizopoden auch hier eine weite Verbreitung besitzen. Dennoch haben
wir auch in. dieser Abtheilung eine Reihe von Formen zu verzeich-
nen, welehen solehe Einrichtungen völlig zu. fehlen scheinen, wenn sie
nieht zum Theil durch sehr unregelmässig schwindende und sich
neubildende Vaeuolen der schon beschriebenen Art functionell vertreten
werden.
Speciell bei den skeletlosen Formen scheint der Mangel contractiler Vacuolen z. Th.
ziemlich sicher zu sein, So werden sie für Vampyrella und Myxastrum von den Beobachtern
entschieden in Abrede gestellt; auch bei Actinolophus vermisste F. E. Schulze jegliche
Vacuolenbildung, obgleich das Objekt der Beobachtung günstig scheint. Abweichend verhält
sich dagegen die mit Vampyrella nahe verwandte Gattung Nuclearia, indem ihre gewöhnlich
sehr zahlreichen Vacuolen, die schon oben Gegenstand unserer Besprechung waren, nach
Cienkowsky langsam schwinden und wieder auftauchen (XIV. 1a), wogegen F. E. Schulze die
Pulsation dieser Vacuolen etwas mehr in der gewöhnlichen Weise beschreibt, indem er ihre
Contraktion plötzlich (also jedenfalls nicht langsam) vor sich gehen lässt und bei Gegenwart
nur weniger grosser Vacuolen sie auch, im Zustand der Füllung, über die Körperoberfläche
vorspringen sah, wie dies von den echten, contractilen Vacuolen zahlreicher Heliozo@n be-
kannt ist*). Greeff schliesslich leugnet die Contractilität der Nucleariavacuolen völlig.
Sehr wohl entwickelt sind die contractilen Vacuolen bei den Gattungen Actinophrys und
Actinosphaerium und sind weiterhin bei den skeletführenden Formen sehr verbreitet. Immer-
hin konnte ihre Anwesenheit bei diesen letzteren bis jetzt noch nicht allseitig constatirt wer-
den, ja es sind eine Reihe von Gattungen zu verzeichnen, bei welchen bis jetzt für gewisse
Formen das Vorhandensein der contractilen Vacuolen mit Bestimmtheit angegeben wird, wäh-
rend sie anderen abgesprochen werden (so z. B. Heterophrys, Raphidiophrys, Pompholyxo-
phrys); inwiefern hier nur Schwierigkeit der Beobachtung die Wahrnehmung verhinderte,
oder thatsächlich verschiedenes Verhalten vorliegt, wird erst durch weitere Untersuchungen
festzustellen sein.
Was die Zahl der vorhandenen contractilen Vacuolen betrifft, so
herrscht hierin grosse Variabilität. Während Actinophrys für gewöhnlich
eine einzige, jedoch meist recht ansehnliche Vacuole aufweist (XIV.
7a, ev), finden wir bei Actinosphaerium gewöhnlich zwei (XV. la, ev),
jedoch zuweilen auch mehr, bis zu fünf. Eine grössere Zahl contraetiler
Vacuolen zeigen gewöhnlich auch die skeletführenden Formen, so sind
z. B. bei Heterophrys bis 4, bei Raphidiophrys pallida bis 20, bei Acantho-
eystis z. Th. sehr zahlreiche contraetile Vacuolen gefunden worden. Es
braucht hiernach kaum besonders hervorgehoben zu werden, dass ihre
Zahl bei bestimmten Formen keineswegs constant ist, wenn auch ge-
wisse Grenzen durchaus eingehalten zu werden scheinen.
Ihre Lage haben die Vacuolen auch hier durchaus, wenigstens im
gefüllten und der Contraetion nahen Zustand, dicht unterhalb der Körper-
*) F, E. Schulze blieb jedoch zweifelhaft, ob sämmtlichen Vacuolen, wie dies nach der
Cienkowsky’schen Schilderung erscheint, dieses Contraktionsyermögen zukommt.
-
Bau des Weichkörpers (Contraetile Vacuolen). j 275
oberfläche, demnach bei denjenigen Formen, welche eine Differenzirung
in die beiden bekannten Körperregionen aufweisen, im Ectosark. Je
nach ibrer Annäberung an die Körperoberfläche und dem Grad ihrer An-
schwellung vor der Contraktion, zeigen sie uns ein etwas verschiedenes
Verhalten. Liegen sie etwas tiefer unter der Oberfläche und ist ihre
Füllung eine mässige, so machen sie sich während der Diastole nicht
durch eine Hervortreibung der Körperoberfläche merklich, wogegen letz-
teres Verhalten, z. Th. in sehr entwickelter Weise, eintreten kann, wenn
ihre Lagerung eine sehr oberflächliche und ihre Anschwellung eine recht
beträchtliche ist. Für das erstere Verhalten bietet uns die Gattung Acantho-
eystis (XVI.) ein gutes Beispiel, auch Raphidiophrys (XVI. 2) zeigt nur
geringes Vorspringen der Vacuolen, und zwar erst zu Beginn der Con-
traktion. Recht verbreitet erscheint dagegen das zweite Verhalten; es
lässt sich unter den skeletführenden Formen z. B. gut beobachten bei
Heterophrys und Sphaerastrtum (= Heterophrys Fockii Arch.), sowie
Clathrulina; als trefflichste Beispiele dieses Verhaltens bieten sich jedoch
die beiden skeletlosen Gattungen Actinophrys und Actinosphaerium dar.
Hier springen die contractilen Vaceuolen im Zustand der Diastole weit,
halbkuglig über die Oberfläche des Thierkörpers, zwischen den Basen der
Pseudopodien vor; bei Actinosphaerium, wo die in Mehrzahl vorhandenen
Vacuolen relativ kleiner bleiben, sind sie weniger augenfällig (XV. la, ev);
bei Actinophrys hingegen (XIV. 7a, ev) erreicht die. einfache Vacuole
meist eine sehr beträchtliche Grösse, zuweilen im Moment der höchsten
Füllung */; des Körperdurchmessers, ja sogar nahezu die Grösse des
übrigen Körpers.
Jedenfalls zeigen die seither hinsichtlich der contractilen Vacuolen bei den beiden
erwähnten Gattungen angestellten Beobachtungen, dass dieselben Gebilde besonderer Art
sind und den übrigen Vacuolen nicht direct an die Seite gestellt werden dürfen; dass
z. B. die Ansicht Grenacher’s, der bei Actinophrys die Umbildung einer beliebigen
Vacuole der Körperoberfläche zu einer contractilen für möglich und wahrscheinlich hält, jeden-
falls wenig Berechtigung hat. Grenacher führt als Beweis seiner Ansicht eine Beobachtung
an, die aber keine grosse Sicherheit zu besitzen scheint; er sah nämlich einmal bei einer
Actinophrys die Vacuvle ihre Thätigkeit einstellen, dafür jedoch an dem gegenüberstehenden
Körperpol eine neue Vacuole sich entwickeln.
Wie jetzt für die contractilen Vacuolen der einzelligen Organismen
allgemein anerkannt ist: dass sie einfache mit Flüssigkeit erfüllte, jedoch
nicht mit disereter Membran umkleidete Räume im Plasma darstellen, so hat .
sich durch die neueren Beobachtungen diese Anschauung auch für die
Heliozoön im Speciellen allseitig bewahrheitet. Gerade für diese Formen
wurde jedoch früherhin häufig die Existenz einer besondern Vaeuolen-
membran vertheidigt; ja Claparede glaubte einst, die contractile Va-
euole von Actinophrys mit einer Zelle vergleichen zu dürfen.
Etwas besser wie bei den Rhizopoden wurde bei unserer Abtheilung
die functionelle Bedeutung der contractilen Vaeuolen aufgeklärt, wenn
auch: bis jetzt hierüber noch keine völlige Sicherheit erreicht ist. Ein
Urtheil über die Bedeutung der Vacuolen lässt sich natürlich vor allem
18%
276 Heliozoa.
aus einer genauen Beobachtung ihres Bildungs- und Contractionsvorgangs
mit Berücksichtigung der begleitenden Erscheinungen erlangen. Hierzu
jedoch erscheinen wieder die ansehnlichen Vacuolen der Actinophryen
besonders geeignet. Wir sehen hier ab von einer genaueren Besprechung
irrthümlicher, älterer Vermuthungen, wie z. B. derjenigen Stein’s, der ein
die Nahrung aufnehmendes Organ in ihnen erkennen wollte.
Ueber die Entstehung der Vacuolen nach ihrer Contraktion liegen
bis jetzt wenige Beobachtungen vor, jedoch scheint die Neubildung hier
gewöhnlich nicht, wie dies bei Rhizopoden und Infusorien vielfach beob-
achtet wurde, durch Zusammenfluss mehrerer kleiner Vacuolen stattzu-
finden, sondern sich an Stelle der geschwundenen, alten Vacuole eine
von Anfang an einheitliche, neue zu entwickeln, wobei zuweilen ein Rest
der alten Vacuole als Centrum für die neue Anfüllung fungirt*).
Die Contraktion selbst erfolgt sehr plötzlich, ruckartig und hierbei
fällt die hoch emporgewölbte, äussere, dünne Vacuolenwand in sich zu-
sammen, sich zuweilen deutlich faltend, ja auch bruchsackartige Aus-
sackungen erzeugend; nach völligem Schwund der Vacuole ist zu-
weilen an Stelle des früheren Vorsprungs eine deutliche Abflachung
(Actinophrys) oder auch eine concave (Actinosphaerium) bis triehterförmige
(Raphidiophrys pallida) Einsenkung zu beobachten. Mit den Faltungen
der eingesunkenen Vacuolenwand dürfte vielleicht auch der haarähnliche
Besatz in Zusammenhang zu bringen sein, den Wallich (19a) auf der
eingesunkenen Stelle bei Actinosphaerium beobachtet hat**), wogegen
Archer ***) einen solchen Besatz zuweilen bei einer Varietät von
Actinophrys (wahrscheinlich war dieselbe jedoch gleichfalls Actino-
sphaerium) auf der Peripherie der angeschwollenen Vacuolen wahrgenom-
men haben will. Vielleicht lassen sich jedoch diese haarähnlichen Fort-
satzbildungen auch mit denjenigen vergleichen, die, wie wir früher
sahen, häufig das Hinterende der Amöben auszeichnen.
Eine Anschwellung der benachbarten Vacuolen während der Con-
traktion der pulsirenden wurde bis jetzt mit Sicherheit noch nie beob-
achtet. Hinsichtlich der Function der Vacuole glaubt sich nun Zenker
(25) bei Actinosphaerium mit Sicherheit überzeugt zu haben, dass dieselbe
in einer Entleerung der Vacuolenflüssigkeit nach Aussen bestehe, im
Gegensatz zu der früherhin ziemlich verbreiteten und hauptsächlich von
Claparede für Actinophrys (13) vertheidigten Auffassung derselben als
Cirkulationsorgan, wonach also die sich in ihr ansammelnde Flüssigkeit
wieder in den Körper zurückgetrieben würde. Zenker stützt seine Ansicht
auf die direete Beobachtung eines, bei Beginn der Systole, an einer schon
vorher verdtnnten Stelle der äusseren Vacuolenwand sich bildenden
Risses, durch welchen die Entleerung stattfinde und dessen Ränder wäh-
*) Nach Hertwig und Lesser bei Actinophrys stets.
*#*) Spitzige Fortsätze auf der zusammengefallenen Blase beschreibt auch Lieberkühn ;
dieselbe soll jedoch nach ihm auch im collabirten Zustand noch als Heryortreibung erscheinen.
*##*) Quarterl. journ. micr. sc. Vol. 16. p. 299.
Bau des Weichkörpers (Contractile Vacuolen). 277
rend dieses Vorgangs deutlich in flatternder Bewegung geschen wurden.
Einige Zeit nach dem Zusammenfallen der Blase sollen die Rissränder
wieder mit einander verschmelzen und hierauf die Wiederanschwellung
der Vaeuole beginnen. Spätere Beobachter des Actinosphaerium, wie
Lieberkühn und F. E. Schulze konnten sich jedoch von der Bildung
eines solchen Risses nicht überzeugen und auch Hertwig und Lesser
stellen das Einreissen der Blasenwand für Actinophrys entschieden in
Abrede. Dennoch hält F. E. Schulze nach seinen Beobachtungen an
Raphidiophrys die Entleerung der Vacuolenflüssigkeit für sehr wahrschein-
lich, während Hertwig und Lesser über diesen Punkt unentschieden ge-
blieben sind. Wenn wir jedoch sehen, dass durch die neueren Unter-
suchungen die Entleerung der contractilen Vacuole der Infusorien wohl
unzweifelhaft bewiesen erscheint, so dürfen wir, glaube ich, die Zenker’-
sche Beobachtung, trotz der bis jetzt noch mangelnden Bestätigung, nicht
mit zu grossem Misstrauen betrachten, da einmal, wenn eine Entleerung,
wie dies ja höchst wahrscheinlich, thatsächlich erfolgt, diese doch
wobl nur vermittels einer solchen Rissbildung stattfinden kann, und
andererseits solche höchst subtilen Wahrnehmungen zu ihrem Gelingen
häufig besonders glücklicher Bedingungen bedürfen, hinsichtlich derer ja
Zenker ausnahmsweise begünstigt gewesen sein mag.
Halten wir aber mit Zenker die Entleerung der Vaecuole für das
wahrscheinlichste, so dürfen wir uns auch wohl hinsichtlich ihrer weiteren
Bedeutung seinen Standpunkt aneignen und in ihr ein Organ erkennen,
das zunächst dem .energischen Wasserwechsel des Heliozo@nkörpers vor-
steht und im Weiteren den Respirationserscheinungen, welche mit diesem
Wasserwechsel Hand in Hand gehen*). Unannehmbar jedoch scheint
die Vorstellung, welche sich F. E. Schulze (38, I.) von der Entstehung der
Vacuole bei Actinosphaerium: durch Endosmose aus dem umgebenden
Wasser, gebildet hat. Zwar mag die Beobachtung ganz gegründet sein,
dass die umgebenden Vacuolen während der Diastole der contractilen
keine Volumverminderung erfahren; jedoch geht auch die Füllung ziem-
lich allmählich vor sich (10—80 Sekunden bei Actinophrys nach Weston)
und andererseits spricht auch, wenn wir die Erscheinnngen bei den In-
fusorien berücksichtigen, vieles dafür, dass die Füllung der contractilen
Vacuolen gar nicht direct auf Kosten der nichteontractilen zu erwarten
ist, sondern dass sie aus dem Plasma unmittelbar gespeist werden. Die
durch die Vacuole nach Aussen entleerte Flüssigkeit wird daher wohl als
allseitig in den Körper endosmotisch aufgenommene, nicht jedoch als
von Aussen speciell in die Vacuole diffundirte betrachtet werden
müssen.
Eine kurze Betrachtung müssen wir hier ferner den zahlreichen und
verschiedenartigen, körnigen Einschlüssen, die im Plasmakörper der Helio-
*) Für Actinophrys hat schon Weston 1856 die contractile Vacuole als Respirationsorgan
beansprucht, ohne natürlich diese Ansicht näher zu begründen (16).
278 Holiozoa.
zoön vorkommen, widmen. Wir sehen hier ab von jenen feinsten Körnchen,
die auch dem scheinbar homogenen Plasma gewöhnlich ein sehr fein-
granulirtes Aussehen verleihen. Die gröberen, körnigen Einschlüsse sind
theils ungefärbt, theils gefärbt und wirken dann gleichzeitig als Pigmente,
welehe bei reichlicherem Vorkommen dem ganzen Heliozoönkörper eine be-
stimmte Färbung ertheilen können. Unser besonderes Interesse verdienen
diese Einschlüsse auch noch deshalb, weil ihre Vertheilung gewöhnlich die
‚Differenzirung von Eeto- und Entosark sehr wesentlich mit bewerkstelligen
hilft. Ueber die chemische Natur dieser körnigen Einschlüsse ist im
Ganzen wenig Sicheres bekannt. Die ungefärbten, von mehr oder weniger
fettglänzendem Aussehen und scharfen Contouren scheinen z. Th. mit
Recht als fettartige Gebilde betrachtet zu werden, doch werden sich
dieselben bei genauerer Untersuchung wohl z. Th. auch als den schon
bei den -Rhizopoden erwähnten sogen. Exeretkörnchen entsprechend er-
weisen, namentlich dürfen dahin wohl die scharf eontourirten, rhombischen
Krystalle gerechnet werden, welche Hertwig und Lesser in dem Eetosark
von Heterophrys myriopoda Arch. (marina H. u. L.) fanden; auch die fei-
nen Körnchen, welche häufig in Molekularbewegung in den Rindenalveolen
des Actinosphaerium angetroffen werden, dürften wahrscheinlich derselben
Kategorie von Einschlüssen zuzutheilen sein. Mögen diese körnigen Ein-
schlüsse nun von der einen oder anderen Art sein, so wird ihre, speciell
für Aetinosphaerium von Kölliker, jedoch auch für andere Formen von
anderer Seite betonte Zunahme mit reichlicher Ernährung verständlich er-
scheinen, Wie schon bemerkt, ist die Vertheilung solcher Einsehlüsse
häufig sehr charakteristisch; so finden wir bei Actinosphaerium kleine,
dunkle Körnchen vorzugsweise reichlich in der Marksubstanz (Entosark)
angehäuft, welehe vorzüglich hierdurch ihre dunklere Färbung erhält (XV.
lb, M)*). Hiermit stimmt denn überein, dass hier die Marksubstanz auch
der Sitz der Assimilation ist. Das Umgekehrte scheint bei den übrigen
Heliozoön mit differenzirtem Eeto- und Entosark durchaus der Fall zu
sein. So treffen wir letzteres Verhalten sehr wohl ausgeprägt bei Actino-
phrys, wie schon Stein 1854 (14) sehr wohl beobachtet hat; hier ist die
nur gering entwickelte, centrale Entosark- (oder Mark-)masse sehr‘ fein-
körnig, wogegen sich in dem vacuolirten Eetosark zahlreiche grössere,
jedoch immerhin keine beträchtliche Grösse erreichende, fettglänzende
Körnchen finden (XIV. 7a). Aehnliches Fe ferner bei den Chlamydophora
und Chalarothoraca sehr verbreitet, so z. B. sehr deutlich zu beobachten
bei Heterophrys (XV. 2), Raphidiophrys (XVI. 2), Acanthoeystis (XVI. 7),
ähnlich auch bei dem skeletlosen Actinolophus; jedoch erreichen bei diesen
Formen die dunkeln Körnchen häufig eine relativ weit bedeutendere
Grösse und das Eetosark derart eine weit grobkörnigere Beschaffenheit.
*) Kölliker (9) hält diese Körnchen für fettartiger Natur; F. E. Schulze hat neben ihnen
noch zahlreiche kleinere, blasse Körnchen beobachtet, die jedoch gleichmässig durch das ge-
sammte Plasma verbreitet- sich finden.
Bau des Weichkörpers (Körnige Einschlusse versch. Natur). 279
Gleichzeitig gesellen sich hier zu diesen dunkeln Körnchen nicht selten
noch gefärbte Einschlüsse verschiedener Art. Unter den Letztge-
nannten sind vor allem zu erwähnen die grünen, meist relativ recht
ansehnlichen, kugligen bis ovalen Körper, welche in grösserer oder
geringerer Häufigkeit im Plasma zahlreicher Heliozo@n angetroffen und
wohl mit Recht als Chlorophylikörner beansprucht werden. Es gibt
eine ganze Anzahl von Formen, bei welchen solche Chlorophylikörner
nahezu constant vorhanden sind, obgleich sie, wie dies uns auch von
anderen Protozo@ön bekannt ist, keineswegs als Artcharakter geltend
gemacht werden dürfen, sondern gelegentlich vollständig vermisst werden.
So ist hier zunächst das Actinosphaerium Eichhornii anzuführen,
das häufig in einer ganz grün gefärbten Varietät vorkommt, welche
ihre grüne Färbung eben der Anhäufung zahlreicher Chlorophylikörner
im Entosark verdankt*). Umgekehrt scheint nun bei den übrigen chloro-
phyliführenden Heliozo@ön mit differenzirtem Ectosark, letzteres der Sitz
der Chlorophylikörner zu sein; es ist dies wenigstens mit Sicherheit er-
wiesen für die gewöhnlich chlorophylihaltigen Acanthocystisarten und
wohl auch die Heterophrys myriopoda Arch., während bei anderen, ähn-
lich ehlorophyllreichen Formen, wie der Raphidiophrys viridis, dem Chon-
dropus viridis Greeff und dem Sphaerastrum Fockii Arch. das Lage-
rungsverhältniss der Chlorophylikörner nicht sicher bekannt ist. — Zu-
weilen werden neben solchen Chlorophylikörnern auch ähnlich ge-
staltete und in der Grösse mit ihnen übereinstimmende, blasse, farblose
Körner angetroffen, so hauptsächlich bei Acanthocystis turfacea; und bei
der farblosen Varietät dieser Form scheinen derartige Körner allein vor-
handen zu sein. Auch die mattglänzenden Körner der farblosen Raphi_
diophrys pallida glaubt F. E. Schulze als Vertreter der Chlorophylikörner
der chlorophyliführenden Arten beanspruchen zu dürfen. Ein solcher
Zusammenhang der farblosen und grüngefärbten Körner scheint überhaupt
nicht unwahrscheinlich, wenn man sich erinnert, dass ja die Chlorophyll-
körner der Pflanzen eine farblose, eiweissartige Grundsubstanz be-
sitzen und wir von andern cehlorophyliführenden Protozo@n (so Ciliaten)
gleichfalls mit Sicherheit wissen, dass die grünen Körner zuweilen durch
blasse, ungefärbte vertreten sein können. Innerhalb der Chloropbylikörner
sind zuweilen einige körnige Einschlüsse zu beobachten und nach der
Angabe einiger Forscher, so Greefl’s und A. Schneider’s, soll ihnen auch
eine Membran zukommen; letzterer will sogar einen Kern sammt Kern-
körper in ihnen beobachtet haben. Greeff bezeichnet sie daher zuweilen
auch als grüne, feste Kapseln (so bei Chondropus viridis) und Schneider
als Bläschen. Vereinzelt steht bis jetzt die nicht unwahrscheinliche
Angabe Greeff’s, welcher bei Acanthocystis turfacea eine Vermehrung
#) Archer will auch eine chlorophyliführende Varietät von Actinophrys beobachtet haben ;
jedoch scheint es mir nach den weiterhin noch angegebenen Eigenthümlichkeiten dieser Varie-
tät, dass hier eine Verwechslung mit Actinosphaerium vorliegt.
280 Heliozoa.
der Chlorophylikörner durch Zwei- und Dreitheilung beobachtet
haben will.
Nach diesen Bemerkungen wird es nicht unverständlich erscheinen, dass die Chlorophyll-
körner der Heliozoa verschiedenen Missdeutungen ausgesetzt waren und dass sie im Speciellen
mehrfach den gelben Zellen der Radiolarien an die Seite gestellt wurden; namentlich Schneider,
der ja die Chlorophyllkörner für echte Zellen hält, hat ihre Gleichwerthigkeit mit den gelben
Zellen der Radiolarien zu vertheidigen gesucht.
Was die Bedeutung der Chlorophylikörner betrifft, so erhebt sich die Frage, die wir
uns schon bei ähnlichem Verhalten gewisser Rhizopoden vorlegen mussten: sind dieselben
Erzeugnisse des Heliozoönkörpers selbst, oder stammen sie nur von der aufgenommenen, chloro-
phylihaltigen Nahrung her? Letztere Auffassung scheint im allgemeinen die von Hertwig und
Lesser zu sein, wogegen sich jedoch Archer, wenigstens für diejenigen Formen, welchen die-
selben gewöhnlich als charakteristische und häufige Bestandtheile zukommen, mit Recht erklärt.
Auch Greeff, der, wie oben bemerkt, die selbstständige Vermehrung solcher Chlorophyllkörner
beobachtet haben will, wird ohne Zweifel letzterer Ansicht sein. Weiterhin dürfte dieselbe
auch wegen des muthmaasslichen Zusammenhangs der grünen Körner mit den oben erwähnten
hlassen, und fernerhin wegen der gewöhnlich, wie es scheint, nicht zu beobachtenden weiteren
Umwandlungsprodukte derselben durch die Verdauung, viel mehr Wahrscheinlichkeit für sich
haben. Wenn auch natürlich nicht in Abrede gestellt werden kann, dass sich bei zahl-
reichen Heliozoön als Nahrung aufgenommene Chlorophylikörner finden, so wird doch an der
endogenen Natur des Chlorophylis bei einer Anzahl der oben erwähnten Formen festgehalten
werden müssen (so hauptsächlich bei der grünen Varietät des Aglingenhaerinm, bei Acantho-
cystis turfacea und Raphidiophrys viridis).
Aber auch anderweitige gefärbte Körner oder grössere derartige
Kugeln sind im Heliozo@norganismus nicht selten anzutreffen und ihre
Natur ist im allgemeinen noch sehr wenig genau erforscht. Zum Theil
werden sie als fettartige Körper, hauptsächlich die gelbgefärbten, bean-
sprucht, z. Th. fehlt jedoch bis jetzt jede genauere Untersuchung ihrer
chemischen Natur. Auch ist ihre Herkunft in gleicher Weise unsicher;
jedoch dürfte ihre mehr oder minder direete Ableitung von der auf-
genommenen Nahrung grosse Wahrscheinlichkeit haben. Hinsichtlich
ihrer Färbung zeigen diese Körper so ziemlich alle Uebergänge von Gelb
bis zu intensivstem Roth und andererseits auch Braun.
Gelbe kuglige Körper, von wahrscheinlich fettartiger Natur, finden sich häufig bei Acantho-
cystis, mit oder ohne Chlorophylikörner, vor. Bei der Elaeorhanis Greeff’s und dem sogen,
Astrodisculus flavo-capsulatus findet sich ein solch gelber bis bräunlicher, ansehnlicher, kugliger
Körper im Centrum des ganzen Organismus; bei der ersteren Form bezeichnet ihn Greeff als
öltropfenartiges Gebilde, bei der letztern hingegen hat er ihn früher sogar als Homologon der
Centralkapsel der Radiolarien beansprucht, und in ähnlicher Weise auch die intensiv rothe
Centralkugel seines Astrodisculus ruber*) gedeutet. Neben dieser ansehnlichen, rothen Central-
kugel weist diese Form jedoch auch noch zahlreiche kleine, rothe Pigmentkörnchen auf. Röth-
liche bis bräunliche Körperchen erfüllen auch das Protoplasma der Pompholyxophrys punicea,
das Ectosark der Pinacocystis, den Astrococcus rufus Greeff’s und das Entosark (?) der Pina-
ciophora. In spärlicherem Vorkommen sind derartige Farbstoffkörnchen jedoch auch bei andern
Formen bald hier, bald da zu treffen.
Endlich sind es noch die Zellkerne, welche als hochwichtige
Bestandtheile des Heliozoönkörpers unsere Aufmerksamkeit ganz be-
sonders in Anspruch nehmen müssen. In vieler Hinsicht treffen wir hier
*) = Pompholyxophrys exigua? Hertw. u. Less.
Bau des Weichkörpers (Körnige Einschlüsse, Zellkerne). >81
ganz ähnliche Verhältnisse, wie sie uns schon bei den Rhizopoden be-
gegneten, sowohl in Bezug auf Vorkommen der Kerne überhaupt, ihre
Zahl, wie ihren Bau. Wie bei den Rhizopoden haben wir auch hier eine
Anzahl von Formen zu verzeichnen, welchen die Anwesenheit der Kerne
überhaupt abgesprochen wird und welche daher häufig in die Abtheilung
der Häckel’schen Moneren verwiesen werden.
Namentlich sind solche Formen unter den Skeletlosen aufgeführt worden. So wurden
bisher die Kerne vermisst bei der Arachnula Cienk., bei den meisten Formen der Gattung
Vampyrella, die daher auch gewöhnlich als ein Hauptvertreter der Moneren angesehen wird;
während bei eiuer wohl unzweifelhaft hierhergehörigen Form (der sogen. Leptophrys elegans
H. u. L.) Hertwig und Lesser die Anwesenheit von Kernen erwiesen haben, diese Forscher
sich jedoch -auch hinsichtlich der Kernlosigkeit der übrigen Vampyrellen mit grosser Vor-
sicht ausdrücken. Weiterhin werden dann als Monerenformen noch aufgeführt das Myxastrum
Häckels und die neuerdings von Aim. Schneider beschriebene Monobia, während von Litho-
colla F. E. Sch. und Elaeorhanis Greeff dieser Punkt nicht mit Sicherheit entschieden ist.
Bei allen genauer untersuchten, skeletführenden Heliozo@n hat sich
das Vorhandensein eines Kernes eonstatiren lassen, so dass ich nach vor-
stehender Uebersicht wohl zu dem Ausspruch berechtigt zu sein glaube,
dass das Vorkommen kernloser Formen bis jetzt mit Sicherheit unter den
Heliozo@n nicht erwiesen ist, da die Fälle, in denen der Kern bis jetzt
vermisst wurde, entweder solche sind, die seiner Beobachtung überhaupt
sehr grosse Schwierigkeit in den Weg stellen, oder bei denen die modernen
Hülfsmittel der Kernnachweisung, hauptsächlich die Färbemittel, noch
keine ausreichende Verwendung gefunden haben,
Ueberschauen wir nun zunächst die Zahlenverhältnisse, in welchen
die Kerne sich bei den verschiedenen Heliozoön finden, so treffen wir
hier wieder ganz ähnliche Verhältnisse, wie bei den Rhizopoden. Einer
grossen Reihe von Formen kommt, soweit die Beobachtungen bis jetzt
reichen, fast stets ein einziger Kern zu; so gehören hierher von den
nackten Formen die Nuclearia simplex Cienk., Actinophrys und Actino-
lophus, ferner die skeletführenden durchaus, soweit bekannt. Dagegen
treffen wir aber unter den nackten eine Anzahl Formen, welche wenigstens
im erwachsenen Zustand durchaus eine Mehrzahl von Kernen aufweisen ;
hierher ist zu rechnen die Vampyrellaart, bei der es Hertwig und Lesser
gelang, die Kerne zu constatiren und die deren 3 zeigte; ferner die
Nuclearia delicatula Cienk., welche nach den übereinstimmenden Angaben
der Beobachter stets eine grössere Anzahl von Nuclei (bis 5 und 6) be-
sitzt und weiter als besonders hervorstechendes Beispiel das Actinosphae-
rium, das in grossen Exemplaren ganz ungemein ansehnliche Kernmengen
in seinem Entosark einschliesst; so sind 100—200 Kerne hier gar nicht
ungewöhnlich und Carter will bei einem 0,85 Mm. Durchmesser zeigenden
Exemplar sogar 300—400 gezählt haben.
Wie die Zellkerne der Heliozoa überhaupt, man kann sagen, eigentlich bis zu den
Untersuchungen F. E. Schulze’s und Hertwig und Lesser's, vielfach verkannt wurden, so im
Speciellen die schon frühzeitig, zuerst durch Kölliker 1849, aufgefundenen des Actinosphaerium.
Die erste Beobachtung eines Heliozoönkernes darf wohl Nicolet (1848) zugeschrieben werden,
denn das von ihm beschriebene, centrale Ovarium der Actinophrys war sicherlich nichts
282 Heliozoa.
weiter wie der Nucleus. Stein beobachtete ihn 1854 wieder, kam jedoch über die morpho-
logische Auffassung dieses Gebildes auch zu keinem sicheren Anhalt, da es ihm „als eine
. kernhaltige Zelle erschien“.
Achnlich erging es auch den Nuclei von Actinosphaerium, deren Zellennatur schon
Kölliker für möglich hielt und die er auch mit der Fortpflanzung im Zusammenhang stehend
glaubte, eine Ansicht, welche späterhin noch bestimmter von Carter ausgesprochen wurde, der
die Kerne geradezu für Fortpflanzungszellen hielt. Auch M. Schultze und Häckel konnten
sich noch nicht von der Zellennatur dieser Kerne losmachen, dagegen haben denn Greeff und
späterhin F. E. Schulze, wie Hertwig und Lesser, ihre Kernnatur über jeden Zweifel sicher
gestellt.
Für Actinosphaerium ist durch neuere Beobachtungen nachgewiesen
worden, dass die hohe Zahl |der Kerne erwachsener Thiere allmählich,
von einem jugendlichen ein- oder wenigkernigen Zustand Mukunud,
dureh Vermehrung der Kerne erreicht wird.
Bei den skeletführenden Formen ist bis jetzt nur sehr wenig von
mehrkernigen Zuständen bekannt geworden, jedoch hat R. Hertwig bei
Acanthoeystis häufig zweikernige Exemplare getroffen, F. E. Schulze selten
ähnliche Verhältnisse bei Raphidiophrys pallida, während Archer bei Rh.
viridis gelegentlich auch mehrere Kerne gefunden hat. Fügen wir hierzu
noch die zeitweilige Beobachtung zweier Kerne bei Actinolophus durch
F. E. Schulze und Hertwig, so finden wir, dass mehrkernige Zustände
auch bei den gewöhnlich einkernigen Formen der Heliozo@ön nicht durch-
aus fehlen. Ob jedoch aus der Anwesenheit mehrerer Kerne ein directer
Schluss auf bevorstehende Vermehrung durch Theilung gezogen werden
darf, wie dies natürlich auch hier geschehen ist, müssen wir, ebenso
wie bei den Rhizopoden, als sehr fraglich und die Bedeutung der Mehr-
kernigkeit auch hier noch als unsicher bezeichnen.
Die Lagerung der Kerne im Heliozo@norganismus ist z. Th. eine
recht charakteristische. Bei den Formen ohne deutlich differenzirtes Ecto-
und Entosark tritt zwar eine bestimmte Lagerung nicht hervor, dagegen
sind bei den höher Entwickelten die Nuclei durchaus dem Entosark ein-
gefügt. In letzterem Fall besitzt der einfache Kern z. Th. eine genau
centrale Lage, so dass also durch seine Lagerung die homaxone Bil-
dung des ganzen Organismus noch deutlicher hervorgehoben wird (XIV.
7a—b, n). Mit Sicherheit darf dieses Verhalten für Actinophrys angegeben
werden, doch scheint auch noch einigen weiteren Formen, wie z. B.
Pompholyxophrys, Hedriocystis und wohl auch Clathrulina dieselbe Kern-
lage eigenthümlich zu sein. Häufiger hingegen treffen wir excentrische
Lage des oder der Kerne und scheint dies zunächst mit der, wie ge-
schildert, häufig etwas excentrischen Einlagerung des Entosarks im Zu-
sammenhang zu stehen. Ausgezeichnete Beispiele für letzteres Verhalten
bieten uns die Gattungen Acanthocystis (XVI. 7a-—b, n), Raphidiophrys
(XVI. 2, n) und Actinolophus (XIV. 6a, n) dar; der Kern ist hier, wie
es scheint, stets sehr weit vom Centrum abgerückt, so dass er sich
dicht unterhalb der äusseren Oberfläche vorfindet. Wie späterhin, bei
Besprechung der Pseudopodien noch genauer zu erörtern sein wird, steht
gen
Bau des Weichkörpers (Zellkerne). 285
jedoch diese excentrische Verlagerung des Kernes bei den erwähnten
Formen noch mit einer besonderen Organisationseinrichtung im Zusammen-
hang, welche im Centrum dieser Heliozoön ihren Sitz hat und wodurch es
verständlich wird, dass hier eine centrale Lage des Kernes gar nicht
möglich ist.‘ Auch bei dem durch seine grosse Kernzahl ausgezeich-
neten Actinosphaerium findet sich eine excentrische Lagerung der Nu-
clei, indem sie in der peripherischen Region des Entosarks angehäuft
sind, wogegen dessen centrale Partie kernfrei bleibt.
Was die specielle Bauweise der Heliozo@nnuclei betrifft, so finden
wir auch hierin wieder die nächsten Beziehungen zu den Rhizopoden. Am
genauesten in dieser Hinsicht sind wohl die Kerne des Actinosphaerium
und der Actinophrys bekannt. Diese kugelrunden oder ellipsoidischen Kerne
zeigen stets, wie dies für die Heliozo@n überhaupt gültig erscheint, den
sogen. bläschenförmigen Bau, d. h. eine äussere Rindenschicht (auch
häufig als Kernmembran bezeichnet) umschliesst einen mit heller Masse
(wahrscheinlich Flüssigkeit) erfüllten Raum, der ein oder zuweilen auch
mehrere, stets jedoch ziemlich ansehnliche Kernkörperchen enthält. Im
lebenden Zustand erscheinen sowohl die Rindenschicht wie das Kern-
körperehen ziemlich homogen, wogegen sie nach Behandlung mit ver-
diinnter Essigsäure oder anderen coagulirenden Reagentien eine mehr oder
minder grobgranulirte bis bröcklige Beschaffenheit annehmen. Während
nun die meisten Heliozoönkerne gewöhnlich nur einen solchen Nucleolus
erkennen lassen, bieten die Kerne von Actinosphaerium recht häufig, wie
dies schon von M. Schultze beobachtet und späterhin von Greeff,
F. E. Schulze, sowie Hertwig-Lesser bestätigt worden ist, mehrere,
nach M. Schultze bis zu 20, Kernkörperchen dar (XIV. 8a—b). Bis jetzt
wurde jedoch über die Bedeutung dieses verschiedenen Verhaltens mit
Sicherheit noch nichts ermittelt. Einige weitere Eigenthümlichkeiten
dieser Actinosphaeriumkerne habe ich*) noch angedeutet; zunächst sieht
man häufig recht deutlich zahlreiche zarte, plasmatische Fäden in radialer
Richtung von dem oder den Kernkörperchen nach der Kernrinde aus-
strahlen (XIV. 8a) und weiterhin wurde es mir sehr wahrscheinlich, dass
diese Kernrinde nochmals von einer sehr zarten Membran umschlossen
wird, die eigentlich den Namen Kernmembran zu erhalten hätte. Auch
Grenacher glaubt sich am Kern der Actinophrys, der in allen wesent-
lichen Eigenthümlichkeiten mit den eben etwas genauer betrachteten des
Actinosphaerium übereinstimmt (XIV. 7a—b, n), von der Gegenwart
einer solchen Membran überzeugt zu haben, wogegen Hertwig und Lesser
dieselbe nicht aufzufinden vermochten.
Die feinere Bauweise der bläschenförmigen Kerne der übrigen Heliozoön ist im Ganzen
bis jetzt noch wenig genau bekannt; gewöhnlich ist nur der häufig recht ansehnliche Nucleolus
mit der ihn umschliessenden Flüssigkeitshöhle erkannt worden, wogegen genauere Beobach-
tungen über die Rindenschicht und Kernmembran bis jetzt fehlen.
*) Studien über die ersten Entwickelungsvorg. etc. p. 67. Abh. d, Senckenb. naturf.
Gesellsch, Bd. X. 1876.
284 Heliozoa.
Zum Beschluss unserer Betrachtung der Kernverhältnisse der Heliozoa
werfen wir noch einen Blick auf die wenigen Erfahrungen, welche bis jetzt
über die Vorgänge der Kernvermehrung vorliegen. Obgleich in dem
an Kernen so reichen Actinosphaerium, von dem es erwiesen ist, dass
die Zahl seiner Kerne sich, vom einkernigen Zustand ausgehend, mit zu-
nehmender Grösse successive vermehrt, ein sehr geeignetes Objekt für
das Studium der Kernvermehrung vorzuliegen scheint, ist es bis jetzt bei
dieser Form doch nicht geglückt, den Process der Kernvermehrung zu
erforschen.
Die einzigen Beobachtungen über diesen Vorgang wurden von
F. E. Schulze bei Actinolophus und von R. Hertwig bei Acanthocystis
angestellt. Beide Forscher schildern denselben ganz nach dem für
die Kerntheilung früher allgemein acceptirten Schema. Der Kern sammt
Kernkörperchen streckt sich etwas bandförmig in die Länge, schliesslich
wird das langgestreckte Kernkörperchen nach F. E. Schulze bisquitförmig
und zerfällt, noch vor der eigentlichen Kerntheilung, in zwei gesonderte
Nucleoli, um die sich je ein heller Hof bildet (Kernsaft plus Kernmem-
bran); schliesslich rücken 'die beiden neugebildeten Kerne auseinander.
Nach R. Hertwig’s Angaben scheint jedoch bei Acanthocystis die
Durchschnürung des eigentlichen Kernes und des Kernkörperchens mehr
gleichzeitig zu erfolgen, ohne dass vorher zwei gesonderte Kernkörper
gebildet worden wären.
4. Die Pseudopodien, die Nahrungsaufnahme, sowie die Bewegungs-
erscheinungen der Heliozoa.
Die allgemeinen Bildungs- und Anordnungsverhältnisse der Pseudo-
podien der Heliozoön waren schon, bei der Vorbesprechung der allge-
meinen morphologischen Bildung dieser Gruppe, Gegenstand unserer
Betrachtung; es zeigen sich aber bei etwas näherem Eingehen auf die
vorliegenden Verhältnisse doch so manche Verschiedenheiten und inter-
essanten Differenzirungen, dass wir noch etwas genauer auf die spe-
ciellen Einrichtungen Rücksicht nehmen müssen.
Charakteristisch sind, wie schon mehrfach bemerkt, für unsere Gruppe
die strahlenförmigen, feinen und meist einen relativ starren Eindruck
machenden Pseudopodien; jedoch finden sich, wenn auch selten, und
z. Th. nur unter gewissen Bedingungen, einige wenige Ausnahmen von
dieser Regel. So entwickelt die Vampyrella Spyrogyrae, wie schon
Cienkowsky beobachtet hat, und Hertwig und Lesser bestätigten,
neben den gewöhnlichen, fadenförmigen, spitzen Pseudopodien zuweilen
einzelne, breitere, stumpf-lappige und hyaline Fortsätze, die rasch
hervortreten und wieder verschwinden. Bei anderen Heliozoön scheint
sich eine regelmässige Entwickelung solcher stumpfer Pseudopodien-
fortsätze kaum zu finden, oder doch nur unter gewissen Verhältnissen
Bau des Weichkörpers (Zellkerne, Pseudopodien). 285
einzutreten. Doch: konnte Greefl' (33) ziemlich häufig bei Acanthoeystis
turfacea (vorzugsweise bei jugendlichen Exemplaren) an wechselnden
Stellen der Körperoberfläche das Hervorbrechen breiter, stumpfer, amöboid
beweglicher Plasmafortsätze beobachten. Dieselben waren gewöhnlich
fingerförmig zertheilt und drängten bei ihrem Hervortreten die Skelet-
hülle auseinander, so dass eine mehr oder minder weite Lücke in der-
selben entstand.
Wie bei Besprechung der Nahrungsaufnahme weiter unten noch
genauer zu erörtern sein wird, scheint hierbei (wenigstens bei Actinophrys)
ein stumpfer, lappiger, wie ein Pseudopodium sich erhebender Fortsatz
eine wichtige Rolle zu spielen und nach Claparede’s wie Weston’s Beob-
achtungen scheint es, dass sich solche stumpfe Fortsätze gelegentlich
auch vorübergehend, ohne dass es zur Nahrungsaufnahme käme, entwickeln
können.
Weiterhin kommen eigenthümliche, von der Bildung der gewöhnlichen
sehr abweichende Pseudopodien auch während eines gewissen Lebens-
stadiums des Actinosphaerium vor, wovon wir erst durch A. Brandt in
neuester Zeit Nachricht erhalten haben (44, 45). Vor dem Uebergang in
den encystirten Zustand nämlich, bevor noch die strahligen Pseudopodien -
völlig eingezogen worden sind, nimmt das Actinosphaerium vorübergehend
einen eigenthümlichen, amöboiden Zustand an, indem es kurze bis längere
zipfelartige, sehr fein zugespitzte und z. Th. mehrfach gegabelte Pseudo-
podien ausstreckt, mit deren Hülfe es sich langsam kriechend fortbewegt.
Dieser amöboide Zustand ist jedoch von relativ kurzer Dauer, schon.
nach höchstens 24 Stunden vergeht er und es tritt die eigentliche En-
eystirung ein.
Ein soleh amöboider Zustand ist nun, wie wir schon früher hervor-
zuheben Gelegenheit hatten, bei einem Theil der von uns zu den Helio-
zo@n gezogenen, nackten Sarkodinen noch während des grösseren Theils
des Lebens dauernd erhalten: so bei Arachnula, Nuclearia und Vampy-
rella. Zwar werden hier, mit Ausnahme der schon erwähnten Vampyrella,
nur feine fadenartige Pseudopodien entwickelt, dagegen ist der ganze
Weichkörper ziemlich lebhaft amöboid gestaltsveränderlich und die Orts-
bewegung erfolgt durch Hinströmen in der uns von früher her bekannten
Art der Amöben. Dabei wird denn entweder eine einfach längsgestreckte
Gestalt angenommen (XIII. 11a), oder es ziebt sich der Körper auch in
mehrere nach verschiedenen Richtungen sich erstreckende Lappen aus,
während er zu andern Zeiten eine abgerundete, der typischen Heliozoön-
form sich näher anschliessende Gestaltung annimmt.
Auch hinsichtlich der Vertheilung der Pseudopodien über die Körper-
oberfläche zeigen die eben erwähnten, von den typischen Heliozoön am
meisten abweichenden Formen, noch nicht die charakteristischen Verhält-
‚nisse der letzteren, indem die Pseudopodien hier zuweilen nicht allseitig
von der Körperoberfläche hervortreten, sondern nur auf einem Theil
286 Heliozoa.
derselben entwickelt sind, namentlich randlich oder von den Enden der
Lappen, in welche der Weichkörper, wie erwähnt, gelegentlich ausgezogen
ist. Auch hinsichtlich ihrer Gestaltung zeigen die Pseudopodien dieser
Gattungen noch eine mehr an die Rhizopoden erinnernde Beschaffenheit,
indem sie recht häufig noch zwei- bis dreifach spitzwinklig gegabelt
auslaufen, ohne dass jedoch gewöhnlich die benachbarten Pseudopodien
durch Verschmelzung zur Bildung von Netzen Veranlassung geben würden.
Doch herrscht auch bei den typischen Heliozo@ön noch eine gewisse
Freiheit in der Pseudopodiengestaltung, so dass sich mancherlei Ab-
weichungen von der einfachen, regulären Strahlen- oder Fadengestalt auch
hier aufführen lassen.
Was die Bildung der Pseudopodien letztrer Formen anlangt, so ist
zunächst der Unterschied in der Gestaltung hervorzuheben, die etwa von
einer sehr langgestreckt kegel- oder stachelartigen Form, wie sie sich bei
Actinosphaerium findet (XV. 1b), bis zur Ausbildung äusserst feiner, zar-
ter, fadenförmiger Bildung hinführt. Hinsichtlich ihrer Längenverhältnisse
zeigen sie ziemliche Verschiedenheiten; relativ kurz bleiben sie bei Actino-
sphaerium (etwa den halben bis den gesammten Durchmesser erreichend) ;
ähnlich kurz sind sie auch bei Pompholyxophrys (XV.4, und den wenigstens
z. Th. wohl hiermit identischen Astrodiseulusformen Greeff’s), sind jedoch
hier gleichzeitig sehr fein und zart und in sehr spärlicher Zahl über die
Körperoberfläche vertheilt*). Eine ansehnlichere Länge erreichen die
Pseudopodien schon bei Actinophrys (XIV. 7a), wo sie gewöhnlich den
Durchmesser des Körpers an Länge übertreffen, noch länger jedoch, bis
zu dem zwei- und dreifachen (ja auch noch mehr) des Körperdurch-
messers, werden sie bei Acanthocystis (XVI. 6a), Raphidiophrys (XVI. 2),
Pinacoeystis (XVI. 4), Pinaciophora, Actinolophus (XIV. 6a), Clathrulina
(XVI. 1a) und anderen; jedoch kann in einer und derselben Gattung
bei verschiedenen Arten die Pseudopodienlänge ziemliche Schwankungen
aufweisen. Wie oben schon angedeutet, ist jedoch auch die Zahl der der
Körperoberfläche entspringenden Pseudopodien recht beträchtlichen Ver-
schiedenheiten unterworfen und scheint im Allgemeinen als Regel auf-
gestellt werden zu können, dass die Pseudopodienzahl mit der Grössen-
zunahme der Formen wächst.
Wichtiger als die eben hervorgehobenen Unterschiede erscheint je-
doch die eigenthümliche innere Differenzirung, welche bei den höheren
Heliozoön zur Bildung eines unter dem Namen des Axenfadens bekannten
Stützapparates des Pseudopodiums geführt hat. Wie weit eine solche
Einrichtung durch die Reihe der Heliozoön verbreitet ist, lässt sich heute
noch nicht.mit Sicherheit ermessen, da die Schwierigkeiten der Beobach-
tung solch feiner Verhältnisse sehr gross sind. Unzweifelhaft erwiesen
ist ihr Vorhandensein bei den Gattungen Actinophrys, Actinosphaerium,
*) Aehnlich verhalten sich auch Chondropus und Astrococcus Greeff, von welchen der
letztere wenigstens kaum hinreichend von Astrodisculus unterschieden zu sein scheint.
Bau des Weichkörpers (Pseudopodien, Axenfäden derselben). 387
Actinolophus, Acanthoeystis und Raphidiophrys; zweifelhaft hingegen, ja
wenig wahrscheinlich, ist sie bei Clathrulina, wo Greeff die Differenzirung
der Pseudopodien in Axenfaden und Rindenschicht behauptet, während
Hertwig und Lesser dieselbe in Abrede stellen.
Am besten zu beobachten sind diese Verhältnisse bei dem grossen
Actinosphaerium, wo sie auch zuerst durch M. Schultze 1863 (20) und
kurze Zeit darauf von Carter (21) aufgefunden worden sind. Man sieht
hier sehr deutlich durch die Axe des ziemlich dieken Pseudopodiums
einen homogenen, etwas dunkleren Faden hinziehen, der sich deutlich
von der körnigen Pseudopodien-Rindenschicht unterscheidet (XV. 1b, ax)
und welcher sich nicht nur durch das ganze Pseudopodium, sondern auch
noch durch die protoplasmatische Masse des Ectosarks, in die Scheide-
wände zwischen den Vacuolen eingesenkt, bis zur Grenze des Entosarks,
Ja z. Th. aach noch ein Stück weit in dieses hinein, verfolgen lässt.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Axenfäden thatsächlich
eine Art elastischer Stützorgane der relativ starren Pseudopodien dar-
stellen, jedoch gewiss nicht Skeletgebilden direct verglichen werden
dürfen. Sie bestehen aus organischer Substanz, welche sich bei dem Hervor-
strecken eines Pseudopodiums aus dem sich erhebenden Protoplasma
des Ectosarks direet differenzirt oder ausscheidet, wie dies von Brandt
(45) bei der Neubildung der Pseudopodien beobachtet wurde. Hier-
bei sieht man zunächst einen ziemlich breiten, kegelförmigen Proto-
plasmafortsatz als Anlage des künftigen Pseudopodiums sich erheben, in
dessen Axe sich allmählich die erste Spur des Axenfadens als feines,
nadelartiges Gebilde zeigt.
Andererseits kann jedoch auch bei der Zurückziehung des Pseudo-
podiums der Axenfaden wieder völlig rückgebildet, d. h. in dem Körper-
protoplasma aufgelöst werden, was jedenfalls bei der gänzlichen Ein-
ziehung der Pseudopodien vor Beginn der Eneystirung geschieht, jedoch
auch bei sonstiger Rückziehung der Pseudopodien einzutreten scheint,
wenngleich es nicht völlig sichergestellt ist, ob hierbei nicht z. Th. auch
nur eine Zurückziehung des Axenfadens, ohne Auflösung, stattfindet.
Brandt, der diese Verhältnisse einer genaueren Untersuchung unterzog, will beobachtet
haben, dass namentlich das Ectosark eine besondere Lösungsfähigkeit für die Axenfäden be-
sitze und dass die Wiederlöslichkeit der Axenfäden eine sehr verschiedene sein könne, indem
die erst kürzlich gebildeten noch eine grosse, die schon vor längerer Zeit entstandenen hin-
gegen nur eine geringe Wiederlöslichkeit besässen. Den Grund hierfür sucht er in der eigen-
thümlichen chemischen Beschaffenheit dieser Gebilde; während nämlich nach ihm die neu-
gebildeten Axenfäden aus reinem Vitellin bestehen, soll sich diesem späterhin noch eine
andere organische Substanz beimischen, welche wohl die geringere Löslichkeit der älteren Axen-
fäden veranlasse. Weiterhin haben jedoch Brandt seine Untersuchungen der Axenfäden noch
gelehrt, dass dieselben, namentlich im jugendlichen Zustand, mit einander verschmelzen können,
wodurch also eine noch flüssige oder doch plastische Beschaffenheit derselben angezeigt wird.
Andererseits liess sich jedoch auch selbstthätige Contraktion derselben manchmal nachweisen,
wobei sie entweder in toto sich verkürzten und entsprechend verdickten oder auch lokale,
spindel- bis knotenförmige Anschwellungen zeigten.
288 Heliozoa.
Viel grössere Schwierigkeiten bietet die Beobachtung der Axenfäden
bei den übrigen genannten Heliozo@ngattungen; was einmal daher rührt,
dass bei der grösseren Feinheit der Pseudopodien die Verhältnisse über-
haupt viel schwieriger zu eruiren sind, andererseits jedoch auch wohl
damit zusammenhängt, dass hier die aus dünnflüssigerem Eetoplasma ge-
bildete Rindenschicht der Pseudopodien eine viel geringere Dicke besitzt
und daher schwieriger von dem Axenfaden unterschieden werden kann.
Es sind daher vorzüglich die in den Weichkörper selbst eintretenden Enden
der Axenfäden, welche hier zur Wahrnehmung gekommen sind und deren
Verhalten z. Th. ein sehr eigenthümliches und von dem bei Actinosphae-
rium gefundenen, abweichendes ist. Bei letzterer Form sind, wie bemerkt,
die Axenfäden bis an die Grenze oder bis in die äusserste Region des
Entosarks zu verfolgen, indem sie allmählich an Dicke zunehmen; hier
jedoch enden sie und zwar mit keilförmig abgestutzten Enden, wie zuerst
von Greeff nachgewiesen wurde.
Von diesem eben geschilderten Verhalten weichen, wie bemerkt, die
übrigen Heliozo@n, bei welchen Axenfäden mit Sicherheit erkannt worden
sind, in sehr bemerkenswerther und interessanter Weise ab. Hier näm-
lich, bei Actinophrys, Acanthoeystis, Rapbidiophrys und Actinolophus
lassen sich die Axenfäden viel weiter in die centralen Partien des Kör-
pers und, wo ein Entosark entwickelt, in dieses verfolgen, ja sie treten,
mit Ausnahme von Actinophrys, bis zu dem Centrum selbst heran und
vereinigen sich hier zusammenfliessend in eigenthümlicher Art. Bei Actino-
phrys haben sich bis jetzt die verschiedenen Forscher noch nicht völlig
über das centrale Verhalten der Axenfäden geeinigt. Grenacher (29), der
dieselben zuerst entdeckte, gibt an, sie bis zu der Oberfläche des central
gelegenen Kerns verfolgt zu haben und ich kann, nach eigenen Unter-
suchungen dieses Verhalten bestätigen. Greeff (35) will sie sogar in die
vermeintliche Centralkapsel (ohne Zweifel den Kern) eintreten und in
deren Centrum sich vereinigen gesehen haben. Von solch tiefem Ein-
dringen der Axenfäden konnten sich jedoch Hertwig und Lesser nicht
überzeugen, dagegen glaubt Hertwig (43) durch neue Untersuchungen
gefunden zu haben, dass die Axenfäden in einiger Entfernung vom Kern
mit rundlichen Auschwellungen endigen, sich jedoch jedenfalls nicht bis
zum Centrum erstrecken. Wie schon oben gesagt, muss ich die Grenacher’-
sche Darstellung, nach eigner Erfahrung, für die richtige halten. Bei den
drei anderen, oben genannten Gattungen hat sich dagegen das Verhalten
der Axenfäden im Innern des Heliozoönkörpers durch die Bemühungen
von Grenacher, Greeff, F. E. Schulze und Hertwig allmählich recht sicher
ermitteln lassen. Hier steht einer centralen Vereinigung derselben kein
Hinderniss im Wege, indem der Kern, wie früherhin geschildert wurde,
eine excentrische Lage besitzt. Es lassen sich denn auch die Axenfäden
bis zu dem im Entosark gelegenen Centrum des Körpers verfolgen, wo
sie sich mit einem hier befindlichen, dunklen, kleinen und in Car-
min sich lebhaft färbenden Körperechen vereinigen (XVI. 2, 7a).
Pseudopodien (Körnchenströmung etc.). 989
Dieses Verhalten ist für Acanthocystis, Raphidiophrys und Actinolophus durch F. E.
Schulze und Hertwig erwiesen worden, wovon die Beobachtungen Grenacher’s, der zuerst die
centrale Vereinigung der Axenfäden bei Acanthocystis sah (31) und die Greeff’s (40) bei der-
selben Gattung etwas abweichen. Letzterer gibt auch für diese Form an, die Axenfäden bis
in das Innere der von ihm beschriebenen, sogen. Centralkapsel, welche nach Beschreibung und
Abbildung ohne Zweifel der Nucleus der übrigen Autoren ist, verfolgt zu haben, ja er sah
sie auch noch in den Nucleolus eintreten und in diesem an einer central gelegenen, hellen,
bläschenartigen Höhlung endigen (XVI. 6a). Ein Zweifel an der Identität der von Greeff be-
schriebenen sogen. Centralkapsel mit dem Nucleus dürfte kaum gerechtfertigt sein, so dass
sich vorerst die abweichende Darstellung dieses Forschers wohl nur in der Weise mit der der
obengenannten Autoren ins Einvernehmen setzen lässt, dass Greefl sich durch eine Ueberein-
anderlagerung des Nucleus und des centralen Ausstrahlungspuuktes der Axenfäden täuschen
liess. Jedoch sind Greeff’s Angaben, bezüglich dieser Verhältnisse, so bestimmt gehalten und
auf den Abbildungen seiner vermeintlichen Centralkapsel tritt die Axenfädenstrahlung so deut-
lich hervor, dass eine nochmalige genaue Aufklärung dieses Punktes durch erneute, exakte
Beobachtungen sehr zu wünschen wäre.
Wie an den feinen Pseudopodien der Rhizopoden tritt auch an denen
der Heliozoön die sogen. Körnchenströmung mehr oder weniger deutlich
hervor. Da wir über das Wesen und die Erscheinung dieses Strömungs-
processes schon früherhin, bei Gelegenheit der Rhizopoda, genaueres mit-
getheilt haben, so können wir uns hier auf einige wenige Bemerkungen
rücksichtlich dieses Phänomens im Heliozoönorganismus beschränken.
Was zunächst den Körnchenreichthum der Pseudopodien oder der sogen.
Rindenschicht der höher differenzirten Pseudopodien angeht, so herrscht
in dieser Hinsicht ziemliche Mannigfaltigkeit; ob wirklich dauernd ganz
körnchenfreie Pseudopodien anzutreffen sind, wie sie Archer z. B. bei
Raphidiophrys viridis und dieser wie Hertwig und Lesser bei Pompho-
lyxophrys beschreiben, scheint mir fraglich. Im Allgemeinen ist die, von
Claparede bei Actinophrys zuerst aufgefundene, Körnchenströmung bei
den Heliozoön langsam, so namentlich bei Actinophrys und Actinosphae-
rium, jedoch finden sich auch Formen mit relativ ziemlich lebhafter Strö-
mung. So soll sie bei Acanthocystis beträchtlich lebhafter sein wie bei
Actinophrys, und weiterhin finden sich auch einige, wiewohl bis jetzt
nicht ausreichend bekannte Formen, welche sich durch sehr lebhafte Be-
wegungen der Pseudopodienkörnchen auszeichnen, wie Greeff solche bei
seinem Chondropus und Astrococcus beobachtet hat. Recht energisch scheint
sich ferner die Körnchenbewegung bei gewissen Vampyrellen (V.lateritia
Frs. — Spyrogyrae Cienk.) zu vollziehen, da hier nach Cienkowsky’s Schil-
derung, welche Hertwig und Lesser bestätigten, die Körnchen stossweise in
die Pseudopodien hineingeworfen werden und sich ebenso rasch wieder
zurückziehen. Dagegen treffen wir auch eine andere Form derselben
Gattung (V. pendula Cienk.), welcher die Körnchenbewegung ganz abgeht,
Schon bei früherer Gelegenheit wurde hervorgehoben, dass sich
auch bei den Heliozoön, wenngleich nicht häufig, Anastomosen und Ver-
schmelzungen benachbarter Pseudopodien zeigen, die aber kaum jemals
zur Bildung eines wahren Pseudopodiennetzes Veranlassung geben. Die
Bronn, Klassen des Thier-Reichs, Protozoa, 19
290 | Heliozoa.
Neigung zur Bildung solcher Verschmelzungen hängt bei den Heliozoön
wohl hauptsächlich von zwei Faktoren ab, nämlich einmal, bei der
strahligen Anordnung der Pseudopodien, von einer ziemlich dichten
Stellung derselben, wodurch die Möglichkeit gegeben wird, dass benach-
barte bei geringer Lageveränderung in Berührung gerathen, weiterhin
jedoch auch von einer gewissen, natürlichen Disposition des Plasmas zur
Verschmelzung. Gelegentliche Zusammenneigung und Verschmelzung
einiger benachbarter Pseudopodien sind daher bei Formen mit ziemlich dicht
gestellten Scheinfüsschen gerade keine Seltenheit; so wird derartiges be-
richtet von Actinophrys und Actinosphaerium, in reicherer Ausbildung
noch von Clathrulina und zuweilen auch Actinolophus.
Im Anschluss an die Besprechung der Pseudopodienverhältnisse
dürften weiterhin die Bewegungserscheinungen des Gesammtkörpers
unserer Organismen, soweit dieselben bis jetzt der Erforschung zu-
gänglich gewesen sind, und ebenso die Vorgänge bei der Nahrungsauf-
nahme, welche ja, wie zu erwarten, aufs innigste mit dem Verhalten der
Pseudopodien in Zusammenhang stehen, hier zur Sprache gebracht werden.
Ein Theil der Heliozoa schliesst sich, bezüglich der Bewegungs-
erscheinungen, noch ziemlich innig an die amöbenartigen Formen der
Rhizopoda an; es sind dies, wie schon aus früheren Schilderungen zur
Genüge hervorging, eben diejenigen einfachsten Formen, welche nach ihrem
ganzen Verhalten gewissermaassen Uebergangsstufen von den einfacheren
Rhizopoden zu den Heliozo@n darstellen. In soleher Weise verhalten sich
Arachnula, Vampyrella, Nuclearia und Monobia, die eine mehr oder
weniger energische, amöboide Kriechbewegung ihres Gesammtkörpers
zeigen, ohne dass jedoch hierdurch die Bildungsverhältnisse der feinen
Pseudopodien merklich beeinträchtigt würden.
Im Gegensatz zu den genannten Formen sind nun die Bewegungs-
erscheinungen der typischen Heliozo@n fast durchaus sehr wenig aus-
giebig und für gewöhnlich mit keinem oder doch nur einem sehr gering-
fügigen Gestaltswechsel verbunden. Uebereinstimmend wird von den ver-
schiedenen Beobachtern die Ortsbewegung dieser Formen als sehr
langsam beschrieben und nur als seltener Fall hiervon gelegentlich eine
Auspahme notirt, wie sie sich z. B. bei der Gattung Pompholyxophrys
Arch. findet, deren Angehörige sich durch relativ sehr energische Orts-
bewegung auszeichnen, in Folge deren der Körper „wie eine Kugel über
die Unterlage rollt“ (nach der Schilderung von Hertwig und Lesser),
Diese langsame Fortbewegung der meisten Heliozo@ön, welche sowohl beim
Ruhen auf einer Unterlage als im schwimmenden Zustand erfolgt, blieb
einer ganzen Reihe von Beobachtern, hinsichtlich ihrer Verursachung,
unverständlich, so dass zu ihrer Erklärung z. Th. Vorgänge zu Hülfe
gezogen wurden, welche wohl kaum in einem näheren Zusammenhang
mit diesen Bewegungsvorgängen stehen. So glaubte Stein sich die Be-
wegungen des Actinosphaeriums durch die heftigen Contractionen der con-
Bewegungserscheinungen. 291
traetilen Vacuole erklären zu können*), Dagegen haben andere Forscher,
so hauptsächlich Cobn (11), wie Claparede und Lachmann, die in Rede
stehende Fortbewegung auf einer Unterlage durch die Pseudopodien be-
werkstelligen lassen, die sich anheftend und verkürzend den Körper
weiter ziehen, ein Erklärungsversuch, der mir natürlicher erscheint.
Aehnlich sprechen sich auch Hertwig und Lesser aus, wenn auch
ihre Darstellung keineswegs ganz verständlich erscheint; nach ihnen
„balaneirt die Heliozo@ auf der Spitze der Pseudopodien und bewegt
sich mit Hülfe der Contractionen (?) derselben wie eine Kugel rotirend
vorwärts.‘
Schwieriger noch wie die Erklärung der Fortbewegung auf einer
Unterlage gestaltet sich die der freien Schwimmbewegungen, welche haupt-
sächlich bei Actinophrys und Actinosphaerium genauer untersucht worden
sind. Diese Schwimmbewegungen vollziehen sich zunächst wieder in ver-
schiedener Weise, einmal durch Aufsteigen und Niedersinken, weiterhin
jedoch auch durch seitliche Ortsveränderungen im schwimmenden Zustand.
Der erstgenannte Bewegungsvorgang wurde schon im vorigen Jahrhundert von
Pastor Eichhorn bei Actinosphaerium beobachtet und wahrscheinlich z. Th.
auch richtig erklärt (4). Es scheint wenigstens nach den neueren Unter-
suchungen von Brandt (45), dass Eichhorn und ähnlich späterhin Kölliker
und Perty insofern das Richtige getroffen haben, als sie die Herabsen-
kung schwimmender Thiere durch Zusammenziehung, also Volumsver-
minderung, ihres Leibes erklärten. Dass zwar das Actinosphaerium eine
Hohlkugel darstelle, wie sich Eichhorn dachte, haben die späteren For-
‚schungen nicht bestätigt und ebensowenig wird sich das Aufsteigen der
Thiere im Wasser durch eine Ausdehnung des Körpers erklären lassen,
da ja hierbei das specifische Gewicht nicht unter das des Wassers herab-
sinken kann. Dass jedoch, wie bemerkt, die Senkung thatsächlich auf
eine Körpereontraetion zurückzuführen ist, hat Brandt zunächst durch die
mittels Messung direet eonstatirte Volumsverminderung erwiesen, anderer-
seits hierfür jedoch auch das veränderte, milchweisse Aussehen der sin-
kenden Thiere namhaft gemacht, welches gleichfalls eine grössere Dichte
derselben anzeigt.
Ueber die Ursachen des Aufsteigens sind dagegen bis jetzt kaum
sichere Erfahrungen gemacht worden; zwar wurde von Ehrenberg (6)
behauptet, dass dasselbe von einer Luftaufnahme (Actinophrys) her-
rühre; es liesse sich daher vermuthen, dass hier in gleicher Weise,
wie bei gewissen Rhizopoden, eine innere Gasentwickelung als Ursache
des Aufsteigens vorhanden sei. Dem gegenüber muss aber hervor-
gehoben werden, dass bis jetzt von keinem Beobachter eine solche Gas-
entwickelung bei einem Heliozoon gefunden wurde und Brandt dieselbe
für Actinosphaerium ganz entschieden in Abrede stellt. Unter diesen Ver-
*) Ausgeschlossen ist hierdurch natürlich nicht, dass die heftigen Contractionen der
pulsirenden Vacuolen bei Actinophrys und Actinosphaerium ruckartige Erschütterungen des
Thierkörpers hervorrufen, was Leidy (50) neuerdings wieder mehrfach hervorhob.
39*
2923 Heliozoa.
=
hältnissen kam Br. zur Vermuthung, dass die Verringerung des specifischen
Gewichtes, welche zur Erklärung des Aufsteigens ja unbedingt erforder-
lich erscheint, wohl auf die reichliche Auflösung von Gas in der Vacuolen-
flüssigkeit zurückführbar sei, wodurch gleichfalls das specif. Gewicht des
Gesammtkörpers sich vermindere. Letzteres ist jedoch äusserst unwahrschein-
lich*). Mir scheint bis jetzt die Möglichkeit, dass auch bei den Heliozo@n
eine directe Gasentwickelung, ähnlich der gewisser Rhizopoden, die Ur-
sache des Aufsteigens sei, noch nicht hinreichend widerlegt, da ja die
Wahrscheinlichkeit solcher Gasausscheidung nicht gering ist, wenn wir
uns erinnern, dass z. B. auch gewisse Infusorien nach Engelmann’s Be-
obachtungen zuweilen solche Gasentwickelung erkennen lassen.
Grosse Schwierigkeit bereitet weiterhin die Erklärung der seitlichen
Schwimmbewegung gewisser Heliozo@n, hauptsächlich des Actinosphaerium.
Wenn wir hier absehen von Zuhülfenahme der contractilen Vacuolen zur
Erklärung dieser Bewegungsvorgänge, so finden wir bis jetzt nur bei
Brandt einen Versuch zur Deutung dieser Erscheinung. Er beobachtete
bei den in Drehung und seitlicher Fortbewegung gefundenen Actino-
sphaerien eine eigenthümliche, abweichende Stellung der Pseudopodien ;
der grössere Theil derselben war häufig schief nach einer Seite geneigt und
zwar stets nach der der Drehungs- und Fortbewegungsrichtung entgegen-
gesetzten. Hauptsächlich stark trat diese Schiefstellung an zwei entgegen-
gesetzten Polen der Kugel hervor, wogegen die Aequatorialstrahlen ihre
regelmässig radiäre Anordnung noch zeigten. In dieser Verfassung liess
sich die Umdrehung eines Thieres etwa in 12 Minuten verfolgen. Ueber
die Ursache der Schiefstellung der Pseudopodien blieb Brandt unsicher,
ebenso ob dieselbe die Bewegung veranlasse oder nur von der Bewegungs-
ursache mitbedingt werde. Es scheint nun wohl erklärlich, dass ein der-
artiges Zusammenneigen der Strahlen nach einer Seite eine Umdrehung
des kugligen Körpers durch Verlagerung des Schwerpunktes zu veranlassen
im Stande ist, jedoch wird hierbei die Drehungsriehtung — wenn ich
anders Brandt recht verstehe — gerade die umgekehrte der beobachteten
sein und sich dadurch weiterhin für die Seitenbewegung schwerlich eine
plausible Vorstellung gewinnen lassen. Im Gesammten scheint daher bis
jetzt das Verständniss dieses Bewegungsvorgangs noch wenig aus-
reichend.
Die Nahrungsaufnahme der Heliozoa geschieht, wie zu erwarten,
hauptsächlich unter Beihülfe der Pseudopodien, jedoch liegen bis jetzt
nur spärliche Angaben über die Natur dieses Vorganges vor. Dass die
Heliozoa sich durch Aufnahme geformter und z. Th. thierischer, ja unter
Umständen recht ansehnlicher Nahrungskörper ernähren, war schon für
*) Einer derartigen Annahme scheinen nämlich die Erfahrungen über das Verhalten der
Flüssigkeiten bei der Absorption von Gasen zu widersprechen; wenigstens ist bekannt, dass
Wasser durch Sättigung mit Kohlensäure nicht leichter, sondern dichter und schwerer wird-
Nach S. von Wroblewski besitzt das mit Kohlensäure gesättigte Wasser (Temp. 9—12°, mitt-
lerer Barometerstand) eine Dichte von 1,0002 (s. Annalen der Physik und Chemie 1877, p. 500).
en
a =
Nahrungsaufnahme. 293
Actinosphaerium dem alten Eichhorn sehr wohl bekannt und es muss als
ein entschiedener Rückschritt bezeichnet werden, wenn Dnjardin noch
in den dreissiger Jahren die Ernährung der Actinophryen durch Ab-
sorption erklären zu müssen glaubte. Wie natürlich, beziehen sich die
meisten Angaben über die näheren Vorgänge bei der Nahrungsaufnahme
unserer Thiere auf die beiden ansehnlichen und häufigen Formen Actino-
phrys und Actinosphaerium. Wenn nun auch die Erfahrung, dass diese,
sowie die übrigen Heliozo@nformen, pflanzliche und thierische Nahrung
in reichlicher Menge zu sich nehmen, heutzutage nicht mehr dem geringsten
Zweifel unterliegt, so ist doch über die Art und Weise, wie sich unsere
Organismen beim Fang und der Aufnabme ihrer Beute verhalten, noch
keineswegs allseitige Uebereinstimmung erzielt worden. — Zunächst dürfen
wir hier absehen von gelegentlich geäusserten Anschauungen, welche ihre
Irrthümlichkeit bald verriethen, so die Steins, der bei Actinosphaerium
die contractilen Vacuolen als nahrungsaufnehmende und abscheidende
Organe beanspruchen zu dürfen glaubte. Die einfacheren, amöboid be-
weglichen Formen zeigen in ihrer Ernährungsweise ebenfalls Anklänge
an die ihnen noch näher verwandten Rhizopoden, wie solches namentlich
von Cienkowsky und Häckel für die Vampyrella nachgewiesen wurde.
Die V. spyrogyrae ernährt sich von dem Zellinhalt der Spyrogyren und zwar legt sie
sich, an den Spyrogyrenfäden hinkriechend, an eine Zelle derselben an, ihre Pseudopodien
unverändert ausstreckend oder sie einziehend und bohrt nun die Zellwand an, oder löst viel-
mehr dieselbe an einer gewissen Stelle auf, so dass sie sich, durch dass so entstandene Loch
des gesammten Zellinhalts der Spyrogyre zu bemächtigen im Stande ist. Man sieht nun auch
schr bald, wie der gesammte Inhalt der Zelle, Primordialschlauch sammt Chlorophyliband, in
die Vampyrella hereingezogen wird (XIII, 11b). In dieser Weise geht die Vampyrella plün-
dernd an dem Spyrogyrafaden weiter, bis sie schliesslich einen, später genauer zu erörternden
Ruhezustand annimmt. — In ganz ähnlicher Weise erwirbt sich auch die V. pendula Cienk.
ihre Nahrung aus verschiedenen Algen.
Etwas anders dagegen verhalten sich die V. vorax ©. und die V. gomphonematis Häck. ;
die erstere ernährt sich ganz nach Rhizopodenart durch Umfliessen und Aufnahme von Dia-
tomeen, Desmidiaceen und Euglenen, wogegen die letztere auf festsitzenden Gompbonemastöck-
chen lebt, hier einzelne Zellen umfliesst und sie derart ihrer assimilirbaren Substanzen beraubt
(XII. 13a).
Nicht unähnlich geschieht auch die Ernährung der Nuclearien, über die uns hauptsäch-
lich auch wieder Cienkowsky Mittheilungen gemacht hat. Die. Nuclearia delicatula Cienk.
scheint sich besonders interessant zu verhalten, indem sie die von den Vampyrellen schon
heimgesuchten Conferven noch nachträglich ausplündert. Sie streckt hierbei einen oder einige
hyaline Protoplasmafortsätze tief in die Algenzellen hinein; diese Fortsätze lösen sich an ihrem
Ende in ein vielfach verzweigtes, ausgedehntes Protoplasmageflecht auf und dieses umfliesst
allmählich die noch vorhandenen Reste des Inhalts der Algenzelle, welche durch Zurück-
ziehung der Protoplasmafortsätze dem Nucleariakörper zugeführt werden. Jedoch vermag diese
Art auch, wie es für die N. simplex sogar gewöhnlich der Fall zu sein scheint, durch ein-
faches Umfliessen kleinerer oder grösserer Nahrungskörper sich nach Rhizopodenart zu ernähren.
Wie schon bervorgehoben, besitzen auch bei den typischen Heliozo@n
die Pseudopodien eine sehr wichtige Bedeutung für die Nahrungsaufnahme
und zwar scheinen dieselben vorzugsweise zum eigentlichen Einfangen
der Beute, die häufig aus raschbeweglichen Infusorien und sonstigen
kleinen Wassertbieren besteht, Verwendung zu finden. Es ist mehrfach
294 Heliozoa.
beobachtet worden, dass kleine derartige Thierchen, welche in den Pseudo-
podienwald einer Actinophrys, Actinosphärie oder Acanthoeystide hinein-
geriethen, oder denselben sogar nur berührten, sehr rasch ihre Bewegungen
einstellten und nun in gleich noch näher zu erörternder Weise den Helio-
zo@n zur Beute wurden.
Hieraus haben eine Anzahl Forscher, und wohl nicht ohne Recht,
auf eine schnelltödtende oder doch lähmende, giftige Wirkung der Pseudo-
podien geschlossen, so hauptsächlich Ehrenberg, Weston, Hertwig-Lesser
und Leidy. Kölliker dagegen glaubte für Actinospbaerium eine solche
Wirkung der Pseudopodien in Abrede stellen zu müssen, wogegen
Häckel für Myxastrum das Anhaften der Beute an den Pseudopodien
auf eine klebrige Oberflächenbeschaffenheit derselben zurückzuführen
sucht.
In welcher Weise sich nun aber auch der lähmende Einfluss der
Pseudopodien gewisser Heliozo@n auf die mit ihnen in Berührung gerathene
Beute geltend machen mag, im Ganzen scheint es sicher, dass die
Scheinfüsschen durch einen solchen Einfluss den Fang der Nahrung
unterstützen, wenn sie auch nicht gerade wie Fangspiesse wirken, wie
Perty (12) seiner Zeit vermuthete, der kleine Infusorien sogar auf den Ten-
takeln der Actinophryen aufgespiesst beobachtet haben wollte.
Hat sich nun derart ein Heliozoon mittels seiner Pseudopodien eines
Nahrungskörpers bemächtigt, so handelt es sich darum, denselben dem
eigentlichen Körper zuzuführen und in diesen aufzunehmen, ein Vorgang,
der von den verschiedenen Beobachtern nicht immer in übereinstimmender
Weise beschrieben worden ist. In manchen Fällen scheint ein einfaches
Herabgleiten des Nahrungskörpers an den Pseudopodien, wohl verbunden
mit theilweisem Umfliessen desselben durch die Rindenschicht der Schein-
füsschen, stattzufinden, in welcher Art sich z. B. nach H. und L. die
Nahrungszufuhr bei Acanthocystis gestalten soll. Ein solches Umfliessen
der Nahrung, schon durch die Pseudopodien, wird dadurch noch wahr-
scheinlicher, dass bei Clathrulina nicht selten grössere Nahrungskörper
nicht bis in die Centralmasse des Körpers hineingezogen, sondern an
einem Pseudopodium, welches durch Protoplasmazufluss verstärkt wird,
ausserhalb der Schale verweilen und hier assimilirt werden.
Anders hingegen soll sich nach den Beobachtungen von Kölliker bei
Actinosphaerium und denen Häckels an dem in vieler Hinsicht verwandten
Myxastrum die Aufnahme der Nahrung in das eigentliche Körperproto-
plasma gestalten. Hier wird der betreffende Nahrungskörper allmählich
der Körperoberfläche genähert, indem die ihn umgebenden Pseudopodien
sich allseitig über ihm zusammenneigen und ihn dergestalt zur Körper-
oberfläche hinabdrücken. Im Verlaufe dieses Vorgangs soll sich dann
auf der Körperoberfläche, gegenüber dem sich annähernden Bissen,
eine grubenartige Einsenkung bilden, in die der aufzunehmende Kör-
per einsinkt und indem die Grube sich hierauf über ihm schliesst,
wird derselbe in den Heliozoönkörper selbst aufgenommen. Mit dieser
Nahrungsaufnahme. 295
Schilderung stimmt auch die Beschreibung, welche Wallich von der
Nahrungsaufnahme bei Actinosphaerium gibt, ziemlich wohl überein;
nach ibm soll sich theils durch Verschmelzung der Pseudopodien, welche
die Nahruug gefangen haben, theils in dem Ectosark, dem die Nahrung
genähert wird, eine Cavität bilden, in welche die Beute eingeschlossen
wird. Zweifelbaft erscheint mir nach seiner Beschreibung nur, ob er
diese Cavität sich als eine geschlossene Vacuole vorstellt, in welche die
Nahrung, äbnlich wie bei manchen Flagellaten, eingepresst würde, oder
ob sie, wie Kölliker es beschreibt, eine ursprünglich offene Grube dar-
stellt, die sich erst später über dem Nahrungskörper schliesst.
Nicht unwesentlich verschieden scheint sich dagegen der Process der
Nahrungsaufnahme bei Actinophrys zu gestalten. In ziemlich überein-
stimmender Weise wird nämlich von Claparede und Weston beschrieben,
dass sich hier von der Körperoberfläche ein ziemlich breiter Fort-
satz (der nach Clapar&de aus einer schleimigen Masse besteht, wäh-
rend Weston ihn als eine zarte Membran beschreibt) dem aufzunehmenden
Nahrungskörper entgegen erhebe, welcher Fortsatz den Nahrungskörper
überziehe und einschliesse. Beide Forscher stimmen schliesslich auch
darin überein, dass sich derartige Fortsätze zuweilen auch ohne Nah-
rungsaufnahme plötzlich hervorbilden und wieder eingezogen werden
und Weston glaubt noch beobachtet zu haben, dass dieselben bei dieser
Gelegenheit vor ihrer Zurückziehung eine schleimige Masse entleerten.
Auch Lieberkühn konnte diese Art der Nahrungsaufnahme für Actino-
phrys bestätigen, wogegen Leidy (50) neuerdings die gleiche Art der
Nahrungsanfnahme nicht nur Actinophrys, sondern auch Actinosphaerium,
Acanthocystis und Raphidiophrys zuschreibt. Gelegentlich sah er bei
Actinophrys eine solche Protoplasmamasse von so beträchtlicher Grösse
sich entwickeln, dass sie nahezu die Hälfte der Oberfläche des Thier-
körpers umgriff.
Diese Schilderungen erinnern sehr an die frühere Angabe Ehren-
bergs, welcher den Actinophryen einen zur Nahrungsaufnahme dienenden,
vorstülpbaren Rüssel und eine, am gegenüberliegenden Körperpol befind-
liche Afteröffnung zuschrieb. Es dürfte also sehr wahrscheinlich sein,
dass jener von Ehrenberg angegebene Rüssel der bei Actinophrys zur
Nahrungsaufnahme sich vorschiebende, breite, pseudopodienartige Fortsatz
war, wenn auch die meisten späteren Beobachter diesem vermeintlichen
Rüssel eine abweichende Deutung geben zu müssen glaubten; so erklärten
ihn Claparede und Stein für die contractile Vaeuole, Kölliker hingegen
glaubte ihn als ein in Entwicklung begriffenes Pseudopodium deuten zu
müssen. Auch den After, welchen Ehrenberg beobachtet zu haben an-
gibt, suchte Stein auf die gewöhnlich vorhandene, zweite contractile
Vacuole des Actinosphaerium zu beziehen.
Wie bei zahlreichen Rhizopoden und Protozoön überhaupt, wird auch
bei den Heliozoön die dem Körper einverleibte Nahrung meist in sogen.
Nahrungsvaceuolen eingeschlossen, deren Entstehung ziemlich allgemein
h)
296 Heliozoa.
durch Sekretion von Flüssigkeit im Umkreis des aufgenommenen Nah-
rungskörpers erklärt wird. Damit dürfte jedoch auch für unsere Orga- _
nismen keineswegs ausgeschlossen sein, dass sie gelegentlich durch
gleichzeitig mit dem Bissen eingeschlossenes Wasser erzeugt werden, wie
denn auch z. B. Häckel bei Myxastrum ihnen eine derartige Entstehung
zuschreibt.
Die aufgenommene Nahrung verweilt bei den Heliozoön mit deut-
licher Differenzirung von Ecto- und Entosark fast durchaus in ersterem,
und dringt nicht in das feingranulirte Entosark ein. Eine Ausnahme
bietet in dieser Hinsicht nur das Actinosphaerium dar, wo die Nahrungs-
körper stets durch das Eetosark rasch in das Entosark überwandern,
sich in letzterem ansammeln und hier der Assimilation unterworfen werden.
Für die Ausstossung der unverdauten Nahrungsreste scheint nirgends
(wie dies ja bekanntlich Ehrenberg für die Actinophryen behauptet hatte)
eine bestimmte, vorgebildete Stelle oder gar Oeffnung vorhanden. zu sein,
sondern die Entleerung an einem beliebigen Orte der Körperoberfläche
vor sich zu gehen.
4, Skeletbildungen der Heliozoa *).
A. Gallertige Hüllbildungen.
Wie wir schon bei den Rbizopoden, wenngleich verhältnissmässig sel-
ten, gallertartige Umhüllungen zu erwähnen hatten, finden wir Aehnliches
auch unter den Heliozoa und werden dieser Einrichtung später in viel
ausgebreiteter und entwickelterer Weise bei den Radiolaria wieder be-
gegnen. Sölche Umhüllungen treten bei den Heliozoa entweder nur vor-
übergehend, zu gewissen Zeiten, auf oder sind constant vorhanden, müssen
sich dann wenigstens schon auf sehr frühen Entwickelungsstadien her-
vorgebildet haben.
Als Bildungen ersterer Art begegnen wir ihnen bei Nuclearia und
Actinolophus, wenigstens lassen sich die bei jenen Formen zuweilen beob-
achteten, eigenthümlichen Verhältnisse am besten in dieser Weise deuten.
Schon Cienkowsky hat bei seiner Nuclearia delicatula zu Zeiten eine
ziemlich weit abstehende, aus feinen Körnchen gebildete, blasige Um-
hüllung beobachtet, welche von den Pseudopodien durchsetzt wurde;
späterhin haben dann F. E. Schulze (Heterophrys varians) und Greeff
(Heliophrys variabilis**)) diese Erscheinung gleichfalls wieder constatirt
und namentlich ersterer dieselbe auf eine gallertartige, ziemlich dicke
*) Cattaneo (51) sucht neuerdings die Ansicht zu entwickeln, dass die Skeletbildungen
der Heliozoa als umgebildetes Ectoplasma zu betrachten seien, unser Ectoplasma dagegen als
sogen. Mesoplasma, so dass demnach auch die skeletophoren Heliozoön die 3 Plasmazonen
besässen, welche Maggi und Cattaneo bei gewissen Rhizopoden nachgewiesen haben wollen
(vergl. hierüber oben p. 99 Anmerk.).
**) Beide Formen sind identisch mit der Nuclearia delicatula Cienk.
Gallertige Hüllen (Chlamydophora). 297
(bis zu "/, des Körperdurchmessers betragende) Umhüllung zurückzufübren
versucht, deren äussere Fläche mit sehr kleinen Körnchen dicht besetzt
sei, wodurch, bei völliger Durcbsichtigkeit der Gallerthülle, der Anschein
einer Körnchenblase erzeugt werde (XIV. 1b). Ich hatte mehrfach Ge-
legenheit, solche umhüllte Nuclearien zu beobachten und kann mich der
Schulze’schen Deutung nur anschliessen.
Auch bei Actinolophus fand F. E. Schulze zuweilen die Bildung
einer ähnlichen, ganz durchsiebtigen Gallerthülle, jedoch bildet dieser
Vorgang hier die Einleitung zu einer wahren Eneystirung, die späterhin
noch Gegenstand unserer Bespreebung sein wird, und ähnlich werden
wir auch bei Actinosphaerium und Actinopbrys den Eneystirungsprocess
mit der Ausscheidung einer solehen gallertigen Hülle beginnen sehen.
Nach letztren Erfahrungen erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass
auch bei Nuclearia die Entwickelung der Gallerthülle in gleicher
Weise mit dem Eneystirungsprocess in Zusammenhang stehen dürfte,
wenngleich solche umhüllte Nuelearien sich gewöhnlich noch einer recht
erheblichen Beweglichkeit erfreuen.
Es gibt nun aber noch eine Anzahl Heliozo@n, die sich zeit-
lebens, soweit bekannt, einer ähnlichen Umhüllung ihres Weichkörpers
erfreuen und die daher von Archer zu einer Abtheilung der Chlamydo-
phora zusammengefasst wurden. Als Hauptvertreter dieser Formen ist
die Gattung Heterophrys zu erwähnen, an die sich das sogen. Sphaer-
astrum Greeff’s nahe anzuschliessen scheint. Zum Voraus muss jedoch be-
merkt werden, dass sich die Ansichten der verschiedenen Forscher über die
Natur der gleich näher zu beschreibenden Umhüllung (speciell der Hetero-
phrys) keineswegs in Uebereinstimmung befinden, sondern recht sehr von
einander abweichen. Bei den Angehörigen des erwähnten Genus (XV. 2)
treffen wir eine ziemlich dicke, von den Pseudopodien durchsetzte Hüll-
schieht an, deren centrale, der Körperoberfläche genäherte Zone meist
ganz hyalin und durchsichtig ist, weiter nach aussen jedoch sehr bald
ein eigenthümlich feinpunktirtes und gestricheltes Aussehen annimmt und
von deren Oberfläche sich zwischen den Basen der Pseudopodien zahl-
reiche haar- oder cilienartige Fortsätze, von mehr oder weniger ansehn-
licher Länge erheben.
Archer und Greeff glaubten diese Hülle ursprünglich als eine Sarkode-
schicht betrachten zu dürfen, gegen welche Ansicht Hertwig und Lesser
sich jedenfalls mit Recht ausgesprochen haben. Letztere Beobachter
wurden durch ihre Untersuchungen zu der sehr abweichenden Auffassung
geführt, dass es sich hier nicht um eine weiche Hüllschicht, sondern um
ein Skelet von sehr eigenthümlicher Bildung handle. Dasselbe stellt nach
ihnen ein feinverfilztes, spongiöses Netzwerk zartester Nadeln dar, welche
sich auf der Oberfläche der Skelethülle frei erheben und so den haar-
artigen Besatz erzeugen. Nach ihrer Bildung lasse sich diese Skelethülle
wohl am ehesten den spongiösen Kieselgerüsten vergleichen, die sich
bei gewissen Radiolarien (den Sponguriden Häckel’s) vorfinden. Die
298 Heliozoa.
Gründe, auf welche sie diese Auffassung stützten, sind hauptsächlich: dass
die Hüllschicht eine beträchtliche Cohärenz zeige, speciell nach dem Ab-
sterben der Thiere nicht zerfalle und ferner, wenigstens bei Heterophrys
spinifera, der Einwirkung concentrirter Mineralsäuren (selbst Schwefel-
säure) widerstehe (wogegen bei H. marina Salzsäure den haarartigen
Stachelbesatz zum Verschwinden bringt und Eisessig das Skelet sehr
durchsichtig macht).
Archer hat sich jedoch nieht mit der Hertwig und Lesser’schen An-
sicht befreunden können; er hält auch in neueren Publikationen seine
frühere Auffassung mehr oder minder fest, indem er die Umhüllung
für weich, mehr oder minder plastisch erklärt, und die haarähnlichen
Fortsätze nur für direkte fransenartige Ausläufer der oberflächlichsten
Lage dieser Hüllschicht, nicht jedoch für isolirbare Stacheln. In dieser
Auffassung der Stacheln wird er namentlich noch durch die Beobachtung,
welche er an einer wahrscheinlich mit der H. marina identischen Form
gemacht hat, besonders bestärkt, da er die Fortsätze derselben bei
Zusatz von Beale’schem Carmin zusammenschmelzen und schwinden sah.
Etwas abweichend stellt sich die jedenfalls homologe Hüllschicht des
Sphaerastrum Greeff’s (Heterophrys Fockii Arch.) dar (XV. 3a—b). Hier
zeigt sich die hyaline, durchsichtige Hülle, welche bei der häufigen
Koloniebildung dieser Form eine grössere Zahl von Individuen gemeinsam
vereinigt, eigenthümlich wellig gestrichelt. Die äussere Oberfläche der
Hüllschicht ist gewöhnlich zackig zerschlitzt und zieht sich namentlich an
den Basen der Pseudopodien meist etwas in die Höhe. Ursprünglich
fasste Archer auch hier diese Hüllschicht als Sarkode auf, welcher An-
sicht sich auch Greeff anschloss, späterbin schien sie ihm dagegen mehr
gallertartig, jedenfalls jedoch weich und plastisch. Eine hyaline, structur-
lose Umhüllungsschicht des Weichkörpers beschrieb Greeff weiterhin
noch bei seinem Astrodisculus und Astrococeus, und deutete sie bei der
letzteren Form gleichfalls als Sarkodehülle; da jedoch gegen diese Deu-
tung durch spätere Untersuchungen sehr begründete Zweifel erhoben
wurden, so werden wir dieser Hüllschicht erst weiter unten, bei den
kieseligen Skeletbildungen etwas näher gedenken.
B. Kieselige Skeletbildungen.
Wie wir wissen, zeichnen sich die Heliozoa, im Gegensatz zu den
Rhizopoda, hauptsächlich dadurch aus, dass die zum Schutz des Weich-
körpers gebildeten, äusserlichen Skelettheile aus Kieselsäure bestehen oder
wohl vielmehr durch Verkieselung einer organischen Grundlage hervor-
gegangen sind*). Im Gegensatz zu den Skeletbildungen der Rhizopodä
*) Von dieser Regel würde nur die eigenthümliche Wagnerella borealis Mereschkowsky’s
eine Ausnahme bilden, wenn dieselbe, wie nach P. Mayer’s Angaben sehr wahrscheinlich,
ihre wahre Stellung bei den Heliozoön hat. Dieselbe besitzt nämlich nach Mereschkowsky
Skeletnadeln aus kohlensaurem Kalk. Immerhin wird es gerathen sein, genauere Unter-
Kieselige Skelete (Chalarothoraca). 299
bieten sich die der Heliozoa fernerbin nur in wenigen Fällen als einheit-
liche, zusammenhängende Schutzhülle oder Schale dar, sondern bestehen
meist aus lose zusammengelagerten, oder doch nur von einem in geringer
Menge vorhandenen, protoplasmatischen, zuweilen vielleicht auch gallertigen
Bindemittel vereinigten Skeletstücken recht verschiedenartiger Gestalt. In-
dem sich derartige Skelettheile zu einer kugeligen, der Oberfläche des
Weichkörpers mehr oder minder dicht aufgelagerten Hülle zusammen-
gruppiren, wird ein Gehäuse gebildet, das dem eingelagerten Weichkörper
mehr oder minder Schutz gewährt und zugleich den Pseudopodien zwischen
den zahlreichen Lücken allseitig den Durchtritt gestattet. Nach der ver-
schiedenen Natur dieser Skelethülle, ob lose oder ob aus einem zusammen-
hängenden Stück gebildet, hat man die hierhergehörigen Heliozoa in
zwei systematische Gruppen zerlegt, die Chalarothoraca und die Desmo-
thoraca.
Wir beschäftigen uns hier zunächst mit der ersteren dieser Abthei-
lungen etwas näher, da sie ohne Zweifel die einfacheren und wohl auch
ursprünglicheren Verhältnisse darbiete. — Wie schon erwähnt wurde,
sind die Formen der lose zusammengehäuften Skeletelemente .dieser
Gruppe recht verschieden. Wir treffen hier zunächst bei der Gattung
Pompholyxophrys Arch. (Hyalolampe Greeff) minutiöse Kieselkügel-
chen, die in wenigen oder zahlreicheren Schichten übereinandergelagert,
eine kugelige Schalenhülle, von grösserer oder geringerer Dieke formiren
(XV. 4). Die Grösse dieser Kügelchen ist, wie gesagt, sehr gering; so
beträgt ihr Durchmesser bei der P. exigua H. u. L. nur 0,0006 Mm.,
wogegen sie bei der P. punicea Arch. 0,001—0,004 erreichen. Dieser
Umstand macht es nicht unwahrscheinlich, dass, wie Heıtwig und Lesser
vermutben, die von Greeff unter dem Namen Astrodiseulus beschrie-
benen Formen, welche mit einer nahezu hyalinen, wahrscheinlich fein-
porösen und kieseligen Hülle versehen sein sollen, gleichfalls einen ähn-
lichen Aufbau des Skeletes zeigen, der nur, wegen der Schwierigkeit der
Untersuchung, von Greeff nicht entziffert wurde. Diese Deutung wird noch
wahrscheinlicher, wegen der grossen Aehnlichkeit, welche die Astrodiseulus-
formen mit gewissen Bompholgzonkryen in ihren übrigen Organisations-
verhältnissen verrathen.
An die soeben besprochenen Formen schliessen sich dann zunächst
solche an, bei welchen die kugelschalige Skelethülle aus einer einfachen
Schicht dicht zusammengelagerter, jedoch lose mit einander vereinigter
Kieselplättchen besteht. Bei der hierhergehörigen Pinaeoeystis H.u.L.
(XVI. 4) sind diese Plättchen rund und zu einer geschlossenen Kapsel
suchungen bezüglich dieser Form abzuwarten, die namentlich auch darüber Aufschluss zu
geben haben, ob die Skeletgebilde derselben wirklich, wie zwar nach Mereschkowsky’s Schil-
derung kaum zu bezweifeln, von dem Thier selbst erzeugt werden, oder möglicherweise nur
von Aussen aufgenommene Spicula von Kalkschwämmen sind. Auch dürfte die Unterordnung
dieser Form unter die Heliozoa vorerst noch recht fraglich erscheinen, wie im systematischen
Abschnitt zu erörtern sein wird.
300 Heliozoa.
zusammengelagert; bei der Pinaciophora Giff dagegen (XVI. 5a—e)
besitzen sie eine blattartige, beiderseits zugespitzte Gestalt und sollen von
zahlreichen feinen Porenkanälen, zum Austritt der Pseudopodien, durch-
bohrt sein.
Die beiden noch restirenden -Gattungen der Chalarothoraca zei hnen
sich durch den Besitz verlängerter, nadel- bis stachelartiger Skeletelemente
aus. Einfachere Verbältnisse treffen wir bei Raphidiophrys (XVI. 2. 3),
bier wird die den ganzen Körper lose umkleidende Skelethülle von zarten
Kieselnadeln gebildet, welche entweder mehr gerade oder bis spangen-
förmig gebogen und beiderseits zugespitzt erscheinen. Die Verbindung
dieser losen Nadeln geschieht wobl, wie namentlich F. E. Schulze gezeigt
hat, durch eine zarte protoplasmatische Masse, welche von den zwischen
den Skeletelementen hindurch tretenden Pseudopodien entspringt. Dagegen
glaubt Archer, dass auch hier eine mebr gallertige Masse, wie wir sie im
vorhergehenden Abschnitt besprachen, den Zusammenhalt der Skeletnadeln
bewirke. Gewöhnlich lagern sich die Nadeln der Raphidiophrys tangen-
tial zur Oberfläche des Weicbkörpers, zuweilen jedoch erheben sie sich
büschelig um die Basen der Pseudopodien, so dass hierdurch die Skelet-
hülle ein strabliges Aussehen erhält. Bei den häufig sich findenden Kolo-
nien umhüllt eine gemeinsame Skeletmasse sämmtlicbe Individuen (XVI. 5).
Etwas eomplieirter gestalten sich die Bauverhältnisse des Skeletes
bei der Gattung Acanthoeystis, wenigstens einem Theil der hierber-
zurechnenden Formen, bei welchen gleichzeitig verschiedenartige Skelet-
elemente vorhanden sind. Die typischen, stets vorhandenen Skeletelemente
dieser Gattung sind gerade Kieselstacheln (XVI. 6, 7, 8), welche in ra-
dialer Richtung der Körperoberfläche aufgesetzt sind und zwar mit einer
plättchenartigen Ausbreitung (oder doch einer etwas angeschwollenen
Basis, A. Pertyana Arch.) ihres centralen Endes, einem sogen. Basal-
plättehen. Diese Basalplättchen bilden demnach durch ihre Zusammen-
lagerung eine losere oder festere Kapsel, ähnlich wie bei Pinacoeystis,
und von jedem Basalplättchen erhebt sich ein senkrecht. aufstehender,
mehr oder weniger ansehnlieher Stachel. Die Enden der Stacheln sind
entweder einfach zugespitzt oder gabelig gespalten und die grösseren
Stacheln der A. turfacea sollen nach Carfer, Grenacher und Greeff hohl
sein. Diese Form zeigt uns denn auch weiterhin eine complieirtere Bil-
dung des Skeletes dureh die gleichzeitige Anwesenheit zweier verschie-
dener Nadelformen: die einen kurz und dünn und am Ende länger ge-
gabelt (XVI. 8, st‘), die andern länger und dicker und am Ende kurz
gegabelt (XVI. 8, st). Nach Archer und Greeff soll sich jedoch bei
unserer Form sogar noch eine dritte Art von Skeletelementen finden,
nämlich tangential zur Oberfläche, zwischen die Basalplättehen eingelagerte
spindelförmige, leicht gekrümmte Stäbehen*). Eine ähnliche Einrichtung
#) Leidy (50) schreibt der Acanthocystis turfacea noch eine dicke äussere Umhüllung
von durchsichtigem Plasma zu, die sich hauptsächlich durch ihre dichte Bedeckung mit
- a Ti
Kieselige Skelete (Chalarothoraca u. Desmothoraca). 301
würde sich dann auch noch bei der A. aculeata H. u. L. finden (XV.
7a—b), wo zwischen die Basalplättchen der gewöhnlichen Stacheln sich
noch tangential zur Oberfläche gelagerte, gekrümmte Stäbehen einschieben,
die durch ihre Zwischenlagerung die regelmässige Anordnung der Basal-
plättchen sehr stören *).
Wenden wir uns nun zu einer kurzen Uebersicht der Skeletverhält-
nisse der Desmothoraca. Hier tritt uns, soweit bis jetzt die Forschungen
reichen, nur ein einziger Typus der Skeletbildung entgegen, der haupt-
sächlich bei der bestgekannten Gattung Clathrulina genauer studirt
worden ist. Wir finden hier eine einheitliche, kugelige Kieselschale, die
von zahlreichen, ziemlich ansehnlichen Löchern zum Durchtritt der Pseudo-
podien durchbohrt wird (XVIL la, lc). Die Löcher sind bald mehr
rundlich, bald, bei dichterer Zusammenstellung, mehr polygonal, so dass
das sie trennende Kieselgerüst wie ein Maschenwerk erscheint. Diese
die Löcher. scheidenden Kieselbälkehen scheinen auf ihrer äussern
Fläche etwas rinnenförmig ausgehöhlt zu sein (XVII. 1b) und sich bei
der Cl. Cienkowskyi nach Mereschkowsky (47) in den Knotenpunkten
zwischen den Löchern zu kurzen Dörnchen zu erheben. Im Gegensatz
zu sämmtlichen bis jetzt betrachteten Skelettheilen der Heliozoa nimmt
das Kieselskelet der Clathrulina elegans im Alter eine mehr oder weniger
intensiv braune Färbung an. Ein weiterer bis jetzt noch nicht hervor-
gehobener Charakter des Clathrulinaskeletes liegt in seiner Befestigung
auf einem gleichfalls kieseligen, hohlen Stiel, der sich mit seinem basalen
Ende durch kurze, wurzelartige Ausläufer an fremde Gegenstände
anheftet.
Nachträglich müssen wir an dieser Stelle noch eines zweiten Bei-
spiels der Stielbildung und Befestigung bei den Heliozo@n gedenken. Es
bietet dies der Actinolophus F. E. Schulze’s dar, der ohne eigentliches
Skelet des Weichkörpers auf einem ziemlich langen, wahrscheinlich gleich-
falls röhrenförmig hohlen Stiel aufgewachsen ist (XIV. 6a—b). Kieselig
scheint die Wand des Stieles hier nieht zu sein, sondern cehitinös. Durch
feinsten, linearen Partikelchen bemerkbar machen soll und gewöhnlich die kleineren Radiär-
stacheln völlig einschliesse. Wenn es sich hier nicht etwa um ein plasmatisches Verbindungs-
gerüste der Stacheln handelt, wie es oben nach Schulze für Raphidiophrys erwähnt wurde,
so erinnerte mich dieser äussere Mantel namentlich an eine Gallertlage, Auch Clathrulina soll
nach Leidy im jugendlichen Zustand einen dicken derartigen Mantel aufweisen, der von den
Pseudopodien durchsetzt wird. j
*) Nach der morphologis&hen Entwickelung ihres Skeletes würde sich hier auch die
noch zweifelhafte Wagnerella borealis anschliessen. Der kugelige, auf einem Stiel befestigte
Körper derselben besitzt nämlich nach Mereschkowsky ein Skelet, das von zweierlei verschie-
denen Arten von Kalknadeln gebildet wird. Zunähst kleineren, kurzen, bogenartig gekrümmten
Nadeln, die der Körperoberfläche tangential dicht aufliegen und in eine organische Hüllhaut
eingelagert sein sollen und weiterhin lange, sehr feine und beiderseits zugespitzte, gerade bis
unregelmässig wellig gekrümmte Nadeln, die radial von der Körperoberfläche sich erheben und
nur mit ihrem proximalen Ende in die organische Hüllhaut eingepflanzt sind. Hinsichtlich
dieser Skeletgebilde der Wagnerella müssen wir jedoch nochmals an die schon früher (p. 295
Anmerkung) betonten, noch nicht gelösten Zweifel erinnern.
302 Heliozoa.
die helle Binnenmasse des Stiels sieht man einige zarte, parallele Längs-
linien ziehen, die sich zuweilen sogar bis in den Sarkodekörper des
Actinolophus verfolgen lassen. Es scheint daher nicht unmöglich, dass
diese Längslinien den optischen Ausdruck einiger zarter, pseudopodien-
artiger, den Stiel durchziehender Fortsätze des Thierkörpers darstellen *).
Aehnliehe Skeletbildungen, wie sie Clathrulina aufweist; finden wir
noch bei einigen weiteren Formen; hierher gehört zunächst die sogen.
Hedrioeystis H. u. L. (XVII. 2); diese kleine Form hat eine ovale
bis rundliche Schale, welche wie die von Clathrulina auf einem hohlen
Stiel befestigt ist; sie wird von zahlreichen Löchern zum Durchtritt. der
Pseudopodien durchbrochen und diese Löcher stehen auf hervorragenden
Buckeln, scheinen auch kleiner und weiter von einander getrennt zu sein,
wie bei Clathrulina**).
Zwei weitere wohl hierhergehörige Formen, Orbulinella Entz und
die sehr zweifelhafte Elaster Grimm’s, besitzen eine Clatbrulina sehr
ähnliche kugelige bis ellipsoidische Kieselgitterschale, die jedoch
frei, nicht durch einen Stiel befestigt ist. Bei Orbulinella füllt der
Weichkörper die Schale nur zum Theil aus und ist ähnlich wie bei
Clathrulina im Centrum derselben mit Hülfe der Pseudopodien aufgehängt,
wogegen bei Elaster die Schale völlig vom Thierleib erfüllt zu sein
scheint.
Wie gelegentlich schon angedeutet wurde, treffen wir bei einer Reihe
von Heliozoön die Entwickelung temporärer Skelethüllen während des
ruhenden oder eneystirten Zustandes, und auch diese Hüllen sind bier
vielfach verkieselt. Das Genauere bezüglich derselben wird dann später-
hin bei der Besprechung des Encystirungsvorganges mitzutheilen sein.
C. Aus Fremdkörpern aufgebaute Skelethüllen.
Skeletbildungen, wie sie die Ueberschrift dieses Abschnittes bezeich-
net, sind bis jetzt nur bei zwei wahrscheinlich zu unserer Gruppe ge-
hörigen Formen beobachtet worden. Die eine derselben ist die marine
Lithocolla F. E. Schulze’s (XIV. 4), die sich mit einer losen, der
Oberfläche des Weichkörpers dicht aufliegenden Hülle aus Sandkörnchen
*) Eine dritte gestielte Heliozoönform wäre nach den Untersuchungen von P. Mayer
wahrscheinlicb die von Mereschkowsky beschriebene und zu den Kalkschwämmen verwiesene
Wasnerella borealis. Dieselbe besitzt einen langen, hohlen, von einer membranösen Wandung
(aus organischer Masse) gebildeten Stiel, dessen Basis sich zu einem ziemlich scharf abge-
setzten Kegel verbreitert, mittels welchen der Organismus festgeheftet ist. Es ist jedoch dieser
Stiel hier kein Ausscheidungsprodukt des Thierkörpers, sondern bildet, wie aus der Angabe
Mayers, dass der Kern in der kegelförmigen Stielbasis eingelagert ist, hervorgeht, eine direkte
Verlängerung des Thierkörpers. Besonders eigenthümlich erscheint dieser Stiel jedoch noch
deshalb, weil in seine Wand zahlreiche kurze und schwach hogenförmig gekrümmte Kalk-
spicula, wie sie sich auch am eigentlichen Thierkörper finden, in dichter Stellung eingelagert
sind. Alle diese Spieula sind regelmässig quer zur Stielaxe geordnet.
**) Die Berechtigung zur Trennung dieser Hedriocystis von der eigentlichen Olathrulina
scheint nur schr gering zu sein.
Skeletbildungen u. Fortpflanzung (Einfache Theilung). 303
umkleidet; gewöhnlich sind dieselben so dicht zusammengefügt, dass das
umhüllte Wesen einem Sandklümpehen gleicht; zuweilen wurden jedoch
auch Formen getroffen, deren Oberfläche nur vereinzelte Sandkörnchen,
in einem Fall auch Diatomeenschalen anhafteten oder eigentlich in die
Sarkodefläche halb eingesenkt waren. Aehnlich verbält sich auch "die
Greef’sche Elaeorhanis, deren kugeliger Körper von einer mebr oder
minder zusammenhängenden Hülle aus Sandkörnchen und Diatomeen-
schalen umkleidet wird (XIV. 5).
5. Fortpflanzungserscheinungen der Heliozoa.
Die Fortpflanzungsverhältnisse der Heliozoa schliessen sich auf das
innigste an die der Rhizopoda an, wir treffen hier alle die Modifikationen
wieder an, welche dort schon Gegenstand unserer Betrachtung waren:
also zunächst die Vermehrung durch einfache Theilung und hieran sich
anschliessend häufig auch Koloniebildung, weiterhin die Entwickelung
einer grösseren Zahl, durch Theilung oder Sprossung hervorgehender
Keime, welche sich zuweilen in Gestalt flagellatenartiger Schwärmer ausbrei-
ten und hierauf erst wieder zur Heliozoöngestalt zurückkehren, schliesslich
Eneystirungsvorgänge verbunden mit Theilungserscheinungen. Auch hier
ist endlich Copulation und Conjugation anzutreffen und steht möglicher-
weise mit den Vermehrungserscheinungen in einem gewissen, bis jetzt
Jedoch noch nicht hinreichend sicher ermittelten Zusammenhang.
A. Einfache Theilung im nackten Zustand und Koloniebildung.
Der einfache Zweitheilungsprocess wurde bis jetzt nur bei einer
kleinen Zahl von Heliozoön constatirt, vorzugsweise für die, ja auch mit
besonderem Fleisse untersuchten Actinophryen. Schon der erste genaue
Beobachter des Aectinosphaerium, Eichhorn, hat die Vermehrung desselben
durch Quertheilung mit aller wünschenswerthen Sicherheit festgestellt.
Auch Ehrenberg gibt an, die Selbsttheilung der Actinophryen vielfach
beobachtet zu haben und die neueren Beobachter konnten denselben Vor-
gang meist gleichfalls nachweisen *).
Der äussere Vorgang der Theilung verläuft bei den beiden erwähnten
Gattungen ohne irgend welche besonders bemerkenswerthen Erscheinungen;
es tritt an dem kugeligen Körper eine äquatoriale Einschnürung auf, die
allmählich tiefer und tiefer greift, gleichzeitig rücken die beiden Spröss-
linge mehr und mehr auseinander, so dass die sie noch vereinigende Ver-
bindungsbrücke sich mehr und mehr verlängert und verdünnt, bis sie
schliesslich einreisst und ihre Reste in die Leiber der beiden Sprösslinge
zurückgezogen werden**). Bei Actinosphaerium scheint die Trennung
*) Vergl. haupts. Olaparöde (13, p. 410), Weston (16), Greeff (27, 35), Brandt (44).
**) (janz entsprechend verläuft auch der von Aim. Schneider bei der Monobia confluens
beobachtete Zweitheilungsprocess, wovon unten bei der Koloniebildung noch mehr zu be-
richten ist.
304 Heliozoa,
stets vollständig zu erfolgen, wogegen bei Actinophrys der Theilungsvor-
gang vielleicht zuweilen nicht völlig bis zu Ende geführt wird, wodurch
dann Kolonien entstehen können, denen wir im Verlaufe dieser Darstellung
noch unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden haben.
Bezüglich der Theilungserscheinung des Actinosphaerium dürfte hier noch auf einige
Besonderheiten aufmerksam gemacht werden. In der Beschreibung, welche Eichhorn von dem
Theilungsvorgang entwirft, hebt er besonders hervor (und gibt auch eine entsprechende Ab-
bildung), dass bei den zur Theilung sich anschickenden Thieren, schon im noch kugelförmigen
Zustand, die künftige Theilungsgrenze sich deutlich als eine dunkle Linie markire. Bei den
späteren Beobachtern finde ich ein solches Verhalten nicht erwähnt; jedenfalls verdiente je-
doch diese bestimmte Angabe Eichhorns bei einer nochmaligen Prüfung einige Berücksichti-
gung. Eine weitere Eigenthümlichkeit im Theilungsvorgang dieser Gattung hat Greeff (35)
angeführt. Bei Störung des Theilungsprocesses sollen sich nämlich die noch zusammen-
hängenden Sprösslinge wieder durch Verschmelzung vereinigen, eine Beobachtung, welche
auch Wallich (19a) von der gleichen Form berichtet. Bei Actinophrys soll sich nach Greeff
dieses Verhalten nicht zeigen. So interessant dieser Wiederverschmelzungsprocess des in Thei-
lung begriffenen Actinosphaerium auch erscheint, so kann derselbe doch das später zu erwäh-
nende Vorkommen wirklicher Copulation nicht zweifelhaft machen, wie dies Greeff seiner Zeit
darzustellen suchte.
Leider ist jedoch bis jetzt über die inneren Vorgänge bei der Thei-
lung so gut wie nichts bekannt und namentlich durchaus zweifelhaft, wie
sich hierbei der eine Kern der Actinophrys oder die zahlreichen des
Actinosphaerium verhalten.
Von der Theilung der übrigen Heliozoa ist bis zur Stunde nur wenig
bekannt, hauptsächlich bei den Desmothoraca ist hierüber noch einiges
ermittelt worden. So hat schon Cienkowsky die einfache Theilung der
Clathrulina innerhalb der kieseligen Gitterschale constatirt; das betreffende
Thier theilt sich hierbei, wie die Actinophryen, obne die Pseudopodien
einzuziehen. Nach einiger Zeit jedoch werden die Pseudopodien retrahirt,
die beiden Sprösslinge ziehen sich kugelig zusammen und verlassen
schliesslich die Schale. Nachdem sie sich hierauf, nach Wiederentwick-
lung der Pseudopodien, eine Zeit lang in einem actinophrysartigen Zu-
stand umherbewegt haben, siedeln sie sich wieder an einem passenden
Platz an, scheiden zunächst einen neuen Stiel aus und bilden hierauf
auch wieder eine neue Schale. Nach den Beobachtungen Greeff’s scheint
es, dass zuweilen auch nur der eine der Theilsprösslinge die Mutterschale
verlässt, während der andere dieselbe weiter bewohnt. Auch bei der
naheverwandten Hedriocystis konnten Hertwig und Lesser häufig
/weitheilung in der Schale beobachten, ja sie- sahen sogar ein noch
schalenloses, junges Thier sich quer zur Stielaxe theilen. So wahrschein-
lich nun auch die weitere Verbreitung der Fortpflanzung durch einfache
Theilung bei den beschalten Heliozoön erscheint, so sind doch bis jetzt
hierüber nur sehr wenige gesicherte Beobachtungen vorhanden. Greeff
(33) und Hertwig (43) haben die Theilung der Acanthoeystis turfacea
mehrfach verfolgt, die in der gewöhnlichen Weise verlief. Das in ovale
Gestalt übergegangene Thier nahm eine Bisquitform an und schnürte sich
allmählich völlig durch. Die lose Skelethülle vermag hierbei natürlich
Koloniebildung (Actinophrys). 305
den Gestaltsveränderungen zu folgen*). Bei Pompholyxophrys punicea
Arch. beobachteten schliesslich Hertwig und Lesser mehrere Male bisquit-
förmige Einschnürung des Körpers, die bei einem zweikernigen Exemplar
nahezu bis zu völliger Trennung führte. Hierauf erfolgte jedoch Wieder-
vereinigung der Theilhälften, wie es ja in ähnlicher Weise auch bei Actino-
sphaerium gelegentlich beobachtet wurde.
Dass es verhältnissmässig leicht gelingt, das relativ grosse Actino-
sphaerium durch künstliche Theilung (Zerschneidung) zu vermehren,
war schon Eichhorn im vorigen Jahrhundert bekannt und wurde von
Häckel wie Greeff (27) neu bestätigt. Auch für Myxastrum gelang es
Häckel, in dieser Weise künstliche Vermehrung zu erzielen.
Wir reihen hier an die Besprechung des Theilungsprocesses gleich
die Betrachtung der Koloniebildung in ähnlicher Weise an, wie wir das
bei den Rhizopoden thaten, ohne jedoch damit auch aussprechen zu
wollen, dass die kolonialen Verbände der Heliozoa stets das Erzeugniss
fortgesetzter, einfacher Theilung seien, da gerade bei einem unserer
Thiere die Entstehung solcher Kolonien durch Zusammentritt ursprüng-
lich getrennter Individuen sicher erwiesen ist. Eben bei der Form,
welche dieses Verhalten zeigt (Actinophrys sol), sind auch am frühesten
solche koloniale Verbände beobachtet worden. Schon Ehrenberg hatte
derartige Individuenverbände beobachtet, jedoch irrthümlicherweise für
eine besondere Art (A. difformis) gehalten. Später haben nament-
lich Perty, Cohn, Stein, Lieberkühn, Weston, Carter, Claparede und
zahlreiche andere Forscher sich mit der Untersuchung dieser Erschei-
nung beschäftigt. Die Zahl der zu einem Verbande vereinigten Indi-
viduen ist hier eine sehr verschiedene; es sind gelegentlich bis zu
9 Einzelthiere in der gleich zu schildernden Weise vereinigt gesehen
worden. Wenn einerseits der vielfach constatirte Hervorgang dieser Ver-
bände, durch Vereinigung ursprünglich getrennter Individuen, der ganzen
Erscheinung schon grosse Aehnlichkeit mit der Conjugation verleiht, so
wird dieselbe dadurch noch erhöht, dass die Verbindung der Einzelindivi-
duen eine sehr innige ist (XIV. 7b). Breite, hyaline Protoplasmabrücken
verbinden dieselben so innig untereinander, dass die den einzelnen Indi-
viduen angehörigen Protoplasmapartien sich häufig ziemlich schwierig
abgrenzen lassen und der ganze Verband einem Haufen zusammen-
geballter Kletten gleicht. Durch den Nachweis eines Kemes in jedem
der Individuen lässt sich dennoch die Natur des Verbandes sicher eruiren.
Besondere Eigenthümlichkeiten zeigten z. Th. noch die breiten Protoplasma-
brücken, welche in der erwähnten Weise die Individuen vereinigen. In
denselben bemerkt man nämlich einmal häufig ansehnliche Flüssigkeits-
vacuolen (XIV. 7b, v) und andererseits grosse Nahrungskörper (7b, N),
*, Aus der Zweikernigkeit der Individuen allein darf jedoch nicht ohne weiteres auf
bevorstehende Theilung geschlossen werden, da ja die Bedeutung der Mehrkernigkeit noch
. keineswegs sicher ist.
Bronn, Klassen des Thier-Reichs, Protozoa. 20
306 Heliozoa.
die, wie es scheint, von den vereinigten Thieren aufgenommen werden *).
Solehe Nahrungskörper wurden sogar einst von Cohn für besondere
Keime gehalten, welche sich in Folge der Conjugation bildeten. —
Bis jetzt hat sich jedoch eine Beziehung dieser Vereinigungsvorgänge
der Actinophrys sol zu Fortpflanzungserscheinungen nicht constatiren
lassen und die von Cienkowsky ausgesprochene Ansicht: dass die
Conjugations- und Copulationserscheinungen zahlreicher Protozoa in
keiner direeten Beziehung zur Fortpflanzung stünden, sondern eine Er-
leichterung der Ernährung, speciell wohl der Nahrungsaufnahme, be-
zweckten, dürfte gerade für die Vereinigungszustände unserer Form,
mit Rücksicht auf das erwähnte, gewöhnliche Vorkommen grosser Nah-
rungskörper, eine gewisse Berechtigung besitzen. Auch Hertwig und Lesser
schliessen sich, speciell für Actinophrys, der Cienkowsky’schen Ansicht an.
Nach den zahlreichen Beobachtungen, die über das thatsächliche
Hervorgehen der Actinophrysgruppen durch Verschmelzung von Einzel-
individuen angestellt worden sind, darf dieser Vorgang ohne Zweifel als
die gewöhnliche Entstehungsweise derselben bezeichnet werden. Ob sich
daneben derartige Verbände auch noch durch unvollständige Theilung zu
bilden vermögen, erscheint fraglich, wenngleich Greeff diese Ansicht
vertrat und die Verschmelzungserscheinungen leugnete. Sehr häufig hat
man Gelegenheit, die Wiedertrennung der Gruppenverbände der Aectino-
phrys zu beobachten und zwar kann sich hierbei die Gruppe in Einzel-
individuen auflösen, oder, wenn sehr individuenreiche Verbände vor-
liegen, können diese zunächst wieder in Untergruppen zerlegt werden.
Bei den übrigen Heliozoön begegnen wir der Koloniebildung bei
der nackten Monobia und den skeletführenden Gattungen Raphi-
diophrys und Sphaerastrum. Die kolonialen Verbände erscheinen
bei diesen 3 Gattungen von sehr übereinstimmender Bildung (XIV. 3,
XV. 3a, XVl. 3). Die in sehr verschiedener Zahl zur Bildung solcher
Kolonien zusammengetretenen Individuen — die höchstbeobachtete Zahl
betraf die Raphidiophrys elegans H. u. L., von der Leidy**) einst
nicht weniger wie 38 Individuen in einer Kolonie vereinigt fand — be-
halten ihre regelmässig kugelige Gestalt bei. Ihre Vereinigung unter ein-
ander ist weit lockerer als dies bei den Kolonien der Actinophrys zu
verzeichnen war, indem die Einzelindividuen in mehr oder weniger be-
trächtlichen Abständen von einander verbleiben und nur durch ziemlich
schmale Protoplasmabrücken unter einander in organischer Verbindung
stehen. In dieser Art steht dann gewöhnlich ein Individuum gleichzeitig
mit mehreren benachbarten in Verbindung, jedoch kann natürlich, nament-
*) Lieberkühn (34) beobachtete die Nahrungsaufnahme bei einer solchen, aus Ver-
einigung zweier Individuen hervorgegangenen Gruppe und sah hierbei von jedem der Indivi-
duen einen diaphanen, ziemlich starken Fortsatz sich entwickeln, welche Fortsätze zusammen
den aufzunehmenden Nahrungskörper (ein kleines Glaucoma) umhüllten und in die gemeinsame
Körpersubstanz zurückzogen.
*#*) Proceed. Acad. Philad. 1874. p. 219 u. Nr. 50.
Koloniebildung (Raphidiophrys, Sphaerastrum), Knospung (Acanthocystis). 307
lich bei individuenarmen, kleinen Kolonien, auch nur je eine solche
Plasmabrücke sich zwischen einem Individuum und seinem nächsten
Nachbar ausspannen. Speciell bei der Monobia confluens wurde beob-
achtet (49), dass die gegenseitige Anordnung der Individuen der Kolonie
eine sehr wechselnde ist, und dass mit diesem Wechsel der Gruppirung
sich auch die Verbindungsbrücken zwischen den Mitgliedern der Kolonie
vielfach verändern. Neue bilden sich durch eintretende Verschmelzung
zwischen zwei Pseudopodien benachbarter Individuen und durch Plasma-
zufluss zur Verstärkung dieser ursprünglich sehr zarten Brücken; da-
gegen verschwinden alte Brücken durch Zerreissen und Zurückziehung.
In dieser Art bieten denn auch die Kolonien der Monobia ein stets wech-
selndes Aussehen dar. Eine ähnliche Veränderlichkeit im Aufbau der
Kolonien hat Leidy (50) auch bei Raphidiophrys gefunden. Das Ver-
halten der Skelethülle ist bei den beiden koloniebildenden Skeletophora
eigenthümlich. Die Skelethüllen der Einzelthiere sind zu einer gemein-
samen Hülle für die ganze Kolonie verschmolzen. Es zeigt diese ge-
meinsame Skelethülle daher, je nach der Zusammengruppirung der In-
dividuen, eine etwas wechselnde und meist ziemlich unregelmässige
Gestaltung, jedoch bei beiden Gattungen das Bestreben, sich um die
Basen der Pseudopodien zackig zu erheben, noch ausgeprägter, als
dies schon bei den Einzelthieren hervortritt. Es scheint natürlich, dass
auch die letztgeschilderten Kolonien, wie die der Actinophrys meist keinen
dauernden Bestand aufweisen, sondern sich durch Loslösung einzelner
Individuen oder auch Individuengruppen verändern, vielleicht zuweilen
auch gänzlich zerfallen. So sah z. B. Leidy, dass eine aus 38 Indivi-
duen zusammengesetzte Kolonie der Raphidiophrys elegans in 3 Gruppen
von je 10, 13 und 15 Individuen zerfiel. Dieselbe Ablösung einzelner In-
dividuen oder Gruppen ist weiterhin namentlich bei Monobia beobachtet
worden.
Die Entstehung der soeben geschilderten Kolonien wurde bis jetzt nur
bei Monobia verfolgt, wo Schneider ihre Bildung durch fortgesetzte Zwei-
theilung beobachten konnte. Andererseits erscheint es ihm jedoch
möglich, dass auch Vereinigung vorher getrennter Individuen, also ähn-
lich wie bei Aectinophrys, zum Aufbau der Kolonie beitragen könne. Bei
Raphidiophrys und Sphaerastrum fehlen, wie bemerkt, Beobachtungen
über die Bildungsvorgänge der Kolonien.
B. Fortpflanzung durch Knospung und durch Schwärmerbildung.
Bis jetzt deutet hauptsächlich eine bei Acanthoeystis (spinifera H. u. L.)
angestellte Beobachtung Hertwigs (43) auf die Existenz einer sich nach Art der
Knospung repräsentirenden Fortpflanzungsweise hin. Hier fand sich ein Exem-
plar, welches in einer kugeligen Ausbuchtung seiner Skelethülle einen proto-
plasmatischen, anscheinend kernlosen Körper einschloss, der in seinem Durch-
messer nur wenig hinter dem kernhaltigen und pseudopodienaussendenden
Thierkörper zurückblieb, Die Ausbuchtung der Skelethülle, welche den
20*
308 Heliozoa.
erwähnten Körper umschloss, bestand vorzugsweise aus den früher er-
wähnten, tangential gelagerten Stäbchen, und der von ihr eingeschlossene
Protoplasmakörper entsandte keine Pseudopodien. Fortgesetzte Beobach-
tung lehrte, dass der erwähnte Körper sich allmählich nahezu völlig von
der Acanthocystis isolirte, indem der ihn umgebende Theil der Skelethülle
sich kugelig um ihn abschloss und nur noch durch einige zwischenge-
schobene Skeletstäbehen mit dem Mutterthier in Verbindung blieb. Nun
aber trat nach einiger Zeit ein Zerfall des in der so gebildeten
Brutkapsel eingeschlossenen Protoplasmakörpers ein, wodurch dieser in
6 Theilstücke zerlegt wurde. Diese Theilstücke verliessen nach einander
allmählich die Skelethülle der Brutkapsel an einer bestimmten Stelle und
entwickelten sich im Freien, durch Bildung zahlreicher spitzer, langer
Pseudopodien zu actinophrysartigen, lebhaft beweglichen Körpern. Wahr-
scheinlich besassen dieselben auch schon einige contractile Vacuolen und
einen Kern. Leider glückte jedoch bis jetzt die weitere Verfolgung der-
selben nicht. Nach Abstossung der entleerten Brutkapsel bildete das
Mutterthier eine neue, deren Entstehung nicht genauer verfolgt wurde, die
jedoch, wie mir scheint, nicht wohl anders als durch Abschnürung eines
Theils des Protoplasmaleibes, sammt entsprechender Skelethülle gebildet
werden konnte.
Dass wir hier einen echten, zwar etwas eigenthümlich verlaufenden
Fortpflanzungsakt der Acanthocystis vor uns haben, erscheint mir nicht
fraglich und ich habe ibn an dieser Stelle erörtert, da er dufch die Bil-
dung zahlreicher kleiner Sprösslinge sich den Knospungserscheinungen
bis zu gewissem Grade anzuschliessen scheint. Auch bei der Acanthocystis
viridis Ehbg. gelang es neuerdings Korotneff*) denselben Fortpflanzungs-
process zu beobachten. Unter der Skelethülle fand sich hier eine kleine,
vom Mutterleib schon völlig losgelöste Knospe mit Nucleus und contraetiler
Vacuole, die bald aus der Skelethülle hervortrat und sich zu einem klei-
nen, actinophrysartigen Wesen umgestaltete.
Noch mehr nähert sich jedoch der bei der erstgenannten Form gleich-
falls von Hertwig beschriebene weitere Fortpflanzungsmodus den eigentlichen
Knospungserscheinungen und speciell der von uns bei den Rhizopoden
besprochenen Knospungserscheinung der Arcella. Aus letzterem Grunde
glaube ich denn, dass wohl auch dieser Vorgang mit grosser Wahr-
scheinlichkeit als wirklicher Fortpflanzungsakt beansprucht werden darf
und dass eine Täuschung “durch Entwickelung einer parasitischen Pro-
tozo@ — welche Hertwig nach den zahlreichen Irrthümern, die auf dem
Gebiet der Protozoönfortpflanzung durch solche parasitische Eindringlinge
hervorgerufen wurden, nicht für ausgeschlossen hält — in unserem Fall
wohl nicht zu befürchten ist.
Die hier erwähnte Fortpflanzungsart ist kurz folgende. Unterhalb
der Skelethülle der Acanthoeystis beobachtete man zuweilen bis zu 6 proto-
*) Korotneff, Etudes sur les Rhizopodes. Arch. zoolog. experim. VII.
u ne
Schwärmerbildung (Acanthoeystis, Clathrulina etc.). 309
plasmatische, kernhaltige, rundliche Körper, welche der Oberfläche
des Weichkörpers dicht auflagen oder sogar wie in, einem Ausschnitt
desselben eingebettet waren und ca. !/,—!/, des Durchmessers der Acantho-
eystis besassen (XVI. 7b). Nach dem häufig zu beobachtenden Austritt
derselben aus der Schale gingen sie meist keine weiteren Veränderungen
ein, nur einige Male konnte die Entwiekelung zweier Geisseln an einem
Körperende constatirt werden (XVI. 7ec), welche jedoch so schwach arbei-
teten, dass sie den Körper nur hin- und herrollten, ohne ihn wirklich
fortzubewegen. Eine Weiterbildung zu actinophrysartigen Gebilden liess
sich nicht nachweisen. Das häufige Auftreten solcher Körper, sowie die
anscheinend volle Lebensthätigkeit, welche die sie entwickelnden Acantho-
eystiden zeigten, macht es, wie oben schon bemerkt, wahrscheinlich,
dass wir es wirklich mit einem Fortpflanzungsvorgang zu thun haben *).
Das Auftreten von Schwärmsprösslingen im Entwickelungsgang eines
Heliozo@ön ist weiterhin von Cienkowsky, Greeff, sowie Hertwig und
Lesser bei Clathrulina mit Sicherheit constatirt worden. Hier verläuft dieser
Process sogar in zweierlei verschiedener Weise. Die eine Art der
Schwärmerbildung vollzieht sich durch Vermittelung eines Encystirungs-
processes und wird daher besser erst späterhin, bei der Besprechung der
Eneystirungsvorgänge, betrachtet werden. Die zweite Art der Schwärmer-
entwickelung wurde bei Clathrulinen beobachtet, deren Weichkörper
innerhalb der Schale, wahrscheinlich durch fortgesetzte Zweitheilung, in
3 Theilstücke, zwei kleinere und ein grösseres, zerfallen war. Von diesen
3 Theilstücken verliessen die beiden kleineren die Schale und bildeten
sich zu einem zweigeisseligen, ovalen Schwärmer, mit Kern und einigen
contractilen Vacuolen am Hinterende um (XVII. 1d). Nach verhältniss-
mässig nur kurzer Umherbewegung (ca. !/; Stunde) hefteten sich die
Schwärmer fest und entwickelten Pseudopodien. Gleichzeitig bildete sich
auch der Stiel aus, als ein protoplasmatischer Fortsatz, der sich erst
nachträglich mit einer die Stielröhre formirenden Skelethülle umkleidete
und rasch weiterwuchs (XVII. 1f). Relativ erst spät scheint sich das
eigentliche Gitterskelet zu bilden. Ob das in der Schale zurückgebliebene
grössere Theilstück noch weiter zerfällt und vielleicht gleichfalls Schwär-
mer erzeugt, liess sich bis jetzt mit Sicherheit noch nicht entscheiden.
Hiermit dürfte denn auch alles aufgezählt sein, was mit einiger Sicherheit das Auftreten
von Schwärmern im Entwickelungsgang der Heliozoön zu erweisen scheint. Es liegen zwar
noch eine Anzahl von Beobachtungen vor, die Schwärmerbildung bei gewissen Formen nach-
gewiesen haben wollen, jedoch scheinen dieselben durchaus nicht für die Einreihung der be-
treffenden Schwärmer in den Entwickelungsgang der Heliozoön beweisend zu sein. Wenn wir
hier absehen von gewissen Beobachtungen, welche ganz unsicher erscheinen, wie der Angabe
von Waller**): dass Actinophrys sol in Folge der Conjugation Schwärme von Embryonal-
*) Fortpflanzung durch Knospung soll sich nach P. Mayer auch bei der Wagnerella
borealis finden, und zwar sollen sich hier acht Knospen entwickeln, nachdem der Kern sich
zuvor gleichfalls achtgetheilt hat. Der Kern wandert vor dieser Theilung aus der angeschwol-
lenen Stielbasis in das kugelige Köpfchen, wo seine Theilung erfolgt,
*#*) Journ. of the Queckett Club II.
310 Heliozoa.
keimen entwickele und ausstosse (auch Lang*) berichtet von einer Ausstossung feiner Körper-
chen bei dieser Form, die er mit der Fortpflanzung in Zusammenhang bringt), so bleiben uns
nur einige Beobachtungen von Greeff, Archer und Hertwig zu erwähnen übrig. Greeff (35)
sah aus einem abgestorbenen Actinosphaerium zahlreiche kleine Amöben heryorkriechen, die
sich nach einiger Zeit zu Schwärmern umbildeten und vermuthete (wohl unter dem directen
Einfluss der von Carter über die Fortpflanzung der Rhizopoda geäusserten Ansichten), dass
diese Schwärmer, welche er für Embryonen des Actinosphaerium hält, aus den Kernen des-
selben hervorgegangen seien. Auch Archer**) gibt an, bei Actinosphaerium ***) die Bildung
zahlreicher, birnförmiger Schwärmer direct aus der Körpersubstanz beobachtet zu haben; die-
selben besassen zwei Geisseln von verschiedener Länge; ihr weiteres Schicksal konnte jedoch
nicht verfolgt werden. Schliesslich reiht sich dann hier noch eine Beobachtung R. Hertwigs
an, der in einer sehr grossen Actinophrys sol zahlreiche sehr kleine, zweigeisselige Schwärmer
beobachtete, die schliesslich hervorbrachen und sich zerstreuten. Hertwig selbst sucht diese
Beobachtung, wie die Greeffs, auf die Entwickelung eines parasitischen Organismus zurück-
zuführen, worin ich seiner Meinung nur beizupflichten vermag, wie ich denn dasselbe auch
bezüglich der Beobachtung von Archer für sehr wahrscheinlich erachten muss,
Im Anschluss an die Schilderung dieser Vorgänge wäre hier am
geeignetsten noch zu erwähnen, dass Cattaneo (51) in neuester Zeit bei
der sogen. Acanthoeystis flava Greeff eine Bildung von Keimkörnern durch
Zerfall des Nucleus beobachtet haben will. Da jedoch ein solcher, an
und für sich schon sehr unwahrscheinlicher Fortpflanzungsaet durch die
Beobachtungen C.’s keineswegs hinreichend sicher erwiesen ist, so unter-
lassen wir hier eine eingehendere Darstellung dieser Beobachtungen.
C. Fortpflarzungserscheinungen im Gefolge der Encystirung und die
Encystirungsvorgänge überhaupt.
Die Eneystirung ist bei den Heliozoön, wie bei den Süsswasser
protozo@n überhaupt, eine sehr verbreitete Erscheinung, für deren all-
gemeine Beurtheilung hier so ziemlich dasselbe gilt, was bei den Rhizo-
poden schon angeführt werden durfte. Es vollzieht sich daher auch hier der
Eneystirungsprocess theils ohne gleichzeitige Vermehrung des umhüllten
Weichkörpers, zum Schutz während einer Ruhepause im Leben des Or-
ganismus oder zur Abwehr äusserer Fährlichkeiten, theils aber mit Zerfall
des encystirten Körpers in eine Anzahl Theilsprösslinge. Auch bier be-
gegnen wir fernerbin einer ziemlichen Verschiedenheit in der Bil-
dung der Cystenhüllen, indem dieselben einmal einfach oder mehrfach
vorhanden sein können, weiterhin jedoch auch aus recht verschiedenem
Material, sowie morphologisch recht different gebildet sein können. Da
sich nun die mit und ohne Vermehrung verlaufenden Enecystirungsvorgänge
bis jetzt niebt scharf auseinander halten lassen, wahrscheinlich auch in
der Natur keine scharfe Grenze zwischen denselben existirt, so be-
sprechen wir dieselben hier gleichzeitig.
Was zunächst das Material, aus welchen die Cystenhüllen aufgebaut
sind, betrifft, so besteht dasselbe hier, in Uebereinstimmung mit der aus-
*) Monthly microscop. journ. IV. p. 334.
*#) Quart. j. mir, sc. N. s. X. p. 306.
###*) Angeblich chlorophyliführende Varietät von Actinophrys sol.
Encystirung (Vampyrella, Nuclearia). all
gesprochenen Neigung der Heliozoön zur Kieselsäureabscheidung, sehr
häufig aus einer verkieselten organischen Grundmasse, ähnlich wie die
Skelettheile. Dies tritt uns sowohl bei skeletführenden wie skeletlosen
Formen entgegen, andererseits finden wir jedoch auch Cellulose- und
Chitinhüllen bei einigen Formen vor und zuweilen treten zu Beginn des
Eneystirungsprocesses auch gallertige Umhüllungen auf, wie wir sie schon
früher besprochen haben, unter denen jedoch im weiteren Verlauf noch
festere Hüllen zur Ausbildung gelangen. Beim Uebergang in den en-
eystirten Zustand werden natürlich zunächst die Pseudopodien eingezogen ;
zuweilen gehen jedoch auch noch weitere Veränderungen im Weichkörper
vor; so Rückbildung und Verschwinden der Vacuolisation des Proto-
plasmas, Veränderung der Kernverhältnisse ete.
Wir glauben hier einen Ueberblick über die Eneystirungsprocesse
der Heliozoön am besten in der Weise geben zu können, dass wir die
Verhältnisse bei einer Anzahl in dieser Richtung besser bekannter Formen
etwas genauer erläutern, und daran einige Bemerkungen hinsichtlich der
übrigen knüpfen. Verhbältnissmässig genau ist der Eneystirungsprocess
unter den nackten Formen bei der Gattung Vampyrella durch die
Untersuchungen Cienkowsky’s (24) bekannt. Hier ist der Verlauf desselben
ein etwas variabler, weshalb Cienkowsky zwischen einem sogen.
Zell- und einem Ruhezustand unterschied. Der erstere tritt nach reich-
licher Nahrungsaufnahme ein und steht mit einem Vermehrungsprocess
durch Theilung in Zusammenhang. Die Vampyrella nimmt, nach Ein-
ziehung ihrer Pseudopodien, gewöhnlich an einen Confervenfaden an-
geheftet, eine kugelige bis birnförmige oder auch langgestreckte Gestalt an
(je nach den verschiedenen Arten) und scheidet zunächst meist eine
zarte, stickstoffhaltige (gallertige?) Hüllhaut aus (sogen. Schleier Cienk.),
unter deren Schutz sich der eingeschlossene Weichkörper noch weiter
zusammenzieht und nun eine ihn dieht umschliessende Cellulosehaut (Zell-
haut, Cienk.) (XIII. 11e—d, z) ausbildet. Innerhalb dieser erfolgt dann
der Zerfall des Körpers in 2 bis 4 Theilstücke (XIII. Ile—d), unter
gleichzeitiger Ausscheidung der unverdauten Nahrungsreste (N). Die
Tbeilstücke verlassen hierauf die Cyste durch eine oder mehrere von
ihnen gebildete Oeffnungen (XII. 11c—d).
Der sogen. Ruhezustand unterscheidet sich nach Cienkowsky haupt-
sächlich dadurch von dem eben besprochenen Zellzustand, dass es hier-
bei noch zur Bildung einer dritten Cystenhülle (sogen. Cystenhaut Cienk., €)
innerhalb der sogen. Zellhaut kommt und dass weiterhin keine Theilung
des dreifach umhüllten Weichkörpers beobachtet wurde (XIll. Ile, 12a).
Die Cystenhaut (ce) besitzt bei diesen Ruhezuständen zuweilen eine war-
zige Oberfläche, zuweilen ist auch die Zellbaut mit Stachelehen besetzt.
Auch bei diesem Eneystirungsvorgang erfolgt innerhalb der Zellbaut eine
Ausscheidung der unverdauten Nahrungsreste (N).
Ob die Cienkowsky’sche Unterscheidung zwischen Zell- und Rube-
zustand völlig durebführbar sei, wird von Hertwig und Lesser bezweifelt,
312 Heliozoa.
die bei der V. Spyrogyrae nur einfach umhüllte Cysten mit oder ohne
Vermebrung durch Theilung auffinden konnten. Auch Häckel hat hei
seiner V. Gomphonematis (XIII. 13b) die Bildung einer einfachen, structur-
losen Hülle von grosser Dicke beobachtet, die eine mehr chitinartige
Natur besass. Der Weichkörper zerfällt in diesen Cysten in 4 Tbeil-
stücke (sogen. Tetrasporen), die durch simultane Viertbeilung zu ent-
stehen scheinen. Dieselben schlüpfen nach einiger Zeit alle aus einer
und derselben Oeffnung aus, welche der erst-hervorbrechende Sprössling,
gegenüber der Befestigungsstelle der kugeligen Cyste an dem Ende eines
Gomphonemastielchens, erzeugt.
Aehnlich wie Vampyrella verhält sich hinsichtlich der Eneystirung
auch Nuclearia. Der von Cienkowsky bei N. simplex aufgefundene
Rubezustand wurde auch von mir vielfach beobachtet (XIV. 2a). Er
weist zwei Hüllen auf, eine äussere etwas dünnere (z) und eine innere
etwas diekere und auf ihrer Innenfläche schwach warzige (ec). Nach
Bildung der äusseren Hülle muss sich der Weichkörper unter Ausstossung
der Nahrungsreste und Excretkörnchen (N) stark contrahiren, da der
Durchmesser der Binneneyste etwa nur die Hälfte des der äusseren
Hülle beträgt. Cienkowsky sah nach Austrocknung der Cysten bei der
Befeuchtung die Nuclearia wieder ausschlüpfen. Ich beobachtete ge-
legentlich auch 4 kleine Speeialeysten gleichzeitig in der Aussenhülle
(XIV. 2b), woraus ohne Zweifel hervorgeht, dass zuweilen auch Theilung
des Weichkörpers in der Aussenhülle mit darauf folgender Bildung von
Speeialeysten um die -Theilprodukte erfolgt.
Eine gewisse Aehnlichkeit mit diesem Verhalten bietet unter den
skeletführenden Formen die Clathrulina dar. Hier kann sich der in der
Gitterhülle kugelig zusammengeballte Körper mit einer Cystenhülle um-
kleiden, die nach Greeff, wegen ihrer Resistenz, wahrscheinlich auch aus
Kieselsäure gebildet ist und deren Oberfläche von feinen Stachelchen be-
deckt ist. Gewöhnlich theilt sich jedoch der Weichkörper zuvor in meh-
rere Stücke, 2—10, die sich sämmtlich mit einer solehen kugeligen Cysten-
hülle umkleiden (XVII. le). Erst nach längerer Zeit, nach Verlauf
einiger Monate, und wie Cienkowsky vermuthet in der freien Natur wahr-
scheinlich erst nachdem die Cysten den Winter über geruht haben, tritt
aus ihnen ein ovaler Schwärmsprössling hervor. Derselbe verlässt die Gitter-
schale der Mutter und schwärmt einige Stunden umher, um sich hierauf
festzusetzen und sich wie die früher beschriebenen Schwärmsprösslinge
zur ausgebildeten Clathrulina zu entwickeln. Bis jetzt ist es nicht mög-
lich gewesen, die Bewegungsorgane dieser Schwärmer mit Sicherheit
zu beobachten; Cienkowsky konnte nicht entscheiden, ob derselbe eine oder
mehrere Cilien besitze; Greeff gibt einfach an, „dass er vermittelst Wimper-
bewegung umherschwärme.‘“ Es dürfte jedoch wohl zu vermuthen sein,
dass der Schwärmer dieselben beiden Geisseln besitze, wie der von
Hertwig und Lesser beschriebene, da er im übrigen Bau diesem ganz zu
entsprechen scheint.
Eneystirung u. Fortpflanzung (Myxastrum u. Actinosphaerium). 313
Mit Vermehrungserscheinungen verbundene Eneystirungsvorgänge sind
ferner noch bei Myxastrum und Actinosphaerium nachgewiesen worden.
Besonders eigenthümlich und eomplieirt gestalten sich diese Vorgänge bei
der letzteren Gattung, wiewohl auch das Verhalten von Myxastrum recht
interessant und nicht ohne Aehnlichkeit mit dem des Actinosphaerium ist.
Nach den Beobachtungen Häckels (30) umhüllt sich das zusammengekugelte
Myxastrum mit einer ziemlich resistenten Cystenhülle. Dieselbe ist an-
fänglich dünn, verdickt sich jedoch bald beträchtlich, durch Zuwachs
neuer Schichten (bis zu !/; des Cystendurchmessers) und liegt dem Weich-
körper dicht auf. Nach einiger Zeit sieht man den Weichkörper in ca.
50 radial geordnete, kegelförmige Protoplasmatheile zerfallen, die sich
sämmtlich im Centrum der Kugel berühren und welche wahrscheinlich
durch simultanen Zerfall des Plasmakörpers entstanden sind. Diese Theil-
produkte nehmen nach einiger Zeit eine spindelförmige Gestalt an und
entwickeln sämmtlich eine dünne, kieselige Specialeystenhaut (XIII. 14a).
In solcher Verfassung scheint die von Specialeysten (Sporen) erfüllte
Cyste längere Zeit zu verweilen, da es Häckel, trotz mehrwöchentlicher
Beobachtung, nicht gelang, eine Veränderung derselben wahrzunehmen.
Wurde jedoch die Cyste künstlich gesprengt, so dass die Sporen ins
Freie traten, so konnte nach einigen Tagen der Austritt des protoplasma-
tischen Inhalts beobachtet werden. Derselbe vollzog sich durch eine an
dem einen Pol der Kieselspindel befindliche Oeffnung, über deren Ent-
stehung oder schon früheres Vorhandensein nichts Sicheres ermittelt werden
konnte. Der ausgetretene Sprössling verharrte zunächst einige Zeit
im zusammengekugelten Zustand ruhend, um hierauf allmählich allseitig
zahlreiche Preudopodien zu entwickeln (XIII. 14b).
Es dürfte wohl kaum fraglich erscheinen, dass auch der natürliche
Entwickelungsgang dieser Myxastrumeysten in ähnlicher Weise verlaufen
wird, ohne Zweifel jedoch erst, nachdem eine längere Ruheperiode vor-
hergegangen ist.
Ueber den Eneystirungsprocess des Actinosphaerium haben eine
Reihe Forscher Beobachtungen angestellt, die jedoch in manchen
Punkten von einander abweichen. Die ersten, jedoch nicht sehr ein-
gehenden Mittheilungen rühren von Cienkowsky (24) her, der den En-
eystirungsprocess an Actinosphärien verfolgte, welche durch Verschmelzung
aus künstlich erzeugten Theilstücken hervorgegangen waren. Schon diese
Beobachtung musste es wahrscheinlich machen, dass die Encystirung
unserer Form sich hauptsächlich nach vorausgegangener Copulation zeige.
In der Folge hat sich jedoch diese Vermuthung nicht allgemein bestätigen
lassen, wenn es auch wahrscheinlich ist, dass der Eneystirung zuweilen
ein solcher Copulationsakt vorausgeht. Wir werden weiter unten- die
Beobachtungen über die Copulation genauer betrachten und hierbei Ge-
legenheit haben, diese Frage eingehender zu behandeln. Nach den über-
einstimmenden Beobachtungen Cienkowsky’s, Ant. Schneider’s (36), Greefl’s
(37), F. E. Schulze’s (38, I.) und Brandt’s (44) zieht das zur Encystirung
314 Heliozoa.
sich anschickende Actinosphaerium seine Pseudopodien ein, scheidet eine
ziemlich dieke, geschichtete Gallerthülle um sich ab und bildet die Va-
cuolisation seines Plasmas allmählich mehr und mehr zurück. Dabei
zeigt sich, nach den Erfahrungen Brandts, nach der Einziehung der
Pseudopodien, nicht selten für einige Zeit ein eigenthümlicher, amöboider
Zustand. Als nächste Veränderung im encystirten Plasmakörper bemerkt
man nach Schulze und Brandt eine Abnahme der Zahl der Kerne (nach
Schulze von etwa 100 und mehr bis auf 20-30). Ueber die Art und
Weise, in welcher sich dieser Process vollzieht, ist jedoch bis jetzt nichts
Sicheres bekannt. Entweder können hier Kernverschmelzungen statt-
finden, was hauptsächlich Schneider vermuthet und wofür mancherlei
Wahrscheinlichkeitsgründe aufgeführt werden könnten (namentlich aber
die Beobachtung Brandts, dass die Grösse der Kerne beträchtlicher wird
wie früher [ca. 0,014 : 0,027]), oder aber einfacher Untergang (Auflösung,
resp. Ausstossung) einer Anzahl von Kernen. Uebrigens lässt Schneider
die Kernverminderung durch Verschmelzung nicht schon auf diesem
Stadium des Eneystirungsprocesses sich vollziehen, sondern erst in den
Theilstücken, die, wie gleich zu beschreiben sein wird, durch Zerfall des
Plasmakörpers innerhalb der Gallerteyste ihre Entstehung nehmen. Es
theilt sich nämlich der Plasmakörper in eine, je nach dem Fall, sehr ver-
schiedene Zahl von kugeligen Partien (2—35 nach Brandt) (sogen. Keim-
kugeln), von welchen jede einen der Kerne einschliesst (XV. le). Nach
Schulze und Greeff erfolgt dieser Theilungsprocess successive, ganz ähn-
lich wie eine Furchung; dagegen soll nach Brandt der Zerfall in die
definitive Zahl von Kugeln gewöhnlich simultan vor sich gehen*). Während
nun Schulze jede dieser Kugeln sich einfach mit einer kieseligen Haut
umbhüllen lässt, haben dagegen Greeff und Brandt noch weitere eigen-
thümliche, dieser Umhüllung vorhergehende Processe beobachtet. Greeff
berichtet, dass je zwei benachbarte Kugeln mit einander verschmölzen, so
dass bei ungerader Zahl derselben eine derselben unverschmolzen zurück-
bleibe und sich die Zahl der Kugeln derart auf die Hälfte redueire. Etwas
anders lauten die Angaben Brandt’s. Derselbe sah jede der Kugeln sich
mit einer dünnen, membranartigen Hülle umkleiden, sich hierauf inner-
halb dieser zweitheilen und nach einiger Zeit die beiden Theilhälften
wieder mit einander verschmelzen. Hierauf scheint die membranartige
Hülle zu verschwinden. Erst die so entstandenen Plasmakugeln um-
kleiden sich mit einer kugeligen bis sechseckigen, ziemlich dieken Kiesel-
hülle (XV. 1ec, z), welche nach Schneider und Brandt aus kleinen Kiesel-
stückehen zusammengesetzt sein soll, wogegen sie auf Schulze mehr den
Eindruck einer „Membran mit Lücken oder dellenartigen Depressionen“
machte **).
Der ganze Vorgang bis zur Bildung der Kieseleysten nimmt nach
*) Aechnlich spricht sich auch Greell' aus.
#*#) Nach Greefl sollen sich um jede Kugel successive 2 Kieselhüllen bilden.
Eneystirung u. Fortpflanzung (Actinosphaerium u. Actinophrys). 315
Brandt etwa 2—3 Tage in Anspruch. Die so gebildeten Cysten ver-
harren nun den Winter über auf dem Boden der Gewässer im ruhenden
Zustand. Erst im folgenden Frübjahr schlüpfen aus ihnen junge Aectino-
sphärien hervor, die nach Schulze einkernig sind, wogegen Schneider
und Brandt übereinstimmend ihre Mehrkernigkeit hervorheben *).
Hiermit hätten wir das Thatsächliche des interessanten Eneystirungs-
processes des Actinosphaeriums erschöpft und zur Ergänzung möge nur
noch beigefügt werden, dass sich bei sehr kleinen Actinosphärien nach
Brandt auch nur eine einfache Kieseleyste bildet, jedoch auch der Bil-
dung dieser eine Zweitheilung und Wiederversehmelzung vorangeht.
Gelegentlich tritt auch im Beginn des Encystirungsprocesses eine Zwei-
theilung der Actinosphärie auf, worauf beide Hälften innerhalb der ur-
sprünglichen Gallerteyste sich mit einer Speecialgallerthülle umkleiden,
und jede Theilhälfte für sich die weiteren Vorgänge durchsehreitet.
Anknüpfend an die ebengeschilderten Vorgänge bei Actinosphaerium
erwähnen wir noch kurz die bis jetzt weniger vollständig erkannten Er-
scheinungen bei Actinophrys, die von Cienkowsky (24) und Lieberkühn **)
verfolgt worden ‚sind. Hier verläuft der Process wahrscheinlich sebr
ähnlich wie bei Actinosphaerium. Die Ausscheidung einer sehr ansehn-
lich dieken Gallerthülle und die völlige Rückbildung der Vacuolisation
finden sich auch bier. Hierauf bildet sich jedoch nach Cienkowsky
eine zarte, sogen. Zellhaut um das von Gallerte umhüllte Thier, und
dessen centrale Partie verdichtet sich zu einer dunklen, kugeligen Masse.
Diese dunklere Binnenmasse soll sich nun allein zweitheilen, was mir
jedoch wenig wahrscheinlich dünkt. Hierauf verschwinde die Zellhaut
sowie die helle peripherische Plasmamasse und jede der beiden Theilkugeln
umhüllt sich successive mit zwei ziemlich dieken Cystenhäuten (XIV. 7e),
von welchen die innere glatt (ce), die äussere, braune dagegen auf der
Innenfläche eigenthümlich warzig ist (z). Ueber die chemische Beschaffen-
heit dieser Cystenhäute ist nichts bekannt. Etwas hiervon abweichend
ist die kurze Darstellung, welche Lieberkühn von der Eneystirung der
Aetinophrys gibt. Nach ihm umkleidet sich der ganze Körper mit einer
kugeligen Hülle, die nach Beschreibung und Abbildung ohne Zweifel
identisch ist mit der warzigen, äusseren Cystenhülle Cienkowsky’s; auch
die glatte, innere Cystenhülle hat L. beobachtet, jedoch als eine festere
Rindenschicht des encystirten Weichkörpers gedeutet. Innerhalb dieser
Cyste soll der Körper ungetheilt bleiben oder sich durch weitere Thei-
lung vermehren. Interessant ist die Angabe Lieberkühns, dass die con-
*) Greeff hat sehr eigenthümliche Vorstellungen über die Entstehung des jungen Actind-
sphaeriums aus dem Plasma der .Kieseleysten ausgesprochen. Es scheint ihm nämlich wahr-
scheinlich, dass dasselbe sich im Innern des Plasmas entwickle und dass der als Kern der
Keimkugel betrachtete centrale helle Körper als das in Entwickelung begriflene Actinosphae-
rium aufzufassen sei.
*#*), Siche Lieberkühn, Zusätze zur Entwickelungsgesch. der Spongillen. Arch. f. Anat.
u. Physiol, 1856, p. 505—7 und Nr. 34,
316 ILeliozoa.
tractile Vacuole sich während der ganzen Dauer des eneystirten Zu-
standes erhalte und weiter pulsire, wogegen Cienkowsky die contractile
Vacuole nach Bildung der sogen. Zellhaut und vor der Entwickelung der
beiden eigentlichen Cystenhüllen schwinden lässt. Das Hervortreten des
protoplasmatischen Körpers aus der Cyste haben beide Forscher verfolgt.
Nach Cienkowsky reisst zunächst die äussere Cystenhülle ein, indem sich
der Plasmakörper sammt der inneren Hülle sehr ausdehnt (XIV. 7d).
Hierauf tritt eine Scheidung zwischen einer helleren, eentralen und einer
dunkleren, peripherischen Partie im Plasmakörper auf und es zeigt sich
die randständige contraetile Vacuole (ev). Indem sich der Plasmakörper nun
von der inneren Cystenhülle, in die eingeschlossen er hervorgetreten ist,
zurückzieht, entwickelt er Pseudopodien, welche die „jetzt schon sehr
zarte, umfangreiche Cystenwand (innere) vor sich her drängen, bis sich
dieselbe schliesslich auflöst.“ Nach Lieberkühn tritt die junge Actino-
phrys als kugeliger, nicht weiter umhüllter Körper hervor und entwickelt
erst nach dem Austritt allmählich Pseudopodien und Vacuolen.
Besonderes Interesse bietet noch die von F. E. Schulze bei seinem
Actinolophus beobachtete Bildung eines Ruhezustandes dar. Die Aus-
bildung desselben wird durch ein Deutlicherwerden der, wie früher schon
erwähnt, wahrscheinlich stets vorhandenen Gallertumhüllung eingeleitet.
Hierauf tritt auf der Aussenfläche dieser Gallerthülle eine Lage sechs-
eckiger Kieselplättchen auf (XIV. 6b), die eine allseitige Hülle formiren,
welche sich auch noch als ein röhrenförmiger Ueberzug über den Stiel
fortsetzt. Die Kieselplättehen stossen mit ihren Seiten nicht unmittelbar
zusammen, sondern sind entweder durch Lücken getrennt oder vielleicht
durch eine gemeinsame Membran zusammengehalten. Weiterhin werden
dann die Pseudopodien eingezogen und der Kern zeigt eine Vermehrung
zu zweien. Das Centralkorn wie auch wohl die Axenfäden schwinden
gleichfalls, worauf die Kerne ihre sonst excentrische Lage nicht mehr
beibehalten und sich beliebig im Plasma zerstreuen. Weiter konnte jedoch
bis jetzt das Verhalten dieser Ruhezustände nicht verfolgt werden.
Mit wenigen Worten müssen wir noch der bei anderen Heliozo@n
gelegentlich beobachteten Eneystirungsvorgänge gedenken, die jedoch
bis jetzt nur sehr unvollständig erforscht sind. Einkugelung mit Ent-
wickelung einer äusserst dünnen Cystenmembran wurde von Hertwig
und Lesser bei Hedriocystis beobachtet. Bei Pompholyxophrys
punicea sah Greeff den Weichkörper in der Schale sich stark zu-
sammenziehen und mit einer dicht aufliegenden, anscheinend fein-
porösen Kieselhaut umhüllen. Auch Archer beobachtete die Entwicke-
lung einer dieken Hüllschicht unterhalb der normalen Hülle bei Sphaer-
astrum Fockii. Die äussere Hülle machte alsdann den Eindruck einer
vielfach gefalteten und verschrumpften, byalinen Haut. — Schliesslich
hat noch Greeff (33, 40) einen nicht uninteressanten Eneystirungsprocess
der Acanthoceystis turfacea beschrieben. Nachdem der Weichkörper
sich innerhalb der Skelethülle beträchtlich eontrahirt hat, entwickelt er
Copulation (Actinosphaerium). 317
auf seiner Aussenfläche eine kieselige Cystenhaut, die eine Gitterkugel,
ähnlich der der Clathrulina darstellt. Die Chlorophylikörner sind im
Centrum des encystirten Weichkörpers zusammengedrängt. In seiner
ersten Arbeit (33) erwähnt jedoch Greeff an den encystirten Exemplaren
noch einer äusseren kugeligen Kieselschicht, welche die Fussplättchen der
Stacheln unter einander verbinde, oder etwas ausserhalb dieser sich ent-
wickele. Da das Skelet der encystirten Acanthoeystis ganz gut erhalten
zu bleiben scheint, so dürfte wahrscheinlich auch eine solche Hülle die
isolirten Skelettheile verbinden, da diese sonst wohl auseinanderfallen
müssten. Auch Leidy (50) und Korotnefl (l. s. e., s. p. 308) machten
neuerdings einige, jedoch nur wenig eingehende Mittheilungen über die
Eneystirung von Acanthocystiden.
D. Conjugations- und Öopulationsvorgänge der Heliozoa.
Die Besprechung der Koloniebildung der Actinophrys hat uns schon
Gelegenheit gegeben, das Vorkommen von Verschmelzungserscheinungen
bei dieser Form zu schildern. Dass dieser Vorgang auch als Conjugations-
akt (da totale Verschmelzung, wie es scheint, bis jetzt noch nicht beob-
achtet wurde) aufgefasst werden darf, unterliegt wohl keinem Zweifel,
man müsste denn diesen Begriff auf die Fälle beschränken, wo bis jetzt
eine Vermehrung in Folge dieser Erscheinung thatsächlich beobachtet
worden ist.
Weitere Beobachtungen von Verschmelzungserscheinungen sind bis
Jetzt nur noch bei Actinosphaerium gemacht worden. Hier berichtete
schon Kölliker (9), dass er zwei völlig getrennte Individuen mit einander
verschmelzen sah und es ist jedenfalls ungerechtfertigt gewesen, diese
Beobachtung, wie mehrfach geschehen, in Zweifel zu ziehen. Brandt
hat die Copulation dieser Form in neuerer Zeit vielfach constatirt. Z. Th.
war die Verschmelzung hierbei eine ganz vollständige, z. Th. erstreckte
sie sich jedoch nur auf die Rindensubstanz, so dass bisquitförmige Ver-
schmelzungsformen entstanden. An der Verschmelzungsstelle war der
scharfe Unterschied zwischen Eeto- und Entoplasma verwischt. Von
Interesse ist ferner, dass die versuchsweise zusammengebrachten Thiere
sich häufig zunächst theilten und dass dann die Verschmelzungen sich
ebensowohl unter den Theilhälften eines wie verschiedener Individuen
vollziehen konnten,
Die Trennung vereinigter Thiere (im Falle völliger Copulation also
wohl Theilung), erfolgt gewöhnlich im Verlauf einiger Stunden. Cien-
kowsky gelang es auch, künstlich entsprechende Verschmelzungserschei-
nungen hervorzurufen. Indem er durch Abtrennung eines Körperstückchens
gewissermaassen eine Wundfläche erzeugte und die in solcher Weise
vorbereiteten Individuen mittelst dieser Wundflächen in Berührung brachte,
gelang es, die Copulation zu bewirken, ja suecessive nicht weniger wie
fünf Individuen in dieser Weise zu vereinigen. Gewöhnlich erfolgte
nach einiger Zeit wieder ein Zerfall des so erzeugten Verschmelzungs-
318 Heliozoa.
produktes in mehrere Individuen. Zuweilen jedoch trat Eneystirung und
der oben geschilderte Fortpflanzungsprocess ein. Dieser letztere Umstand
bringt uns auf die Frage nach dem möglichen Zusammenhang des Copu-
lationsprocesses und der Fortpflanzung, speciell der Vermehrung im en-
eystirten Zustand. Cienkowsky selbst ist nicht geneigt, eine solche Be-
ziehung anzuerkennen. Dagegen hat Ant. Schneider einen solehen Con-
Jugations- oder Copulationsakt als steten Vorläufer (sogen. Begattung)
der Vermehrung des Actinosphaerium angenommen; die wahre Befruch-
tung jedoch vollzieht sich nach ihm erst im eneystirten Zustand selbst
und zwar mittels der obenerwähnten, von ihm wahrscheinlich gemachten
Verschmelzung der Kerne. In dieser Hinsicht hebt er noch besonders
hervor, dass ja die Kerne der copulirten und conjugirten Thiere wohl
ausgetauscht würden. Greeff, der früherhin die Copulationserscheinungen
der Actinophryinen überhaupt in Abrede stellte, gibt dagegen neuer-
dings zu, dass eine Copulation wohl fakultativ dem Eneystirungsprocess
vorausgehen könne, aber jedenfalls nicht ausschliessliche Bedingung des-
selben sei. Brandt endlieh konnte keinerlei Zusammenhang zwischen den
von ihm beobachteten Copulationserscheinungen und der Fortpflanzung
auffinden.
Wie diese Angelegenheit jetzt liegt, kann wohl von einem thatsäch-
lichen Nachweis eines Zusammenhanges zwischen Copulation und Fort-
pflanzung nicht die Rede sein. Dagegen scheint mir jedoch auch der
Beweis des Gegentheils keineswegs erbracht, da die Eneystirung und
Fortpflanzung der Copulation nicht direkt zu folgen braucht. Eine völlige
Bedeutungslosigkeit des Copulationsaktes für die Fortpflanzung, die ja,
nach Erfahrungen bei andern Protozo@n, nieht gerade wahrscheinlich ist,
würde sich doch wohl nur dadurch sicher erweisen lassen, dass man
Individuen während ihrer gesammten Lebenszeit an der Copulation hinderte
und dennoch keine Beeinträchtigung der Vermehrungsfähigkeit bei ihnen
beobachtete.
6. System der Heliozoa und Uebersicht der Gattungen,
A. Allgemeine systematische Auffassung der Heliozoa.
Schon bei Gelegenheit des historischen Ueberblicks mussten wir
mehrfach der irrthümlichen Anschauungen älterer Forscher über die
systematische Verwandtschaft der Heliozoa (speeciell der damals fast allein
näher bekannten Actinophryen) berichten. Ehrenberg entwickelte 1838 noch
sehr falsche Vorstellungen über diesen Gegenstand, indem er die Actino-
phryen mit den Podophryen (Acinetinen) in seine Familie der Euchelyna
unter die Polygastrica aufnahm. Hierin folgte ihm noch v. Siebold
1545*) (der jedoch in seinem System die Acinetinen gar nicht erwähnt)
*) Lehrbuch der vergleich. Anatomie,
System. 519
und später Perty 1852, der seine Familie der Actinophryinen (mit Ein-
schluss der Gattungen Podophrya und Acineta) als II. Sektion der Ciliata
(Wimperinfusorien) aufführt.
Dagegen hatte schon 1841 Dujardin seine Familie der Actinophryens
(jedoch mit Einschluss der Gattungen Acineta und Dendrosoma) neben die
Rhizopoden in seine Il. Ordnung der ‚„Infusoires non symmetriques ou
asymmetriques, pourvues d’expansions variables‘“ gestellt. M. Schultze
glaubte, nach einer irrthümlichen Beobachtung von Stein, die Gattung
Actinophrys nicht als eine selbständige betrachten zu dürfen und berück-
sichtigte sie daher in seinem System nicht weiter. *)
In der Folgezeit wurde die widernatürliche Vereinigung der Heliozo@n
und Aeinetinen auf Grund besseren Verständnisses der betreffenden Orga-
nismen aufgegeben. Joh. Müller**) vereinigte Actinophrys 1853 mit
Amoeba und den monothalamen Süsswasserrhizopoden in seiner Gruppe
der ‚„Infusoria rbizopoda“ und hierin folgten ihm Claparede und Lach-
mann, die in ihrer Familie der Actinophryina neben den eigentlichen
Heliozoön noch die mit retieulären Pseudopodien versehenen Siüsswasser-
monothalamien einschlossen, wogegen Stein 1861 ***) seine Familie der
Actinophryina (die nur die eigentlichen, damals bekannten Heliozoön um-
fasst) als 2. neben den Amoebina in seiner Unterordnung der Gymnica
aufführt.
Carpenter}) vereinigte dann 1862 die Familie der Actinophryina
(mit Einschluss der Rhizopodengattungen Plagiophrys und Euglypha) mit
den Radiolaria, wogegen Häckel 186657) mit glücklichem Griff die Ab-
theilung der Heliozoa errichtete und sie, als 2. der Rhizopoda, zwischen
die Acyttaria und Radiolaria stellte. Seither ist denn diese Abtheilung
zu ziemlich allgemeiner Anerkennung gelangt und es bleiben nur noch
Zweifel über ihre nähere Beziehung zu den Radiolarien. Während Hertwig
und Lesser sich 1874 gegen eine Zusammenfassung mit diesen letzteren
sehr entschieden aussprachen, zeigt sich Hertwig in seinen neueren
Arbeiten dem Anschluss der Heliozoa an die Radiolaria nicht abgeneigt,
wenigstens hält er die Vereinigung der beiden Abtheilungen zu einer
grösseren, im Gegensatz zu den Rhizopoda, für ebenso berechtigt, wie die
selbständige Mittelstellung der Heliozoa zwischen Rhizopoda und Radio-
laria. Wir glauben, dass sich mancherlei Gründe anführen lassen, welche
die letztere Auffassung unterstützen und ihr vor der ersteren einen Vor-
zug verleihen, werden jedoch hierauf geeigneter bei der Betrachtung der
verwandtschaftlichen Beziehungen der Radiolaria zurückkommen.
Was die systematische Untertheilung unserer Gruppe betrifit, so
*), Organismus der Polythalamien. Leipzig 1854.
*#) Abhandl. der Berliner Akad. 1858.
###)\ Sitzb. der Wiener Akad. Bd. 44. 1861.
+) Introduetion to the study of Foraminifera. London 1862,
Fr) Generelle Morphologie. 1866.
320 Heliozoa.
schliessen wir uns in dieser Hinsicht an R. Hertwig und Archer an und
unterscheiden die 4 schon früher charakterisirten Unterabtheilungen des
Aphrothoraca, Chlamydophora, Chalarothoraca und Desmothoraca.
Die Zahl der Gattungen und Arten ist nicht erheblich, wir kennen
bis jetzt ca. 24 Gattungen mit 36 Arten, von ersteren sind jedoch 7 etwas
unsicher.
Von einer so ausgedehnten Variationsfähigkeit, wie sie den Rhizo-
poden von einer Anzahl Beobachtern zugeschrieben wird, lassen die
Heliozoön, wenigstens nach den bis jetzt vorliegenden Untersuchungen,
nichts erkennen.
B. Uebersicht der Gattungen.
1. Ordnung Aphrothoraca Hertw. 1879.
Skeletlose (nur temporär zuweilen mit einer Gallerthülle ausgerüstete)
Heliozoa von mehr amöbenartig veränderlicher oder constant kugliger
Gestaltung, jedoch feinen, meist allseitig ausstrahlenden Pseudopodien.
Mit oder ohne Kerne und contractilen Vacuolen.
Vampyrella Cienkowsky 1865 (24, 41), Häckel (30), Hertw. u. Lesser (39).
Synon. Amoeba pr. p. Fresenius (Abh. d. Senckenb. Ges. IL), Leptophrys Hertw.
u. L. (39).
(XII. 11—13).
Unregelmässig rundlich bis mannigfaltig wechselnd, da amöboid ver-
änderlich. Zuweilen langgestreckt, bis in Fortsätze ausgezogen. Schei-
dung in verschieden gefärbtes Entoplasma und zartes, hyalines Ectoplasma
mehr oder weniger deutlich. Ersteres spärlich bis ganz vacuolär. Pseudo-
podien sehr fein strahlenartig, mehr oder weniger von der gesammten
Körperoberfläche entspringend, selten verästelt. Körnchenströmung z. Th.
sehr deutlich. Contractile Vacuolen soweit bekannt fehlend. Kerne bis
jetzt nur bei einer Form erwiesen. Zweierlei Cystenzustände (ob stets ?),
sogen. Zellzustand (mit Vermehrung) und Ruhezustand.
Artzahl 4—5. Süsswasser und Meer.
Nuelearia Cienkowsky 1865 (24). Maggi, Rendie. d. R. istit. Lombardo
5. IL, XIII.
Synon. ? Trichodiscus Ehrbg. (6); Clap. u. Lachm. (17); ? Actinophrys p. p. Duj.
[digitata] (7), Lachm. p. p. [fissipes] (19): Heterophrys F. E. Schulze (38, II),
Heliophrys Greeff (40), ? Trichamoeba From. p. p. (radiata), Etudes s. 1. micro-
zoaires; Heterophrys p. p. Leidy (50).
(XIV. 1—2).
Körpergestalt amöboid veränderlich, kuglig oder scheibenförmig, bis
langgestreckt und lappig. Keine Scheidung in Eeto- und. Entosark.
Protoplasma häufig vacuolisirt. Pseudopodien allseitig oder nur von
einem Theil der Körperoberfläche entspringend, zuweilen mit spitzwinklig
verästelten Enden. — Kerne in Ein- oder Mehrzahl vorhanden. Contractile
Vaecuolen in mässiger Zahl, träge. Zuweilen mit dieker, von den Pseudo-
System. 321
podien durehbohrter Gallerthülle. Eneystirung in doppelter Hülle; zu-
weilen mit gleichzeitiger Vermehrung. Artzahl 2. Stisswasser, *)
? Arachnula Cienk. 1876 (41).
Körpergestalt amöboid veränderlich, meist strangartig ausgezogen und z. Th. verzweigt.
Strangenden plattenartig verbreitert und mit zahlreichen, feinen Pseudopodien besetzt. Letz-
tere wenig verästelt und mässig anastomosirend, ‘jedoch häufig energisch hin- und herbewegt.
Farblos. Einige contractile Vacuolen. Kerne ?. Fortpflanzung ?. Bildung unregelmässiger
Verdaungscyste beobachtet. Artzahl 1. Süss- und Brackwasser.
(Die Hierherziehung dieser noch etwas unsicheren Form lässt sich wohl nur auf Grund
ihrer Beziehungen zu den zwei vorhergehenden rechtfertigen.)
Monobia Aim. Schneider (49) 1879.
(XIV. 3).
Aehnlich Nuclearia und Vampyrella, farblos, Kern und contractile
Vaeuolen nicht beobachtet. Im ruhenden Zustand kuglig (Grösse ?) mit
allseitig entspringenden, sehr langen und zarten Pseudopodien (die hier
und da zarte, spindelförmige Anschwellungen zeigen). In der Bewegung
meist etwas längsgestreckt bisquitförmig, bis dreieckig und unregelmässig.
Fortpflanzung durch einfache Zweitheilung. Häufig jedoch die Theil-
sprösslinge sich nicht trennend, sondern durch ziemlich lange Plasma-
brücke in kolonialem Verband verbleibend. Bildung sekundärer Ver-
bindungsbrücken durch Verschmelzung zwischen den Pseudopodien. Die
Zahl der zu Kolonien vereinigten Individuen kann durch weitere Theilung
(vielleicht auch durch Zutritt anderer Individuen) bis zu 8 wachsen.
Gegenseitige Stellung der Individuen durch fortdauernden Wechsel in der
Bildung der Verbindungsbrücken sehr veränderlich. Süsswasser und viel-
leicht auch feuchte Erde. Artzahl 1.
Myxastrum Häck. 1870 (30).
(XII. 14).
Körpergestalt (bis 0,5 Mm. Durchm.) kuglig mit zahlreichen, allseitig
ausstrahlenden Pseudopodien, die sich selten spitzwinklig verästeln und
anastomosiren. Keine Scheidung in Eeto- und Entosark. Ohne Kerne
und Vaeuolenbildung. Fortpflanzung durch Bildung zahlreicher kiesel-
schaliger Sporen innerhalb der Primäreyste. Artzahl 1. Marin. (Cana-
rische Inseln.)
Actinophrys Ehrbg. 1830 (Abhandl. Berl. Akad.) und 6, Duj. (7),
Nicolet (8), Perty (12), Cohn (10, 11), Clap. (13), Stein (14), Lieberkühn (15 u. 34), Weston
(16), Clap. u. Lachm. (17), Lachm. (19), Carter (21 u. 23), Cienkowsky (24), Grenacher (29),
(ireeff (35), Hertw. u. L. (39), Leidy (50).
Synon.**) Trichoda O. F. Müller u. Schrank p. p., Peritricha Bor. d. St. Vine. p. p.
(XIV. 7.)
*) In sehr inniger Beziehung zu Nuclearia scheint auch die höchst merkwürdige Cilio-
phrys Cienk. zu stehen, die bald in einem ganz nuclearia-artigen, bald dagegen in einem
völlig flagellatenartigen Zustand sich zeigt und in dieser Weise eine ganz unentschiedene Mittel-
form zwischen Sarkodinen und Flagellaten bildet. Wir ziehen es vor, das Nähere über diese
Form erst bei Gelegenheit der Flagellaten mitzutheilen.
**) Unter diesen Synon. ist auch Actinosphaerium mit begriffen, da die Scheidung
zwischen diesem und Actinophrys erst spät durchgeführt wurde,
Bronn, Klassen des Thierreichs Protozon, yi
322 Heliozoa.
Körpergestalt kuglig, mit allseitig ausstrahlenden Pseudopodien (mit
Axenfäden). Scheidung, zwischen Eeto- und Entosark nicht sehr scharf;
ersteres alveolär, letzteres feinkörnig. Centraler Nucleus, bis zu welchem
die Axenfäden zu verfolgen sind. Meist ganz farblos. Gewöhnlich eine
stark über die Oberfläche vorspringende contractile Vaeuole. Häufig kolo-
niale Verbände. Fortpflanzung durch einfache Zweitheilung oder auch
Theilung im encystirten Zustand mit Bildung doppeltumhüllter Sporen.
Artzahl mit Sicherheit nur 1 (A. sol Ehrbg.), weitere, namentlich
auch von Lachmann (19) beschriebene Arten sind unsicher. Sisswasser
und Meer.
Actinosphaerium Stein 1857 (18).
Synon. s. b. Actinophrys, „Der Stern“ Eichhorn (4), Actinophrys aut. p. p.,
Kölliker (9), Perty (12), Stein (14), Wallich (19a), M. Schultze (20), Carter (21, 23),
Cienkowsky (24), Zenker (25), Greelf (27, 35 und 37), Ant. Schneider (36),
F. E. Schulze (38, I.), Hertwig u. Lesser (39), Brandt (44 u. 45) *), Leidy (50).
(XV. la-e.)
*) Vergl. auch Brandt, K., Ueber Actinosphaerium Eichhornii. Inaugur.-Dissert. Halle
1577. Leider habe ich diese wichtige Arbeit frükerhin, bei der Abfassnng des Manuscriptes,
übersehen; sie ist mir erst neuerdings durch die Güte des Veriassers zu Gesicht gekommen.
Der Vollständigkeit wegen trage ich aus ihr hier noch einige wichtige Punkte nach, Die -
jugendlichsten Actinosphaerien besitzen nach Brandt nur eine einzige contractile Vacuole,
bei den grossen erwachsenen Exemplaren wurden dagegen bis 14 beobachtet; es scheint je-
doch aus des Verfs. Darstellung hervorzugehen, dass jene grosse Vacuolenzahl bei aus der
Copulation hervorgegangnen Verschmelzungsproducten beobachtet wurde. Sauerstoflmangel
scheint auch hier, wie nach Rossbach’s Erfahrungen bei den Infusorien, das Volum der con-
tractilen Vacuole zu vergrössern und die Zeit zwischen Diastole und Systole zu verlängern,
Schliesslich tritt bei zunehmendem Sauerstoffmangel eine völlige Lähmung der Vacuole in der
Diastole ein und bald hierauf der Tod und Zerfall des Thieres. Bei solchen durch Sauer-
stolfinangel erweiterten und in der Energie ihrer Contraction geschwächten Vacuolen lässt sich
die Zenker'sche Beobachtung über die Bildung einer Rissstelle in der peripherischen Vacuolen-
wand leicht bestätigen. Die Rissstelle erweitert sich excentrisch, „wobei die eingerissne
Blasenwand sich knittrig faltet, dem Rand immer näher rückt und schliesslich mit demselben
verschmilzt“. Die Contractionen der mehrfachen Vacuolen eines und desselben Individuums
sind im allgemeinen ganz unabhängig von einander; auch steht die Häufigkeit der Contraction
in keinem directen Abhängigkeitsverhältniss von dem Volum der Vacuolen.
Bei Reizung der Pseudopodien durch ein vorbeischwimmendes Thier werden ihre Enden
umgeknickt und hängen „welk“ neben dem basalen, starr gebliebenen Theil herab, bald jedoch
richtet sich ihr Endstück wieder auf und nimmt seine frühere Steifheit wieder an.
Die Nahrungsaufnahme wird in der von Kölliker zuerst geschilderten Weise beschrieben.
Interessante Mittheilungen bringt die Arbeit weiterhin über gewisse Beziehungen der
äusseren Lebensbedingungen zum Eintritt der Theilung. Dieselbe söheint nämlich in reinem,
klarem Wasser bei einer geringeren Körpergrösse (ca. 0,3 —0,5 Mm.), dagegen in fauligem
Wasser erst bei beträchtlicherer Grösse (bis 1,1 Mm.) einzutreten. Versetzt man grosse Indi-
viduen aus fauligem Wasser in klares, so tritt sofort die Theilung ein, wogegen die umge-
kehrte Uebertragung keine Theilung hervorruft. Achnlich wirken wahrscheinlich auch Tem- -
peraturunterschiede; höhere Temperaturen. veranlassen Theilung bei geringerer Körpergrösse,
niedere erst bei beträchtlicherem Körpervolum.
Ausführlich bespricht Brandt in dieser Arbeit auch den Encystirungsprocess, über
welchen wir jedoch oben im Text, nach einer anderen Abhandlung Verfs., schon das Wich-
tigste hervorgehoben haben,
System. 323
Körpergestalt kuglig (bis 1 Mm. Durchm.) mit allseitig ausstrahlen-
den, sehr langgestreckt kegelförmigen Pseudopodien, mit Axenfäden, die
bis etwa zur Grenze des Eetosarks oder noch etwas in dieses eindringen
und hier frei endigen. Scheidung in Eeto- und Entosark sehr deutlich,
beide durchaus vacuolär; ersteres jedoch grossblasiger, letzteres klein-
blasiger und körniger. Contractile Vaeuolen (2—14) über die Oberfläche
vorspringend. Kerne sehr zahlreich im Entosark. Fortpflanzung durch
einfache Zweitheilung oder Bildung meist zahlreicher kieselschaliger
Sporen innerhalb einer gallertigen Primäreyste.
Artzahl mit Sicherheit nur 1 (A. Eichhornii Ehrbg.). Süsswasser.
Actinolophus F. E. Schulze 1874 (38, IL), R. Hertwig (43).
(XIV. 6a—b.)
Körper meist birmförmig (Länge bis 0,03), auf gewöhnlich langem
(bis 0,1), wahrscheinlich röhrenförmigem Stiel aufgewachsen. Pseudo-
podien sehr lang und fein, wahrscheinlich mit Axenfäden, die sich
mit einem sehr deutlichen Centralkorn vereinigen werden. Entosark ex-
centrisch, bis zur Körperoberfläche reichend, mit meist einem sehr excen-
trisch gelagerten Kern. Vacuolen fehlen. Der Körper wahrscheinlich
stets von sehr schwer sichtbarer, dieker Gallerthülle umgeben. Ruhe-
zustand mit Bildung einer Lage Kieselplättehen auf der Oberfläche der
Gallerthülle und Theilung des Kernes. Artzahl 1. Marin.
Anhang zur Gattung Actinolophus: Von Str. Wright*) wurde 1562 eine marine,
hierhergehörige Form, Zooteira religata, beschrieben, welche in vieler Hinsicht mit
Actinolophus übereinzustimmen scheint, jedoch durch eine Anzahl Charaktere abweicht. Es
ist daher vorerst nicht möglich, über ihr Verhältniss zu Actinolophus ganz Sicheres anzu-
geben. Der ovale, allseitig sehr lange Pseudopodien aussendende Körper ist auf langem,
röhrenförmigem Stiel befestigt und lässt deutlich dunkles, starkkörniges Entosark und helleres
Eetosark unterscheiden, Sehr abweichend von Actinolophus erscheint die Contractilität des
Stiels, die dem Thier erlaubt, sich in eine die Basis des Stieles umgebende, kurze, schleimige
Röhre zurückzuziehen. Diese Contractionsfähigkeit des Stieles soll von einem denselben
durchziehenden Muskelfaden herrühren, welcher noch von einem Netzwerk weicher Fasern
umsponnen werde.
Wie gesagt, wird erst eine genauere Untersuchung das richtige Verständniss dieser
Form bewirken können.
Haeckelina Mereschkowsky 1879 (47). Sehr ähnlich Aetinolophus.
Kugliger bis etwas birnförmiger Körper (0,021) auf solidem, farblosem
Stiel (bis 0,15). Pseudopodien allseitig, unverzweigt, nicht anastomosirend.
Vaeuolen und angeblich auch Kern fehlend. Keine Differenzirung in Eeto-
und Entosark. Marin (weisses Meer). 1 Art. (Bis jetzt scheint mir die
Kenntniss dieser Form noch zu gering, um ihre näheren oder entfernteren
Beziehungen zu Actinolophus beurtheilen zu können.)
*, Quart, journ, mier, sc. n, 8, Vol, IL. p. 217,
21*
324 Heliozoa.
Anhang zur Abtheilung der Aphrothoraca.
(Wir reihen hier eine Anzahl rücksichtlich ihrer Stellung noch unsicherer Formen an,
die wir anderweitig nicht schicklich unterzubringen wissen.)
Lithocolla F. E. Schulze 1874 (38, II.).
(XIV. 4.)
Körpergestalt kuglig (Durchm. 0,04), mit allseitig entspringenden, feinen Pseudopodien,
Farblos bis kirschroth. Oberfläche mit losem Ueberzug von Sandkörnchen bekleidet. Kern
und Vacuole ?.
1 Art. Ostsee.
Elaeorhanis Greeff 1873 (40), Archer (Quart. j. mier. sc. n. s. p. 323—324).
(XIV. 5.)
Körpergestalt kuglig, klein (0,02—0,03), mit allseitig ausstrahlenden, mässig zahlreichen
Pseudopodien. Körperoberfläche mit loser, aus Diatomeen und Sandkörnchen aufgebauter
Hülle. Farblose Sarkode enthält einen ansehnlichen gelben bis braunen Fettkörper (o), ähn-
lich Diplophrys. Kern und Vacuole ?.
1 Art. Süsswasser.
Chondropus Greefl 1873 (40), Archer (42).
Kuglig (0,05), Pseudopodien allseitig entwickelt, mässig zahlreich, mit sehr rascher
Körnchenbewegung. Sarkode gelb, in der Aussenregion mit eigenthümlichen Körnchen und
Stäbchen, die centrale Partie mit grünen Körpern (Kapseln ? Greeft) erfüllt. Contractile Va-
cuole und Kern ?.
1 Art. Süsswasser.
(Archer hält es für möglich, dass der äussere gelbe sogen. Sarkodesaum dieser Form
eine Hülle, ähnlich der von Astrodisculus oder Heterophrys darstelle und dass die. vorliegende
Gattung daher vielleicht besser zu den Chlamydophora zu rechnen sei.)
2. Ordnung Chlamydophora Archer 1876 (42).
Typische Heliozoönformen mit weicher gallertartiger oder eigenthüm-
lich verworren faseriger bis punktirter, kugliger Hülle.
Diese nach dem Vorgang Archer's hier aufgestellte Gruppe besitzt vorerst noch einen
provisorischen Charakter, da hinsichtlich der wahren Beschaffenheit der Skelethülle noch
keineswegs eine übereinstimmende Auffassung erzielt wurde (vergl. hierüber die frühere Dar-
stellung p. 297). Immerhin glaube ich, dass die Zusammenfassung der wenigen hierherge-
rechneten Formen wegen ihrer Besonderheiten vorerst gerechtfertigt erscheint.
Heterophrys Archer 1869 (32 u. 42), Hertwig u. L. (38), Greeff (40),
non F. E. Schulze (37, IL.).
(XV. 2.)
Körpergestalt kuglig, Pseudopodien allseitig ausstrahlend, zart und
körnehenführend. Scheidung in Eeto- und Entosark z. Th. deutlich. Kern
im Entosark. Contractile Vacuole z. Th. vorhanden, über die Körper-
oberfläche vorspringend. Allseitige, kuglige, ziemlich dicke Hülle, deren
Innenregion hyalin ist und die nach aussen ein eigenthümlich körneliges
bis gestricheltes Wesen annimmt. Ihre Oberfläche ist dicht mit haar- bis
fransenartigen Fortsätzen bedeckt, die sich radiär zwischen den Basen
der Pseudopodien erheben. Fortpflanzung ?. Artzahl 2. Süsswasser
und marin,
Systein. 325
Sphaerastrum Greeff 1873 (40), Archer (42).
Synon, Heterophrys p. p. (Fockii) Arch. (32), Süsswasserradiolarie Nr. I. Focke (28).
(XV, 3a—b).
Kuglig, einzellebend oder koloniebildend, wobei die Individuen durch
lange Sarkodebrücken vereinigt werden. Kern vorhanden, sowie vor-
springende contractile Vacuole (nach Archer). Farblos oder chlorophyli-
führend. Hülle von eigenthümlichem, undeutlich wellig gestricheltem Aus-
sehen und meist zackig gelappter und eingeschnittener Oberfläche; um
die Basen der Pseudopodien häufig festonartig erhoben. Bei den Kolonien
umschliesst eine zusammenhängende Hüllschicht sämmtliche Individuen.
Artzahl 1. Sisswasser.
Zweifelhafte Formen:
Astrodisculus (Greefl! 1869, 33) emend. Archer (42).
Kuglig, klein mit allseitig ausstrahlenden zarten Pseudopodien in mässiger Zahl. Meist
roth bis braun pigmentirt. Kuglige gallertige, structurlose Hüllschicht. Süsswasser.
(Die von Greeff beschriebenen Formen seines Genus Astrodisculus sind von Hertwig und
Lesser mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die Gattung Pompholyxophrys zurückgeführt worden;
dagegen hat jedoch Archer Formen beobachtet, die sich wegen ihrer structurlosen und wohl
gallertigen Hülle nicht der Gattung Pompholyxophrys unterordnen lassen und auch H. und L.
schildern eine solche Form. Da letztere nun in ihren Charakteren der ursprünglich von Greeff
aufgestellten Diagnose des Genus Astrodisculus nahezu entsprechen, so dürfte dasselbe, wie
Archer meint, auf solche Formen beschränkt werden.)
? Astrococeus Greefl 1873 (40), Archer (42).
Die bis jetzt nur sehr - unvollkommen beschriebne Form Astr. rufus scheint sich so
sehr dem eben erwähnten Astrodisculus zu nähern, dass mir (wie auch Archer) ihre Selbst-
ständigkeit sehr fraglich erscheint.
3. Ordnung Chalarothoraca Hertw. u. L. 1874.
Typische Heliozo@n mit loser, aus isolirten, kieseligen Skelettheilen
bestehender Hülle.
Pompholyxophrys Archer 1869 (32 u. 42).
Synon. Hyalolampe Greeff (33 u. 40), Hertw. u. L. (39), Leidy (5), Astrodis-
culus Greefl' (33) p. p.?
(XV. 4.)
Kuglig, klein (bis 0,05), mit wenigen von der Oberfläche all-
seitig entspringenden feinen Pseudopodien. Kuglige Skelethülle aus meh-
reren Schichten aufeinandergelagerter Kieselkügelchen gebildet. Diffe-
renzirung in Ecto- und Entosark meist deutlich. — Centraler Kern vor-
handen. Contractile Vacuole vorhanden oder nicht. Meist erfüllt von
reichlichem gelbem bis rothem und braunem Pigment. Bewegung lebhaft.
Sichere Arten 2. Sisswasser.
(Hertwig und Lesser halten es für sehr wahrscheinlich, dass die 4 von Greeff beschrie-
benen Astrodisculus-Arten Angehörige des hier besprochnen Genus seien und wahrscheinlich
sämmtlich als Varietäten ihrer Art P. exigua betrachtet werden dürften. Archer glaubt da-
gegen, wie oben schon bemerkt, die Bezeichnung Astrodisculus für gewisse Formen aufrecht
erhalten zu müssen und erachtet den Astrod. radians Greeff’s als wahrscheinlich zu Acantho-
eystis gehörig.)
326 Heliozoa.
Raphidiophrys Archer 1867 (Quart. j. m. se. n. s. VII. u. 32),
F. E. Schulze (38, II). Hertw. u. L. (89), Leidy (50).
(XVI. 2.)
Kuglig; isolirte Individuen oder Kolonien. Pseudopodien allseitig
ausstrahlend, sehr zart und b. Th. sicher mit Axenfaden. Scheidung
in Eeto- und Entosark nicht deutlich, dagegen centrale Vereinigung der
Axenfäden beobachtet. Kern in Ein- oder Mehrzahl. Contractile Vacuolen
vorhanden oder fehlend (?). Skelethülle aus losen, meist tangential zur
Körperoberfläche gelagerten Kieselnadeln von gerader oder etwas gebogner
Gestalt gebildet. Zuweilen erheben sich die Skeletnadeln büschelförmig
um die Basen der Pseudopodien, so dass die Skelethülle. ein strahlen-
förmiges Aussehen erhält. Kolonien von gemeinsamer Skelethülle um-
geben. Häufig zahlreiche Chlorophylikörner in der peripherischen Region
des Weichkörpers. Fortpflanzung ?.
Artzahl 3. Süsswasser.
Pinacoceystis Hertw. u. L. 1874 (39), Archer (42).
(XVL 4.)
Scheidung in Eeto- und Entosark deutlich. Kern vorhanden. Con-
tractile Vacuole ?. Eetosark enthält gewöhnlich zahlreiche Pigmentkörner.
Skelethülle kuglig, aus zahlreichen, in einer Schicht zusammengeordneten
runden Plättchen gebildet. Artzahl 1. Marin (Aquarium).
Pinaciophora Greeff 1873 (40), Archer (42).
(XVI 52—.c.)
Sehr ähnlich der vorhergehenden Gattung, Schalenplättchen jedoch
von nahezu blattförmiger, beiderseits zugespitzter Gestalt, wahrscheinlich
feinporös. Centraler Kern vorhanden. Differenzirung in Eeto- und Ento-
sark ?. Zahlreiche braune Pigmentkörner. Artzahl 1. Süsswasser.
Acanthocystis Carter 1863 (A. m. n. h. 3. XII. u. 21), Archer (32 u.42),
Greefl (33 u. 40), Grenacher (31), Hertwig u. Lesser (39), Schneider (36). Hertwig (43), Leidy (50).
Synon. ? Actinophrys Ehrbg. (viridis), Perty (brevieirrhis), Clap. u. Lachm.,
? Focke, Süsswasserradiolarie Nr. II, (28).
(XVI. 6—7).
Körpergestalt kuglig (Durchm. ca. 0,02—0,1), Pseudopodien sehr fein
und dünn, meist körnchenreich. Differenzirung in Ecto- und Entosark
deutlich. Letzteres sammt Kern excentrisch, körnig und mit mehr oder
weniger zahlreichen, nicht vorspringenden Vacuolen. Centralkorn und
Axenfäden vorhanden. Hauptskeletgebilde: radiale Stacheln mit Fuss-
plättchen, Länge verschieden, Ende fein zugespitzt oder gablig gespalten.
Zuweilen zweierlei derartige Stacheln gleichzeitig, längere und kürzere;
zuweilen noch tangential gelagerte Spieula. Fortpflanzung durch ein-
fache Theilung, Knospung und wahrscheinlich auch Schwärmerbildung.
Eneystirung nachgewiesen.
Artzahl ca. 4. Süsswasser. Marin ?.
System. 327
Wagnerella Mereschkowsky (46b und Ann. mag. nat. hist. (V.) 8. 1881):
Mayer (48) und Zoolog. Anzeiger 1881.
Körper kuglig (Durchm. bis 0,18 Millim.), in einen cylindrischen Stiel
verlängert (bis 1,1 Millim. lang), der mit kegelförmig angeschwollner Basis
befestigt ist. Körper und Stiel mit membranöser Hülle bekleidet, in die
zahlreiche kurze, bogenförmig gekrümmte Kieselspieula eingelagert sind.
Vom Köpfchen strahlen weiterhin radiär zahlreiche feine, längere Kiesel-
spieula allseitig aus. Der Kern nach Mayer in der kegelförmigen Stiel-
. basis. . Fortpflanzung durch Knospung. Marin (weisses und Mittelmeer).
Seit dem Erscheinen der letzten Lieferungen dieses Werkes berichtigte Mereschkowsky
seine frühere irrthümliche Angabe, dass die Spicula der Wagnerella aus kohlensaurem Kalk
beständen und überzeugte sich wie Mayer von deren Kieselnatur. Damit wird es auch wohl
unzweifelhaft, dass die Spicula’von dem Organismus selbst erzeugt werden. Diese neuen Auf-
klärungen machen es denn jetzt auch, gegenüber .den früher von mir angedenteten Zweifeln,
sehr wahrscheinlich, wenn nicht sicher, dass die Wagnerella ihre richtige Stellung bei den
Heliozoa findet.
Anhang zu den Öhalarothoraca.
g
Sticholonehe R. Hertwig 1877 (43). Unter diesem Namen wurde
von R. Hertwig ein sehr interessanter, heliozoönartiger, mariner Organis-
mus beschrieben, welcher jedoch in seiner Stellung bis jetzt noch etwas
unsicher geblieben ist. Im Allgemeinen scheint mir jedoch seine Zurech-
nung zu den Heliozoön das natürlichste und so mag er denn hier eine
kurze Darstellung finden. Der Plasmakörper der pelagischen Sticholonche
besitzt eine etwas längliche, nahezu bohnenförmige Gestalt (Länge bis
0,15 Mm.), und schliesst ein relativ sehr ansehnliches, kernartiges Gebilde
ein von ähnlicher bohnenartiger Gestaltung. Letzteres Gebilde, für dessen
Kernnatur sich Hertwig neuerdings (Der Organismus der Radiolarien p. 48)
ausspricht, zeichnet sich durch eine sehr resistente Membran aus, welche
äusserlich allseitig und dieht mit kleinen ringförmigen Erhebungen besetzt
ist. Auf der convexen Fläche der Kernmembran entspringen von den
ringförmigen Erhebungen mehrere Reihen eylindrischer und wahrscheinlich
röhrenförmig hohler Fortsätze, welche auf der Mittelregion des Kernes
am höchsten sind und nach seinen beiden Enden rasch abnehmen. Mit
diesen röhrigen Fortsätzen stehen die starren, äusserst wenig zur Ver-
schmelzung geneigten und unverzweigten Pseudopodien der Sticholonche
in Verbindung, indem sie sich, ohne Zweifel in Gestalt von Axenfäden,
durch das sehr körnige Plasma hindurch bis zu jenen Fortsätzen ver-
folgen lassen. Wie diese Fortsätze stehen auch die Pseudododien in meh-
reren Längsreihen über den Körper hin. Ein sehr eigenthümliches Skelet
zeichnet weiterhin unsre Form aus. Einmal wird der gesammte Körper
von einer ziemlich weit abstehenden, membranartigen Hülle umkleidet,
welche sich in bis jetzt wenig erforschter Weise aus einzelnen, ziemlich
unregelmässig gelagerten, spangenartigen Stücken zusammensetzt, zweitens
gesellen sich hierzu noch eine Anzahl Stachelbüsche, welche, von einander
getrennt, auf buckelartig hervorgewölbten Stellen der membranartigen
328 Heliozoa.
Hülle aufgesetzt sind. Jeder Stachelbusch besteht etwa aus 20 hohlen
geraden Stacheln, die büschelig von einem Centrum ausstrahlen. Die
Stacheln besitzen ein stärker angeschwollnes Basalende und ein ziemlich
stumpfes peripherisches Ende; ihre Oberfläche ist fein quergestreift, d. h.
wahrscheinlich geringelt. In der Mitte der Stachelbüsche findet sich häufig
ein längerer und gegen sein peripherisches Ende nochmals angeschwollner
Hauptstachel. Aus welchem Material die Stacheln sowie die erstbeschriebne
Hülle bestehen, ist bis jetzt noch unbekannt.
Höchst merkwürdig sind die Bewegungen der Sticholonche, welche
ruckweise geschehen, indem sich gleichzeitig sämmtliche Pseudopodien
ruderartig nach einer Richtung senken. Nahrungsaufnahme und Fort-
pflanzung konnten bis jetzt nicht ermittelt werden.
3. Ordnung Desmothoraca Hertw. u. L. 1874.
Skelethülle eine kuglige oder nahezu kuglige, von zahlreichen
Löchern durchbrochne, einheitliche Gitterschale. Ungestielt oder gestielt.
Orbulinella Entz 1877 (Naturhistor. Hefte des Nat. Mus. in Buda-
pest 1. H.).
(IV. 4.)
Schale etwas oval bis nierenförmig, wahrscheinlich kieselig, von
zahlreichen nach Aussen triehterförmig sich erweiternden, kreisrunden
Oeffnungen durchbrochen, grünlich gefärbt. Stiellos. Weichkörper die
Schale nur z. Th. erfüllend. Mit 1 Kern und 1—2 Vacuolen (ob con-
tractil ?). Pseudopodien fadenförmig, unverzweigt.
1 Art. Salzteich bei Klausenburg.
? Elaster Grimm 1872 (Arch. f. mikr. Anat. VIII.)
Zweifelhafte Form. Kieselgitterschale ähnlich Clathrulina, jedoch stiellos (Durchm. 0,02).
Weichkörper scheint die Schale gänzlich auszufüllen. Pseudopodien sehr zahlreich und fein,
mit Körnchenströmung. ÜCentraler kernartiger Körper vorhanden.
Artzahl 1. Süsswasser.
Clathrulina Cienk. 1867 (26), (Archer Qu. j. mier. sc. n. s. VIL), Greeff
(33), Hertwig u. L. (39), Mereschkowsky (47), Leidy (50).
Synon. Podosphaera Archer (Qu. j. mier. sc. n. s. VIII. p. 66).
(XVII 1a—f).
Kieselige, von zahlreichen rundlichen bis polygonalen Löchern durch-
brochne Gitterschale, im Alter farblos oder tiefbraun. Auf röhrenförmigem
Stiel, der am basalen Ende durch wurzelförmige Ausläufer befestigt ist,
aufgewachsen. Weichkörper ohne Differenzirung in Ecto- und Entosark,
meist mit zahlreichen, z. Th. contractilen Vacuolen, derselbe füllt
die Schale nur z. Th. aus. Pseudopodien nach Greeff mit Axenfäden,
ziemlich häufig verästelt und anastomosirend. Centraler Nucleus. —
Fortpflanzung durch einfache oder wiederholte Thbeilung in der Schale
und Hervortreten der Theilstücke mit oder ohne Schwärmerbildung; oder
Eneystirung nach vorhergehender Theilung in der Schale und schliess-
liches Hervorbrechen der Theilstücke als Schwärmer. Artzahl 2. Süss-
wasser.
System. 329
? Hedriocystis Hertw. u. L. 1874 (39), Archer (42).
(XVIL 2.)
Gestielte Schale kuglig bis oval, von zahlreichen, zu zugespitzten Buckeln ausgezogenen
Löchern durchbrochen. Klein (Durchm. 0,02 —0,03). Weichkörper füllt die Schale nur
z. Th. aus. Pseudopodien nicht verästelt und verschmelzend. Fortpflanzung durch einfache
Theilung. Encystirung beobachtet. Artzahl 1. Süsswasser.
(Archer hält die generische Trennung dieser Form von Clathrulina nicht für angezeigt
und ich glaube, dass er hierin nicht Unrecht hat, doch wollte ich ohne eigne Kenntniss der
betreffenden Formen die Vereinigung nicht vornehmen.)
7. Vorkommen, geographische Verbreitung und biologische Verhältnisse
der Heliozoa,
Die Heliozoa scheinen ganz vorzugsweise auf die süssen Gewässer
angewiesen zu sein, wie dies schon aus dem Früheren hervorgeht. Wenn
wir die diesbezüglichen Verhältnisse noch einmal zusammenfassend über-
schauen, so finden wir, dass nur 8 von den 27 Gattungen bis jetzt aus-
schliesslich marin getroffen wurden (einbezogen ist die in einem Salzteich
gefundne Gattung Orbulinella); dass weiterhin noch 4 Gattungen gleich-
zeitig im süssen Wasser und Meer (oder doch Brackwasser) vertreten
sind: nämlich Arachnula, Vampyrella, Actinophrys und Heterophrys.
Letztere Gattungen scheinen sogar, mit Ausnahme von Vampyrella, sämmt-
lich mit identischen Arten an beiden Fundorten vorhanden zu sein. Was
schliesslich die Zahlenverhältnisse der Arten betrifft, so kommen auf
30 Süsswasserspecies, von welchen 3 gleichzeitig marin sind, nur 9 bis
jetzt ausschliesslich marin angetroffne.
Unter den verschiedenartigen süssen Gewässern scheinen die Helio-
zo&n vorzugsweise frische, nicht verdorbne, zu lieben und sich nament-
lich gern, wie zahlreiche andere Protozo@n, in Torfgruben und ähnlichen,
reichliche Nahrung bietenden stehenden Gewässern vorzufinden. In eigent-
lichen Infusionen sind sie dagegen, mit Ausnahme vielleicht der Gattung
Nuclearia, kaum anzutreffen. Aus feuchter Erde sind bis jetzt keine
Heliozoön bekannt geworden.
Bis jetzt ist keine Heliozo@nform aufgefunden worden, die sich dem
parasitischen Leben angepasst hätte. Dagegen fällt auch der Orga-
nismus unsrer Formen zuweilen Parasiten zum Opfer. Schon bei
der Besprechung der Fortpflanzungserscheinungen haben wir hervor-
gehoben, dass die angeblichen Schwärmer von Actinosphaerium und
Actinophrys höchst wahrscheinlich in das Bereich solcher parasitischer
Vorkommnisse gehören. Dies wird nahezu gewiss durch neuere Beob-
achtungen Brandt’s*). Derselbe konnte zunächst, wie Greeff, das Hervor-
brechen von Amöben und Flagellaten aus der Leibessubstanz abgestorb-
ner Actinosphaerien mehrfach bestätigen. Weiterhin fand er jedoch, dass
*) Brandt, K., Ueber Actinosphaerium Eichhornii. Inaug.-Dissert. Halle 1877, und:
Untersuchungen an Radiolarien. Monatsber. der Berl. Akad. f. 1881, p. 388. 1 Taf,
330 Heliozoa.
sich in den Nahrungsvacuolen dieses Heliozoon sehr häufig und in’ sehr
reichlicher Menge kleine einzellige pflanzliche Schmarotzer vorfinden, welche
sehr wahrscheinlich den erwähnten Flagellaten den Ursprung geben. Brandt
glaubt diese Schmarotzer am nächsten der Saprolegnaceengattung Pythium
verwandt. Dieselben stellen kleine, 0,005 — 0,013 Mm. Durchmesser er-
reichende kuglige Zellen dar, mit deutlicher derber Membran und hellem .
Plasma, welches einen centralen Nucleus und eine verschiedne Anzahl
stark glänzender Körner einschliesst. Diese Pilzzellen sitzen den Nah-
rungseinschlüssen der Vacuolen auf und scheinen sich auch hauptsächlich
von diesen zu ernähren. Werden sie mit den unverdauten Resten der
Nahrung aus dem Leib des Actinosphaerium ausgestossen, so gehen sie
allmählich zur Fortpflanzung über. Die Einleitung hierzu besteht darin,
dass die erwähnten glänzenden Körner sich zu zahlreichen feinen Gra-
nulationen umbilden, wodurch das Plasma sehr feinkörnig wird.
Schliesslich tritt das Plasma in Gestalt eines schlauchartigen Fortsatzes
allmählich aus der Zellmembran aus, ballt sich hierauf kuglig zusam-
men und zerfällt schliesslich in eine grosse Zahl kleiner, zweigeissliger
Schwärmer.
In seiner ersten Mittheilung über diese Parasiten hebt Brandt noch
hervor, dass er einen Ballen solcher einzelliger Schmarotzer häufig im
Centrum gewisser Sonnenthierchen beobachtet habe, welcher Ballen die
Vacuole, die ihn einschloss, nabezu ausfüllte (wenigstens scheint dies der
Sion der etwas schwer verständlichen Beschreibung zu sein). Auch diese
Schmarotzer zeigten nach ihrer Entleerung denselben Fortpflanzungs-
process, jedoch wurde derselbe, wenigstens das Auftreten von Schwär-
mern, auch gelegentlich im Innern des Actinosphaerium, nachdem das-
selbe abgestorben war, beobachtet. Nicht unähnliche einzellige Schma-
rotzer beobachtete Brandt jedoch auch inmitten des Plasmas freilebender
wie encystirter Actinosphaerien, jedoch auch in grosser Menge in der
Nähe absterbender Exemplare. Eigenthümlich war diese Schmarotzerform
durch die Gegenwart zweier pulsirender Vaeuolen. Letzterwähnte Schma-
rotzer zeigten entweder „ruckartige“ Bewegungen oder zuweilen auch
deutlich amöboide. Ein Theil der amöboiden Körperchen liess weiter-
hin eine lange Geissel erkennen,
Nach diesen Erfahrungen Brandt’s erscheint es sehr wahrscheinlich,
dass die Amöben und Flagellaten, welche Greeff für die Embryonen des
Actinosphärium anzusehen geneigt war, in den Entwicklungskreis der
eben erwähnten oder ähnlicher pflanzlicher Schmarotzer gehören.
Wir müssen weiterhin eines interessanten, von Archer*) nach-
gewiesenen Falles von Parasitismus gedenken. Derselbe bemerkte
häufig Exemplare der Acanthoeystis turfacea, deren grüne Weich-
körpermasse zum Theil zerstört war und an deren Stelle sich 1 bis
3 kleine Rotatorieneier vorfanden. Bei der Anwesenheit dreier Eier war
*) Nr. 32 (Vol. IX.),
|
System. 331
der Acanthoeystiskörper gewöhnlich gänzlich der Vernichtung anheim-
gefallen. Die Eier des kleinen Räderthieres entwickelten sich unter
dem Schutz der Skelethülle der Acanthoeystis und die aus ihnen hervor-
gegangnen Jungen (einigermassen ähnlich der Gattung Monolabis) durch-
brachen schliesslich diese Hülle und entfernten sich. Wie gesagt, scheint
die Acanthoeystis nur bei Anwesenheit mehrerer solcher parasitischer
Eier völlig zu Grunde gerichtet zu werden. Leider ist bis jetzt Näheres,
namentlich die Art des Importes dieser parasitischen Eier, nicht ermittelt
worden. )
Was die geographische Verbreitung betrifft, die bei unsrer, erst in
neuerer Zeit einem eingehenderen Studium unterworfnen Abtheilung natür-
lich nur wenig bekannt ist, so dürfte dieselbe für die Süsswasserformen
wenigstens eine ähnlich weite sein, wie bei den Rhizopoden. Die zum
Beleg hierfür beizubringenden Daten sind, wie gesagt, wenige; Actino-
phrys ist bekannt aus Europa, Nordamerika und Ostindien, Actinosphae-
rium, Raphidiophrys, Acanthoeystis und Clathrulina sind ferner von Leidy
auch in Nordamerika nachgewiesen worden, und zwar sämmtlich in mit
europäischen identischen Arten.
Ueber die Ernährungsverhältnisse der Heliozoa braucht bier kaum
noch etwas Genaueres mitgetheilt zu werden, da die Art der Nalırungs-
aufnahme schon bei früherer Gelegenheit besprochen und die Natur
der Nahrungsstoffe z. Th. gleichfalls schon früher angedeutet wurde, im
Ganzen jedoch auch kein besonderes Interesse darbietet. Die Nahrung
wird sowohl dem thierischen wie pflanzlichen Reich entnommen und zwar
scheint die eine Form sich mit Vorliebe oder ausschliesslich von thieri-
schen, die andere von pflanzlichen Organismen zu ernäbren, dritte hin-
gegen ihren Bedarf aus beiden Gebieten zu decken. Es sind nicht immer
die allerniedersten und kleinsten thierischen Organismen, welche den
Heliozoön zum Opfer fallen; schon Eichhorn sah das Actinosphaerium
mehrere Wasserflöhe (Daphniden) und einen Chaetonotus verschlingen
und ich kann mir nieht versagen, die Worte, mit welchen er die Raub-
gier dieser Heliozo&@ schildert, anzuführen; er sah in einem Actinosphae-
rium „wie in einer Mördergrube, die Todten-Gebeine von 2 bis 3 Wasser-
flöhen liegen“. Leidy (50) fand gleichfalls Actinosphaerium sehr gefrässig
und zwar ernährt sich nach ihm diese Form wie Aetinophrys hauptsäch-
lich von einzelligen Algen (Diatomeen, kleineren Desmidiaceen ete.), Z00-
sporen, Ciliaten, Flagellaten und Rotatorien.
Für zahlreiche Formen fehlen jedoch bis jetzt noch Beobachtungen
über die Natur ihrer Nahrung.
Dass von fossilen Heliozo@n. bis jetzt durchaus nichts bekannt ist,
bedarf keiner weiteren Erörterung.
332 Radiolaria,
III. Unterabtheilung (Unterklasse).
Radiolaria.
1. Uebersicht der historischen Entwicklung unsrer Kenntnisse von den
Radiolarien.
Während die Abtheilung der Rhizopoda schon in verhältnissmässig
sehr früher Zeit die Aufmerksamkeit zahlreicher Forscher, wenn auch nur
durch ihre todten Schalenreste, beschäftigte, blieben dagegen die nun zu
betrachtenden Radiolarien bis in unser Jahrhundert völlig unbekannt.
Dennoch stehen sie an Reichthum und Mannigfaltigkeit der Entwicklung
durchaus nicht hinter den Rhizopoden zurück; die Untersuchungen der
neuesten Zeit scheinen im Gegentheil zu beweisen, dass die Radiolarien
die umfangreichste und mannigfaltigste, daher auch in vieler Hinsicht die
interessanteste Abtheilung der Sarkodinen bilden. Die geringe Beachtung,
welche die Angehörigen unsrer Abtheilung bis in verhältnissmässig neue
Zeit gefunden haben, erklärt sich z. Th. wenigstens aus ihrer entweder
pelagischen oder profunden Lebensweise und ihrer Kleinheit. Die küsten-
bewohnenden Rhizopoden erfreuten sich viel früher der Theilnahme der
Beobachter. Aus den ersten Decennien unsres Jahrhunderts liegen einige
Beobachtungen über kleine leuchtende Tbierchen vor, welche unter den
Tropen an der Oberfläche der hohen See in grosser Menge von Tilesius
(1803—1806) und Baird*) (ca. 1830) neben andern Leuchtthieren an-
*, Vergl. hierüber Tilesius, Atlas zu Krusenstern’s Reise um die Welt, ausgef. in
den Jahren 1808—6, Taf. XXI. Fig. 16a—b und Fig. 20a—c, weiter auch: Tilesius,
Ueber das nächtliche Leuchten des Meerwassers, in Annalen der wetterauischen Gesellschaft
III. Bd. 1814 und in Gilbert's Annalen der Physik, 61. Bd. 1819 Leuchtende Meer-Infusions-
thierchen. Die hier in Frage kommenden Wesen wurden von Tilesius als Infusionsthierchen
bezeichnet und wohl für die damalige Zeit nicht schlecht abgebildet (speciell in dem Atlas
zu Krusenstern’s Reise). Den als Leucophrys echinoides bezeichneten Organismus halte ich
mit Häckel wohl für eine zweifellose Acanthometride, wogegen mir die Mammaria adspersa
ganz den Eindruck einer Thalassicolla nucleata macht; nicht nur die Grössenverhältnisse und
die innere Pigmentanhäufung stimmen damit gut überein, sondern er zeichnet auch auf den ver-
grösserten Darstellungen derselben eine Structur der äusseren Region, welche sich recht wohl
auf die concentrisch geschichtete Anordnung der extrakapsulären Vacuolen zurückführen lässt.
Fhrenberg wollte, in wohl jedenfalls irriger Weise, die Mammaria des Tilesius mit dem
Geschichte, 335
getroffen wurden und welche spätere Forscher wohl mit Recht auf Radio-
larien (Colliden, Sphaerozoeen und auch Acanthometreen) bezogen.
Grössere Sicherheit bieten die Beobachtungen über Radiolarien,
welche Meyen auf einer Reise um die Erde 1832—34 (Nr. 1) anstellte.
Er beschrieb drei Formen, von welchen die als Sphaerozoum bezeich-
nete eine sichere Sphaerozoide ist, deren Skeletgebilde er nach Form und
chemischer Natur (Kiesel) schon richtig erkannte. Zweifelhafter dagegen
sind die zwei unter dem Gattungsnamen Physematium geschilderten For-
men. Ob sich unter ihnen wirklich Angehörige der Familie der Colliden
und speciell solche der Gattung Physematium im heutigen Sinne finden,
scheint um so zweifelhafter, als einzelne der abgebildeten Exemplare wohl
ohne Bedenken auf Collozoum, eine Form der Sphaerozoeen, zu beziehen
sind. Merkwürdig ist, dass Meyen diesen Wesen eine energische Beweg-
lichkeit zuschreibt. Hinsichtlich der allgemeinen Auffassung der beobach-
teten Organismen kam unser Forscher zu dem Schluss: dass sie den
Thieren zuzurechnen seien und eine besondere Familie bildeten, welche
er wegen ihrer Aehnlichkeit mit den Nostochinen unter den Pflanzen
(Algen) als Palmellaria bezeichnete und mit einer weiteren Familie in
eine besondere Thierklasse der Agastrica einreihte.
Der weitere Fortschritt der Radiolarienforschung knüpft sich, wie wir
Aehnliches auch schon bei den Rhizopoda gefunden haben, an das Studium
der Skeletreste an, welche an einigen Orten der Erdoberfläche in grosser
Menge in Tertiärschichten angehäuft getroffen werden. Die Erforschung
dieser fossilen Radiolarienreste verdanken wir fast ausschliesslich den
unermüdlichen Bemühungen Ehrenberg’s, der seit 1838 auch diesen Proto-
zoen seine Aufmerksamkeit zuwandte. Ausser den fossilen Radiolarien
verschiedener Fundorte, welche er allmählich beschrieb und abbildete,
zog er bald auch die am Grunde der Tiefsee abgelagerten kieseligen
Skelete in den Kreis seiner Forschungen. Wenn sich Ehrenberg nun
auch derart um die Kenntniss der Skeletbildungen der Radiolarien sehr
grosse Verdienste erworben hat — grössere vielleicht noch hinsichtlich
unsrer Kenntnisse von der Verbreitung der Radiolarienreste in den Erd-
schichten und dem Tiefseeschllamm — so vermochte er doch auch auf
diesem Felde nicht durch seine Forschungen zu einem annähernd richtigen
Verständniss der Organisation und der allgemeinen Auffassung der Gruppe
zu gelangen. Lebende Radiolarien hat er nur einmal in der Nordsee
(1839 Nr. 3) und ganz unvollständig beobachtet. Was er daher gelegentlich
Physematium von Meyen identifieiren und hielt beide ebenso irrthümlich für Medusen. Der
obige Exkurs rechtfertigt sich wohl dadurch, dass es sich hier um die erstmaligen Beobach-
tungen von Radiolarien handelt. — Baird, W., London Magaz. of nat. hist. Vol. III. 1830
und Vol. IV. 1831, auch Ehrenberg, Das Leuchten des Meeres, Abh. d, Berl. Ak. a. d.].
1834. Eigenthümlich ist, dass kein späterer Forscher, mit Ausnahme von Macdonald, etwas
von dem Leuchtvermögen der Radiolarien berichtet, während die eben erwähnten ersten Beob-
achter, Tilesius und Baird, wie auch Meyen, dasselbe bestimmt behaupten, wenn anders die
Beziehung der von ihnen beschriebnen Organismen auf Radiolarien richtig ist.
334 Radiolaria.
über die Natur und systematische Stellung unsrer Wesen äussert, ist sehr
mangelhaft und besserer Einsicht, welche von anderer Seite beigebracht
wurde, verschloss er sich auch auf diesem Gebiet gleich hartnäckig wie
auf anderen.
Ueberschauen wir nun ganz flüchtig die Thätigkeit, welche Ehren-
berg auf dem bezeichneten Gebiete im Laufe der Jahre 1838—1875 ent-
faltete.e. Die ersten Funde hierhergehöriger Organismen machte er bei
Gelegenheit seiner Untersuchungen über die Kreide und verwandte Ge-
steinsbildungen. In den fälschlich zur Kreideformation gerechneten Mergeln
von Caltanisetta (Sicilien), Zante (Griechenland) und Oran (Nordafrika)
traf er 4 hierhergehörige Gattungen, welche er 1838 (Nr. 2) beschrieb.
Eine Reihe weiterer Fundstätten fossiler Radiolarien in Nordamerika
(Richmond, Petersburg in Virginien und Piscataway in Maryland) wurden
1844 von ihm kurz beschrieben (Nr. 4, 1844), wodurch, wie durch das
genauere Studium der schon früher erwähnten Fundorte, sowie eines wei-
teren Vorkommens auf den Bermuda-Inseln, die Zahl der bekannten Arten
und auch Gattungen (6) ziemlich vermehrt wurde.
Eine ungeahnte Bereicherung fand jedoch die Zahl der Formen plötz-
lich im Jahre 1846 durch die Untersuchung eines von R. Schomburgk auf
Barbados entdeckten, veritablen Radiolariengesteins, dessen Studium Ehren-
berg mit grossem Eifer unternahm, so dass er schon nach wenigen Mo-
naten 282 Arten und 44 Genera der Radiolarien unterschied, welche er
auf 7 Familien vertheilte (Nr. 4; 1846 u. 47). Die genauere Charakte-
ristik der ‘Barbadosformen und die bildliche Darstellung derselben (ab-
gesehen von einer Anzahl Formen, welche in der gleich zu erwähnenden
Mikrogeologie bildlich dargestellt wurden) verzögerte sich jedoch bis zu
dem Jahre 1873, resp. 1875 (Nr. 4, 1875 u. Nr. 26).
Ein an das Barbadosgestein an Reichthum erinnerndes Vorkommen
auf den Nikobareninseln erörterte Ehrenberg kurz 1850 (Nr. 4), jedoch
wurde eine genauere Beschreibung der hier neugefundenen Arten nicht
gegeben und nur ein Theil derselben fand in der Mikrogeologie eine bild-
liche Erläuterung. Nur sehr unwesentlich vermehrt wurden unsre Kennt-
nisse der fossilen Radiolarien durch zwei von Ehrenberg 1855 und 56
ermittelte neue Fundstätten zu Simbirsk (bei Kasan) und Morro de Mi-
jellones auf der Grenze zwischen Chile und Bolivia.
In der 1854 erschienenen Mikrogeologie wurden eine Reihe der fos-
silen Radiolarienreste (72 Arten) bildlich dargestellt, ohne jedoch durch
Beschreibungen genauer erläutert zu werden. Ueberhaupt ist dies nur für
die Radiolarienfauna des Barbadosgesteins, wie erwähnt, späterhin 1873
(Nr. 4) ausgeführt worden, die denn auch 1875 (Nr. 26) in Abbildungen
ausreichend dargestellt wurde. In der letzterwähnten Abhandlung zog
Ehrenberg schliesslich das Facit seiner Studien über fossile Radiolarien,
als deren Ergebniss er nicht weniger wie 326 Formen aufzählen konnte
(oder vielmehr 362, wenn wir die von Ehrenberg unrichtiger Weise unter
A ee 1
ee ee
Geschichte. 385 °
die Diatomaceen verwiesenen Gattungen Mesocaena und Dyctiocha an
ihre richtige Stelle, d; h. zu den Radiolarien, bringen).
Schon seit 1844 beschäftigte sich Ehrenberg auch mit den Radio-
larienresten der heutigen Meere, weniger den an der Oberfläche des
Meeres, so im sog. Pancake-Eis des Südpolarmeeres eingeschlossenen,
sowie anderen aus Chaetocerosflocken und dem Magen von Salpen, vor-
wiegend vielmehr mit den Resten der tiefen Meeresgründe.
Im Laufe der Jahre wurden so untersucht: Grundproben des atlan-
tischen Oceans (4; 1854 u. 1857), solche des ägäischen Meeres (1854)
und weiterer Punkte des Mittelmeeres (1857 u. 1858), des stillen Oceans
(Kamtschatka 1856)*), ferner des indischen Oceans östlich von Zanzibar
(1859), des stillen Oeeans zwischen Californien und den Sandwichinseln,
sowie eine Probe aus grosser Tiefe zwischen den Philippinen und Ma-
ıianen (1560), des mexikanischen Golfes (1861) und des arktischen
Meeres (1869). Eine Zusammenfassung und Vervollständigung erfuhren
diese Tiefseeuntersuchungen Ehrenberg’s 1873 (Nr. 25), nachdem schon
1872 (4, 1872) 113 neue Arten aus der Tiefsee diagnostieirt worden
waren. In der tabellarischen Uebersicht, welche Ehrenberg dieser
Zusammenfassung beigibt, führt er 278 Formen auf, welche sich unter
Einreihung der gleichzeitig zusammengestellten Dietyocha- und Mesocaena-
formen auf 315 vermehren. Von diesen Formen, wie von den-früher er-
wähnten fossilen sind jedoch Ehrenberg selbst eine ziemliche Zahl zweifel-
haft geblieben und eine nicht unbeträchtliche Zahl wurde weder durch
Abbildungen noch durch Beschreibungen erläutert.
Um zu einer richtigen Beurtheilung der Leistungen Ehrenberg’s auf
dem Gebiet der Radiolarien zu gelangen, müssen wir hier schliesslich
noch seiner Ansichten über die Organisation und die systematische Stellung
unsrer Gruppe gedenken.
Seine ursprüngliche Auffassung unsrer Formen, welcher er 1838 (Nr. 2),
wenngleich nur auf die Kenntniss der Skelete weniger Formen gestützt,
Ausdruck verlieh, ging dahin, sie seiner Abtheilung der Polygastrica
(etwa Infusorien + Diatomaceen im heutigen Sinne) als eine neue Familie
der Polyeystina (oder Arcellina eomposita) einzureihen und sie nament-
lich von seinen Polythalamia, welche er bekanntlich den Bryozoa zurech-
nen wollte (vergl. bier. p. 6—7), scharf zu scheiden. Nach ausgedehnterem
Studium ihrer Skelettheile (hauptsächlich der Barbadosformen) gelangte
er jedoch 1847 (4) zu einer ziemlich abweichenden Auffassung, indem er
sie jetzt gerade den Polytbalamien wieder zu näbern sucht, ihnen einen
einfachen, schlauchartigen Darm zuschreibt, sie daher, aus der Gruppe der
Polygastrica entfernt und seinen Schlauchthieren (Tubulata) als besondere
Klasse neben Bryozo@n, Rotatorien, Nematoiden, Echinoiden und Holo-
thurien einreihte.
*) Bezieht sich auf die Untersuchungen des amerikanischen Forschers Bailey (Nr. 7),
welcher eine Anzahl Radiolarien aus Grundproben des kamtschatkaischen Meeres beschrieb.
336 Radiolaria.
Im wesentlichen beharrte Ehrenberg auch in seinen späteren Mit-
theilungen über die Polyeystinen (1873, 25 u. 1875, 26) auf seiner letzt-
besprochenen Anschauung über die Verwandtschaftsbeziehungen und die
systematische Stellung der Abtheilung; jedoch herrscht in seinen Aus-
sprüchen eine so grosse Unklarheit, dass sich ein zufriedenstellendes Bild
derselben kaum skizziren lässt. 1872 bezweifelt er, ob sich die ganze
seitdem als Radiolarien charakterisirte Gruppe zu den thierischen Orga-
nismen rechnen lasse. 1875 muss er „Anstand nehmen‘, auf die neuer-
dings an der Oberfläche der Meere von Anderen „angeblich lebend“
beobachteten Radiolarien weiter einzugehen und hebt hervor, dass es nach
seinen früheren Kenntnissen nöthig geworden war, die Klasse der Poly-
cystinen in die Nähe der Holothurien systematisch einzuordnen. Die bis-
her beobachteten gallertartigen Erfüllungen der Polyceystinen hält er für
zu wenig organisirt gegen den vielfach zusammengesetzten, künstlichen
Bau des zierlichen Kieselgerüstes.. Auch die grosse Mannigfaltigkeit der
Formen spräche gegen einen so einfachen Bau. Die Pseudopodien (nach
ihm Fäden) scheinen ihm nicht contractil, daher nicht vergleichbar denen
der Polythalamien, noch denen der Amöben und Arcellinen; sie besässen
aber manche Aehnlichkeit mit den Oscillarien. Dagegen spricht er
auf der folgenden Seite doch wieder von dem „bemerkenswerthen Anklang“
zwischen den Skeletbildungen der Polyeystinen und Arcellinen. So sehen
wir denn, dass Ehrenberg, trotz seiner sehr erheblichen Verdienste um
die Erkenntniss der grossen Mannigfaltigkeit der Skeletverhältnisse und
das Vorkommen unsrer Abtheilung im fossilen und lebenden Zustand,
durchaus nichts beigetragen hat zu einer wirklichen Aufklärung der
Organisation und systematischen Position unsrer Gruppe. Seine Ansichten
über die systematische Gruppirung der ihm bekannt gewordenen Radio-
larien (worunter jedoch sehr wichtige Gruppen ganz fehlen) werden wir
erst später im systematischen Abschnitt kurz erörtern können; auch wer-
den erst später seine Anschauungen über Vorkommen und Lebensweise
der Radiolarien in unseren heutigen Meeren ihre Besprechung finden.
Erst vom Jahre 1851 können wir die eigentliche Erforschung der
Organisation der Radiolarien datiren und zwar wurde dieselbe durch die
trefflichen Untersuchungen eines auf zahlreichen Gebieten der zoologi-
schen Forschung hervorragenden englischen Naturforschers, Huxley, in-
augurirt, welcher auf einer Reise um die Erde Gelegenheit hatte, Vertreter
dreier Geschlechter der Sphaerozoea (Collozoum, Sphaerozoum und Collo-
sphaera), sowie einen Repräsentanten der Collida (Thalassicolla nucleata)
zu untersuchen (Nr. 5). In Anbetracht des damaligen Standes der Proto-
zo@nkunde und der Zellenlehre dürfen wir die Leistungen Huxley’s recht
hoch anschlagen. Er zog auf Grund seiner Untersuchungen die beob-
achteten Formen zu den Protozoön Siebold’s und verglich schon sehr
richtig die Thalassicolla nucleata mit dem durch Kölliker’s Untersuchungen
genauer bekannt gewordenen Actinosphaeriam. Sein Vergleich der mono-
zo@n Thallasieolla nucleata mit den polyzo@n Spharozo@n traf schon im
“
Geschichte. 337
Wesentlichen das Richtige, wenn er auch darin fehlte, dass er beide in
direeten, durch die Fortpflanzung bedingten Zusammenhang bringen wollte.
Im Speeiellen klärte er die wichtigsten organisatorischen Bestandtheile in
meist zutreffender Weise auf, so die Centralkapsel, deren Membran er
nachwies und die er bei den Sphaerozoön als Zelle bezeichnete, als
deren Nucleus er die centrale Oelkugel ansprach. In der Centralkapsel
(vesicle) der Thalassicolla beobachtete er das Binnenbläschen, dessen
Kernnatur er vermuthete, sowie die Oelkugeln und Eiweisskugeln,
welch beide als Zellen aufgefasst wurden. Die Gallerte und ihre Vacuolen,
welch letztere richtig im Sinne Dujardin’s gedeutet wurden, die gelben
Zellen und schliesslich auch das die Gallerte durchsetzende Protoplasma-
netz beobachtete er und nahm sogar schon bei Thalassicolla dessen
Körnehenströmung wahr. Dagegen blieben ihm die eigentlichen Pseudo-
podien unbekannt.
Eine wissenschaftliche Begründung auf breiterer Grundlage wurde
jedoch unsrer Abtheilung erst durch die höchst wichtigen Untersuchungen
Joh. Müller’s zu Theil, welche er in einer Reihe von Mittheilungen, die 1855
begannen (Nr. 5—11) und ihren Abschluss in der, erst 1858 nach Müller’s
Tode erschienenen Abhandlung „Ueber die Thalassicolleen, Polyeystinen
und Acanthometreen des Mittelmeers“ (Nr.12) fanden, worin auch zuerst die
erläuternden Abbildungen zur Veröffentlichung kamen, niederlegte. Müller’s
Verdienste um die Erforschung und namentlich auch die richtige Umgren-
zung unsrer Abtheilung sind sehr gross, so dass der beschränkte Raum uns
hier nur die Andeutung des Wichtigsten gestattet. Ihm zuerst gelang es,
lebende Vertreter der Ehrenberg’schen Polyeystinen zu studiren und ihren
im Wesentlichen mit den Huxley’schen Thalassicollen und dem Meyen’schen
Sphaerozoum übereinstimmenden Bau zu erweisen. Weiterhin entdeckte
er zuerst eine bis dahin unbekaunte grosse Abtheilung hierhergehöriger
Wesen, die Acanthometreen, deren Bauverhältnisse er schon sehr trefflich
aufklärte. Wenngleich er sich anfänglich noch zweifelnd über die Zu-
sammengehörigkeit der Thalassicolleen, Polyeystinen und Acanthometreen
aussprach, führten ihn seine weiteren Studien doch bald zu der richtigen
Erkenntniss der nahen Verwandtschaft dieser 3 Gruppen und damit zur
Begründung der umfassenderen Abtheilung der Radiolarien, deren ver-
wandtschaftliche Beziehungen er gleichfalls zuerst näher und richtig be-
gründete. Zu diesem Fortschritt führte ihn namentlich die Entdeckung,
dass die Oberfläche unsrer Wesen im Leben mit ähnlichen fadenförmigen
Ausläufern ausgerüstet sei, wie solche bei den Rhizopoden (speciell den
damals bekannten Heliozoön und den sogen. Polythalamien) sich finden.
Die völlige Gleiehwerthigkeit dieser fadenförmigen Ausläufer mit den
Pseudopodien der Rhizopoden erwiesen jedoch erst 1856 zwei Schüler
Müller’s, Clapar&de und Lachmann (Nr. 10 u. Nr. 14), welche den Nach-
weis führten, dass die Fäden der Acanthometreen dieselbe Körnchen-
strömung wie die der Polythalamien und der Actinophrys zeigen und dass
sie weiterhin befähigt sind durch Verästelungen Anastomosen und Netze
Bronn, Klassen des Thier-Reichs, Protozon, 22
338 Radiolaria,
zu bilden, wie solches ja durch M. Schultze für die Polythalamien so
überzeugend nachgewiesen worden war. Müller konnte in der Folge diese
Beobachtung für alle Gruppen seiner Radiolarien bestätigen. Er stand
dann auch nicht mehr an, die ganze Abtheilung zu den Rhizopoda zu ziehen
und sie neben den durch M. Schultze’s Untersuchungen so wohl bekannten
Polythalamia oder Rhizopoda polythalamia als Radiolaria oder Rhizopoda
radiaria einzureihen, indem er auch schon die radiäre Anlage des Baues
als bedeutungsvoll für die gesammte Gruppe erkannte. Unsicher blieb er
dagegen über die Beziehungen seiner Rhizopoda radiaria zu Actinophrys
und den Siüsswasserrhizopoden, wobei ihn namentlich die contraetilen
Vaecuolen letzterwäbnter Formen genirten, welche ihm eine nähere Ver-
wandtschaft zu den Infusorien zu verrathen schienen; er trennte die-
selben denn auch als „rhizopode Infusorien“ von den eigentlichen Rhi-
zopoden.
Auch weitere specielle Organisationseigenthümlichkeiten wurden durch
die Forschungen Müller’s wesentlich aufgeklärt; so einmal die Verbreitung
und Wichtigkeit einer häutigen Umhüllung des centralen Körpers (Central-
kapsel), jedoch scheint ihm die grosse Bedeutung dieser Einrichtung im
Gegensatz zu den übrigen Sarkodinen nicht hinreichend klar geworden
zu sein, wie er auch im Speciellen bei den Acanthometreen die Central-
kapsel nicht richtig erkannt hat. Wesentlich erscheint weiterhin noch der
Nachweis der wirklichen Zellennatur der sogen. gelben Zellen und ihrer
selbstthätigen Vermehrung und die erste, wenn auch noch unsichere Beob-
achtung über die Fortpflanzung einer Acanthometree. Rechnen wir hierzu
noch die beträchtliche Vermehrung, welche die Zahl lebend bekannter
Radiolarien durch die Müller’schen Untersuchungen erfahren hat und die
nicht unwichtigen Aufklärungen über den Skeletbau, so verschwinden
gegen diese wichtigen Förderungen unsres Wissens die Missgriffe Müller’s
in der Deutung der Radiolarienorganisation. Dass Müller noch nicht zu
einer richtigen Abwägung der morphologischen Werthigkeit einzelner
Theile des Radiolarienorgarismus gelangte, scheint uns bei dem damaligen
Stand histologischer Forschungen leicht begreiflich, ist ihm darin doch
auch sein Nachfolger E. Häckel noch wesentlich treu geblieben, speeciell
in der Unsicherheit der Auffassung der sogen. Alveolen (Vacuolen Hux-
ley’s) und der Auffassung einer Reihe von Bestandtheilen als Zellen,
welche später als nicht zellig erkannt wurden. Auch die Verkennung der
umhüllenden Gallerte des Radiolarienkörpers durch Müller erscheint von
geringem Gewicht, wenn wir sehen, dass Häckel sich ihm auch hierin
vollständig anschloss.
Waren in dieser Weise die Radiolarien durch J. Müller zu einer ziem-
lich wohlerforschten Protozoöngruppe geworden, so erhoben sie die aus-
gedehnten Untersuchungen eines seiner hervorragendsten Schüler, E. Häckel,
schon nach wenigen Jahren (1862) zu einer der besterforschten damaliger Zeit.
Häckel vereinigte in seiner umfangreichen Monographie dieser Gruppe
(Nr. 16) nicht nur seine eigenen, tiefgehenden Untersuchungen über die
Geschichte. 339
reiche Radiolarienfauna des Mittelmeers, sondern suchte auch weiterhin
das gesammte damalige Wissen über diese Gruppe zusammenzustellen;
so namentlich die zahlreichen und sehr zerstreuten Arbeiten Ehrenberg’s.
Auf Grundlage dieser Studien gab er dann eine vollständige systematische
Uebersicht der bekannten Radiolarien, die nur deshalb z. Th. etwas un-
sicher erscheint, weil zahlreiche der von Ehrenberg namhaft gemachten
und kurz beschriebenen Gattungen und Arten sehr mangelhaft bekannt
waren, und sich daher einer gesicherten Beurtheilung entzogen.
Die direete Vermehrung unsrer Kenntniss der Radiolarienformen,
welche wir der Häckel’schen Monographie verdanken, ist sehr beträcht-
lich, nicht weniger wie 144 neue Formen wurden darin, meist nach Beob-
achtungen im lebenden Zustande, beschrieben, so dass die Zahl der
lebend beobachteten Radiolarien sich hierdurch auf etwa das vierfache
der 1858 bekannt gewesenen erhob. Ein tiefgehendes Studium der Bau-
verhältnisse des Weichkörpers befähigte Häckel denn auch, die charakte-
ristischen Eigenthümlichkeiten der Radiolarien gegenüber den übrigen
Sarkodinen schärfer zu ‚betonen. Namentlich erkannte er die volle Wich-
tigkeit der Centralkapsel, welche er denn auch überall nachwies. Weiter-
hin erhalten wir durch seine Forschungen zum ersten Mal ein gesichertes
Bild des eigentlichen Aufbaues des Radıolarienkörpers, indem er die den Kör-
per zusammensetzende Sarkode zuerst genauer studirte und sie in extra- und
und intrakapsuläre unterschied. Dagegen gelang es auch ihm nicht,
so wenig wie seinem Vorgänger Müller, über die morphologische
Werthigkeit der in der Sarkode sich vorfindenden verschiedenen Bestand-
theile zu hinreichender Klarheit zu gelangen. Die unzweifelhafte Zellen-
natur der bei den Radiolarien so verbreiteten gelben Zellen gab wohl
Veranlassung, auch manches für Zellen zu erklären, was durch bessere
Erkenntniss als nichtzellig erkannt wurde, so die intrakapsulären Alveolen,
die wasserhellen Bläschen und wohl auch mancherlei sogen. Pigmentzellen
der intra- und extrakapsulären Sarkode. Andrerseits blieb ihm jedoch
auch die morphologische Bedeutung wichtiger Theile unklar, so die des
Binnenbläschens, dessen Kernnatur er nicht erkannte, wie er denn über-
haupt die Kernverhältnisse unsrer Wesen sehr unsicher liess. Alle diese
Umstände vereint, mussten die morphologische Bedeutung, welche Häckel
dem Radiolarienorganismus zuschrieb, wesentlich anders gestalten, wie die
jetzt gelänfige, indem er in ihm nieht einen ein-, sondern einen mehr-
zelligen Organismus sah, dessen gemeinsamer Sarkodekörper einestheils
als das Produkt der Verschmelzung zahlreicher Zellenleiber zu betrachten
sei, andrerseits jedoch noch eine ganze Anzahl verschiedenartiger, selbst-
ndiger Zellen umschliessen könne,
Nicht sehr erheblich waren die Fortschritte, welche Häckel auf dem
schwierig zu erforschenden Gebiet der Fortpflanzungserscheinungen der
Radiolarien machte, doch erweiterte er auch in dieser Richtung unsre
Kenntnisse etwas und suchte in seiner Monographie namentlich auch die übri-
gen Lebenserscheinungen, soweit möglich, nach allen Riehtungen aufzuklären,
22*
z
340 Radiolaria,
Eine Reihe kleinerer Arbeiten verschiedner Forscher, die in den
Jahren 1862—70 erschienen (Nr. 15—22), trugen nur wenig zu dem tie-
feren Verständniss unsrer Organismen bei und sollen daher hier nicht
specieller erwähnt werden; z. Th. blieben sie sogar hinter dem schon
Erreichten zurück. Kurz erwähnen wollen wir nur 2 Arbeiten Schneiders
(13 u. 19, von welchen die eine schon vor das Erscheinen der Häckel’-
schen Monographie fällt), durch welche einige Punkte von Wichtigkeit
ermittelt wurden; auch Häckel erweiterte durch zwei kleinere Arbeiten
der Jahre 1865 und 1870 unsere Kenntnisse der Radiolarien noch etwas,
ohne jedoch in der Gesammtauffassung derselben seinen früheren Stand-
punkt wesentlich zu ändern.
Im Jahre 1871 machte Cienkowsky einen wichtigen Schritt vor-
wärts, da er zuerst die schon von Joh. Müller, Schneider und Häckel un-
vollständig und daher unsicher beobachtete F'ortpflanzungsweise der Radio-
larien durch Schwärmerbildung des Centralkapselinhalts bei-zwei Sphaero-
zoden überzeugend nachwies (23).
Diese Untersuchungen Cienkowsky’s wurden dann im Jahre 1876
vertieft und vervollständigt durch die wichtigen Forschungen R. Hert-
wig’s (28), der einmal die Entstehungsweise dieser Schwärmer, und im
Zusammenhang damit die Beschaffenheit des Centralkapselinhalts sehr
genau untersuchte, andrerseits dieselbe Fortpflanzungsweise auch noch bei
andern Radiolarien ermittelte. Weitere Vervollständigungen auf diesem
Gebiet brachte in der neuesten Zeit noch eine Arbeit von K. Brandt (36),
was an dieser Stelle gleich bemerkt werden mag. Namentlich wurde
Hertwig durch seine Beobachtungen, im Zusammenhange mit den fort-
geschrittenen Erfahrungen der histologischen Forschung überhaupt, zu
einer genaueren Ermittelung der Kernverbältnisse und des morphologi-
schen Werthes der verschiedenen Inhaltskörper der Radiolariensarkode
geführt. Als Resultat dieser Beobachtungen ergab sich denn für ihn eine
gegenüber Häckel wesentlich modifieirte Auffassung des Radiolarienorga-
nismus, welche jedoch erst in der zweiten, grösseren Arbeit Hertwig’s
(1878, Nr. 33) zu völliger Geltung kam. — Schon Cienkowsky hatte es
sehr wahrscheinlich gemacht, dass die bei den Radiolarien in der extra-
kapsulären Sarkode so verbreiteten gelben Zellen nicht dem Organismus
dieser Geschöpfe selbst angehörten, sondern fremde, pflanzliche Eindring.
linge seien. R. Hertwig führte dann in seiner ersten und in viel weiter
ausgedehntem Maassstabe in seiner zweiten Arbeit den Nachweis, dass
fast sämmtliche der von Joh. Müller und Häckel als Zellen aufgefassten
Inhaltsgebilde der Radiolariensarkode Kein Anrecht auf diese Bezeichnung
hätten, sondern Inhaltskörper seien, wie sie bei echten Zellen getroffen
werden. Wenn nun auch von Hertwig das Vorkommen echter, selbst-
ständiger Zellen im Protoplasma der Radiolarien nicht durchaus in Abrede
gestellt werden konnte, wie später noch ausführlich zu begründen sein
wird, so musste er als Gesammtresultat seiner Studien doch den Schluss
ziehen, dass der Organismus der Radiolarien sich wie der der übrigen
*
Geschichte. 341
Protozo@n seinem innersten Wesen nach als ein einzelliger erweise. Hier-
mit war denn auch für die letzte Protozo@nabtheilung, bei weleher noch
Zweifel über eine solche Auffassung zulässig waren, dieser Nachweis
erbracht.
Aber auch für zahlreiche morphologische und biologische Speeial-
fragen waren die Arbeiten Hertwig’s von tiefgehender Bedeutung. So
wurde von ihm zuerst die allgemeine Verbreitung und hohe Bedeutung
der gallertigen Umhiillung des Radiolarienkörpers ermittelt, welche Joh.
Müller und Häckel für eine Leiehenerscheinung erklärt hatten. Besonders
frachtbringend waren die Hertwig’schen Arbeiten weiterhin für die ge-
nauere Erkenntniss des Baues der Centralkapsel und, theils im Zusammen-
hang damit, die Vertiefung und natürlichere Gestaltung unserer Anschau-
ungen über das genealogische System der zahlreichen Formen, wobei
auch die Skeletverhältnisse eine eingehende und meist zutreffende Wür-
digung erfuhren.
Wir dürfen daher in den Hertwig’schen Arbeiten ohne Zweifel die
bedeutsamste Förderung unsrer Radiolarienkenntnisse seit dem Erscheinen
der Häckel’schen Monographie erblicken.
Die neueste Zeit hat uns jedoch gelehrt, dass das, was wir bis jetzt
von der Mannigfaltigkeit der Radiolarienformen kannten, nur einen
kleinen Bruchtheil des. unsre Meere bevölkernden Formenreichthums
dieser Abtheilung darstellt. Hierüber haben uns zuerst die über die ge-
sammten Meere hin ausgedehnten Forschungen der Challengerexpedition
unerwartete Aufschlüsse gebracht. Obgleich die Untersuchungen Häckel’s
über die Radiolarienmaterialien dieser Expedition bis jetzt noch nicht
in ausführlicher Publikation vorliegen, erhellt aus seinen vorläufigen
Mittheilangen (Nr. 34 und 37), dass mehr wie 2000 neue Formen
in jenen Materialien enthalten sind. Natürlich, dass diese Vermehrung
der Radiolarienformen auf etwa das Vierfache der seither bekannten
einen wesentlich umgestaltenden Einfluss auf unsre Ansichten von
der systematisch - genealogischen Entwicklung der gesammten Reihe
äussern muss, sind darunter doch ganze Mengen von Formen aus
Gruppen, welche bis jetzt nur durch einige wenige Vertreter reprä-
sentirt waren. Häckel hat denn auch auf Grund seiner Ergebnisse
ein neues System entworfen, welches nicht weniger wie 630 Gat-
tungen umschliesst. Leider entzieht sich jedoch dieser Systement-
wurf bis jetzt in vielen Punkten einer eingehenden Würdigung, da
es nicht möglich ist, nach den vorliegenden kurzen Charakteristiken
zu einem vollen Verständniss zahlreicher neuer Formen zu gelangen.
Ueber biologische und einige andere die Radiolarien betreffende Re-
sultate der Challengerexpedition liegen auch einige kurze Mittheilungen
_ zweier Mitglieder derselben, Murray und W. Thomson vor, namentlich
ergibt sich daraus, dass unsre Gruppe keineswegs als eine vorwiegend
pelagische zu betrachten ist, sondern bis in die tiefsten Abgründe der
Oceane hinabtaucht (27, 31).
342 Radiolaria,
Auch der Verfasser dieses Buches hat sich im Anschluss an Häckel
und Hertwig mit Untersuchungen über den Skeletbau einer Reihe von
kadiolarien beschäftigt und dadurch zur Aufklärung DE ematisch SE
logischer Fragen beigetragen.
Geringe Fortschritte hat bis jetzt im Allgemeinen die Erforschung der
fossilen Radiolarien gemacht, welche Ehrenberg einst so eifrig inaugurirte.
Unsre Kenntnisse beschränken sich auch heutzutage noch fast ausschliess-
lich auf die tertiären Radiolarienreste, obgleich es keinem Zweifel unter-
liegen kann, dass unsre Abtheilung auch schon in früherer Zeit eine
reiche Entwicklung besessen hat, worauf denn auch einige Befunde von
Gümbel, Waagen, Zittel und Anderen hinweisen.
Einen wesentlichen Beitrag zur Kenntniss der tertiären Radiolarien-
reste verdanken wir neuerdings noch E. Stöhr, welcher eine sicilianische
Fundstätte genauer durchforschte. Eine Reihe kleinerer Mittheilungen der
nach -ehrenberg’schen Zeit trugen zur Kenntniss der weiteren Verbreitung
der Radiolarienreste in der Tertiärformation Einiges bei.
Im Allgemeinen dürfen wir am Schlusse unsrer historischen Ueber-
sicht wohl aussprechen, dass unser Wissen von der umfangreichen Gruppe
der Radiolarien sich im Laufe der Zeit zu einem ziemlich vollständigen
gestaltet hat, dessen Lücken durch fortgesetzte, eifrige Untersuchungen
und namentlich auch durch das von Häckel unternommene Studium des
reichen Challengermaterials wohl bald noch mehr ausgefüllt werden
dürften.
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acad. C. L. ©. n. cur. Vol. XVL, Suppl. 1834, p. 160—164.
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1838. p. 198).
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und Meerwasser, Charakterist. neuer Arten); p. 257 (Tripel von Bermuda, Charakterist.
neuer Arten dess.); 1846 u. 1847 p. 40—60 1. Taf. (Radiolarien von Barbados, Ueber-
sicht des Polyeystinensystems von Ehrenberg bis zur Charakterist. der Gattungen); 1848,
1850 pag. 476 (fossile Vorkommnisse der Nikobaren); 1854 pag. 54 (Meeresgrund
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1855 p. 292 (Simbirsk, fossile Vorkommnisse); 1856 p. 197 (Tiefsee, kamtschatkaisches
Meer, p. 425 (Polirschiefer von Chile); 1857 p. 538 (Tiefsee, Mittelmeer), p. 142 (Tiet-
see, atlant. Ocean); 1858 p. 10 (Pylosphaera) u. p. 30 (neue Arten aus Mittelmeer);
1860 p. 765 (Tiefsee, stiller Ocean), p. 819 (Tiefsee, stiller Ocean, mit COharakterist,
neuer Genera); 1861 p. 222 (Tiefsee, mexik. Golf); 1869 p. 253 (Tiefproben der Nordpol-
expedit. d. Germania 75—80° n. Br.); 1872 p. 300321 (Diagnosen von 115 neuen Arten
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Literatur, ? 343
8. Müller, Joh., Ueber Sphaerozoum und Thalassicolla. Monatsber. d. Berl, Akad. 1555.
P.1229.
9. Ueber die im Hafen von Messina beobachteten Polycystinen. Monatsb. d. Berl,
Akad. 1855. p. 671.
10. —— Ueber die Thalassicollen, Polyceystinen und Acanthometren des Mittelmeers. Mon.
d. Berl. Akad. 1856. p. 474.
11. —— Erläuterung einiger bei St. Tropez am Mittelmeer beobachteter Polycystinen und
Acanthometren. Mon. d, Berl. Akad. 1858. p. 154—55.
12. —— Ueber die Thalassicollen, Polyeystinen und Acanthometren des Mittelmeers. Abh.
d. Berl. Akad. a. d. J. 1858. p.’1—62. Taf. 1—11.
13. Schneider, Ant., Ueber zwei neue Thalassicollen von Messina, Arch. £. An. u. Physiol.
1858. p. 3S—41. T. II. B.
. Clapar&de u. Lachmann, Etudes sur les infusoires et les rhizopodes. Geneve 1858—59.
(Siehe früheren Bericht in Monatsb. Berl. Akad. 1855. p. 674.)
Buryas, P.S. Mrs., Polyceystins, remark. forms from the Barbados Chalk deposit.
1. edit. (12 Taf. 1 p. Text) 1860/61. 2. edit. by M. C. Cooke. London 1868. 4°. 25 Pl.
(Nicht vollständig erschienen, scheint sehr unbedeutend und war mir unzugänglich.)
. Häckel, E., Die Radiolarien (Rhizopoda radiaria). Berlin 1562. (Vorläufige Mittheilung
s. Monatsb. d. Berl. Akad. 1860. p. 794 u. 835.)
. Wallich, G. C., On the structure and affinities of the Polyeystina. Transact. of the
microscop. soc, London (N. s.). Vol. XII. 1865. p. 57—S4.
Häckel, E., Ueber den Sarkodekörper der Rhizopoden. Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. XV.
1865. p. 342— 70.
Schneider, A., Zur Kenntniss des Baues der Radiolarien. Arch. f. Anat. u. Physiol.
1867. p. 509-511.
. Häckel, E., Beiträge zur Plastidentheorie: 3. Myxobrachia von Lauzerote. 5. Amylum
in den gelben Zellen der Radiolarien. Jenaische Zeitschr. f. Nat. u. Med. Bd. V. 1870.
-p. 519.
. Stuart, A., Neapolitanische Studien. Göttinger Nachrichten 1870. p. 99—101. (S .dieselbe
Notiz auch Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXI. p. 290.)
‚ Doenitz, W., Beobachtungen über Radiolarien. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1871.
p. 71—82. T. I.
Cienkowsky, L., Ueber Schwärmerbildung bei Radiolarien. Arch. f. mikrosk, Anat.
Bd. VII. 1871. p. 372—381. T. 29.
Wagner, N., Myxobrachia Cienkowski. Bullet. Acad. imper. de St. Petersbourg. T. XVII.
1872. p. 140—142.
25. Ehrenberg, Chr. G., Mikrogeolog. Studien über das kleinste Leben der Meeres-Tief-
gründe aller Zonen und dessen geolog. Einfluss. Abhandl. der k. Akad. Berlin a. d. 7.
1872. p. 131—397. T. I—XU.
Das unsichtbar wirkende Leben der Nordpolarzone; in: „Die zweite deutsche
"Nordpolarfahrt“ Bd. II. Wissenschaftl. Ergebnisse. Leipzig 1874.
Fortsetzung der mikrogeologischen Studien als Gesammt-Uebers. der mikroskop.
Paläontol. gleichartig analys. Gebirgsarten d. Erde, mit spec. Rücks. auf d. Polycystinen-
Mergel von Barbados. Abh. d, Berl. Akad. a. d. J. 1875. p. 1—226. 30 Taf.
. Murray, J., Preliminary report to Prof. W. "Thomson on work done on board the
Challenger. Proc. roy. soc. Bd. 24. 1876. p. 471. p. 532.
. Hertwig, R., Zur Histologie der Radiolarien. Leipzig 1876. 4°. 5 Taf. Y1 pp.
. Zittel, K. A., Ueber fossile Radiolarien der oberen Kreide. Zeitschr. der deutsch.
geolog. Gesellsch. Bd. XXVIH. 1876. p. 75—96. T. U.
Mivart, St. George, Notes touching recent researches on tlıe Radiolaria. Journ. Linn.
soc. Zoolog. Vol. XIV. 1877. p. 136—86.
. Thomson, Wyw., Voyage of the Challenger. The Atlantic. London 1877. 2 Vol.
. Häckel, E., Das Protistenreich. Leipzig 1878.
. Hertwig, R., Der Organismus der Radiolarien. Jenaische Denkschriften Bd. II. 1879,
Taf. VI—XVIL. p. 129—277.
. Häckel, E,, Ueber die Phaeodarien, eine neue Gruppe kieselschaliger, mariner Rhizo-
poden. Sitzungsber. der Jen. Ges. f. Med. u. Naturw. 1879.
. Stöhr, E., Die Radiolarienfauna der Tripoli von Grotte, Prov. Girgenti in Sicilien.
Palaeontographica. Bd. 26. 1880. p. 71—124. T. XVII—XXII. (Früheren Ber. hierüber
s. Amtl. Bericht über die Naturf,-Vers. zu München 1877 u. Bollet. d. R. comit. geolog.
d’Italia 1878, fasc, 11 u. 12.)
344 Radiolaria.
36. Brandt, K., Untersuchungen an Radiolarien. Monatsber, d. Berl. Akad. 1881. p. 388—
404. 1 Taf.
37. Häckel, E., Entwurf eines Radiolarien-Systems auf Grund von Studien der Challenger-
Radiolarien. Jen. Zeitschr. für Naturwiss. Bd. XV. p. 418—472. 1881.
38. Bütschli, O., Beiträge zur Kenntniss der Radiolarienskelete, insbesondre der der Oyıtida.
Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. XXXVI. p. 485—540. T. XXXI—XXXIIL 1581.
39. Geddes, P., Further researches on Animals containing chlorophyll. Nature. Vol. 25.
Nr. 639. 1882. p. 303—305.
2. Kurzer Ueberblick der morphologischen Auffassung und Gestaltung
des Radiolarienkörpers, sowie der Hauptgruppen dieser Abtheilung.
Wie schon früherhin (p. 1 und 2) und am Schlusse unsres histori-
schen Ueberblicks hervorgehoben wurde, haben wir den Körper eines
monozoön Radiolars morphologisch als eine einfache Zelle aufzufassen,
eine Zelle, welche theils einkernig, wie im jugendlichsten Zustand wohl
durchaus, theils mehr- bis vielkernig erscheint. Als die ursprüngliche und
auch bei zahlreichen Radiolarien noch dauernd erhaltene Gestaltung des
Körpers erscheint uns wie bei den Heliozoön die kuglige oder homaxone,
welche auch, wie bei den meisten Heliozo@n, dadurch noch schärfer aus-
geprägt wird, dass die stets feinen, strahlenartigen Pseudopodien allseitig
von der Körperoberfläche entspringen und nach allen Richtungen gleich-
mässig entwickelt erscheinen. Im Gegensatz zu denen der meisten Helio-
„oa verrathen die Pseudopodien der Radiolarien nicht selten eine grössere
Neigung zu Verästelungen und Anastomosen, nähern sich also in dieser
Hinsicht etwas mehr denen vieler Rhizopoda, ohne dass jedoch so reich
verzweigte Pseudopodiennetze gebildet würden, wie sie einem grossen
Theil der Rhizopoda eigenthümlich sind. Gewisse später zu besprechende
Eigenthümlichkeiten der Pseudopodien einer Anzahl Radiolarien erweisen
noch innigere Beziehungen zu denen der Heliozoa.
Wenn nun auch durch die allgemeine Körpergestaltung und weitere,
im Verlaufe unsrer Darstellung zu berührende Eigenthümlichkeiten sich
recht innige Beziehungen zu den Heliozo@ön aussprechen, so scheiden die Ra-
ddiolarien sich doch von diesen durch die stete Anwesenheit einer sehr wichtigen
und interessanten Skelet- oder Hüllbildung im Allgemeinen recht scharf *).
Dieses Hüllgebilde umschliesst in Form einer ursprünglich kugligen (ent-
sprechend der homaxonen Grundgestalt), meist sehr dünnwandigen Kapsel
(sogen. Centralkapsel) den grössten Theil des protoplasmatischen Weich-
körpers, gestattet dem Protoplasma jedoch den Austritt, indem die Kapsel-
*) Eine Anzahl Erfahrungen der neueren Zeit, welche erst später eingehender besprochen
werden können, erwecken Zweifel über die ganz allgemeine Verbreitung der sogen. Öentral-
kapselhülle bei den Radiolarien oder scheinen doch dafür zu sprechen, dass es häufig erst
sehr spät im Leben der Radiolarien zur deutlichen Ausbildung einer solchen Hülle kommt.
Diese Angelegenheit besitzt eine sehr grosse Bedeutung für die morphologische Vergleichung
unsrer Abtheilung mit den beiden früher besprochnen der Sarkodinen; im Allgemeinen scheint
mir die hier vorgetragne Ansicht bis jetzt noch die grössere Wahrscheinlichkeit für sich zu
haben. (Genaueres folgt später bei der speciellen Betrachtung der Centralkapsel.
Br
wand, in dem ohne Zweifel ursprünglichsten Zustand, von ungemein zall-
reichen dichtgestellten, feinsten Porenkanälchen durchsetzt wird. Hierdurch
wird es denn ermöglicht, dass sich auch auf der Aussenfläche der Kapsel-
. wand stets eine Protoplasmaschieht auflagert, von welcher die Pseudo-
podien ihren Ursprung nehmen. Bei den Heliozoön treffen wir nichts
dieser Centralkapsel vergleichbares an, dagegen lässt sich dieselbe wohl
mit den einfachsten chitinösen Hüllgebilden der Rhizopoden parallelisiren,
wenn diese auch gewöhnlich nicht porös, sondern solide erscheinen und
nur äusserst selten (so Mierocometes) eine homaxone Gestaltung auf-
weisen. Dagegen dürfen wir jedoch anführen, dass auch die höher
entwickelten Hüllgebilde der Rhizopoden grossentheils eine poröse und
häufig sehr fein poröse Beschaffenheit besitzen, und dass, wenn dies auch
nur bei kalkschaligen Formen der Fall ist, diese Kalkschale doch
durchaus, wie es scheint, von einem primären chitinigen Hüllhäutehen
ausgekleidet wird. In Uebereinstimmung mit dem Verhalten der Radio-
larien finden wir denn auch zuweilen bei Rhizopoden, dass das Protoplasma,
aus dem Innenraum der Schale hervortretend, auch eine äussere Ueber-
lagerung derselben bildet.
Allg. Auffassung des Radiolarienorganismus. 345
Wenn wir oben die bomaxone Gestaltung des Radiolarienkörpers
sammt seiner Centralkapsel als den ursprünglichen Zustand bezeichneten,
so gründet sich dies, wie im Verlaufe unsrer Darstellung noch ausführ-
licher zu zeigen sein wird, auf die Thatsache, dass diese Bauweise den
einfachsten Formen im Allgemeinen eigenthümlich ist, und dass sich die
abweichenden Gestalten am besten von einer solchen Grundform ableiten
lassen. Alle die Formen aber, welche diese ursprüngliche Beschaffenheit
im Bau ihres Körpers und speciell ihrer Centralkapsel noch verrathen,
wollen wir nach dem Vorgange R. Hertwig’s*) als Peripylea (oder Peri-
pylaria Hck. 1851, wegen der zahlreichen und allseitigen Durehbohrungen
ihrer Centralkapselwand) bezeichnen und als eine Unterabtheilung zu-
sammenfassen. Schon unter diesen Formen machen sich jedoch zum Theil
Modificationen der Körpergestalt geltend, welche sich hauptsächlich in der
Form der Centralkapsel und dem Bau des erst später zu erörternden
Skelets aussprechen. Durch Auswachsen der Centralkapsel in: einer be-
stimmten Richtung oder durch Abplattung derselben bilden sich monaxone,
gleiehpolige Gestalten aus, ja es kann die Centralkapsel in dieser Ab-
theilung im Zusammenhang mit Eigenthümlichkeiten der Skeletentwick-
lung noch tiefergehende Modificationen aufweisen.
Tiefergehende Umgestaltung der Centralkapsel führt uns jedoch zu
einer zweiten Unterabtheilung (Ordnung) der Radiolarien, den sogen.
*) Hertwig (33) und nach ibm Häckel (37) beschränken diesen Namen nur auf einen
Theil unsrer Peripylaria, nämlich die von uns als reguläre und irreguläre Sphaeridea zusam-
ınengefassten Formen. Häckel verwendet für unsre Peripylaria auch den Gesammtnamen h
Holotrypasta, schliesst jedoch die koloniebildenden Sphaerozoen Hertw. (— Polycyttaria Heck.)
von diesen aus, eine Ansicht, welche ich nicht für gerechtfertigt halte,
346 Radiolaria.
Monopylea Hertwig’s®). Hier hat die Kapsel nicht nur häufig durch
Auswachsen in einer bestimmten Richtung eine ellipsoidische Gestalt ange-
nommen, sondern es ist auch die gleichmässige Perforirung verloren ge-
sangen. Die Poren haben sich auf ein Feld des einen Pols lokalisirt,
während die übrige Kapselwand solid, undurchbohrt erscheint. Bei diesen
Formen ist demnach die Kapsel monaxon und ungleichpolig umgestaltet
worden und dieser Gestaltungscharakter prägt sich bei dieser Abtheilung
auch in der Skeletentwicklung durchgängig aus, ja es zeigen die Skelete
meist sogar einen deutlich bilateral-symmetrischen Entwicklungstypus.
Nach einer andern, leider bis jetzt noch nicht ausreichend bekannten
Richtung hat sich die Kapsel bei einer dritten Unterabtheilung der Radio-
larien modifieirt, bei den sogen. Phaeodaria Häckel’s (den Tripylea
Hertwig’s). Festzustehen scheint, dass sich die Kapselwand dieser Formen
stets aus zwei Membranen zusammensetzt und dass statt der dichten, feinen
Poren der Peripyleen sich eine verschiedene Anzahl grösserer, eigenthüm-
lieb gebauter Oeffnungen in der Kapselwand vorfindet, welche bis zur
Drei-, Zwei- und Einzahl herabsinken können. In Zusammenhang damit
nimmt dann die ursprünglich kuglige Kapsel auch hier z. Th. eine mon-
axone, z. Th. eine dipleurische (bilateral-symmetrische) Gestalt an.
Wie manche Rhizopoden und Heliozoön zeigen auch die Radiolarien,
im Gegensatz zu den früher besprochnen Abtheilungen jedoch ganz allgemein,
eine gallertige Umhüllung ihres Körpers, welche manchmal noch besondere
Modificationen aufweist und häufig eine sehr mächtige Entwicklung erreicht.
Eine besondere Wichtigkeit und hohes Interesse beanspruchen weiterhin
die Skeletbildungen, welche bei den meisten Radiolarien entwickelt sind
und welche sich wenigstens z. Th. denen der Heliozoön am nächsten an-
schliessen lassen.
Was für die Skeletbildungen unsrer Gruppe zunächst eigenthümlich
erscheint, ist, dass sie sich durchaus nicht stets an der Oberfläche des
Weichkörpers hervorbilden, sondern sehr häufig zum grösseren Theil in
den protoplasmatischen Weichkörper selbst eingelagert sind. Ihrer chemi-
schen Natur nach weisen sie zweierlei Modificationen auf, indem sie bei
einem Theil der Peripylaria (den Acanthometreen) ganz allgemein aus
einer organischen Substanz bestehen, bei den übrigen, an Zahl überwie-
senden Radiolarien dagegen wesentlich aus Kieselsäure aufgebaut sind.
Auch die morphologische Entwicklung der Skelete ist eine so verschieden-
artige, dass eine Ableitung aller von gemeinsamer Grundlage sicher aus-
geschlossen erscheint. Diese Ansicht wird denn auch noch weiterhin
dadurch bestätigt, dass sich sowobl unter den Peripylaria wie Monopylaria
und Phaeodaria skeletlose Formen finden, was eine selbstständige Ent-
*) Monopylaria Hck. 1881. »Dieselben werden mit den gleich zu erwähnenden Phaeo-
„ daria im Gegensatz zu den sogen. Holotrypasta als Merotrypasta zusammengefasst, so dass also
Häckel drei grosse Unterabtheilungen unterscheidet: 1. Holotrypasta, 2. Merotrypasta und
3. Polycyttaria (= Sphaerozoda Hertw.).
Allg. Auffassung der Radiolarıen, Skeletban. 347
stehung der Skeletbildungen dieser Untergruppen sehr wahrscheinlich
macht. Innerhalb der Peripylaria in unserm Sinne lassen sich dann
weiterhin noch zum mindesten zwei Skelettypen a welche
selbstständig neben einander hergehen.
Ueber den allgemeinen morphologischen Aufbau der Skelete sei
hier nur soviel bemerkt, dass dieselben seltner aus losen, nadel- oder
stachelartigen Elementen, ähnlich denen der Heliozo@ön bestehen, meist
dagegen als zusammenhängende, gitterförmig durchlöcherte Skelethüllen
erscheinen, deren specielle Gestaltung die allergrösste Mannigfaltigkeit
aufweist.
Die Morphologie der Radiolarienskelete verrätli eine reiche, nach
verschiedenen Richtungen hin zur Geltung kommende Umgestaltungs-
fähigkeit der auch für die Skeletbildungen meist ursprünglichen, hom-
axonen Grundform. Dieselbe kann in eine monaxone, gleich- oder un-
gleichpolige, in eine zwei- oder mehrstrahlige und endlich auch eine
mehr oder minder deutlich bilateral-symmetrische übergehen, wobei dann
noch zahlreiche specielle Ausbildungsverhältnisse zu verzeichnen sind.
Hinsichtlich ihrer Fortpflanzungserscheinungen zeigen die Radiolarien
einen ziemlich innigen Anschluss an die seither schon betrachteten Ab-
theilungen der Sarkodinen, trotz einer recht eigenartigen Gestaltung des
Hauptfortpflanzungsactes. Abgesehen von dem Vorkommen eines ein-
fachen Theilungsprocesses, der sich vielleicht dem der einfacheren Rhizo-
poden anreihen lässt, indem auch hier die Wandung der Centralkapsel
mit in den Theilungsprocess hereingezogen wird, finden wir bei den Ra-
diolarien, wie es scheint allgemein verbreitet, eine Schwärmerbildung, der
wir auch schon bei den beiden vorhergehenden Abtheilungen gelegentlich
begegneten. Diese Schwärmerbildung ist jedoch hier dadurch besonders
interessant, dass der Gesammtkörper in eine grosse Zahl solcher Schwär-
mer zerfällt, was jedoch nicht ohne Analogie mit gewissen Fortpflanzungs-
vorgängen der beiden schon besprochnen Klassen der Sarkodinen ist.
Gewisse Besonderheiten in der Schwärmerbildung weisen vielleicht auch
auf geschlechtliche Copulationsvorgänge hin, welche aber bis jetzt nicht
näher erforscht sind. Leider gilt dies auch von der Entwicklung der
Schwärmsprösslinge zur definitiven Radiolariengestalt, was sehr zu be-
dauern ist, da wohl allein die thatsächliche Feststellung dieses Vorganges
eine Anzahl wichtiger morphologischer Fragen über die Auffassung des
Radiolarienkörpers und seiner Theile endgültig entscheiden wird.
3, Der Skeletbau der Radiolarien,
Wie schon bei den Rhizopoden halten wir es auch bei dieser Ab-
theilung für angerathen, der Betrachtung des Weichkörpers diejenige des
Skeletbaues voranzuschicken, da dieselbe bei den allermeisten Formen
die Gestaltung und äussere Erscheinung wesentlichst bedingt. Schon bei
früherer Gelegenheit wurde jedoch hervorgehoben, dass es eine Anzahl
348 Radiolaria.
Formen gibt, welche sich durch völligen Skeletmangel auszeichnen und
wohl ohne Zweifel verrathen, dass die Grundzüge der Radiolarienorgani-
sation schon vor der Entwieklung von Skeletelementen zur Ausprägung
gekommen sind, d. h. dass die Urformen der Radiolarien skeletlos ge-
wesen sind. Die Richtigkeit dieser Vermuthung wird auch noch weiter-
hin dadurch belegt, dass wir in verschiedenen Radiolarienabtheilungen
solche skeletlose Formen antreffen, so in der Abtheilung der Peripylaria
gewisse Colliden (Thalassicolla und Thalassolampe) und Sphaerozo&en
(Collozoum), in der Abtheilang der Phaeodariae die skeletlosen Phaeodi-
nidae Häckel’s und unter den Monopylaria die zwar nicht ganz sichere
Gattung Cystidium Hertwig’s. Diese Thatsachen scheinen es denn auch
weiterhin sicherzustellen, dass die phylogenetische Hervorbildung dieser
drei Unterabtheilungen schon zu einer Zeit stattgefunden hat, wo das
Skelet noch fehlte, worauf andrerseits auch der grundverschiedne Typus
der Skeletbildung in diesen 3 Abtheilungen hinweist.
A. Natur der Skeletsubstanz.
Auch im Hinblick auf die chemische Natur der Skeletsubstanz ver-
halten sich die Radiolarien, wie erwähnt, nicht gleich, so dass sich zwei
durch Verschiedenheit der Skeletsubstanz ausgezeichnete Gruppen unter-
scheiden lassen. Die erste derselben umfasst nach den neueren Erfah-
rungen die Ordnung der Acanthometrea Hertw.*), unter den Peripylaria, die
zweite dagegen sämmtliche übrigen skeletführenden Radiolarien der ver-
schiedenen Unterabtheilungen. Bei den Acanthometreen bestehen die
Skeletelemente, welche J. Müller für durchaus kieselig hielt, aus einer
organischen Substanz, wie zuerst Häckel (16) für einen Theil derselben
nachwies und Hertwig (33) bierauf für die gesammte Gruppe ziemlich
ausreichend erwies. Es geht dies aus dem Verhalten der Skeletelemente
beim Glühen und bei der Behandlung mit Säuren oder Alkalien hervor.
Dureh Glühen werden sie zerstört, wie dies wenigstens für eine Anzahl
Acanthometreen durch Häckel erwiesen ist, durch Behandlung mit Säuren,
Schwetel-, Salz- und Salpetersäure, jedoch auch schon Osmium- und Essig-
säure, ebenso wie durch kaustisches Kali werden sie rascher oder lang-
samer gelöst. Die Lösung ist eine sehr vollständige, so dass nach den
Erfahrungen Hertwig’s schliesslich nur ein äusserst feines Häutchen als
Rest eines ganzen Skeletstachels zurückbleibt, das jedoch möglicherweise
nicht einmal wirklich als Theil des Stachels zu betrachten ist, sondern nur
von einem äusseren Plasma- oder Gallerteüberzug herrühren mag. Brandt
(36) hat neuerdings weiterhin -festgestellt, dass auch schon 1°/, Soda-
und 10-20°/, Kochsalzlösung die Skeletelemente der Acanthometreen
nach längerer Einwirkung lösen und definirt daher die organische Substanz,
das sogen. Acanthin Häckel’s, als einen Eiweisskörper (Vitellin), aus
welehem nach ihm auch die Axenfäden der Pseudopodien bei Heliozo&@n
#) — Acantharia Hock. 1881.
er
v
Chem. Natur der Skelete, 549
Sn
und Radiolarien (speciell Acanthometreen) bestehen. Er schliesst denn
auch hieraus, dass die Skeletelemente der Acanthometreen Weiterbil-
dungen der Pseudopodienaxenfäden darstellen*). In Uebereinstimmung
mit der geschilderten Natur der Skeletsubstanz der Acantlıometreen steht
dann auch die Erscheinung, dass bis jetzt weder in Radiolarienablage-
rungen unsrer Meere, noch denen aus früheren Epochen, Acanthometreen-
reste angetroffen worden sind. Es ist dies ja auch nach den neueren
Ermittlungen niebt anders zu erwarten.
Fraglich erscheint, ob auch noch anderwärts in der Reihe der
Radiolarien eine organische Substanz in ähnlicher Weise das Skelet-
material bilden kann. Bis jetzt spricht hierfür nur eine einzige Beobach-
tung Häckel’s (16), der bei einem Exemplar der Collide Thalassospbaera
Morum J. M. eine Lösung der eigenthümlichen Skeletgebilde durch
Schwefelsäure beobachtete, während die eines zweiten Exemplars sich
sowohl bei der Behandlung mit Schwefelsäure wie beim Glühen erhielten.
Immerbin dürfte es sich empfehlen, die chemische Natur. der Acantho-
metreenskelete in der Zukunft noch etwas schärfer ins Auge zu fassen.
Häckel (16) wollte die organische Natur der Skeletgebilde nur für einen
Theil der Acanthometreen gelten lassen und neigte sich auch der An- ,
nahme zu, dass zum Theil eine spätere Verkieselung stattfinde. Auch
in seiner neuesten Publikation über Radiolarien (37) betont Häckel, dass
die Acanthometreenskelete in seltenen Fällen verkieselt seien. Hertwig
dagegen glaubt, aus seinen ziemlich ausgedehnten Erfahrungen den
Schluss ziehen zu müssen, dass die Acanthometreen durchweg unver-
kieselte Acanthinskelete besässen. Eigenthümlich erscheint es, wie Joh.
Müller sich unter solehen Umständen seiner Zeit überzeugen konnte
(8, p. 249), dass die Stacheln der Acanthometreen nach der Verbrennung
erhalten bleiben.
Im Anschluss an vorstehende Besprechung der sogen. Acanthinskelete
bemerken wir gleich einige Worte über die einzige bis jetzt vorliegende
Beobachtung kalkiger Skeletgebilde bei Radiolarien. Eine von der
Challengerexpedition im paeifischen Ocean sehr häufig gefundene Form,
welche von Wyw. Thomson (31, II. p. 233) Calearomma calcarea genannt
wird, soll Sporenrädchen gleichende, kalkige Skeletgebilde besitzen. Es
mag schon hier bemerkt werden, dass diese Calecaromma sich meiner
Meinung nach zunächst an die Thalassosphaera Morum anschliesst, viel-
leicht sogar damit identisch ist, was um so interessanter erscheint, als,
wie bemerkt, schon Häckel seiner Zeit bei einer Thalassosphaera die
Löslichkeit der drusenartigen Skeletgebilde in Schwefelsäure beobachtet
Bar **).,
*) Vergl. hierüber die Besprechung der Axenfäden der Heliozoön pag. 257 und weiter
unten die der Radiolarien. Auch in ihrem Lichtbrechungsvermögen unterscheiden sich die
sogen, Acanthinskelete von den Kieselskeleten, da die ersteren nach Hertwig in Glycerin deut-
lich sichtbar bleiben, die letzteren dagegen darin nahezu verschwinden.
#=#) Häckel scheint von der Richtigkeit der Thomson’ schen Beobachtung kalkiger Skelet-
350 Radiolaria.
Alle übrigen Radiolarien besitzen kieselige Skelete, welche daher so-
wohl starken Mineralsäuren wie der Glühhitze Widerstand leisten. Ge-
naueres über die chemische Zusammensetzung der Kieselskelete wurde
jedoch bis jetzt nieht ermittelt. Häckel bezeichnet sie als reine Kiesel-
säure, jedoch wäre es ja immerhin möglich, dass noch eine sehr
spärliche Beimischung organischer Substanz vorhanden wäre, wie
solches ja für Kieselgebilde anderer Organismen zum Theil erwiesen ist.
Brandt spricht sich denn auch neuerdings (36) für die Gegenwart einer
solehen organischen Grundlage der Kieselskelete aus, da er ein Wachsthum
derselben durch Intussusception aus seinen Beobachtungen folgern musste*).
Sowohl die Acanthin- wie die Kieselskeletgebilde sind fast stets völlig
homogen, durchsichtig und farblos; nur in den seltensten Fällen zeigt sich
eine innere Structur oder eine Färbung. Eine Art krystallinischer Structur
ist bis jetzt nur bei der sehr dickschaligen Skelethülle einer Acantho-
metree, also einem Acanthinskelet, beobachtet worden, gefärbte stahlblaue
Skeletgebilde. dagegen bei der schon obenerwähnten Thalassosphaera
morum, bei der eigenthümlichen Acanthometride Lithophyllium (Xipha-
cantha Hek.) foliosum Müll. weisen die Stacheln an den Enden eine
violette Färbung auf.
Hinsichtlich ihrer Festigkeit zeigen sowohl die Acanthin- wie die
Kieselskelete ziemliche Verschiedenheiten. Wir treffen darunter sowohl
sehr spröde, leichtzerbrechliche, wie recht biegsame und in hohem Grade
elastische an.
B. Morphologischer Aufbau der Radiolarienskelete.
Schon mehrfach mussten wir hervorheben, dass die Untersuchung der
Morphologie der Radiolarienskelete uns eine Reihe verschiedenartiger,
wahrscheinlich überhaupt nicht aufeinander zurückführbarer Skelettypen
kennen lehrt, nämlich 1) die Acanthin- oder Acanthometreenskelete, 2) die
Sphaeroidskelete der übrigen Peripylaria, 3) die Skelete der Phaeodaria
oder die Hohlskelete, wie man sie vielleicht auch bezeichnen dürfte, und
4) die Skelete der Monopylaria oder die Crieioidskelete. Wir halten es
am passendsten, die Skeletgebilde in der erwähnten Reihenfolge zu be-
trachten. Indem wir hierbei nach Möglichkeit einen genetischen Weg
einzuschlagen versuchen, wird uns diese Uebersicht der Morphologie des
Skeletes gleichzeitig einen ziemlich vollständigen Ueberblick der gesamm-
ten Radiolariengruppe und der Grundzüge ihrer natürlichen Systematik
darbieten.
.
gebilde überzeugt zu sein, da er (37) auch von schr seltenen, kalkigen Skeletgebilden spricht,
ohne jedoch die Calcaromma Thomson’s in seinem Systementwurf aufzuführen. Wahrscheinlich
hält er sie demnach ebenfalls für identisch mit Thhalassosphaera J. M.
*) Die zweite Möglichkeit, welche er gleichfalls ins Auge fasst, dass nämlich die sogen.
Kieselskelete möglicherweise aus einer organischen Silieiumverbindung beständen, halte ich für
schr unwahrscheinlich.
Skelete der Acantlowmetreen, 351
c. Die Acanthometreen- oder Acanthinskelete.
Nicht nur die bemerkenswerthe chemische Zusammensetzung, sondern
auch der morphologische Aufbau charakterisirt die Skeletbildungen der
Acanthometreen (oder Acantharia Hek. 1881) als eigenthümliche oder
selbstständige, welche denen der übrigen Radiolarien gegenübergestellt zu
werden verdienen. Zunächst zeichnen sich die Skeletbildungen dieser
Gruppe dadurch aus, dass sie wenigstens ursprünglich aus isolirten, nadel-
oder stachelartigen Elementen bestehen, welche zwar bei nicht wenigen
Formen fest untereinander verschmolzen sind; doch dürfte wohl sicher
anzunehmen sein: dass diese Verschmelzung ein secundärer Bildungs-
zustand des Acanthometreenskeletes ist, welcher sich in selbstständiger
Weise aus dem ursprünglichen Verhalten in verschiedenen Unterabthei-
lungen entwickelt hat. Weiterhin ist jedoch für diese Skeletformen noch
besonders charakteristisch, dass sie stets zum grossen Theil im proto-
plasmatischen Weichkörper eingelagert sind, und, stets in das intra-
kapsuläre Protoplasma eindringend, sich strahlenartig um das Centrum
der Kapsel gruppiren, das selbst von den centralen Stacheltheilen gebildet
oder eingenommen wird.
Schwieriger erscheint es, auf Grund unsrer heutigen Kenntnisse zu
ermitteln, welche der zahlreichen Acanthometreenformen uns wohl den
primitivsten Skeletbau vorführt. Es ist daher auch mehr der Gang der
Darstellung, als sichere Ueberzeugung der Ursprünglichkeit, welcher uns
veranlasst, den Skeletbau der Gattung Actinelias Hek.*) hier zunächst zu
besprechen.
Bei einer solchen Form besteht das Skelet aus einer schwankenden
(vielleicht mit dem Alter zunehmenden) Zahl von eylindrischen oder vier-
kantigen und an ihrem peripherischen Ende zugespitzten Stacheln, welche
sämmtlich im Centrum der Centralkapsel zusammengestemmt, jedoch nicht
mit einander verwachsen sind. Diese Zusammenstemmung im Centrum
wird dadurch ermöglicht, dass das centrale Ende der Stacheln vierseitig
zugespitzt ist. Irgend eine Regelmässigkeit in der Anordnung der bis
zur Zahl 40 vorhandenen Stacheln existirt nicht, was dieser und einer
verwandten Form **) vielleicht ein Anrecht gibt, zu den primitivsten
Acanthometreen gerechnet zu werden.
Die Stacheln der eben besprochnen Form sind, wie die der Acantho
*) Im neuen Systementwarf Häckel’s von 1881 fehlt der Name Actinelius, er ist in
Astrolophus umgewandelt, welch letztere Gattung daher unrichtig als „neu“ bezeichnet wird.
Ich werde mich im Folgenden möglichst an die alten Namen, wie sie sich in Häckel’s Mono-
graphie finden, halten, und nur für wirklich neue Formen auch die neuen Bezeichnungen an-
wenden,
*#*) Diese sehr eigenthümlich modifieirte Form ist die Gattung Litholophus Heck, (XXVILL 1),
welche in der Weise aus Actinelius herzuleiten ist, dass die allseitig vom Centrum ausstrahlenden
Stacheln dieses letzteren nur in einem Quadranten zur Ausbildung gelangt sind, demnach zu-
sammen cin kegelförmiges Stachelbüschel formiren.
352 Radiolaria.
metreen überhaupt, durchaus solide, was vielleicht einer besonderen Be-
tonung bedarf, da die Stachelgebilde der Acanthometreen längere Zeit
auf Grund der Angaben Claparede’s und Joh. Müller’s für hobl gehalten
worden sind. Durch Häckel’s Untersuchungen, welehe in der Folge
Wallich (17) und Hertwig bestätigten, hat sich ergeben, dass der ver-
meintliche Stachelkanal, durch welchen ein an der Stachelbasis eintreten-
des Pseudopodium hindurchlaufen und an der Stachelspitze wieder aus-
treten sollte, auf einer Täuschung beruhte, hervorgerufen durch die häufig
blattartig vorspringenden Kanten der Stacheln.
Bei allen übrigen Acanthometreen herrscht in Bezug auf Zahl und
Stellung der Skeletstacheln, welche im Uebrigen nach dem allgemeinen
Typus des Actinelius EIERN sind, eine sehr interessante Gesetz-
mässigkeit, welche zwar einige Modificationen erfahren kann, jedoch im
Grunde durchaus herrschend erscheint. Diese Gesetzmässigkeit wurde,
wie bemerkt, schon von Joh. Müller in einigen Fällen sicher beobachtet
und scharf formulirt; den Nachweis ihrer Gültigkeit durch die ganze
Reihe der Acanthometreen (mit Ausnahme der schon besprochnen Litho-
lophida) verdanken wir jedoch Häckel. Das Gesetz selbst, welches wohl
nach seinem Entdecker mit Recht das Müller’sche genannt wird, lässt
sich etwa folgendermaassen formuliren. Es sind stets 20 Stacheln vor-
handen, welehe vom Centrum der Centralkapsel ausstrahlen und diese 20
Stacheln ordnen sich so zusammen, dass fünf Kränze von je vier Stacheln
um eine, durch keine Einlagerung von Stacheln bezeichnete Hauptaxe, in
verschiedner Neigung zu letzterer, herumgestellt sind. Diese fünf Kränze
aber von je vier Stacheln ordnen sich in folgender Weise um die ideale
Hauptaxe (s. T. XXVI. Fig. 3b). Ein mittlerer Kranz von vier in einer
Ebene gelegenen Stacheln geht durch den Mittelpunkt der Hauptaxe, so
(dass die vier ihm angehörigen Stacheln senkrecht zu letzterer und auch
aufeinander senkrecht stehen. Da diese Kranzebene also die Aequatorial-
ebene des ganzen Skelets und Thierleibes bezeichnet, so sind die vier ihr
angehörigen Stacheln wohl als Aequatorialstacheln zu bezeichnen. Polar-
wärts von diesem Aequatorialstachelkranz lagern sich jederseits zwei
Stachelkränze; zunächst je einer, dessen Stacheln etwa einen Winkel von
30° mit der Aequatorialebne bilden und so geordnet sind, dass sie zwischen
den vier Aequatorialstacheln liegen, ihre Projecetion auf die Aequatorialebene
also je einen Winkel von 45° mit den zwei benachbarten Aequatorial-
stacheln bildet. Diese Stacheln kann man mit Müller und Häckel die
Tropenstacheln nennen, da sie ihrer Lage nach etwa Radien entsprechen,
welche vom Centrum der Erdkugel zu den Wendekreisen gehen.
Die beiden letzten Stachelkränze, welche am meisten von der Aequa-
torialebene abgewandt sind, bilden mit dieser Winkel von eirea 60°
und liegen gleichsinnig mit den Aequatorialstacheln, so dass also ihre
Projectionen auf die Aequatorialebene mit den Aequatorialstacheln zu-
sammenfallen. Der Vergleich mit der Erdkugel lässt diese Stacheln als
Polarstacheln bezeichnen, d. h. solehe, welehe zu den Polarkreisen gehen.
Skelete der Acanthometreen. 353
Durch eine Anordnung der Stacheln, wie sie im vorstehenden be-
schrieben wurde, wird nun das Skelet derartig gebauter Acanthometreen
entschieden monaxon, ein bemerkenswerther Fortschritt gegenüber der
Monaxonie oder wohl eher Unregelmässigkeit des Actinelius. Die 20
Stacheln sind meist im Centrum der Centralkapsel nur zusammengestemmt,
jedoch nicht untereinander vereinigt und dies bezeichnet wohl die ur-
sprüngliche Bildung; eine Vereinigung der Stacheln durch Verschmelzung
hat sich aber bei einer Anzahl Untergruppen hergestellt, jedoch in verschie-
dener Durchführung. Die Aeanthochiasmidae zunächst besitzen zehn
unter einander nicht verbundne, an beiden Enden zugespitzte Stacheln,
welche durch die gesammte Centralkapsel bindurchgehen, sich demnach im
Centrum derselben kreuzen (XXVIIT. 4). Morphologisch dürfen wir uns die-
selben mit Häckel wohl dadurch entstanden denken, dass je zwei gegen-
überstehende der 20 gewöbnlichen Acanthometridenstacheln mit einander
zur Erzeugung eines Acanthochiasmastachels verschmolzen. Bei den
Astrolithidae und einer Reihe sich ähnlich verhaltender, neuerdings durch
Häckel kurz erwähnter Untergruppen sind dagegen die 20 Stacheln im Cen-
trum der Centralkapsel wirklich zu einem kugligen Centralstück versebmolzen
(XXVII. 2). Eine von Hertwig beobachtete Acanthometraform (33, p. 7)
scheint eine Uebergangsstufe zu den eigentlichen Astrolithida zu bilden,
so dass an der Ableitung dieser wie der Acanthochiasmida von Formen
mit getrennten Stacheln nicht wohl zu zweifeln ist; es hat sich
diese Verschmelzung gewiss selbstständig bei einer ganzen Anzahl
der gleich zu erwähnenden morphologischen Gruppen hervorgebildet.
Auch bei den merkwürdigen Diploconida verschmelzen die Skeletelemente
im Centrum, jedoch ist das Genauere über die Art der Vereinigung
noch nicht hinreichend ermittelt.
Ursprünglich waren die 20 Stacheln der Acanthometreen jedenfalls
durebaus gleich, ein Zustand, welcher sich unter den heutigen Vertretern
dieser Gruppe noch bei einer ziemlichen Reihe von Gattungen mit ein-
facben Stachelskeleten (die Häckel neuerdings zu einer Unterfamilie der
Acanthometrida zusammenfasst), sowie den später zu besprechenden
Dorataspida vorfindet. Auch Acanthochiasma leitet sich jedenfalls von
einem solchen Zustand ab. Die monaxone Beschaffenheit des Acantho-
metreenskelets tritt daher hier noch wenig deutlich hervor, wird jedoch
sofort sehr kenntlich, wenn eine Ungleichheit in der Ausbildung der fünf
Stachelkränze eintritt.
Bevor wir jedoch in die Besprechung dieser Verhältnisse eintreten,
dürfte es sich empfehlen, einen Blick auf die Gestaltungsverhältnisse der
das Skelet aufbauenden Einzelstacheln zu werfen.
Die Mannigfaltigkeit der Stachelgestaltung ist eine sehr reiche. Die
einfachsten Stacheln sind lange, an dem peripherischen Ende allmäh-
lich zugespitzte Nadeln von kreisrundem Querschnitt. Das centrale Ende
dagegen erweist sich kurz vierseitig pyramidal zugespitzt (XXVII. 6).
Diese vierseitige Bildung des Centralendes, welehe ohne Zweifel daranf
Bronn, Klassen des Thier-Reichs, Protozoa, 3
354 Radiolaria.
beruht, dass jeder Stachel im Centrum mit vier benachbarten in direete
Zusammenlagerung tritt, setzt sich jedoch sehr gewöhnlich noch aut
den freien Theil des Stachels und zwar entweder nur dessen centrale
Partie oder über seine gesammte Länge fort (XXVI. 6). Derart
wird dann der Stachel vierkantig, oder indem sich diese Kanten zu Blät-
tern oder Rippen erheben, welche der Länge nach am Stachel herab-
laufen, auch sehr häufig vier-rippig oder -Hügelig. Dieselbe Erscheinung
kann sich auch an dem centralen, vierseitig zugespitzten Stachelende aus-
prägen, welches sich dann zu einer vierrippigen Pyramide umgestaltet. Die
vier Blattkanten des Stachels sind theils einfach und glatt, theils gezähnt
oder gesägt und entwickeln bei einer Reihe von Gattungen dornige oder
stachelartige bis verästelte, senkrecht zur Stachelaxe gestellte Fortsätze.
Theils treten an jedem Stachel zwei opponirte derartige Fortsätze hervor,
theils dagegen vier kreuzförmig zusammengestellte, indem sämmtliche vier
Rippen zur Bildung eines solchen Fortsatzes schreiten, selten dagegen mehr
(XXVI. 9). Aus verästelten derartigen Fortsätzen können sich schliess-
lich sogar gitterförmig durchbrochne hervorbilden. Diese Stachelfortsätze
sind deshalb noch von besondrem Interesse, weil, wie wir später sehen
werden, in der Familie der Dorataspidae Hck. (Acanthophractidae Hertw.)
solche Fortsatzbildungen zu einer wichtigen Weiterbildung des. Acantho-
metreenskelets führen.
Das peripherische Stachelende erweist sich nicht selten in verschied-
nem Grade zweigabelig gespalten, ja bei dem Acanthostaurus Forceps Heck.
setzt sich diese Spaltung bis zu der Centralpyramide der Stacheln fort;
jedoch sind die beiden langen Gabelzinken jedes Stachels etwa in
ihrer Mitte durch eine @Querbrücke vereinigt*). Weiterhin erwähnt
jedoch Häckel neuerdings auch Formen mit drei- und viergespaltenen
Stacheln (auch als drei- oder vierlappige bezeichnet).
Einige Worte verdient noch die Art der Zusammenfügung der Central-
enden der Stacheln bei denjenigen Geschlechtern, wo keine Verschmel-
zung derselben eingetreten ist.
Die Art dieser Zusammenfügung ist bis jetzt nicht ganz ausreichend
erforscht. Häckel gibt an, dass sich die Stacheln mit einfach pyramidal
zugespitzten Centralenden so zusammenfügen, dass sich jede Stachelpyra-
mide mit vier benachbarten mit je einer ihrer dreieckigen Seitenflächen
berühre. Eine derartige Zusammenlagerung ist nun auch, wie ein Üon-
structionsversuch ergibt (siehe den Holzschnitt Fig. 1) wohl mög-
lich, setzt jedoch voraus, dass die StachelPyramiden der verschiednen
Kränze nicht ganz gleichgebildet sind und auch selbst keine regulär qua-
dratischen Pyramiden, sondern theils solche mit rhomboidischer (Aequa-
torialstacheln), theils solche mit deltoidischer Basis (unter der Voraus-
*) Hertwig (33) vermuthet, dass die gabelige Spaltung der Stachelenden z. Th. auf theil-
weise Auflösung nach dem Tode zurückzuführen sei, was jedoch in den meisten Fällen unzu-
trellend sein dürfte,
Skelete der Acanthometreen. 355
setzung, dass die Tropenstacheln unter 60°, die Polstacheln unter 30° zur
Hauptaxe geneigt sind). Die Figur 1 zeigt die ungefähre Anordnung
der zehn Stachelbasen einer Hemisphäre in der Ansicht von dem Pol;
Fig. 1.
Erklärung von Holzschn. Fig. 1.
Schematische Construction des von den un-
gerippten Stachelpyramiden einer regulären
Acanthometröe gebildeten Skeletcentrums.
Ansicht in der Hauptaxe, die vier Polar-
stacheln p und die ‚vier Tropenstacheln t
sind an der Basis ihrer Pyramiden abge-
schnitten gedacht, dagegen von den Aequa-
torialstacheln a ein Stück gezeichnet, da
dieselben sonst nicht sichtbar hervorträten.
die Basen der Stachelpyramiden sind so gezeichnet, als wenn sie sämmt-
lich auf einer Kugeloberfläche lägen.
Auch die mit vier flügelartigen Kantenrippen versehenen Stachel-
basen könnten in der gleichen Weise zusammengeordnet sein, nur
bliebe dann zwischen je zwei sich aneinanderlegenden Pyramidenseiten ein
radialer Lückenraum frei. Thatsächlich jedoch scheinen diese Stacheln
‘ eine andre Anordnungsweise zu zeigen, indem Häckel bemerkt, dass bei
solehem Bau des Centralendes der Stacheln je vier benachbarte Stacheln
sich so mit den Flügelkanten ihrer Basalpyramiden zusammenlegen, dass
sie zwischen sich einen vierseitig pyramidalen Hohlraum freilassen. Dies
ist aber nur dann möglich, wenn je zwei benachbarte Flügelkanten einer
Pyramide sich an zwei Flügelkanten zweier benachbarten Pyramiden an-
lehnen und diese zwei Pyramiden sich in entsprechender Weise mit
einer vierten verbinden. Häckel gab an, dass in diesem Fall die
Flügelkanten der Stachelpyramiden in Hinsicht auf das Gesammtskelet
immer so geordnet seien, dass zwei gegenüberstehende in einen Meridian
fielen. Mit Recht hat jedoch Hertwig (33) darauf aufmerksam gemacht,
dass eine solebe Anordnung unmöglich vorhanden sein könne, wenn die
erstgenannte Bedingung erfüllt werden solle, sondern dass die Flügel-
kanten dann immer so geordnet sein müssten, dass sie die Meridiane
unter halben rechten Winkeln schnitten. Sucht man sich durch Construc-
tion von einer derartigen Anordnung Rechenschaft zu geben (siehe den
Holzschnitt Fig. 2), so erscheint diese Angabe Hertwig’s wohl begrün-
det, jedoch ergibt sich gleichzeitig, dass nicht stets vier Stacheln
mit ihren Flügelkanten zusammenstossen können, wie dies zwar für die
23 *
356 Radiolaria.
Polstacheln (p) unter sich und in ihrer gleiebzeitigen Verbindung mit
Tropen- (t) und Aequatorialstacheln (a) gültig ist, sondern dass auf jeder
Hemisphäre vier Lückenräume (E) vorhanden sein müssen, welche nur
Erklärung von Holzschn. Fig. 2. Schema
tische Oonstruction der Anordnung der Basen der vier-
rippigen Stachelpyramiden einer regulären Acantho-
metröe, unter Voraussetzung der von Häckel angegebnen
Zusammenfügung der benachbarten Pyramiden. Ansicht
in der Hauptaxe. p die Basen der Pyramiden der
Polstacheln, t die der Tropen- und a die der Aequa-
torialstacheln.
darch Zusammenstossen dreier Stacheln, nämlich eines Tropen- und zweier
Polstacheln gebildet werden, welche Lückenräume denn auch nur von
sechs Flügelkanten umgrenzt werden. Zu bemerken wäre jedoch noch,
dass die von Mäckel angegebne meridionale Lage je zweier Flügelkanten
einer Pyramide bei dem erstbesprochnen Anordnungstypus zur Ausbildung
kommen würde.
Wir gehen jetzt über zur Betrachtung derjenigen Modificationen des
Acanthometridenskelets, welche durch besondre Ausbildungsverhältnisse
gewisser Stacheln hervorgerufen werden. Hierbei zeigt sich, dass
die Aequatorialstacheln im Allgemeinen eine Neigung haben, sich zu be-
sondrer Grösse und Ausbildung zu entwickeln, wodurch der monaxone‘
Typus zunächst noch deutlicher hervortritt. Bei einer Reihe Gattungen
(Acanthostaurida Hck. 1881), als deren typische Repräsentanten wir hier
Acanthostaurus und Staurolithium hervorheben dürfen, entwickeln sich in
dieser Weise die vier Aequatorialstacheln zu besondrer Giösse und zum
Tbeil auch eigenthümlicher Bildung (XXVII. 8b). Noch mehr ausgezeich-
net sind die vier Aequatorialstacheln der Gattung Lithoptera (XXVII. 10),
indem hier das Ende eines jeden beiderseits zu einem in der Aequatorial-
ebene gelegenen, ansehnlichen gegitterten Flügel auswächst, entsprechend
den Gitteranhängen, welche wir schon oben im Allgemeinen von den
Stacheln der Acanthometreen erwähnten. Eine weitere Modification ent-
steht dadurch, dass sich nur zwei gegenständige Acquatorialstacheln zu
hervorragender Grösse und theilweise auch eigenthümlicher Gestalt ent-
wickeln (Unterfamilie Acantholonchida Hek.); hierdurch wird bei der
Gattung Amphilonche Hek. (XXVIL 7) das Skelet von dem monaxonen
zum zweistrahligen Typus übergeführt, mit einer Symmetrieebene, welele
durch die äquatorialen Hauptstacheln geht. Eine weitere Modificatioen
dieser Form tritt noch bei den Gattungen Acantholonche und Amphibelone
dadurch auf, dass die beiden besonders ausgezeichneten Acquatorialstacheln
Skelete der Acanthom, (Doratsaspida, Phractopelmida). 357
ungleich sind. Der allgemeinen morphologischen Gestaltung nach schliesst
‚sielı hier auch die merkwürdige Gattung Diploconus Heck. an (XXVIL. 11),
welche gleichfalls cine mächtige Entwicklung zweier gegenüberstehender
Aequatorialstacheln zeigt, gleichzeitig jedoch auch noch eine sehr merk-
würdige Entwicklung der Tropenstacheln, indem die vier, je um die beiden
Hauptstacheln gruppirten Tropenstacheln zu je einer längsgestreiften, die
Hauptstacheln in Gestalt einer Röhre umscheidenden dünnen Lamelle
verschmolzen sind. Die beiden so gebildeten Röhren gehen central in
einander über. Die Polarstacheln und die zwei kleinen Aequatorialstacheln
sind kurze, eylindrische Stümpfe.
Ihre höchste Entwicklungsstufe erreichen die Acantlıometreenskelete
in der Familie der Dorataspida Hek. (einschliesslich Sphaeracapsida
Ilck. 1881). Es lassen sich diese Gruppen im Allgemeinen von schon er-
wähnten, durch die seitlichen Fortsatzbildungen ihrer 20 Stacheln aus-
gezeichneten Formen ableiten. Bei den zahlreichen bierhergehörigen Gat-
tungen entwickeln sich nämlich an den Stacheln, in gewisser Entfernung
von den Centralenden, zwei oder vier seitliche Fortsätze, welche sich wie-
der dichotomisch oder ästig zertheilen können und bei einer Untergruppe
auch zu einer weitlöcherigen (Dorataspis, XXVII. 5) oder engmaschigen
(Haliommatidium, XXVIII. 6) Gitterplatte zusammenfliessen, welche also
vom Stachel durchsetzt wird. Diese Fortsatzbildungen treten im ausgewach-
senen Zustand zur Bildung einer die Centralkapsel einschliessenden Gitter-
kugel zusammen, indem entweder die benachbarten unter Nahtverbindung
zusammenstossen, jedoch nicht verschmelzen, oder eine wirkliche Ver-
wachsung der benachbarten Platten zu einer einheitlichen Gitterkugel im
Alter eintritt.
Zu den 20 Hauptstacheln, von welchen die Gitterkugel der seither
besprochnen Dorataspiden ihre Entstehung nahm, können sich noch ac-
cessorische, von der Oberfläche der Stachelfortsätze centrifugal ent-
springende Stachelgebilde hinzugesellen, welche sich demnach nicht in das
Innre der Gitterschale fortsetzen. Bei gewissen Formen gehen diese ac-
cessorischen Stachelgebilde eine eigenthümliche Weiterentwicklung ein,
indem sie sich blattförmig entwickeln und um die Basis jedes der 20
- Stacheln zu einem diese umscheidenden Röhrchen zusammenschmelzen.
Bei der Gattung Aspidomma Hek. (1881, wie es scheint, in „Tessa-
ropelma“ umgetauft) schliesslich ist die Fortsatzbildung an zwei ver-
schiednen Stellen der 20 Stacheln eingetreten, einmal innerhalb und ein
zweites Mal ausserhalb der Centralkapsel, so dass sich zwei ineinander
seschachtelte Gitterkugeln entwickelt haben (XXVI11.7), eine intrakapsuläre
oder Markschale, und eine extrakapsuläre oder Rindenschale, welche Schalen
wahrscheinlich ähnlich wie bei gewissen Einschaligen im Alter durch
Verwachsung zu ganz einheitlichen geworden sind. In neuester Zeit hat
Häckel im Material des Challenger noch drei weitere Gattungen doppel-
schaliger Dorataspiden aufgefunden und für diese Formen eine besondre
Unterfamilie der Phractopelmiden gegründet.
358 -Radiolaria.
3. Die sogen. Sphaeroidskelete, oder die Skelete der übrigen Peripylaria.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die hier, nach dem Vorgang Hert-
wig’s, als Sphaeroidskelete bezeichneten Skeletbildungen der übrigen
Peripylaria*) eine einheitliche Gruppe darstellen. Wenn in dieser
Hinsicht noch ein Zweifel herrschen kann, so betrifft derselbe nur
den Zusammenhang der einfachsten, aus losen Elementen aufgebauten
Skelete, welche wir einstweilen hierherziehen, mit den höher entwickel-
ten, deren Grundtypus die zusammenhängende Gitterkugel ist.
Die soeben erwähnte, einfachste Ausbildungsform der hierhergerech-
neten Skelete treffen wir theils bei den sogen. Colliden (Collidaria Heck.
1881), theils bei den koloniebildenden Sphaerozoiden (— Syncollaria Heck.
1881) an. In beiden Abtheilungen finden sich jedoch auch ganz skelet-
lose Formen, was auch die Ansicht unterstützt, dass die Skelete dieser
Abtheilungen sehr ursprünglicher Natur sind. Ein solch einfachstes
Skelet wird gebildet von einer grösseren Anzahl isolirter und solider,
meist nadelförmiger Kieselgebilde, welche gewöhnlich in tangentialer
Lagerung die Centralkapsel umhüllen und sich bei den koloniebil-
denden Formen zuweilen auch durch die gemeinsame Gallerte zerstreuen
(XVIH. 3—5, 7, XIX. 1-5). Wie gesagt, ist die Gestalt dieser Kiesel-
gebilde fast stets eine nadelförmige, mit beiderseits zugespitzten Enden,
so dass sie auch gewöhnlich als Spicula bezeichnet werden. Sie sind
geradegestreckt oder gebogen bis geschlängelt und entweder glatt oder
mit zahlreichen Dörnchen oder seitlichen Aestchen besetzt. Statt einfacher
Nadeln finden sich zum Theil auch vierstrahlige oder vierschenklige
(sowohl unter den Colliden wie den Sphaerozoiden), sebr ähnlich den-
jenigen gewisser Spongien und solche, welche an beiden Enden in je
zwei oder drei (nach Brandt auch zuweilen vier) divergirende Gabel-
zinken auslaufen **); diese Spieula stellen sich also etwa dar, wie zwei Drei-
oder Vierstrahler, welche je einen Strahl gemeinsam haben. Meist sind die
Skeletelemente bei einer und derselben Form durchaus gleich, seltner da-
gegen kommen gleichzeitig verschiedenartig gebaute Elemente vor.
Von der Nadelgestalt abweichende Elemente finden sich nur bei der
Collide Thalassosphaera Morum J. M. sp. und der wegen ihrer angeb-
lich kalkigen Skeletelemente schon erwähnten Calcaromma calcarea W.
Thoms. Bei der ersterwähnten Form sind die Elemente kuglige Körper
mit zackiger Oberfläche (XVII. 3); bei der letzterwähnten dagegen kreis-
runde Scheibehen mit gezacktem Rand, einem Sporenrädchen sehr ähnlich.
*) — Peripylaria Hck, mit den Familien der Sphaerida + Discida + Zygartida —-
Lithelida Heck. und hierzu noch die Ordn. Collodaria, Symbelaria und Syncollaria Hck. 1881
(Nr. 37).
*#) Im ersteren Fall, bei der sogen. Thalassosphaera bifurca Heck. (zweifelhafte Collide)
findet sich eine nochmalige Gabelung dieser Zinken.
Sphaeroidskelete (Collida, Sphaerozoea). 359
Es ist leicht denkbar, dass sich durch Verwachsung isolirter Skelet-
elemente, wie sie im Vorstehenden besprochen wurden, eine mehr oder
minder regelmässige Gitterschale bilden konnte und da wir unter den
Sphaerozoöen einige Formen antreffen, deren Skelet von einer oder
auch zwei ineinander geschachtelten, zusammenhängenden Gitterkugeln
gebildet wird (Collosphaerida Hek. 1862, neuerdings von ihm zu be-
sondrer Ordnung der Symbelaria neben den seither besprochnen Sphaero-
zoeen, seiner Ordnung Syneollaria erhoben), so scheint auch eine solche
Ableitung der Gitterkugelskelete nicht ganz unwahrscheinlich. Die Gitter-
schale dieser Collosphaerida oder Symbelaria ist wenigstens bei der bis
jetzt allein genauer bekannten Gattung Collosphaera (XIX. 5a u. b) ziem-
lich unregelmässig, namentlich was die Grösse und die Gestalt der Gitter-
löcher betrifft. Die beiden ineinandergeschachtelten Gitterkugeln gewisser
hierhergehöriger Gesehlechter (s. Häckel 37) sind durch radiale Kiesel-
stäbe unter einander verbunden, zeigen daher ganz dieselbe Bildung,
welche wir im Folgenden eingehender bei den mehrschaligen Sphaeroideen
besprechen werden. Die Oberfläche der einfachen Gitterkugel oder der
äusseren Kugel der zweischaligen Formen ist entweder glatt oder mit
stachligen Auswücbsen bedeckt, ja es können solche auch auf der Innen-
fläche der einfachen Schale centripetal zur Ausbildung gelangen.
Eine interessante Modifieation zeigt die Gattung Siphonosphacra
Hxl., indem hier ein Theil der Poren der einfachen Gitterschale zu ge-
gitterten Röhrchen centrifugal auswächst (XIX. 7).
Eine einfache Gitterkugel von extra- oder intrakapsulärer Lagerung *)
zeiebnet nun weiterhin eine ziemliche Zabl der Sphaeroideae aus, welche
wir wohl als Monosphaerida (oder Monosphaeria Hck. 1881) zusammen-
zufassen berechtigt sind. Im Allgemeinen ist bei diesen Formen der Bau
der Gitterkugel ein sehr regelmässiger, nur die Gattung Cyrtidosphaera
(XIX. 15, welche jedoch hinsichtlich ihrer Selbstständigkeit gegenüber
Collosphaera nicht ganz sicher ist), sowie einige neuerdings von Häckel
sefundne Formen zeigen noch eine ähnliche Unregelmässigkeit der Gitter-
maschen wie die Collosphaera und Verwandte. Bei den übrigen Mono-
sphaeriden ist die Gitterkugel durchweg sehr regelmässig gebaut, sowohl
in Bezug auf die Regularität der Kugelgestalt, wie die übereinstimmende
Grösse der kreisrunden oder hexagonalen Gitterlöcher. Die Wandstärke
der Gitterschale ist gewöhnlich nicht sehr beträchtlich, so dass, bei gleich-
zeitiger sehr dichter Zusammendrängung der Gitterlöcher, die Schalenwand
aus einem ziemlich zarten und regelmässigen Netzwerk von Kieselfäden
gebildet wird (XX. 1, hauptsächlich Heliosphaera, Diplosphaera und
*) Während früher namentlich Häckel der Lagebeziehung der Skelettheile und speciell
der Gitterkugeln der Sphaeroidea zu der Centralkapsel eine hervorragende Bedeutung in syste-
matischer Hinsicht zuschrieb, ergaben dagegen die Untersuchungen Hertwig's, dass diesen
Verhältnissen durchaus keine solche Bedeutung beizulegen ist, da das eihe Verhalten leicht
aus dem andern hervorgeht. Später wird es am Platze sein, (renaueres hierüber zu be-
richten.
360 Radiolaria.
Arachnosphaera). Zuweilen erheben sich die Poren in Gestalt abgestutzter
Kegel etwas über die äussere (Etmosphaera) oder die innere Oberfläche
der Schale (Ceriosphaera Heck. 1881); im ersteren Fall sind sie nach
aussen, im letzteren nach innen konisch zulaufend. Mannigfaltiger ge-
staltet sich das Skelet durch die häufige Entwieklung radialer Stacheln,
welche sich von der Schalenoberfläche in centrifugaler Richtung zu kehr
verschiedner und häufig sehr beträchtlicher Länge erheben. Die Zahl
dieser Stacheln ist sehr verschieden, schwankt zwischen zwei und sehr
hohen Zahlen. Im letzteren Fall sind die Stacheln entweder alle gleich
und gleichmässig, ohne besondre Ordnung, über die Schalenoberfläche
zerstreut, oder es zeichnen sich unter ihnen 20 durch besondre Länge
und Stärke vor den übrigen aus, und diese 20 entsprechen in ihren
Stellungsverhältnissen dem bei den Acanthometreen besprochnen Müller'-
schen Gesetz. Ein solches Verhalten findet sich nach Häckel sowohl bei
Heliosphaera wie Diplosphaera.
In neuester Zeit haben uns die Untersuchungen Häckel’s noch eine
sanze Reihe eigenthümlicher Zahl- und Stellungsverhältnisse der Stacheln
seither unbekannter Formen der Monosphaerida kennen gelehrt, welche unser
besondres Interesse dadurch erregen, weil sie sich in ganz ähnlicher
Weise bei den später zu besprechenden mehrschaligen Formen wieder-
holen. So finden wir namentlich eine Anzahl sechsstachliger Formen,
deren sechs Stacheln nach den drei Richtungen des Raumes, also wie die
Axen eines Octaöders orientirt sind. Bei einer folgenden Gruppe sinkt
die Zahl der Stacheln auf vier herab, indem zwei gegenüberstehende der
vorhergehenden Gruppe ausgefallen sind und schliesslich redueirt sich die
Stachelzahl bei einer dritten Gruppe auf zwei, durch weiteren Ausfall
zweier zusammengehöriger Stacheln, in welchem Fall demnach die beiden
einzigen Stacheln eine Hauptaxe bezeichnen. Eine solche tritt jedoch
auch zum Theil schon bei vierstachligen Formen hervor, indem sich
zwei zusammengehörige Stacheln durch besondre Grösse vor den zwei
andern auszeichnen, ja diese Hauptaxe kann sich sogar ungleich-
polig, sowohl bei vier- wie zweistachligen gestalten, indem ihre beiden
Stacheln in Länge oder Bildung Verschiedenheiten aufweisen.
Die Stacheln sind entweder drehrund oder dreikantig; letzteres be-
ruht, wie wir bei den Stachelgebilden der Sphaeroideen noch häufig finden
werden, darauf, dass sie sich in solchen Fällen iiber den Knotenpunkten
der hexagonalen Maschen erheben, also Punkten, wo drei Maschenbälk-
chen zusammenstossen, um sich dann als Ränien auf die Stacheln fort-
zusetzen.
Bei einer Anzahl Formen entwickeln sich an den Kanten der
Stacheln einfache, zahn- bis stachelartige oder verästelte >Seiten-
sprossen. Zu solchen Seitensprossen oder Aestehen gesellen sich bei
Diplosphaera noch zarte, verästelte oder unverästelte Kısnlüden hinzu,
welche in Instesasinan ander Höhe von den 20 Hauptstacheln entspringen
und sich mit denen der benachbarten Stacheln verschmelzend vereinigen,
Sphaeroidskelete (Monosphaerida). - 561
so dass die Gesammtheit dieser Fäden eine spinnwebartige, zarte, äussere
Kugelbülle bildet (XX. 5c). Bei der Gattung Arachnosphaera wiederholt
sich eine entsprechende Bildung verzweigter Fortsätze, welche zu solchen
zarten und unregelmässigen äussern Hüllen zusammentieten, an den
Hauptstacheln in regelmässigen Abständen 4—6 Mal, so dass also
die Hauptgitterschale von 4—6 äussern, unregelmässigen, zarten Kiesel-
kugeln eingehüllt wird (XX. 6).
Selten begegnen wir einer fortgesetzten dicho- oder trichotomischen
Zertheilung der Stacheln.
Bei den Skeletbildungen aller jetzt noch zu besprechenden Sphaeroi-
deen wiederholen sich die gitterigen Kugelschalen in mehrfacher, zwei-
bis vielfacher Zahl. Es sind mehrere solcher Kugelschalen concentrisch
ineinander geschachtelt und stehen durch Radialstäbe, welche im allge-
meinen den Stacheln der Monosphaeriden zu parallelisiren sind, in Ver-
bindung. Diese Radialstäbe setzen sich jedoch nie in den Innenraum der
innersten Kugel (der sogen. Markschale) fort, sondern die innersten neh-
men stets von der Oberfläche dieser Markschale ihren Ursprung. So un-
zweifelhaft es nun auch erscheint, dass diese mehrschaligen Formen sich
von den Monosphaeriden herleiten, so ist doch bis jetzt nur wenig Ge-
naueres über den Gang dieser Entwicklung bekannt geworden. Ueber-
haupt ist ja die Entwicklungsgeschichte der Radiolarienskelete bis jetzt
sehr wenig erforscht und nur sie wird im Stande sein, uns über die Ablei-
tung der mehrschaligen Formen von den einschaligen sicher aufzuklären.
Die grössere Wahrscheinlichkeit scheint mir, in Uebereinstimmung
mit der Ansicht Häckel’s (16) und im Gegensatz zu der Hertwig’s (35),
dafür zu sprechen, dass die innerste Gitterkugel der Polysphaeriden der
einfachen Kugel der Monosphaeriden entspricht und dass sich daher die
Skelete der ersteren centrifugal entwickelten, indem es durch Vermittlung
der Stachelfortsätze zur Bildung weiterer, äusserer Gitterkugeln kam,
denen also wenigstens uranfänglich eine ähnliche Entstehungsweise zu-
kam, wie den zarten äusseren Kugeln der Diplo- und Arachnosphaera.
Mit dieser Anschauungsweise stimmt auch das Wenige überein, was wir
von der Entwicklung der Polysphaeriden wirklich kennen, denn ein-
mal hat schon J. Müller (12) den Nachweis .geführt, dass sich die äussere
Schale der Gattung Heliodiseus thatsächlich durch Zusammenfluss seit-
licher Fortsätze der Stachelbildungen der inneren Schale successive ent-
wickelt und weiterhin hat Hertwig selbst gezeigt, dass die Entwicklung
des eigenthümlichen Skelets der Tetrapyle und seiner übrigen sogen.
Dysphaerida im Prineip denselben Gang einschlägt*). Das centrifugale
*) Ausserdem hat jedoch Hertwig (33) auch eine jugendliche Sphaeridöe beobachtet,
welche er zu der zweischaligen Haliomma ziehen zu dürfen glaubt. Dieselbe besass nur eine
Gitterkugel, welche sich durch ihre Grösse, sowie ihre Einlagerung in den Kern entschieden
als die innerste oder Markschale der Haliomma darstellt. Eine äussere zweite Schale ‚fehlte
hier noch völlig; es spricht diese Beobachtung also gleichfalls gegen die Ansicht Hertwig's
und für die Entwicklung der mehrschaligen Sphaerideen in centrifugaler Richtung.
362 Bade
Wachsthum tritt dann weiterhin bei den sehr vielschaligen Formen der
Polysphaeriden so unzweifelhaft und deutlich und zwar durch Vermittlung
der Stachelfortsätze hervor, dass hieraus wohl ein Rückschluss auf die
Entwicklung der primitiven Formen gestattet sein dürfte.
Wir halten es daher für das Wahrscheinlichste, dass sich die Poly-
sphaeriden aus Monosphaeriden in der angegebnen Weise entwickelt
haben und diese Anschauung findet, wie es scheint, namentlich darin noch
eine wesentliche Stütze, dass die vielschaligen Formen hinsichtlich der
Bestachelung und andrer Charaktere ganz ähnliche Bildungsverhältnisse
darbieten wie die Monosphaeriden. Ich neige daher auch zu der Ansicht,
dass die vielschaligen Formen keineswegs als einheitliche Gruppe den
einschaligen gegenübergestellt werden können, sondern dass die Bildung
polysphäroider Formen von verschiednen Monosphaeriden aus stattfand.
Zahlreiche Formen haben zwei, drei, vier, nicht wenige jedoch auch
fünf und mehr ineinandergeschachtelter Gitterkugeln aufzuweisen. Wäh-
rend bei den Formen mit geringerer Schalenzahl eine ziemliche Constanz
dieser Zahl zu herrschen scheint, dürften dagegen die sehr vielschaligen
Formen, wie mir scheint, eine geringere Constanz darbieten. Ich
schliesse dies namentlich aus dem Verhalten einer Reihe sehr viel-
schaliger Formen, die in manchen Stücken von den hier zunächst zu
betrachtenden Polysphaeriden abweichen und die wir erst später als
Lithelida, Diseida und Zygartida kennen lernen werden.
Wir betrachten hier zunächst die ursprünglicheren Formen mit regu-
lär sphärischen Gitterschalen, welche sich zu zweien bis fünfen und auch
mehr*) concentrisch umscheiden und alle stets ganz vollständig ausge-
bildet sind, d. h. keine Neigung zu unvollständiger Ausbildung der
äusseren Kugelschalen besitzen. Eine gesonderte Betrachtung dieser For-
men nach der Zahl ihrer Kugelschalen halte ich für überflüssig, da sich
ganz dieselben Typen bei den zwei-, drei- bis fünf- und mehrschaligen
wiederholen.
Die innerste oder mehrere der innersten Schalen sind bei diesen
Polysphaeriden in die Centralkapsel eingeschlossen. — Bei dieser Gelegen-
heit erscheint es von Werth, gleich darauf hinzuweisen, dass nach den
Untersuchungen Hertwig’s die ursprüngliche Lage der Gitterkugeln der
Sphaeroideen entschieden eine extrakapsuläre ist, dass die Einschliessung
der einfachen Gitterkugel oder mehrerer der innersten in die Central-
kapsel ohne Zweifel eine Erscheinung ist, welche sich durch nachträg-
liche Umwachsung der innersten Kugeln durch die Centralkapsel erklärt.
Namentlich bei dem einschaligen Cladococeus, sowie bei den Gat-
tungen Diplosphaera und Rhizosphaera gelang es Hertwig, hierfür
#®) Ich möchte glauben, dass die Zahl der Kugelschalen solcher Formen sich nicht viel
über fünf erhebt; genauere Angaben Häckel’s der solche Formen bis jetzt allein in grösserer
Zahl beobachtete, liegen noch nicht vor: ich studirte eine hierhergehörige Form von Barbados,
bei der ich bis zu sechs Kugelschalen beobachtete,
Sphaeroidskelete (Regul. Polysphaerida). 363
entscheidende Beobachtungen anzustellen. Der Einschluss einer ursprüng-
lich extrakapsulären Gitterkugel vollzieht sich in der Weise, dass die
Centralkapsel zunächst bruchsackartige Fortsätze durch die Maschenlöcher
der Gitterschale hervortreibt *), welche schliesslich ausserhalb der Schale
unter einander verschmelzen (XX. 5a). Auch bei den sehr vielschaligen
Diseiden und Litheliden, welche erst später genauer zu erörtern sind und
bei welchen die Centralkapsel nahezu die gesammte Schale einschliesst,
ist dies Verhalten jedenfalls in gleicher Weise entstanden, worauf die
Hertwig’schen Untersuchungen gleichfalls hinweisen.
Sehr selten tritt eine geringe Abweichung der Concentrieität der sich
umfassenden Schalen auf; so fand ich bei Actinomma und einer Caryo-
sphaera Heck. (?) von Barbados (XXIIL 12) eine etwas excentrische Lage-
rung der innersten oder Mark-Schale. Die Gitterstruetur der Schalen
unterliegt auch bei den Polysphaeriden zahlreichen Modificationen, je
nach Zahl, Grösse und Gestalt der Gitterlöcher, der Wandstärke der.
einzelnen Schalen u. s. w. und namentlich verrathen auch die aufeinander-
folgenden Schalen einer und derselben Form sehr häufig mehr oder min-
der beträchtliche Verschiedenheiten in der Gitterstructur. Im Allgemeinen
nehmen die Gitterkugeln nach aussen nicht nur an Grösse, sondern auch
an Zahl und Grösse ibrer Löcher, sowie an Wandstärke zu. Doch zeigt
sich nicht selten, so bei der dreischaligen Gattung Actinomma, eine relativ
viel weitere Gitterung der Markschale (XXI. 3a u. b), welche z. Th. eine
ganz weitmaschige Zusammensetzung aus dünnen Kieselbälkchen zeigt,
wie wir sie bei gewissen Monosphaeriden antrafen.
Unter einander sind die Schalen durch radiale Kieselstäbe verbunden,
deren ursprüngliche Bedeutung als Stacheln sich gewöhnlich noch daraus
deutlich ergibt, dass sie sich wenigstens z. Th. noch als freie Stachel-
gebilde über die Oberfläche der äussersten Rindenschale erheben. Auch
zeigen sie die gleiche Beschaffenheit, wie die freien Stacheln der Mono-
sphaeriden, sie sind theils drehrund, theils jedoch sehr deutlich dreikantig
bis dreiblätterig.
Wenn wir zuvörderst einen Blick auf die speeielle Ausbildung der
äusseren Rindenschale unsrer Formen werfen, so begegnen wir zu-
nächst solchen mit stachelloser oder doch nur dormiger bis zackiger
Oberfläche der Aussenschale; bei solchen Formen setzen sich dem-
nach die zu der äusseren Rindenschale tretenden Radialstäbe nicht als
freie Stachelgebilde fort.
Bei einer Reihe weiterer Formen dagegen erheben sich zahlreiche
(acht und mehr) freie Stacheln von der Rindenschale (XXI.5), und wie bei
den entsprechenden Monosphaeriden, gewöhnlich ohne eine besondre Regel-
mässigkeit ihrer Stellung. Ob diese Stacheln auch hier zuweilen noch in
der Zahl 20 vorhanden und dann nach dem Müller’'schen Stellungsgesetz
*) Nur dieses Stadium des Durchwachsungsprocesses wurde jedoch bis jetzt bei Diplo-
sphaera und den Disciden direct beobachtet.
364 Radiolaria.
orientirt sind, scheint bis jetzt nicht ausreichend ermittelt, dagegen sollen
sich, wie schon hier bemerkt werden mag, die zu der äusseren Rinden-
schale tretenden Radialstäbe nach Häckel z. Th. noch in dieser. Zahl und
nach diesem Gesetz geordnet finden (Haliomma und Actinomma Hck. z. Th.
s. 16). Bei einer grossen Anzahl Polysphaeriden reduciren sich jedoch
die freien Stacheln der äusseren Rindenschale auf sechs (XXI. 3a), vier
oder zwei(XX1.4)und zwar ganz in derselben Weise, wie wir solche Reduction
schon unter den Monosphaeriden antrafen. Die soeben betonten verschied-
nen Bestachelungsverhältnisse wiederholen sich in ganz entsprechender
Weise bei zwei-, drei-, vier- und mehrschaligen Polysphaeriden, so dass
wir unter den Polysphaeriden nach diesen Bestachelungsverhältnissen
Reihen zu unterscheiden vermögen, welche an die entsprechenden Mono-
sphaeriden anknüpfen und welchen ich mehr Natürlichkeit zuschreiben
möchte, als den Gruppen, in welche Häckel die Polysphaeriden auf Grund
der Schalenzahl sondert. Bei den vier-, wie bei den zweistacheligen For-
men kann sich weiterhin auch hier die Stacheldifferenzirung geltend
machen, welche wir schon bei den entsprechenden Monosphaerida an-
trafen, d. h. die beiden Stacheln der zweistacheligen können ungleich
entwickelt sein*), oder bei den vierstacheligen eine ungleiche Entwick-
lung der Stacheln der zwei Kreuzaxen sich geltend machen.
Neben den erwähnten Hauptstacheln der äusseren Rindenschale treten
jedoch z. Th. noch schwächer entwickelte accessorische Stacheln ver-
schiedner Beschaffenheit auf, welche sich weiterhin auch dadurch im All-
gemeinen auszeichnen werden, dass sie sich nicht als Radialstäbe in das
Innere der Aussenschale fortsetzen... Viel unsicherer wie die Zahl- und
und Stellungsverhältnisse der äusseren Stacheln der Rindenschale sind bis
jetzt die der Radialstäbe aufgeklärt. Es ist dies erklärlich, weil dieselben
viel schwieriger zu beobachten sind. Zur richtigen Beurtheilung der Ver-
wandtschaftsbeziehungen sind jedoch auch diese Verhältnisse sehr wichtig.
Dies erscheint ziemlich einleuchtend, wenn wir einen Blick auf die erst-
erwähnten Formen mit unbestachelter Rindenschale werfen. Die in dieser
Hinsicht bis jetzt genauer bekannt gewordnen dreischaligen Formen,
welche man seither unter der Gattung Actinomma aufführte, und die
Häckel neuerdings (37) in nicht weniger wie drei besondre Gattungen
zerlegt, zeigen recht verschiedne Zahlenverhältnisse der Radialstäbe,
welche die innere und äussere Rindenschale verbinden. Die meisten be-
sitzen zahlreiche derartige Stäbe, 8—20 und mehr, gewisse jedoch auch
nur 4 und 6, welche ohne Zweifel demselben Stellungsgesetz folgen, wie
die 4 oder 6 Stacheln auf der freien Oberfläche der einzigen Rindenschale
zweischaliger Formen. Es fragt sich daher wohl, ob diese letzteren
*) Bei ein- und zweischaligen zweistacheligen Formen gesellt sich zum Theil ein ınerk-
würdiger accessorischer Skelettheil zu den beiden Stacheln, indem deren Endspitzen durch
einen die Schale umkreisenden Kieselring. verbunden erscheinen. Von einschaligen Formen
gehören hierher die Gattungen Saturnalis Heck. und Saturnalium IIck., von zweischaligen
Saturnulus Hek.
Sphaeroidskelete (Regul. Polysphaerida). 365
Formen nicht richtiger mit solchen vier- und sechsstacheligen zweischali-
gen zusammengestellt, als wie z. B. Häckel will, mit den erstgenannten
vielstäbigen vereinigt werden.
Bei den bestachelten Formen scheinen im Allgemeinen die schon be-
schriebnen freien Hauptstacheln als Radialstäbe nach innen fortzusetzen,
jedoch ist bis jetzt nicht wohl möglich zu sagen, ob sie im Allgemeinen
auch alle bis zur Markschale zu verfolgen sind. Für eine dreischalige
Form, die Häckel’sche Actinomma trinaeria mit 20 Hauptstacheln und
20 äusseren Radialstäben ist dies entschieden nicht der Fall, indem hier
pur sechs innere Radialstäbe zwischen Mark- und erster Rindenschale
vorhanden sind. Bei den stachelarmen Formen, so z. B. den zweige-
gestachelten, dreischaligen Stylosphaeren Ehrenberg’s (die Häckel jetzt als
Amphisphaera und Ampbistylus bezeichnet), finde ich ausser den zwei
Radialstäben, welche aus der Fortsetzung der beiden freien Stacheln
hervorgehen, noch etwa acht weitere, ebenso beträgt die Zahl der innern
Radialstäbe jedenfalls mehr wie zwei (siehe XXI. 4); es lassen sich hier
diese secundären Radialstäbe etwa als accessorische Stachelbildungen der
inneren Schalen betrachten.
Die freien Stachelbildungen der meisten hierhergehörigen Formen
sind einfache, doch fehlen auch dornige und ästige, ja gegen das Ende
schwammartig ausgebildete Stachelformen nicht. Seitenästehen der Stacheln
sind zuweilen auch in Wirteln zusammengeordnet; alles dies sind Bil-
dungen, welche wir auch schon bei Monosphaeriden getroffen haben.
Recht merkwürdig ist die Umbildung, welche der Skeletbau bei einer
Anzahl Formen zeigt, die sich an die zweischalige Haliomma, z. Th.
jedoch auch vielleicht an die dreischalige Actinomma anschliessen *). Bei
diesen entwickelt sich die Rindenschale zu einer ungemeinen Wandstärke,
so dass ihre Gitterlöcher zu engen, ganz dicht zusammengedrängten Röh-
ren werden. Der Hohlraum zwischen Rinden- und Markschale (oder
äusserer und innerer Rindenschale) wird sehr minimal. Stachelbildungen
fehlen meist (Haliomma ovatum E. (XXI. 7) und radians E.), oder es fin-
den sich zwei grosse Hauptstacheln (Rhabdolithis Pipa Eh. XXI. 8),
welche eigenthümlicher Weise rechtwinklig zu einander gestellt sind und
gegen welche die eigentliche Kugelschale so zurücktritt, dass sie wie der
verdickte Vereinigungspunkt dieser Stacheln erscheint.
Von regplären sehr vielschaligen Polysphaeriden, bei welchen die
zahlreichen Schalen sieh sehr dieht umhüllen und durch viele, jedoch
dünne Radialstäbe verbunden sind (und solche Formen scheinen zu exi-
stiren, lassen sich jedoch nur schwierig von den erst später zu besprechen-
den Litheliden mit einiger Schärfe trennen), leiten sich wohl eine Reihe
kugliger Skeletbildungen von schwammiger Structur her. Stellen wir uns
nämlich vor, dass die sich dicht umhüllenden coneentrischen Schalen, so-
*) Einen Uebergang verrathen jedoch schon gewisse Actinomma (s. T. XXL 6), bei
welchen die Aussenschale eine sehr beträchtliche Dicke erreicht.
366 Radiolaria.
wie die sie verbindenden Radialstäbe, unregelmässiger wurden, so muss
sich die bei einer Reihe hierhergehöriger Formen noch sehr deutliche
concentrische Schichtung der sich umhüllenden gegitterten Skeletlagen
schliesslich in ein aus unregelmässig durcheinander gewobnen Kiesel-
bälkchen gebildetes spongiöses Gewebe verwandeln. Wir vermögen in
dieser Weise etwa von den seither besprochnen regulären Polysphaeridae
eine Gruppe von Formen herzuleiten, welche wir nach dem Vorgang Häckel’s
als Spongosphaerien bezeichnen können und die sich eben durch
eine solche spongiose Umbildung oder Entwicklung der peripherischen
Skeletregion oder des gesammten Skelets auszeichnen. Die Beziehung
dieser Skelete zu den regulären Polysphaerida ergibt sich auch dadurch,
dass, wie bemerkt. der Centraltheil der Schale vielfach noch aus deut-
lichen, eoncentrisch sich umgreifenden Gitterkugeln der gewöhnlichen Bil-
dung besteht, welche in ein- bis dreifacher Zahl als sogen. Markschalen
vorhanden sein können und dann erst peripherisch von der spongiös ent-
wickelten Rinde eingehüllt werden. Diese Schwammrinde umhüllt ent-
weder direct die Markschalen oder wird durch einen von Radialstäben
durchsetzten Zwischenraum von denselben getrennt.
Bei einer Reihe weiterer hierhergehöriger Formen sind keine Mark-
schalen mehr erhalten, sondern das kuglige bis elliptische Skelet erscheint
durchaus spongiös. In vielen Fällen dürfte es jedoch ziemlich schwierig
sein, sich von dem Mangel einer oder mehrerer kleiner Markschalen mit
Sicherheit zu überzeugen, da die Schwammkugeln gewöhnlich sehr an-
sehnlich anwachsen und die Beschaffenheit des Centrums dann natürlich
recht schwierig zu erforschen ist.
Bei einer Anzahl dieser Spongosphaerien ist das Schwammgewebe
durchaus gleichmässig, d. h. es entwickeln sich keine stärkeren, die
Schwammmasse in radialer Richtung durchsetzenden Kieselbalken, welche
als freie Stacheln über die Oberfläche der Schwammmasse hervorragen.
Bei andern Formen dagegen treten solche stärkere Radialbalken hervor,
die sich bei mehrschaligen Formen bis zu den Markschalen verfolgen
lassen, und ursprünglich nichts weiter sind als stärker entwickelte
Stacheln dieser Markschalen. Die Zahl solcher starken Radialstäbe, re-
spective ihrer freien stachelförmigen Verlängerungen, ist auch hier sehr
schwankend und es wiederholen sich dieselben Verhältnisse der Be-
stachelung, welche wir schon bei den Mono- und Polysphaeriden
zu verzeichnen hatten. — Wir finden daher sowohl Formen mit zahlreichen,
acht und mehr Stacheln, die meist ohne besondre Regelmässigkeit ihrer
Stellung aus der Oberfläche des Schwammskelets hervorschiessen (XXL. 1),
als andrerseits solche mit vier rechtwinklig gekreuzten und schliesslich
nur zwei gegenüberstehenden Stacheln (XXIV. 1). Auch für diese For-
men scheint es mir möglich, dass sie sich direet von ähnlich gebauten
Polysphaeriden ableiten, oder mit andern Worten, dass die Abtheilung der
Spongosphaeria keine natürliche ist, was auch noch dadurch unterstützt
Sphaeroidskelete (Spongosphaeria, Discida), 367
wird, dass spongiöse Umhüllungen und Umbildungen sich auch noch
anderweitig wiederholen und obne Zweifel mehrfach selbstständig und
unabhängig von einander entstanden sind.
Von regulären Polysphaeriden leitet sich eine sehr reichentwickelte
Formenreihe ab, welche von Häckel zuerst unter der Bezeichnung Diseida
(Fam. der Ordn. Peripylaria 1881) zusammengefasst wurde. Dieselben
bilden jedoch nach meiner Auffassung sehr wahrscheinlich keine phylo-
genetisch zusammenhängende Gruppe, sondern umschliessen zwei selbst-
ständig entstandne Abtheilungen, von welchen die eine die Phacodiseida und
Coeeodiseida Häckel's (1881), die andere dagegen die Porodiseida und
Spongodiseida (ob alle?) dieses Forschers umfasst. Charakteristisch für alle
Diseida erscheint, dass die sich eoncentrisch umfassenden Gitterschalen
früher oder später ihre reguläre Kugelgestalt aufgeben und eine abge-
plattet linsenförmige mit kreisrunder Peripherie annehmen, demnach eine
Hauptaxe ausbilden, welche die beiden Pole der äusseren, linsen- oder
seheibenförmig abgeplatteten Schalen verbindet. Gewöhnlich gelangen
jedoch diese äusseren, monaxonen Gitterkugeln nicht mehr zu völliger Aus-
bildung.
Die erste der oben erwähnten beiden Reihen beginnt mit Formen,
welche sich direct von zwei- oder dreischaligen regulären Polysphaeriden
ableiten lassen, bei welchen die einzige oder die äussere der beiden
Rindenschalen linsenförmig umgestaltet ist, während die Markschale,
oder die Markschale und die innere Rindenschale ihre reguläre Kugel-
sestalt bewahrt haben.
Solehe Formen bilden die Gruppe (Unterfamilie) der Phacodiseida
Häckel’'s. — Die linsenförmige, äussere Schale derselben ist theils ganz
glatt und stachellos, theils aber ist ihr äquatorialer Rand mit einer sehr
verschiednen Anzahl mehr oder minder ansehnlicher radialer Stacheln be-
setzt (XXI. 5a). Zwei bis fünf und mehr Stacheln sind in dieser Weise
. entwickelt und zwar meist einfache, wiewohl zuweilen auch verästelte.
Bei gewissen Formen fliessen diese Stacheln mit ihren Basen zu einem
zarten vorspringenden Aequatorialsaum der Schale zusammen; bei anderen
schliesslich ist dieser Aequatorialsaum allein ausgebildet (XXII. 6a u. b)
und erhebt sich zwischen zwei ansehnlichen Porenreihen des Aequatorial-
randes. Ausser den äquatorialen Hauptstacheln kann jedoch die Schalen-
oberfläche noch secundäre, schwächer entwickelte Stacheln aufweisen
(XXIL 3).
Die äquatorialen Hauptstacheln setzen sich entweder als Radialstäbe
(jedoch nicht immer sämmtliche) bis zur eingeschlossnen Schale fort
(XXI. 3b) oder, und dies scheint der häufigere Fall zu sein, sie gehen
nicht in Radialstäbe über.
Die Verbindung der linsenförmigen äussersten Schale mit der nächst-
folgenden inneren wird in diesem Fall allein durch ziemlich zahlreiche
Radialstäbe vermittelt, welehe von der inneren Schale nach den Polfeldern
368 Radiolaria.
der Linsenschale hinstreben und die sich auch dann finden, wenn gleich-
zeitig äquatoriale Stäbe vorhanden sind (XXI. 3b, 5b). Die peripheri-
schen Enden letzterwähnter Radialstäbe sind gewöhnlich etwas verästelt.
Auch die beiden inneren Schalen der dreischaligen Formen stehen natürlich
durch eine Anzahl Radialstäbe in Verbindung.
Von diesen Phacodiscida leitet sich nun die sehr reichhaltige Gruppe
der Coceodiseida Häck. (Unterfamilie 1881) dadurch ab, dass sich zu der
äusseren linsenförmigen Gitterschale noch zahlreiche weitere hinzugeselleu,
welche jedoch nur mit ihren äquatorialen Theilen zur Ausbildung ge-
langen. Man kann sich diese eigenthümliche Entwicklungsweise der
Cocceodiseida, welche sich in ganz entsprechender Art auch bei den Poro-
diseida Häckel’s wiederholt, etwa folgendermaassen verständlich machen.
Die linsenförmige Abplattung der äusseren, vollständigen Schale eines
Phacodiseiden erhöht sich bei der folgenden Gitterschale bis zu solchem
Grade, dass dieselbe nicbt mehr im Stande ist, die nächstältere und voll-
ständige Linsenschale allseitig einzuschliessen, sondern, da sie stärker
abgeplattet ist, ‘wie diese ältere Schale, mit ihren Seitenflächen an die
äquatoriale Zone derselben anstösst und verwächst; es -bildet dem-
nach diese unvollständige Schale nur einen äquatorialen Ring um die
Peripherie der Linsenschale und in dieser Weise folgen nun bei den
Coceodiseida noch eine verschiedne Zahl weiterer, jüngerer und immer
umfassenderer Ringe aufeinander, lauter unvollständige, successive zur
Ausbildung gelangende Gitterkugeln (XXIII. 5, 6). Alle diese sich um-
fassenden Ringe bilden um den aus zwei oder drei vollständigen Gitter- _
schalen bestehenden, ganz phacodiscidenartigen Kern eine Scheibe, welche
sich gegen die Peripherie gewöhnlich etwas verdickt und in deren Cen-
trum der phacodiscidenartige Kern beiderseits nabelartig etwas vorspringt
(XXIII. 6). Die Scheibe lässt sich, wenn wir von ihrer Ableitung aus
successiven, unvollständigen Gitterkugeln absehen, auch so beschreiben,
wie dies von Häckel geschehen ist (16), nämlich als gebildet von zwei
ihre Oberflächen bildenden, durchlöcherten Gitterplatten, deren Lumen von
sich concentrisch umfassenden, durchlöcherten Ringbalken in die einzelnen
Ringe zerfällt wird. Zwischen den aufeinanderfolgenden Ringbalken spannen
sich zahlreiche radiale Kieselbälkchen aus, welche jedoch nicht etwa eine
wirkliche Kammerung der Ringe hervorrufen, wie Häckel früher annahm,
es sind dieselben vielmehr nichts weiter als die uns bekannten Radial-
stäbe zwischen den unvollständigen Schalen der Scheibe. Diese Radial-
stäbe vermitteln auch das Wachsthum der Scheibe in einer uns schon von
den regulären Polysphaeriden bekannten Weise, welche sich hier durch
Beobachtung leicht sicher stellen lässt. Durch stärkere Entwicklung
einiger solcher Radialstäbe, welche dann durch die gesammte Scheibe
hindurehgehen, und wohl gewöhnlich auch als Radialstäbe in den phaco-
diseidenähnlichen Kern zu verfolgen sind, bilden sich bestachelte Cocco-
diseiden aus, indem solehe Radialstäbe sich als freie Stacheln über den
Skelete (Coceodiseida, Porodiscida). 369
peripherischen Rand der Scheibe fortsetzen. Dies geschieht in recht ver-
schiedner Zahl, zwei, drei, vier, fünf und mehr*).
Viel interessanter wie diese Bestachelung ist eine nicht selten
vorhandne unvollständige Entwieklung der Scheibe, durch welche die
Häckel’sche Unterabtheilung der Astracturida (1881, 37) unter den Coceo-
diseida gekennzeichnet wird. Bei diesen Formen entwickeln sich
die Scheibenringe, mit Ausnahme vielleicht des innersten oder weniger
innerer, nur längs gewisser Radien, so dass also nicht eine zusammen-
hängende Scheibe, sondern eine verschiedne Zahl sich nach der Peripherie
etwas verbreitender Arme zur Ausbildung gelangen, welche aus den ent-
sprechenden Ringtheilen zusammengesetzt sind (XXIII. 10). Die Zahl
dieser Arme ist, wie gesagt, ziemlich verschieden, so finden sich zwei
entgegenstehende, drei unter Winkeln von 120° zusammenstehende, vier
rechtwinklig gekreuzte, fünf oder sechs entwickelt. Nicht selten ent-
wickelt sich ein Radialstab der Arme ansehnlicher und springt als
ein Stachel frei über das Armende vor. Bei einem Theil der For-
men entwickeln sich zwischen den benachbarten Armen, dieselben
verbindend, accessorische Scheibentheile, welche bei der bis jetzt allein
durch eine Abbildung genauer bekannten Gattung Hymenastrum Ehb.
(— Hymenactura Heck. 1881) ganz ähnlich gebaut zu sein scheinen, wie
die Arme (XXI. 11). Die sie zusammensetzenden Ringstücke sind nur
viel weniger gekrümmt wie die der Arme, so dass sie sich deutlich von
denen der letzteren absetzen. Häckel bezeichnet diese accessorischen Ver-
bindungstheile der Arme als „gekammertes Flechtwerk “ („vimentum
cameratum“).
Im Prineip übereinstimmend mit den Coccodiseidae ist der Bau der
sehr reichhaltigen Gruppe (Unterfamilie) der Porodiseidae Häckel’s (früher,
1862, Trematodiseidae), doch scheinen sie sich, in Hinblick auf den Bau
des Scheibencentrums als eine selbstständig entwickelte Gruppe zu er-
weisen. Während nämlich das Centrum der Coccodiseidenscheibe stets
von einem sehr deutlich phacodiseidenähnlichen Kern gebildet wird, wird
das der Porodisciden von einer, zwei oder drei sehr kleinen, im letz-
teren Falle sich concentrisch umscheidenden, vollständigen Gitterkugeln
dargestellt. Der Abstand dieser Gitterkugeln von einander ist ziemlich
gleich, es fehlt namentlich der für alle Coccodiseiden, wie es scheint, sehr
charakteristische, weite Abstand zwischen der linsenförmig abgeplatteten
äussersten, vollständigen Schale und der oder den inneren kugligen
Schalen. Ich neige daher zu der Ansicht, dass die Porodiseiden sich in
selbstständiger Weise von regulären Polysphaeriden ableiten, während die
Coceodiseiden ohne jeden Zweifel aus Phacodiseiden hervorgegangen sind.
*) Eine hierhergehörige Form von Barbados zeigt die nicht uninteressante Eigenthüm-
lichkeit, dass das oberflächliche Gewebe der peripherischen Scheibenregion sich dicht schwam-
ig umbildet; nur in der Medianebene der Scheibe verbleiben noch zwei Lagen regelmässiger
Kämmerchen, welche beiderseits von einer dicken Schwammlage bedeckt werden (s. XXIII. 7).
Bronn, Klassen des Thierreichs. Protozon. )4
370 Radiolaria,
Um die erwähnten 1—3 kugligen Markschalen legen sich nun wie
bei den Coecodiseiden mehr. oder minder zahlreiche unvollständige Schalen
als äquatoriale Ringe herum und bilden wie bei ersteren eine kreisrunde
Scheibe (s. z. B. XXIV. 5). Die relative Dieke dieser Scheibe hängt
natürlich im Allgemeinen von der Zahl der Markkugeln ab, ist diese be-
trächtlich (drei), so ist die Dieke, welche meist den Durchmesser der äusser-
sten Kugel, selten weniger beträgt, ansehnlicher. Nach der Peripherie
zu verdickt sich die Scheibe jedoch gewöhnlich etwas, so dass die Schei-
benflächen schwach konisch ausgehöhlt sind (XXIV. 4, 5b). Seltner da-
gegen nimmt die Dicke peripherisch ab. Die Markschalen springen nur
sehr selten im Centrum der Scheibenflächen nabelartig vor, wie dies bei
den Coceodisciden so ansehnlich hervortrat. Die Zahl der Radialstäbe,
welche die successiven Ringbalken der Scheibe verbinden, steht in Zu-
sammenhang mit der Scheibendicke. Ist dieselbe, wie gewöhnlich, sehr
unbeträchtlich, so findet man in der Dickenrichtung der Scheibe nur eine
Lage solcher Radialstäbe, welche im optischen Radialschnitt der Scheibe sehr
deutlich hervortreten und in der Aequatorialebene gelagert sind (XXIV. 4).
Ist die Scheibendicke beträchtlicher, so sind neben diesen in der Dicken-
richtung noch weitere, über und unter der Aequatorialebne gelagerte, vor-
handen (XXIV. 5b). Die Zahl dieser Radialstäbe wächst weiterhin suec-
cessive mit der Umfangszunahme der aufeinanderfolgenden Ringe wie bei
den Coccodiseiden; ein einmal aufgetretner Radialstab setzt sich gewöhn-
lich nach der Peripherie durch sämmtliche folgende Ringe fort. Wie bei
den Coccodiseida können sich diese Radialstäbe z. Th. oder auch sämmt-
lich stärker entwickeln und als freie Stacheln in sehr verschiedner Zahl
(zwei bis zahlreiche) über die Scheibenperipherie hervorragen (XXIV. 8, 9).
Viel interessanter als diese Bestachelungsverhältnisse erscheint
eine sehr merkwürdige Modification der Scheibenringe, welche bei
einer nicht geringen Zahl der Porodiseiden zur Ausbildung gelangt. Bei
den ohne Zweifel ursprünglichsten Formen bilden die Ringbalken, welche
die successiven Ringe von einander trennen, völlig geschlossne, reguläre
Kreise. Daneben finden sich jedoch zunächst einige Formen, bei
welchen die Ringe nicht mehr einheitlich, sondern dadurch in zwei
Hälften zerfallen sind, dass die Ringbalken in zwei gegenüberstehenden
Radien gebrochen erscheinen. Thatsächlich ist jedoch das Verhalten ein
etwas anderes, und lässt sich etwa folgendermaassen beschreiben. Jeder
Ring ist in zwei Hälften zerfallen, die sich nicht genau gegenüberstehen,
sondern sämmtliche Ringhälften der einen Scheibenhälfte sind um et-
was gegen die der anderen verschoben (s. den Holzschnitt Fig. 3, A.
und XXIV. 7). Dabei können natürlich die gegeneinander verschobenen
Hälften der Ringbalken nicht mehr zusammenstossen; statt dessen finden
wir, dass sich die Enden der Ringbalkenhälften centralwärts bis zur
Verwachsung mit dem nächstinneren etwas verschobnen Ringbalken
der entgegengesetzten Scheibenhälfte einkrümmen. Die nebenstehende
Figur wird dieses Verhalten, welches sich schwer mit Worten gut be-
Skelete (Porodiscida). 371
schreiben lässt, noch besser versinnlichen. Der eben geschilderte Bau
tritt jedoch nur bei vollkommen senkrechter Aufsicht auf die Skeletscheibe
deutlich hervor; wird diese dagegen ein wenig schief gestellt, so verlaufen
1 FR
ee
I ig. 0.
va
Erklärung des Holzschn. Fig. 3, Schematische Construction des Baues eines
scheinbar doppelspiraligen Porodisciden. A. Ansicht genau senkrecht auf die Scheibe. Im Cen-
trum die vollständige Kugel, darum die gegen einander verschobenen Hälften der Ringbalken.
1—1a, 2—2a, 3—3a, 4—4a die zusammengehörigen Hälften dieser Ringbalken. B. Ansicht in
etwas schiefer Richtung auf die Scheibe. Hierbei erscheinen die in Fig. A. mit x und x‘
bezeichneten Stellen stark verkürzt und fliessen daher die benachbarten Enden der Ringbalken-
hälften zusammen, wodurch zwei scheinbare Doppelspiralen in der gezeichneten Weise hervorgehen.
die Ringbalken, von der centralen kugligen Markschale beginnend, in
Gestalt zweier ineinandergeschachtelter Spiralen umeinander (s. die neben-
stehende Figur B). Dies erklärt sich nun, wie ich glaube, nicht schwer;
bei etwas schiefer Betrachtung der Scheibe verkürzen sich die eingekrümm-
ten Stellen x und x‘ der Ringbalkenhälften stark und als Folge hiervon
fliessen die gegeneinander verschobnen Ringbalkenhälften scheinbar zu einer
Linie zusammen, und zwar geschieht dies abwechselnd an beiden Seiten so,
dass zwei ineinandergeschachtelte Spiralen entstehen, von welchen sich die
eine aus den punktirt angedeuteten Ringbalkenhälften, die andere dagegen
aus den nichtpunktirten zusammensetzt. Ehrenberg (26 u. 35) und Stöhr
haben solch anscheinend doppelspiralige Formen beschrieben, welche ich
zum Theil nachuntersuchte und in der beschriebnen Weise gebaut fand.
Noch weiter geht jedoch die Modification der Scheibenringe bei einer
Reihe verwandter Formen, deren Ringe in ähnlicher Weise nicht in zwei,
sondern in vier kreuzförmig gegenübergestellte Theile zerlegt erscheinen
(XXIV. 10). Schon Ehrenberg hat derartige Formen beschrieben und ich
habe mich von der allgemeinen Richtigkeit seiner Darstellung überzeugt.
Die vier Einkniekungsradien dieser Formen sind, wie es scheint, gewöhn-
lich durch vier stärkere, als freie Stacheln über den Scheibenrand fort-
gesetzte Radialstäbe ausgezeichnet.
Ehrenberg und Häckel haben nun auch hierhergehörige Formen
beschrieben, bei welchen, von der kugligen Centralschale ausgehend,
ein einfacher Spiralbalken die Scheibe durchzieht (XXIV. 6); Hert-
wig (33) hat schon für eine derartige Form (seine Stylospyra arach-
nia) hervorgehoben, dass ein solch spiraliger Verlauf des Balkens
24 k
312 "Radiolaria.
nur bei einer etwas schiefen Ansicht hefvortritt. Dies bestärkt mich in
der Vermuthung, dass sich thatsächlich auch bei diesen Formen kein
durchgehenider Spiralbalken findet, sondern der Anschein eines solchen,
bei etwas schiefer Ansicht der Scheibe, aus derselben Ursache herzuleiten
ist, wie die scheinbar doppelspiralige Bildung der schon geschilderten
Formen. Es findet sich nämlich hier, wie dies auch die Flächenansicht
der Hertwig’schen Stylospyra arachnia erweist, eine Verschiebung und
Unterbrechung der concentrischen Ringbalken nur in einem Radius
(siehe die Figur 4) und daher geht bei schiefer Ansicht aus denselben
Erklärung des Holz-
schnitts Fig. 4. Schema-
tische Construction eines
scheinbar einfach spiraligen
Porodisciden. A. Ansicht
senkrecht auf die Scheibe.
Im Centrum die vollständige
Kugel, darum eine Anzahl
Ringbalken, welche in einem
Radius in den Stellen x unter-
brochen sind. B. Ansicht in
etwas schiefer Richtung ; hier-
bei erscheinen die Stellen x,
wo die sebrochnen Enden der
Ringbalken genähert sind, stark verkürzt und fliessen die sich deckenden Enden der successiven
Ringbalken scheinbar zusammen, so dass nun statt getrennter Ringbalken eine zusammenhän-
sende Spirale erscheint.
Gründen eine einfache Spirale hervor, wie bei der Unterbrechung
in zwei entgegenstehenden Radien die Doppelspirale. Die Erklärung,
welche Hertwig (33) von dem Bau seiner Stylospyra arachnia gibt, halte
ich für unzutreffend. Hertwig hatte sich überhaupt irrthümliche Vorstel-
lungen von den Porodisciden gebildet, da er allen einen spiraligen Bau
zuschrieb. Wie Häckel (37) bin auch ich zu der sicheren Ueberzeu-
sung gelangt, dass diese Ansicht ganz unhaltbar ist; ja ich kann sogar
keinem Diseiden mit Sicherheit einen echt spiraligen Bau zuschreiben.
Eine interessante morphologische Eigenthümlichkeit zeigt unter den
Porodiseiden noch die Gattung Perichlamydium Ehrbg., indem ihr
Scheibenrand in einen breiten, hyalinen und porösen Saum auswächst
(XXV. 1). Derselbe bildet sich meiner Ansicht nach in der Weise, dass
die Scheibenperipherie sehr dünn wird, indem sich die beiden porösen
Deckplatten schliesslich dieht nähern und zu dem hyalinen Saum aus-
breiten.
Von hohem Interesse erscheint es, dass sich von den seither geschil-
derten Porodiseida eine Formgruppe herleitet (die Fam. der Eucehitonida
Heck. 1881), bei welcher sich durch Unvollständigwerden der Scheibe ganz
die Verhältnisse der Astracturidae unter den Coceodiseida wiederholen.
Eine genauere Schilderung des Bildungsmodus der in eine sehr ver.
schiedne Anzahl Arme zertheilten Scheibe dieser Formen scheint nicht
nöthig, da derselbe, wie gesagt, ganz dem schon bei den Astracturida
besprochnen entspricht. Die Zahl der. Arme schwankt auch hier zwischen
ur
Skelete (Porodiscida, Spongadiscida). 373
zwei und sechs (XXV. 2—5). ‚Jedoch bildet die zuweilen auftre-
tende Diehotomie oder Verästelung der Arme ein neues morphologi-
sches Moment*). Ganz wie bei gewissen Astracturidae wiederholt
sich aber die Erscheinung, dass sich bei einem Theil der Formen die
Scheibe wieder vervollständigt durch Bildung secundären Skeletwerks
(eines sogen. Patagium, Häckel) zwischen den benachbarten Armen.
Seinem feineren Bau nach nähert sich dieses Patagium dem der Arme
(XXV. 5, h). Seine Ringbalken besitzen jedoch einen abweichenden, zum
Theil sogar sehr unregelmässigen Verlauf. Ein solches Patagium spannt
sich theils nur zwischen den Basen der Arme aus und kann dann zu-
weilen auch seinerseits armartig auswachsen (Euchitonia eruciata Stöhr)
oder erstreckt sich bis zu den Enden der Arme.
Einen etwas eigenthümlichen Bau zeigt die am besten hier anzu-
schliessende Gatt. Stephanastrum Ehrb. (XXV. 4). Von einem centralen
diseidenartigen Skelettheil, der aus drei vollständigen, ineinandergeschach-
telten Kugeln und einer vierten unvollständigen, einen äquatorialen Ring
bildenden besteht (4a, 4b), erheben sich vier unter rechten Winkeln ge-
kreuzte Arme (4a), welche jedoch in ihrem Bau sehr von dem der Euchi-
tonida abweichen. Die Grundlage jedes Armes bildet ein axialer Stachel,
der sich auch noch eine Strecke weit frei über das Armende erhebt
(4c und d, st). Das diesen Stachel umschliessende Armgewebe be-
steht aus zahlreichen, allseitig von dem Armstachel ausstrahlenden Stäben,
deren Enden eine, ohne Zweifel von ihnen aus gebildete, durchlöcherte
Kieselmembran stützen, welche wie ein Mantel den Axenstachel umhüllt
und die Armoberfläche bildet. Als sehr eigenthümliche Bildung gesellen
sich hierzu noch vier, hinsichtlich ihrer Bauweise bis jetzt noch nicht
näher erforschte, bandartige Skeletstreifen, welche sich zwischen den
Enden der benachbarten Arme ausspannen und demnach zusammen eine
rhombische Figur bilden: (4a).
Wie Häckel neuerdings ohne Zweifel richtig erkannte, leitet sich von
den Porodiseida höchst wahrscheinlich eine reiche Gruppe scheiben-
förmig abgeflachter Formen mit schwammartigem Gewebe (Spongodis-
cida Hek.), ganz ähnlich dem der Spongosphaerida, her, eine Abtheilung,
welche Häckel früherhin auch in näheren Zusammenhang mit diesen letz-
teren gebracht hatte. Der Uebergang des Scheibengewebes der Porodis-
cida in solehes Schwammgewebe vollzieht sich ohne Zweifel in derselben
Weise, wie wir dies auch schon bei einer Form der Coceodiseida beob-
achtet haben. Höchst wahrscheinlich trat die schwammige Umbildung der
Porodiseidenscheibe zunächst peripherisch auf, es bildeten sich Formen
*) Nicht uninteressant ist es, dass sich dreiarmige Euchitonida häufig so entwickelu
(Euchitonia), dass sich zwei Arme durch Grösse und Bauweise von dem dritten Arm merklich
unterscheiden, wodurch also eine zweistrahlige Gestalt des Skelets bedingt wird. Diese Zwei-
strahligkeit wird am lebenden Thier dadurch noch deutlicher, dass die unpaare sogen. Sar-
kodegeissel, im Grunde zwischen den beiden gleichen Armen, also gegenüber dem unpaaren
ihren Ursprung nimmt,
374 Radiolaria.
mit peripherischer spongiöser Scheibenzone (XXVL 3—6), wovon Häckel
neuerdings auch einige unter seinen Porodiscida aufführt*). Auch Stöhr
beschreibt eine hierhergehörige Form mit spiraliger Bildung des cen-
tralen Scheibentheils, welche sich daher entsprechend den sogen. spiraligen
Porodiseiden verhält. Bei den übrigen Formen greift die spongiöse Um-
formung der Scheibe bis zum Centrum und es bleibt central nur noch
eine einfache oder doppelte Markschale erhalten oder es hat die Schwamm-
bildung auch noch diese innersten Skelettheile ergriffen (XXV. 7, 8).
Häckel hebt zwar ausdrücklich hervor, dass eine Ausbildung concen-
trischer Ringbalken diesen ganz schwammigen Spongodisciden stets fehle;
ich möchte dies jedoch für einen Theil bezweifeln, da ich Spongodiscus-
formen mit recht deutlich concentrischer Anordnung von Ringbalken in
der Medianebene der Scheibe sah, während. die Scheibenflächen aus
schwammigem Gewebe gebildet wurden. Die Schwammscheiben der
Spongodiseiden sind theils unbestachelt, theils mit randlichen Stacheln
ausgerüstet, ja es können sich solche Stacheln auch von den Scheiben-
flächen erheben.
Auch unter den Spongodiseiden wiederholt sich nun die Armbildung
der Scheibe, welche wir schon bei den Phaco- und Porodiseida zu be-
sprechen Gelegenheit hatten. Die Zahl dieser Arme schwankt auch hier
zwischen zwei und vier. Im ersteren Fall bilden die beiden entgegen-
stehenden Arme einen stabartigen, eylindrischen Schwammkörper (XXV1.8,
XXVII. 3). Auch hier sind weiterhin die Arme zuweilen durch heterogen
gebildetes, weitmaschiges Schwammwerk wieder vereinigt (XXVIl. 2), so
dass auch in dieser Beziehung die Parallele mit den Phaco- und Poro-
discida eine vollständige wird.
Unsre Betrachtung führt uns jetzt zu einer neuen Reibe von Formen,
welche sich, ähnlich wie die Coceodiseida von den Phacodiseida, von ge-
wissen, monaxon umgestalteten Sphaerideen ableiten: Häckel, welcher
diese Reihe neuerdings (37) durch eine beträchtliche Anzahl neuer Formen
vermehrt hat, fasst dieselben jetzt zu einer besondern Familie der
Zygartida zusammen und ich schliesse mich dieser Auffassung um so
lieber an, als ich selbstständig zu einer gleichen Anschauung gelangt bin.
Die monaxone Umgestaltung, welche zu der Reihe der Zygartida
führt, ist gewissermaassen der entgegengesetzt, welche zu den Coccodis-
cida durch die Phacodiseida führt. Der Beginn der Reihe hebt nämlich
an mit einschaligen Formen, welche nicht in einer Axe abgeplattet, son-
dern verlängert sind und in der Aequatorialebne eine ringförmige Ein-
schnürung aufweisen (Subfam. der Artiscida Heck. 1881). Zu dieser
ellipsoidischen Schale können sich jedoch noch eine oder zwei kuglige
Innenschalen hinzugesellen, von welchen die äussere oder die eine, über-
*) Häckel hat derartige Formen früher als besondre Gruppe der Spongocyelida zusammen-
gefasst, jetzt scheint er dieselben z. Th. unter den Porodiscida mit veränderten Gattungsnamen
aufzuführen, dagegen hat er die ganz entsprechend gebaute Gattung Spongasteriscus noch unter
den Spongodiscida behalten,
Skelete (Spongodiseida, Zygartida, Pylonida). 375
haupt ausgebildete, durch eine Anzahl äquatorialer Radialstäbe mit der
ellipsoidischen Rindenschale verbunden ist (XXII. 7 u. XXI. 1)*).
Diese Formen entwiekeln sich nun durch successive Bildung neuer,
jedoch unvollständiger ellipsoidischer Schalen weiter, entsprechend dem
Vorgang, welcher zur Bildung der Coceodiseida aus den Phacodiseida
führte. Die nächstfolgende ellipsoidische Schale, die dritte oder vierte,
ist noch ansehnlicher längsgestreckt und noch stärker äquatorial einge-
schnürt, so dass sie die ältere ellipsoidische Schale nicht mehr vollständig
zu umfassen vermag. Nur ihre beiden Polregionen gelangen zur Ausbil-
dung, die äquatoriale Region jedoch fehlt, indem die Wandungen der
beiden gesonderten Polregionen dieser unvollständigen Schale sich
direet an die Wand der älteren, vollständigen Schale anlegen und mit
dieser verwachsen. Die beiden getrennten Theile der unvollständigen
Schale bedecken also wie zwei Kappen oder Kammern die Polregionen
der nächstälteren, vollständigen. Durch fortgesetzte Entwicklung neuer,
unvollständiger Schalen wächst das Skelet natürlich in zwei entgegen-
stehende Arme aus, welche sich aus den zusammengehörigen, jedoch, ge-
trennten Abschnitten successiver Schalen zusammensetzen, also gekam-
mert erscheinen (XXV. 10). Die Zahl dieser Kammern ist, wie zu
erwarten, bei den verschiedenen Formen ziemlich verschieden. — Bei
einer der einfacheren, ‘sowie einer der complieirten der hierhergehörigen
Formen gesellt sich als accessorischer Skeletbestandtheil noch eine spon-
giöse mantelartige Umhüllung hinzu, welche auch als doppelte Hülle auf-
treten kann und ohne Zweifel aus der Weiterentwicklung der die Schalen-
oberfläche der nichtumhüllten Formen häufig verzierenden Bedornung
hervorgeht (XXV. 10).
Eine sehr eigenthümliche Entwicklung schlägt das Sphaerideenskelet
in der von Häckel neuerdings, auf Grund reicher Befunde aus den Samm-
lungen des Challenger, errichteten Familie der Pylonidae ein. Von der
ganzen Gruppe war bis in die neueste Zeit mit Sicherheit nur eine Gat-
tung, Tetrapyle J. M., bekannt.
Der Hauptcharakter dieser Formen, welche mit einer einschaligen
Gruppe beginnen, besteht darin, dass sich an der länglich gewordnen
Sphaerideenschale grössere spaltartige Oeffnungen in verschiedner Zahl
bilden. Es lassen sich gewöhnlich drei Axen an dem Skelet unter-
scheiden, die schon erwähnte Längsaxe, eine hierauf senkrechte Breiten-
und eine kleinste Tiefenaxe. Gewöhnlich gesellen sich zu der einen
oder den mehrfachen mit Spaltöffnungen versehenen Schalen noch eine
oder zwei elliptische Innenschalen gewöhnlichen Baues hinzu, welche
sich durch Radialstäbe mit der Gitterwand der äusseren Schale, die sich
*) Es kann bis jetzt wohl noch nicht für ausgemacht gelten, ob die mit ein und zwei
Innenschalen versehenen Formen, welche Häckel in der Subfam, der Cyphinida zusammen-
fasst, sich wirklich von einschaligen Formen herleiten oder selbstständiger Entstehung sind ;
wäre das erstere der Fall, so läge hier wohl ein Beispiel nachträglicher Bildung innerer
Schalen vor,
376 Radiolaria.
zwischen den Spaltlöchern ausspannt, verbinden. Zahl und Anordnung
der Spaltöffnungen der einfachen oder doppelten (und auch bei Teirapyle
nach Hertwig mehrfachen) äusseren Schale ist verschieden*). Bei einigen
Formen finden sich nur zwei solcher Spaltöffnungen (s. den Holzschnitt
Fig. 5, 1, 2, 4, x,x) und zwar an den beiden Polen der Längsaxe; bei
Fig. 5.
Erklärung des Holzschn. Fig. 5. Schematische Construction einer Anzahl Ver-
treter der Pylonida nach den Charakteristiken von Häckel (37, mit Ausnahme der Tetrapyle
Nr. 6, welche nach der Darstellung Hertwig’s gezeichnet ist). Nr. 1 Pylosphaera (Ehbg.) Hck.,
Nr. 2 Amphipyle Hck. 1881, Nr. 3 Pylocapsa Hck. 1881, Nr. 4 Amphipylonium Hck. 1881,
Nr. 5 Triopyle Heck. 1881, Nr. 6 Tetrapyle J. M. — x, x bezeichnet in allen Figuren die
spaltartigen Oeflnungen der Schale, welche stets dadurch entstanden gedacht sind, dass die
benachbarten Theile der Schale, wegen verchieden starker Krümmung, nicht zusammentrellen
und so eine Unterbrechung in der Schalenwand zu Stande kommt.
anderen treten hierzu noch zwei weitere an den Enden der Breitenaxe
(Holzschnitt, 3). Auch drei in gleichen Abständen gestellte Spaltlöcher
treten zuweilen auf (Holzschnitt, 5). Vier Löcher finden sich andrerseits
auch so gestellt, dass je zwei symmetrisch auf den abgeplatteten Seiten-
flächen liegen, je eines zwischen dem Mittelpunkt der Seitenfläche und
*) Die Entstehung dieser Spaltlöcher lässt sich, nach meiner Vermuthung, wahrscheinlich
ähnlich auffassen, wie die Entstehung der Unterbrechungsstelle in den Ringbalken gewisser
Porodisciden und, wie Hertwig (33) schon hervorgehoben hat, darauf zurückführen,
dass die ursprünglich reguläre Sphaeroidschale an gewissen benachbarten Stellen verschieden-
artige Stärke der Krümmung annimmt, so dass diese Stellen nicht mehr aufeinanderstossen,
sondern eine Spaltöffnung erzeugen. Auf Grund dieser Voraussetzung sind die Schemata des
obigen Holzschnittes entworfen, da nur für Tetrapyle bis jetzt genauere Abbildungen und Be-
schreibungen vorliegen.
Skelete (Pylonida, Lithelida). 371
weitere Vermehrung erhebt sich die Zahl der Spaltöffnungen auf sechs
und acht symmetrisch angeordnete, um schliesslich bei einer Gattung auf
zehn und mehr zu steigen.
Von allen diesen Formen ist, wie gesagt, bis jetzt allein Tetrapyle
durch Hertwig’s genaue Untersuchungen näher bekannt, während die
übrigen nur in kurzen lateinischen Gattungsdiagnosen geschildert wurden.
Es wird sich daher verlohnen, die Gattung Tetrapyle als Beispiel etwas
genauer zu besprechen.
Um die etwas ellipsoide, kleine Markschale der.Tetrapyle (s. Holz-
schnitt 6, u. XXIII. 4) legt sich eine langgestreckte und in einer Queraxe
etwas abgeplattete Rindenschale so herum, dass die Längsaxe der ellip-
soiden Markschale mit dem Dieken- oder kleinsten Durchmesser der
Rindenschale zusammenfällt. Vier weite, etwa ovale Löcher (x) durch-
brechen die Rindensehale in schon geschilderter Lagerung, so dass auf
- jeder Seitenfläche der Rindenschale zwei dieser Löcher durch eine Gitter-
brücke (b) getrennt erscheinen, welche Gitterbrücke parallel der Breitenaxe
läuft. Von den zusammen eine Art Ring bildenden Gitterbrücken der
beiden Seitenflächen erhebt sich dann nach jedem Pol zu eine bogige
Gitterspange (ce), welche beiden Spangen die zwei nach jedem der Pole
zu gelegnen Spaltöffnungen der beiden Seitenflächen trennen. Im Dieken-
durchmesser (bb) tritt die Rindenschale sehr dicht an die Markschale heran.
Sehr bemerkenswerth ist nun, dass das Wachsthum des Tetrapylen-
skelets hiermit nicht abgeschlossen ist, sondern sich nach Hertwig in
eigenthümlicher Weise weiter fortsetzt. Die äusseren (nach den Polen
der Längsaxe gelegnen) Ränder der Spaltöffnungen nämlich wachsen,
sieh über die Löcher dachartig erhebend, zu Gitterplatten aus; indem
diese Gitterplatten jeder Seitenfläche einander entgegenwachsen und
schliesslich mit einander verwachsen, bilden sie über jeder Seitenfläche
eine bogige Gitterspange (b‘), so dass das Skelet nun bei Betrachtung in
der Richtung des Breitendurchmessers (siehe den Holzschnitt) ganz die
Ansicht der früheren Seitenfläche bietet, indem zwischen diesen neuge-
bildeten Spangen und dem am Ende des Breitendurchmessers gelegnen
Antheil des ursprünglichen Skelets jederseits zwei neue Löcher frei blei-
ben (bb!). Von den äusseren Rändern dieser Löcher aus vermag sich
diese Spangenbildung nochmals zu wiederholen und es bilden sich sodann
zwei neue oder dritte ‚Löcherpaare, die sich in der durch Breite- und
Längsdurchmesser zu legenden Ebne symmetrisch gruppiren.
Ob sich auch bei anderen Pyloniden dergleichen merkwürdige, von den
Spaltöffnungen ausgehende Wachsthumserscheinungen finden, lässt sich
bis jetzt aus der kurzen Charakteristik, welche Häckel von denselben
gegeben hat, nicht ersehen,
Mit wenig Worten sei zum Schluss noch eine letzte Gruppe der
Sphaerideenslselete besprochen, welche Häckel zu der Familie der Lithelida
erhob (1881, 37). Es scheint mir jedoch etwas unsicher, ob sämmtliche
hierhergestellten Formen wirklich eine einheitliche, genetische Gruppe bil-
378 Radiolaria.
den; es sind aber bis jetzt nur wenige davon genauer bekannt. Alle
hierhergehörigen Skelete besitzen eine kuglige bis elliptische Markschale
gewöhnlicher Art und darum im einfachsten Fall eine ziemlich unregel-
mässig gebildete Rindenschale. Genauer bekannt ist von solch einfachen
Formen bis jetzt nur Echinosphaera Hertw. durch die Untersuchungen
Hertwig’s (33). Die ziemlich unregelmässig kuglige Rindenschale zeichnet
sich auch meist durch sehr unregelmässige Form und Grösse der Gitter-
löcher aus (XXIII. 3a—b). Indem weiterhin einige grössere Löcher in
dieser Rindenschale auftreten, nähert sie sich in ihrer Bildung sehr den
Pylonidae, namentlich der vorhin genauer besprochnen Gattung Tetrapyle.
Mir scheint daher auch Hertwig mehr im Recht zu sein, wenn er diese
Form in nähere Verbindung mit Tetrapyle bringt.
Sehr eigenthümlich ist der Bau der Gattung Lithelius Hck., welche
sich wohl von Echinosphaera oder Pyloniden ähnlichen Formen herleiten
kann. Nach Hertwig, dem sich neuerdings auch Häckel angeschlossen
hat, entwickelt sich das Skelet des Lithelius in folgender Weise. Um
die nahezu kuglige Markschale bildet sich eine Rindenschale, welche sich
aber nicht schliesst, sondern eine grössere Spaltöffnung besitzt, die da-
durch zu Stande kommt, dass die sie begrenzenden Wandtheile der
Rindenschale ungleich weit von der Markschale abstehen und daher auch
in verschiednem Grade gekrümmt sind. Auch bei den Pylonida ist wahr-
scheinlich der Grund der Bildung der Spaltöffnungen im wesentlichen
stets der gleiche, wie schon angedeutet. Hiermit ist jedoch das Wachs-
thum der Schale nicht abgeschlossen, sondern setzt sich dadurch fort,
dass der weiter abstehende oder schwächer gekrümmte Rand der Spalt-
öffnung zu einem sich spiralig um die Rindenschale aufrollenden Gitter-
blatt fortwächst, dessen suceessive Windungen sich vollständig umschliessen
(involut) (XXV. 7 u. 6). Es entsteht so ein kugliger bis ellipsoidischer
Skeletkörper, der einen ganz ähnlichen Bau besitzt, wie die Gattung
Alveolina unter den Rhizopoda. Unter sich stehen die successiven Win-
dungen der spiraligen Gitterschale durch Radialstäbe in Verbindung, welche
ursprünglich als feine Stachelgebilde von ihrer Oberfläche entsprangen und
das Weiterwachsthum der Gitterschale vermitteln halfen.
Obgleich ich nun durchaus nicht in der Lage bin, die Möglichkeit
einer solehen Bauweise des Lithelius zu bezweifeln, so erheben sich mir
durch das Studium einer fossilen Form, welche ohne Zweifel hierhergehört,
doch einige Bedenklichkeiten.
Wie es nämlich scheinbar doppelspiralige Porodiseiden gibt, so finden
wir auch doppelspiralige Litheliusformen und eine solche ist es, welche
ich hier noch näher zur Sprache bringen will (XXV. 8). Betrachten wir
diese nahezu kuglige Form in einer gewissen Richtung, so bietet ihr
optischer Durchschnitt genau das Bild einer doppelspiraligen Porodiscide
dar, wie wir es oben eingehender besprachen. Drehen wir jedoch nur
wenig, so verliert sich auch hier die Spiralität und es tritt dasselbe Bild
auf wie bei den Porodiseiden, nämlich das sich umfassender Ringe, deren
Skelete (Lithelida, Phaeodaria). 379
Hälften gegeneinander etwas verschoben sind (8a). Dass dieses Bild
schon bei schwacher Drehung in die Doppelspirale übergeht, erklärt
sich aus denselben Gründen, wie bei den Porodiseiden. Betrachten wir
die optischen Durchschnitte in den beiden Ebnen senkrecht zur Ebne der
scheinbaren Spiralität, von welcher die eine durch den Durchmesser der
Bruchstellen der Ringe, die zweite hierzu senkrecht gelagert ist, so beob-
achten wir Bilder, welche denen regulärer, vielschaliger Sphaerideen ent-
sprechen, indem sich zahlreiche Schalenlagen eoncentrisch umfassen. Ich
erkläre mir diesen Bau wie den der doppelspiraligen Porodiseidae. In
der ersten Rindenschale traten aus denselben Gründen, welche oben schon
bei dem einfachspiraligen Lithelius hervorgehoben wurden, zwei Löcher
auf, die jedoch nachträglich wieder durch eingekrümmtes Weiterwachs-
thum der Ränder geschlossen wurden. Suecessive bildeten sich nun neue
derartige Schalen aus, alle von dem gleichen Verhalten. Es lässt sich
daher unsre Form wohl von Pyloniden mit zwei Spaltöffnungen an den
Enden der Hauptaxe ableiten.
Die Frage erhebt sich nun, ob nicht such die einfachspiraligen Lithe-
liden in ähnlicher Weise, wie mir dies ja für die einfachspiraligen Poro-
disciden sicher zu sein scheint, nur scheinbar spiralig sind und sich wie
die erstern durch nur einseitiges Auftreten einer Unterbrechung der Schalen
erklären.
y. Die Skelete der Phaeodaria.
Eine in sich geschlossene, selbstständig entwickelte Gruppe von
Skeletbildungen repräsentiren ohne Zweifel die der sogen. Phaeodaria.
Es geht dies einerseits daraus hervor, dass sich auch skeletlose, wohl
sicher zu den ursprünglichsten gehörige Phaeodarien finden. Weiterhin
zeigen die Skeletbildungen fast durchgehend einen Charakter, welcher
denen der übrigen Radiolarien gänzlich fremd ist; sie sind nämlich hohl
oder doch häufig mit hohlen, röhrenförmigen, stachelartigen Fortsatzgebil-
den ausgerüstet.
Hinsichtlich ihrer morphologischen Gestaltung verrathen die Phaeo-
darienskelete eine gewisse Uebereinstimmung mit denen der Sphaerideen,
weshalb denn früherhin auch manche Phaeodarienformen unter die Sphae-
rideen eingereiht wurden.
So treffen wir gleich zunächst eine wohl recht ursprüngliche Form-
reihe (Unterfam. Cannoraphida und Aulacanthida Hck. 1879, Nr. 34), bei
welcher das Skelet aus zahlreichen isolirten, hohlen Kieselelementen be-
steht, welche in die Gallerte eingelagert, die Centralkapsel mantelartig um-
hüllen; Skeletbildungen also, welche den früher besprochnen gewisser
Colliden und Sphaerozoiden vergleichbar sind. Wie gesagt, sind die
Skeletelemente dieser Formen hohl, wie schon Häckel bei einem Theil
derselben richtig erkannte, Wallich (17) und Hertwig (33) weiterhin für
Dietyocha fanden. Nie jedoch ist ihr Lumen nach aussen geöffnet, was
besondre Erwähnung verdient, da es Häckel für einzelne Formen früherhin
380 Radiolaria. |
behauptete. Zunächst sind es auch hier nadelförmige Kieselgebilde,
welchen wir begegnen. Dieselben umlagern entweder tangential die
Centralkapsel (Thalassoplancta Hek., XXXI1. 18) oder es gesellen sich
zu einem dichten Lager solch feiner tangentialer Nadeln noch grössere,
welche radial von der Oberfläche der Centralkapsel ausstrahlen (Aula-
cantha, XXXI. 19). Das peripherische Ende dieser grösseren Radialstacheln
kann mit kurzen Dörnchen besetzt sein.
Sehr eigenthümlich gestalten sich die hohlen, isolirten Skeletgebilde
der Gattungen Mesocena und Dietyocha Ehrenberg’s, von welchen die
erstere bis jetzt nur fossil aufgefunden wurde. Sie besitzt Skeletgebilde
von Gestalt hohler, in sich geschlossner Ringe von regulärer, bis ellipti-
scher und stumpf dreieckiger Gestaltung (XXXIIL. 1—2). Die äussere
Peripherie dieser Ringe wird durch eine sehr verschiedne Zahl kurzer
Dörnchen geziert, so finden sich zwei entgegenstehende, vier kreuzförmig
orientirte, drei stärkere in den stumpfen Ecken der dreiseitigen Ringe,
wozu sich noch zahlreiche schwächere gesellen, oder zahlreichere im Um-
fang des Ringes vertheilt. Bei einigen bis jetzt nicht ganz sicheren For-
men gesellen sich zu den centrifugalen Dörnchen auch centripetale hinzu,
welche von der inneren Peripherie des Ringes nach dem Centrum zu streben
und in den Zwischenräumen zwischen den äusseren Dörnchen entspringen.
Durch Weiterentwicklung solcher centripetaler Dörnchen entstehen wohl
sicher die Skeletgebilde der Gattung Dietyocha (XXXII. 5—6), indem
sich die Dörnchen stärker entwickeln, sich nach der einen Seite über
die Ebne des Ringes erheben und sich brückenartig unter einander ver-
binden. In etwas abweichender Weise entwickelt sich so bei zwei For-
men nur eine Brücke, welche den ovalen Ring halbirt. Bei einer Reihe
weiterer Formen ist der Ring vierseitig geworden, mit vier centrifugalen
Dörnchen der Ecken; zwischen diesen entspringen aus den vier Seiten
des Ringes vier centripetale Stacheln, welche sich dachartig über die
Ebne des Ringes erheben und sich je zu zweien zu Brücken vereinigen,
deren Gipfelpunkte wieder durch eine Querbrücke verbunden sind. Von
dem Gipfel dieser letzteren erhebt sich häufig ein Stachel, oder es können
sich auch zwei solcher Gipfelbrücken ausbilden, welche dann ein Scheitel-
loch umsechliessen. Bei einer weiteren Reihe von Dietyochen wird der
Ring sechsseitig, mit sechs centrifugalen und sechs centripetalen Dornen,
deren Gipfel sich unter einander durch Seitenfortsätze vereinigen und so
ein hexagonales oder rundes Scheitelloch umschliessen. Weiterhin sind
jedoch auch sieben- und mehrstachelige Formen zur Ausbildung gelangt
und nicht selten scheinen gewisse Unregelmässigkeiten in der Entwick-
lung Platz zu greifen.
Eine interessante Weiterbildung zeigen schliesslich die Skeletbildungen
der Dietyochen bei den Stöhr’schen Distephanusformen (XXX. 7), in-
dem hier die Ausbildung der dachartigen Brücken auf beiden Seiten des ur-
sprünglichen Ringes stattgefunden hat und so eine kleine polyedrische
Gitterkugel mit hexagonalen Maschen entstanden ist.
Skelete (Phaeodaria). 381
Hinsichtlich ihrer Skeletbildung reiht sich an die seither besprochnen
Formen wahrscheinlich die Gruppe (Familie) der Phaeosphaeria Häckel’s
zunächst an, bei welchen es zur Bildung zusammenhängender, kugliger
Gitterschalen gekommen ist, die sich ähnlich zu den mit losen, nadelför-
migen Skeletgebilden Versehenen verhalten dürften, wie die entsprechen-
den Formen unter den Peripyleen zu einander. Bei den einfacheren dieser
Phaeosphaerien, von welchen die Gattung Aulosphaera bis jetzt allein
näher bekamnt ist (XXXII. Sa—e), findet sich eine aus meist deutlich
hohlen Röhren aufgebaute, weitmaschige Gitterkugel oder ein polyedrischer
Gitterkörper. Bei Aulosphaera sind die Maschen gewöhnlich sehr regulär
dreieckig und in den Knotenpunkten stossen fast stets sechs Röhren zu-
sammen (XXXII. 3b, e). In diesen Knotenpunkten findet jedoch keine
Communication der Röhrenlumina statt, sondern sechs zarte Scheidewände
trennen die Lumina der zusammenstossenden Röhren von einander. Auch
communieirt das Hohlraumsystem des Skelets durchaus nicht durch Oefl-
nungen mit der Aussenwelt. Von den Knotenpunkten des Maschenwerks
erheben sich gewöhnlich centrifugale, hohle Stacheln, deren Lumen jedoch
gleichfalls gegen das der Röhren, welehe durch ihr Zusammenstossen den
Knotenpunkt erzeugen, abgeschlossen ist (3c). Interessant ist, dass bei
Aulosphaera elegantissima die Axe dieser Stachelröhren von einem feinen
Kieselfaden durchzogen wird, der ‘sich auch noch ein Stück weit centri-
petalwärts frei über den Knotenpunkt hinaus verlängert. Auch in den
Kieselröhren der Kugel ist dieser Faden zu verfolgen, liegt jedoch hier
der Röhrenwand an.
Bei den complieirteren Phaeosphaerien gesellt sich zu der aulosphaera-
artigen äusseren Gitterkugel noch eine innere, die Centralkapsel dicht
umschliessende, zweite oder Mark-Schale (nach Häckel [34] „einaxig, kug-
lig oder eiförmig“) hinzu, die vielleicht gleichfalls aus hohlem Gitterwerk
besteht und wenigstens bei Coelacantha, der einzigen bis jetzt genauer
bekannten hierhergehörigen Form, recht‘ unregelmässig gegittert ist.
Aeussere und innere Kugel stehen dureh hoble Radialstäbe in Verbindung,
deren Lumen sich bei Coelacantha möglicherweise in den Hohlraum der
Markschale öffnet (vergl. hier. Hertwig 33). Von den Knotenpunkten der
weitmaschigen, äusseren Kugel entspringen hohle, einfache oder verästelte
Radialstacheln, die jedoch (Coelacantha) nicht Fortsetzungen der Radial-
stäbe sind, da die letzteren sich mit den Kieselröhren der äusseren Kugel
mitten zwischen den Knotenpunkten vereinigen. Coelacantha zeichnet
sich weiterhin noch dadurch aus, dass in der Axe aller Hohlröhren des
Skelets ein feiner Kieselfaden hinzieht, ähnlich wie er auch schon bei
Aulosphaera erwähnt wurde und ferner dadurch, dass die Lumina der
Hohlröhren in gewissen Abständen durch Quersepten untergetheilt sind.
Eigenthümlich ist weiterhin, dass die Skeletröhren an allen den Stellen,
wo sie von Septen durchzogen sind, mit Wirteln zarter Kieselfäden be-
setzt sind, die an ihren Enden ankerartig in drei Widerhaken auslaufen.
Am nächsten verwandt mit den Skeleten der Phaeosphaeriden sind
382 Radiolaria.
wohl die der Phaeoconchia Häckel’s, welche aber bis jetzt gleichfalls nur
zum kleineren Theil durch genauere Schilderung bekannt sind. Statt der
Gitterkugel der Phaeosphaeriden treffen wir bei diesen Formen zwei halb-
kuglige bis linsenförmige, getrennte Schalen-Hälften oder -Klappen, die
wenigstens bei der Unterfamilie der Coelodendridae durch sehr feine und
ziemlich unregelmässige Gitterung sich auszeichnen und sich zur Bildung
einer kugligen oder linsenförmigen Gitterschale zusammenlegen, jedoch
nur selten, wie es scheint, mit den Rändern secundär zu einer einheit-
lichen Schale verwachsen (XXX. 13, 14e).
Von der einfacheren Unterfamilie der Concharida liegt bis jetzt nur
eine ganz kurze Beschreibung Häckel’s vor, aus welcher hervorgeht, dass
die beiden Gitterklappen derselben ohne stachelartige Anhänge sind, da-
gegen häufig an den Rändern eine Reihe Zähnchen tragen, mittels welcher
die beiden Klappen ineinandergreifen.
In der Gruppe der Coelodendrida dagegen erlangt das Skelet eine
viel beträchtlichere Entwicklung, indem von den Polgegenden der beiden
Klappen aus sich stachelartige, hohle, meist vielfach verzweigte Anhänge
entwickeln, welche zum Theil eine sehr beträchtliche Länge erreichen
(XXX. 12, 13, 14e).
Diese Stachelröhren entspringen jedoch nicht direet von den halb-
kugligen bis linsenförmigen Schalenklappen, sondern wenigstens in den
allein genauer bekannten Geschlechtern Coelodendrum Häck. und Coelo-
thamnus Hek. von einem mehr oder weniger ansehnlichen, dreiseitigen
und ziemlich niederen, kästchenartigen Aufsatz, welcher die Polregion der
beiden Klappen krönt (XXXI. 13, 14e). Dieser Aufsatz besitzt solide
nichtgegitterte Wände*), mit Ausnahme der Bodenwand, die von der Pol-
region der Gitterklappe selbst gebildet wird und welche bei Coelodendrum
von einigen Gitterlöchern, bei Coelothamnus dagegen von einer grösseren
Oeffnaung durchbrochen wird.
Von jeder Ecke des geschilderten, dreiseitigen Aufsatzes entspringt
nun gewöhnlich eine stachelartige Kieselröhre, bei Coelodendrum zu-
weilen jedoch auch von einer der Ecken gleichzeitig zwei**). Gegen den
Hohlraum des Aufsatzes ist das Lumen dieser Röhren durch eine Quer-
scheidewand abgesetzt. Bei Coelodendrum verästeln sich diese hohlen
Radialstacheln fortgesetzt diehotomisch, indem sie gleichzeitig immer feiner
werden, zu einem mehr oder minder reich verzweigten Baum. Die. Ver-
zweigung kann so weit getrieben sein, dass die peripherischen Zweige
einen dichten Wald um den centralen Theil des Skeletes bilden. Auch
*) Oder dieselben sind doch nur von wenigen grösseren Oeffnungen bei Coelodendrum
durchbohrt.
*#*), Häckel gibt für Coelodendrum jedoch auch noch eine Reihe weiterer Verschieden-
heiten in Zahl und Stellung dieser Stacheln an. So sollen z. Th. auch ein oder zwei Stacheln
aus dem Gipfel des Aufsatzes hervortreten oder es sollen auch zuweilen von jeder der Ecken
gleichzeitig zwei Stacheln entspringen. Gelegentlich ist auch bei Anwesenheit von Gipfel-
stacheln die eine Ecke des Aufsatzes stachellos.
Skelete (Phaeodaria). 385
sollen sich nach Häckel zuweilen Anastomosen benachbarter Zweige aus-
bilden. Die letzten Zweigenden sind stets geschlossen und zuweilen mit
einigen Ankerhäkchen besetzt.
Bei Coelothamnus (Davidoffii Btschli, 14a—d) geht die Verzweigung
der drei Stachelröhren jedes Aufsatzes nicht gleichmässig vor sich; die
eine derselben entwickelt sich durch regelmässig fortgesetzte Gablung
zu einem Bäumchen, dessen feine Endzweige durch Entwicklung von zwei
bis vier Ankerhäkchen zu Ankerfäden werden (14d). Die beiden anderen
Röhren dagegen theilen sich zunächst regulär zu vier, alsdann wird aber
die weitere diehotomische Spaltung irregulär, indem bei der nächsten
Gablung einer der Gabeläste stärker bleibt, während der andere, dünnere
zu einem kleinen Bäumchen sich weiter theilt; der stärkere Ast gabelt
sich in gleicher Weise weiter und so fort. Alle die stärkeren Gabeläste
bilden zusammen einen langen Röhrenstamm oder Strahl (14a, 14b), der
seitlich dicht mit den kleineren verzweigten Bäumchen besetzt ist, welche
aus den kleineren Gabelästen hervorgingen. In solcher Weise strahlen
demnach von den beiden Gitterklappen dieses Coelothamnus 16 lange
Strahlen nach allen Seiten aus. Erwähnenswerth ist noch, dass bei der
besehriebnen Form die beiden Klappen sich nicht gleichsinnig, sondern
um 180° gegeneinander verdreht zusammenlegen.
Von der letzten Familie der Phaeodaria, den sogen. Phaeogromia
Häckel’s haben wir bis jetzt nur ungenügende Kenntniss, welche sich auf
einige Abbildungen Murray’s (27) und kurze Charakteristiken Häckel’s (34)
gründet. Hiernach besitzen diese Formen eine durch Entwicklung einer
grossen Hauptöffnung stets einaxig gewordne, kuglige bis eiförmige
Sehale, welche aber auch zweistrahlig und bilateral symmetrisch werden
kann. Dieselbe besitzt wie die Klappen der Phaeoconchia eine solide,
nicht hohle Kieselwand. Neben der grossen Hauptöffnung scheinen
Durehbrechungen (Poren) z. Th., so bei den kugligen Castanellidae Heck.
(Unterfam.) ganz zu fehlen, dagegen ist die Schale derselben meist mit
hohlen oder soliden Stacheln bedeckt und auch die Mündung oft von be-
sonderen Fortsätzen umgeben. Bei den mit eiförmiger oder länglich-
runder, häufig auch compriwirter und gekielter bis bilateral-symmetrischer
Schale versehenen Challengeridae (emend. Häck., XXXII. 16—18) sind
sehr feine Poren über die Schale zerstreut, von ‚welchen jeder gewöhnlich
in einem sechseckigen Feldchen liegt. Die den einen Pol einnehmende
Mündung ist selten eine einfache Oeflnung, sondern ihr Rand wächst ge-
wöhnlieh in einen zahnartigen, hoblen oder in ein bis mehrere, häufig ver-
ästelte Fortsätze von röhrenartiger Gestalt aus.
„Subsphärisch“ oder polyedrisch gestaltet sich die Schale der letzten
Abtheilung der Phaeogromia (Cerioporidae Hek., XXXI. 19—20). Von
der Oberfläche derselben erheben sich nach verschiednen Richtungen bohle
Radialstacheln, welche einfach oder verästelt auftreten. Die Schalenwand
wird von Poren durchbrochen, welche gewöhnlich in Kränzen um die
Basen der Stacheln angeordnet sind. |
354 . Radiolaria.
d. Skelete der Monopylaria,
Die reichhaltigste Gruppe der Radiolarien bilden die sogen. Mono-
pylaria; doch lässt sich ein genetischer Zusammenhang und eine succes-
sive Entwicklung der Skeletbildungen durch die gesammte grosse Menge
der Formen auch hier verfolgen, wenngleich die Ableitung gewisser Unter-
gruppen bis jetzt noch Schwierigkeiten bereitet und namentlich zwei sehr
differente Ansichten über den Ausgangspunkt der gesammten Gruppe auf-
gestellt worden sind. Mit Sicherheit scheint festzustehen, dass die Skelet-
bildungen unsrer Abtheilung, wie zuerst Hertwig betonte, selbstständig und
ohne Zusammenhang mit denen der anderen grossen Unterabtheilungen ent-
standen sind. Bis jetzt hat nur letzterwähnter Forscher eine hierhergehörige,
wahrscheinlich skeletlose Form. beobachtet (XX VII. 8), doch darf diesem
Befund kein zu grosser Werth beigelegt werden, da die Möglichkeit nicht
ganz ausgeschlossen erscheint, dass sein Cystidium nur ein skeletloses
Jugendstadium einer einfacheren, skeletführenden Monopylarienform dar-
stellt.
Bezüglich der ursprünglichsten Ausgangsformen der Monopylarien-
skelete sind, wie bemerkt, zwei sehr verschiedne Ansichten entwickelt
worden. Zuerst hat Hertwig (33) nachzuweisen gesucht, dass sich die
grosse Mehrzahl derselben von einer sehr einfachen Urform, welche sich
als ein solider Kieselring repräsentirt, herleiten lässt und dieser An-
schauung habe ich mich durchaus angeschlossen, indem ich es versuchte,
den Gang dieser Entwicklung noch genauer zu ermitteln und womöglich
sämmtliche Monopylarienskelete von einer solehen Grundform herzuleiten
(38). Dem gegenüber hat neuerdings Häckel (37) eine gewissermaassen
diametral entgegengesetzte Ansicht ausgesprochen, welche die von Hertwig
und mir an den Anfangspunkt der Reihe gestellten Formen als die End-
glieder des gesammten Entwicklungsganges der Monopylarien, d. h. die
am meisten um-, resp. rückgebildeten Formen schildert. Als Ausgangs-
punkt der ganzen Reihe betrachtet Häckel die sogen. Plagiacanthida
Hertw. 1879 (— Plectida Heck. 1881), welche ich mit Hertwig nicht in
solcher Weise auffassen kann, sondern für eine Gruppe halten muss, die
sich zwar von einfacheren Monopylarien ableitet, jedoch wahrscheinlich
dureh eine sehr wesentliche Umbildung des ursprünglichen Skeletes her-
vorgegangen ist. Leider ist bis jetzt nur eine Gattung (Plagiacantha)
der, nach den neueren Untersuchungen Häckel’s, sehr reich entfalteten
Gruppe der Plagiacanthiden genauer bekannt, so dass nur schwierig ein
sicheres Urtheil über die ‚genaueren Beziehungen dieser Gruppe zu den
iibrigen Monopylarien zu fällen ist. In meiner Ansicht jedoch: dass sich
die Plagiacanthidae nicht als die ursprünglichsten Monopyleen auffassen
lassen, werde ich nicht unwesentlich durch den Umstand bestärkt, dass
bis jetzt nicht ein Vertreter dieser in der Jetztwelt ziemlich reich ent-
wiekelten Gruppe fossil gefunden wurde, obgleich ihrer Erhaltung im fos-
silen Zustande nichts im Wege zu. stehen scheint. Es scheint daher,
ur re a EREIENE
Skelete der Monopylaria (Stephida). 385
wenn man tiberhaupt den Ergebnissen der paläontologischen Forschung
nicht jeden Werth abspricht, wenig wahrscheinlich, dass die Gruppe
der Plagiacanthidae die jugendlichste der Monopylaria ist. Wir halten
deshalb daran fest, dass die ursprünglichsten Monopyleenskelete in
Gestalt einfacher Kieselringe auftraten, wie sie auch fossil schon vielfach
gefunden wurden, und in der Jetztwelt noch ziemlich reichlich ver-
treten sind.
Ein solch einfacher Kieselring von ovaler bis polygonaler Gestaltung
umschliesst bei diesen einfachsten Formen (Monostephida Hek. 1881) die
Centralkapsel und besitzt, entsprechend den verschieden gebildeten beiden
Kapselpolen, gleichfalls zwei differente Pole, welche entweder durch eine
verschiedne Anordnung der Stachelfortsätze, die meist vom Ring ent-
springen, zur Ausbildung gelangen (XXVIlI. 9a), oder gewöhnlicher
durch eine etwa eiförmige Gestaltung des Ringes. Es erscheint dann der
eine Pol, welchem das Porenfeld der Centralkapsel zugewendet ist, mehr
zugespitzt (XXVIII. 9). Wir bezeichnen ihn als den basalen. — Bei
einem Theil dieser Ringskelete tritt eine stärkere Ausbauchung der einen
Ringhälfte auf, wodurch dann die Bildung des Ringes eine entschieden
bilateral-symmetrische wird (XXVII. 9), indem wir eine vordre, weniger
ausgebauchte von einer hinteren, stärker ausgebauchten Hälfte unter-
scheiden können. Wie erwähnt, ist ein solcher Skeletring selten ganz
glatt, ungestachelt; meist trägt er paarweis entspringende, seitlich gerich-
tete Stachelfortsätze, die am Basalpol zuweilen etwas stärker entwickelt
sind und sich auch bei gewissen Formen ästig verzweigen. Nach Häckel
(37) sollen bei gewissen Formen die Zweige solcher Aestehen auch unter
einander zu einem Geflecht verschmelzen, ja selbst zur Bildang einer
Gitterkugel zusammentreten, welche also äquatorial von dem Ring halbirt
würde. Da aber bis jetzt die genauere Beschreibung letzterer Form fehlt,
so bleiben Zweifel, ob dieselbe nieht doch nähere Beziehungen zu später
zu besprechenden Formen mit Gitterkugelentwicklung besitzt.
Aus solch einfachen Ringskeleten entwickelte sich nun eine reiche
Fülle von Formen durch stärkere Hervorbildung gewisser Stachelfortsätze.
Es ist aber bis jetzt kaum zu bewerkstelligen, die von Häckel kurz charak-
terisirten Formen hinsichtlich ihrer Ableitung zu verfolgen, da es sehr leicht
möglich ist, dass Häckel, der ja über die genetische Herleitung derselben
eine ganz abweichende Ansicht besitzt, gerade solehe Momente ihres
3aues nicht betont, welche für unsre Auffassung von Wichtigkeit er-
scheinen. Wir werden daher die uns genauer bekannten Formen ein-
gehender besprechen und kurz über die durch Häckel bekannt gewordnen
abweichenden berichten.
Bei allen bis jetzt genauer bekannten Formen, welche sich von dem
einfachen Ring herleiten, erhält sich dessen bilateral-symmetrische Gestal-
tung, ob auch bei allen Häckel’schen scheint fraglich. — Ein sehr wich-
tiger Formkreis leitet sich von dem einfachen bilateral-symmetrischen
Ring zunächst dadurch her, dass sich an seinem Basalabsehnitt jederseits
Bronn, Klassen des Thier-Reichs, Protozoa. 5
386 Radiolaria.
zwei Stachelfortsätze, welche etwa in einer senkrecht zur Ringaxe gelegnen
Ebne verlaufen, stärker entwickeln (XXVIII. 10, eu.e!). Da sich die beiden
Fortsätze jeder Seite etwa unter einem Winkel von 60° zusammenneigen,
verschmelzen sie mit ihren peripherischen Enden. Auf diese Weise wird
an der Basis des Ringes eine Art Basalscheibe gebildet, welche jeder-
seits von einem Loch durehbrochen ist; beide Löcher sind durch den
Basalschnitt des Ringes von einander geschieden. Häckel drückt sich
hinsichtlich dieser Formen (seiner sogen. Dyostephanida und Eucoronida,
fraglich ist jedoch, ob alle diese Formen hierhergehören) folgendermaassen
aus: es hat sich zu dem primären Ring noch ein zweiter horizontaler
Basalring (gebildet aus den vier erwähnten Fortsätzen) hinzugesellt, dessen
Lumen also, durch den Basaltheil des Primärrings in zwei Theile, die
zwei erwähnten Basallöcher, geschieden wird (s. Holzschn. Fig. 6, 1).
Nach den Mittheilungen Häckel’s scheinen zahlreiche Formen diese Bau-
weise zu zeigen. Von der Peripherie der zweilöcherigen Basalscheibe ent-
wickeln sich häufig ansehnlichere Stachelfortsätze in verschiedner Zahl,
zwei, drei, vier, fünf und mehr.
Aus den geschilderten Formen leiten sich weiterhin solche ab, bei
welchen sich zu den zwei Paar Basalfortsätzen ein weiteres, weiter nach
vorn, am Ursprung des aufsteigenden vorderen Ringabschnitts gelegnes
drittes Paar hinzugesellt, welches sich nach vorn und aussen entwickelt
(XXVII. 11, e?) und zwischen dessen Enden und den verschmolznen Enden
der beiden schon geschilderten Fortsatzpaare je eine brückenartige Verbin-
dung hergestellt wird. Auf diese Weise hat sich also die Basalscheibe
beträchtlich vergrössert und ist vierlöcherig geworden, weist nämlich zwei
Paare von Löchern auf, die erstgebildeten (I), welche stets kleiner sind
und die neu hinzugetretenen (II), die grösseren. Formen solcher Art
finde ich bei Häckel nicht erwähnt, wenn sie nicht z. Th. unter seinen
Eueoronida eingeschlossen sind. Höchst bedeutungsvoll ist die bei solchen
Formen zuerst auftretende vierlöcherige Bildung der Basalscheibe, denn
diese kehrt bei allen jetzt noch zu besprechenden, so überaus zahlreichen
Weiterentwicklungsformen unsrer Ringskelete wieder.
Durch starke Entwicklung eines von der Basalscheibe jederseits aus-
gehenden Fortsatzes, welcher sich (in der Frontalebne gelegen) nach dem
Apicalpol des Primärringes aufwärts krümmt und mit diesem schliesslich
verschmilzt, wahrscheinlich unter Mithülfe eines ihm vom Apicalpol ent-
gegenwachsenden Fortsatzes, bildet sich jederseits des Primärringes eine
halbringförmige Spange aus. Beide Spangen formiren zusammen einen zwei-
ten Ring, der senkrecht auf dem Primärring aufgesetzt ist und mit diesem
die Hauptaxe gemeinsam hat (XXVII. 12). Diese Axe ist jedoch die
kleinere des secundären Rings, da derselbe, senkrecht zu ihr, sehr lang-
gestreckt ist, also eine langelliptische Gestalt besitzt. (Solche Formen
bezeichnet Häckel jetzt als Trissoeylidae.)
An die eben geschilderten Skeletbildungen schliessen sich nun zwei
weitere, durch Häckel bekannt gewordne an, indem sich auch bei ihnen zu
Skelete der Monopylaria (Stephida). 387
dem Primärring ein secundärer hinzugesellte. Bei den Zygostephanidae
soll sich ein Primär- und ein Seeundärring finden, jedoch ohne Ausbil-
dung einer vierlöcherigen Basalscheibe (s. Holzschn. Fig. 6, 4). Dieser Fall
liesse sich entweder durch direete Ableitung von dem Ursprungsstadium
des einfachen Primärrings durch Entwicklung eines Secundärrings erklären,
oder wie mir wahrscheinlicher ist, durch sehr starke Reduction der Basal-
scheibe, vielleicht sogar völlige Rückbildung derselben.
Schwieriger gestaltet sich die Ableitung der zweiten Gruppe bierher-
gehöriger Formen, der sog. Acanthodesmida Hek. (1581, 37, non 1862).
Wenn die Schilderung, welche Häckel von diesen Formen entwirft,
richtig ist, so müssten wir sie uns wahrscheinlich so entstanden denken,
dass sich zu einer Form mit einfacher, zweilöcheriger Basalscheibe ein
Seeundärring binzugesellt hätte, und nachträglich eine Reduction des die
beiden Löcher der Basalscheibe scheidenden Basalabschnittes des Primär-
ringes eingetreten sei. Es ist jedoch wohl bei der Beurtheilung dieser
Formen nicht ganz ausser Acht zu lassen, dass die Schilderung, welche
Hertwig (33) von der ohne Zweifel von Häckel hierhergezognen Acanthodes-
mia vineulata J. M. entwirft, nicht mit der Beschreibung, welche Häckel
Fig.»6.
Be
Erklärung von Holz-
schnitt Fig. 1. Schematische
Constructionen einiger Vertreter
der Stephida nach den Charak-
teristiken Häckel's (37). p der
Primär-, sr der Secundär- und
tr der Tertiär-Ring. Nr. 1 Ver-
treter des Tribus Dyostephanida
(Subf. Dyostephida); Nr. 2 Ver- 3.
treter des Tribus Eucoronida
(Subf. Triostylida); Nr. 3 Ver-
treter des Tribus Trissocyelida
(Subf. Triostephida); Nr. 4 Ver-
treter des Tribus Zygostephanida
(Subf. Dyostephida).
/ sr
| bh
ANZ
von den Acanthodesmiden gibt, übereinstimmt, indem Hertwig das Vor-
handensein des Basalabschnittes des Primärrings und demnach die Schei-
dung der beiden Basallöcher angibt (vergl. Holzschn. Fig. 6, 3).
Häckel reiht unter die seither besprochnen, einfachsten Monopylarien-
skelete auch die Gruppe der Parastephida (1881, 37) ein, von welchen
bis jetzt nur die Gattung Prismatium etwas genauer bekannt ist. Wäh-
rend ich früher (38) selbst eine derartige Ableitung der Paraste-
phida für wahrscheinlich hielt, bin ich jetzt durch die zahlreichen neuen
Modificationen, welche Häckel auffand und kurz charakterisirte, sehr
zweifelhaft geworden, ob wirklich eine nähere Beziehung der Parastephida
zu den seither besprochnen Formen existirt und ziehe es daher einstweilen
25*
385 Radiolaria.
vor, dieselben am Schlusse unsrer Betrachtung der Monopyleenskelete ge-
sondert zu besprechen.
In sehr einfacher Weise leitet sich aus den bis jetzt besprochnen
einfachen Monopylaria (Stephida Hek. 1851) eine zweite recht umfang-
reiche Gruppe ab, nämlich die der sogen. Zygocyrtida Heck. 1862 oder
Spyrida Heck. 1831.
Die Herleitung geschieht leicht von dem einfachen Primärring mit
der vierlöcherigen Basalscheibe, wie wir ihn schon früher kennen gelernt
haben, vielleicht jedoch auch z. Th. oder gänzlich von solchen Formen,
bei welchen sich noch ein Secundärring binzugesellt hat. Seitliche Stachel-
fortsätze, wie sie diese Ringe sehr gewöhnlich zieren, zu welchen sich
weiterhin noch von dem Rande der Basalscheibe entspringende Stachel-
fortsätze gesellten, verästelten sich und verwuchsen unter einander zu
einer gegitterten Schale. Eigenthümlich erscheint das Verhalten des Primär-
rings bei der Bildung dieser Schale; die von ihm entspringenden Stachel-
fortsätze sind entweder in der Ringebne selbst gelegne, centrifugale Fort-
sätze (demnach in diesem Fall unpaar) oder paarige, welche sich zu bei-
den Seiten der Ringebne erheben und mit dieser einen ziemlich spitzen Winkel
bilden. Diese stark nach aussen strebenden Stacheln des Primärrings
werden nicht einfach in das Gitterwerk der sich bildenden Schale einbe-
zogen, sondern seitliche Fortsätze derselben gehen in die Wandbildung
der Schale ein, so dass die gegitterte Schalenwand demnach etwas nach
aussen über den Ring hinzieht und dieser, an den ersterwähnten Stachel-
fortsätzen -gleichsam aufgehängt, sich im Inneren der Schale vorfindet
(XXIX. 1, 4b). Entsprechend diesem Primärring zeigen jedoch die Schalen
der Zygoeyrtida fast durchweg, jedoch nicht immer, eine ringförmige Ein-
schnürung, welche also der Sagittalebne angehört und die Schale in zwei
symmetrische Hälften zerlegt. Es finden sich aber, wie bemerkt, auch
Formen, welchen eine solche Einschnürung ganz fehlt; in diesem Fall
hebt sich die Schalenwand viel weiter von dem Primärring ab; derselbe
erscheint viel tiefer ins Innere der Schale verlegt.
Anders dagegen verhält sich der seeundäre Ring zur Bildung der
Schalenwand, wenn sich überhaupt ein solcher an dem Aufbau derselben
betheiligt. Die von ihm entspringenden, gewöhnlich paarweis geordneten
Stachelfortsätze gehen direet in die gegitterte Schalenwand ein, so dass
also der seeundäre Ring nicht als solcher bestehen bleibt, sondern
in die Schalenwand aufgenommen wird und daher eingeht. Wie jedoch
der seeundäre Ring sich durch die starke Entwicklung in der Frontalaxe
auszeichnete, so gilt dies auch gewöhnlich für die gegitterte Schalenwand
der Zygocyrtida, deren längste Axe ebenfalls fast durchaus die Frontal-
axe ist. Nur wenige Formen finden sich, bei welchen Sagittal- und
Frontalaxe der Schale nahezu oder völlig gleich sind und bei denen der
Horizontalschnitt der Schale ziemlich kreisförmig erscheint.
Der Primärring der Zygoeyrtida besitzt durchaus die uns schon be-
kannte bilaterale Gestaltung. Die weniger eingebauchte, bis nahezu gerade
Skelete der Monopylaria (Zygocyrtida). 389
Vorderbälfte*) steigt daher auch im Schaleninneren direeter auf und setzt
sich häufig in ein vom Ring zur Schalenwand aufsteigendes Aestchen
fort, das sich in sehr zahlreichen Fällen über die Apicalwand der Schale
als ein Apicalstachel von sehr wechselnder Länge erhebt (XXIX. 4b).
Da diese vordere Ringhälfte fast stets mit der Schalenhauptaxe nicht zu-
sammenfällt, sondern, wie natürlich, vor derselben gelegen ist, so ziert
auch dieser Stachel wohl stets nicht den eigentlichen Apicalpol, sondern
entspringt etwas vor demselben. Sehr deutlich treten stets die vier Basal-
löcher der ursprünglichen Basalscheibe hervor (XX VIII. 14, XXIX. 4a, 6b).
Dreilöcherige Formen, wie sie von Ehrenberg (26) beschrieben wurden,
beruhen wohl fast durchaus auf mangelhafter Beobachtung. Häckel gibt
zwar auch neuerdings die Existenz soleher Formen an, jedoch gründet
er sich hierbei vielleicht nur auf die fehlerhaften Beobachtungen Ehren-
berg’s. Grosse Verschiedenheit herrscht in der Ausbildung des Gitter-
werkes der Schalenwand. Ein Theil der Formen, und dies sind wohl die
ursprünglicheren, besitzen sehr weite Gittermaschen (XXVII. 13), bei
anderen dagegen werden dieselben kleiner und zahlreicher, häufig auch
etwas unregelmässig; schliesslich können die Poren auch sehr klein und
spärlich werden, so dass die Wand der Schale eine sehr solide Be-
schaffenheit annimmt.
Eine ziemliche Anzahl der Zygoeyrtida besitzt eine ganz glatte, un-
bestachelte Schalenoberfläche; andre dagegen entwickeln ein unregel-
mässiges, schwaches Stachelkleid der Oberfläche und bei einigen Formen
tritt jederseits des Apicalstachels ein ziemlich ansehnlicher nach aussen
und oben gerichteter Stachel hervor. Gelegentlich (Perispyris Hck. 1881)
scheint auch durch Weiterentwicklung der Oberflächenstacheln eine spon-
siöse oder spinnwebartige Mantelumhüllung der Schale gebildet zu
werden.
Viel grössere Wichtigkeit beanspruchen jedoch die Stachelbildungen,
welche sehr gewöhnlich im Umkreis der vier Basallöcher zur Entwicklung ge-
langen und schon in ähnlicher Weise bei einem Theil der Stephida (den Euco-
ronida Hek. 1881) hervortraten. Die Ursprünglichkeit dieser Stachelbildungen
spricht sich auch darin aus, dass sie sich, in z. Th. sehr gesetzmässiger Weise,
von sehr ursprünglichen Theilen der Cricoidskelete herleiten. Einen der ge-
wöhnlichsten Fälle bildet zunächst die Entwicklung dreier solcher Basal-
stacheln, von welchen einer vorn und median gelagert ist, seinen Ursprung
von der Uebergangsstelle der aufsteigenden vordern Ringhälfte in die Basal-
scheibe nimmt, während die zwei seitlichen als Fortsatzbildungen der beiden
wichtigen und primitiven Stäbe (e) erscheinen, welche die zwei Paare
von Basallöchern jederseits scheiden (XXIX 5). Unter sich bilden diese
drei Stacheln gewöhnlich ziemlich regelmässig Winkel von 120°. Zuweilen
*) Häckel hat in seiner neuesten Mittheilung gerade die umgekehrte Bezeichnung für
vorn und hinten der Zygocyrtida und Oyrtida gewählt; ich verbleibe hier bei der Bezeich-
nme, welche ich in meinen Beiträgen (38) zuerst eingehender durchzuführen suchte,
390 Radiolaria.
unterbleibt jedoch auch die Bildung des vorderen Stachels, wodurch zwei-
stachelige Formen entstehen. Zu den erwähnten drei Stacheln gesellt sich
häufig noch ein vierter, hinterer hinzu, der seinen Ursprung von der Basis
der hinteren Ringhälfte nimmt.
Durch Hinzutreten zweier neuer, seitlicher Stacheln,; welche die Winkel
zwischen den ersterwähnten seitlichen Stacheln und dem Vorderstachel
halbiren, erhöht sich die Zahl der Basalstacheln auf sechs, von ganz
regelmässiger Anordnung. Bleibt, wie dies häufig der Fall zu sein scheint,
bei der Entwicklung dieses Paares neuer seitlicher Stacheln der hintere
Medianstachel aus, so haben wir fünfstachelige Formen.
Eine grosse Reihe weiterer Formen schliesslich bildet noch zahl-
reichere Basalstacheln aus, welehe die vier Mündungslöcher umstehen und
mehr oder minder dicht zusammengedrängt sind (XXIX. 6).
Die Längenentwicklung der Basalstacheln ist sehr verschieden,
auch sind sie durchaus nicht stets sämmtlich von gleicher Länge, sondern
z. Th. recht verschieden; jedoch scheinen die paarweis zusammengehöri-
gen Seitenstacheln stets eine übereinstimmende Entwicklung zu besitzen.
Bei manchen Formen erreicht die Längenentwicklung der Basalstacheln
den mehrfachen Betrag der Schalenhöhe.
Hinsichtlich ibrer Gestalt bieten sie noch beträchtlichere Verschieden-
heiten dar.
Theils sind sie ganz gerade gestreckt, theils bogenförmig nach unten
gekrümmt; theils drehrund im Querschnitt, theils jedoch mehr oder weni-
gey blattförwig von aussen nach innen abgeplattet. Letzteres ist nament-
lich bei Formen mit sehr zahlreichen Mündungsstacheln der Fall. Nicht
selten gehen die Stacheln auch Verästelungen ein und dies gibt bei den
letzterwähnten Formen mit zahlreichen Mündungsstacheln zuweilen Veran-.
lassung zur Verschmelzung der Mündungsstacheln zu einer gegitterten
Membran, welche gewöhnlich nur die Basis der Stacheln unter einander ver-
einigt, sich jedoch auch auf die gesammte Länge der Mündungsstacheln aus-
dehnen kann (XXIX. 7). Hiermit ist aber schon die erste Anlage eines neuen
Schalentheiles gegeben, der bei der Gruppe der Cyrtida zu einer hohen
morphologischen Ausbildung gelangt ist; es hat sich nämlich durch diesen
Zusammentritt der Mündungsstacheln ein sogen. erstes Glied neben der
nun als Köpfchen zu bezeichnenden, ursprünglichen Zygocyrtidenschale
angelegt.
Auch die Apicalstacheln verzweigen sich zum Theil in ähnlicher
Weise wie die Basalstacheln und können durch Verwachsung ihrer Aeste
sogar einem gitterwandigen Kuppelaufsatz Entstehung geben, welcher auf
die Apicalregion aufgesetzt erscheint. Ein ähnlicher Aufsatz bildet sich
auch bei der Spiridobotrys trinaeria (Häck. 1862, non Spiridobotrys 1881)
aus (XXIX. 2), jedoch in andrer Weise, wie es scheint, indem sich näm-
lich die Apicalregion der Schale selbst kuppelförmig aufwölbt.
Die von Häckel neuerdings (37) kurz ceharakterisirte Gruppe der
Perispyridae soll wenigstens z. Th. einen Kuppelaufsatz der ersterwähnten
Skelete der Monopylaria (Zygocyrtida u, Cyrtida). 391
Bildung besitzen, in der Unterabtheilung der Circospyrida weiterbin noch
ein aus der Verschmelzung der Basalstacheläste hervorgegangnes blumen-
korbähnliches erstes Schalenglied. Die bis jetzt allein vorliegende knappe
Beschreibung dieser Perispyrida gestattet jedoch nicht, sich ein einiger-
maassen ausreichendes Bild derselben, namentlich auch im Hinblick auf
die gleich zu besprechenden Cyrtida zu machen.
Wie schon angedeutet, leiten wir die umfangreiche dritte Abtheilung
(Familie Hek. 1881) der Cyrtida in der Weise von den Zygocyrtida her,
dass sich darch Vermittlung der Mündungsstacheln dieser letzteren, vom
Rande der vierlöcherigen Basalscheibe aus, ein im Allgemeinen trichter-
bis röhrenförmiger, gegitterter Anhang gebildet hat. Die Axe dieses An-
hangs fällt zusammen mit der Hauptaxe der ursprünglichen Zygocyrtiden-
schale. Letztere setzt sich meist köpfehenartig von dem neugebildeten
Anhang deutlich ab. Die Schale erscheint daher durch eine senkrecht
zur Hauptaxe verlaufende Strietur in zwei Glieder geschieden (s. T. XXX.),
von welchen wir das apieale oder die ursprüngliche Zygocyrtidenschale als
das Köpfehen, das neu entstandne Basalglied hingegen als das erste
Schalenglied bezeichnen. Dieses letztere ist natürlich an seiner Basis ur-
sprünglich stets mit einer mehr oder minder weiten Mündung versehen,
welche sich jedoch häufig sehr verengt bis vollständig schliesst, wie später
noch genauer zu erörtern sein wird. Die Lumina des Köpfchens und
ersten Glieds werden natürlich durch die vierlöcherige Basalscheibe
von einander geschieden, welche eine Art querer Scheidewand bildet und
sich aus vier im Scheidewandceentrum zusammenstossenden Stäben bildet,
von welchen die zwei medianen nichts weiter wie den Basaltheil des Primär-
rings darstellen, die beiden seitlichen dagegen die uns bekannten Stäbe,
welche die beiden Löcherpaare jederseits scheiden (XXX. 1b).
Sehr gewöhnlich umfasst jedoch der apicale Theil des ersten Gliedes
noch einen Theil der im Umkreis der vier Basallöcher sich ausbreitenden
Köpfchenbasis, so dass die sogen. Scheidewand zwischen Köpfchen und
erstem Glied noch von einer Anzahl kleinerer Porenlöcher im Umkreis
der vier Basallöcher durchbrochen wird. In der Medianebne des Köpfchens
finden wir den Primärring häufig noch vollständig erhalten wie bei den Zygo-
eyrtiden (XXXI. 10a), zuweilen ist jedoch auch sein apicaler Theil in die
Schalenwand selbst aufgenommen und diese Aufnahme dehnt sich auch
noch auf die hintere Ringhälfte mehr oder minder aus, so dass dann nur
deren basaler Theil erhalten bleibt, welcher zur Sonderung des hinteren
Löcherpaares beiträgt. Fast stets erhält sich dagegen die vordere Hälfte
des Primärrings und erscheint wie ein ziemlich gerader Stab, welcher
zum Apicalpol aufsteigt und sehr gewöhnlich die Bildung eines Apical-
stachels veranlasst, in gleicher Weise wie bei den Zygoeyrtida. Nur
wenn das Köpfehen sehr stark verkümmert, werden freie Theile des Pri-
märrings und schliesslich auch die Scheidewand gänzlich vernichtet; es
kann jedoch keinem Zweifel unterliegen, dass ‚es sich in diesen
Fällen um eine Reduetion handelt, da das Köpfehen hierbei zu einem
392 Radiolaria.
verschwindenden, und früher auch ganz übersehenen, Anhang rückgebildet
worden ist (XXXI. 16, 17).
Aus dieser Darstellung der Ableitung der Cyrtida dürfte sich ergeben,
dass es sogen. einkammerige Cyrtida oder Monoeyrtida Häckel’s über-
haupt nieht gibt, denn der Schalenhohlraum ist stets durch die Basal-
scheibe des Köpfehens in zwei Abschnitte getheilt, auch wenn äusserlich
die Scheidung in Köpfehen und erstes Glied verwischt ist. Wenigstens
lässt sich dies Verhalten für eine Anzahl der sogen. Monoeyrtiden Häckel’s
sieher erweisen und es erscheint daher die Annahme Häckel’s, dass das
Köpfehen der deutlich mehrgliedrigen Cyrtida der einfachen Schale seiner
Monoeyrtida homolog sei, wenigstens für zahlreiche Fälle unrichtig. Bei
soleh scheinbaren Monoeyrtiden ist nämlich, wie schon hervorgehoben,
die Grenze zwischen Köpfehen und erstem Glied äusserlich verwischt und
das Köpfehen sehr flach gedrückt, wie überhaupt wenig entwickelt (s. z. B.
NNXI 13e). Ganz deutlich ist jedoch die Scheidewand zwischen Köpf-
chen und erstem Glied noch in charakteristischer Weise erhalten, ebenso
auch der Primärring noch in verschiedenem Erhaltungsgrade. Andrerseits
können jedoch, wie schon erwähnt, solch scheinbare Monocyrtidenformen
auch durch sehr weitgehende Grössenreduction des Köpfchens entstehen,
welches schliesslich zu einem kleinen knopfförmigen Anhang der Schale
wird (XXXI 15—17). Damit geht denn auch endlich, wie erwähnt, die
Scheidewand verloren (17) und wenn schliesslich auch die noch schwach
erhaltne Absetzung eines solchen Köpfchenrestes schwindet, so entsteht
zuletzt eine scheinbar echt monocyrtide Schale. Die Verfolgung ihrer
allmählichen Entstehung lehrt jedoch sehr sicher, dass sie durch weit-
gehende Umbildung aus einer zweigliedrigen Form hervorging.
Ich möchte es daher für sehr wahrscheinlich halten, dass die grosse
Mehrzahl der zahlreichen sogen. Monoeyrtidenformen, welche Häckel
neuerdings kurz geschildert hat (37), in dieser Weise sich erklären und
herleiten. Ob dies jedoch für sämmtliche gilt, lässt sich, aus Mangel ge-
nauerer Beschreibung und Abbildung der meisten, bis jetzt nicht entschei-
den, da es nämlich nicht unmöglich erscheint und auch, wie wir noch
sehen werden, thatsächblich sich ereignet hat, dass monoeyrtidenartige
Skelete eine ganz andre Art der Entstehung genommen haben. Solche
Formen können aber dann auch nicht mit den hier besprochnen vereinigt
werden.
Aus den bis jetzt zur Sprache gekommnen einfachen, d.h. aus Köpf-
chen und einem ersten Gliede aufgebauten Cyrtiden haben sich nun eine
grosse Anzahl complieirterer Formen hervorgebildet, indem sich, nach Aus-
bildung des ersten Gliedes, dessen Mündung dann stets etwas zusammen-
gezogen oder verengt erscheint, um diese Mündung ein neues, zweites
Glied angelegt hat. Dasselbe scheint in vielen Fällen aus deutlichen Stachel-
fortsätzen des Mündungsrandes des ersten hervorgegangen zu sein, ähnlich
also wie die ursprüngliche Bildung des ersten Gliedes sich vollzog. Auch _
dieses zweite Glied bildete dann eine Mündung aus, wenn nicht Verenge-
“ u
Skelete der Monopylaria (Cyrtida), 395
rung oder Verschluss derselben eintrat. Bei zahlreichen Formen ist die
Gliederbildung hiermit nicht abgeschlossen, sondern setzt sich weiter
fort zu sehr verschiedner Gliederzahl, bis zu neun und mehr, Im All-
gemeinen erinnert diese wiederholte Gliederbildung in vieler Hin-
sicht an die Kammerbildung zahlreicher kalkschaliger, mariner Rbi-
zopoden, namentlich an die der Nodosarien unter den Perforata. In
der Regel ist nämlich auch bei den mehrgliedrigen Cyrtiden jedes fol-
gende Glied die morphologische Wiederholung des ersten, wenn dieser Satz
hier auch durchaus nicht strikte Gültigkeit besitzt. Die allgemeine morpholo-
gische Beurtheilung der Mehrgliedrigkeit muss demnach auch ungefähr ähn-
lich ausfallen, wie die der Kammerbildung der Rhizopoden (vergl. p. 146).
Zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Gliedern findet sich eine sehr
schwach ausgeprägte Scheidewandbildung, welche sich folgendermaassen
erklärt. Jedes ältere Glied bildet durch Zusammenziehung seines basalen
Endes eine gewöhnlich ziemlich weite Mündung aus, in deren Umkreis
sich der Apicaltheil des nächstjüngeren Gliedes anheftet. Der von jener
Anheftungs- oder Ursprungsstelle des jüngeren Gliedes einspringende
Theil der Mündungsfläche des älteren bildet nun die schwach vorsprin-
gende Scheidewand, welche central von einer weiten Oeffnung durchsetzt
wird, der Mündungsöffnung des älteren Gliedes. Im Umkreis dieser Oefl-
nung wird die Scheidewand jedoch häufig noch von einem Kranz gewöhn-
lieber Poren durchsetzt. Das letzte oder jüngste Glied der vielgliedrigen
Cyrtida zeichnet sich häufig durch einige besondre, den Abschluss des
Schalenwachsthums andeutende Charaktere aus, namentlich zieht sich seine
Mündung häufig mehr oder minder eng zusammen, ja schwindet nicht selten
gänzlich, die Formen haben sich geschlossen, wie man sich ausdrückt
(XXX. 8, 22).
Wie schon angedeutet, ist die Gliederzahl der mehrgliedrigen Cyrtida
eine sehr verschiedne und Häckel hat hiernach eine Reihe von Gruppen
unterschieden. Dyoeyrtida mit einem Glied (im Gegensatz zu seinen ver-
meintlichen Monoeyrtida), Trioeyrtida, Tetraeyrtida und Stichoeyrtida mit
mehr wie drei Gliedern. Ich halte diese Gruppen nicht für natürliche,
schon deshalb nicht, weil ich nicht einsehbe, warum die Zahl der Glieder
in der Gruppe der Stichoeyrtida auf einmal unwesentlich werden soll,
während sie bei den übrigen Gruppen das wesentliche Moment der Zu-
sammengehörigkeit bildet. Im Allgemeinen zeigt sich sowohl bei den ein-
gliedrigen wie mehrgliedrigen Cyrtiden eine gewisse Wechselbeziehung
zwischen der Grösse des Köpfehens und der der Glieder; je ansehnlicher
die Glieder sich entwickeln, desto mehr tritt das Köpfchen nicht nur re-
lativ, sondern auch absolut an Grösse zurück und bei solchen Formen,
wo das Köpfchen ein ganz verküimmerter Anhang des einzigen Gliedes
ist, ist dies sehr ansebnlich entwickelt. Im Allgemeinen lässt sich eine
fortschreitende Grössenabnahme des Primärringes und entsprechend natür-
lich auch des Köpfchens, welches sich in seiner Grösse ja genau nach
dem Primärring modelt, von den Stephida ausgehend durch die Zygo-
394 Radiolaria.
eyrtida zu den Cyrtida verfolgen und in der grossen Reihe dieser letz-
teren, wie schon hervorgehoben, eine weitere Reduction desselben mit der
Grössenzunahme der Glieder nachweisen. Natürlich gilt eine derartige
Regel immer nur im Grossen und Ganzen und schliesst besondre Ab-
weichungen im Einzelnen nicht aus.
Nachdem wir so die wichtigsten allgemeinen Charaktere der Cyrtida
einer Besprechung unterzogen haben, bleiben noch eine Anzahl unter-
geordneter, jedoch nicht unwichtiger Eigenthümlichkeiten zur weiteren
Betrachtung übrig.
Ein Theil der Cyrtida leitet sich sonder Zweifel von zygoeyrtiden-
artigen Formen mit drei ansehnlichen Mündungsstacheln her. Zwischen
diesen ist es zur Ausbildung eines Gitterwerks gekommen, welches die
Wand des ersten Gliedes bildet. Diese Wand kann bei dergleichen For-
men sogar noch unvollständig entwickelt sein, indem sie sich nur wie ein
Gitterband zwischen den peripherischen Enden der drei Stacheln aus-
spannt (XXIX. 8); oder sie wird vollständig und die drei Stacheln er-
scheinen dann wie drei stärkere Rippen der Gitterwand (XXIX. 13a).
Bei einer Reihe hierhergehöriger eingliedriger Formen verlängern sich
diese drei ursprünglichen Stacheln mehr oder weniger über den ba-
salen Rand des ersten Gliedes, ragen also als freie Mündungs-
stacheln dieses Gliedes hervor (XXIX. 9). Die Mündung selbst bleibt
dann entweder weit geöffnet oder verengert sich etwas, so dass die Mün-
dungsstacheln dann etwas ausserhalb des eigentlichen Mündungsrandes
ihren Ursprung nehmen. Bei einer Reihe weiterer Formen entwickelt sich
die Wand des ersten Gliedes in der Weise, dass die drei von der Basal-
scheibe des Köpfehens entspringenden Stacheln nicht in sie einbezogen
werden, sondern diese Wand meist ziemlich dicht unterhalb der Grenze
zwischen Köpfchen und erstem Glied durchbrechen und über sie mehr
oder weniger weit frei nach aussen hervorragen (XXX. 1—2).
Wie sich die eben erwähnten Formen von dreistacheligen zygo-
eyrtidenartigen Formen herleiten, so ergibt sich für weitere eingliedrige
Cyrtiden eine Ableitung von mehrstacheligen bis vielstacheligen zygoecyr-
tidenartigen Formen, indem sich zwischen den Mündungsstacheln eine
Gitterwand ausgebildet hat. Diese Deutung dürfen wir wenigstens
einer Anzahl eingliedriger Formen geben, bei welchen in der Gitter-
wand des ersten Gliedes noch deutlich eine Anzahl stärkerer Rip-
pen hervortreten; vier, fünf, sechs und mehr solcher Rippen werden
zuweilen noch deutlich beobachtet und setzen sich nicht selten stachel-
artig über den Rand des ersten Gliedes fort.
Schliesslich treffen wir auf eine Reihe eingliedriger Typen, welehe
sich leicht von solehen zygoecyrtidenartigen Formen herleiten, die einen
dichten Kranz zahlreicher Stacheln um die vier Basallöcher aufweisen.
Schon früher mussten wir betonen, dass die Basaltheile der Stacheln dieses
Kranzes zuweilen zu einer gegitterten Lamelle zusammenfliessen. Durch
ein etwas weiter fortgesetztes Verwachsen der Stacheln entsteht dann auch
Skelete der Monopylaria (Oyrtida). 395
in diesem Falle ein erstes Glied, dessen Entstehung sich gewöhnlich noch
darin ausspricht, dass seine Mündung von einem reichen Kranz abgeplat-
teter Stacheln umgeben ist, den Fortsetzungen der Stacheln, welche die
Wand des ersten Gliedes erzeugten (XXXI. 5, 6). Weiterhin zeichnen
sich diese Formen naturgemäss noch durch das Feblen stärkerer Rippen
in der Wand des ersten Gliedes aus. Solehen Formen schliessen wir nun
weiterhin am besten diejenigen an, bei welchen sowohl Rippenbildung
wie Stachelbildung der Mündung fehlt, da sich eine ziemliche Anzahl
Uebergangsstufen zwischen den ersterwähnten und diesen letzteren findet;
letztere lassen sich ja auch so auffassen, dass die ursprünglichen Bildungs-
stacheln hier bis zu ihren Enden in die Wandbildung aufgegangen seien.
Wie schon aus dem vorstehend Bemerkten hervorgeht, ist die Mannig-
faltigkeit der Gestaltung des einzigen Gliedes der sogen. Dyoeyrtida eine
ungemein reiche, wozu sich als Modification der Gesammtgestalt der Schale
noch die sehr wechselnde Grösse des Köpfchens gesellt. Dasselbe be-
sitzt bei einfachen und ursprünglichen Formen dieser Abtheilung noch
etwa oder nahezu die Grösse des sich anschliessenden Gliedes und sinkt
mit stärkerer Entwicklung dieses letzteren suceessive bis zu einem ganz
rudimentären, ja schliesslich nieht mehr unterscheidbaren Anhang herab.
Sehr mannigfaltig ist auch die Gestaltung des Gliedes der ein-
gliedrigen Formen. Die ursprünglichste Gestaltung ist wohl eine
etwa trichter- bis eiförmige. Nach zwei Richtungen hin verändert
sich diese Gestalt, entweder geht sie durch starke Abflachung und Aus-
breitung in eine sehr flach kegel- bis scheibenförmige über oder durch
starkes Auswachsen in der Längsaxe in eine sehr langgestreckt kegel-
förmige bis eylindrische. Bei extremer Entwicklung nach der einen oder
der anderen Richtung tritt eine sehr erhebliche Reduction des Köpf-
chens ein.
Einige Worte nun noch über die Entwicklung mehrgliedriger Formen
aus solch eingliedrigen. Meiner Ueberzeugung nach leiten sich die mehr-
gliedrigen Formen von verschiednen Ausgangspunkten aus eingliedrigen
ab, bilden daher in ihrer Gesammtheit keine natürliche Gruppe. »>o ent-
wiekelten sie sich einmal, wie recht deutlich zu erkennen ist, aus ein-
gliedrigen Formen mit dreistacheliger Mündung des ersten Gliedes, indem
sich zwischen den Stachelbasen eine Gitterwand, die Anlage eines zweiten
Gliedes bildete. Dieses zweite Glied kann die drei Stacheln in seine
Wand aufnehmen, so dass dieselben erst an seiner Mündung frei werden
und als Mündungsstacheln mehr oder weniger ansehnlich hervorragen, wie
dies bei zahlreichen hierhergehörigen Formen der Fall ist (XXX. 6, 7, 8,
11—13), oder es wird nur der basale Theil der Stacheln in die Wand
des zweiten Gliedes einbezogen, so dass dieselben also am apicalen Theil
des zweiten frei hervörragen (XXX. 9). In letzteren Fällen ist das zweite
Glied basalwärts mehr oder weniger verengt bis geschlossen. Auch kann
sich dann an dieses zweite Glied noch ein drittes anschliessen (XXX. 10).
Es mag sich weiterhin auch der Fall finden, worauf einige Formen hin-
396 Radiolaria.
deuten, dass sich ein zweites Glied obne jede Betheiligung der drei
Stacheln bildet, wenn diese nämlich schon etwas oberhalb der Mündung
des ersten Gliedes frei werden (XXXI. 2).
In gleicher Weise scheinen sich nun auch, wie aus den neueren For-
schungen Häckel’s hervorgehen dürfte (37), noch mehrgliedrige Formen ent-
wickelt zu haben (drei- und mehrgliedrig), welche theils noch an der
Mündung des letzten Glieds die drei Stacheln aufweisen, theils dieselben
schon von einem der früheren Glieder frei entsenden. Bei einer recht be-
trächtlichen Anzahl vielgliedriger Formen ist jedoch eine Stachelbildung der
Mündung nicht vorhanden, auch fehlt eine solche überhaupt, mit Ausnahme
der Apicalbestachelung des Köpfchens oder einer unregelmässigen, mehr
oder minder gleichmässigen Bedornung der gesammten Oberfläche der Schale
oder gewisser Glieder (XXX. 17—24). Hierher gehören gerade die viel-
gliedrigsten Formen mit Vorliebe. _ Eine Ableitung dieser Formen lässt
sich in recht verschiedner Weise versuchen und wollen wir es hier nicht
unternehmen, die sich ergebenden Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten
zu discutiren (vergl. hierüber 38).
Mehrgliedrige Formen leiten sich dann auch in bekannter Weise von
den früher geschilderten eingliedrigen mit vielbestachelter Mündung her
und es verräth sich diese Ableitung wenigstens in einer Reihe von Fällen
noch deutlich dadurch, dass auch die Mündung des Endgliedes solch viel-
gliedriger Cyrtiden noch die ursprüngliche Bestachelung aufweist (XXX. 15,
XXXI. 8).
Eine besondre kurze Besprechung erfordern die sogen. Polyeyrtida
Häck. 1862 (= Botrida Häck. 1881), welche Häckel als eine. besondre
Familie neben der Familie der eigentlichen Cyrtiden betrachtet und von
seinen Monocyrtida, z. Th. jedoch vielleicht auch den Zygocyrtida
(— Spyrida Hek. 1881) abzuleiten sucht (37). Eine solche Bedeutung
kann ich den Polyeyrtida nicht beilegen; sie bilden, wie ich nachzuweisen
versuchte (38), eine Gruppe, welche sich nicht aus Monocyrtida, die ja
überhaupt nach unsrer Auffassung nicht existiren, auch nicht direet aus
/ygoeyrtida, sondern aus gewissen eingliedrigen, dreistacheligen Cyrtiden
in ziemlich einfacher Weise entwickelt haben. Das Eigenthümliche dieser
Polyeyrtida, soweit dieselben bis jetzt durch genauere Untersuehungen
verständlich sind, beruht zunächst in einer interessanten Umgestaltung
des Köpfchens. Dasselbe ist in zwei, an Grösse meist etwas verschiedne
Abschnitte, einen vorderen und einen hinteren getheilt, welche auch
äusserlich gewöhnlich durch eine von der Basis des Köpfehens etwas
schief nach hinten aufsteigende, schwache Strietur geschieden erscheinen
(XXX. 3). Die Entstehung dieser beiden Köpfehenabschnitte ist nicht
schwierig zu verfolgen, sie beruht wesentlich auf dem eigenthümlichen
Verhalten der vorderen, zum Apex aufsteigenden Hälfte des Primärringes,
welche sieh hier eigenthümlicher Weise etwas schief nach hinten neigt
und weiterhin etwas basalwärts von ihrer Mitte zwei ansehnliche, seit-
liche Fortsätze aussendet, die sich zu den Seitenwandungen des Köpfchens
Skelete der Monopylaria (Oyrtida). 897
begeben und sich hier verbreitert ansetzen *). Weiterhin falten sich jedoch
die Hinterwand des Köpfehens und wohl auch die Seitenwandungen längs
der das Köpfchen umgreifenden Strietur etwas ein und die dadurch ent-
standene, einspringende Lamelle verbindet sich mit der geschilderten vor-
deren Ringhälfte und ihren zwei seitlichen Fortsätzen. Durch diese Ver-
einigung der Lamelle mit der vorderen Ringhälfte und ihren seitlichen
Fortsätzen wird nun eine von vier ansehnlichen Löchern durchbrochne
Scheidewand gebildet, welche schief nach hinten geneigt in dem Köpfchen
aufsteigt und dessen vorderen und hinteren Abschnitt scheidet. Der vor-
dere Abschnitt ist grösser wie der hintere und wölbt sich namentlich
apicalwärts über den hinteren empor und trägt hier den häufig vorhand-
nen Apiealstachel. In solcher Weise entstanden die Polyeyrtiden mit
zweitheiligem Köpfchen. Bei einigen Formen treten jedoch noch einige
kleine, bruchsackartige Ausbuchtungen der Köpfehenwand an der Grenze
gegen das erste Glied auf (XXX. 5). Die meisten Polyeyrtidenformen
entwickeln nur ein erstes Glied, das offen oder geschlossen erscheint und
zuweilen an seiner oberen Region noch die drei kurzen Stacheln, Basal-
stacheln des Köpfchens, frei hervortretend zeigt. Einige andere dagegen
gesellen hierzu noch ein kleines zweites Glied (XXX. 5).
Den Beschluss unsrer Betrachtung der Cyrtida möge die Besprechung
einiger morphologischer Eigenthümlichkeiten von untergeordneter Bedeu-
tung bilden. Es wurde schon hervorgehoben, dass sehr häufig ein Apical-
stachel des Köpfehens über der aufsteigenden vorderen Ringhälfte zur
Ausbildung gelangt. Zu diesem gesellt sich jedoch nicht selten noch ein
schief aufsteigender hinterer hinzu, der sich von der Stelle erhebt, wo bei
unvollständiger Ausbildung des Primärrings die basale hintere Hälfte des-
selben in die Hinterwand des Köpfechens übergeht. Zu diesen beiden
Stacheln treten jedoch weiterhin bei einzelnen Formen noch eine grössere
oder geringere Zahl secundärer hinzu oder entwickeln sich wohl auch
zuweilen allein, solehe nämlich, die nichts mit dem ursprünglichen Primär-
ring zu thun haben. Auch eine ziemlich gleichmässige Bestachelung oder
3edornung des Köpfchens ist zuweilen ausgebildet und ähnlich auch auf
den übrigen Schalengliedern gelegentlick entwickelt. Eine solche Oberflächen-
bestachelung kann durch den Mittelzustand verzweigter Stachelbildungen
oder dadurch, dass sich Kieselfäden zwischen den Stacheln ausspannen,
schliesslich auch zur Bildung eines spongiösen oder spinnwebartigen
Mantels um die eigentliche Schale Veranlassung geben. Eine eigenthüm-
liche Auszeichnung kann das Köpfehen gelegentlich nach Häckel auch
dadurch erhalten, dass sich ein seitlicher Porus röhrenartig verlängert.
Bei einer Anzahl Polyeyrtiden soll die Schale dagegen mit ein bis drei
porösen Röhrchen ausgerüstet sein (‚„instrueta“).
*) Diese beiden seitlichen Fortsätze der vorderen Ringhälfte sind keineswegs besondre,
nur den Polycyrtiden zukommende Bildungen, sondern finden sich sehr ausgeprägt auch bei
den verwandten eingliedrigen, gewöhnlichen Öyrtidformen (so Lithomelissa z. B.), es tritt Je-
doch hier zu ihnen noch ein ähnlicher dritter, vorderer Fortsatz hinzu.
398 Radiolaria.
Eine besondre Entwicklung schlagen z. Th. auch die wichtigen
Stachelbildungen ein, welche in Drei- oder Mehrzahl die Mündung um-
stehen, oder sich schon von der Wand eines der Glieder frei erheben.
Gewöhnlich sind dieselben ganz solide und einfach zugespitzt, auch häufig
dreikantig bis dreiblätterig. Doch verzweigen sie sich auch zuweilen
mehr oder weniger reichlich und sind gelegentlich, wie auch der Apical-
stachel, mit zahlreichen Dörnchen besetzt. Merkwürdiger ist, dass ihre
Basis nicht selten eine gegitterte Beschaffenheit annimmt, ja es treten
statt ihrer um die Mündung zuweilen gänzlich gegitterte Anhänge auf,
von welchen es mir jedoch sehr zweifelhaft erscheint, ob sie sämmtlich
auf Umbildungen eigentlicher Stachelanhänge zurückzuführen sind.
Auch die frei von den Gliedern sich erhebenden Stachelanhänge zeigen
bei gewissen Formen eine soleh gittrige Umbildung, sie werden dann zu
flügeläbnlichen, gegitterten Anhängen der Schale, deren Entstehung aus
den ursprünglich soliden Stacheln in etwas verschiedner, jedoch im allge-
meinen leicht vorstellbarer Weise denkbar ist.
Bemerkenswerth erscheint noch die eigenthümliche Entwicklung,
welche das Endglied gewisser mehrgliedriger Formen nimmt, namentlich
streckt es sich zuweilen stark in die Länge, wird umgekehrt kegelförmig
(XXX. 9), ja wächst zuweilen zu einer langen und engen gegitterten Röhre
aus, welche einer besonderen grösseren Mündung wohl entbehrt (XXXI. 3).
Am Schlusse unsrer Betrachtung der Monopyleenskelete werfen wir noch
einen Blick auf eine Gruppe, welche erst in neuester Zeit in ihrer Mannig-
faltigkeit erkannt wurde; sie war seither nur durch die einzige Gattung
Plagiacantha Clp. repräsentirt, hat jetzt aber aus der Challengersammlung
reichlichen Zuwachs erhalten (37). Ueber die genetische Beziehung der
Skelete dieser Plagiacanthiden Hertw. (Pleetida Hek. 1881) zu denen
der übrigen Monopylaria kann wohl kein Zweifel sein, dagegen ist, wie
schon erwähnt, die Beurtheilung dieser Beziehungen eine sehr verschiedne
gewesen.
Das Plagiacanthidenskelet ist sehr einfach gebaut, besteht aus einer
verschiednen Zahl, ein bis fünf und mehr (bis 20 nach Häckel), meist
ansehnlicher, gerader Kieselstacheln, welche sämmtlich mit ihren centralen
Enden verschmolzen sind und von diesem Centrum so ausstrahlen, dass
sie zusammen den Mantel einer flachen Pyramide bilden (wenigstens ist
dies nach Analogie mit den bis jetzt allein näher bekannten dreistache-
ligen Formen anzunehmen), deren Apex eben der Verschmelzungs- und Aus-
strahlungspunkt der Stacheln ist (XXXI. 17a). Im Apicaltheil dieser Stachel-
pyramide ist die Centralkapsel eingelagert und zwar so, dass ihr Porenfeld
nach dem Apex der Pyramide schaut, resp. demselben dicht angelagert
ist. Die Stacheln sind theils einfach, unverzweigt, theils mit Seitenstacheln
besetzt (ramos, Häck.), welehe entweder regelmässig in Längsreihen
(series, Häck.) und häufig auch zu Wirteln auf den Hauptstacheln zu-
sammengestellt sind oder unregelmässiger über dieselben zerstreut stehen.
Die Seitenstacheln nehmen nach der Peripherie der Hauptstacheln an
Skelete der Monopylaria (Plagiacanthida). 399
Grösse ab. Durch Verwachsung der Seitenstacheln benachbarter Haupt-
stacheln oder durch Entwicklung sie vereinigender Kieselbrücken kommt es
bei einem Theil der Pleetiden zur Bildung unregelmässig gegitterter La-
mellen zwischen den Hauptstacheln, so dass eine gegitterte, flach pyra-
midenförmige Schale entsteht, welche einige Aehnlichkeit mit manchen
Cyrtidschalen besitzt, jedoch im Prineip sehr wesentlich von denselben
abweicht und daher auch nicht als Urtypus einer sogen. Monocyrtidschale
betrachtet werden darf. Bei den Cyrtidschalen ist, wie hinreichend her-
vorgehoben wurde, die Köpfehenbildung stets nachweisbar und die charak-
teristische Scheidewandbildung zwischen Köpfehen und erstem Glied stets
ausgeprägt. Weiterhin liegt jedoch auch eine pyramidenförmige eigent-
liche Cyrtidschale stets umgekehrt zur Centralkapsel, d. h. diese wendet
ihr Porenfeld der Mündung oder Basis der Pyramide zu, während dies
bei den Plagiacanthiden umgekehrt nach dem Apex der Schale gerich-
tet ist.
Ich halte aus diesen Gründen, im Verein mit den schon früher gel-
tend gemachten paläontologischen, die Ansicht Häckel’s, dass die
Plagiacanthiden die ursprünglichsten Monopyleen seien, für nicht zu-
treffend. Will man von ihnen die Cyrtida, wie Häckel versucht, direct
ableiten, so bereitet die Erklärung der Hervorbildung des für Cyrtida,
wie die übrigen Monopylaria so charakteristischen Primärrings grosse
Schwierigkeit, ganz abgesehen von einer Reihe weiterer Schwierigkeiten.
Viel natürlicher erscheint es mir daher, die Plagiacanthiden umgekehrt
als eine sehr aberrante Gruppe zu betrachten, welche sich aus einfachen
Stephida durch Rückbildung des eigentlichen Ringes herleiten lässt. Der
Annahme einer solehen Rückbildung dürften um so weniger Bedenken
entgegenstehen, da ja auch die Cyrtiden weitgehende Rückbildungs-
erscheinungen des Köpfehens aufweisen, dessen Grundlage ja ebenfalls
der Ring bildet. Eine einfache dreistachelige Plagiacanthaform würde sich
nach dieser Anschauung etwa von einer einfachen Stephidenform her-
leiten, welehe schon die beiden charakteristischen Stabfortsätze e, die
Stäbe nämlich, welche die beiden Basallöcherpaare scheiden, sowie einen
vorderen Stachel als Verlängerung der vorderen basalen Ringhälfte aus-
gebildet hätte. Es sind dies ja die uns bekannten drei charakteristischen
Urstacheln der einfachsten Zygoeyrtida und Cyrtida. Durch Rückbildung
des Ringes bis auf seine vordere, basale Hälfte würde sich aus diesem
Skelet das dreistachelige Skelet einer einfachsten Plagiacanthide herleiten,
indem Hand in Hand mit der Verkümmerung des Ringes die drei Stachel-
fortsätze sich ansehnlicher entwickelten.
Geringere Wahrscheinlichkeit scheint mir dagegen die gleichfalls
mögliche Auffassung zu besitzen: eine solche dreistachelige Plagiacan-
thidenform zum Ausgangspunkt der einfachen Ringskelete (Stephida) zu
machen, und den Primärring nachträglich entstehen zu lassen. Die ein-
fachsten Stephidenformen wären dann durch Verkümmerung der drei
Stachelfortsätze des Primärrings entstanden zu denken,
400 Radiolaria.
Schwierigkeiten bereitet unsrer Auffassung jedoch die Herleitung der
mehr- bis vielstacheligen Plagiacanthidae. Leicht zu erklären sind nur
die vierstacheligen Formen, denn diese lassen sich ohne Schwierigkeiten
durch die Annahme ableiten, dass sich auch noch die hintere basale
Hälfte des Primärrivgs als vierter Stachel erhält und auswächst, ja diese
Formen würden sich daher noch als primitiver wie die dreistacheligen
ergeben. Die Schwierigkeit erhebt sich aber bei den mehrstacheligen. Wir
wissen ja zwar, dass auch die Zygoeyrtida und die Cyrtida sehr häufig
zahlreichere Stacheln um die vier Basallöcher entwickeln, jedoch setzen
sich bekanntlich stets nur die vier primären Stacheln bis zur Vereinigung
im Centrum der vier Basallöcher, d. h. am Basalpol des Primärringes
fort, nie dagegen die seeundären, welche ihren Ursprung von dem Rand
der vierlöcherigen Basalscheibe nehmen.
Um nun die vielstacheligen, bis jetzt noch nicht genauer beschrie-
benen Plagiacanthiden unsrer Auffassung gemäss zu erklären, bieten sich
zwei Wege. Entweder leiten sich die Plagiacanthiden überhaupt doch
vielleicht von etwas höher entwickelten Stephida mit vierlöcheriger Basal-
scheibe, welche jedoch sehr verkümmerte und zusammenschrumpfte, ab,
oder die. vielstacheligen Formen entstanden in der Weise, dass sich ein-
zelne oder sämmtliche der drei oder vier ursprünglichen Stacheln dicht
an ihrem Ursprung verzweigten.
Welche dieser Möglichkeiten grössere Wahrscheinlichkeit für sich hat
und ob überhaupt eine derselben zulässig erscheint, wird sich wohl ent-
scheiden lassen, wenn die genauere Beschreibung dieser Plagiacanthiden
vorliegt; vielleicht bieten einige derselben noch Merkmale dar, auf welche
bis jetzt weniger geachtet wurde und die gerade für ihre Ableitung von
Wichtigkeit sind.
Wir reihen hier endlich noch die Besprechung einer kleinen Gruppe
der Monopyleen an, welche gleichfalls erst neuerdings in ihrer Mannig.
faltigkeit erkannt wurde (37), während seither nur die einzige Gattung
Prismatium Hek. dieselbe repräsentirte. Jetzt hat sich Häckel auch wohl
von der Zugehörigkeit derselben zu den Monopyleen durch Untersuchung
der Centralkapsel überzeugt, da dieser Punkt seither noch unerledigt ge-
blieben war. Häckel reiht diese Gruppe als Parastephida unter seine
Stephida ein, sucht sie daher genetisch von den einfacheren Ringskeleten
abzuleiten. Auch ich habe es versucht (38), die Gattung Prismatium in
solcher Weise zu deuten, muss jedoch jetzt gestehen, dass mir nach un-
gefährer Bekanntschaft mit den Charakteren der zahlreichen, von Häckel
neugefundnen Formen dieser Parastephida jener Versuch nicht mehr ge-
rechtfertigt erscheint, ja dass mir die Möglichkeit der Ableitung der
Parastephidenskelete von jenen der Stephida sehr zweifelhaft geworden
ist. Eine kurze Schilderung der typischen Eigenthümlichkeiten dieser
Skelete wird dies wohl erläutern. Ich muss mich hierbei der Darstellungs-
weise Häckel’s anschliessen, da, wie bemerkt, nur Prismatium bis jetzt
durch Abbildungen erläutert ist; ich hebe dies ausdrücklich hervor, weil
Bau der Skelete (Parastephida). 401
mir die Möglichkeit einer etwas abweichenden Auffassung und damit
auch Darstellung nicht ausgeschlossen erscheint. Zuvor sei bemerkt, dass
das Skelet der Parastephida wie ein aus meist wenigen Kieselbälkchen
aufgebautes Gerüst, die in ihm aufgehängte Centralkapsel dieht umgibt.
Nach Häckel’s Darstellung setzt sich dieses Skelet nun stets aus
zwei (wohl an Grösse gleichen) Kieselringen zusammen, welche sich -in
paralleler Lagerung gegenüberstehen und dureh eine sehr verschiedne
Fig. 7.
Erklärung des Holzschn. Fig. 7.
Schematische Constructionen einiger Ver-
treter der Subfamilie der Parastephida
Hek. (37) nach den Charakteristiken
Häckel's. Nr. 1-4 Vertreter der wich-
tigsten Typen der Tribus der Paraste-
phanida (1 entspricht etwa Parastepha-
nus Hck., 2 Prismatidium Hck., 3 Litho-
eubus Hck. und 4 Protympanium Hck.);
Nr. 5 Vertreter der Tribus der Para-
tyınpanida (entspricht etwa Paratympa-
nium Hck.).
Zahl zwischen ihnen ausgespannter, auf den Ringebenen senkrecht stehen-
der Kieselbalken unter einander vereinigt sind (Holzschn. Fig. 7). Zwei,
drei, vier bis fünf und mehr solcher Kieselbalken spannen sich der Art
in regelmässiger Anordnung zwischen den beiden Ringen aus, so dass die
Abstände ihrer Ursprungsstellen von den Ringen unter sich gleich sind und
sämmtliche Balken natürlich unter einander parallel. Das gesammte Skelet
der Parastephida erweist sich hiernach ziemlich deutlich prismatisch, da
namentlich auch die beiden Ringe, wie es scheint, eine etwas stumpf-
eckige Bildun& annehmen, indem die Ursprungsstellen der Kieselbalken
etwas eckig hervorgezogen erscheinen. Die beiden Ringe sind theils
glatt, unbestachelt, theils mit einfachen oder verzweigten Dormen be-
deckt. Schliesslich tritt bei einigen Formen noch die Weiterbildung
hinzu, dass das Lumen der beiden Ringe durch eine Gitterbildung ge-
schlossen wird (Holzchn. Fig. 7, 5).
Wie gesagt, scheint es mir bis jetzt nicht wohl möglich, die sehr
eigenthümlich gebauten Skelete der Parastephiden mit denen der Ste-
phida und den sich nach unsrer Auffassung von ihnen ableitenden For-
men in genetischen Zusammenhang zu bringen. Vielleicht wird jedoch
die zu erwartende genaue Schilderung Häckel’s auch für diese Gruppe
den erwünschten Aufschluss geben.
Bronn, Klassen des Thier-Reichs., Protozon, 36
402 Radiolaria,
4. Der Bau des Weichkörpers der Radiolarien,
Wir eröffnen die Betrachtung des Weichkörpers der Radiolarien mit
der Besprechung eines ÖOrganisationsbestandtheils, welcher nach seiner
schon früher erläuterten morphologischen Bedeutung eigentlich unter die
Hüll- oder Skeletgebilde gerechnet werden müsste. Seine innige Verbin-
dung mit dem eigentlichen Weichkörper, ja seine Einlagerung in den-
selben im ausgebildeten Zustand rechtfertigt seine Besprechung an dieser
Stelle.
A. Die Oentralkapsel.
Die allgemeine Verbreitung und Bedeutung der Centralkapsel wurde
schon im Vorhbergehenden mehrfach betont. Doch sind in neuerer Zeit
einige Wahrnehmungen gemacht worden, welche, wenn sie sich bestätigen,
die allgemeine Bedeutung. der Centralkapsel für den Radiolarienorganis-
mus, wie sie Häckel seiner Zeit betonte, nicht unbeträchtlich ein-
schränken dürften.
Zunächst bemühte sich Hertwig (33) bei einer erwachsenen Acantho-
metree, dem Acanthochiasma rubescens Hcek., vergeblich, etwas von einer
Centralkapselmembran zu entdecken und im Anschlusse hieran bemerkt neuer-
dings Brandt (36), dass bei vielen Acanthometreen eine Centralkapsel nicht
nachweisbar sei. Auch bei einer Anzahl Sphaerozoeen hat Brandt vergeblich
nach einer Centralkapselmembran gesucht und ist der Ansicht, dass sich
dieselbe bei diesen Formen erst mit Beginn der Schwärmerfortpflanzung
hervorbilde. Bis jetzt scheint mir diese Angelegenheit noch nicht hin-
reichend erforscht zu sein. Wie weiter unten noch eingehender erörtert
werden wird, neige ich mich der Ansicht zu, dass eine deutliche Schei-
dung des Plasmas der Radiolarien in zwei ineinander geschachtelte Re-
sionen, welche gewöhnlich durch die Centralkapselwand geschieden sind,
höchst wahrscheinlich nur bei Vorhandensein einer solchen Membran zu
Stande kommt. Ich bin daher auch sehr geneigt anzunehmen, dass
wenigstens bei den erwachsenen Sphaerozoeen, wo die beiden Plasma-
regionen stets deutlich zu erkennen sind, auch eine, wenn auch sehr
zarte Centralkapselhaut vorhanden sein dürfte*). Natürlich besprechen
*) Mit dem Mangel oder der Dünne der Kapselwand der Sphaerozoön während ihrer
Jugendzeit steht ohne Zweifel die bäufig recht unregelmässige und mannigfaltig wechselnde
Gestalt der Centralkapseln ihrer Kolonien in Zusammenhang. Schon Häckel (16) hat hierauf
hingewiesen und blieb zweifelhaft, ob er die Ursache dieser Erscheinung einer Con-
tractilität der Kapseln oder der Wirkung des umgebenden Plasmas zuschreiben sollte.
Später haben Cienkowsky und namentlich Brandt dieses Verhalten wieder betont und letzterer
erblickt in der sehr unregelmässigen, z. Th. sogar in spitzige oder zackige Fortsätze ausge-
zogenen Gestalt der Oentralkapseln einen Beweis ihrer Membranlosigkeit. Ich glaube, dass
eine solche Gestaltsveränderlichkeit auch bei Gegenwart einer zarten Membran bis zu gewis-
sem Grade nicht ausgeschlossen sein dürfte. Wie Brandt möchte auch ich die wechselnden
Gestaltsverhältnisse der Kapseln einer Activität ihres Plasmas zuschreiben, nicht dagegen einer
directen Wirkung ihrer Umgebung.
Centralkapsel (Allgemeiner Ban). 405
wir in diesem Abschnitt nur die Kapsel in engerem Sinne, nicht dagegen
ihren Inhalt. Morphologisch betrachten wir mit Hertwig die Centralkapsel
als ein der Rhizopodenschale entsprechendes Sehalenhäutchen, das jedoch
in seinem feineren Aufbau wesentliche Eigenthümlichkeiten verräth, wenn
auch nicht so abweichende, um die betonte Homologisirung unmöglich zu
machen. Auch Häckel nähert sich neuerdings dieser Auffassung der
Centralkapselhaut (34, 37), indem er sie als Zellmembran bezeichnet,
eine Anschauung, mit der die unsrige im Wesentlichen übereinstimmt.
Die Centralkapsel der Radiolarien wird von einer einfachen oder dop-
pelten Haut gebildet, deren chemische Natur sich ohne Zweifel der Reihe
stickstoffhaltiger, resistenter, thierischer Abscheidungsprodukte anschliesst,
welche sich um das sogen. Chitin gruppiren. Es zeichnet sich daher auch
die Centralkapselwand durch ihre verhältnissmässige Resistenz gegen
chemische Reagentien, stärkere Säuren und Alkalien, aus und lässt sich
mit deren Hülfe z. Th. auch deutlicher zur Ansicht bringen.
Diese Centralkapselwand umschliesst allseitig einen centralen Theil
des protoplasmatischen Weichkörpers, jedoch erleidet die im jugendlichen
Zustand ohne Zweifel ganz allgemeine centrale Lagerung der Kapsel im
Alter zuweilen eine gewisse Verschiebung durch einseitiges Weiterwachs-
thum des Körpers. Hinsichtlich ihrer Beziehung zu den eigentlichen
Skelettheilen ist hervorzuheben, dass letztere theils ganz ausserhalb der
Kapsel, sie umschliessend, ihre Lage finden, theils jedoch auch mit ihren
centralen Partien in dieselbe eingelagert sind, ja dass bei einer Anzahl
Radiolarien die Centralkapsel sogar die Hauptmasse des Skelets in sich
aufnimmt.
Die Grösse der Kapsel richtet sich natürlich im Allgemeinen nach
der Grösse der Thiere, doch zeigen sich auch bedeutende Schwankungen
ihres Volums im Vergleich zu dem des Thierkörpers. Bei solchen Formen
wie den Diseiden und Spongodiseiden, wo die Kapsel nahezu das ge-
sammte Skelet einschliesst, ist sie auch relativ sehr gross. Bei anderen
hingegen, wo sie nur einen kleinen Theil des centralen Skelets umhüllt
oder letzteres sich ganz nach aussen von ihr entwickelt, tritt sie im All-
gemeinen mehr zurück. Am meisten ist dies vielleicht der Fall bei
grossen Phaeodarien (Coelothamnus z. B.). Die bedeutendste absolute
Grösse erreicht die Kapsel bei den Colliden, 2 Mm. Durchmesser bei
Thalassolampe, 5 Mm. sogar bei Physematium. [
Wie schon früher erörtert wurde, betrachten wir mit Hertwig_ die
homaxone oder kugelförmige Gestaltung der Centralkapsel als die ur-
sprünglichste. Dieselbe ist denn auch noch bei zahlreichen Peripylarien
erhalten, so bei Colliden und Sphaerozoeen, wie regulären Acanthometreen
und regulären Sphaerideen. Hand in Hand mit den Modifieationen der
Skeletbildung modifieirt sich jedoch auch die Gestalt der Kapsel, in-
dem dieselbe im Allgemeinen die Grundgestalt des Skelets nachahmt.
Welehes Moment hierbei das maassgebende ist, ob die Kapsel sich nach
dem Skelet richtet, oder letzteres nach dieser, oder ob ein gemeinsames
26*
Aa -. “ Radiolaria.
Drittes auf beide bestimmend einwirkt, lässt sich zur Stunde wohl noch
nicht sicher entscheiden.
Unter den Acanthometreen wird die reguläre Kugelgestalt der Kapsel
dureh die stärkere Entwicklung gewisser Stacheln modifieirt; durch Aus-
wachsen der vier Aequatorialstacheln entwickelt auch sie sieh in der
Aequatorialebne stärker und plattet sich daher etwas ab, wächst auch
entsprechend den vier Aequatorialstacheln stärker aus und nimmt einen
quadratischen bis rhombischen Umriss an (Acanthostaurus z. Th.) oder
bildet vier den Stacheln entsprechende Lappen (Acanthostaurus z. Th.,
Lithoptera, XXVII. 10). Besondre Verlängerung zweier gegenständiger
Aequatorialstacheln ruft auch eine entsprechende Längsstreckung der
Kapsel hervor, die zunächst elliptisch, schliesslich sogar walzenförmig
wird (Amphilonche, XXVI. 7) und entweder eine mittlere Anschwellung
oder eine entsprechende Einschnürung aufweist (Amphilonche z. Th. und,
Diploconus, XXVII. 11). Bei Amphilonche wird die langgestreckte Kapsel
gelegentlich auch längskantig, in Zusammenhang mit der kantigen Bil-
dung der beiden Hauptstacheln. Wie zu erwarten, ist bei dem merkwür-
digen Litholophus Rhipidium Hek. (XXVII. 1) auch die Centralkapsel
dem Skelet entsprechend modifieirt.
Bei den gitterkugligen Dorataspiden unter den Acanthometreen und
bei den Sphaerideen stimmt die Gestalt der Kapsel überein mit der all-
gemeinen Skeletgestalt, wird demnach auch bei gewissen Dorataspiden
mit ellipsoidischer Gitterschale ellipsoidisch (XXVIII. 6) und macht alle
die Wandlungen der Skeletgestalt mit, welche die irregulären Sphaerideen
darbieten. Bei den Phacodiseiden nimmt die Centralkapsel daher eine
linsenförmig abgeplattete Gestalt an. Bei den Diseiden und Spongodis-
ciden dagegen, wo das Skelet, wie erwähnt, nahezu völlig in der Central-
kapsel eingeschlossen ist, wird sie scheibenförmig und geht natürlich auch
in die Bildung der armartigen Fortsätze der Cocco-, Poro- und Spongo-
discidae ein. Auch bei den Zygartida richtet sich die Centralkapselbildung
nach der Skeletgestalt, jedoch ist über diese Gruppe bis jetzt nur wenig
bekannt und dies gilt noch mehr von den Pylonidae und Lithelida.
Bei allen besprochnen Abtheilungen der Peripylaria, deren Central-
kapselbildung sich auf einen ursprünglich homaxonen Grundtypus zu-
rückführen lässt, prägt sich dieser auch in der feineren Beschaffenheit
der Centralkapselwand aus. Dieselbe entbehrt nämlich durchaus grösserer
Durchbrechungen oder Oeffnungen, sondern ist wohl allgemein von sehr
zahlreichen, dicht stehenden und sehr feinen Porenkanälchen durchsetzt.
Doch sind bis jetzt solche Porenkanälehen nur bei wenigen Peripylaria
direet beobachtet worden, solchen nämlich, bei welchen die Centralkapsel-
wand eine beträchtlichere Dicke erreicht, wie bei einem Theil der
Colliden und der Sphaerozoeen. Nur bei den ebengenannten er-
reicht nämlich die Kapselwand eine solche Dieke, dass sie deutlich
doppelt contourirt erscheint (bei Thalassicolla bis 0,008 Mm.), während
Centralkapsel (Peripylaria, Monopylaria). 405
sie bei den übrigen Peripylarien fast durchaus. einfach eontourirt ist.
Bei Flächenbetrachtung erscbeint die Centralkapselmembran der ersterwähn-
ten Formen häufig deutlich fein punktirt; im optischen oder wirklichen
Schnitt dagegen fein radiär gestrichelt (XVII. 4c—d). Dieses Aussehen der
Centralkapselwand, im Verein mit der Erfahrung, dass das Hervortreten
von Protoplasma durch die Kapselwand bei Thalassicolla thatsächlich zu
constatiren ist, lässt wohl keine andre Deutung wie die gegebne zu.
Nach diesen Erfahrungen erscheint es nicht ungerechtfertigt, eine
entsprechende, allseitig gleichmässige, jedoch sebr feine Porosität den
Peripylarien iiberhaupt zuzuschreiben, was noch dadurch unterstützt wird,
dass Hertwig (33) bei den Acanthometriden thatsächlich feine, in Strö-
mung begriffne Protoplasmakörnchen durch die Centralkapselmembran
hindurchtreten sah.
Wir erwähnen an dieser Stelle gleich, dass die dieke Kapselmembran
der Thalassicolla nueleata eine polygonal-gefelderte Zeichnung darbietet,
welche nach Hertwig (28) von leistenförmigen Erhebungen auf der Innen-
fläche der Membran herrührt (XVII. &e).
Durchaus monaxon umgestaltet erscheint die Centralkapsel der Mono-
pylaria, in Zusammenhang mit der Skeletentwicklung dieser Formen.
Dies spricht sich einerseits darin aus, dass die Gestaltung der Kapsel bei
den einfacheren Formen häufig eine deutlich ellipsoidische wird (auch
schon bei Cystidium, der einzigen bis jetzt bekannten skeletlosen Form)
und eine derartige Gestaltung ist bei den Monopylaria wohl sicherlich die
ursprüngliche, an welcher sich jedoch eine Reihe wesentlicher Modifica-
tionen mit der Weiterentwicklung des Skelets einstellen.
Der monaxone Typus der Monopylarien-Centralkapsel gelangt je-
doch speciell noch dadurch zur Ausprägung, dass die Communieations-
öffnungen oder Poren hier auf den basalen Pol beschränkt sind, welchen
sie in Gestalt eines sogen. Porenfeldes bedecken, wie dies zuerst von
Hertwig (33) nachgewiesen wurde.
So sicher es nun einerseits auch erscheint, dass die Communications-
öffnungen in der Centralkapselwand der Monopylaria auf dieses basale,
sogen. Porenfeld beschränkt sind, so ist dessen Bau doch noch keines-
wegs hinreichend aufgeklärt. Bei den einfacher gestalteten, kugligen
bis ellipsoidischen Kapseln der Stephida und Zygoecyrtida ist der basale,
vom Porenfeld eingenommene Pol der Kapsel gewöhnlich etwas flach ab-
gestutzt und das so gebildete Porenfeld zeichnet sich nun namentlich da-
durch aus, dass sich in seiner Ausdehnung eine bei den verschiednen
Formen wechselnde Anzahl kleiner, stäbehenartiger, dunkler Gebilde an-
scheinend iu die Wand der Kapsel eingelagert finden (XXVII. 8, 9, 9a,
XXIX. 9). Diese Stäbehen stehen stets senkrecht zur Porenfeldfläche
und färben sich ganz allgemein mit Carmin sehr intensiv. Ihre An-
ordnung im Porenfeld ist verschieden, theils sind sie über die gesammte
Fläche desselben zerstreut, theils dagegen bilden sie nur einen ein-
fachen Kranz in dessen Peripherie; bei einer Form liess sich auch die
406 Radiolaria.
eigenthümliche Anordnung zu drei sich central berührenden Kränzen nach-
weisen. Besonders ansehnlich sind diese Stäbchen bei der eigenthümlichen
Gatt. Trietyopus ausgebildet, ragen hier zäpfchenartig über die Fläche
des Porenfeldes äusserlich ein wenig hervor und ihr peripherisches Ende
nimmt bei erwachsenen Thieren eine etwas dreizackige Beschaffenheit an.
Hertwig fasst diese Stäbchen als verdickte Partien der Kapselmem-
bran auf, welebe von einem feinen Kanal, dem eigentlichen Porus durch-
bohrt würden. Für letztere Annabme spricht namentlich die Beobachtung,
dass bei gewissen Formen feine extrakapsuläre Protoplasmaströmchen
von den einzelnen ‚Stäbchen entspringen. Dagegen finden sich jedoch
auch einige Thatsachen, welche nach meiner Ansicht einer solchen
Auffassung Schwierigkeiten bereiten, so namentlich die im Verhalten
gegen Färbemittel sich aussprechende, eigenthümliche chemische Be-
schaffenheit der Stäbehen und weiterbin das von Hertwig bei Eueyrtidium
beobachtete Verhalten derselben zur extrakapsulären Sarkode. Wurde
nämlich letztere von der Centralkapsel abgelöst, so blieben die Stäbchen
an ihr haften.
Zu diesem sogen. Porenfeld gesellt sich jedoch noch ein weiteres
sehr eigenthümliches Structurelement hinzu, welches wir nach Hertwig
ebenfalls als Bestandtheil der Kapselwand zu betrachten hätten. Dies ist
der sogen. Pseudopodienkegel; ein heller, kegelförmig zugespitzter Auf-
satz, welcher sich über dem Porenfeld als Basis mehr oder weniger tief
in das Innre der Centralkapsel hinein erhebt. Dieser Pseudopodienkegel
reicht theils bis etwa zum Centrum der Kapsel, theils jedoch noch be-
trächtlich über dasselbe hinaus bis zum Apicalpol der Kapsel heran. Ge-
wöhnlich besitzt er die Gestalt eines geraden, regulären Kegels, zuweilen
wird er jedoch auch zu einem schiefen. In seiner Substanz bemerkt
man zarte Linien, welche von der Spitze zu den Stäbchen des
Porenfelds ziehen und die Kegelspitze tritt z. Th. sehr deutlich als ein
aus homogener Masse gebildetes, besonderes Stück hervor, theils je-
doch gibt sie sich durch ihre intensive Färbung in Carmin, ähnlich wie
die Stäbehen des Porenfeldes, als etwas Besonderes zu erkennen. Hertwig,
der erste Beobachter aller dieser Verhältnisse, sucht für dieselben folgende
Deutung geltend zu machen, welche er hauptsächlich darauf stützt, dass
sich der Pseudopodienkegel, ebenso wie die Stäbehen des Porenfeldes,
gegen die Einwirkung von Alkalien widerstandsfähig erweisen und daher
wohl ähnlicher Natur seien wie die Kapselmembran. Der Pseudopodien-
kegel wäre nach ihm aufzufassen als eine von zarten Kanälen, den
Fortsetzungen der Porenkanäle der Stäbchen, durchzogne Erhebung der
Kapselwand; durch die erwähnten Kanäle, welche auf der Kegelspitze
sich öffnen sollen, würde das intrakapsuläre Protoplasma seinen Aus-
gang finden und schliesslich aus den Poren der Stäbehen hervortreten.
Ich möchte schon bei dieser Gelegenheit andeuten, dass mir diese
Auffassung des Pseudopodienkegels bis jetzt noch ziemlich unsicher er-
Centralkapsel (Monopylaria). 407
scheint; ich halte es nämlich nicht für unmöglich, dass der gesammte
Pseudopodienkegel doch vielleicht eine rein plasmatische Bildung ist und
mit einer eigenthümliehen Axenfädenbildung der Pseudopodien in Zu-
sammenhang steht, wie sie ja auch die Radiolarien z. Th. besitzen. Doch
darüber wird erst bei der Besprechung der Pseudopodien Näheres zu be-
merken sein, nur dürfte hier noch hervorgehoben werden, dass der Pseudo-
podienkegel nach Hertwig’s Beobachtungen thatsächlich einen innigeren
Zusammenhang mit dem intrakapsulären Plasma als mit der Kapselwand
zeigt, da er nämlich mit dem ersteren in Zusammenhang bleibt, wenn es
sich durch Einwirkung von Reagentien von der Kapselwand zurückzieht.
Eine Reihe sehr interessanter Umgestaltungen erleidet die Central-
kapsel bei den Zygoeyrtida und namentlich bei den Cyrtida. Bei ersteren
füllt sie, wie zu erwarten war, den Hohlraum der Schale nahezu völlig
aus und nimmt daher auch gewöhnlich, entsprechend deren Form, eine
querovale Gestaltung an, z. Th. mit mittlerer, durch den Primärring be-
dingter Einschnürung. In entsprechender Weise erfüllt die Centralkapsel
der Cyrtida ursprünglich allein das der Zygoeyrtidenschale entsprechende
sogen. Köpfchen. Ein solebes Verhalten bleibt denn auch bei einer Reihe
eingliedriger Cyrtidenformen mit ansehnlichem Köpfchen und gering ent-
wickeltem erstem Gliede noch erhalten und findet sich in gleicher Weise
auch bei den Jugendformen der übrigen, ja ohne Zweifel denen sämmtlicher
Cyrtida realisirt (XXIX. 19). Bei den höher entwickelten Formen dagegen
mit geringer ausgebildetem Köpfehen und stärker entwickelten Gliedern ver-
grössert sich die im Köpfchen anfänglich hinreichenden Platz findende
. Centralkapsel beim Weiterwachsthum sehr ansehnlich und wächst, da ja
das Lumen des Köpfchens selbst nicht an Grösse zunimmt, durch
dessen Basallöcher in das folgende erste Glied oder bei den mehr-
sliedrigen Formen auch noch in weitere Glieder hinein. Dieses Durch-
wachsen geschieht gewöhnlich nur durch die vier ansehnlichen Basal-
löcher der sogen. Scheidewand zwischen Köpfchen und erstem Glied, indem
sich durch jedes Loch ein mehr oder minder ansehnlicher, zipfel- bis bruch-
sackartiger Auswuchs der Kapsel verschieden tief in das erste oder bis in fol-
vende Glieder hinein erstreckt (XXIX. 11, 13b, 14a; XXX. 19). Bei einigen
Formen gelangen jedoch nur drei solcher Bruchsäcke zur Ausbildung, was
einigermaassen überraschend ist, da alle diese dreigelappten Formen ohne
Zweifel vier Basallöcher besitzen; für einige ist dies ganz direet constatirt.
Die Ursache dieser Dreilappigkeit der Centralkapsel könnte unter solchen
Umständen eine verschiedene sein; entweder unterbleibt der Durechtritt
(durch eines der Löcher und kommt so ein Lappen weniger zur Ausbildung,
oder es findet eine nachträgliche Verschmelzung zweier Lappen statt,
was nach den Erfahrungen bei den Sphaerideen nicht unmöglich erscheinen
dürfte. Mir scheint letztere Annahme mehr für sich zu haben, und ich
bin geneigt, bei den dreilappigen Formen eine nachträgliche Verschmel-
zung der beiden durch das hintere Löcherpaar (l) hervorgetretnen Lappen
anzunehmen, da der Stab e, welcher diese beiden Löcher scheidet, häufig
408 Radiolaria.
sehr zart ist und daher eine solche Verschmelzung wohl begünstigt.
_ Immerhin bedürfen diese Verhältnisse noch eingehenderer Untersuchung.
Unter Umständen wird jedoch die Lappenzahl auch grösser wie vier;
es treten dann nämlich (Carpocanium, XXX. 13a, b) im Umkreis der vier
Hauptlappen noch einige secundäre, kleinere auf. Dies erklärt sich leicht
dadurch, dass die Köpfchenbasis (die Scheidewand zwischen Köpfchen und
erstem Glied) im Umkreis der vier Basallöcher häufig noch eine Anzahl
kleinerer Poren aufweist, welehe demnach zuweilen ebenfalls zu Fortsatz-
bildungen der Centralkapsel Veranlassung geben.
Auch die bis jetzt genauer untersuchten sogen. Monocyrtiden Häckel’s
besitzen fast durchaus eine deutlich gelappte Centralkapsel, was beweist,
dass auch sie eine Scheidewand haben, und die von Hertwig und mir
versuchte Ableitung dieser Formen bestätigt. Bei sehr starker Verküm-
merung des Köpfchens, wie sie eine Reihe solcher Formen, so Litharach-
nium Hek. und Cornutella, aufweisen, kann natürlich nur ein äusserst
kleiner Theil der Centralkapsel in dem Köpfchen eingelagert sein. Auch
ist es zweifelhaft, ob sich hier die Lappenbildung der Centralkapsel noch
erhält. Bei Litharachnium blieb Häckel zweifelhaft, ob die tiet ins erste
Glied herabreichende birnförmige Centralkapsel gelappt ist oder nicht.
Das letztere wäre nicht sehr erstaunlich, da bei dieser und verwandten
Formen mit sehr minutiöser Scheidewand eine nachträgliche Verschmel-
zung der Lappen leicht eintreten könnte. Bei Cornutella*) ist die Scheide-
wand dagegen z. Th. ganz rückgebildet worden und der Grund zur
Lappenbildung der Centralkapsel also weggefallen. Bis jetzt sind keine
solehe Cornutellaformen oder Verwandte mit Centralkapsel beschrieben .
worden, doch lässt sich wohl auch so schon behaupten, dass dieselben
wieder eine einfache, ungelappte Centralkapsel aufweisen werden. Es
liegt bis jetzt überhaupt nur die Beschreibung einer einzigen, wohl siche-
ren Cyrtidenform mit ovaler, ansehnlicher, ungelappter Centralkapsel vor,
nämlich die des Trietyopus elegans von Hertwig (33), doch fehlt für die Beur-
theilung dieser Form gerade der wichtigste Anhaltepunkt, indem der apicale
Theil des Skelets bei den beobachteten Exemplaren abgebrochen war.
Das lappige Auswachsen des Basaltheils der Cyrtidenkapsel muss
naturgemäss auf die Entwicklung des am Basalpol gelegenen Poren-
felds einen sehr wesentlich umgestaltenden Einfluss ausüben. Dies tritt
denn auch deutlich hervor, nur ist die Beobachtung dieser Verhältnisse
damit auch schwieriger geworden. Es sind wesentlich die geschilderten
Stäbchen des Porenfeldes, welche zur Beobachtung gelangten und z. Th.
recht interessante Stellungsverhältnisse aufwiesen (Hertwig 33).
Bei schwächerer Entwicklung der drei oder vier Lappen behaupten
diese Stäbchen noch ihren ursprünglichen Platz an der Basis der Üentral-
kapsel zwischen den Ursprüngen der Lappen. Bei stärkerer Lappen-
entwicklung rücken die Stäbchen jedoch auf die Lappen selbst und zwar
*) Diese Gattung in der ihr von mir gegebnen Umgrenzung (s. Nr. 38).
Gentralkapsel (Monopylaria, Phaeodaria). 409
natürlich die axialen einander zugekehrten Lappenflächen, indem sie sich
bald mehr in Form einer Gruppe am apicalen oder basalen Theil der
Lappen zusammengestellt finden, oder bei sehr ansehnlich langen Lappen
in Gestalt eines Stäbehenbandes längs der Innenfläche jedes Lappens herab-
ziehen (XXX. 19). Von einem deutlichen Pseudopodienkegel war bei diesen
Ausbildungszuständen der Kapsel nichts mehr zu sehen; jedoch traten zu-
weilen noch ziemlich deutlich zarte Linien hervor, welche von den Stäb-
chen entsprangen und nach dem Apex der Centralkapsel hinzogen.
Die Centralkapselwand der Monopylaria ist bisweilen ziemlich derb
und deutlich doppelt contourirt.
Ein dritter sehr bemerkenswerther Typus der Centralkapselbildung ist
den sogen. Phaeodaria (Tripylea Hertwig’s) eigenthümlich und wurde
gleichfalls zuerst durch die Untersuchungen Hertwig’s (33) bekannt.
Zunächst zeichnen sich die Centralkapseln dieser Abtheilung vor den-
jenigen sämmtlicher übriger Radiolarien dadurch aus, dass ihre Wand aus
zwei trennbaren Häuten besteht, einer ziemlich dieken und deutlich doppelt
contourirten äusseren und einer zarten inneren (XXX11.9). Beide Häute sind
im lebenden Zustand dicht aufeinandergelagert und daher nicht leicht zu
unterscheiden; durch Anwendung von Reagentien jedoch, welche das intra-
kapsuläre Plasma zur Gerinnung und Schrumpfung bringen, löst sich
auch die innere Haut von der äusseren ab und zieht sich, dem Plasma
anhaftend, von der äusseren zurück. Erstere erscheint dann als ein zar-
tes zerknittertes Häutchen, welches die Oberfläche des Plasmas überkleidet
und gewöhnlich mit der äusseren Haut nur noch an den gleich zu schil-
dernden Oeffnungen in Zusammenhang steht.
Ein weiterer eigenthümlicher Charakter der Centralkapseln der Phaeo-
darien liegt darin, dass nicht zahlreiche feine Poren ihr Lumen mit der Aussen-
welt in Verbindung setzen, sondern dass sich zu diesem Behufe grössere
Oeffnungen in verschiedner Zahl vorfinden. Bei den meisten Phaeodarien
scheinen drei solcher Oeffnungen vorhanden zu sein, was auch ihren Ent-
decker Hertwig veranlasste, der zuerst von ihm richtig unterschiednen
Gruppe den Namen Tripyleae zu geben. Da ferner nur der Central-
kapselbau solch tripyler Formen bis jetzt genauer erforscht ist, so
machen wir deren Schilderung zur Grundlage unsrer Darstellung und
schliessen derselben nur wenige Worte über die abweichenden Formen an.
Die tripyle Centralkapsel erscheint wie die der Phaeodarien über-
haupt nabezu kuglig, jedoch gewöhnlich schwach längsgestreckt bis linsen-
förmig. Ihre drei Oeffnungen sind nicht gleich gebaut, sondern wir unter-
scheiden eine Haupt- und zwei Nebenöffnungen. Die Hauptöffnung (o') nimmt
den Mittelpunkt einer der etwas abgeplatteten Flächen ein, während die
beiden Nebenöffnungen (0) sich auf der entgegenstehenden Abplattungsfläche
in gleichen Entfernungen von deren Centrum befinden. Die tripyle Cen-
'tralkapsel zeigt demnach eine deutlich monaxone Ausbildung, mit einer
Hauptaxe, welche durch die Hauptöffnung geht. Diese Hauptöffnung er-
hebt sich als eine kürzere oder längere Röhre anf einem uhrglasförmig
410 Radiolaria.
oder brustwarzenartig hervorgewölbtem Feld der Centralkapselwand. Die
Röhre selbst wird nur von der äusseren Haut gebildet, während die innere
Membran unterhalb der beschriebenen Hervorwölbung, welche die Röhre
trägt, eine radiärstreifige Beschaffenheit zeigt.
Die beiden Nebenöffnungen (XXXN. 8d) werden zunächst gebildet von
einer niedrigen, röhrigen Erhebung der äusseren Haut, etwa von Gestalt eines
kurzen Flaschenhalses. Vom Mündungsrand dieses Aufsatzes schlägt sich
die ihn bildende äussere Haut wieder nach innen zurück und verwächst
am Boden des Aufsatzes mit der inneren Haut. Dieser Verwachsungs-
ring erhebt sich nun als hohler Kegel in den Aufsatz empor und seine
geöffnete Spitze bildet die eigentliche Oeffnung. Nach innen von der Basis
dieses Kegels lagert sich eine halbkuglig ins Lumen der Kapsel vorsprin-
sende, homogene und in Carmin sich meist stark färbende Masse an,
welche gegen das intrakapsuläre Protoplasma scharf abgegrenzt erscheint.
Ueber die Bedeutung der letzterwähnten Masse liegen bis jetzt noch keine
Daten vor.
Die neueren Untersuchungen Häckel’s über die Phaeodarien des
Challenger (34) haben jedoch ergeben, dass, wie schon erwähnt, die tri-
pyle Beschaffenheit der Centralkapsel bei dieser Gruppe nicht durchaus
herrschend ist. Häckel fand Formen mit nur einer Oeffnung (wahrschein-
lich der Hauptöffnung der Tripylea entsprechend), weiterhin solche mit
zwei gegenständigen Oeffnungen und schliesslich auch zahlreicheren Oeff-
nungen in regelmässigerer oder unregelmässiger Vertheilung. Wie sich
bei letzteren das Verhältniss zwischen Haupt- und Nebenöffnungen ge-
staltet, und ob sich solche überhaupt unterscheiden lassen, geht aus der
kurzen Mittheilung nicht hervor.
Die monaxone Gestaltung der Centralkapsel, welche natürlich auch
bei den Formen mit einer oder zwei Oeffnungen sehr deutlich ist, soll
nach Häckel zuweilen auch in eine bilateral symmetrische übergehen,
doch fehlt bis jetzt Genaueres über das Zustandekommen dieser Bi-
lateralität.
B. Das intrakapsuläre Plasma mit seinen Einschlüssen.
Die allgemeine Beschaffenheit des Radiolarienplasmas bietet keine
besondern betrachtenswerthen Eigenthümlichkeiten dar. Auch bier ist
(dasselbe eine zähschleimige Masse, welche gewöhnlich durchaus feinkörmig
erscheint. Die Natur dieser feinen Körnelung, welche sich z. Th. wenig-
stens sicher auf feinste Fett- oder Eiweisskörnchen zurückführen lässt,
bedarf, wie dies für das Plasma überhaupt der Fall ist, noch weiterer
Aufklärung.
Obgleich das Plasma der Radiolarien in seiner Gesammtheit eine
einheitliche Masse darstellt, da nach unsrer Auffassung der extrakapsuläre
Antheil desselben mit dem intrakapsulären in innigem, direetem Zusammen-
hange steht, -nur als ein aus der Centralkapsel hervorgedrungner Theil
des letzteren zu betrachten ist, so dürfte es sich doch im Interesse der
Intrakapsul. Plasma (Radiäre Streifung). 411
Darstellung empfeblen, die beiden durch die Gentralkapselwand geschied
nen Theile des Weichkörpers gesondert zu besprechen. Ein Vergleich
der Radiolarien mit den Abtheilungen der Rhizopoden und Heliozoön kann
leicht die Anschauung erwecken, dass extrakapsuläres und intrakapsu-
läres Plasma dem Eeto- und Entosark, welches bei einem Theil der letz-
tere nunterscheidbar sind, homologisirt werden dürften. (Wallich [17] suchte
eine solehe Unterscheidung von Eeto- und Entosark auch für seine un-
haltbare, einen Theil der Radiolarien einschliessende Gruppe der Protoder-
mata durehzuführen. Sein Entosark scheint mir der Centralkapselinhalt
zu sein, sein Eetosark dagegen hauptsächlich die Centralkapselwand.)
Eine derartige Homologisirung scheint jedoch wenig gerechtfertigt, da
ja auch das aus der Schale hervorgedrungne Plasma gewisser mariner
Rhizopoda keinen Anspruch auf die Bezeichnung Eetosark besitzt. Wie
bei den marinen Rhizopoda ist auch bei den Radiolaria im Allgemeinen
keine Differenzirung solcher Plasmazonen entwickelt, wenn wir nieht in
gewissen Ausbildungsverhältnissen des plasmatischen Kapselinhalts bei
einigen Formen eine Andeutung zweier derartiger Plasmaregionen erkennen
wollen *).
«. Das intrakapsuläre Plasma.
Dasselbe zeigt seiner allgemeinen Beschaffenheit nach keine Ver-
schiedenheiten von dem extrakapsulären und füllt fast durchweg die Kap-
sel vollständig aus. Nur von den Acanthometriden hebt Hertwig hervor,
dass das intrakapsuläre Plasma häufig durch einen schmalen, wahrschein-
lich mit Flüssigkeit erfüllten Spaltraum von der Kapselwand getrennt sei,
wonach also in diesem Fall die Erfüllung keine vollständige wäre.
Die Quantität des intrakapsulären Plasmas steht natürlich in um-
gekehrten Verhältniss zu der Menge seiner Einschlüsse, sind diese sehr
zahlreich und ansehnlich, so erscheint es nur wie eine sie verbindende
Matrix.
Bei den Peripylarien zeigt dieser Theil des Plasmakörpers sehr ge-
wöhnlich eine vom Centrum der Kapsel ausstrahlende Radiärstreifung,
welche schon Häckel vielfach beobachtete und die später von Hertwig (35)
genauer studirt worden ist. Zum Theil mag diese Radiärstreifung nur
auf einer radiären Anordnung der feinen Plasmakörnchen beruhen, ver-
sleichbar also mit dem sogen. Strahlungsphänomen sich theilender Zellen.
Gewöhnlich zeigt sich jedoch noch eine weitergehende Differenzirung des
Plasmas, welche sich etwa in folgender Weise beschreiben lässt. Das-
selbe hat sich in eine grössere oder kleinere Zahl radiärer, parallelopipe-
discher, peripherisch sich verbreiternder Stücke von feinkörniger Beschaffen-
heit gesondert, welche durch zarte, nichtkörnige Zwischensubstanz geschieden
werden (XVII. 4d, XX. 5b). Die Körnchen der keilfürmigen Plasmastücke
zeigen auch häufig eine deutlich radiärstrahlige Anordnung. Da die keil-
*) Vergl. hierüber jedoch auch weiter unten in dem Abschnitt über das extrakapsuläre
Plasma.
412 Radivlaria.
förmigen, feinkörnigen Plasmastücke im Querschnitt einen polygonalen
Umriss besitzen, so bietet der Centralkapselinhalt in der Flächenansicht
oder ein tangentialer Schnitt desselben ein zellgewebartiges Bild dar.
Durch Zerzupfen gelingt es sogar nicht selten, die geschilderten Plasma-
stücke zu isoliren.
Die soeben hervorgehobne Beschaffenheit des Centralkapselplasmas
der Peripylarien lässt sich am besten bei gewissen Colliden und den ein-
facheren Sphaeroideen wahrnehmen und wurde auch hauptsächlich bei
diesen Formen studirt*). Hinsichtlich der Deutung der Erscheinung hat wohl
ohne Zweifel schon Hertwig das Richtige getroffen. Aus dem Vergleich
mit ähnlichen Strahlungserscheinungen gewisser Gewebezellen höherer
Thiere, wie auch dem Strahlenpbänomen bei der Zelltheilung**) dür-
fen wir die Annahme für sehr gerechtfertigt halten, dass das Phänomen
der optische Ausdruck von Flüssigkeitsbewegung im Plasma im Austausch
mit der Umgebung ist, welche sich bei der allseitig gleiebmässig perfo-
rirten Wand der Centralkapsel der Peripylarien, auch gleichmässig ra-
diär vom Centrum der Kapsel nach deren gesammter Peripherie ent-
wickeln muss.
Mit dieser Auffassung der strahligen Differenzirung harmonirt denn
auch die Erfahrung, dass sowohl bei den Monopylarien wie Phaeodarien
(Tripylarien) eine solche centroradiale Strahlung des Centralkapselplasmas
vermisst wird. Bei den Monopylarien zeigt sich überhaupt nichts von
einem derartigen Strahlungsphänomen, wenn man nicht etwa die strahlige
Zeichnung des schon früher geschilderten Pseudopodienkegels hierher-
ziehen möchte, was ich jedoch nicht für zulässig halte. Bei den tripylen
Phaeodarien dagegen beobachtet man in dem Plasma unter jeder der drei
Oeffnungen eine zarte, der Oeffnung zustrahlende fibrilläre Differenzirung,
welche sich gegen die centrale Partie der Kapsel, die meist von zahl-
reichen später zu besprechenden Einschlüssen erfüllt wird, verliert. In
der Oefinung selbst verschwindet die fibrilläre Beschaffenheit, so dass das
Plasma als ein homogen erscheinender Faden aus ihr hervortritt und sich
in die extrakapsuläre Sarkode zertheilt.
*) Auch in den Gentralkapseln jugendlicher, noch einkerniger Sphaerozosen tritt die
radiäre Streifung sehr deutlich hervor: mit der Ausbildung der Mehrkernigkeit geht sie, wie
nicht unverständlich, verloren.
**) Zum Vergleich bieten sich namentlich die von Haidenhain zuerst beobachteten, ähn-
lichen Differenzirungen der Epithelzellen gewisser Abschnitte der Nierenkanälchen dar, weiter
ähnlich gebaute Zellen der Abscheidungsorgane und der Kiemen gewisser Urustaceen, wie sie
von Ölaus, Weismann, R. Hertwig, Grobben etc. aufgefunden wurden. Gewisse Infusorien, so
Bursaria truncatella (Bütschli), Schwärmsporen von Algen (so Vaucheria) zeigen eine ganz ähn-
liche Diflerenzirung ihres Ectosarks oder ihrer sogen. Hautschicht und auch bei genuinen
P’flanzenzellen wurde die gleiche Stractur der Hautschicht gelegentlich beobachtet (s. Stras-
burger, Studien über das Protoplasma. Jenaische Zeitschr. 1876). Siehe auch Engelmann:
Ueber Flimmerzellen, Pflüger's Archiv f, Physiologie Bd. XXIII. und dortselbst weitere Lite-
yatur. Hinsichtlich der Strahlungserscheinungen im Plasma sich theilender Zellen vergl. bei
Bütschli, Studien (Abh, d. Senckenberg. Gesellsch, Bd. X) p. 201 des Separatabdrucks.
Intrakaps. Plasma (Rad. Streifung, "Vacuolen). 413
Im Prineip scheint auch dieses Verhalten mit dem der Peripylarien
tibereinzustimmen, nur durch die abweichende Beschaffenheit der Kapsel-
öffnungen modifieirt zu sein. Wie bei den tripylen Phaeodarien,
so wird jedoch auch bei den Peripylarien die Ausbildung der Strah-
lungserscheinung durch reichliche Einlagerung von Einschlüssen in das
Centralkapselplasma modifieirt oder undeutlich gemacht; so tritt das
Phänomen recht deutlich nur bei einkernigen Exemplaren hervor, und
beschränkt sich bei solchen Formen, wie den Colliden, welche reich-
lich Vaeuolen oder Eiweisskugeln in ihrem Centralkapselplasma entwickeln,
auf eine peripherische, von Einschlüssen freie Zone. Solche Fälle wie der
zuletzt geschilderte könnten vielleicht mit einigem Recht eine Unterschei-
dung von zwei Plasmaregionen der Centralkapsel, einem strahlig differen-
zivten Eetosark und einem vaeuolisirten Entosark befürworten, da jedoch
nur selten eine so deutliche Abgrenzung zweier derartiger Regionen anzu-
treffen ist, so scheint kein ausreichender Grund zur Einführung derartiger
Zonenunterscheidung vorzuliegen.
ß. Einschlüsse des intrakapsulären Plasmas mit Ausnahme der Nuclei.
1. Niehteontractile Vacuolen (sogen. intrakapsuläre Alveolen
oder Alveolarzellen). Contraetile Vacuolen, welche uns bei Rhizopoden
und Heliozo@ön nicht selten begegneten, scheinen den Radiolarien durch-
aus zu fehlen. Dieselben schliessen sich auch in dieser Hinsicht den ma-
rinen Rhizopoden an. Auch nichteontractile Flüssigkeitstropfen sind im
Allgemeinen keine sehr häufigen Vorkommnisse im intrakapsulären Plasma,
wenigstens treten sie nur in wenigen Abtheilungen in reichlicher Menge
auf. Es ist dies der Fall bei gewissen Colliden sowie einer Anzahl
ansehnlicher Phaeodarien und es scheint fast, als entwickelten sie sich
namentlich bei grösseren Formen reichlich.
Häckel (16) betrachtete die z. Th. recht ansehnlichen intrakapsulären
Vacuolen gewisser Collideen (Thalassolampe und Physematium, XVIII.5, v)
als wirkliche Zellen und schrieb ihnen eine besondre Membran, sowie ein
dieser an- oder einliegendes, kernartiges Gebilde zu. Für Thalassolampe
wenigstens hat Hertwig (28) gezeigt, dass eine solche Membran nicht
vorhanden ist und dass die kernartigen Gebilde zwar wirkliche Zellkerne
sind, jedoch solche, welche sich im intrakapsulären Plasma zerstreut fin-
den und den Vaeuolen nur äusserlich ankleben. Aehnlich wird es sich
wohl ohne Zweifel auch bei dem Physematium verhalten*). Es scheint
jedoch auch weiterhin sehr wahrscheinlich, dass ein Theil der von Häckel
*) Doch ist es sehr zweifelhaft, ob die spindel- bis stäbchenförmigen, den Vacuolen
anliegenden, z. Th. jedosh auch frei im Plasma vorhandnen Gebilde auch hier als Kerne zu
beanspruchen sind. Abbildung und Beschreibung spricht hierfür sehr wenig. Man köunte
höchstens an eigenthümlich modificirte Theilungsstadien denken. Im Allgemeinen glaube
ich jedoch, dass nach der allgemeinen Sachlage kaum ein Zweifel an der Deutung der
sogen, Alveolenzellen des Physematium als einfache Vacuolen erhoben werden kann,
414 Radiolaria.
als eonstante Einschlüsse des Centralkapselplasmas erwähnten, sogen.
wasserhellen Bläschen, welche ihrer Hauptmenge nach als Kerne oder in
der Entwicklung begriffene Schwärmsporen zu betrachten sind, auf Va-
cuolenbildungen zurückgeführt werden darf. Im Speciellen gilt das
Letztere für die Phaeodarien.
Bei den Colliden (Thalassolampe, Thalassicolla z. Th., Physematium)
sind die Vacuolen zahlreicher entwickelt und gewöhnlich auch ansehn-
licher wie bei den Phaeodarien (Aulacantha, Aulosphaera, Coelacantha,
Dietyocha und Coelodendron). Die Grösse und Menge derselben wird bei
ersteren z. Th. so beträchtlich, dass zwischen ihnen nur ein Maschenwerk
der intrakapsulären Sarkode verbleibt und der centrale, ansehnliche Kern
(das sogen. Binnenbläschen) von einer ganzen Anzahl Vacuolenlagen um-
hüllt wird. Daneben zeigen aber die Vacuolen häufig auch noch eine
ziemlich ausgesprochen radiäre Anordnung, wobei sie peripherisch an
Grösse zunehmen.
Unter der Centralkapselwand verbleibt jedoch gewöhnlich die schon
oben erwähnte, vacuolenfreie, radiärstreifige Schicht *).
3ei den erwähnten Phaeodarien tritt, wie gesagt, die Vacuolisation
des Centralkapselplasmas etwas zurück, sowohl an Grösse wie Zahl der
Vaeuolen, welche sich meist nur in wenigen Lagen um den centralen Kern
finden (XXXIl. 9, 9a, 11). Unterhalb der drei Oeffnungen der Centralkapsel-
wand findet sich gewöhnlich die schon bei früherer Gelegenheit beschriebene,
ziemlich vacuolenfreie, radiärstreifige (oder fibrilläre) Plasmaanhäufung.
Eigenthümlich erscheint die reiche Flüssigkeitsansammlung in der Cen-
tralkapsel einer Acanthometride (Acanthometra elastica, XXVII. 4), während
die Vertreter dieser Abtheilung sonst nur selten Vacuolen aufweisen; bei der
erwähnten Form aber ist dieCentralkapsel eigentlich eine ansehnliche mit
heller Flüssigkeit erfüllte Blase, welche das sehr spärliche Plasma in
Gestalt von Netzen durchzieht, es concentrirt sich hauptsächlich um die
Stacheln nnd in einer netzförmigen Lage dicht unter der Kapselwand.
Während bei den Monopylarien im Allgemeinen intrakapsuläre Va-
cuolen kaum zur Ausbildung kommen, findet sich eigenthümlicher Weise
bei der interessanten Plagiacantha eine sehr ansehnliche - Vacuole im
apicalen Theil der Kapsel, welche das intrakapsuläre Plasma nach
dem basalen Pol zusammendrängt, so dass nur eine dünne Plasma-
schicht die Apiealwand der Kapsel überzieht (XXXI. 17a). Schon Clapa-
rede erkannte dieses Verhalten der Plagiacanthakapsel und Hertwig
verfolgte es genauer.
*) Nicht ohne Interesse ist es, dass das intrakapsuläre Plasma jugendlicher Thalasso-
lampen von Hertwig ganz vacuolenfrei gefunden wurde, woraus wohl mit Sicherheit auf die
allmähliche, successive Hervorbildung der Vacuolisation im Laufe des Wachsthums geschlossen
werden darf, Dieselbe allmähliche Hervorbildung ergibt sich auch, wie an dieser Stelle be-
merkt werden mag, für die später zu erwähnenden intrakapsulären Oelkugeln der Sphaerozoöen,
auch sie werden bei jugendlichen Exemplaren noch vermisst.
Intrakapsul. Plasma (Vacuolen, Eiweisskugeln). 415
Nur selten scheinen die intrakapsulären Vacuolen ihrerseits wieder
Einschlüsse zu enthalten. Häckel (16) beobachtete einen solchen Fall
bei einem Physematium, wo die grösseren Alveolen eine verschiedene Zahl
kleiner, vacuolenartiger Gebilde, häufig aber noch eine orangerothe
Oelkugel einschlossen; auch die einfachen Vacuolen enthielten häufig
eine solche Oelkugel. Dunkle, fettähnliche Körnchen finden sich sehr
gewöhnlich in den Vacuolen der Thalassicolla pelagiea und denen der
Phaeodarien. Bei den letzteren sind sie auch bisweilen zu einem Häuf-
chen zusammengeball€ und verrathen durch ihre Molekularbewegung,
dass sie frei in der Vaeuolenflüssigkeit suspendirt sind. Hertwig (33)
hält diese Vacuolenkörnehen durchaus für Fett, ich möchte fast glauben,
dass sie auch z. Th. Exeretstoffe darstellen. Bei den untersuchten Phaeo-
darien findet man die gleichen Körnchen aber auch in dem Central-
kapselplasma selbst.
2. Eiweisskugeln. In mancher Beziehung schliessen sich den
beschriebnen Vacuolen auch die sogen. Eiweisskugeln an, welche bis
jetzt vorzüglich bei der Thalassicolla nucleata und den Cyrtiden ge-
funden wurden, vielleicht jedoch ein verbreiteteres Vorkommen besitzen.
Der Name Eiweisskugeln wurde diesen Einschlüssen zuerst bei Thalassi-
colla von A. Schneider (13) gegeben. Es sind mehr oder minder ansehn-
liche, durebsichtige, hyaline Kugeln, z. Th. von mattglänzendem Aussehen
(XVILL.1b,1d, ve). Nach dem Ausfliessen des Plasmas vergehen sie leicht,
besitzen keine besondre Hülle und bestehen ohne Zweifel aus einer ziemlich
flüssigen Substanz, welche nur einen geringen Procentsatz gelöster oder
gequollener fester Stoffe enthält. Bei der Einwirkung Gerinnung hervor-
rufender Agentien findet man nämlich häufig ein deutliches peripherisches
Gerinnungsprodukt in Gestalt eines Bläschens an Stelle der früheren Ei-
weisskugel vor (Thalassicolla, Hertwig 23).
Meist finden sich die Eiweisskugeln, wenn sie überhaupt vorhanden,
recht reichlich vor, so dass sowohl bei Thalassicolla nucleata wie ge-
wissen Cyrtiden das Protoplasma zwischen ihnen spärlich vorhanden ist.
Bei den letztgenannten Formen wurden in den Eiweisskugeln bis jetzt
keine Einschlüsse getroffen; bei der Thalassicolla dagegen enthalten sie
gewöhnlich verschiedenartige Einschlüsse, doch finden sich die gleichen
Einschlüsse meist auch frei im Protoplasma. Zunächst begegnen wir
auch hier wieder ungefärbten Oelkugeln (XXVIII. 1d, oe), welehe in Ein-
bis Dreizahl in den Eiweisskugeln anzutreffen sind. Weiterhin jedoch
auch sehr eigenthümlichen und ziemlich verschiedenartig gestalteten Con-
ceretionen. Die chemische Natur derselben ist bis jetzt nicht sieber ermittelt,
doch dürfte es sich wahrscheinlich um Concretionen eines Kalksalzes,
welche unter dem Einfluss eiweissartiger Substanz gebildet wurden, han-
deln. Es scheint dies namentlich deshalb wahrscheinlich, weil dieselben
durchaus mit den verschiedenen Kalkconeretionen übereinstimmen, welche
416 Radiolaria,
Harting*) unter dem Einfluss eiweissartiger, thierischer Substanzen künst-
lich dargestellt hat (s. Taf. I. Fig. 5a—d). Kohlensaure Verbindungen
gehen jedoch nicht in ihre Bildung ein, da sie mit Säuren nicht brausen,
sich jedoch lösen (z. Th. sogar schon in Essigsäure), auch in Alkalien
sind sie löslich.
Ihrer Bildung nach erscheinen diese Coneretionen als platte oder bi-
convexe kreisrunde oder ovale Scheiben mit deutlicher concentrischer
Schiehtung. Häufig trifft man jedoch auch bisquitförmige mit entsprechend
gestalteter Schiehtung um zwei diebt zusammenliegende Centralpunkte.
Auch vierfache, kreuzförmige finden sich, sowie sechsstrahlige und mannig-
fache weitere Modificationen, deren eingehendere Besprechung ohne Inter-
esse erscheint. Ihr Aussehen ist bald mehr weisslich, bald dagegen bläu-
lich-schwaız.
Zuweilen, jedoch selten wie es scheint, treten auch langgestreckte
spiessige Krystalle in den Eiweisskugeln auf, welche drusenartig um ein
Centrum gruppirt sind, meist mit deutlich doppelbüscheliger Anordnung.
Häufiger als solche Krystalle sind dagegen als letzte Form von Ein-
schlüssen noch feine, dunkle Körnchen vorhanden, welche sich entweder
peripherisch wie ein feiner Niederschlag finden oder aber im Innern der
Eiweisskugel ein Häufchen bilden.
Hervorzuheben dürfte noch sein, dass bei Thalassicolla die innersten,
um das sogen. Binnenbläschen gelegnen Eiweisskugeln gewöhnlich frei
von Einschlüssen sind. Erst in einiger Entfernung vom Centrum begin-
nen die Kugeln mit Einschlüssen (XVII. 1b). Gewisse Wahrnehmungen
legen die Vermuthung nahe, dass die Eiweisskugeln in ziemlich naher
Beziehung zu den nächstfolgend zu bespreehenden Einschlüssen des Cen-
tralkapselplasmas stehen, nämlich den
3. Oelkugeln. Feinere Fett-Körnchen oder -Tröpfehen sind im
Centralkapselplasma sehr verbreitet, wie schon bei verschiedenen Gelegen-
heiten betont wurde. Daneben treffen wir jedoch bei zahlreichen Formen
auch ansehnlichere Fetttropfen oder Oelkugeln an, welche noch einige
Aufmerksamkeit beanspruchen.
Meist sind diese Oelkugeln ungefärbt, doch finden sie sich auch,
wie. bei Heliozoön und Rhizopoden, gelegentlich in verschiedner Fär-
bung vor. Rosarothe bis dunkelrothe sowie gelbe Kugeln kommen
manchmal vor. Hinsichtlich ihrer Verbreitung herrschen natürlich vieler-
lei Verschiedenheiten, doch werden sie wohl bei keiner Abtheilung gänz-
lich vermisst. Besonders häufig begegnet man aber grösseren Oelkugeln
bei gewissen Abtheilungen. So gewöhnlich den Colliden, bei welchen sie
z. Th. schon früher erwähnt wurden, weiterhin jedoch ganz constant,
wenigstens bei erwachsenen Exemplaren, unter den Sphaerozo@en (XVII.
6, oe); den Acanthometreen kommen sie gleichfalls nicht selten zu und
*) Harting, Rech. de morphol. synthöt. Naturk. Verh. d. Kon. Akad. Deel XIV,
Intrakapsuläre Oelkugeln. 417
fehlen auch den Sphaeroideen nicht, besonders reichlich sind sie häufig
bei den Diseiden und namentlich auch den spongiösen Sphaeroideen, den
Spongosphaeriden und -disciden. Auch die Monopylaria, namentlich die
Cyrtida, enthalten fast stets grössere Oelkugeln, wogegen sie bei den
bis jetzt genauer erforschten Phaeodarien nicht häufig zu sein scheinen.
Meist sind gleichzeitig eine grössere Anzahl Oelkugeln durch die
intrakapsuläre Sarkode zerstreut. Bei gewissen Colliden (Thalassi-
colla zum Theil) beschränken sie sich jedoch auf eine Zone dicht
unter der Centralkapselwand. Bei manchen Diseiden (Euchitonia,
Stylodyetia zum Theil) findet sich in jedem Ringabschnitt der Scheibe
eine Einlagerung zahlreicher Oelkugeln, so dass dieselben, nament-
lich wenn sie lebhaft gefärbt sind, als ringförmige Bänder her-
vorleuchten. Bei gewissen Radiolarien ist jedoch die Zahl der Kugeln
beschränkt. So zeichnet sich die erwachsene Thalassolampe prim-
ordialis Hertw. durch den Besitz einer einzigen ansehnlichen stroh-
gelben Oelkugel aus und ebenso finden wir bei den Sphaerozo&en
meist nur eine einzige centrale und gewöhnlich sehr ansehnliche (bis
die Hälfte des Kapseldurchmessers erreichende) Kugel, seltner dagegen
mehrere.
Auch bei den Monopylaria ist ihre Zahl gewöhnlich nicht sehr er-
heblich; bei einfacheren Formen (Lithoeireus) findet sich z. Th. nur eine;
zwei, auf beide Hälften der Kapsel vertheilt, bei den Zygocyrtida z. Th.,
zahlreicher sind sie gewöhnlich bei den Cyrtida. Bei letzteren sind sie
meist in die früher geschilderten Lappen der Centralkapsel einge-
lagert. Nicht selten enthält jeder der drei oder vier Lappen eine ansehn-
liche Oelkugel, zuweilen jedoch auch mehrere, zwei, drei, bis ziemlich
zahlreiche.
Nicht immer scheint die Substanz der Oelkageln ausschliesslich Fett zu
sein, wenigstens deuten die Beobachtungen Hertwig’s (28), an denen der
Sphaerozo&en darauf hin, dass sich noch ein eiweissartiges Substrat der
Kugel findet. Wenn nämlich, wie dies späterhin genauer zu schildern
sein wird, ein allmählicher Verbrauch der Oelkugeln bei der Fortpflan-
zung eintritt, bleiben an ihrer Stelle durchsichtige, eiweissartige Kugeln zu-
rück, welche den schon beschriebnen Eiweisskugeln ähnlich sind. Hertwig
vermuthet daher auch, dass wenigstens die Oelkugeln der Sphaerozoden
dureh reichlichere Fettbildung aus Eiweisskugeln hervorgegangen sind.
Inwiefern sich eine solche Auffassung auf sämmtliche Oelkugeln ausdehnen
lässt, bedarf zuvörderst noch weiterer Aufklärung.
Joh. Müller und Häckel glaubten, dass die functionelle Bedeutung
der Oelkugeln vorwiegend eine hydrostatische sei, welche auf Ver-
ringerung des specifischen Gewichtes und deshalb auf erhöhte Schwimm-
fähigkeit hinziele. Im Gegensatz hierzu betrachtet sie Hertwig vor-
zugsweise als aufgespeichertes Nährmaterial, welches hauptsächlich
bei der Fortpflanzung zur Verwerthung gelange. Die Gründe hier-
für werden sich späterhin, bei Betrachtung der Fortpflanzungs-
Broun, Klassen des Thierreichs, Protozoa. 27
418 Radiolaria.
erscheinungen ergeben. Natürlich schliesst jedoch diese Hauptfunetion
der Oelkugeln die ersterwähnte nicht aus, indem diese ja eine noth-
wendige Folge ist, wenn überhaupt die Oelkugeln, wie sehr wahr-
scheinlich, ein niederes speeifisches Gewicht besitzen.
4. Pigmente gehören zu den häufigsten Einschlüssen des Central-
kapselplasmas, so dass im Allgemeinen relativ selten ganz farblose Kap-
seln angetroffen werden. Kurz sei nochmals betont, dass auch bei den
Radiolarien die Färbung der Kapseln niemals dem Protoplasma selbst
anzugehören scheint, sondern stets von eingelagerten Pigmenten herrührt.
Diese reichliche Pigmentirung erinnert an die gleichen Verhältnisse bei den
marinen Rhizopoden und auch in Bezug auf den Farbenton der Pigmente,
sowie darin, dass dieselben vorzüglich in dem Centraltheil des Weich-
körpers ihren Sitz haben, verräth sich eine gewisse Uebereinstimmung
mit den marinen Rhizopoden. Abgesehen von dem seltnen Vorkommniss
gefärbter Oelkugeln, sind es feinkörnige Pigmente oder auch kleine Pig-
mentbläschen, welche nach Häckel (16) die Färbung der Centralkapsel
bedingen. Hinsichtlich des Baues dieser sogen. Pigmentbläschen kann
ich jedoch keine rechte Aufklärung aus den seitherigen Untersuchungen
entnehmen. Es scheint mir nicht unwahrscheinlich, dass ein beträcht-
licher Theil der Pigmente fein vertheiltes, gefärbtes Fett sein dürfte,
da eigene Untersuchungen mariner Rhizopoden mich seither belehrt haben,
dass die rothen und braunen Pigmente derselben diese Natur besitzen.
Auch dürfte sich vielleicht für die röthlichen und braunen Pigmente der
Radiolarien dieselbe Uebereinstimmung mit Diatomin ergeben, welche wir
schon bei den Rhizopoden zu constatiren hatten.
Der Farbenton der Pigmente bewegt sich auch hier vorzugsweise in
Nüancen von gelb, roth und braun, welche in grösster Mannigfaltigkeit
vertreten sind, namentlich das Roth. Dies geht jedoch zuweilen auch ins
Orangerothe und Violettrothe über. Von hier aus finden sich denn auch
Uebergänge zu blau, selten sind dagegen tiefblaue bis schwarzblau pig-
mentirte Kapseln. Weiter schliessen sich hieran grünlichblaue bis rein
grasgrüne und olivengrüne Pigmentirungen. Auch die braunen Töne wer-
den zuweilen sehr dunkel, ja im durchfallenden Lieht schwärzlich, im
auffallenden dagegen weisslich.
Nicht immer ist die Kapsel durchaus gleichmässig pigmentirt; so
häuft sich bei den Acanthometriden das Pigment hauptsächlich im Cen-
trum der Kapsel an, so dass dieselbe peripherisch lichter bis ganz un-
gefärbt erscheint.
Auch Combinationen zweier Farbentöne sind anzutreffen, jedoch nur
selten, namentlich zuweilen gleichzeitig rothe und gelbe Pigmentirung in
verschiedenartiger Vertheilung durch den Kapselinhalt.
Gewöhnlich findet sich das feinkörnige Pigment gleichmässig im
Plasma vertheilt. Bei den Acanthometriden jedoch gruppiren sich die
Körnchen zum Theil zu kleinen Häufchen zusammen und an solche Vor-
kommnisse sollen sieh weiterhin genuine, von gelblichem bis bräunlichem
Intrakaps. Pigmente und Zellen. 419
Pigment erfüllte Zellen anschliessen, welche sehr gewöhnlich in der Cen-
tralkapsel der Acanthometriden angetroffen werden.
Es sind dies kleine, von einer plasmatischen Grundmasse gebildete,
kreisrunde bis ovale und häufig abgeplattete Gebilde, deren Contour
nicht selten so scharf ist, dass Hertwig (33) bei einem Theil derselben
die Existenz einer Membran vermuthet (XXVII. 5a, gz). Der Leib dieser
sogen. Zellen ist entweder gleichmässig von dem feinkörnigen Pigment
durchsetzt oder dasselbe ist hauptsächlich in der Rindenzone angehäuft.
Besonders wichtig erscheint, dass Hertwig in ibnen gewöhnlich einen
tingirbaren kernartigen Körper beobachtete, und sich deshalb, wie schon
früher Häckel, für die Zellennatur dieser Gebilde erklärte. Häckel (16)
gibt an, dass er zuweilen auch Theilungsformen mit zwei Kernen beob-
achtet habe. Hertwig ist der Ansicht, dass sich diese Pigmentzellen in
der Centralkapsel selbst entwickelten, also nicht etwa wie die gewöhn-
lichen extrakapsulären, gelben Zellen als parasitische Eindringlinge be-
trachtet werden könnten; auch will er zuweilen Entwicklungsstufen beob-
achtet haben, welche aus einem Kern mit umgebendem, schmalem Plasma-
hof, dem wenige Pigmentkörnchen eingelagert waren, bestanden.
Echte Zellen, welche in der Centralkapsel der Radiolarien, auf endo-
genem Weg gebildet werden, sind jedenfalls eine sehr auffallende Er-
scheinung, namentlich wenn wir berücksichtigen, dass Aehnliches von
anderweitigen Protozoön durchaus nicht bekannt ist. Ohne daher an der
Richtigkeit der Beobachtungen über diese Pigmentzellen der Acanthome-
triden zu zweifeln, müssen wir es doch für nicht unwahrscheinlich halten,
dass weitere Forschung über diese merkwürdige Anomalie befriedigendere
Aufklärung ertheilen wird, sei es in dem Sinne, dass es sich vielleicht
doch nicht um wirkliche Zellen handelt, sei es dagegen, dass die frag-
lichen Gebilde ebenso wie die extrakapsulären gelben Zellen dem Radio-
larienorganismus ursprünglich fremd sind, oder in irgend einer anderen
Weise,
Das Gleiche gilt wohl auch unzweifelhaft von gewissen anderen an-
geblichen Zellengebilden, welche sich in der intrakapsulären Sarkode einer
Collide, dem Physematium, finden, den sogen. centripetalen Zell-
gruppen.
Wir werden aus diesem Grunde gleich hier über diese zuerst von
A. Schneider (13), später von Häckel studirten Gebilde kurz berichten.
Schneider hielt diese eigenthümlichen Gruppen zellähnlicher Gebilde,
welche sich in der peripherischen Zone der Centralkapsel, dieht unter
deren Wand finden, für Theile, welche den sogen. Nestern, d. h. den Central-
kapseln der koloniebildenden Sphaerozod@en vergleichbar seien (XVII. 5, z).
Häckel (16) suchte dagegen festzustellen, dass jedes der drei bis neun
keilförmig sich nach aussen erweiternden Stücke eines solchen Nestes
oder einer solchen Gruppe eine echte Zelle sei, deren Zellnatur sich schon
„auf den ersten Blick“ deutlichst ergebe. Die zahlreichen Gruppen dieser
Zellen sind in regelmässigen Abständen in der äusseren Region der
27*
420 Radiolaria.
Centralkapsel vertheilt und genau radial geordnet. Die sie zusammen-
setzenden hellen Zellen, welche dicht zusammengelagert sind, spitzen sich
centralwärts zu, wie natürlich auch die ganze Gruppe, besitzen je einen
deutlichen Zellkern und eine deutliche Membran. Peripherisch fassen die
Zellen einer Gruppe gewöhnlich eine gefärbte oder ungefärbte Oelkugel
zwischen sich. Die centralen Enden der Zellen sollen wahrscheinlich
nicht geschlossen sein, sondern ihr hier zu einem Strang zusammenflies-
sendes Protoplasma soll direet in das zwischen den zahlreichen Vacuolen
des Physematium sich ausbreitende, intrakapsuläre Protoplasma übergehen.
Auch vermuthet Häckel eine peripherische Communication des Plasmas
der centripetalen Zellen durch die Centralkapselwand mit der extra-
kapsulären Sarkode, weil letztere über jeder Zellgruppe hügelartig an-
gehäuft ist.
Ohne erneute Untersuchungen dürfte es sehr schwer sein, über die
Bedeutung dieser sogen. centripetalen Zellen des Physematium eine Mei-
nung zu äussern. Allgemeine Ueberlegungen machen es mir wenig wahr-
scheinlich, dass es sich um wirkliche Zellen handelt. Vielleicht liesse
sich vermuthen, dass es ähnliche radiäre Differenzirungen der äusseren
Plasmaregion der Centralkapsel sind, wie wir sie ja bei den Peripylarien
so häufig trafen, hiermit würde auch in Einklang stehen, dass ihr Plasma
centralwärts in das der Centralkapsel übergeht. Vielleicht beschränkt
sich bei Physematium die Bildung keilförmiger Radialstücke auf gewisse,
regelmässig vertheilte Stellen der peripherischen Zone, über welchen ja
auch schon Häckel Communication mit der a Sarkode ver-
muthet *).
5. Conceretionen und Krystalle. Beiderlei Arten von Ein-
schlüssen begegneten wir schon früher in den Eiweisskugeln der Tha-
lassicolla nucleata, sie fanden sich bei dieser Form jedoch z. Th. auch
frei in dem Plasma vor und hier findet man sie zuweilen auch bei
anderen Radiolarien. Concretionen sind im Ganzen recht selten, doch
bei einzelnen Formen aus verschiedenen Abtheilungen getroffen worden.
Meist sind sie länglich bis bisquitförmig und gewöhnlich in geringer
Zahl vorhanden (XIX. 1, ec). Ihre chemische Natur ist nicht weiter er-
forscht; worauf sich die Angabe Mivart’s (30, p. 142), dass die Con-
cretionen der Radiolarien (auch die von Thalassicolla nucleata) aus
Leucin und Tyrosin beständen, gründet, ist mir unklar; er hält es auch
für möglich, dass sie unverdaute Reste der Nahrung seien.
Freie Krystalle in dem Centralkapselplasma sind recht häufig
bei den Sphaerozoden, jedoch keine constanten Vorkommnisse be-
stimmter Gattungen oder Arten, sondern scheinen ziemlich bei allen
Formen mehr oder minder häufig aufzutreten. Meist erfüllen sie das
Centralkapselplasma dann in sehr reichlicher Menge. Am deutlichsten
ausgebildet und grössten sind die der Collosphaera Huxleyi, wo sie
*) Nach Häckel (16, p. 257) lässt die Centralkapselmembran keine Porenkanäle erkennen,
Intrakaps. Concretionen u. Krystalle. Nuelei. 421
namentlich J. Müller schon sehr genau studirte. An Zahl und Grösse wechseln
sie hier sehr, sind deutliche rhombische Prismen mit zwei Paar Domen-
flächen als Zuspitzung der Enden und sollen sich in der Krystallform
schwefelsaurem Strontium oder Baryum sehr nähern (XIX. 5b, 5d). Hiermit
stimmt auch ihre Schwerlöslichkeit in starken Mineralsäuren und Alkalien
überein. Dennoch fehlt bis jetzt ein sicherer Anhalt zur Beurtheilung ihrer
chemischen Natur. Bei den übrigen Sphaerozo&en sind, wie gesagt, Kryställ-
chen ebenfalls nicht selten anzutreffen, jedoch stets kleiner und weniger
deutlich ausgebildet, stäbchen- bis wetzsteinförmig, d. h. etwa spindel-
förmig mit zwei parallelen planen Flächen parallel der Längsaxe (XVIIL,
6k, 6l). Die letzterwähnte Krystallbildung erlangt aber ein besonderes Inter-
esse dadurch, weil sie mit der Fortpflanzung in Zusammenhang steht; wie
wir später sehen werden, entwickeln sich die Kryställchen bei der Vorbe-
reitung zur Fortpflanzung ungefähr in Zahl der späteren Schwärmer (d.h.
auch der Kerne der Centralkapsel) und je ein solches Kryställchen wird
in den Leib eines Schwärmers aufgenommen*). Dies gilt jedoch nicht
für die erst geschilderten, ansehnlicheren Krystalle der Collosphaera, viel-
mehr sind es auch hier kleine Kryställchen, ähnlich denen der übrigen
Sphaerozo&en, welche in die Schwärmerbildung eingehen. Die ersteren
dagegen bleiben in der entleerten Centralkapsel zurück.
y. Die Nuclei.
1. Lagerung im Radiolarienkörper und Zahl der Nuclei.
Alle sicheren Beobachtungen weisen darauf hin, dass die Kerne des
Radiolarienkörpers ihre Lage ausschliesslich im Centralkapselplasma fin-
den. Nur bei einem später zu besprechenden, jedoch noch zweifelhaften
Fortpflanzungsact scheint es, dass in irgend einer Weise Kerne auch in
die extrakapsuläre Sarkode gelangen. Diese Erscheinung bestätigt dann
von Neuem die schon mehrfach hervorgehobne Ansicht, dass die Central-
kapsel mit ihrem Inhalt den Haupttheil oder den eigentlichen Grundstock
des Radiolarienkörpers bilde.
Häckel (16) wollte zwar bei gewissen (namentlich jugendlichen) Col-
liden auch im extrakapsulären Protoplasma zahlreiche Kerne gefunden
haben, doch wurde dies durch die späteren, genaueren Untersuchungen
nicht bestätigt, so dass wir, da die Untersuchungen Häckel’s bezüglich
der Kernverhältnisse der Radiolarien überhaupt grosse Unsicherheit dar-
bieten, an dem oben ausgesprochnen Satze festzuhalten berechtigt sind.
Erst die Beobachtungen Hertwigs klärten die Kernverhältnisse unsrer
Protozo@ön in erwünschter Weise auf. Danach waren schon den frühesten
Beobachtern die z. Th. recht grossen Kerne gewisser Radiolarien auf-
*) Nach Hertwig sind diese wetzsteinförmigen Kryställchen unlöslich in Säuren und
Alkalien, erhalten jedoch durch deren Einwirkung runzlige Contouren. Kanten und Ecken
seien überhaupt nie scharf, sondern abgerundet. Hertwig neigt sich der Ansicht zu, dass diese
Krystalle aus einer organischen Substanz bestehen,
422 Radiolaria.
gefallen, so Huxley, wie später J. Müller und Häckel. Das sogen. Binnen-
bläschen der beiden letzterwähnten Forscher, welches Huxley seiner Zeit
schon als „Kern“ bezeichnete, ergab sich nach den neueren Erfahrungen
als ein echter Zellkern. Auch die zahlreichen kleinen Kerne gewisser
Formen blieben nicht unbekannt, schon J. Müller beobachtete sie ge-
legentlich, bezeichnete sie jedoch als kleine Zellen, wogegen sie Häckel
weit verbreitet auffand und gewöhnlich wasserhelle Bläschen nannte,
doch z. Th. wohl auch richtig als sogen. Sarkodekerne in Anspruch
nahm. Schon früher wurde jedoch hervorgehoben, dass unter der Be-
zeichnung „wasserhelle Bläschen“ von Häckel auch noch anderweitige Ein-
schlüsse des Centralkapselplasmas begriffen wurden.
Deutlicher als wir dies bei den schon besprochnen beiden Abthei-
lungen der Sarkodinen nachzuweisen vermochten, zeigen uns die Radio-
larien eine mit dem Alter fortschreitende Kernvermehrung. Wir hatten
bei den Rhizopoden und Heliozoön gleichfalls Gelegenheit, auf das häu-
fige Vorkommen mehr- bis vielkerniger Zustände hinzuweisen und ver-
mochten namentlich bei den Heliozoen das Hervorgehen dieser Zustände
aus ursprünglich einkernigen zu verfolgen. Aehnlich einzelnen Formen
der letzterwähnten Abtheilung (z. B. Actinosphaerium) verhalten sich nun
auch zahlreiche Radiolarien und auch viele Rhizopoden dürften ähn-
liches bieten, doch ist auf letzterem Gebiet die Untersuchung noch sehr
zurück.
Aus der gewöhnlichen Fortpflanzungsweise der Radiolarien durch
Zerfall des Gesammtkörpers in eine grosse Anzahl einkerniger Schwärm-
sprösslinge dürfen wir schliessen, dass ein einkerniger Jugendzustand der
Ausgangspunkt für sämmtliche Angehörige unsrer Gruppe ist. Dieser ein-
kernige Zustand erhält sich bei der Mehrzahl der Radiolarien die grösste
Zeit des Lebens hindurch und macht erst mit Beginn der Fortpflanzungs-
periode einem mehrkernigen Platz; so ist es bei den Colliden, den Sphae-
rideen, den Monopylarien und Phaeodarien. Bei den Sphaerozo&en und
Acanthometreen hingegen entwickelt sich die Mehrkernigkeit sehr früh-
zeitig, wovon nur gewisse Gattungen der letzteren eine Ausnahme bilden,
so dass also der mehr- oder vielkernige Zustand bei den beiden letztge-
nannten Abtheilungen als gewöhnlicher Befund erscheint, dagegen ein-
kernige Jugendzustände relativ selten angetroffen werden.
Natürlich zeichnet sich der einfache Kern der ersterwähnten Abthei-
lungen oder der Jugendformen der letzterwähnten durch seine relativ und
meist auch absolut sehr ansehnliche Grösse aus. Dieser einfache Kern,
das sogen. Binnenbläschen der Autoren vor Hertwig, erreicht sehr häufig
die Hälfte des Kapseldurchmessers, ja nicht selten mehr; namentlich die
Phaeodarien besitzen gewöhnlich einen besonders ansehnlichen Nucleus,
der bis ?/;, Ja °/, des Kapseldurchmessers erreicht. Auch der noch ein-
fache Kern jugendlicher Acanthometriden erreicht z. Th. eine ähnliche
Grösse. Bei der früher oder später eintretenden Kernvermehrung scheint
im Allgemeinen die Regel Gültigkeit zu besitzen, dass die zahlreichen
Nuclei (Zahl, Lagerung). 423
Kerne kleiner sind wie der ursprüngliche einfache und dass Zahl und
Grösse der Kerne in umgekehrtem Verhältniss stehen. Dies schliesst je-
doch nicht aus, dass die Gesammtmasse der zahlreichen Kerne die des
ursprünglichen beträchtlich übertrifft, indem nicht nur eine einfache
Zerlegung des letzteren in zahlreiche Sprösslinge eintritt, sondern
diese letzteren auch bis zu gewissem Grade weiter wachsen. Doch können
wir diese Vermehrungserscheinungen erst später genauer verfolgen.
Zahlreiche kleine Kerne sind in der Regel ziemlich gleichmässig
durch den Inhalt der Centralkapsel zerstreut; bei Acanthometriden finden
sie sich jedoch, wenn noch in geringerer Anzahl vorhanden, gewöhnlich
in einer peripherischen Zone gelagert.
Der in Einzahl vorhandne, grosse Kern oder das sogen. Binnenbläs-
chen liegt im Centrum der Kapsel. Bei den Acanthometriden, wo dieses
Centrum von dem Stachelkreuz des Skeletes eingenommen wird, beein-
trächtigt dies natürlich Lage und Form des einfachen Kernes der Jugend-
formen. Derselbe schiebt sich hier zwischen die centralen Ursprünge der
Stacheln hinein und nimmt dabei gewöhnlich eine mehr oder minder un-
regelmässig gelappte Form an.
Bei allen übrigen einkernigen Radiolarien wird natürlich der Kern
in seiner centralen Lage durch die Skeletbildung nicht gehindert. Da-
gegen tritt der fast stets einfache, centrale Kern der Sphaerideen häufig
in eine nähere Beziehung zu den innersten Gitterkugeln des Skelets, in-
dem er eine oder mehrere derselben in sich aufnimmt. Ohne Zweifel ist
dies eine erst secundär zur Ausbildung gelangte Erscheinung, welche ähnlich
wie die Umschliessung innerer Skeletschalen durch die Kapsel dadurch
entstand, dass der ursprünglich innerliche Kern durch die Maschen
der Markschale hervorwuchs und sich schliesslich durch Zusammen-
fliessen dieser Auswüchse wieder zu einem einheitlichen Kern gestal-
tete, der nun die Markschale einschloss. In gleicher Weise kann dieser
Durchwachsungsprocess sich dann noch auf weitere äussere Schalen
erstrecken.
Ein Stadium dieses Durchwachsungsprocesses wurde bei gewissen
Formen beobachtet; so tritt bei Tetrapyle und Lithelius der Kern mit
lappigen Fortsätzen durch die Markschale hindurch. Ob dies Verhalten
jedoch wirklich einen dauernden Zustand repräsentirt, scheint mir
speciell für die letztgenannte Form zweifelhaft *).
Bei dreikugligen Ommatiden, wie Haliomma und Actinomma umschliesst
der Kern so die innerste oder Markschale (XXI. 1, 2); bei Spongosphäera
umwächst er bei älteren Thieren auch noch die folgende Gitterkugel.
Auch bei den Disciden geht die Umwachsung der inneren Schalen
durch den Kern noch weiter, er kann hier noch die zweite und dritte
*) Dies geht auch sicher aus der Schilderung, welche Hertwig von den Kernverhältnissen
seiner Stylodyctia arachnia entwirft, hervor, da diese sicher keine Stylodyctia und überhaupt
keine Discide, sondern ein Lithelius ist.
424 Radiolaria.
Schale vollständig erfüllen (XXIV. 11) und man findet häufig Mittelstadien
dieses Durchwachsungsprocesses. Im Ganzen sind jedoch bis jetzt die
Kernverhältnisse dieser Abtheilung nur sehr ungenügend studirt.
Bei den einfacheren Monopyleen liegt der einzige Kern meist etwas
excentrisch in der Centralkapsel, was hauptsächlich auf die Entwicklung
des ansehnlichen Pseudopodienkegels zurückzuführen ist, der ihn aus dem
Centrum verdrängt (XXVII. 8, 9a). Noch mehr tritt jedoch die excentrische
Lage zum Theil bei den Cyrtiden hervor, indem der Kern hier im Apicaltheil
der Centralkapsel, welcher bekanntlich im Köpfchen eingeschlossen bleibt,
eingelagert ist und entweder gar nicht in die basalen Lappen der Kapsel
eintritt oder kurze lappenförmige Auswüchse in die Kapsellappen treibt
(XXIX. 12b, 13b). Bei Carpocanium Hck. sendet er derartige Auswüchse
nicht in die drei Hauptlappen, sondern in die schon früher erwähnten peri-
pherischen, kleineren Seitenlappen (XXXI. 13b).
2. Bauweise der Kerne und ihre Vermehrungsvorgänge.
Hinsichtlich seiner Bauweise bietet der zuweilen sehr ansehnliche ein-
fache Kern der aufgezählten Abtheilungen z. Th. sehr interessante Ver-
hältnisse dar; wir werden daher zunächst einen Blick auf die Ausbildung
dieses einfachen Kernes oder Binnenbläschens werfen und betonen zuvor,
dass er bei einer und derselben Form durchaus nicht stets die gleiche
Bildung aufweist, sondern nicht selten merkwürdige Umwandlungen durch-
macht, welche wohl theilweise mit der schliesslichen Kernvermehrung in
Zusammenhang stehen.
Eine deutliche Membran scheint dieser Kern stets aufzuweisen. Wenn
dieselbe auch bis jetzt in einigen Fällen nicht sicher erwiesen werden
konnte, so tritt sie doch meist sehr deutlich hervor, ja weist bei gewissen
Formen Modificationen auf, welche für Kerne recht ungewöhnlich erscheinen.
Bei grösseren einfachen Kernen (so denen einer Anzahl Colliden) ist die
Kernmembran zuweilen ziemlich diek und derb, so dass sie deutlich dop-
pelt contourirt erscheint und erweist sich sogar ähnlich wie die Kapsel-
membran von dichtstehenden feinen Porenkanälen durchbohrt, wenn es
erlaubt ist, die feine Punktirung der Membran in der Flächenansicht und
ihre zarte radiäre Strichelung auf dem optischen Schnitt in dieser Weise
zu deuten. Letzterwähnte Structurverhältnisse sind namentlich bei Physe-
matium (Schneider, Häckel), sowie bei Thalassolampe (Häckel, Hertwig)
deutlich zu beobachten, weniger sicher dagegen bei Thalassicolla nu-
cleata (Hertwig).
"Dureh derbe Beschaffenheit zeichnet sich auch die Kernmembran
der Etmosphaerida unter den einfacheren Sphaerideen aus, und erweist
sich namentlich noch dadurch eigenthümlich, dass ihre Oberfläche dicht
mit höckerartigen Erhebungen bedeckt ist, welche eine ziemlich regel-
mässig alternirende Anordnung besitzen (XIX. 16, n).
Die merkwürdigsten Verhältnisse bietet die Kernmembran bei ge-
wissen Entwicklungsstadien einfacher Kerne jugendlicher Acanthometriden
dar, jedoch sind die von Hertwig hier beobachteten Erscheinungen bis jetzt
Bauweise der Nuclei (Membran, Inhalt). 425
noch nicht ganz überzeugend aufgeklärt (XXVII. 4a—b). Als wahrschein-
lichste Deutung der eigenthümlichen Befunde ergibt sich folgende. Die Kern-
membran hat sich an einem gewissen Punkt der Kernoberfläche, welcher
stets an dem von dem Stachelkreuz des Skeletes abgewendeten, periphe-
rischen Umfang des Kernes liegt, zu einem sackförmigen Gebilde in das
Kerninnere eingestülpt und legt sich dem auf diesem Stadium vorhandnen
einfachen, ansehnlichen Nucleolus dieht an. An der Einstülpungsstelle
zeigt dieser Sack radial um die Einstülpungsstelle gestellte Faltungen,
weiter nach Innen dagegen bildet er zahlreiche eirculäre Falten bis zum
Nucleolus hin, welche ihm ein sehr merkwürdiges Aussehen verleihen.
Die Beobachtung gewisser Entwicklungsstadien macht es wahrschein-
lich, dass die obige Erklärung der eigenthümlichen Erscheinung wirklich
begründet ist. Wie jedoch schon bemerkt, ist diese eigenthümliche Modi-
fieation der Membran eine vorübergehende, welche sich aus der einfachen
Membran jugendlicher Kerne hervorbildet und später wieder verloren geht.
Nachdem wir im Vorstehenden die Eigenthümlichkeiten der Kern-
membran kurz betrachtet haben, wollen wir jetzt ebenso den Inhalt der
einfachen Kerne näher verfolgen. Da dieser jedoch bei einer und der-
selben Form auf verschiednen Entwicklungsstufen recht verschieden er-
scheint, so dürfte es sich im Allgemeinen empfehlen, die Verhältnisse bei
den einzelnen Typen speciell zu schildern. Zuvor überblicken wir jedoch
kurz die wichtigsten bis jetzt beobachteten Kernformen. Wie schon er-
wähnt, ist der homogene Kern die ursprünglichste Entwicklungsstufe,
welche sich auch bei einer Reihe Formen dauernd oder doch die längste
Zeit des Lebens hindurch erhält. Der Inhalt des Kernes wird in solchen
Fällen von einer ganz homogen erscheinenden oder auch feinkörnigen,
stärker wie das umgebende Plasma tingirbaren Substanz gebildet (XX. 5b,
XXI. 1u. 2). In dieser treten nun aber häufig stärker verdichtete und intensiver
tingirbare Inhaltskörper oder Nucleoli auf, und zwar in sehr verschiedner
Zahl, Grösse und Gestaltung. Weiterhin bildet sich jedoch auch nicht selten
der bei Rhizopoden und Heliozoön schon mehrfach besprochne bläschen-
förmige Zustand des Kernes aus und zwar wohl in der Weise, dass sich
die ursprünglich gleichmässig durch das Innere des Kernes vertheilte Sub-
stanz der homogenen Kerne in einen centralen, häufig beträchtlich ver-
dichteten Theil oder Nucleolus und eine peripherische Zone oder die
Kernrinde sondert, zwischen welchen sich eine helle Zone von sogen.
Kernsaft ausbildet. Solche bläschenförmigen Kerne sind bis jetzt nament-
lich bei den einfacheren Monopylarien, sowie bei Jugendzuständen der
Acanthometriden beobachtet worden (XXVII. 8a, XXVIII. 8, 9, 9a). Bei
den ersteren sind sie den schon früher besprochnen bläschenförmigen
Kernen der Rhizopoden und Heliozoön am ähnlichsten, da von einer
Kernrindenschicht nichts deutliches zu beobachten ist.
Schliesslich tritt bei einem Theil der Phaeodarien auch die netzförmige
Ausbildung des Kerninhalts mit eingelagerten Kernkörpern hervor, welche
Ja bei Gewebezellen so weit verbreitet ist (XXXII). Nicht ohne Berechtigung
426 Radliolaria.
dürfte angesichts dieser Erfahrung die Frage erscheinen, ob nicht auch
die sogen. homogenen Kerne, speciell die mit feinkörniger Kernsubstanz,
zum Theil eine solch netzförmige Structur besitzen, welche wegen ihrer
Feinheit oder wegen ungeeigneter Untersuchungsmethode nieht deutlich
wurde.
Bei den Sphaeroideen wurden bis jetzt, wenn überhaupt, nur relativ
wenige, dagegen ziemlich ansehnliche Nucleoli in der feinkörnigen Kern-
substanz gefunden, von gewöhnlich rundlicher Gestalt. Meist waren die-
selben ganz homogen, zuweilen jedoch enthielten sie einige kleine Va-
cuolen in ihrem Inneren. Nicht ohne Interesse erscheint, dass bei einigen
hierhergehörigen Formen eine radiärstreifige Beschaffenheit des peripheri-
schen Theiles des Kerninhalts ziemlich deutlich hervortrat. Bei den Phaeo-
darien fanden sich gewöhnlich recht zahlreiche, jedoch ziemlich kleine
und z. Th. recht unregelmässig gestaltete Nucleoli, welche bei netzför-
miger Ausbildung des Kerninhalts in den Knoten der Netzmaschen ein-
gelagert sind. Die unregelmässige Gestaltung mancher Nucleoli brachte
Hertwig auf die Vermuthung, dass dieselben vielleicht amöboid beweg-
lich seien.
Merkwürdig wechselnde Verhältnisse bieten die Nucleoli gewisser
Colliden, speciell der in dieser Hinsicht ziemlich eingehend studirten
Thalassicolla nucleata dar. Die verschiednen beobachteten Zustände
stellen ohne Zweifel in einem gewissen Zusammenhang, den Hertwig fest-
zustellen suchte (28). Der ganze Entwicklungsprocess zielt nach ihm auf
die Erzeugung zahlreicher kleiner Kerne hin, welche bestimmt sind, zu
den Kernen der Schwärmsprösslinge zu werden. Der einfache Kern der
Thalassicolla nucleata, neben welchem sich noch keine kleinen Spröss-
lingskerne im Kapselplasma gebildet haben, ist entweder ganz frei von
Nucleoli oder enthält einen ansehnlichen strangförmigen und unregel-
mässig verästelten Nucleolus, dessen Masse nicht ganz homogen, sondern
äusserlich feinkörnig ist. Einen ähnlichen strangförmigen Nucleolus beob-
achtete Hertwig auch bei der Thalassicolla pelagiea Hek., nur ist der-
selbe hier viel länger und durchzieht in zahlreichen Schlangenwindungen
namentlich die peripherische Zone des Kernes, wie es scheint (XV. 3b).
Dabei erhebt sich die Membran des Kernes zu zahlreichen bruchsack-
artigen Ausstülpungen, von welchen jede eine Kernwindung enthält.
Fraglich musste jedoch bleiben, ob der Nucleolusstrang ein ganz einheit-
licher ist, da er sich nicht durchaus in Zusammenhang verfolgen liess.
Eine ähnliche Bruchsackbildung der Kernoberfläche zeigt sich auch
bei der Thalassicolla sanguinolenta; nur erheben sich bei dieser die Aus-
sackungen als zugespitzte Fortsätze von der Kernoberfläche. Ein ansehn-
licher Nucleolus wurde hier ganz vermisst, dagegen fanden sich zahlreiche
sehr kleine, peripherisch gelagerte Nucleoli vor.
Indem wir wieder zu den Zuständen der Kerne von Thalassicolla
uucleata zurückkehren, begegnen wir zunächst Kernformen, bei welchen
sich statt eines einheitlichen strangförmigen Nueleolus mehrere strang-
Bauweise u. Vermehrung der Nuclei (Colliden, Acanthometriden). 497
[7
förmige Stücke vorfinden, deren Entstehung durch Zerfall des einheit-
lichen Nucleolus sehr wahrscheinlich ist (XVII. 1b). Dies erscheint um so
mehr dem Thatsächlichen zu entsprechen, als auch diese Bruchstücke
noch deutlich weitere Zerfallserscheinungen verrathen. Meist sind sie
an vielen Stellen deutlich eingeschnürt, ja bis zur Bildung feiner Ver-
bindungsfädchen, und wegen der grossen Zahl solcher Einschnürungen
gewöhnlich ganz perlschnurartig gestaltet. Das Auftreten zahlreicherer
kleinerer Bruchstücke und schliesslich kleiner ovaler bis rundlicher
Stückchen, welche in ihrer Grösse etwa den einzelnen Gliedern
der perlschnurartigen Bruchstücke entsprechen, scheint schr dafür zu
sprechen, dass schliesslich der gesammte Nucleolus in zahlreiche kleine
Bruchstücke zerfällt (XVII. la, le). So trifft man denn auch thatsächlich
Kerne, deren Inhalt nur zahlreiche derartige kleine Körperchen enthält.
Hertwig ist nun der Ansicht, dass diese Körperchen schliesslich suc-
cessive aus dem Kern in das Centralkapselplasma austreten und hier die
kleinen homogenen Kerne darstellen, welche sowohl in ihrer Grösse wie
ihrem Aussehen mit jenen kleinen Binnenkörperchen des Kernes sehr
übereinstimmen. Zur Unterstützung dieser Ansicht führt Hertwig noch
einige weitere Gründe auf, worunter namentlich der von Wichtigkeit er-
scheint, welcher sich auf die schwankenden Grössenverhältnisse des ein-
fachen Kernes oder Binnenbläschens stützt. Dasselbe besitzt nämlich
nicht nur relativ, sondern auch absolut eine geringere Grösse bei den-
jenigen Thalassicollen, welche schon kleine Kerne in ihrem Kapselplasma
aufweisen und scheint sich auch mit der Vermehrung dieser kleinen
Kerne noch mehr zu verkleinern. Diese Grössenabnahme des ursprüng-
lichen Kernes sowohl, wie ein auf den späteren Entwicklungsstufen
(d. h., wenn kleine Kerne daneben schon vorhanden sind) hervortretende
Neigung der Kernmembran zur Schrumpfung scheint darauf hinzuweisen,
dass gewisse Theile aus dem Kern austreten und derselbe deshalb sein
Volum vermindert.
Höchst merkwürdige Wandlungen erfährt auch im Laufe der Ent-
wicklung der Nucleolus sowie der gesammte Kern der Acanthometreen.
Wie früher erwähnt, wird bei dieser Abtheilung der vielkernige Zustand
sehr frühzeitig erreicht, so dass nur jugendliche Formen noch Einkernig-
keit zeigen. Der ursprünglich höchst wahrscheinlich homogene Kern
differenzirt sich bald in einen ansehnlichen Binnenkörper (Nucleolus) und
eine ebenfalls ziemlich ansehnliche Rindenschicht, er wird bläschenförmig
(XXVII 8a). — Neben dem ansehnlichen Nucleolus finden sich zuweilen noch
einige kleine Binnenkörperchen vor. Der Kern wächst nun weiter heran, der
helle Kernsaftraum vergrössert sich namentlich auch mehr und es kommt
nun zur Entwicklung der seltsamen Einstülpung der Kernmembran, welche
schon früher Gegenstand unsrer Betrachtung war (siehe p. 424). Gleich-
zeitig damit tritt jedoch auch eine merkwürdige Differenzirung (oder Neubil-
dung) am Nucleolus auf (XXVII. 4a). An dem Nucleolus-Pol, welcher der
Einstülpungsstelle der Kernmembran zugewendet ist, bildet sich eine helle
428 Radiolaria.
homogene Masse aus, welche den dunkleren Haupttheil des Nucleolus
wie eine Kappe bedeckt oder auch wie in eine Vertiefung desselben ein-
gesenkt erscheint. Der Nucleolus erscheint demnach jetzt von zwei ver-
schiednen Substanzen zusammengesetzt. Auf die von der helleren Masse
gebildete Kappe setzt sich, wie schon früher beschrieben, der eingestülpte
Sack der Kernmembran auf.
An diese letztgeschilderten Kernformen schliessen sich nun weiterhin
solehe an, die sich noch mehr vergrössert und dabei die schon erwähnte
gelappte Beschaffenheit angenommen haben (XXVII. 4c).
Bei derartigen Kernformen verschwindet die Einstülpung der Kern-
membran wieder und auch der Nucleolus gebt vollständig ein. Gleich-
zeitig hiermit verdickt sich jedoch die Kernrindenschicht hauptsächlich in
den lappenförmigen Auswüchsen der Kerne und in ihr treten zahlreiche
kleine, diehtere Binnenkörperchen auf. Es scheint daher nicht unzulässig,
die Rückbildung des Nucleolus und das Auftreten der letzterwähnten klei-
nen Binnenkörperchen in causalen Zusammenhang zu bringen.
An die zuletzt geschilderten Zustände lassen sich schliesslich Kern-
verhältnisse anreihen, welche zuweilen beobachtet wurden, wo sich eine
Anzahl wurstförmig gestalteter Kerne mit zahlreichen kleinen Binnen-
körperchen fanden. Es lassen sich diese wohl aus einem Zerfall der
letzterwähnten Form herleiten bei gleichzeitiger Rückbildung des Kern-
saftes.. Weniger wahrscheinlich dünkt mich die Hertwig’sche Ansicht,
wonach diese wurstförmigen Kerne sich dadurch bildeten, dass sich die
verdiekten Rindenpartien der einzelnen Kernlappen ablösten und die
eigentliche Kernblase aufgelöst werde.
Neben diesen wurstförmigen Kernen treten gewöhnlich noch kleine
ovale Kernehen mit einem einzigen Binnenkörperchen auf, welche sich
anscheinend leicht aus dem weiteren Zerfall der wurstförmigen Kerne her-
leiten lassen (XXVI. 5b). Diese letzteren Kerne stimmen nun in ihrer
Beschaffenheit sehr überein mit den bei erwachsenen Acanthometriden fast
durchaus vorhandnen zahlreichen kleinen Kernen. Es erscheint hiernach
sebr wahrscheinlich, dass letztere sich durch vollständigen Zerfall des ur-
sprünglich einfachen Kernes der jugendlichen Formen in der geschilderten
Weise ableiten.
Im Vorstehenden wurde die Kernmetamorphose und schliessliche
Kernvermehrung derjenigen zwei Gruppen geschildert, von welchen bis
jetzt Näheres durch die schönen Untersuchungen Hertwig’s bekannt ist
und zwar im Wesentlichen auf Grund der Deutung, welche Hertwig seinen
Beobachtungen gegeben hat. Es darf nun aber nicht ausser Acht gelassen
werden, dass die supponirten Vorgänge dieser Kernvermehrung bei Tha-
lassicolla wie den Acanthometriden sehr wenig mit dem Modus der Kern-
vermehrung übereinstimmen, welcher in neuerer Zeit mehr und mehr in
allgemeiner Verbreitung erwiesen wurde. Namentlich die Auswanderung
der kleinen Binnenkörperchen aus dem Nucleus der Thalassicolla in Ge-
stalt zahlreicher kleiner Kerne der späteren Schwärmsprösslinge ist ein
Bauw. u. Vermehr. d. Nuclei (Acanthom., Sphaerozoca). Kleine homog. Kerne. 429
Modus der Kernvermehrung, welchem sich bis jetzt nichts Aehnliches an
die Seite setzen lässt. Der Zerfall des Kernes bei den Acanthometriden
dagegen lässt sich mit Zerfallserscheinungen mancher Infusorienkerne,
sowie gewisser Gewebezellen eher vergleichen, nur führen letzterwähnte
Zerfallserscheinungen gewöhnlich nicht zur Vermehrung des Organismus,
sondern scheinen eher mit dem Untergang des Kernes verknüpfte Vor-
gänge zu sein.
Unter solchen Umständen darf daher nicht ausser Acht gelassen
werden, dass die Deutung der geschilderten Befunde bis jetzt durchaus
hypothetisch ist und dass weitere Forschungen uns vielleicht doch noch
‘zeigen werden, dass sich die Entwicklung des mehrkernigen aus dem
einkernigen Zustand unter Verhältnissen vollzieht, welche sich den ge-
wöhnlichen Vermehrungsweisen der Kerne näher anschliessen. Immerhin
darf jedoch auch nicht unbeachtet bleiben, dass die sogen. Reifungs-
erscheinungen des Kernes der Eizelle vielleicht eine gewisse Analogie mit
den Umbildungsverhältnissen des einfachen Radiolarienkernes, speciell des
der Thalassicolla nucleata, darbieten.
Früher wurde schon erwähnt, dass auch die Sphaerozo@en ähnlich
wie die Acanthometriden das einkernige, mehrfach beobachtete Jugend-
stadium sehr frühzeitig mit einem vielkernigen vertauschen; ein solch viel-
kerniger Zustand ist wenigstens einmal auch bei einer Monopyleenform,
dem Trietyopus Hertwig’s beobachtet worden; schliesslich liegen auch
sichere Anzeichen vor, dass sich auch bei den Sphaerideen der viel-
kernige Zustand zur Zeit der Fortpflanzung einstellt, wenigstens wurde
eine Rhizosphaera mit sehr verkleinertem centralen Kern und dichter
Erfüllung des Centralkapselplasmas mit kleinen hellen Kernchen beob-
achtet; auch eine noch jugendliche (!) Haliomma enthielt neben dem
grossen centralen, die Markschale einschliessenden Kern noch kleinere
in grösserer Zahl, und Aehnliches fand sich auch bei einer Litheliusform
— Stylospira arachnia Hertwig).
In den letzterwähnten Fällen gelang es jedoch nicht, etwas über den
Entstehungsvorgang der kleinen Kerne zu ermitteln.
Die Bauweise der kleinen Kerne vielkerniger Zustände bedarf noch
einiger erläuternder Worte. Eine Membran wurde bei denselben bis jetzt
vermisst. Ihre Gestalt ist gewöhnlich eine kuglige bis ellipsoidische
(XXVI. 5a, n); bei den Sphaerozoiden zeigen die ganz homogenen
Kernchen nach Brandt (36) z. Th. jedoch auch sehr unregelmässige Ge-
stalten, man trifft zuweilen solche, die ganz das Aussehen einer viel-
zackigen Amöbe besitzen (XIX. 4a—b).
Meist erscheinen sie ganz homogen; im lebenden Zustand häufig sehr
hell und durchsichtig, so dass sie von Joh. Müller als farblose Zellen und
von Häckel als wasserhelle Bläschen bezeichnet werden konnten. Bei den
Acanthometriden enthalten sie gewöhnlich ein bis zwei kleine Nucleoli
und auch bei den Sphaerozoiden sind sie nach Brandt nicht stets homo-
gen, wie Hertwig angab, sondern entwickeln mit Beginn der Schwärmer-
430 Radiolaria.
bildung dunkle Körnchen oder Fädchen in ihrem Innern, eine Art Kern-
netz oder Gerüstwerk (XIX. 4e—3g).
Diese kleineren Kerne vermehren sich, wie dies aus dem Vergleich
ihrer Zahl und Grösse bei jüngeren und älteren Thieren geschlossen wer-
den darf und sich auch bei den Sphaerozoiden direct hat beobachten
lassen. Hertwig (33) glaubt auch Theilungsstadien der kleinen Kerne
der Acanthometriden gesehen zu haben und beschreibt sie als bisquit-
förmig mit zwei auseinandergerückten Nucleoli, also ganz entsprechend
dem früher allgemein adoptirten Schema der Kerntheilung. Die Beobach-
tungen Brandt’s (36) haben dagegen ergeben, dass die oben erwähnten
kleinen Kerne der Sphaerozoiden (mit Fädchen- und Körnchengerüst) sich‘
unter spindelförmiger Umbildung theilen (XIX. 4h—k).
Ausserdem will jedoch Brandt auch Theilungen der ganz homogenen
Sphaerozoidenkerne noch vor Beginn der Schwärmerbildung beobachtet
haben, welche ohne weitere Differenzirung der homogenen Kernsubstanz
durch einfachen Zerfall vor sich gingen (XIX. 4c—d).
Mit diesen wenigen Beobachtungen ist zugleich Alles erschöpft, was
bis jetzt über Theilungsvorgänge der Kerne bei den Radiolarien beob-
achtet wurde; im Allgemeinen sind demnach diese Vorgänge noch wenig
erforscht.
0. Das extrakapsuläre Plasma, seine Einschlüsse und Erzeugnisse,
1. Das extrakapsuläre Plasma und die Gallerte im All-
gemeinen. Wir haben schon bei früherer Gelegenheit unsre Auffassung
des extrakapsulären Plasmas mehrfach betont und namentlich dargestellt,
dass wir es nicht für angezeigt halten, es als ein Ectoplasma im Gegensatz
zu dem intrakapsulären, als Entoplasma, zu bringen. Die Eigenthümlich-
keiten des extrakapsulären Plasmas finden ihre Erklärung, wie mir scheint,
besser auf Grundlage unserer Auffassung. Nicht selten weicht ja auch das
aus der Schale eines Rhizopoden in Gestalt von Pseudopodien oder eines
Ueberzuges hervorgedrungne Plasma wesentlich von dem in der Schale
verbliebenen durch hyaline Beschaffenheit oder durch Mangel der Ein-
schlüsse ab.
Eine sichere Entscheidung zwischen den beiden entgegenstehenden
Ansichten wird sich jedoch erst durch die Feststellung der Entwicklungs-
geschichte ergeben. Entwickelt sich, wie Brandt (36) anzunehmen ge-
neigt ist, die Centralkapselwand als eine innerliche Membran auf der
Grenze zwischen den zwei zuvor schon differenzirten Plasmazonen, so
scheint die Frage gegen uns entschieden zu sein; ist dagegen, wie ich
anzunehmen geneigt bin, die Centralkapselmembran ursprünglich eine
oberflächliche Ausscheidung, homolog dem Schalenhäutehen der Rhizo-
poden, so besteht die zweite Auffassung zu Recht. Schon früher wurde
betont, dass wir den Beobachtungen über centralkapsellose Radiolarien
vorerst in dieser Frage keine entscheidende Bedeutung zuschreiben dür-
fen, da einerseits eine sehr zarte Centralkapselwand bei diesen doch
Extrakaps. Plasma u. Gallerte. 431
z. Th. vorhanden sein kann, andrerseits dagegen nicht hinreichend fest-
gestellt scheint, ob bei diesen Formen überhaupt immer ein scharfer
Unterschied zwischen zwei Protoplasmaregionen existirt*).
Unsre Ansicht erhält, wie mir scheint, eine sehr wesentliche Stütze,
wenn wir uns die Beschaffenheit des extrakapsulären Weichkörpers etwas
näher ansehen.
Wie zu erwarten, ist die Centralkapsel der peripyleen Radiolarien
äusserlich von einer gleichmässigen Plasmalage überzogen, die von Häckel
seiner Zeit (16) den Namen des Pseudopodienmutterbodens er-
halten hat, wie der entsprechende Plasmaüberzug der Radiolarienkapsel
überhaupt. Bei sämmtlichen Radiolarien gesellt sich jedoch noch eine
diesen Mutterboden äusserlich umhüllende Gallertzone von sehr ver-
schiedner, häufig sehr ansehnlicher Mächtigkeit hinzu, welche wie
ähnliche Gallerthüllen, die wir dauernd oder temporär bei den Rhizo-
poden und Heliozoön trafen, als ein direetes Erzeugniss der extrakapsu-
lären Sarkode aufzufassen ist. Der innige Zusammenhang der extrakap
sulären Sarkode mit dieser Gallerte macht es erforderlich, dass wir beide
gleichzeitig betrachten.
Wenn wir, wie geschildert, bei den Peripylarien einen gleichmässigen
Ueberzug von extrakapsulärem Plasma schon aus dem Grunde zu finden
berechtigt waren, dass ja dem intrakapsulären Plasma hier allseitig gleich-
mässiger Durchtritt durch die zahlreichen Poren der Centralkapselwand
gewährt ist, so dürfen wir auch schon die Vermuthung hegen, dass bei
den Phaeodarien und Monopylarien eine solch gleichmässige Vertheilung
der extrakapsulären Sarkode fehle. Dies ist denn auch thatsäch-
lich der Fall. Bei den ersteren häuft sie sich namentlich reichlich
um die Hauptöffnung der tripylen Formen an, wogegen der Theil der
Kapselwand, welcher die beiden Nebenöffnungen enthält, nur einen dünnen
Plasmaüberzug besitzt. Noch auffallender wird dagegen diese ungleich-
mässige Vertheilung des extrakapsulären Plasmas bei den Monopylarien.
Hier begegnen wir Formen wie Cystidium (XXVIII. 8) und Plagiacantha,
bei welchen sich extrakapsuläres Plasma überhaupt nur um das Poren-
feld des einen Pols der Kapsel angehäuft findet, also von einem gleich-
mässigen Ueberzug der Centralkapselwand nicht mehr die Rede sein kann
und daher auch gewiss nicht von einem Ectoplasma in der gewöhnlichen
*) Nicht ohne Berechtigung erscheint jedoch vielleicht auch eine Art Ausgleich zwischen
den beiden besprochnen Ansichten, d.h. die Annahme der Bildung der Centralkapselwand als
ein oberflächliches Schalenhäutchen mit nachträglichem Hervortreten der extrakapsulären
Sarkode und eine Homologisirung dieser extrakapsulären Sarkode mit dem Eetosark der Rhizo-
poden und Heliozoön. Es ergibt sich dann nur als Consequenz, dass auch das aus der Schale
hervorgedrungne Plasma mancher retikulärer Rhizopoden als Ectosark zu beanspruchen ist,
was auch nicht sehr schwierig vorstellbar sein dürfte, da ectosarkartige Pseudopodien ja
die lobosen Rhizopoden mit nicht dauernd differenzirtem Ectosark auszeichnen und z. B.
bei Pelomyxa eine ectosarkartige hyaline äussere Region häufig streckenweis auf der Oberfläche
hervortritt.
432 Radiolaria.
Bedeutung dieses Begriffes. Bei den übrigen Monopylarien dagegen fin-
det sich, soweit bekannt, ausser der ansehnlichen Anhäufung von Plasma
am Porenfeld auch noch ein dünner Ueberzug der übrigen Central-
kapselwand.
Unter allen Umständen geht jedoch aus diesen Vertheilungsverhält-
nissen des ertrakapsulären Plasmas hervor, dass es da besonders reich-
lich angehäuft ist, wo die Communication mit dem intrakapsulären sich
findet und die Annahme erscheint wohl berechtigt, dass es einem Her-
vordringen des letzteren auf die Aussenfläche der Kapsel seinen Ur-
sprung verdankt.
Von dem sogen. Pseudopodienmutterboden entspringen netzartig ver-
zweigte und unter einander anastomosirende Plasmafortsätze, welche die
Gallerte durchsetzen und schliesslich, auf deren Oberfläche angelangt, den
frei hervorragenden Pseudopodien den Ursprung geben (XVIIL 6e—f, XIX.
3, XXVN. 4). Ausserdem geht von dem Pseudopodienmutterboden jedoch
auch eine dünne plasmatische Umhüllung frei hervorragender Stachelgebilde
des Skeletes wahrscheinlich überall aus, wo solche Stachelgebilde entwickelt
sind. Bei den Acanthometriden wenigstens lässt sich ein solcher Plasmaüber-
zug der Skeletstacheln sicher nachweisen; andrerseits erscheint derselbe als
eine wohl unerlässliche Bedingung des Weiterwachsthums der Skeletanhänge.
Zunächst muss es jedoch unsre Aufgabe sein, die Ausbildungsver-
hältnisse des Pseudopodienmutterbodens und der Gallerte noch etwas
eingehender zu verfolgen. Der erstere ist in recht wechselnder Mächtig-
keit entwickelt. Z. Th. sehr spärlich, als eine nur sehr dünne Lage aus-
gebildet, wie bei den Acanthometriden, erlangt er bei den übrigen Peri-
pylarien gewöhnlich eine ansehnlichere Entwicklung, so namentlich bei
den Colliden, zahlreichen regulären Sphaerideen und auch den Diseiden.
Relativ die beträchtlichste Entwicklung bietet er jedoch bei den Phaeo-
darien nach den übereinstimmenden Angaben Hertwig’s und Häckel’s dar.
Auch bei den Monopylarien begegnen wir ihm in recht verschiednem
Ausbildungsgrade.
Noch viel grössere Differenzen in Hinsicht auf die Reichlichkeit ihrer
Entwicklung bietet die Gallerthülle dar. Diese schon von Meyen und
Huxley bei den Sphaerozoiden recht wohl erkannte und auch als
Gallerte bezeichnete Körperschicht wurde später von J. Müller und Häckel
irrthümlicher Weise für eine Bildung gehalten, welche dem lebenden
Radiolarienkörper fremd sei und sich erst nach dem Tode (Müller) oder
auch unter ungünstigen Lebensbedingungen (Häckel) entwickele; nach
Müller als eine Ausschwitzung der extrakapsulären Sarkode und ihrer
Pseudopodien, nach Häckel dagegen durch eine reichliche Wasseraufnahme
der Sarkode eine Art Verquellung derselben. Veranlasst wurde diese
irrthümliche Auffassung wohl im Allgemeinen dadurch, dass die Gallert-
hülle im lebenden Zustand so wasserklar durchsichtig erscheint und sich
in ihren Brechungsverhältnissen von dem umgebenden Wasser so wenig
unterscheidet, dass sie äusserst schwer oder nur bei Anwendung gewisser
Gallerte (Gallertscheiden der Acanthometreen). 433
Hülfsmittel wahrzunehmen ist. Dagegen tritt ihre äussere Grenze bei
abgestorbnen Thieren oder solehen, welche die Pseudopodien eingezogen
haben, nicht selten deutlich hervor, indem entweder die zurückgezognen
Pseudopodien nun einen zarten Plasmaüberzug der Oberfläche bilden
oder zahlreiche kleine Fremdkörper der klebrigen Gallertoberfläche an-
haften und dieselbe kenntlich machen.
Erst die Untersuchungen R. Hertwig’s haben daher die Thatsache ganz
sichergestellt, dass ein solcher Gallertmantel ein Organisationsbestandtheil
ist, welcher auch den lebenden Radiolarien ganz allgemein zukommt.
Wie erwähnt, ist derselbe jedoch in sehr verschiednem Grad entwickelt.
Bei einem Theil der Peripylarien bleibt er gering, so bei der Mehrzahl
der regulären Sphaerideen, wo häufig die einzige Gitterschale der Mono-
sphaeriden oder die äussere Rindenschale der Polysphaeriden nicht in
den Gallertmantel eingeschlossen ist.
Zuweilen wird jedoch auch hier die Entwieklung der Gallerte an-
sehnlicher, so nach Häckel bei den Cladococeiden, und bei den irregulären
Sphaerideen scheint sie im Allgemeinen sehr mächtig zu sein, so dass bei
Heliodiseus, den Porodiseiden und Spongodiseiden das gesammte Skelet
von der Gallerte umschlossen wird. Sehr reichlich ist die Gallerte
zum Theil auch bei den Acanthometriden, Colliden und den kolonie-
bildenden Sphaerozoden entwickelt, so dass sie bei den Colliden eine
Dicke zu erreichen vermag, welche den Durchmesser der ansehn-
lichen Centralkapsel übertrifft. Ebenso ansehnlich erscheint sie im All-
gemeinen auch bei den Phaeodarien, wo sie auch nicht selten das gesammte
Skelet umhüllt, und ein soleh völliger Einschluss des Skeletes durch die
Gallerte gilt endlich ebenso allgemein für die Monopylarien.
Im Allgemeinen schliesst sich die Gestaltung des Gallertmantels
natürlich der des Skeletes an, ist demnach bei den kugligen Formen eine
kuglige, bei den monaxonen eine ebensolche. Bei gewissen Phaeodarien
(Coelothamnus) mit ansehnlich langen, strahligen Skeletfortsätzen, erhebt
sich die Gallerte um jeden Strahl, ihn vollständig einschliessend, zu einem
Fortsatz; ähnliches findet sich auch bei den Acanthometrida, wo sich die
Gallerte gewöhnlich um jeden der Skeletstacheln, der aus ihr mit seinem
peripheren Ende hervorragt, als eine sogen. Stachelscheide, wie sie schon
J. Müller beschrieb, erhebt. Der Grad der Erhebung und Ausbildung
solcher Stachelscheiden ist jedoch ein recht variabler, was von ver-
schiednen Umständen abhängt. Sehr geringe wie sehr ansebnliche Entwick-
lung der Gallerte scheinen eine schwache Ausprägung der Stachelscheiden zu
bedingen; gleichzeitig sind dieselben jedoch bei einer und derselben Form
veränderlich, was ohne Zweifel wesentlich von dem Vorhandensein sehr
eigenthümlicher, contractiler, fadenartiger Elemente bedingt wird, welche
sich zwischen den Enden der Gallertscheide und dem Stachel ausspannen
und durch ihre Contraetion die Scheiden nach dem Stachelende ziehen
(XXVIL 4, ge). Es sind dies die sogen. Gallerteilien, welche besser erst
später ihre genauere Besprechung finden werden.
Bronn, Klassen des Thier-Reiehs. Protozon. >
434 Radiolaria.
Die Consistenz der Gallerte scheint häufig eine nieht unerhebliche zu
sein, so wird sie von Häckel und Hertwig z. Th. mit der der Medusen-
gallerte verglichen, für gewisse Formen sogar als eine knorplige bezeich-
net. Trotzdem scheint die Gallerte eine nicht unerhebliche Klebrigkeit zu
besitzen, worauf eben die schon früher betonte Erscheinung zurückzuführen
ist, dass der Oberfläche der Gallerte abgestorbner oder doch nicht sehr
lebensfrischer Exemplare gewöhnlich zahlreiche kleine Schmutztheilchen
und sonstige Fremdkörper ankleben.
Fast überall ist die Gallerte ganz homogen und structurlos, nur
Häckel gibt an, bei einigen wenigen Formen eine radiärstreifige oder
concentrisch geschichtete Gallerte beobachtet zu haben.
Eine eigenthümliche Differenzirung zeigt sie nur an der Ober-
fläche gewisser Acanthometriden. Bei Xiphacantha serrata Hek. beobach-
tete Hertwig fein fadenförmige Differenzirungen, welche von der Spitze
der. Stachelscheiden nach deren Basis in regelmässiger Anordnung ziehen
und zwischen den Basen der benachbarten Stachelscheiden so mit den
Fäden der umgebenden Stachelscheiden zusammenstossend sich vereinigen,
dass alle diese Vereinigungspunkte um jede Scheidenbasis eine polygonale
Figur bilden. Diese polygonalen Zeichnungen um die Basen der Stachel-
scheiden sind deshalb noch von besondrer Wichtigkeit, weil in ihnen die
Ursprünge der Pseudopodien liegen. Etwas anders gestaltet sich eine
ähnliche fadenförmige Differenzirung auf der Gallertoberfläche des Acantho-
chiasma rubescens Heck. (XXVII. 3). Hier bilden eine Anzahl feiner, dicht
zusammenstehender Fäden ein polygonales Band um jeden nur wenig über
die Oberfläche der Gallerte vorspringenden Stachel, so dass die gesammte
Gallertoberfläche von einer polygonalen Felderung bedeckt wird. Auch
bei dieser Form zeigen die später zu besprechenden Hauptpseudo-
podien eine bestimmte Beziehung zu der Fadendifferenzirung, sie ent-
springen nämlich von dem streifigen Band. Mit Hertwig dürfen wir es
für wahrscheinlich halten, dass diese fibrillären Bildungen der Gallertober-
fläche eine Bedeutung als Stützapparate besitzen. Mit der extrakapsulären
Sarkode und ihren Ausläufern stehen sie namentlich in keinem directen
Zusammenhange.
2. Einschlüsse der extrakapsulären Sarkode. Verschiedne
Einschlüsse, welche wir schon in der intrakapsulären Sarkode kennen
lernten, begegnen wir auch hier wieder, jedoch sind darunter nur zweier-
lei, welche gelegentlich eine wesentlichere Rolle spielen, nämlich die Va-
euolen oder Alveolen, wie sie in der extrakapsulären Sarkode gewöhnlich
genannt werden und weiterhin das Pigment. Gelegentlich wird auch das
Vorkommen von farblosen Oelkugeln (so bei Thalassicolla sanguinolenta,
nucleata und Sphaerozoden), sowie von Eiweisskugeln berichtet (Tha-
lassolampe primordialis und Collozoum nach Hertwig), doch sind dies
anscheinend seltne Vorkommnisse; Concremente und Krystalle fehlen
völlig, wenn man nicht etwa zu der sehr unwahrscheinlichen Annahme
hinneigt, dass die zahlreichen Coceolithengebilde, welche sich in der extra-
Gallerte; Extrakapsul. Vacuolen (Alveolen). 435
kapsulären Sarkode der als Myxobrachia beschriebnen, deformirten Exem-
plare von Thalassicolla sanguinolenta finden, conerementäre Erzeugnisse
des Radiolarienkörpers selbst seien *).
Dagegen treffen wir bei einer Reihe ansehnlicher Radiolarien aus den
Gruppen der Colliden und Phaeodarien, sowie durchgängig bei den Kolo-
nien der Sphaerozoden zahlreiche und z. Th. sehr ansebnliche Vacuolen
an, welehe nicht in dem Pseudopodienmutterboden selbst ihren Sitz haben,
sondern sich in den Maschenfäden des Plasmanetzes der Gallerte bilden.
Sie erscheinen daher gewissermaassen in die Gallerte eingelagert**).
Schon Huxley (5) fasste sie als Flüssigkeitsräume im Sinne der Vacuolen,
welche Dujardin in seiner Sarkode beschrieb, auf. J. Müller dagegen
und ähnlich Häckel, wenn auch für die extrakapsulären Alveolen weniger
entschieden, vermutheten in ihnen Zellen, da sie von einer besonderen
Membran umschlossen seien. Dagegen neigten sich Schneider (19) und
Dönitz (22) mehr der Huxley’schen Auffassung zu und R. Hertwig (28, 33)
erbrachte auch für diese extrakapsulären Vacuolen den sicheren Nach-
weis, dass sie gewöhnlich nichts weiter wie wandungslose Flüssigkeitstropfen
im Plasma sind. Sie bilden sich durch Auftreten von Flüssigkeitstropfen in
den Maschenfäden des Plasmanetzes der Gallerte; indem eine solche Va-
euole ansehnlich heranwächst, verdünnt sich die sie umhüllende zarte
Plasmalage sehr und sie ist es ohne Zweifel, welche Müller und Häckel
für die Alveolenmembran gehalten haben. Natürlich erscheint es, dass
sich gleichzeitig Vaeuolen sehr verschiedner Grösse finden. Treten sie
sehr zahlreich auf, so pressen sie sich häufig gegenseitig polyedrisch.
Bei den grossen Colliden und Phaeodarien (XXXI. 19, alv), wo die Al-
veolen in sehr reichlicher Zahl auftreten, bilden sie einen dicken Mantel um
die Centralkapsel, der aus mehreren concentrisch umeinander gelagerten
Vaeuolenschichten besteht. Gewöhnlich, sehr ausgesprochen z. B. bei Tha-
lassicolla, nehmen diese Vacuolen peripberisch an Grösse zu (XVII. 3a).
Bei Thalassicolla nucleata (XVII. 4a) findet sich zunächst um die Cen-
tralkapsel eine Zone mit kleinen Vacuolen und auf diese folgt dann die
äussere, in welcher die Vacuolen sich rasch vergrössern. Auch zeigen nach
Hertwig diese beiden Zonen hier ein sehr verschiednes Verhalten, indem die
Vacuolen der äusseren Zone bei mechanischer Reizung des Tbieres von aussen
nach innen successive collabiren, wodurch schliesslich eine vacuolenfreie
äussere Gallertzone resultirt. Bei Aufhören der Reizung tritt allmählich
eine Neubildung der Alveolen der äusseren Zone auf, bis schliess-
lich der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt ist. Dieses Verhalten
beweist denn auch ganz unzweifelhaft, dass die sogen. Alveolen einfache
Flüssigkeitsansammlungen sind, von derselben Natur wie die der Heliozoön,
*) Vergl. hierüber weiter unten,
*#) Eigenthümlich ist, dass unter den Monopylarien nur eine einzige Gattung, nämlich
das schalenlose Cystidium Hertw. extrakapsuläre Vacuolen besitzt, welche sich hier mit dem
extrakapsulären Plasma um das Porenfeld des basalen Kapselpols lagern.
28*
436 Radiolarla.
sahen wir doch (p. 273), dass sich die Vacuolen grösserer Heliozo@n in
ganz entsprechender Weise gegen mechanische Reizung verhalten.
Erst später, bei der Schilderung der Koloniebildung können wir, die
Anordnung und die genaueren Verhältnisse der Vacuolen der Sphaero-
zo&en (s. T. XVIII u. XIX) eingehender darstellen, doch verdient schon an
dieser Stelle hervorgehoben zu werden, dass nach Hertwig’s Erfahrungen,
welchen ich mich auch anschliessen kann, die grosse centrale Vaeuole, welche
die Kolonien dieser Radiolarien z. Th. besitzen, thatsächlich von einer zarten
Membran umhüllt zu sein scheint, ja es gelang Hertwig, diese grosse Vacuole
zu isoliren. Jedenfalls ist ihre Membran ein secundäres Erzeugniss, welches
sich z. Th. dadurch erklärt, dass die grosse centrale Vacuole gewisser-
maassen einen Stützapparat der gesammten Kolonie bildet, um welchen
sich die Einzelthiere in später zu besprechender Weise herumlagern.
In zweiter Linie tritt uns Pigment als ziemlich wesentlicher Bestand-
theil des Ectosarks einer Reihe von Radiolarien entgegen. Nur in der
interessanten Abtheilung der Phaeodarien ist dieses Pigment jedoch ein
ganz charakteristischer, soweit bekannt, nie fehlender Bestandtheil, welcher
demnach zu den bezeichnendsten Eigenthümlichkeiten der Abtheilung ge-
hört. Dieses stets sehr dunkle Pigment ist im Mutterboden der Pseudo-
podien angehäuft, besonders reichlich meist in dessen stärker ent-
wickelter Partie, welche bei den tripylen Formen bekanntlich die Haupt-
öffnung umgibt, weshalb denn häufig die dunkle Pigmentmasse nur die
eine Seite der Centralkapsel umhüllt, nicht selten jedoch auch den gröss-
ten Theil der Kapsel einschliesst, ja diese sogar gelegentlich völlig um-
hüllt (XXXI 18). Dies Pigment, welches Häckel in seiner Gesammtheit als
das Phaeodium bezeichnet, ist theils ein sehr feinkörniges, staubartiges, theils
dagegen aus gröberen Körmern, sogen. Phaeodellen Häckel’s gebildet.
Früherhin (16) sprach Häckel auch von Pigmentbläschen, welche bei
Coelodendrum sogar echte Zellen sein sollten,
Der Farbenton zeigt gleichfalls einige Wandelbarkeit, doch ist er
stets ziemlich dunkel. Meist herrscht ein dunkel- bis schwarzbrauner
Ton vor, nicht selten jedoch geht derselbe ins Grünliche bis Dunkelgrüne
über, ja es treten auch zuweilen röthliche bis violette Farbentöne auf.
Auf Hertwig machte dieses Pigment der Phaeodarien z. Th. den Ein-
druck halbverdauter Nahrung.
Ein ähnliches schwarzes Pigment findet sich unter den Colliden stets
bei der interessanten Thalassicolla nucleata und erfüllt hier den Mutter-
boden der Pseudopodien gewöhnlich so dicht, dass die Centralkapsel ganz
verdeckt wird. Unter Umständen, so bei heftiger mechanischer Reizung
der Thiere, verbreitet sich das Pigment auch nach aussen durch die
Gallerte, so dass die sonst sehr scharf gezeichnete schwarze Umrahmung
der Centralkapsel nun ziemlich verwaschen erscheint. Braunes Pigment
findet sich gewöhnlich ziemlich reichlich bei Diseiden und vertheilt sich
hier zuweilen auf bestimmte Stellen der Peripherie, so zum Theil bei
Stylodyetia nach Hertwig. Auch sonst sind Pigmentkörnchen bei den
Extrakapsul. Pigment; Anordnung der Pseudopodien. 437
Sphaerideen keine seltne Erscheinung. Gelbe Pigmentkörnchen und
Häufchen solcher trifft man gewöhnlich bei Thalassolampe und gewisse
Acanthometriden zeichnen sich durch sehr reichliches feinkörniges, lebhaft
rothes Pigment aus (so Acanthostaurus purpurascens Hck., Actinelius pur-
pureus Hek.), welches sich hier jedoch durch die gesammte Sarkode,
intra- wie extrakapsulär verbreitet und auch bis auf die Pseudopodien
hinauswandert. Braunes extrakapsuläres Pigment wurde bei einigen
Monopylarien (Cystidium und Trietyopus) von Hertwig beobachtet.
Im Allgemeinen dürfen wir also hervorheben, dass die Pigmentent-
wicklung der extrakapsulären Sarkode weniger reichlich ist, wie die der
intrakapsulären.
D. Die Pseudopodien der Radiolarien und einige anderweitige besondere
Differenzirungen des extrakapsulären Plasmas, sowie die Nahrungsauf-
nahme und die Bewegungserscheinungen.
1. Die Pseudopodien der Radiolarien entspringen anscheinend
stets von der Oberfläche der Gallerthülle als sehr feine, strablenartige
Fäden, welche sich meist allseitig erheben. Ihre Länge sowohl wie ihre
Zahl ist grossen Schwankungen unterworfen und in ihrer Ausbildung
nähern sie sich theils mehr denen der reticulären Rhizopoden, theils mehr
denjenigen der Heliozoa. Sehr zahlreich strahlen sie gewöhnlich allseitig
bei den Sphaerideen und Colliden aus, so dass sich ein dichter Wald oder
Sammt von Pseudopodienfäden von der Oberfläche der Gallerte erhebt.
Häckel schätzt ihre Zahl bei Thalassicolla auf weit über Tausend. Auch
die Monopylarien und Phaeodarien scheinen im Allgemeinen keine geringe
Zahl von Pseudopodien zu bilden, nur bei den einfacheren Formen der
Monopylaria sind sie meist spärlich, doch hängt natürlich die Pseudo-
podienzahl in gewissem Grade von der Grösse des Organismus überhaupt
ab. Spärlich sind die Pseudopodien nach den übereinstimmenden An-
gaben der Beobachter eigentlich nur bei den Acanthometriden entwickelt.
Dagegen zeigen sie hier z. Th. sehr eigenthümliche Stellungsverhältnisse
und treten weiterhin in zweierlei verschiednen Ausbildungsformen auf.
Bevor wir jedoch die bei letzterer Abtheilung sich findenden Verhältnisse
genauer ins Auge fassen, erscheint es gerathener, zunächst die Stellungs-
verhältnisse der Pseudopodien bei den übrigen Abtheilungen kurz zu ver-
folgen. Es erscheint natürlich, dass bei den Peripylarien eine gleich-
mässige, allseitige Vertheilung der Pseudopodien herrscht. Ebenso
weiterhin, dass bei den Monopylarien im Allgemeinen eine reichlichere
Entwicklung derselben von der um das Porenfeld ansehnlicher angehäuften
extrakapsulären Sarkode ausgeht, so dass also bei den Cyrtida ein
ansehnlicherer Pseudopodienbüschel aus der Schalenmündung hervortritt,
doch strahlen auch nach allen übrigen Richtungen des Raumes hier zahl-
reiche Pseudopodien aus.
Die Länge, welche die Pseudopodien erreichen, ist gleichfalls recht
verschieden; so erlangen sie bei einer Reihe von Abtheilungen den
458 Radiolaria.
mehrfachen Durchmesser des Körpers, sinken dagegen bei anderen bis
zur Hälfte desselben herab.
Die Gestaltung der Pseudopodien ist, wie bemerkt, theils mehr eine
heliozo@nartige, d. h. die starrer, strahlenartiger Fäden, welche sich ver-
hältnissmässig selten verästeln und daher auch keine oder nur sehr spär-
liche Anastomosenbildungen zeigen oder eine mehr verästelte, mit Neigung
zur Netzbildung. Im Allgemeinen scheinen hauptsächlich die Peripylarien
starre Pseudopodien der erstgeschilderten Ausbildungsweise zu entwickeln,
wogegen bei den Monopylarien und auch den Phaeodarien häufig eine
reichlichere Anastomosen- und Netzbildung zu Stande kommt. Häckel
(16) hebt hervor, dass die starren Pseudopodien sich gewöhnlich auch
durch Armuth an Körnchen auszeichnen, während diese den verästelten
reichlicher zukommen. Für einen Theil der starren Pseudopodien, näm-
lich diejenigen der Acanthometriden, konnte Hertwig nachweisen, dass
sie dieselbe Zusammensetzung aus Axenfaden und körnchenführender
Rindenschicht aufweisen, wie die der Heliozoa z. Th. Es gilt dies jedoch
nicht für sämmtliche Pseudopodien, welche eine solche Acanthometride
entwickelt. Unregelmässig über die Oberfläche der Gallerte vertheilt oder
an den Stacheln entspringend finden sich auch feine Pseudopodien,
welchen eine solche Differenzirung fehlt. Die differenzirten Pseudopodien
zeichnen sich einmal durch ihren streng radialen Verlauf aus und weiter-
hin gewöhnlich durch sehr regelmässige Vertheilung über die Oberfläche des
Organismus, was schon J. Müller hervorhob. Bei Acanthometra (XXVIL 4)
steht nach Hertwig ein solches Pseudopodium meist regelmässig in der Mitte
zwischen zwei benachbarten Stacheln; bei anderen dagegen, so bei Xiph-
acantha umstehen zahlreiche (50—60) derartige Pseudopodien den peri-
pherischen Theil jedes Stachels und zwar so geordnet, dass sich je ein
Pseudopodium aus dem Zusammenstossungspunkt zweier der früher ge-
schilderten Stützfäden benachbarter Stachelscheiden erhebt. Es bilden
daher auch die Basen der um jeden Stachel eingepflanzten Pseudo-
podien keinen Kreis, sondern, wie schon früher für die Vereinigungspunkte
der Stützfäden geschildert wurde, eine polygonale Figur.
Die Axenfäden der ebengeschilderten Pseudopodien lassen sich nun,
ähnlich wie bei den Heliozoön, ins Innere des Körpers verfolgen, und
zwar verlaufen sie streng radial durch die Gallerte und die Centralkapsel
hindurch bis zum Stachelkreuz, wo sie sich den Blicken entziehen, da
das intrakapsuläre Plasma um das Stachelkreuz gewöhnlich stärker körnig
oder pigmentirt erscheint. In ihrem Verlauf durch die Gallerte sind die
Axenfäden von Protoplasma überkleidet und bei der Acanthometra elastica
(welche sich wegen ihrer Durehsichtigkeit besonders zur Beobachtung
eignet), wo nur ein Plasmanetz die Centralkapsel durchzieht, überkleidet
das feinkörnige Plasma die Axenfäden auch in ihrem Verlaufe durch die
Centralkapsel durchaus. Schon Claparede (14) hatte sich bei Acanthometriden
von dem Eindringen der Pseudopodien in den Weichkörper überzeugt und
Greeff, hierauf gestützt, das Vorhandensein von Axenfäden vermuthet.
Beschallenheit der Pseudopodien (Axenfäden , Körnchenströmung). 439
Leider gelang es bis jetzt nur bei den Acanthometriden mit Sicher-
heit die Gegenwart der Axenfäden zu beobachten; mit Hertwig dürfen
wir es jedoch für wahrscheinlich halten, dass auch noch die starren
Pseudopodien andrer Abtheilungen, so namentlich die der Sphaerideen
Axenfäden besitzen. Hertwig gelang es bei zwei hierhergehörigen For-
men, einer Diplosphaera und einer Arachnosphaera, am isolirten
Nucleus zahlreiche der Kernmembran äusserlich anhängende Fäden
wahrzunehmen, welche er vermuthungsweise und nicht ohne Recht als ver-
kürzte Axenfäden betrachtet*). Wir sahen ja auch bei Actinophrys unter
den Heliozoön die Axenfäden bis zur Oberfläche des centralen Kernes
verlaufen. Für die übrigen Abtheilungen der Radiolarien dagegen
glaubt Hertwig das Vorkommen der Axenfäden bestimmt in Abrede stellen
zu müssen. Jedoch scheint mir ein Punkt in der Organisation der Mono-
pylaria möglicherweise für die Anwesenheit von Axenfäden bei einem
Theil der Pseudopodien zu sprechen. Es ist dies nämlich der eigenthüm-
liche, früher geschilderte Pseudopodienkegel, dessen radiäre, zum Poren-
feld ziehende Streifen und ihre Vereinigung im Centrum der Centralkapsel
eventuell einen Vergleich mit Axenfäden erlaubt. Doch ist eine solche
Vermuthung einstweilen nicht weiter zu begründen. Brandt (36) hat sich
überzeugt, dass die Axenfäden der Acanthometriden in 10—20°/, Kochsalz-
lösung löslich sind und hält sie deshalb wie die der Heliozoa für Vitellin.
Es wurde schon oben hervorgehoben, dass die Pseudopodien in sehr
verschiednem Grade körnchenführend sind und Häckel betont, dass auch
Formen mit gewöhnlich sehr körnchenreichen Pseudopodien zuweilen ganz
körnchenfreie zeigen. |
Natürlich fehlt die Körnehenbewegung nicht und ist gewöhnlich eine
ziemlich langsame, doch habe ich mich wenigstens bei Sphaerozoöen
überzeugt, dass sie die vieler Rhizopoden an Energie übertrifft. Wie
schon erwähnt, wandern z. Th. auch die rothen Pigmentkörnchen der
extrakapsulären Sarkode gewisser Formen auf die Pseudopodien hinaus
und geben dann einen unzweifelhaften Beweis für die richtige Deutung
der Körnehenbewegung. Auch die bei den Rhizopoden schon geschilder-
ten Gegenströme an einem Pseudopodium treffen wir wieder an. Dieselbe
Körnchenströmung lässt sich jedoch auch leicht an den die Gallerte
durchsetzenden Plasmanetzen constatiren und Strömungserscheinungen
treten auch zuweilen in der Centralkapsel deutlich hervor. Hertwig ge-
lang es sogar, wie schon angedeutet, bei durchsichtigen Acanthometren
den sicheren Nachweis zu führen, dass Körnchen die Centralkapsel-
wand passiren, womit also auch Strömungen zwischen dem intra- und
extrakapsulären Plasma sichergestellt erscheinen.
Zuweilen zeigen sich auch an den Pseudopodien der Radiolarien
spindelförmige Anschwellungen, sogen. Varicositäten, welche ähnlich den
Körnchen eine Verschiebung längs des Pseudopodienfadens erfahren.
*) Brandt spricht auch von den Axenfäden der Spongosphaera,
440 Radiolaria.
Theils scheint diese eine wirkliche Wanderung der Verdickung, theils
jedoch nur eine scheinbare zu sein, hervorgerufen durch Verlängerung
oder Verkürzung des Scheinfüsschens.
Die Angabe Claparede’s, dass die Acanthometriden die Enden der
Pseudopodien peitschen- oder geisselartig zu bewegen vermögen, wurde
von den späteren Beobachtern nicht bestätigt; dagegen beobachtete Häckel
träge und langsame pendelartige Bewegungen einzelner gestreckter Pseudo-
podienfäden nicht selten, auch sah er zuweilen einzelne Fäden bei fest-
stehender Basis fortdauernd in der Mantelfläche eines Kegels langsam
rotiren, wobei also das Pseudopodienende einen Kreis beschrieb*).
2. Sogen. Sarkodegeissel und contractile Fäden. Bei
wenigen Radiolarien treffen wir eigenthümliche Organisationseinrichtungen
an, welche am ehesten von umgebildeten Pseudopodien herleitbar erschei-
nen. Hierher ist zunächst die sogen. Sarkodegeissel zu rechnen, welche
Häckel und Krohn zuerst bei gewissen Diseiden (Euchitonia) und Spongo-
diseiden (Spongocyclia z. Th. und Spongasteriscus) beobachteten (XXV. 3;
XXV1.6). Nach den neueren Untersuchungen Hertwig’s (33) ist dieselbe kein
geisselartiges Gebilde, wie Häckel wohl vermuthete, sondern hervorgegangen
aus einem Büschel sehr dicht stehender Pseudopodien, welche peripherisch
mit einander verschmolzen sind.
Die mit solcher Sarkodegeissel ausgerüsteten Disciden und Spongo-
diseiden zeigen übereinstimmend eine schon früher geschilderte zweiseitige
Gestaltung und durch das Auftreten der Sarkodegeissel wird diese Zwei-
seitigkeit noch erhöht, da dieselbe sich in der Medianebne an einem
Körperende entwickelt; bei Euchitonia in dem Ausschnitt zwischen zwei
häufig eigenthümlich ausgebildeten Armen .und in ähnlicher Stellung auch
bei den beiden Spongodiscidengattungen.
Die langgestreckt kegelförmige Geissel ist nicht ganz homogen, wie
Häckel angab, sondern ihr basaler Abschnitt fein längsstreifig, da die zu-
sammengetretnen Pseudopodien hier nicht völlig verschmolzen sind; auch
feine Körnchen bemerkt man in ihr und kann deren Cireulation beobachten,
Dass wirklich eine solche Verschmelzung von Pseudopodien der Sar-
kodegeissel den Ursprung gab, geht wohl sicher daraus hervor, dass
Hertwig einmal ein nachträgliches Hinzutreten und Verschmelzen eines
weiteren Pseudopodiums beobachtete. Spontane Bewegungen führt dieser
Anhang nicht aus, dagegen schlängelt und krümmt er sich bei Reizung,
so dass er häufig in solcher Gestalt zur Beobachtung kommt. Dieses
Verhalten spricht jedenfalls dafür, dass die Pseudopodien, welche die
Sarkodegeissel aufbauen, doch eine etwas aussergewöhnliche Natur be-
sitzen. Von besonderem Interesse ist schliesslich die Beobachtung Hert-
wig’s, dass die Geissel sich bis zum Nucleus in den Weichkörper des
Thieres hinein verfolgen lässt; die Geisselpseudopodien müssen daher
*) Ich kann diesem zufügen, dass ich schwache, schwingende, pendelartige Be-
eregnngen PinaNE Pseudopodien auch bei _marinen Rhizopoden (so z. B. Lagena) beob-
Sog Sarkodegeissel u. Gallerteilien. 441
wohl in die Kategorie der Axenfäden führenden eingereiht werden, doch
erfordert die genaue Feststellung dieses Verhaltens erneute Untersuchungen.
Als Gebilde, welche einer besondren Differenzirung pseudopodien-
artiger Fortsätze der extrakapsulären Sarkode ihren Ursprung verdanken,
müssen auch die sogen. Gallerteilien der Acanthometriden betrachtet wer-
den. Diese, von J. Müller schon beobachteten und auch von Häckel ein-
gehend studirten Gebilde erheben sich in sehr verschiedner Zahl (5—80)
in einem Kranz von der Höhe der sogen. Gallertscheiden um die aus der
Gallerte hervorschauenden Enden der Skeletstacheln (XXVII. 4, ge). In
einer gewissen Entfernung von ihrem Ursprung legen sie sich an
einem Punkt des Stachels an. Müller und Häckel glaubten in ihnen irr-
thümlich die gallertig veränderten Pseudopodien zu erblicken, ähnlich wie
sie ja auch die Gallerte auf eine gallertige Umbildung oder Ausschwitzung
des extrakapsulären Plasmas und der Pseudopodien zurückführten.
Hertwig (33) hat dagegen diese Gallerteilien als Gebilde sehr eigen-
thümlicher Natur erkannt, welche durchaus nichts mit der Gallerte gemein
haben, sondern sehr contraetile Fäden sind, die ohne Zweifel eigenthüm-
lieh differenzirte Theile des Plasmas vorstellen. Ihre Substanz ist ganz
homogen, nicht fibrillär differenzirt. In normalem, ungestörtem Zu-
stand sind die Cilien scharf umschriebne Fäden, welche nach ihrem
peripherischen Ende sehr fein auslaufen. Bei schwacher mechani-
scher Reizung eontrahiren sie sich etwas und ziehen die Gallertscheide,
da die Anheftungsstelle der Fäden am Stachel intact bleibt, etwas nach
der Stachelspitze empor; gleichzeitig führen sie auch schlängelnde und
wurmartige Bewegungen aus. Bei länger dauernder oder stärkerer Rei-
zung verkürzen sie sich sehr, bis zu '/, ihrer ursprünglichen Länge und
lösen sich von dem Stachel ab, behalten jedoch ihre Verbindung mit der
Gallertscheide; nur in diesem Zustand wurden sie von Müller und Häckel
beobachtet, welche deshalb auch ihre wahre Natur verkannten. Beim
Nachlass des Reizes stellt sich allmählich der ursprüngliche Zustand wieder
her. Einwirkung tödtender Reagentien (Osmiumsäure) ruft die Maximal-
‚eontraction momentan hervor. " Aus diesem Verhalten der contractilen
Fäden geht hervor, dass sich ihre Masse der contractilen Substanz des
Muskels näher anschliesst, wie dem gewöhnlichen Plasma.
Interessant ist, dass sich bei Acanthochiasma, wie gleichfalls Hertwig
feststellte, statt gesonderter eontractiler Fäden, eine zusammenhängende
triehterförmige, eontraetile Membran um das peripherische Ende der
Stacheln findet (XXVII. 12). Diese längsstreifige Membran ist im Ruhe-
zustand sehr in die Länge gezogen, so dass sie sich dem Stachel, an
welehem ihr verschmälertes Ende befestigt ist, recht dicht anschmiegt
(12b). Rings ist sie von der Gallerte eingeschlossen. Im contrahirten
Zustand verkürzt sie sich, bleibt jedoch am Stachel festgeheftet, nur
hebt sich ihr centrales Ende vom Stachel mehr ab (12a).
Die wahrscheinliche physiologische Bedeutung der "eontractilen Fäden
wurde schon vorhin kurz betont; sie haben wohl die Gallerte an den
442 Radiolaria.
Stacheln empor zu ziehen und rufen daher nach Hertwig’s Vermuthung
eigentlich die Gallertscheiden hervor. Welche Bedeutung dagegen wiederum
die Gestaltsveränderungen der Gallerte besitzen mögen, ist bis jetzt nicht
recht ermittelt, wiewohl mir die Ansicht Hertwig’s nicht unplausibel er-
scheint, welcher diesen Gestaltsveränderungen der Gallerte einen Einfluss
auf das Ab- und Aufsteigen unsrer Organismen im Wasser zuschreiben
möchte. Es scheint mir dies um so annehmbarer, als die Gallertentwick-
lung der Radiolarien, welche wir ähnlich auch bei den pelagischen Rhi-
zopoden antrafen, wohl überhaupt zur Schwimmfähigkeit in inniger Be-
ziehung steht.
3. Bewegungserscheinungen. Ueber die Bewegungsvorgänge
der Radiolarien ist im Allgemeinen ebensowenig Sicheres bekannt, wie
über die der Heliozoön, welchen sie sich in diesen Beziehungen ohne
Zweifel am meisten nähern. Die directe Beobachtung hat ergeben, dass
Radiolarien auf einer festen Unterlage mit Hülfe ihrer Pseudopodien
schwache, wälzende oder drehende Körperbewegungen ähnlich wie die
Rhizopoden und Heliozo@n auszuführen im Stande sind, jedoch sind diese
Bewegungen im Allgemeinen weniger energisch wie die der Rhizopoden
und kommen auch wohl in der Natur seltner zu Stande, da die meisten
Radiolarien wohl sicher eine schwimmende Lebensweise führen. Hier-
auf weist wenigstens ebenso die directe Beobachtung wie ihre ge-
sammte Organisation hin. Bei diesen schwankenden und wälzenden,
zuweilen ruckweise erfolgenden Bewegungen dienen den bestachelten For-
men die Stacheln gewissermaassen als Stützen, auf welchen sie sich hin-
und herbewegen.
Unerklärt ist bis jetzt auch für die Radiolarien der Vorgang des
Schwimmens geblieben. Zum Theil mag dieses Schwimmen, wie Häckel
vermuthet, wenn es an der Oberfläche des Wassers statthat, gar kein
eigentliches Schwimmen sein, sondern ein Anheften an dem Oberflächen-
häutchen des Wasserspiegels vermittels der Pseudopodien. Doch bemerken
wir auch wirkliches, unzweifelhaftes Schwimmen unter der Oberfläche und
wissen ja namentlich durch die neueren Förschungen, dass die Radiolarien-
welt durchaus nicht auf die Oberfläche beschränkt ist. Eine einfache
Ueberlegung verbietet jedoch die Annahme, dass diese unter der Ober-
fläche weilenden Formen etwa in fortdauerndem langsamen Sinken be-
griffen seien.
An und für sich ist es ja sehr begreiflich, dass solch kleine Wesen,
deren specifisches Körpergewicht sich im Ganzen nur sehr wenig über
das des umgebenden Wassers erheben wird, lange Zeit im Wasser
suspendirt bleiben und nur sehr langsam sinken werden. Die Langsam-
keit des Sinkens wird noch dadurch verstärkt werden, dass der meist
ansehnliche Gallertmantel, dessen specifisches Gewicht das des Seewassers
kaum übertreffen dürfte, das Volum des Organismus beträchtlich ver-
mehrt und daher dureh Vergrösserung der Oberfläche, bei gleichzeitiger
Herabsetzung des speecifischen Gewichtes des Gesammtkörpers, den Wider-
Bewegungserscheinungen, 443
stand des Wassers sehr erhöht. Eine derartige Erhöhung des Wasser-
widerstandes wird jedoch noch weiterhin durch die reichliche Alveolen-
bildung, welehe namentlich bei grösseren Formen und den Kolonien die
Gallerte noch mehr aufbläht, sowie durch die allseitig ausstrahlenden
feinen Pseudopodien eintreten. Auch die Oelkugeln werden bei reich-
liehem Vorkommen oder bei umfangreicher Ausbildung gleichfalls zur
Verringerung des speeifischen Gewichtes und dadureh zur Erhöhung des
Schwimmvermögens beitragen. Im Hinblick auf die Verhältnisse gewisser
Rhizopoden verdient es jedoch wohl besonderer Erwähnung, dass Gas-
entwicklung bis jetzt bei Radiolarien noch niemals beobachtet wurde.
Alle im Obigen aufgeführten Verhältnisse zusammengefasst, sind
dennoch nicht im Stande, uns das dauernde Schwimmen der Radiolarien in
einer bestimmten Wasserzone zu erklären, so dass die Wahrscheinlichkeit
dafür spricht, dass, wie J. Müller und Häckel vermuthen, schwache active
Bewegungen, wahrscheinlich solehe der Pseudopodien, das Schwimmen
unterstützen.
Gar nicht erklärbar durch die oben zusammengestellten thatsäch-
lichen Verhältnisse sind jedoch die auch bei den Radiolarien mit ziem-
licher Sicherheit constatirten aufsteigenden Bewegungen im Wasser.
Für die Erscheinung des Sinkens können wir wie bei den Heliozo@n
vielleicht eine Vergrösserung des speeifischen Gewichtes direct heran-
ziehen, indem mancherlei Anzeichen dafür sprechen, dass der Wasser-
gehalt der Gallerte ein veränderlicher ist und eine Verringerung desselben
wird demnach durch eine Erhöhung des specifischen Gewichtes des
Gesammtorganismus zum Sinken beitragen. Ausserdem kann dies jedoch
auch vielleicht noch unterstützt werden durch Verringerung des Wasser-
widerstandes, hervorgerufen durch Einziehung der Pseudopodien oder
durch Gestaltsveränderung der Gallerthülle, wie wir sie bei den Acantho-
metriden durch die sogen. Gallerteilien ermöglicht fanden. Ein Zurück-
ziehen der Gallertscheiden von den Stacheln durch Nachlassen der Con-
traetion der Gallerteilien wird eine Abrundung der gesammten Gallerthülle
und damit eine Verringerung des Wasserwiderstandes zur Folge haben.
Die mehrfach hervorgehobne Erscheinung, dass frisch eingefangene
Radiolarien nicht mehr an der Oberfläche des Wassers schwimmen, son-
dern zu Boden sinken, spricht im Allgemeinen für die Wahrscheinlichkeit
der angegebnen Ursachen des Sinkens, da bekanntermaassen wenigstens
ein Theil derselben bei mechanischer Reizung, wie sie beim Einfangen
unvermeidlich ist, hervorgerufen wird.
Für die aufsteigenden Bewegungen, wie sie von Häckel bei einge-
fangenen Radiolarien anscheinend ziemlich sicher constatirt wurden, und
wie sie sich auch aus dem wechselnden Erscheinen und Verschwinden
der pelagischen Radiolarienfauna an der Meeresoberfläche im Zusammen-
hang mit der Witterung ergeben, besitzen wir, wie bemerkt, bis jetzt
keine befriedigende Erklärung, ebenso wenig wie bei den Heliozoön,
#
444 Radiolarial
Die Annahme activer Thätigkeit der Pseudopodien zur Vermittelung
dieses Aufsteigens scheint mir im Allgemeinen nicht sehr viel Wahrschein--
lichkeit für sich zu haben, bedarf jedoch im Hinblick auf die innigen
Beziehungen zwischen gewöhnlichen Pseudopodienbildungen und den
geisselnden Bewegungsorganen der höheren, Protozoön immerhin weiterer
Verfolgung durch erneute Beobachtungen. Im Allgemeinen ist jedoch bis
dato diese Erscheinung noch so wenig aufgeklärt, dass es selbst nicht
ausgeschlossen erscheint, dass es sich hierbei nur um passive Strömungs-
erscheinungen oder durch Zunahme des specifischen Gewichts des um-
gebenden Wassers bedingte ‚Bewegungen handelt.
4. Nahrungsaufnahme und Ernährung der Radiolarien
überhaupt. Auch über diesen Vorgang sind unsere Erfahrungen sehr
unvollständig; nur bei Häckel finden wir eingehendere, doch im Ganzen
wenig ausführliche Mittheilungen hierüber, Hiernach soll die Nahrungs-
aufnahme sich genau in der früher für die retieulären Rhizopoden
geschilderten Weise mit Hülfe der Pseudopodien vollziehen. Auch sollen
die Pseudopodien, wie wir das Gleiche schon bei Rhizopoden und Helio-
zoön anzuführen hatten, einen rasch lähmenden Einfluss auf kleinere In-
fusorien ausüben. Ist die aufzunehmende Nahrung von einem oder einigen
Pseudopodien ergriffen, so strömt gewöhnlich das Plasma durch die
Pseudopodien reichlich zu ihr hin, sie wird völlig von Plasma umhiüillt
und schliesslich durch Rückfluss der Pseudopodien bis in den sogen.
Mutterboden herabgeführt. In diesem hat Häckel vielfach die mannig-
faltigsten Nahrungskörper, theils ganze einzellige Thiere oder Pflänzchen,
theils dagegen Bruchstücke derselben und anderer Organismen beobachtet.
Als solehe Nahrungskörper fanden sich namentlich häufig Diatomeen
und Infusorien, speciell die an der Oberfläche des Meeres so häufigen
Tintivnoiden. Auffallend erscheint es, dass K. Brandt*) dagegen neuer-
dings entschieden leugnet, dass die Sphaerozo@en feste Nahrung zu
sich nehmen, sondern ihre Ernährung auf die Gegenwart der später zu
besprechenden, ohne Zweifel parasitischen, gelben Zellen zurückzuführen
sucht. Es mag deshalb hier noch besonders betont werden, dass sich
auch Cienkowsky (23) von der Aufnahme von Tintinnoiden in das extra-
kapsuläre Plasma überzeugte und sich direet über deren Assimilation
versicherte, da er das gelbe Pigment der Tintinnoiden das umgebende
Radiolarienplasına gelb färben sah. Angesichts dieser Angabe kann ich
daher vorerst nicht zweifeln, dass auch die Radiolarien mit gelben Zellen
feste organische Nahrung in sich aufnehmen. Eine Bildung von Nahrungs-
vacuolen scheint nie stattzufinden.
In die Centralkapsel dringt, wie begreiflich, die Nahrung nie ein,
wie es andrerseits auch natürlich erscheint, dass bei Radiolarien mit fein-
maschiger, allseitig geschlossener Skeletschale grössere Nahrungspartikel
*) K. Brandt, Ueber das Zusammenleben von Thieren und Algen. Verh. der plıysiol.
(resellsch. zu Berlin Jahrg. 1881 -82 p. 22—26.
Nahrungsaufnahme. Theilung. 445
nicht ins Schaleninnere aufgenommen werden können, sondern ausser-
halb derselben ihrer assimilirbaren Bestandtheile beraubt werden, äbn-
lich wie dies bei zahlreichen marinen Rhizopoden ebenfalls statthat.
Wie aus dem vorstehend Bemerkten hervorgeht, ist unsre Kenntniss
der Ernährungsverhältnisse der Radiolarien bis jetzt eine recht beschränkte,
Ja es sind hier noch tiefgehende Widersprüche zu lösen.
5, Die Fortpflanzung der Radiolarien,
A. Vermehrung durch einfache Theilung und Koloniebildung.
Beweisende Beobachtungen über einfache Theilungserscheinungen
der Radiolarien liegen bis jetzt nur in sehr spärlicher Zahl vor, so dass
der ganze Vorgang noch eine gewisse Unsicherheit darbietet. Ob wir
hieraus zu schliessen berechtigt sind, dass der Vermehrungsvorgang
durch einfache Theilung, welchen wir bei den beiden schon besprochnen
Abtheilungen der Sarkodinen eine wesentliche Rolle spielen sahen, in
dieser Abtheilung überhaupt nur eine sehr untergeordnete Bedeutung be-
sitzt, ist wohl schwer mit Sicherheit zu entscheiden.
Im Wesentlichen stützt sich die Annahme von Theilungsvorgängen
der Radiolarien auf Beobachtungen gewisser Zustände der Centralkapsel,
welche es in hohem Grad wahrscheinlich machen, dass sich eine derartige
Vermehrung findet; dagegen liegt bis jetzt keine directe Beobachtung
eines wirklichen Theilungsactes des ganzen Radiolarienorganismus vor.
Schon Häckel beobachtete in den Kolonien der Sphaerozoden sehr
häufig ellipsoidisch verlängerte und bisquitförmig eingeschnürte Central-
kapseln, welche in sehr verschiednen Stadien zu verfolgen waren. Die
weitere häufige Beobachtung zweier dicht neben einander gelagerter klei-
ner Kapseln, welche ungezwungen aus der Theilung einer bisquitförmig
eingeschnürten hergeleitet werden konnten, liess Häckel die geschil-
derte Erscheinung mit Recht auf Vermehrung durch Theilung zurück-
führen. Bei der mit gitterförmiger kugliger Kieselschale versehenen
Collosphaera beobachtete Häckel solche Theilungsvorgänge nur an den noch
unbeschalten, jüngeren Kapseln im centralen Theil der Kolonie (XIX. 5a).
Auch Cienkowsky (23) konnte diese Beobachtung bei Collosphaera be-
stätigen und sprach sich entschieden für die Vermehrung der Kapseln
durch Theilung aus. Bei Collozoum hat er sogar wurmförmig verlängerte
jugendliche Kapseln beobachtet, welche durch mehrere Einschnürungen in
eine grössere Anzahl Theilstücke zerfielen. Auch Hertwig (28) schliesst
sich der Häckel’schen Ansicht von der Theilung der Centralkapseln der
Sphaerozoöen an und findet einen weiteren Beleg für deren Richtigkeit
in seiner Beobachtung, dass bei bisquitförmigen Kapseln die zahlreichen
Kerne des Kapselinhalts in zwei Haufen zusammengelagert sind, welche
sich auf die beiden Lappen der Kapsel vertheilen (XVIIT. 6 e).
446 Radiolaria.
Die Richtigkeit der Häckel’schen Ansicht von der Theilung der
Centralkapsel der Sphaerozoden erhielt eine weitere Bestätigung durch
die Beobachtungen Hertwig’s an Phaeodarien. Bei tripylen Formen dieser
Abtheilung (Aulacantha, Aulosphaera und Coelacantha) traf der genannte
Forscher, ähnlich wie Häckel schon früher einmal bei der ebenfalls hier-
hergehörigen Thalassoplancta, Exemplare mit zwei Centralkapseln; weiter-
hin jedoch auch solche, bei welchen die Centralkapsel bisquitförmig ein-
geschnürt bis nahezu durchgeschnürt war (XXXI. 11, 9a). Die Einschnü-
rungsebne waı die Medianebne der zweiseitigen Kapsel, ging demnach durch
die Hauptöffnung und mitten zwischen den beiden Nebenöffnungen hindurch.
Statt der einfachen Hauptöffnung fanden sich bei diesen Kapseln jedoch zwei
dicht bei einander stehende vor, noch umgeben von einem gemeinsamen, je-
doch mehr oder minder durchgeschnürten Strahlenhof, der, wie früher ge-
schildert wurde, von der inneren Kapselhaut gebildet wird. Besonders wichtig
erscheint jedoch, dass derartige Kapseln auch zwei Kerne enthielten, in
jeder Hälfte einen, ähnlich wie bei den bisquitförmig eingeschnürten
Kapseln der Sphaerozoden sich gewöhnlich statt der einen ansehnlichen
centralen Oelkugel deren zwei in regulärer Vertheilung auf die beiden
Hälften vorfindeu. Die gesammte Erscheinung dieser Kapseln ist entschieden
die von Theilungszuständen. Auch Hertwig hält die Vermuthung, dass die-
selben etwa durch Copulation hervorgegangne, unvollständige Verschmel-
zungszustände zweier ursprünglich getrennter Kapseln seien, für wenig
wahrscheinlich. Dies ist namentlich auch deshalb sehr unwahrscheinlich,
weil die Skeletverhältnisse derartiger Thiere, soweit bekannt, durchaus
nichts Anomales darboten, was doch wohl sicherlich der Fall sein müsste,
wenn sich zwei skeletführende Thiere durch einen Copulationsaect vereinigt
hätten. Die Annahme aber, dass sich der erwähnte Zustand der Kapsel von
einem Copulationsact im jugendlichen, skeletlosen Zustand herschreibe,
lässt sich gleichfalls durch nichts begründen. Immerhin ist es bis jetzt noch
nicht geglückt, das weitere Verhalten dieser Kapseln zu verfolgen.
B. Koloniebildung der Radiolarien.
Die bis jetzt noch bei keiner der besprochnen Abtheilungen vermisste
koloniale Vereinigung zahlreicher Einzelthiere ist auch unter den Radio-
larien bei einer Abtheilung, den sogen. Sphaerozo@en (oder Symbelaria
+ >ynecollaria, wie sie Häckel neuerdings zu nennen vorschlägt)
sehr ausgeprägt. Auch diese kolonialen Verbände nehmen ihre Ent-
stehung wohl sicher durch wiederholte Theilung eines ursprünglich ein-
fachen Individuums, wofür die Belege schon in dem vorhergehenden
Abschnitt gegeben worden sind. Solitäre, einzeln lebende Individuen dieser
Formen, welche man gelegentlich findet, lassen sich entweder als direct
aus einem der später zu besprechenden Schwärmsprösslinge hervor-
gegangen betrachten oder auch als losgelöste Individuen einer Kolonie,
Jedenfalls können sich solche Einzelthiere, durch Vermehrung der Central-
kapsel zu kolonialen Verbänden entwickeln.
Theilung. Koloniebildung. 447
Die Kolonien der Sphaerozoöen zeichnen sich, wie zu erwarten, durch
nicht unbeträchtliche Grösse-aus; dieser Umstand, sowie die Häufigkeit
gewisser Sphaerozoöen macht, dass sie zu den am frühesten entdeckten
und genauer studirten Radiolarien gehören. Schon Meyen beurtheilte
sie richtig als koloniale Verbände und verglich sie den Aggregaten der
als Palmellen bekannten, einzelligen Algen. Auch erkannte er schon
richtig die Bedeutung, welche die Gallertentwieklung für den Zusammen-
halt der ganzen Kolonie besitzt. Ebenso sprach sich auch J. Müller mit
Bestimmtheit für die koloniale Natur der Sphaerozo@en aus, wogegen
Häckel (16) zwar die Berechtigung einer solchen Auffassung, namentlich
bei speciell morphologischer Betrachtung, anerkannte, aber doch die physio-
logische Einheit der Kolonien sehr betonte, welche gestatte, dieselben
auch als Einzelindividuen, zu betrachten, die eine Vermehrung gewisser
Organe, d. h. der Centralkapseln, erfahren haben. Häckel wurde dabei
wesentlich durch seine Auffassung der Centralkapsel als Fortpflanzungs-
organ geleitet. Ohne nun die physiologische Einheit der Sphaerozoten-
kolonien zu leugnen, welche Einheit ja überhaupt den Charakter der
Kolonie gegenüber blossen Aggregationen von Individuen bedingt, müssen
wir uns doch mit den übrigen Forschern dafür aussprechen, dass allein
die Auffassung dieser Zustände als kolonialer Verbände, ähnlich den-
jenigen anderer Sarkodinen, zulässig erscheint, da wir eben, wie schon
mehrfach betont, den wesentlichsten Theil des Körpers eines Radiolarien-
individuums in seiner Centralkapsel erkennen; viele mit einander durch
die extrakapsuläre Sarkode vereinigte Centralkapseln erscheinen uns daher
auch entschieden als koloniale Vereinigungen zahlreicher Individuen.
Der allgemeine Bau solcher Kolonien lässt sich mit wenig Worten
schildern. Mehr oder minder zahlreiche, häufig sehr viele, hunderte von
Centralkapseln sind dadurch in eine innige Vereinigung getreten, dass
die Gallerte aller zu einer gemeinsamen Masse, in welche die einzelnen
Centralkapseln eiugebettet sind, verschmolzen ist (XVIII. 6d; XIX.3). Von
der dünnen Schicht extrakapsulären Plasmas, welche jede Centralkapsel um-
hüllt, entspringen auch hier zarte Plasmanetze, welche die gemeinsame
Gallerte durchsetzen, und sich unter einander vielfach anastomosirend
vereinigen. In solcher Weise stehen demnach sämmtliche Einzelindivi-
duen durch ihre extrakapsuläre Sarkode unter einander in lebendiger
Verbindung. Von der Oberfläche der Kolonie erhebt sich an lebensfrischen
Exemplaren ein dichter, allseitiger Wald feiner Pseudopodien. Weiterhin
gesellt sich als sehr wichtige Organisationseigenthümlichkeit aller dieser
Kolonien noch die reichliche Entwicklung extrakapsulärer, die gesammte
Gallerte dicht durchsetzender Vacuolen oder Alveolen hinzu.
Die Gestalt und Grösse soleher Kolonien zeigt vielfachen Wechsel;
kleinere besitzen gewöhnlich eine ziemlich sphärische Gestaltung und er-
reichen etwa eine Grösse von 5 Mm. im Durchmesser. Grössere dagegen
nehmen meist eine etwas längsgestreckte, ellipsoidische bis wurstförmige
Gestalt an, ja werden schliesslich lang eylindrisch und können eine Länge
448 Radiolaria.
von 50 Mm. erreichen (XVIII. 6a). Hiermit ist jedoch die Mannigfaltigkeit deı
Gestaltung nicht erschöpft; die langgestreckten Kolonien zeigen nicht selten
zahlreiche quere Einschnürungen, so dass das Gesammtbild etwa das
einer Perlschnur wird (6b). Sehr merkwürdig ist die von Häckel zwar nur
einmal bei Collozoum inerme beobachtete Form, wo eine solche Kolonie
einen ziemlich ansehnlichen schmalen, geschlossnen Ring bildete, welcher
aus zahlreichen kleinen keilförmigen Stücken zusammengesetzt war (6c).
Einige Verschiedenheit weist auch die Vertheilung und Anordnung
der einzelnen Individuen in der gemeinsamen Gallerte auf. Der gewöhn-
liche Zustand möglichst intacter Kolonien ist der, dass die einzelnen
Centralkapseln oder Nester, wie sie von J. Müller bezeichnet wurden,
sich in einer peripherischen Zone dicht unter der Oberfläche vorfinden.
Das Innere der Kolonie wird dann entweder von Gallerte, welche von
zahlreichen Vacuolen durchsetzt ist, gebildet, oder es findet sich eine
sehr grosse, centrale Vacuole vor, welche das Innere der Kolonie ein-
nimmt und um welche die Zone von Üentralkapseln lagert.
Diese grosse centrale Vacuole, welche hauptsächlich bei Collosphaera
beobachtet wurde (XIX. 5a, alv), die jedoch auch bei anderen Sphaero-
zoden anzutreffen ist, besitzt nach den Beobachtungen Hertwig’s eine
wirkliche Membran und dürfte daher gewissermaassen als ein Stützapparat
der Kolonien beansprucht werden*). Eine Hinneigung zur Ausbildung
einer solchen Vaeuole dürfte vielleicht auch darin gefunden werden,
dass bei Gegenwart zahlreicher zuweilen eine Vergrösserung derselben
nach dem Centrum der Kolonie zu stattfindet.
In Kolonien, welche beim Fang gestört wurden und daher ihre volle
Lebensfrische nicht mehr besitzen, ziehen sich die Centralkapseln gewöhn-
lich mehr von der Oberfläche zurück, ja rücken bis gegen das Centrum
der ganzen Kolonie zusammen.
Hieraus scheint hervorzugehen, dass die Centralkapseln eine gewisse
Beweglichkeit in der Gallerte der Kolonie besitzen, eine Beweglichkeit,
welche ohne Zweifel auf die Thätigkeit der extrakapsulären Sarkode zu-
rückzuführen ist.
Dieselben Anordnungsverhältnisse der Centralkapseln, über welche
wir soeben berichteten, namentlich die gelegentliche Ausbildung einer an-
sehnlichen, centralen Vacuole, kehren auch bei den einzelnen Gliedern der
perlschnurförmigen Kolonien von Collozoum wieder. Die perlschnur-
fürmige Gestaltung beruht überhaupt darauf, dass jedes Glied eine an-
sehnliche centrale Vacuole einschliesst, welche seine Hervorwölbung be-
dingt. Alle diese Vacuolen bilden in ihrer Aneinanderreihung gleichsam
eine Axe der Kolonie.
Bei Besprechung dieser Verhältnisse müssen wir gleichzeitig einen
Blick auf die mögliche Bedeutung der perlsehnurförmigen Kolonien
*) Die centrale, schr weiche und fiüssigkeitsreiche Gallertkugel, von welcher Brandt (36)
bei Öollosphaera spinosa und Collozoum coeruleum spricht, ist wohl ohnn Zweifel identisch
mit der geschilderten grossen Vaeuole früherer Korscher.
Fortpflanzung durch Schwärmer. 449
werfen. Häckel und Hertwig sind geneigt, in ihnen die Vorbereitungsstadien
zu einem Vermehrungsvorgang der Kolonie zu erkennen. Sie glauben, dass
sich die einzelnen Glieder später von einander ablösen; jedoch ist bis
jetzt durch directe Beobachtung eine solche Vermehrung der Kolonien noch
nicht eonstatirt worden und Brandt (36) glaubt dieselbe zurückweisen zu
müssen, da er bei lang fortgesetzter Beobachtung derartiger Kolonien
keinerlei Veränderung derselben wahrnehmen konnte.
Wir haben bei den Heliozo@ön erfahren, dass individuenreiche Ko-
lonien in mehrere individuenärmere zu zerfallen im Stande sind und
dürfen einen solchen Vorgang daher an und für sich nicht für unwahr-
scheinlich halten. Eine solche Vermehrung der Kolonien durch Zerfall
besitzt ein ziemlich hohes allgemeines Interesse, weil dadurch eine mit
dem Organismus der höheren, vielzelligen Thiere vergleichbare, indivi-
duelle Einheitlichkeit der Kolonie gegeben wird.
C. Fortpflanzung der Radiolarien durch Schwärmerbildung.
Schon den ersten genaueren Beobachtern unsrer Abtheilung fiel es
auf, dass die Centralkapsel gewisser Individuen zuweilen von sehr klei-
nen, sich lebhaft bewegenden, infusorienartigen Körperchen dicht erfüllt
war. So hatte schon J. Müller eine solche Beobachtung bei einer Acantho-
metra gemacht, Schneider (13) fand Aehnliches bei Thalassicolla nucleata
und Häckel (16) bei dem Sphaerozoum punctatum. Da jedoch genauere
Untersuehungen über die Entstehung dieser Körperchen der Centralkapsel
fehlten, so konnten dieselben nur vermuthungsweise mit der Fortpflanzung
in Zusammenhang gebracht werden, indem es ja leicht nur parasitäre Orga-
nismen sein konnten, wie sie bei der Untersuchung der Fortpflanzungs-
vorgänge anderer Protozo@n vielfach irregeleitet haben. Erst die inter-
essanten Untersuchungen Cienkowsky’s (23) brachten den Nachweis, dass
diese flagellatenartigen Körperchen bei gewissen Sphaerozoöen thatsäch-
lich aus einem Zerfall des Centralkapselplasmas hervorgehen und jeden-
falls mit Recht als Schwärmer zu betrachten sind, welche in den
Entwicklungskreis der betreffenden Radiolarien gehörten. In der Folge
wurden diese Untersuchungen von Hertwig (28) bestätigt und erweitert;
auch K. Brandt (36) trug neuerdings zu ibrer weiteren Vervollkommnung bei.
Leider sind aber bis jetzt alle Versuche missglückt, welche darauf
gerichtet waren, die Weiterentwicklung der flagellatenartigen Schwärmer
zur typischen Radiolariengestalt zu verfolgen, so dass also noch eine
störende Lücke in der Fortpflanzungs- und Entwicklungsgeschichte der
Radiolarien auszufüllen bleibt. Stets starben die freigewordnen Schwärmer
nach kurzer Frist (höchstens 1—2 Stunden) ab, ohne einen Fortschritt in
der Entwicklung zu verrathen.
Die koloniebildenden Sphaerozo@en haben nicht nur anfänglich, son-
dern auch in der Folge das wesentlichste Material zu genaueren Ermitt-
lungen über diesen Fortpflanzungsact geliefert, wozu die Häufigkeit ihres
Vorkommens wohl hauptsächlich beitrug; was wir über diese Vorgänge
Bronn, Klassen des Thier-Reichs, Protozoa, 29
450 Radiolaria.
bei anderen Radiolarienabtheilungen wissen, ist im Ganzen wenig mehr
wie ihre Existenz bei einigen und einiges Genauere bei einer Collide,
der häufigen Thalassicolla nucleata.
Unsere Darstellung wird daher auch zunächst die Verhältnisse bei
den Sphaerozoden ins Auge fassen müssen.
Wie schon früher bemerkt, unterliegt es keinem Zweifel, dass bei
den Radiolarien die frühere oder spätere Ausbildung des mehr- bis viel-
kernigen Zustandes auf den zu beschreibenden Fortpflanzungsaet durch
Schwärmerbildung hinzielt, so dass sich hieraus schon entnehmen lässt,
dass das gelegentliche Auftreten zahlreicher kleiner Kerne in der Central-
kapsel gewisser, für gewöhnlich einkerniger Formen ein vorbereitendes
Stadium der Schwärmerbildung darstellt.
Bei den Sphaerozo&en tritt jedoch, wie uns schon bekannt, der viel-
kernige Zustand sehr frühzeitig im Leben des Individuums auf, so dass
wir nur selten einkernigen Zuständen begegnen.
Sehr eigenthümlich erscheint es jedoch und verdient im Voraus einige
Beachtung, dass der Vorgang der Schwärmerentwicklung bei den Sphae-
rozoden nicht immer den gleichen Verlauf nimmt, sondern dass bei ge-
wissen Formen sicher, vielleicht jedoch bei allen, zwei verschiedne Modi
der Schwärmerentwicklung auftreten, welche auch zu einem verschiednen
Endresultat, d. h. zu zwei verschieden gebauten Schwärmerformen hin.
führen.
Die Hervorbildung der Schwärmer scheint bei den Sphaerozo&en sehr
allmählich zu geschehen, wenigstens gehen die vorbereitenden Stadien
der reichlichen Kernvermehrung sehr allmählich vor sich. Für beide
Modi der Schwärmerbildung bilden Kolonien den Ausgangspunkt,
deren Centralkapseln einen mässigen, centralen Kernhaufen einschliessen.
Bei dem ersten und einfacheren Modus der Schwärmerbildung, der Bil-
dung der sogen. Krystallschwärmer, tritt unter gleichzeitigem Wachsthum
der Centralkapsel eine lebhafte successive Vermehrung der Kerne ein,
welche schliesslich zu einer diehten Erfüllung des Centralkapselplasmas
mit kleinen, wie schon früher bemerkt, völlig oder nahezu homogenen
Kernen führt. Das Genauere über die Art dieser Kernvermehrung ist schon
früher von uns besprochen worden. Im spärlichen Plasma, welches die
dicht gedrängten Kerne unter einander verkittet, bilden sich im weiteren
Verlauf kleine, etwa wetzsteinförmige Kryställchen aus, welche allmählich
aus minutiösen Anfängen hervorwachsen und sich in gleicher Zahl wie
die Kerne einstellen. Zu jedem der Kerne gesellt sich in dieser Weise ein
Kryställchen hinzu (XVII.6k). Ausserdem fanden sich schon früher im Plasma
zahlreiche feine Fettkörnchen vertheilt, welche sich gleichfalls so grup-
piren, dass jedem Kern einige wenige Fettkörnchen anliegen. Hand in
Hand mit dem Anwachsen der sogen. wetzsteinförmigen Kryställchen ver-
mehren sich auch die Fettkörnchen in der Umgebung jedes Kernes.
Das Auftreten aller dieser zahlreichen, sehr verschieden lichtbrechenden
Elemente bewirkt, dass die Durchsichtigkeit der Kapseln sich successive
a
Fortpflanzung durch Schwärmer (Krystallschwärmer). 451
vermindert, bis sie schliesslich ganz undurchsichtig, schwarz oder im auf-
fallenden Lichte weisslich erscheinen.
Auf dieses Entwicklungsstadium vollzieht sich nun eine tiefgehende
Umbildung der gesammten Kolonie, welche sich vielleicht am ehesten den
Vorgängen vergleichen lässt, die den Eneystirungs- und Fortpflanzungs-
process gewisser Heliozo@n (vergl. Actinosphaerium p. 313) einleiten.
Die Pseudopodien werden eingezogen, die extrakapsulären Vaeuolen
verschwinden und indem die Kapseln sich allmählich zu einem Haufen
im Centrum der Kolonie zusammenziehen, hört deren Schwimmbefähigung
auf und sie sinkt zu Boden (wenigstens trat diese Erscheinung bei der
Züchtung in Versuchsgläsern stets ein).
Eigenthümlich ist weiterhin, dass die gewöhnlich in Ein- oder Mehr-
zahl vorhandnen intrakapsulären Oelkugeln nach den Erfahrungen Hertwig’s
um diese Zeit allmählich einer Rückbildung unterliegen. Schon früher
wurde darauf hingewiesen, dass Hertwig aus den Erscheinungen dieser
Rückbildung schliesst, dass ein eiweissartiges Substrat diese Oelkugeln
imprägnire. Es stellen sich diese Rückbildungszustände nämlich als helle
blasenartige, einige Fettkörnchen einschliessende Körper dar, welche bei
Zusatz von Reagentien gerinnen. Aus diesen Vorgängen lässt sich mit
grosser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass die Resorption der Oelkugeln
mit der Entstehung der Fettkörnchen um die Kerne in ursächlichem Zu-
sammenhange steht, wie zuerst Hertwig aussprach, d. h. dass die Oel-
kugeln Reservenahrung repräsentiren, welche bei der Schwärmerfortpflan-
zung auf die einzelnen Sprösslinge vertheilt wird*). Auch die später erst
zu besprechenden sogen. extrakapsulären gelben Zellen zerfallen nach
Hertwig allmählich; doch hat Brandt neuerdings hervorgehoben, dass eine
solche Zerstörung der gelben Zellen durchaus nicht bei sämmtlichen
Sphaerozo&en eintrete, speciell dem Sphaerozoum punctatum J. M. sp.
und einer weiteren Art fehle, dagegen wohl bei dem von Hertwig haupt-
sächlich untersuchten Collozoum inerme Hek. und dem Sphaerozoum nea-
politanum Brdt. zu beobachten sei. Diese Erfahrungen stehen denn auch
im Allgemeinen besser im Einklang mit der jetzt ziemlich zur Geltung
gelangten Auffassung der gelben Zellen als parasitäre Algen. Später
werden wir diese Angelegenheit im Zusammenhang zu erörtern haben.
Die definitive Bildung der Schwärmsprösslinge im Innern der Kapsel
vollzieht sich nun, soweit erforscht, einfach in folgender Weise. Nachdem
sich das extrakapsuläre Plasma völlig in die Centralkapsel zurückgezogen
hat, zerfällt deren Inhalt durch simultane Zelltheilung in eine der Zahl
der Kerne entsprechende grosse Menge von Sprösslingen, von welchen
jeder das dem Kern anliegende wetzsteinförmige Kryställchen und eine An-
zahl Fettkörnchen einschliesst (XVIII.6b). Schon innerhalb der Central-
kapsel entwickeln diese Schwärmer je eine Geissel und man erblickt sie
*) Cienkowsky (23) dagegen gibt sowohl für Collosphaera wie Collozoum an, dass die
Oelkugeln keine Veränderung erleiden und sich an der Bildung der Schwärmer nicht be-
theiligen.
29*
452 Radiolaria.
auch häufig schon in der Kapsel in tumultuarischer Bewegung. Schliesslich
platzt die Kapselmembran und entlässt den Schwarm der Sprösslinge. Die
Gestalt der ausgebildeten Schwärmer ist eine ungefähr ovale (XVIII.6n); das
eine etwas zugespitzte Ende trägt die nach Hertwig und Brandt einfache
Geissel, wogegen Cienkowsky die Schwärmer, wahrscheinlich irrthümlich,
als zweigeisselig beschrieb. Dicht hinter der Geisselbasis findet sich im
vorderen Körperabschnitt der runde Kern, während hinten das Kryställ-
chen und die Fettkörnchen ihre Lage finden. Solche Krystallschwärmer
sind nun ausser bei Collozoum inerme auch bei Collosphaera von Cien-
kowsky und Hertwig und bei einigen Sphaerozo@enarten von Brandt beob-
achtet worden. i
Der zweite Modus der Schwärmerbildung, welcher bis jetzt nur von
Collozoum inerme durch Hertwig genauer geschildert wurde, der jedoch
nach Brandt auch bei Sphaerozoum punctatum neben der Krystallschwärmer-
bildung vorkommt und weiterhin von letztgenanntem Forscher auch bei
Sphaerozoum acuferum beobachtet wurde, verläuft etwas complieirter. Wie
früher bemerkt, geht auch dieser Process von einem ähnlichen Zustand
aus, wie der erstbeschriebene. Bei der Vermehrung der Centralkapsel-
kerne zeigt sich jedoch die Eigenthümlichkeit, dass die durch successive
Vermehrung eines Kernes entstehenden zahlreichen neuen und kleineren
zu einem dicht zusammengedrängten Kernhäufchen vereinigt ‚bleiben, so
dass, wie schon Cienkowsky fand und Hertwig später genauer darstellte,
der Inhalt der Centralkapsel aus einer beträchtlichen Zahl dieht zusammen-
gepackter und daher gegeneinander polygonal abgeplatteter Kernhaufen
besteht, welche sich um die centrale Oelkugel vertheilt finden. Zuweilen
finden sich im Umkreis der centralen Oelkugel einige kleinere, um welche
sich die Kernhaufen rosettenförmig gruppiren (XVIIl..6f) Letztere Zustände
sind es wahrscheinlich, welche Häckel einst (16) veranlassten, eine endogene
Vermehrung der Centralkapsel bei den Sphaerozo@en anzunehmen, indem
er je eine der kleineren Oelkugeln mit den sie umgebenden Kernhaufen
für die Anlage einer jungen Centralkapsel hielt.
Jedem dieser Kernhaufen angelagert, bildet sich früher oder später
ein Häufchen Fettkörner aus und diese Fettkörnchenbildung schreitet
weiter fort, während gleichzeitig eine allmähliche Resorption der grossen
und kleineren Oelkugeln stattfindet, bis diese schliesslich völlig schwin-
den. Damit geht denn auch hier ein Undurchsichtigwerden der gesammten
Centralkapsel Hand in Hand, während gleichzeitig dieselben Rückbildungs-
erscheinungen der gesammten Kolonie eintreten, welche wir schon bei
dem erstbesprochnen Modus antrafen. ,
Die schliessliche definitive Ausbildung der Schwärmer vollzieht sich
in der Weise, dass jeder der Kernhaufen mit dem ihm zugehörigen Plasma
von seiner Oberfläche aus allmählich in zahlreiche Zellen oder Schwärmer-
anlagen zerfällt, von welchen jede einen der Kerne und ein Häufchen
Fettkörner einschliesst (6h, 6i). Hierbei zeigt sich nun aber die auch schon
in einer differenten Bildung der Kernhaufen angedeutete Verschiedenheit,
Fortpflanzung durch Schwärmer (Makro- u. Mikrosporen). 4553
dass zweierlei in ihrer Grösse sich unterscheidende Sprösslinge, sogen.
Makro- und Mikrosporen zur Ausbildung gelangen. Die ersteren gehen
aus Kernhaufen mit ansehnlicheren und an Zahl geringeren Kernen hervor,
welche durch eine beträchtlichere Plasmamenge mit einander vereinigt
sind; die letzteren dagegen aus solchen, in welchen die kleineren Kerne so
dicht gehäuft sind, dass das sie verbindende Plasma nahezu verschwindet.
Ausser durch den Mangel des krystallinischen Stäbchens unterscheiden
sich diese Makro- und Mikrosporen (6m) auch in ihrer Gesammtgestalt nicht
unbeträchtlich von den sogen. Krystallschwärmern; sie sind nämlich im
Allgemeinen plumper, mehr oval bis nieren- oder bohnenförmig, indem
sich über ihre eine Seite, welche auch die etwas von dem Pol abge-
rückte Geissel trägt, eine schiefe Furche hinzieht. Mit dieser Verlagerung
des Geisselursprungs steht weiterhin auch im Zusammenhang, dass das
geisseltragende Vorderende nicht so zugespitzt ist, wie bei den Krystall-
schwärmern. Wie bei diesen letzteren ist auch der Kern im Vorderende
gelagert und weiter nach hinten liegt das hier ansehnlichere Häufchen
von Fettkörnehen, welches schon früher erwähnt wurde.
Der Grössenunterschied zwischen den sonst sehr ähnlich gebauten
Makro- und Mikrosporen ist recht beträchtlich, die ersteren erreichen etwa
die doppelte bis dreifache Länge der letzteren.
Es empfiehlt sich, gleich an dieser Stelle die wahrscheinliche Bedeu-
tung der drei Arten von Schwärmsprösslingen zu erörtern. Schon früher
wurde betont, dass bis jetzt über das weitere Schicksal derselben durch
direete Beobachtung keinerlei Aufschluss gewonnen werden konnte.
Hertwig hielt es für nicht unwahrscheinlich, dass die Krystall-
schwärmer und die Krystallosen überhaupt nicht in den Entwicklungs-
kreis einer und derselben Art gehörten, sondern dass wahrscheinlich zwei
verschiedne, im Uebrigen sehr ähnliche Arten unter der Bezeichnung
Collozoum inerme seither vermischt worden seien, welche sich wesentlich
nur durch die Verschiedenheit der Schwärmerbildung unterschieden. Die
neueren Untersuchungen Brandt’s machen es dagegen sehr wahrschein-
Jich, dass diese beiden Schwärmerformen thatsächlich in den Entwicklungs-
eyelus derselben Art gehören und dass, wie schon früher erwähnt wurde,
die zweierlei Sprösslingsformen nicht nur bei dem Collozoum inerme,
sondern auch noch bei einer Reihe weiterer Sphaerozo&en, vielleicht sogar
bei allen, auftreten. Brandt suchte es daher wahrscheinlich zu machen,
dass sich nach Analogie mit den Fortpflanzungsverhältnissen gewisser
Algen, bei den Sphaerozo@en ein Generationswechsel finde, d. h. dass die
Krystallschwärmer eine ohne Copulation sich weiter entwickelnde Gene-
ration darstellten, während die krystallfreien Makro- und Mikrosporen
zu ihrer weiteren Entwicklung wahrscheinlich zunächst einen Copulations-
act zu vollziehen hätten, d. h. die geschlechtlieh differenzirte Generation
repräsentirten. Die letztere Vermuthung hatte hinsichtlich der Makro- und
Mikrosporen auch schon Hertwig geäussert. So interessant sich nun auch
auf Grund dieser Vermuthungen die Fortpflanzung gewisser und vielleieht
454 Radiolaria.
aller Radiolarien gestalten würde, so darf doch nicht vergessen werden,
dass es sich zunächst um blosse Vermuthungen handelt, welche ihre
Stützen nur in Analogien finden. Mit diesem nicht unwahrscheinlichen
Copulationsact zwischen Makro- und Mikrosporen ist denn auch Alles ge-
geben, was wir bis jetzt von dem Auftreten einer solchen Erscheinung
im Leben der Radiolarien wissen. Schon früher wurde die grosse Un-
wahrscheinlichkeit betont, welche ein etwaiger Versuch, die erwähnten
Theilungserscheinungen der Phaeodarien und eventuell auch der Sphaero-
zo&en auf Copulationsvorgänge zu beziehen, haben würde.
Wie schon bemerkt, ist bezüglich der Schwärmerbildung der übrigen
Radiolarien bis jetzt nur sehr wenig bekannt. Hauptsächlich bei einer
Collide, der Thalassicolla nucleata, sind hierüber noch einige Beobach-
tungen von Hertwig angestellt worden, welche jedoch keine besonderen
Aufschlüsse über den allgemeinen Vorgang eröffneten. Im Ganzen scheint
sich der Verlauf der Schwärmerbildung der Thalassicolla ziemlich nahe
an den zweitbesprochnen Modus der Sphaerozo&en anzuschliessen.
Wie schon früher ausführlich geschildert wurde, treten unter wahr-
scheinlicher gleichzeitiger Rückbildung des ursprünglichen centralen an-
sehnlichen Kernes (Binnenbläschen) im Centralkapselplasma der Thalassi-
colla zahlreiche kleine Kerne auf, welche sich zu zahlreichen grösseren
und kleineren Haufen dicht zusammengruppiren. Die Haufen werden nur
durch sehr spärliches Plasma von einander geschieden. Der eigentliche
Entwicklungsaet der Schwärmer scheint auch im Weiteren ganz ähnlich
dem zweiten Modus der Sphaerozo@en zu verlaufen. Der gesammte
Centralkapselinhalt scheint zunächst in eine der Zahl der Kernhaufen ent-
sprechende Anzahl Stücke zu zerfallen und jedes dieser sich wieder der
Kernzahl entsprechend weiter in zahlreiche einzelne Schwärmsprösslinge
zu zerlegen. Man stösst dabei auf Gruppen von Schwärmern in dem In-
halt schon ziemlich reifer Centralkapseln, welche ohne Zweifel aus dem
Zerfall der geschilderten Kernhaufen hervorgegangen sind. In solchen
Gruppen erscheinen die einzelnen Schwärmer noch mit ihren centralen
Enden verschmolzen, d. h. ihre Sonderung ist noch eine unvollständige,
Ob sich bei dieser Schwärmerbildung das sogen. Binnenbläschen, d. h.
der ursprüngliche, centrale Nucleus, schliesslich völlig zurückbildet, ist
bis jetzt noch nicht sicher festgestellt; zur Beobachtung gelangte er
wenigstens bei so weit fortgeschrittnen Stadien bis jetzt noch nicht. Sicher
erscheint dagegen wohl, dass auch bei Thalassicolla die früher beschrieb-
nen Oelkugeln und Coneremente der intrakapsulären Eiweisskugeln im
Verlaufe der Schwärmerentwicklung zurückgebildet werden. Der nahezu
reifen Centralkapsel fehlten die Oelkugeln ganz, die Coneremente dagegen
boten ein halbzerstörtes Aussehen dar, welches sich nur als eine allmäh-
liche Auflösung derselben erklären liess. Die reifen Schwärmsprösslinge
der Thalassicolla (XVIl.4b) gleichen den krystalllosen Schwärmern der
Sphaerozo&en sehr, namentlich ist die auch hier einfache Geissel ganz ebenso
angebracht wie bei diesen. Die noch unreifen Schwärmer besitzen dagegen
Fortpflanz. d. Schwärmer (Thalass. nucl.). Extrakaps. Körper. 455
ein zugespitztes geisselloses Ende (4b rechts), was sich ohne Zweifel aus ihrer
ursprünglichen Zusammendrängung zu Ballen erklärt, in welchen sich die
zahlreichen Sprösslinge radial um ein Centrum gruppiren. Alle Schwär-
mer einer Kapsel besassen die gleiche Grösse, so dass sich demnach bei
Thalassicolla eine Erzeugung von Makro- und Mikrosporen entweder nicht
findet, oder auf verschiedne Individuen vertheilt erscheint.
Am Schlusse unserer Darstellung der Fortpflanzungsverhältnisse der
Radiolarien werfen wir noch einen Blick auf eine bei den koloniebildenden
Sphaerozo&en, speciell dem Collozoum inerme Hek.*) zuweilen beobachtete
Erscheinung, welche sonder Zweifel mit Fortpflanzungsvorgängen in Zu-
sammenhang steht, hinsichtlich deren Deutung jedoch noch keine Eini-
gung unter den verschiednen Forschern erzielt wurde. Ich zweifle nicht,
dass A. Stuart (21) dieselbe zuerst bei Collozoum beobachtete; er be-
schreibt nämlich, dass eine Neubildung von Centralkapseln auch in
der Weise geschehe, dass sich im extrakapsulären Plasma, oder
auch zwischen den Pseudopodien, Klümpchen verdichteten Protoplasmas
bildeten, in welchen kleine Fetttröpfehen auftreten. Letztere sollen sich
später zu einem centralen Tropfen vereinigen. Hierauf vollziehe sich eine
Differenzirung der Protoplasmaklümpchen in eine helle Aussenschicht und
eine dunkle Centralmasse, welch letztere die Centralkapsel des neuent-
standnen Individuums darstelle.
Identisch mit diesen Protoplasmaklümpchen Stuart’s sind nun ohne
Zweifel die eigenthümlichen Plasmakörper, welche Cienkowsky (23), und
nach ihm Hertwig (28), zuweilen in grosser Zahl um die Centralkapseln
gewisser Collozo@n beobachteten und die Hertwig als extrakapsuläre Körper
bezeichnete (XVII.60). Es sind stark lichtbrechende, membranlose plasma-
tische Körper, im Allgemeinen von rundlicher Gestalt, welche einige wenige
Fetttröpfehen (Cienkowsky) oder ein maulbeerartig zusammengruppirtes,
centrales Häufchen von Fetttröpfehken (Hertwig) einschliessen.
Besonders wichtig ist jedoch der zuerst von Hertwig erbrachte Nach-
weis, dass diese Körper auch eine verschiedne Zahl echter Nuclei ent-
halten, bald wenige grössere, bald zahlreichere kleinere (6p). Diese Kerne
bilden sogar die Hauptmasse der Körper. Eigenthümlich ist weiterhin die
Unregelmässigkeit der Gestalt der extrakapsulären Körper; zuweilen er-
scheinen sie eingeschnürt bisquitförmig, meist sind sie ziemlich unregelmässig
und verschiedenartig ausgebuchtet bis gelappt. Cienkowsky beobachtete
auch nicht selten die Bildung spitziger Fortsätze bei ihnen. Derselbe
Forscher glaubt sich auch überzeugt zu haben, dass sie sich durch Thei-
lung rege vermehren und seine Ansicht über ihre Bedeutung ist ungefähr
identisch mit der Stuart’s; auch er glaubt, dass sie sich zu jungen Kap-
seln entwickeln und leitet ihre Entstehung aus dem extrakapsulären
Plasma ab. An Kapseln, welche von solchen extrakapsulären Körpern
umhiillt waren, liess sich überhaupt nur noch ein Rest des extrakapsulären
*) Nach Brandt (36) auch Collozoum pelagicum Hck.
456 Radiolaria.
Plasmas als eine dünne Schleimschicht erkennen. Gegen diese Ansicht
verhält sich Hertwig ablebnend; er führt verschiedne Gründe auf, welcbe
es wenig wahrscheinlich machen, dass sich die fraglichen Körper zu
jugendlichen Centralkapseln entwickeln und sucht die Vermuthung zu
begründen, dass sie aus dem intrakapsulären Plasma hervorgegangen
seien. Ihm dünkt es wahrscheinlich, dass sie den Kernhäufchen, sammt
umgebendem Plasma, entsprechen, welche sich, wie früher geschildert, bei
dem zweiten Modus der Schwärmerbildung, d. b. dem der kıystallfreien
Schwärmer, in der Centralkapsel entwickeln.
In mancher Beziehung besitzen denn auch die extrakapsulären Kör-
per eine ziemliche Aehnlichkeit mit den früher geschilderten Kernhäufchen
der Centralkapsel und diese Aehnlichkeit wird noch dadurch vermehrt,
dass Hertwig gelegentlich Zustände der extrakapsulären Körper beobach-
tete, deren dicht traubenförmig gelappte Oberfläche den bevorstehenden
Zerfall in zahlreiche kleine Stücke anzudeuten schien. Statt der grösseren
Fetttröpfehen fand sich bei solchen Körpern ein centrales Häufchen sehr
kleiner Fettkörnchen. Als weitere Consequenz dieser Hertwig’schen Auf-
fassung der extrakapsulären Körper würde sich ergeben, dass dieselben
schliesslich in krystallfreie Schwärmer zerfielen.
Brandt spricht sich in seiner schon öfters eitirten Arbeit (36) in einer
zwischen den beiden entgegenstehenden Ansichten vermittelnden Weise
aus, indem er sowohl die Weiterentwicklung der extrakapsulären Körper zu
Jungen Centralkapseln wie auch zu Schwärmern für wahrscheinlich bält.
Die fraglichen Körper selbst gehen nach ihm durch Abschnürung aus der
Jugendlichen, noch membranlosen Centralkapselmasse hervor.
Wie sich aus der obigen, wegen Unsicherheit der thatsächlichen Er-
mittlungen naturgemäss etwas breiten Darstellung ergibt, sind unsere Er-
fahrungen bis jetzt zu aphoristisch, um die jedenfalls sehr interessante.
und morphologisch wichtige Natur der extrakapsulären Körper einiger-
maassen sicher zu begründen.
6. Biologische Verhältnisse der Radiolarien, insofern dieselben in Vor-
stehendem noch keine ausreichende Beschreibung fanden,
A. Parasiten der Radiolarien.
Bis jetzt hat die Forschung nur eine Form wahrscheinlich parasiti-
scher Organismen im Körper der Radiolarien aufgefunden, dafür besitzt
dieselbe jedoch auch eine Verbreitung und Bedeutung, welche Parasiten
sonst gewöhnlich nicht zukommt. Es sind dies die sogen. extrakapsulären
gelben Zellen, welche schon vielfach Gegenstand der Erörterung waren,
bis es erst vor verhältnissmässig kurzer Zeit gelang, ihre parasitische *)
*) Unter der Bezeichnung Parasitismus soll jedoch hier nur der Aufenthalt dieser pflanz-
lichen Eindringlinge in der Leibessubstanz der Radiolarien gekennzeichnet werden, nicht
Gelbe Zellen (Vorkommen, Bau), 457
und pflanzliche Natur wohl ganz sicherzustellen. Das Eigenthümliche
dieser parasitischen Gebilde liegt wesentlich in ihrer grossen Häufigkeit,
Verbreitung und Zahl, so dass den früheren Beobachtern ein Zweifel über
ihre Zugehörigkeit zum Organismus der Radiolarien und zwar als inte-
grirende Bestandtheile desselben nieht leicht auftauchen konnte. Schon
Huxley beobachtete sie und durch J. Müller und Häckel wurde ihre
weite Verbreitung bei den verschiedensten Radiolarienabtheilungen nach-
gewiesen. Häckel vermisste sie überhaupt nur bei einer einzigen Ab-
theilung, nämlich den Acanthometriden, was auch im Allgemeinen von
den späteren Beobachtern bestätigt wurde. Dennoch sind sie auch bei
den übrigen Radiolarien nicht so constant anzutreffen, wie Häckel ver-
muthete; so vermisste sie Hertwig (33) bei Heliosphaera, einigen Cyrtiden
und den Diseiden überhaupt. Auch Brandt (36) fand, dass sie recht an-
sehnlichen Kolonien von Collosphaera noch vollständig fehlen können.
Diese Inconstanz ihres Auftretens bei Formen, denen sie gewöhnlich
zukommen oder deren nächsten Verwandten sie nicht fehlen, steht wohl
in Zusammenhang mit der Erscheinung, dass nicht nur ihre Zahl bei ver-
schiednen Formen eine äusserst wechselnde ist, sondern dass auch bei
einer und derselben Form der Reichthum an gelben Zellen grossen
Schwankungen unterliegt.
Zunächst dürfte jedoch eine kurze Schilderung ihrer morphologischen
Eigenthümlichkeiten am Platze sein.
.Die gelben Zellen sind meist sphärische, seltner ellipsoidische bis abge-
plattete, entschieden einzellige Wesen (XIX. 6a). Sie besitzen eine deutliche,
scharf eontourirte Membran, welche eine ziemlich resistente Beschaffenheit
besitzt und nach Brandt und Geddes (39) aus Cellulose bestehen soll.
Ihr protoplasmatischer Körper ist mehr oder minder körnig und enthält
einen rundlichen, hellen, unzweifelhaften Nucleus. Die Färbung des
Plasmaleibes ist gelb in ziemlich wechselnden Nüancen, bald heller, bald
dunkler. Früher (16) schrieb Häckel diese Färbung einem körnigen Pig-
ment zu, welches das Plasma erfülle, später (18) dagegen gelangte er zu
der Ansicht, dass die gelbe Färbung dem Plasma selbst eigenthümlich
sei, resp. sich von einem in demselben gelösten Farbstoff herschreibe.
Hertwig scheint dagegen die ersterwähnte Auffassung für richtig zu halten.
Ueber die Natur des gelben Farbstoffs erfahren wir in neuester
Zeit von- Geddes, dass seine Uebereinstimmung mit dem der Diatoma-
ceen nicht zu bezweifeln, dass er auch wie dieser nach Behandlung mit
Alkohol ein grünes Residuum hinterlasse. Im Plasma finden sich nun
weiterhin mehr oder weniger reichlich körnige Einschlüsse, welche Häckel
(18) als Stärke ansprechen zu dürfen glaubte, da sie sich mit Jod deutlich
jedoch, dass dieselben im Sinne echter Schmarotzer ihre Ernährung auf Kosten der Radio-
larien vollziehen; die neueren Untersuchungen weisen umgekehrt darauf hin, dass die Ernäh-
rung und der Stoffwechsel der Radiolarien von ihren pflanzlichen Gästen wesentlichen Nutzen
‘zieht, wie unten genauer darzustellen sein wird.
458 Radiolaria.
blau färbten. Auch der erfahrene Cienkowsky (23) schloss sich dieser -
Ansicht an, wogegen sich Hertwig (33) weniger sicher bezüglich der
Stärkenatur dieser Körnchen aussprach; er erzielte mit Jod eine violette
Färbung derselben. Brandt (36) kommt zu der Ansicht, dass es sich um
eine Modification des Amylums handle, da er an lebenden gelben Zellen
weder eine deutliche Blaufärbung der Körnchen mit Jod beobachten konnte,
noch sie doppeltbrechend fand; dagegen gelang Geddes die Jodreaction
bei Beobachtung gewisser Vorsichtsmaassregeln sehr wohl, so dass er
mit Entschiedenheit für den Stärkemehlgehalt der gelben Zellen eintritt.
Aus allen diesen Erfahrungen scheint doch hervorzugehen, dass sich
wirklich ein amylumartiger Körper, vielleicht auch zuweilen echtes Amy-
lum, im Plasma der gelben Zellen findet. Hertwig bemerkte zuweilen
ausserdem auch einige Oelkügelchen in ihnen.
Schon J. Müller konnte nachzuweisen, dass diese Zellen selbst-
ständiger Vermehrung durch Theilung fähig sind. Häckel constatirte dies
und untersuchte den Theilungsvorgang näher. Nach seiner Darstellung
(16, 18) zerfällt der plasmatische Leib der Zellen, nach vorhergegangner
Theilung des Kernes, durch eine mittlere Einschnürung in zwei junge
Zellen, welche sich hierauf noch innerhalb der Membran der ehemaligen
Mutterzelle mit einer neuen Membran umkleiden (6b, e). Durch nochmalige
Wiederholung desselben Theilungsvorgangs sollen sich auch Zustände
hervorbilden, bei welchen sich in der Membran der Mutterzelle vier junge
Zellen eingeschlossen finden (6d). Späterhin treten diese Tochterzellen hervor
und werden frei. Hertwig vervollständigte diese Darstellung des Theilungs-
processes der gelben Zellen noch durch den Nachweis, dass der Kern
sich durch einfache (?) bisquitförmige Einsechnürung vermehre.
Die Grösse der gelben Zellen ist ziemlich variabel. Häckel fand
ihren Durchmesser gewöhnlich zwischen 0,008 und 0,012 Mm., jedoch
schliessen sich hieran nach beiden Seiten Extreme bis zu 0,005 und
0,015 Mm. Ebenso schwankend ist, wie schon hervorgehoben, ihre Zahl.
Am reichlichsten trifft man sie im Allgemeinen bei gewissen grossen Col-
liden, wie Thalassicolla und den Sphaerozo@en, was jedoch. nicht aus-
schliesst, dass sie bei einzelnen Gattungen dieser Abtheilungen sehr spär-
lich sind oder geradezu fehlen. So unter den Colliden bei Thalassolampe
nach Hertwig; unter den Sphaerozoöden zuweilen bei Collosphaera, bei welcher
sie überbaupt stets spärlich sind. Bei Thalassicolla erhebt sich die Zahl
der gelben Zellen häufig auf Hunderte, ja bis über 1000. Bei den
Sphaerozoden sind sie, wenn reichlich, häufig zu mehr wie 100 um jede
Kapsel vorhanden, jedoch ist, wie bemerkt, ihre Zahl bei einer und der-
selben Art sehr variabel, sinkt unter Umständen auf einige wenige Exem-
plare herab. Auch bei gewissen Sphaerideen sind sie in grosser Zahl
vorhanden. Bei den Monopylaria trifft man sie im Allgemeinen nicht
sehr reichlich, 5—15 gelbe Zellen sind hier das gewöhnliche Vorkomm-
niss, und ähnlich verhalten sich auch zahlreiche Sphaerideen, welchen
sie, wie schon früher bemerkt, auch z. Th. gänzlich fehlen können. Ihre
Gelbe Zellen (Bau, Bedeutung). 459
Lage finden sie gewöhnlich in dem sogen, Mutterboden der Pseudopodien,
wandern jedoch von hier aus nicht selten auch mit dem Plasma in die
Gallerte hinein, ja zuweilen sogar bis auf die Pseudopodien hinaus. Ihre
Lagerung in Beziehung zu dem Gesammtorganismus lässt sich hiernach
schon im Allgemeinen beurtheilen. Bei den koloniebildenden Sphaero-
zoden umlagern sie die einzelnen Centralkapseln; bei den mehrschaligen
Sphaerideen hängt ihre Lage zum Skelet natürlich von dessen Beziehungen
zur Centralkapsel ab und liegen sie daher gewöhnlich unter der äusseren
Rindenschale. Ist die den Mutterboden sammt den gelben Zellen um-
schliessende Gitterschale sehr engmaschig, so treten sie meist nicht durch
die Maschen derselben nach aussen hervor und bleiben demnach stets in
die umschliessende Gitterschale eingesperrt; ist dagegen diese weitmaschig,
so steht ihrer Auswanderung kein Hinderniss entgegen. Bei den Mono-
pylarien häufen sie sich natürlich mit dem extrakapsulären Plasma haupt-
sächlich um das sogen. Porenfeld an und finden sich demnach bei den
Cyrtida namentlich in dem Hohlraum der Schalenglieder zusammengehäuft.
Erst durch die Beobachtungen und Reflexionen Cienkowsky’s wurde
die wahrscheinliche Bedeutung der gelben Zellen als parasitischer Ein-
dringlinge zur Sprache gebracht und ziemlich sicher erwiesen. Die frühe-
ren Beobachter und auch anfänglich noch Hertwig zweifelten nicht, dass
die gelben Zellen auf endogenem Weg im Organismus der Radiolarien
erzeugt werden und Hertwig wollte sogar einige Stadien ihrer allmäh-
lichen Entwicklung im extrakapsulären Plasma verfolgt haben, eine
Beobachtung, welche hier nicht näher zu erörtern ist, da Hertwig jetzt
selbst die parasitische Natur der gelben Zellen befürwortet. Häckel
erblickte in ihnen wichtige Bestandtheile des Radiolarienorganismus
und war geneigt, ihnen eine wichtige Rolle bei der Ernährung zuzu-
schreiben, als Elementen, welche wahrscheinlich ein zur Verdauung der
aufgenommenen Nahrung dienendes Secret lieferten. Mit dem Nachweis
reichlicher stärkemeblartiger Einschlüsse der gelben Zellen musste er diese
Auffassung natürlich bis zu gewissem Grade modifieiren, es wurden die
gelben Zellen hierdurch naturgemäss auch zu einer Art Erzeuger von
Reservenahrung, als welche eben das Amylum zu betrachten wäre.
Cienkowsky fand nun, dass das Leben der gelben Zellen durchaus
nicht an das der sie einschliessenden Radiolarien gebunden ist, sondern
dass sie auch nach der Isolation oder nach dem Absterben der Radio-
larien weiterleben und weiterwachsen, ja sich durch Theilung vermehren.
Diese Befunde, zusammengenommen mit der immerhin in manchen Fällen
sehr eigenthümlichen Inconstanz ihres Auftretens, liessen es sehr wahr-
scheinlich erscheinen, dass sie nichts weiter als parasitische, einzellige,
pflanzliche Organismen seien. Brandt (36) bestätigte neuerdings die
Angaben Cienkowsky’s über das Weiterleben der gelben Zellen nach
dem Tode ihrer ursprünglichen Träger in ganzem Umfang und ge-
langte noch zu einigen weitergehenden Schlüssen bezüglich ihrer
Bedeutung. Nach der Isolation verändern sich die gelben Zellen
460 Radiolaria.
insofern, als ihre früher feste, resistente Membran sich in eine schleimige
ziemlich dieke Hülle verwandelt (6f). Nach Brandt soll diese Schleim- oder
Gallerthülle durch eine einfache Quellung der ursprünglichen Cellulose-
membran entstehen. Die gelben Zellen wachsen nun weiter fort und
treten schliesslich aus der Schleimhülle allmählich hervor, nehmen un-
regelmässige, gelappte Gestalten an, indem sie amöboid veränderlich
geworden sind, umhüllen sich wieder von Neuem mit einem Schleim-
mantel und können die eben beschriebne Häutung noch mehrfach wieder-
holen (6h, i). Während des amöboiden Zustandes können sich unsre
Zellen, wie schon Cienkowski beobachtete und Brandt bestätigte, durch
Theilung vermittels einfacher Durchschnürung vermehren (698).
Nach diesen Erfahrungen über die grosse Selbstständigkeit der
gelben Zellen kann es kaum mehr einem Zweifel unterliegen, dass
sie thatsächlich parasitische Eindringlinge pflanzlicher Natur sind,
deren Lebensgeschichte jedoch bis jetzt nur unvollkommen bekannt ist
und welche wegen ihrer häufigen und in den meisten Fällen so regel-
mässigen Vergesellschaftung mit der grossen Mehrzahl der Radiolarien
ein ganz besondres Interesse erregen. Brandt hat neuerdings vorge-
schlagen, diesen einzelligen Parasiten den Namen Zooxanthella zu geben
und hält es für wahrscheinlich, dass nur eine Species dieser Zooxan-
thella in den Radiolarien vorkomme, welche er Z. nutricola nennt *).
Schon früher hatten die Gebrüder Hertwig gefunden, dass die Entoderm-
zellen zahlreicher Actinien gelbe Zellen einschliessen, welche sich denen
der Radiolarien ganz entsprechend verhalten und welche sie gleichfalls
als parasitische einzellige Algen in Anspruch nahmen **).
Durch Geddes’ neue Untersuchungen wird die Uebereinstimmung
der gelben Zellen der Radiolarien mit denen der Anthozo@n gleich-
falls bestätigt und erscheint daher jetzt wohl fest begründet. Unsre
Kenntniss von der Verbreitung dieser eigenthümlichen Algengäste in der
Thierwelt erfährt eine Bereicherung durch den Nachweis, dass dieselben
auch im Entoderm gewisser Medusen und Siphonophoren (Velella) an-
getroffen werden.
Die sogen. gelben Leberzellen der Velella und Porpita hatte schon
Häckel seiner Zeit mit den gelben Zellen der Radiolarien verglichen und
auf diesen Vergleich namentlich seine Ansicht über die physiologische
Bedeutung der gelben Zellen gegründet.
Die Untersuchungen von Geddes erweitern jedoch unsere Kenntnisse
dieser parasitären Organismen auch noch nach anderer Richtung. Durch
Versuche gelang ihm der Nachweis, dass die mit jenen einzelligen Algen
reichlich ausgerüsteten Coelenteraten im Sonnenlichte ein Gas entwickeln,
welches einen sehr ansehnlichen Sauerstoffgehalt (24—38/,) besitzt. Bei
*) Brandt, K., Ueber das Zusammenleben von Thieren und Algen. Verhandl. der
physiolog. Gesellsch. zu Berlin. Jahrg. 1881—82. Sitz. vom 25. Nov. 1881 p. 22—26. Wenig
später hat Geddes in Unkenntniss der Brandt’schen Arbeit für die einzelligen gelben Algen-
parasiten der Radiolarien und. Coelenteraten den Namen Philozoon in Vorschlag gebracht.
**) Hertwig, O. u. R., Die Actinien, Jenaische Ztschr. f. Naturwiss. Bd. XII u. XIII 1879,
Gelbe Zellen (Bedeutung). 461
den Radiolarien liess sich gleichfalls eine Gasentwieklung im direeten
Sonnenlichte constatiren, jedoch gelang es nicht, die chemische Zusammen-
setzung des Gases zu ermitteln. Jedenfalls scheint jedoch durch Geddes
der Nachweis erbracht zu sein, dass unsere gelben einzelligen Ein-
dringlinge in echt pflanzlicher Weise im Lichte Kohlensäure redueiren
und Sauerstoff aushauchen, wodurch ihre schon auf Grund anderweitiger
Erfahrungen sehr wahrscheinliche Pflanzennatur in erwünschtester Weise
eine weitere und sehr wichtige Bestätigung erhält.
Wenn nun auch die neueren Untersuchungen, wie mir scheint, keinen
Zweifel mehr über die Natur der gelben Zellen lassen, so scheint mir
andrerseits Brandt doch zu weit zu gehen, wenn er dieselben gewisser-
maassen zum Range der eigentlichen Ernährer und Erhalter der mit gelben
Zellen reichlich versehenen Radiolarien erhebt. Er spricht nämlich den
koloniebildenden, von ihm untersuchten Radiolarien die Aufnahme fester,
geformter Nahrung ab und betrachtet die gelben Zellen als die eigent-
lichen Ernährer derselben, welche nach Pflanzenart assimilirten und mit
ihren Ueberschüssen den Radiolarienorganismus ernährten. Es ständen
hiernach die sogen. Zooxanthellen in einem ähnlichen symbiotischen Ver-
hältniss zu dem Radiolarienorganismus, wie die sogen. Gonidien oder
Algenbestandtheile der Flechten zu deren Hyphen oder dem Pilzbestand-
theil dieser merkwürdig zusammengesetzten Pflanzen. Mir scheint zu-
nächst, soweit wenigstens die seitherigen Darstellungen auf Glaubwürdig-
keit Anspruch machen dürfen, die mehrfach behauptete Thatsache, dass
auch Radiolarien mit gelben Zellen geformte Nahrung aufnehmen *), gegen
die Brandt’sche Ansicht oder doch gegen deren Verallgemeinerung zu
sprechen. Auch die Inconstanz des Vorhandenseins der gelben Zellen,
sowie die so beträchtlichen Schwankungen ihrer Zahl sprechen gegen
eine allgemeinere Bedeutung derselben im Sinne der Brandt’schen Hypo-
these, womit jedoch nicht ausgeschlossen ist, dass sich die sogen. Zoo-
xanthellen oder Philozoön bis zu einem gewissen Grad an der Ernährung
der sie beherbergenden Organismen betheiligen **).
*) Geddes macht auch darauf aufmerksam, dass die reichlich mit gelben Zellen ausge-
rüsteten Anthozoön, Medusen- und Siphonophorenformen ebenso energisch fressen wie die-
jenigen, welche der gelben Zellen entbehren.
**) Brandt gründet sich bei seiner Auffassung der Zooxanthellen namentlich auch auf
seine Untersuchungen über die Chloropliylikörner der verschiednen Thiere, darunter auch
zahlreicher Protozoön. Durch den Nachweis einer übrigens auch früherhin nicht unbekannten
Plasmagrundlage dieser Körner und eines Zellkerns in denselben, gelangte er zu dem Schluss,
dass auch die sogen. Chlorophylikörner der Thiere stets einzelligen Organismen angehörten,
welche in morphologischer Hinsicht als Parasiten dieser Thiere zu betrachten, plıysiologisch
dagegen als ihre Ernährer in Anspruch zu nehmen seien. Für uns hat diese Mit-
theilung auch noch dadurch besonderes Interesse, weil wir sowohl bei Rhizopoden wie
Heliozoön solche Chlorophylikörner vielfach antrafen, welche daher in gleicher Weise als
einzellige parasitische Algen, sogen. Zoochlorella nach Brandt, anzuspreche.ı wären. Auch
G. Entz hat schon früher (Bericht über die 2. Sitzung des naturhist. medic. Vereins zu
Klausenburg 1876, übersetzt im Biolog. Centralblatt 1. Jahrg. 1881. p. 646 —50) die selbst-
ständige pflanzliche Natur der Chlorophylikörnchen der Infusorien auf Grund seiner Unter-
suchungen betont. Er betrachtet jedoch diese Chlorophylikörnchen nicht wie Brandt als eine
besondere einzellige Algenart, sondern lässt sie aus sehr verschiednen, von den betreffenden
Infusorien aufgenommenen einzelligen Algen (Palmella, Tetraspora, Gloeocystis, Pleurococeus,
Raphidium, Scenedesmus), sowie Euglenen und Chlamydomonaden hervorgehen. Einzelne dieser
chlorophylihaltigen einzelligen Organismen sollen sich nach ‚der Aufnahme durch das Infusor
462 Radiolaria.
Denn mit Brandt und Geddes wird man wohl sicherlich annehmen
müssen, dass der von jenen pflanzlichen Mitbewohnern der Radiolarien
entwiekelte Sauerstoff direet dem thierischen Stoffwechsel der Radiolarien
zu Gute kommt, wie andrerseits die dem thierischen Stoffwechsel ent-
stammende Kohlensäure sammt stickstoffhaltigen Endproducten die pflanz-
lichen Miethbewohner begünstigt. Auch erscheint es unter diesen Um-
ständen denkbar, dass die reichliche Ernährung der pflanzlichen Glieder
des Verbandes zu einem Ueberschuss an erzeugten Nährmaterialien, spe-
ciell Stärke, führt, welcher dem thierischen Gliede zu Gute kommt. Letz-
tere Annahme ist jedoch durchaus nicht eine directe Folge dieser Ver-
gesellschaftung und bedürfte jedenfalls zunächst eines genaueren Nach-
weises, wenn auch der Ernährungsvorgang pflanzlicher Parasiten durch
andere Pflanzen, sowie der wirkliche Parasitismus einzelliger Organismen
in Gewebezellen oder Protozoön eine ähnliche Uebertragung der Zell-
erzeugnisse einer Form auf eine andere zu unterstützen scheint. Mit
Brandt und Geddes können wir daher das Zusammenleben der gelben
Zellen und der Radiolarien mit einem ziemlichen Grad von Berechtigung
der Symbiose der Flechten vergleichen, wenn wir auch die Annahme
einer völligen Ernährung der Radiolarien durch die sogen. Zooxanthellen
weder für zutreffend noch an und für sich wahrscheinlich halten.
Anderweitige parasitische Organismen sind bis jetzt bei den Radio-
larien noch nicht aufgefunden worden.
der Verdauung entziehen, indem sie in das Ectosark desselben gelangen. Hier vermehren sie
sich lebhaft durch Theilung zu den sogen. Chlorophylikörnchen, welche nach ihrer Be-
freiung aus dem Infusorienträger wieder zu der ursprünglichen Algenform, resp. den er-
wähnten Flagellaten auswachsen. Auch Entz will sich überzeugt haben, dass Infusorien, welche
reichlich mit diesen Chlorophylikörnchen ausgerüstet sind, keine feste Nahrung aufnebmen und
hat auch die gegenseitigen physiologischen Beziehungen dieser thierischen und pflanzlichen Orga-
nismen schon in gleicher Weise wie Brandt im Sinne einer Symbiose aufgefasst, wobei beiderlei
Theilnehmer wechselseitig aus den Stoffwechselerzeugnissen ihrer Genossen erheblichen Vortheil
für ihre Ernährung zögen. Obgleich kein Grund vorliegt, die Richtigkeit der Beobachtungen oben-
genannter Forscher über die Natur der sogen. Chlorophylikörner der thierischen Organismen zu
bezweifeln, so scheint mir doch der. Schluss, welchen Brandt hieraus zieht, dass die Zoo-
chlorellen die eigentlichen Ernährer der sie beherbergenden Thiere seien, viel zu weitgehend.
Dass solche Thiere keine feste, geformte Nahrung aufnehmen, entspricht unseren Erfahrungen
durchaus nicht, worin auch Geddes (siehe oben) mir beistimmt. Jedermann weiss, wie raub-
gierig die grünen Hydren sind und ebenso ist es bekannt, dass chlorophyllhaltige Infusorien
geformte Nahrung zu sich nehmen.
Nachträglicher Zusatz. Erst nach dem Druck dieses Bogens erschien die ausführ-
liche Arbeit Brandt's „Ueber die morphologische und physiologische Bedeutung des Chloro-
phylis bei Thieren (Arch. f. Anat. u. Phys. 1382. Physiol. Abtheilung p. 125—151 Taf. 1).
Wir heben aus derselben nachträglich hervor, dass Brandt jetzt seine frühere Behauptung: es
nähmen die Chlorophyll führenden, Thiere keine feste Nahrung zu sich, corrigirt hat und an-
erkennt, dass sowohl Hydra viridis wie chlorophyllführende Infusorien noch feste Nahrung ge-
niessen. Auch für die Sphaerozoöen mit gelben Zellen beschränkt er die Nichtaufnahme von
Nahrung jetzt auf den erwachsenen Zustand ansehnlicher Kolonien. Wir fügen weiter noch
zu, dass Verf. sich überzeugt hat, dass die Kolonien der Sphaerozoöen am längsten in filtrirtem
Seewasser am Leben erhalten werden und hieraus schliesst, dass sie dann von ihren gelben
Zellen ernährt werden. Da er jedoch selbst angibt, dass die in nichtfiltrirtem Wasser gehal-
tenen Kolonien an der Verderbniss des Wassers (wegen Absterben zahlreicher kleiner pelagi-
scher Organismen) zu Grunde gehen, so scheint mir obiger Schluss noch etwas unsicher, indem
ja das längere Ausdauern im filtrirten Wasser auch nur darauf beruhen kann, dass sich letztres
eben rein und unverdorben erhält. Wie lange die Radiolarien zu hungern im Stande sind,
wissen wir bis jetzt nicht. R. Lankester spricht sich neuestens (Qu. j. mier. sc. 18982. Apr.)
vegen die Algennatur der Chlorophylikörner von Hydra und Spongilla aus; dieselben seien
identisch mit denen der Pflanzen,
Gelbe Zellen. — Regeneration, Deformation (Myxobrachia). 463
B. Regenerationsfähigkeit.
Eine einzige in dieses Kapitel gehörige, jedoch in mancher Hinsicht
sehr wichtige Thatsache hat zuerst Ant. Schneider (19) festgestellt. Er
bewies nämlich, dass ‚die isolirte, aus der Hülle von extrakapsulärem
Plasma und Gallerte herausgeschälte Centralkapsel von Thalassicolla nucleata
die Fähigkeit besitzt, den gesammten verlornen Theil des Weichkörpers wieder
zu erzeugen. Diese Beobachtung haben Cienkowsky (23) und Hertwig (28)
bestätigt. Letztgenannten Forschern gelang es zwar nur, die Neuentwicklung
von Pseudopodien und einer Lage extrakapsulären Plasmas zu beobachten,
jedoch dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass die Schneider’sche An-
gabe völliger Regeneration ihre Richtigkeit besitzt. Sogar die gelben
Zellen sollen sich nach Schneider wieder einstellen, was Cienkowsky nicht
zu bestätigen vermochte. Es gelang Schneider die Ausschälung der
Centralkapsel mit nachfolgender Regeneration an einem und demselben
Thiere dreimal hintereinander vorzunehmen.
Ziemlich natürlich erscheint es, dass die Kolonien der Sphaerozoden
ohne Schaden in Stücke zerschnitten werden können, wovon sich Schneider
gleichfalls überzeugte. Interessanter ist dagegen, dass es auch ge-
lang, zwei aneinander gelegte Kolonien nach ca. 12 Stunden zu völliger
Vereinigung zu bringen.
C. Missbildung und Deformation.
Bis jetzt ist nur ein hierhergehöriges, jedoch recht interessantes Bei-
spiel bekannt, welches eine zu den Colliden gehörige Form, die sogen.
Thalassicolla sanguinolenta Hck. betrifft. Häckel fand zuerst 1867 (18)
bei den canarischen Inseln ein eigenthümliches Radiolar, welches er für
eine besondere Form hielt und unter dem Namen Myxobrachia in zwei
verschiednen Arten beschrieb. Später machte Nicol. Wagner (24) noch
eine dritte vermeintliche Myxobrachia-Art von Neapel bekannt und Hert-
wig erkannte schliesslich 1879 (33), dass die sogen. Myxobrachiaformen
keine selbstständigen Radiolarien sind, sondern einer eigenthümlichen
Deformation der Thalassicolla sanguinolenta ihren Ursprung verdanken,
eine Ansicht, welcher sich auch Häckel angeschlossen zu haben scheint.
Diese Deformation der Thalassicolla sanguinolenta scheint durch die
Aufnahme zahlreicher Fremdkörper in die extrakapsuläre Sarkode hervor-
gerufen zu werden. Ihrer Hauptmenge nach bestehen diese Fremdkörper
aus den uns schon von früher bekannten Coccolithen und Coccosphaeren,
zu deren Aufnahme ja die pelagische Thalassicolla reichliche Gelegenheit
haben muss. N. Wagner beobachtete bei seiner Form neben diesen Ein-
schlüssen jedoch auch noch „Reste junger Muscheln, sehr kleine Spirulina“
(Rhizopodenschalen) ‚und Dentalium ?“ Die Anhäufung solcher Fremd-
körper an einer gewissen Stelle der extrakapsulären Sarkode der ursprüng-
lich kugligen Thalassicolla scheint nun Veranlassung zu geben, dass dieser
Theil des extrakapsulären Weichkörpers sich durch den Zug, welchen
464 Radiolaria.
das Gewicht der Einschlüsse ausübt, zu einem mehr oder minder
langen, armartigen Fortsatz auszieht, welcher seiner Hauptmasse nach
aus Gallerte gebildet ist. Die Axe dieses Armes wird durchsetzt von
einem Strang der extrakapsulären Sarkode und diese umschliesst in
dem knopfförmig angeschwollnen Armende das Häufchen der Fremd-
körper. In solcher Weise gestaltet sich die von Häckel Myxobrachia rhopa-
lum genannte Form. Bei der sogen. M. pluteus (XVIlI.2) dagegen und der
M. Cienkowskii Wagner’s kommt es zur Bildung mehrerer solcher arm-
artiger Fortsätze, welche wohl dadurch entstehen, dass sich Häufchen
von Fremdkörpern an mehreren Stellen bilden, welche sich dann zu
armartigen Fortsätzen ausziehen. Häckel beobachtete bei seiner Form
16 Arme, welche in eigenthümlicher Weise angeordnet waren. Zwei
ansehnliche Arme hingen ziemlich gerade in der Axe des etwa pyra-
midenförmigen oder medusenähnlichen Wesens herab und über diesen
entsprangen die 14 weiteren Arme in zwei Kränzen, von welchen der
untere sechs, der obere acht Arme zählte. Aehnlich war auch die Bil-
dung der von Wagner beobachteten Form, nur fand sich hier ein einziger
centraler oder axialer Hauptarm, über welchen in zwei Kränzen noch
resp. vier und drei Arme angebracht waren. Wagner fand weiterhin,
dass diese acht Arme sich successive entwickeln, indem bei den jugend- .
lichsten Exemplaren nur der centrale Hauptarm vorhanden war, zu
welchem sich allmählich noch die zwei Armkränze hinzugesellten.
Recht interessant ist der von Häckel bei seiner Myxobrachia rhopalum
beobachtete Gestaltswechsel; im Laufe eines Tages veränderte sich die
Form mehrfach, wurde bald länger und schmäler, bald kürzer und breiter.
Es ist diese Erscheinung um so interessanter, als bis jetzt von einem
Gestaltswechsel der übrigen Radiolarien durchaus nichts bekannt ist.
Wagner glaubt die Endknöpfe der Arme mit ihren Einschlüssen als
eine Art Verdauungsapparate beanspruchen zu dürfen; doch hat diese
Ansicht wohl nur wenig für sich, wie denn überhaupt die Bedeutung
der zahlreichen Fremdkörper, welche die Deformation der Thalassicolla
zur Myxobrachia hervorrufen, ganz unaufgeklärt ist. Dass sie als Nah-
rung aufgenommen werden, scheint im Ganzen sehr unwahrscheinlich.
D. Verhalten der Radiolarien gegen mechanische und anderweitige
Reizung.
Es sind nur wenige Punkte, auf welche hier speciell noch die Aut-
merksamkeit gelenkt werden soll, da das allgemeine Verhalten der Radio-
larien bei mechanischer und chemischer Reizung: die Rückziehung der
Pseudopodien, das Collabiren der extrakapsulären Vaeuolen, wahrschein-
liche Verdichtung der Gallerte, das Verhalten der Gallerteilien und
der Sarkodegeissel theils schon früher ausreichend erörtert wurde,
theils dagegen keiner weiteren Erörterung bedarf, wenigstens im Hinblick
auf den Stand unserer augenblicklichen Kenntnisse. Dagegen verdient
noch eine Frage, welehe von den verschiednen Beobachtern mehrfach
Lebenszähigkeit, Einfluss von Licht-und Wärme etc. 465
erörtert wurde, nämlich die nach der Widerstandsfähigkeit unserer Wesen
gegen äussere Reize und Störungen eine kurze Besprechung. J. Müller
und Häckel hoben übereinstimmend die geringe Widerstandsfäbigkeit der
Radiolarien gegen mechanische Reize, wie Druck und Reibung am Netz
beim Einfangen, hervor. Häckel fügte hinzu, dass unsere Wesen auclı
gegen chemische Veränderungen des umgebenden Wassers sehr em-
pfindlich seien und schnell abstürben, während sich die marinen Rhizo-
poden nach den Erfahrungen M. Schultze’s (s. Rhizopoda 53) gerade
durch sehr weitgehende Resistenz gegen solche Einflüsse auszeichnen. Im
Speeiellen sei jedoch die Lebenszähigkeit der einzelnen Abtheilungen recht
verschieden, so dass Häckel (16) eine Art Skala aufstellen konnte, an
deren einem Endpunkt, als besonders empfindliche Formen, die Acantho-
metreen und Sphaerozoöen stehen, während am anderen die Sphaerideen
Platz finden, unter welchen sich wieder die Diseiden durch besondere
Lebenszähigkeit auszeichnen. Gegenüber diesen Erfahrungen hob je-
doch sehon Ant. Schneider (19) hervor, dass die Lebenszähigkeit ge-
wisser Radiolarien (Thalassicolla und Sphaerozoum) viel grösser sei;
Kolonien letztrer Gattung konnte er bei gehöriger Vorsicht 5—7 Tage
lang gesund erhalten und ebenso überzeugte sich Hertwig (33), dass
die Radiolarien im Allgemeinen keineswegs so zarter und empfindlicher
Natur sind, wie Müller und Häckel annahmen. Die letzteren Forscher
hielten eben im Allgemeinen alle Individuen für abgestorben oder doch
sehr alterirt, welche mit eingezognen Pseudopodien und deutlicher
Gallertsehiebt zur Beobachtung kamen, wie dies schon früher bei der
Schilderung der Gallerte angedeutet wurde. Hertwig überzeugte sich
aber durch direete Beobachtung vielfach, dass solche zu Boden gesun-
kenen Thiere sich allmählich wieder erholen und noch ganz lebens-
kräftig sind. Er zögerte sogar nicht, die Radiolarien auf Grund seiner
Erfahrungen zu den widerstandsfähigsten unter den pelagischen Thieren
zu rechnen.
Der Einfluss von Lieht und Wärme auf unsre Organismen ist bis
jetzt kaum erforscht. Häckel glaubt zwar beobachtet zu haben, dass
einige Formen, welche er in seinen Zuchtgläsern hielt, mit Vorliebe die
Lichtseite aufsuchten, ist jedoch selbst unsicher, ob diese Erscheinung
eine direete Wirkung des Lichtes gewesen sei. Weiterhin fand er
auch, dass sich die pelagischen Radiolarien bei heisser Jahreszeit oder
an besonders heissen Tagen in tiefere Regionen herabsenken, wie dies
für die pelagische Thierwelt überhaupt gültig zu sein scheint.
Bei einer früheren Gelegenheit mussten wir darauf hinweisen,
dass Meyen das Leuchten gewisser pelagischer Radiolarien mit grosser
Bestimmtheit beobachtet haben wollte; spätere Forscher berichten
hiervon im Allgemeinen nichts, mit Ausnahme Macdonald’s*), welcher
das Phosphoreseiren der Thalassicolla nucleata wiederholt, sogar
*) (Juart. Journ. microse, science N. 8. Vol IX. p. 147.
Broun, Klassen des Thierreichs. Protozoa, 30
466 Radiolaria.
auf dem Objectträger, beobachtet haben will. Es scheint mir fast, als
wenn die Frage nach dem Leuchtvermögen der Radiolarien von den
übrigen Forschern etwas vernachlässigt worden sei, denn dieselbe
wurde meist gar nicht besprochen. An und für sich liegt ja durchaus
nichts vor, was gegen das Leuchtvermögen gewisser Radiolarien spräche.
E. Wohnortsverhältnisse der Radiolarien.
Eine kurze Betrachtung verdienen noch unsre Erfahrungen über
das Vorkommen und die speciellen Lebensverhältnisse der Radiolarien,
welche durch die Untersuchungen der neuesten Zeit beträchtlich ver-
tieft worden sind. Es bedarf keiner besonderen Betonung mehr, dass
sich bis jetzt die Meere als ausschliessliche Heimath der Radiolarien er-
wiesen haben. Was gelegentlich. über Süsswasserradiolarien bemerkt
wurde, bezog sich stets auf Heliozo@n, die ja, wie wir wissen, von einigen
Forschern den eigentlichen Radiolarien untergeordnet werden.
Bis in die neueste Zeit, d. h. bis zu den ausgedehnten Untersuchungen
der englischen Naturforscher der Challengerexpedition, kannte man lebende
Radiolarien nur von der Meeresoberfläche, denn die zahlreichen Ra-
diolarienreste, welche Ehrenberg aus den Tiefgründen der verschieden-
sten Meere aufgezählt und beschrieben hatte, boten durchaus keine Ge-
währ für die Annahme, dass sie T'hieren zugehörten, welche in jenen
Tiefen lebten. Es konnte sich so wohl die Ansicht als die natürlichste
ergeben, dass die Radiolarien überhaupt als pelagische Organismen zu
betrachten seien, welche nur bis zu einer beschränkten Meerestiefe hinab-
reichten, denn die vom Meeresboden heraufgeholten Skeletreste liessen
sich leicht als niedergesunkne erklären. Es ist aber recht bemerkens-
werth, dass sowohl J. Müller wie Häckel schon die Ansicht hegten, dass
die Radiolarien nicht nur oberflächlich, pelagisch lebten, sondern sich auch
in tiefere Regionen hinaberstreckten, jedoch fehlte es bis in die neueste
Zeit durchaus an directen Beobachtungen über diese Verhältnisse. Erst
während der Reise des Challenger versuchten es W. Thomson und Murray,
durch direete Beobachtung Aufschluss über die Fauna schwimmender
Thiere in verschiedenen Tiefenregionen der Oceane zu gewinnen, indem
sie mit feinen Netzen in verschiednen Tiefen fischten, auch solche Netze
an verschiednen Stellen des Taues der Dredge befestigten und sich so
gleichzeitig Kenntniss des Lebens der verschiednen Wasserschichten zu
verschaffen suchten.
Doch war es leider bei diesen Versuchen noch nicht möglich, ein
reines Bild des Lebens in verschiednen Tiefen zu erhalten, da es sich
nicht bewerkstelligen liess, dass die feinen Netze in bestimmter, zu unter-
suchender Tiefe sich öffneten und vor dem Heraufholen wieder geschlossen
wurden. Das Bild, welches daher ein solcher Fischzug mit dem feinen
Netz in bestimmter Tiefe darbot, wurde getrübt durch die Beimischungen
aus geringeren Tiefen, welehe das Netz bei seinem Niedergang, nament-
lich jedoch bei seinem Wiederaufsteigen aufnahm, Schon früher hatte
Vorkommen in den heut. Meeren. 467
J. Müller versucht, sich in ähnlicher Weise über das Leben unter der
Meeresoberfläche zu unterrichten, jedoch konnte er seine Untersuchungen
nur auf sehr geringe Tiefen ausdehnen.
Trotz der erheblichen Fehlerquellen, welche, wie bemerkt, der auı
der Challengerexpedition angewendeten Methode anhaften, ergab dieselbe
doch das ziemlich überzeugende Resultat, dass die Radiolarien nicht wie
die pelagischen Rhizopoden nur eine beschränkte, oberflächliche Region
des Meeres bewohnen, sondern wahrscheinlich in sämmtlichen Tiefen,
bis zu den grössten hinab, vertreten sind. Diese Ueberzeugung
konnte hauptsächlich darauf basirt werden, dass aus grösseren Tie-
fen Formen heraufgeholt wurden, welche den oberflächlicheren Regionen
durchaus fehlten. Ja, es stellte sich heraus, dass eine Abtheilung der
Radiolarien mit Vorliebe in grösseren und grössten Tiefen einheimisch zu
sein scheint, nämlich die Phaeodarien und unter diesen speciell die Fa-
milie der Challengeridae*). Es erscheint nach unsern heutigen Kennt-
nissen also ziemlich sicher, dass die Radiolarien alle Tiefen der Oceane
bevölkern und die verschiednen Abtheilungen und Formen sich z. Th. in
gewissen Tiefenregionen mit Vorliebe finden.
Häckel unterscheidet daher in seiner neuesten Publikation pelagi-
sche, zonare, d. h. in bestimmten Zonen der Meerestiefe (bis über
20,000‘ hinab) schwebende und profunde, auf dem Boden des tiefen
Meeres lebende Radiolarien **). Die Formen mit zierlichsten und zartesten
Skeleten sollen sich hauptsächlich pelagisch, die schwerfälligsten und
massivsten dagegen in den grössten Tiefen finden. _
Nichts scheint mir jedoch bis jetzt 'mit Sicherheit dafür zu sprechen,
dass sich die Radiolarienfauna mit der Tiefe überhaupt reicher gestalte,
oder anders ausgedrückt, dass die Radiolarien vorzugsweise Tiefseethiere
seien, wofür sich Hertwig (33) und Stöhr (35) aussprachen. Bekanntlich
hatte Ehrenberg diesen Standpunkt vertreten, jedoch von der ganz irr-
thümliehen Voraussetzung ausgehend, dass die Radiolarien ausschliess-
lich auf dem Meeresboden lebten und daher die mit Bodenproben
aus verschiedner Tiefe heraufgeholten Radiolarienreste auch in den
betreffenden Tiefen am Boden gelebt hätten. Ehrenberg suchte die
Vermehrung der Radiolarien in der Tiefe aus den Ergebnissen seiner
Untersuchungen zahlreicher Grundproben zu erweisen, welche eine ent-
schiedne Zunahme der Artzahl mit zunehmender Tiefe darboten. Schon
Häckel (16) hat jedoch in sehr treffender Kritik der Ehrenberg’schen
Untersuchungen gezeigt, dass ein solcher Schluss keineswegs so unzweifel-
haft und sicher aus den empirischen Daten Ehrenberg’s zu ziehen ist,
*) Dieselben sollen der Oberfläche gänzlich fehlen, in 300—400 Faden Tiefe selten, am
reichlichsten in viel grösseren Tiefen getroffen werden.
#*) Ob thatsächlich Radiolarien auf dem Meeresboden kriechend leben, scheint mir durch
die bis jetzt vorliegenden Untersuchungen noch nicht bewiesen zu sein. Die Organisation der
ıneisten Formen scheint einer solchen Annahme sehr wenig zu entsprechen; doch mag die-
selbe wohl für die Challengeridae und vielleicht einen Theil der Cyrtida zulässig erscheinen.
30 *
468 Radiolaria.
indem eine Reihe von Zufälligkeiten hierbei störend gewirkt haben kön
nen, und wir werden im Verlaufe unserer Darstellung sehen, dass sich
die Resultate der Ehrenberg’schen Beobachtungen wohl auch in anderer
Weise auf Grund unsrer neueren Erfahrungen erklären lassen.
Zunächst möchte ich jedoch kurz zeigen, dass meiner Ansicht nach
aus den Ehrenberg’schen Befunden nicht geschlossen werden kann, dass
das Radiolarienleben in der Tiefe reicher sei, wie das in oberflächlichen
Regionen. In der zusammenfassenden Darstellung seiner Tiefseeunter-
suchungen gibt Ehrenberg 1872 (25) nachfolgende Aufstellung über die
Vertheilung der von ihm gefundnen Radiolarienarten nach verschiednen
Tiefen.
100 >00 1000 5000 10,000 15,000
Tiefe: 0 bis 100‘ bis bis bis bis bis | bis
| 500° | 1000° ı 5000° | 10,000‘ | 15,000° 20.000‘
Zahl d. Arten: 31 7 | 12 31 5) | 116 132
Aus dieser Zusammenstellung scheint eine solche Zunahme ziem-
lich sicher hervorzugehen. Betrachten wir aber die Zahl der bis jetzt
oberflächlich, in einem so beschränkten Gebiet wie das Mittelmeer
von J. Müller, Häckel und Hertwig aufgefundnen Arten und zwar natür-
lich nur derjenigen, deren kieselige Skelete einer Erhaltung im Boden-
schlamm nach dem Niedersinken fähig sind, so finden wir nicht weniger
wie 130 Arten, also fast genau ebensoviel wie Ehrenberg in den grössten
Tiefen zwischen 15,000 und 20,000‘ fand, nach ihm überhaupt die reichste
Region.
Hieraus scheint mir nun zu folgen, dass wenigstens bis jetzt ein
grösserer Reichthum der Radiolarien in tieferen Regionen der Oceane
durchaus nicht erwiesen ist. Es darf erwartet werden, dass die genauere
Untersuchung des Challengermaterials auch diese Frage aufklären wird.
Es wäre verfrüht, eine entscheidende Aeusserung zu wagen, da der Zu-
wachs an neuen Arten, welche dies Material enthält (über 2000 nach
Häckel), ein so enormer ist, dass sich daneben Schlüsse, welche man
auf Grund der seither bekannten, sehr beschränkten Zahl von Arten zu
ziehen versucht, ganz hmfällig erweisen können.
Ein Leben der Radiolarien am Boden der Meere, wie es Ehren-
berg aus seinen Erfahrungen herleiten wollte und wie es Häckel
neuerdings für grosse Tiefen gleichfalls behauptet, scheint mir jedoch
auch durch die neueren Erfahrungen noch unerwiesen geblieben zu sein.
Häckel (16) hat seiner Zeit in Messina durch direete Untersuchung des
Meeresbodens mit der sogen. Saugsonde durchaus negative Resultate in
dieser Beziehung erzielt und auch in den Beobachtungen, welche bis jetzt
von der Challengerexpedition zur Veröffentlichung kamen, findet sich
niehts, was für eine solehe Lebensweise der Radiolarien spricht. Ebenso
Vorkommen in den heut. Meeren; Radiolarienschlamm 469
scheint mir die Organisation unsrer Wesen, soweit es erlaubt ist, aus ihr
einen Schluss zu ziehen, für eine freischwimmende Lebensweise der
allermeisten zu sprechen.
Wie die Schalen der pelagischen Rhizopoden müssen auch die
kieseligen Skelete der schwimmenden Radiolarien nach dem Tode
ihrer Träger allmählich sinken und schliesslich auf dem Meeresboden
zur Ablagerung gelangen. Es finden sich denn auch Radiolarien-
reste auf dem Meeresboden aller Tiefen vor, wie dies schon aus den
obigen Tabellen Ehrenberg’s hervorgeht. Durchaus vermisst werden nur
die Skelete der Acanthometreen, was sich aus ihrer leichten Zerstörbarkeit
hinreichend erklärt.
Welche Verhältnisse es bedingen, dass Radiolarienreste unter Um-
ständen im Schlamm des Meeresbodens völlig vermisst werden, während sie
anderwärts ziemlich reichlich auftreten, ist bis jetzt nicht sicher eruirt*).
Nur in den beträchtlichsten Tiefen jedoch und auch hier nur an ge-
wissen beschränkten Stellen, ist die Ablagerung von Radiolarien-
resten eine so massenhafte, dass von einem Radiolarienschlamm, ent-
sprechend dem bei Betrachtung der Rhizopoden erwähnten Globigerinen-
schlamm die Rede sein kann. Schon Ehrenberg hatte Gelegenheit zwei
Bodenproben zu untersuchen, welche fast ausschliesslich aus Radiolarien-
resten bestanden und ganz kalkfrei zu sein schienen. Die eine dieser
Proben stammt aus 3300 Faden Tiefe im stillen Ocean, etwa 8 bis
10 Längengrade östlich von den Philippinen; die zweite dagegen aus
2200 Faden Tiefe im indischen Ocean, etwa 20 Längengrade östlich
von Zanzibar. In beiden Ablagerungen war gleichzeitig der Reichthum
an Formen ein sehr erheblicher, in ersterer liessen sich nicht weniger
wie 83, in letzterer dagegen 47 Arten nachweisen. Ganz ähnliche Ver-
hältnisse fand die Challengerexpedition dann weiterhin noch an einigen
Stellen des stillen Oceans. So einmal nicht weit von der schon durch
Ehrenberg untersuchten Bodenprobe, 14 Längengrade weiter östlich und
ca. 7 Grad südlieher in der grössten überhaupt untersuchten Tiefe von
4500 Faden; weiterhin fanden sich jedoch noch zwei Gebiete solchen
Radiolarienschlamms in etwa 150 Grad östlicher Länge (von Greenwich)
und einige Breitengrade nördlich und südlich des Aequators. Jede dieser
Ablagerungen erstreckte sich über ca. 4—5 Breitengrade in wechselnden
Tiefen von 2350 bis 2900 Faden.
Aus diesen Untersuchungen scheint hervorzugehen, dass sich wahr-
scheinlich ein solehes Radiolarienschlammgebiet von den Philippinen in
*) Hinsichtlich der Verbreitung der Radiolarienreste in den Bodenablagerungen der
Meere finden sich unverständliche Widersprüche in den Mittheilungen von Murray (27) über
die Ergebnisse der Challengerexpedition; während es p. 525 heisst: „The skeletons of these
organisıns are found in all, or almost all, the sea bottoms“, heisst es dagegen p. 535 von
den Radiolarien im Allgemeinen: „In very many places they appear to be nearly or quite
absent in the bottoms‘“.
470 Radiolaria.
südöstlicher Richtung bis gegen die Marquesasinseln ausdehnt, dass sich
jedoch auch noch anderwärts solehe Ablagerungen finden. So hob der
Challenger auch östlich von Japan noch einige Grundproben, welche
bis zu !/, aus Radiolarienresten bestanden.
Eine Erklärung für die Bildung fast reinen Radiolarienschlamms in
so beträchtlichen Tiefen lässt sich zwar ungefähr, jedoch bis jetzt noch
nicht ganz ausreichend geben. Zunächst scheinen in den Meeresregionen,
wo solche Ablagerungen bis jetzt beobachtet wurden, Radiolarien be-
sonders reichlich zu sein; dies wird wenigstens von Thomson und Murray
für die wärmeren Theile des stillen Oceans gegenüber dem atlantischen
angegeben. Hauptsächlich im südwestlichen Theil des stillen Oceans und
um die Inseln des malayischen Archipels herrscht ein grosser Radiolarien-
reichthum. Weiterhin muss die Masse der am Boden zur Ablagerung
gelangenden Radiolarienreste proportional mit der Tiefe des darüber
stehenden Meeres wachsen, da ja die Radiolarien, wie wir gesehen, bis
zu sehr grossen Tiefen hinab leben. Demnach muss die Masse der zur
Ablagerung gelangenden Radiolarienreste in solch tiefen Regionen absolut
gegenüber den sich gleichfalls niedersenkenden Resten der pelagischen
Organismen anderer Gruppen wachsen, speciell gegenüber den Schalen-
resten pelagischer Rhizopoden, da diese nur eine beschränkte Ober-
flächenzone bewohnen. Weiterhin haben aber die Challengerunter-
suchungen wohl unzweifelhaft ergeben, dass die Kalkschalen pelagischer
Thiere, speciell die der Rhizopoden und der gleichfalls sehr häufigen
Pteropoden, gewöhnlich nicht über eine gewisse Tiefe unversehrt hinab-
gelangen, vielmehr in Tiefen über 2000 Faden allmählich durch
chemische Einflüsse, wohl ohne Zweifel durch auflösende Wirkung der
Kohlensäure, zerstört werden, bis sie schliesslich am Boden nahezu
oder gänzlich versehwinden. Statt des Globigerinenschlammes_ stellt
sich dann ein Thonschlamm von rother oder grauer Farbe ein, in
welchem sich gewöhnlich noch einige Reste kalkiger Schalen, weiterhin
jedoch fast stets Mangansuperoxydhydrat als verschiedengestaltige Con-
eretionen, sowie Partikel verschiedner Mineralien, Quarz, Glimmer, und
namentlich sehr weit verbreitet Bimssteinstückchen finden. Auch Radio-
larienreste gesellen sich diesen Thonen häufig zu.
Thomson ist der Ansicht, dass diese Thone im Wesentlichen die un-
löslichen Rückstände der zerstörten Kalkschalen pelagischer Organismen dar-
stellen. Murray hebt hervor, dass auch vulkanische, über weite Strecken
des Meeresbodens zur Ablagerung kommende Producte (Beweis hierfür ist
der so verbreitete Bimsstein), ebenso wie Meteoriten und kosmischer Staub
zur Bildung der Thone beigetragen haben mögen.
In derselben Weise erklärt sich nun auch das Fehlen oder die grosse
Armuth der kalkigen Schalen, speciell der der Rhizopoden in den
Radiolarienschlammlagern, welche ihrer Tiefe nach sämmtlich in die
Radiolarienschlamm : Verbreitung in den heut. Meeren. 471
‚Region der Thone gehören *). Eigenthümlich ist jedoch, dass thonige
Beimischungen dem eigentlichen Radiolarienschlamm nicht in erheb-
lichem Grade zuzukommen scheinen, dagegen finden sich darin Braun-
steineoneremente, Bimssteinstückchen und andere Mineralpartikel (Ehren-
berg und Challengerexpedition), äbnlich wie in den Thonen.
Oben wurde schon auf gewisse Erscheinungen in der Verbreitung der
Radiolarien hingewiesen, auf den grösseren Reichthum des stillen Oceans
nämlich gegenüber dem atlantischen. Thomson (31) hebt speciell hervor,
dass sie am reichlichsten zu sein scheinen, wo das Seewasser ein niederes
specifisches Gewicht besitzt. Jedenfalls scheinen sich die Radiolarien
in gemässigt warmen und den wärmeren Meeren besonders reichlich zu
entwickeln, spärlicher dagegen in den kalten Meeren. So erklärt z. B.
auch Thomson die Radiolarienarmuth der Nordsee und der britischen
Küsten aus dem Vorhandensein eines kalten Stroms, welcher sich,
von der arktischen See kommend, gegen Nordschottland wendet und,
sich hier theilend, einerseits die Nordsee wesentlich abkühlt, andererseits
in einem 60— 80 Seemeilen breiten Arm die Westküste der britischen
Inseln umzieht. Jenseits dieses kalten Stromes sind Radiolarien im at-
lantiseben Ocean reichlich anzutreffen. Immerhin fehlen aber auch in
diesem kalten Gebiete die Radiolarien nicht völlig, denn schon Claparöde
fand 3 Formen bei Bergen, Stockes**) zwischen den Orkney- und Shet-
landsinseln in den Bodenablagerungen 9 Arten. Dass jedoch Radiolarien
selbst arktischen Meeren nicht fehlen, dürfte wohl mit Sicherheit aus den
Ergebnissen der englischen Nordpolexpedition des Jahres 1875/76 ge-
schlossen werden, welche auf ihrer nördlichsten Station (83° 19 n. Br.)
die radiolarien-reichste Grundprobe traf. Ueberhaupt fanden sich in
den Grundproben, welche diese Expedition aus dem arktischen paeifischen
Ocean mitbrachte, nicht weniger wie 10 Genera kieselschaliger Formen
nach Häckel’s Untersuchung***). Auch fand die Challengerexpedition
in den Grundproben aus dem südlichen indischen Ocean (50—65° s. Br.)
z. Th. recht viele Radiolarienreste7).
Die Radiolarien erscheinen unter günstigen Bedingungen in grosser
Menge an der Meeresoberfläche, so dass sie, wie Thomson angibt, das
*) Auch Ehrenberg nahm schon zu einer solchen Auflösung der Kalkschalen seine Zu-
fucht, um sich deren Fehlen in den Radiolarienablagerungen zu erklären.
#*#) (Juart. journ. of microscop. science N. S. Vol. I. p. 307. Auch abgeschlossnen
Meeren fehlen nach Ehrenberg’s Untersuchungen (25) Radiolarien nicht völlig, so fand er
1 Stylosphaera im Asow’schen und 4 Mesocaena-Arten im schwarzen Meer, im Caspisee
dagegen 2 Haliommen. Ich beobachtete in Ascidia canina aus der Östsee häufig eine
Dictyocha.
###) siche bei Brady, Ann. mag. nat. hist. 4. S. T. XVII. 1978,
+) Zu einer eingehenderen Besprechung der geographischen Verbreitung der Radiolarien
ist bis jetzt noch keine Möglichkeit vorhanden, wir werden daher auch die vereinzelten That-
sachen, welche sich in dieser Hinsicht verwerthen liessen, nicht weiter ausführen, Es ist zu
hoffen, dass auch ein einigermaassen befriedigender Ueberblick über diese Verhältnisse sich
gewinnen lassen wird, wenn die Resultate der Challengerexpedition vorliegen.
472 Radiolaria.
Wasser zuweilen deutlich färben. Jedoch herrscht, wie es scheint, eine
deutliche Abstufung der verschiednen Abtheilungen hinsichtlich der Massen-
haftigkeit ihres Vorkommens. Nach Häckel und Thomson sind meist die
Acanthometriden besonders reich vertreten und mit ihnen wetteifern die
Sphaerozoöden, Sehr häufig sind auch gewisse Sphaerideen, Colliden
und Phaeodarien, wogegen die Monopylarien im Ganzen nicht zu den
häufigsten Formen gehören (jedoch beschränken sich letztere Angaben
nur auf die Verhältnisse des Mittelmeers und speciell Messina’s) *).
n
7. Paläontologisches Vorkommen der Radiolarien**).
Ich habe absichtlich in dem Titel dieses letzten Abschnittes nieht
von der paläontologischen Entwicklung der Radiolarien gesprochen, denn
unsere Kenntnisse der Reste dieser Gruppe aus untergegangnen Erd-
epochen sind so wenig umfangreich, dass aus ihnen bis jetzt durchaus
nichts Sicheres über die phylogenetische Entwicklung zu schöpfen ist.
Hierzu gesellt sich nun weiterhin noch dieselbe Schwierigkeit, welche
*) Im Verlaufe des von uns seither eingehaltenen Ganges der Schilderung hätte nun
die Besprechung des Systemes und die Charakteristik der Gattungen zu folgen. Ich sehe mich
jedoch leider genöthigt, diesen Abschnitt, zu dessen Bewältigung ich ziemlich ausgedehnte
Vorstudien gemacht habe, im Hinblick auf die augenblickliche Lage der Radiclariensystematik
einstweilen nicht auszuarbeiten. Während der Abfassung des Textes erschien das vor-
läufige neue Radiolariensystem von Häckel, welches durch eine grosse Zahl neuer Gattungen
so umgestaltet und verändert ist, dass ohne genauere Beschreibung derselben eine Orientirung
nicht möglich erscheint, zumal Angaben über Synonymie ganz fehlen, frühere Namen z. Th.
unterdrückt scheinen u. s. f. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die mehr wie 2000 neuen
Arten des Challengermaterials — gegenüber den etwa 300 seither lebend genauer bekannten
— eine ganz neue Gestaltung des Systems erfordern. Es wäre daher ein ephemeres, ziem-
lich werthloses Bemühen, wollte ich es versuchen, unter diesen Verhältnissen das System
der Radiolarien darzustellen. Die Besprechung der Radiolarien jedoch überhaupt zu vertagen,
war nicht möglich, wenn nicht die Fortsetzung der Protozoön auf unbestimmte Zeit verschoben
werden sollte; ich weiss mir daher nicht anders zu helfen, als dass ich einstweilen den syste-
matischen Abschnitt bis nach Erscheinen der Öhallengerradiolarien aufschiebe. was ja auch
kein zu grosser Nachtheil ist, da die allgemeine Schilderung auch so verwerthbar sein
dürfte. — Es wird dann späterhin möglich sein, dem Werk durch eingehende Berück-
sichtigung der neueren Ergebnisse einen um so vollständigeren und dauernder nutzbaren
Charakter zu verleihen.
*#) Ausser den schon im allgemeinen Literaturverzeichniss namhaft gemachten Schriften
von Ehrenberg, Häckel, Zittel, Stöhr und Bütschli sind bezüglich fossiler Radiolarien noch zu
vergleichen:
{. Carruthers, W., British Assoc. Reports 1872, p. 126 und (Quart. journ. ınicrosc. sc.
N. S. Vol. XI. p. 397,
3, Gümbel, C. W., Ueber loraminiferen, OÖstracoden und mikroskopische Thierreste in
den St. cassianer Schichten. Jahrb. d. k. k. geolog. Reichsanst. 1869. Bd. XIX. p. 175
186. T. V—VI. .
3. Sauvage, Annales des sciences geologiques 1873.
4. D’Achiardi, Sul gabhro rosso e rocce diasprine che vi si conettono, Atti soc. tosc, sc.
nat. Proc. verb. 1880. p, 57—58.
Allgem. Vorkommen fossiler Radiolarien. 473
uns schon nöthigte, von einer Darstellung des Systems Abstand zu
nehmen, die Ueberzeugung nämlich, dass die bis jetzt genauer be-
kannten lebenden Radiolarien gleichfalls nur einen kleinen Theil der
überhaupt in unsrer Epoche existirenden Vertreter dieser umfangreichen
Gruppe darstellen, so dass etwaige Schlüsse, welche wir aus den so un-
vollständigen Erfahrungen über fossile und lebende Radiolarien hinsicht-
lich der paläontologischen Entwicklung ziehen wollten, sich wahrscheinlich
als sehr trügerisch erweisen dürften.
Auch die von Ehrenberg betonte geringe Uebereinstimmung fos.
siler und lebender Formen stellte sich nach den neueren Untersuchungen
Stöhr’s (35) und Häckel’s (37) als nicht stichhaltig heraus; beide fanden,
dass eine ziemliche Zahl tertiärer Radiolarien mit noch jetzt lebenden
identisch ist, wie dies auch zu vermuthen war.
Die soeben hervorgehobnen Umstände zwingen uns zur Beschränkung
auf einige allgemeine Bemerkungen und die Schilderung des geologischen
Vorkommens fossiler Radiolarien.
Bis jetzt sind fast sämmtliche umfangreicheren und erhaltungsfähigen
Untergruppen der Radiolarien auch fossil angetroffen worden. Dass wir
unter den fossilen Vorkommnissen die Colliden, Sphaerozoden und Acantho-
metreen vermissen, wird uns nicht erstaunen, da die Angehörigen dieser
Abtheilungen entweder überhaupt keine erhaltungsfähigen Skelettheile be-
sitzen, oder wie ein Theil der Colliden und Sphaerozoöen solche,
die im isolirten Zustand kaum oder nicht sicher zu erkennen sind.
Einzelne Skeletspieula gewisser Colliden und Sphaerozoden - werden
sicher zunächst auf Spongien bezogen werden, wogegen die Collosphaera
ähnlichen Gitterkugeln gewisser Sphaerozoden sich im isolirten Zustand
nicht mehr mit Sicherheit von den ähnlichen Gitterkugeln einschaliger
Sphaerideen unterscheiden lassen. Gewisse von Ehrenberg und andern
Forschern beschriebne einfache Gitterkugeln, so Cenosphaera Ehrbg. und
Acanthosphaera Ehrbg. lassen sich denn auch ebensowohl auf Sphaero-
zo@en wie Monosphaerideen beziehen.
Als weitere Stütze der eben gegebnen Erklärung des scheinbaren
oder thatsächlichen Fehlens jener Gruppen im fossilen Zustande darf
weiterhin hervorgehoben werden, dass auch in recenten Ablagerungen
bis jetzt noch keine Vertreter derselben nachgewiesen worden sind.
Wichtiger dagegen erscheint der Mangel einiger kieselschaliger, wohl
erhaltungsfähiger Gruppen. So ist bis jetzt von der nach Häckel’s neuen
Forschungen in der Jetztzeit recht reich entfalteten Gruppe der sogen.
Pleetida (Plagiacanthida Hertw.) fossijl noch nichts beobachtet worden.
Auch die umfangreiche Abtheilung der Phaeodaria fehlt in den Verzeich-
or
Pantanelli, D., Radiolari dei Diaspri. Atti soc. tose, sc. nat. Proc. verh. 1880. p. 58,
auch Bollet. R. com. geol. d’Ital. 1880.
6. Pantanelli e De Stefani, Radiolari di Santa Barbera in Calabria, Atti soe, tose
Proc. verb. 1880. p. 59—60.
. Zittel, K., Handbuch der Paläontologie Bd. 1.
=!
474 ] Radiolarıa.
nissen fossiler Radiolarien so zu sagen völlig, ausser reichlich vertretnen
Dietyocha- und Mesocaenaformen führen nur Pantanelli und Stefani aus
miocänem italienischen Tripel eine Aulacantha auf, bezüglich welcher
jedocb, wegen Fehlen der Beschreibung und Abbildung, nicht wohl zu ent-
scheiden ist, ob sie sicher begründet wurde. Dass auch die Abtheilung
der Lithelidae schon zur Tertiärzeit vertreten war und nicht auf die
Jetztwelt beschränkt ist, wie Häckel noch anzunehmen berechtigt war,
ergibt sich aus meinen Untersuchungen der Barbadosradiolarien; Ehren-
berg hatte zu dieser Abtheilung gehörige Formen irrthümlich zu der
Gattung Stylodietya gezogen *).
Alle übrigen grösseren Untergruppen kieselschaliger Radiolarien sind
auch schon zur Tertiärzeit vertreten gewesen. j
Nur über diese geologische Epoche liegen bis jetzt eingehendere
Forschungen vor, begünstigt durch die Erscheinung, dass diese Formation
an gewissen Orten sehr reichhaltige Radiolarienlager einschliesst, wie sie
in älteren Formationen bis jetzt nicht zur Beobachtung kamen. Es wäre
jedoch gewiss durchaus verfehlt, die Radiolarien überhaupt für eine
jugendliche Abtheilung zu halten, wenn auch die Anzeichen ihres Vor-
kommens in älteren Formationen zur Stunde nur sehr spärlich vorliegen.
Die ältesten Spuren von Radiolarien sind bis jetzt in der Kohlen-
formation aufgefunden worden, zwar haben sich die von Carruthers einst
aus der englischen Kohlenformation unter dem Namen Traquairia be-
schriebenen vermeintlichen Radiolarienreste nicht als solche erwiesen,
sondern als pflanzliche, sporenartige Gebilde, ähnlich den Maerosporen
der Rhizocarpeen ergeben; dagegen gibt ein genauer englischer Forscher
Sollas**) neuerdings an, in den „carboniferous beds“ von North - Wales
Radiolarienreste beobachtet zu haben, welche jedoch in kohlensauren
Kalk umgewandelt waren. Aus der Triasformation (von St. Cassian in
Tyrol) beschrieb Gümbel die Reste zweier Arten dietyocha-ähnlicher Ge-
bilde, welche mir jedoch nur wenig sicher erscheinen. Aus der oberen
Juraformation von Muggendorf ist eine grosse sogen. Cenosphaera durch
Waagen bekannt geworden und Steinmann wies neuerdings auf reich-
liches Vorkommen von Radiolarien in der tithonischen Facies des Jura
sowie in der Kreide hin ***). Schon früher hatte Zittel das Vorkommen
der Radiolarien in der Kreideformation erwiesen, indem er in der oberen
Kreide von Haldem in Westfalen und Vordorf in Braunschweig zwei
sogen. Cenosphaera-Arten, eine Dietyocha, eine Stylodietya und vier Ver-
*) Die Stylodietya hispida Ehrbg. ist nämlich meinen Beobachtungen zu Folge eine
Lithelinsform.
*#*) Ann. m. n. h. (V) VI. p. 439.
###) Jahrbuch f. Mineral. u. Geologie 1881 (nach Untersuchungen von ihm und von
v. Hantken‘, Die Beobachtungen von Waagen hat Zittel (29) mitgetheilt. Durch eine gef.
briefliche Benachrichtigung Zittel’s kann ich hier nachträglich noch mittheilen, dass v. Duni-
kowsky Radiolarien im unteren Lias von Schafberg in Ober-Oesterreich gefunden hat.
%
Allgem Vorkommen fossiler Radiolarien 475
treter der Cyrtida (sämmtlich zu der Häckel'schen Gattung Lithocampe
von 1862 — Dietyomitra Zitt. 1876 gehörig) *) fand.
Eine genauere Durchforschung der älteren Formationen wird, wovon
ich fest überzeugt bin, zahlreiche Radiolarienreste zu Tage fördern, ebenso
wie dies auch für die Rhizopoda schon der Fall gewesen ist.
Die Tertiärformation hat dagegen, wie bemerkt, schon eine recht
ansehnliche Menge Radiolarienreste geliefert. Stöhr (35) rechnet 454 Arten
zusammen, eine Zahl, die gewiss nicht zu niedrig gegriffen ist, wenn
man berücksichtigt, wie viele neue Formen allein das Barbadosgestein
bei gründlicherer Durchsuchung noch liefern wird **).
Spärlichere Reste von Radiolarien scheinen weithin durch die Tertiär-
formation verbreitet zu sein, nur drei Fundstätten sind aber bis jetzt be-
kannt geworden, wo es sich um wirkliche Radiolarienablagerungen aus
der Tertiärzeit handelt, ähnlich den recenten der Südsee. Ehrenberg hat
spärlichere Reste von Radiolarien beobachtet in den Mergeln oder Polir-
schiefern von Aegina und Zante in Griechenland, sowie Oran in Afrika,
in einer Reihe sogen. Polirschiefer Nordamerikas (Richmond und Peters-
burg in Virginien, Piscataway in Maryland), ferner im Tripel von den
Bermudasinseln, und in einem sogen. Polirschiefer von Morro de Mijellones
(Westküste von Südamerika an der Grenze zwischen Bolivia und Chile),
schliesslich im Tripel von Simbirsk bei Kasan. Zu den drei Fundorten
wirklicher tertiärer Radiolarienlager gehört zunächst Sieilien (speeiell der
dureh Stöhr’s Untersuchungen genauer bekannt gewordene Punkt Grotte),
weiterhin scheinen jedoch noch einige andere Ablagerungen der italieni-
schen Halbinsel sehr reich an Radiolarienresten zu sein, so gewisse Tripel
Calabriens und die sogen. Diasprogesteine Toscanas nach den neueren
Untersuchungen von Pantanelli, Stefani und D’Achiardi. Das reichste
Radiolarienlager ist das der westindischen Insel Barbados, hinter welcher
der dritte Fundort, die Nikobareninseln, beträchtlich zurücksteht.
Die Tripel Sieiliens, welche nach Stöhr dem obersten Tortonien an-
gehören, sind weisse blätterige, meist leicht zerreibliche Ablagerungen,
nur selten von grösserer Festigkeit. Ihr Kieselsäuregehalt geht ziemlich
parallel dem schwankenden Gehalt an Radiolarienresten und erhebt sich
von 30 bis auf 68°/,. Sie enthalten wie alle Radiolarienablagerungen
noch mehr oder weniger Reste mariner Diatomeen und Spongien, sowie
Kalkschalen von Rhizopoden beigemischt. Merkwürdiger Weise schliessen
jedoch diese sieilischen Tripel auch ziemlich zahlreiche Fischreste,
*) Drei dieser sogen. Dietyomitren gehören nach Häckel's neuester Classification zur
Unterfamilie der Stichocyrtida und zur Gattung Lithocampe; die vierte nur dreigliedrige ge-
hört zur Unterfam. der Triocyrtida und zwar zur Gattung Tricolocampe Häck. 1881.
**) Ich habe zunächst eine genaue Zusammenrechnung und Vergleichung der Tertiär-
formen nicht vorgenommen, weil eine kritische Revision derselben auf Grundlage der Challenger-
radiolarien späterhin doch zur Nothwendigkeit wird. Das später zu publicirende System soll
auch die fossilen Formen genau berücksichtigen und wird ebenso Nachweise über die Zahl
der fossilen Arten und ihr Vorkommen geben.
476 Radiolaria
darunter nicht selten Süsswassertfische und weiterhin Landpflanzen ein.
Sie geben uns demnach ein hübsches Beispiel der Vermischung einer
Tiefseeablagerung mit durch Süsswasser vom Festland zugeführten
Resten. Stöhr konnte in dem reichsten Tripel, dem von Grotte, nicht
weniger wie 118 Radiolarienarten auffinden *).
Auf Barbados bilden die Radiolariengesteine einen ansehnlichen Theil
des bis zu 1147 Fuss aufsteigenden Gebirgsstocks der Insel. Bedeckt
werden sie z. Th. von einem Korallenkalk. Ebrenberg beschreibt diese
Gesteine als eisenschüssigen Sandstein, sandigen Kalkstein und erdige
Mergel. Ihr Radiolarienreichthum ist übrigens ziemlich wechselnd,
wie sich aus den Untersuchungen verschiedner Proben durch Ehren-
berg ergibt. Die besonders reichen scheinen eine tripel- oder mergel-
artige Beschaffenheit zu besitzen **). Auch bituminöse Radiolarienmergel
finden sich vor. Die von Ehrenberg mitgetheilte Analyse eines solchen
Polyeystinenmergels (ausgeführt von Rammelsberg) weist gar keine freie
Kieselsäure auf, sondern 34°/, Thonerdesilikat und nicht weniger wie
59°, kohlensauren Kalk, ein Ergebniss, welches sich schwer mit der
mikroskopischen Untersuchung vereinigen lässt und der Vermuthung
Raum gibt, dass irgend etwas in der Analyse nicht stimmt.
Den auffallenden Kalkreichthum der Barbadosgesteine erklärt sich
Ehrenberg durch Beimischung von Rhizopodenschalen (nur fünf Formen
liessen sich jedoch auffinden) und coccolithen -ähnlichen Gebilden, sowie
eines z. Th. kalkigen Mulms. Diese Mulmbeimisehung beträgt überhaupt
zuweilen bis zur Hälfte des Gesteinsvolumens. Vielleicht dürfte sich je-
doch der ansehnliche und im Hinblick auf die recenten Radiolarien-
schlamme auffallende Kalkgehalt durch nachträgliche Infiltration erklären,
in welcher Hinsicht die Ueberlagerung durch Korallenkalk beachtenswerth
erscheint. Interessant erscheint die häufige Beimischung von Bimsstein-
stückchen eben im Hinblick auf die recenten Tiefseeablagerungen.
Das Barbadosgestein lieferte Ehrenberg nicht weniger wie 278 Arten
' Radiolarien, womit jedoch die Zahl der vorhandnen nicht erschöpft ist,
da ich bei kurzer Untersuchung noch eine ziemliche Zahl weiterer
fand; daneben enthält es noch einige Diatomeen (18 Arten) und Spon-
giennadeln.
Recht abweichend von den soeben geschilderten sind die Radiolarien-
ablagerungen der Nikobareninseln beschaffen, welche hauptsächlich auf
den Inseln Car Nikobar und Camorta angetroffen wurden. Ihrer petro-
graphischen Beschaffenheit nach erinnern dieselben viel mehr an die Tief-
seeablagerungen der Jetztwelt. Es sind nämlich Thone etwas verschiedner
*) Die Speciessonderung ist jedoch von ihm, wie auch schon Steinmann (Neues Jahrb. f.
Mineralogie 1881) hervorhebt, etwas weit getrieben worden.
**) Inwiefern die von Ehrenberg für einen Theil dieser Gesteine gebrauchte Bezeichnung
Sandsteine gerechtfertigt werden kann, will mir nicht recht einleuchten, Ehrenberg, der auch
alle unorganischen Beimischungen aufzählt, erwähnt wenigstens durchaus nichts von Sand.
Das Stückchen Gestein. welches ich in Händen hatte, enthielt sicherlich keinen Sand.
|
Vertiärformation (Barbados. Nikobaren, Sicilien). 477
Beschaffenheit, graue auf Car Nikobar, weisse, meerschaumartige, sowie
eisenhaltige rothe und bunte auf Camorta. Diese radiolarienhaltigen
Thone bilden mit Mergeln und kalkhaltigen Sandsteinen den bis zu 2000
sich erhebenden Gebirgsstock dieser Inseln.
Während Ehrenberg ursprünglich (4, 1850) die Zahl der Radiolarien-
arten dieser Ablagerungen auf mehr wie 100 schätzte, gab er in seinem
späteren Verzeichniss (26) nur 39 an, welche sich bei Zurechnung der
gleichfalls zu den Radiolarien gehörigen vier Dietyochen und einer Ste-
phanolithis auf 44 erheben *).
Die Radiolarienfauna von Barbados besitzt einen sehr eigenthümlichen
Charakter, wegen der ungemein reichen Vertretung, welche in ihr die
Monopylarien finden. Von den 292 bekannten Formen sind nicht weniger
wie 234 Monopylarien, darunter 188 Cyrtiden, 41 Zygoeyrtiden (— Spy-
rida Hek. 1881) und 5 Acanthodesmiden (— Stephida Hcek. 1881). Sphae-
rideen (— Peripylaria Häck. 1881) finden sich dagegen nur 58 (darunter
reguläre Sphaerideen und Diseiden zusammen 56, eine Zygartide Häck. 1881
und eine Lithelide). Auch in den Ablagerungen der Nikobaren überwiegen
die Monopylarien; unter 43 Formen sind 26 Monopylarien (20 Cyrtida,
5 Zygoeyrtida und 1 Acanthodesmide), 13 reguläre Sphaerideen und
Diseiden und 4 Phaeodarien (Dietyochen).
Abweichend gestaltet sich dagegen die Fauna der sieilischen Tripoli
von Grotte nach Stöhr; hier überwiegen entschieden die regulären Sphae-
rideen und Diseiden, welche zusammen 69 der 118 bekannten Arten aus-
machen. Hierzu gesellen sich als weitere Peripylarien noch 1 Pylonide
und 53 Zygartiden, während die Monopylaria bis jetzt nur in 39 Ver-
tretern beobachtet wurden (33 Cyrtida und 6 Zygocyrtida); hierzu schliess-
lich noch 6 Phaeodarien.
Es wäre nun jedenfalls wenig zutreffend, wenn man, wie dies zu-
weilen geschehen, aus dem Vorherrschen der Cyrtida und Zygoeyrtida in
den tertiären Faunen von Barbados und den Nikobaren den Schluss
ziehen wollte, dass diese Abtheilungen während der Tertiärzeit eine be-
sonders hervorragende Entwicklung erreicht hätten. Hiergegen spricht
einmal schon die Beschaffenheit der sieilianischen Tertiärfauna, weiterhin
jedoch auch die Zusammensetzung recenter Radiolarienablagerungen der
Tiefsee. Betrachten wir die zwei reichhaltigsten der von Ehrenberg ana-
Iysirten Radiolarienablagerungen aus grossen Tiefen, die aus dem indi-
schen und die aus dem stillen Ocean, so finden wir, dass die erstere
unter 43 beobachteten Formen 29 Monopylarien (26 Cyrtiden und 3 Zygo-
eyrtiden) gegenüber 13 Sphaerideen (11 reguläre Sphaerideen und Dis-
eiden, 1 Zygartide und 1 Pylonide) und 1 Phaeodarie aufweist. In der
*) Wie mir Prof. Zittel während des Drucks dieses Bogens mittheilt, hat Dr. P. Reinsch
kürzlich auf Cypern eine’salzhaltige Ablagerung entdeckt, welche zu 50°, aus Radiolarien
besteht. Die kurze Abhandlung des Entdeckers über seinen Fund konnte ich nicht mehr
durchsehen.
478 tadiolaria.
Ablagerung aus dem stillen Ocean tritt das Ueberwiegen der Monopylarien
weniger deutlich hervor, doch ist es immerhin wohl ausgesprochen. Auf
40 Monopylarien (35 Cyrtida und 5 Zygoeyrtida) finden wir hier 31 Peri-
pylaria (27 reguläre Sphaerideen + Diseiden, 3 Zygartiden, 1 Pylonide)
und schliesslich 4 Phaeodarien.
Aus diesen Vergleichungen ergibt sich, dass auch unsere jetzigen
Tiefseeablagerungen ein starkes Ueberwiegen der Monopylaria zeigen,
wenn auch nicht so auffallend, wie das Barbadosgestein. Es scheint
hieraus wohl sicher hervorzugehen, dass die Monopylaria vorzugsweise
Tiefseebewohner sind, was auch ihre relative Spärlichkeit an der Meeres-
oberfläche schon einigermaassen erkennen lässt und dass ihr starkes
Ueberwiegen in den tertiären Ablagerungen von Barbados und den
Nikobaren wohl hauptsächlich auf die beträchtliche Tiefe zurückzuführen
ist, in welcher jene Ablagerungen ursprünglich entstanden.
Auch Häckel fand durch seine Untersuchungen des Challengermate-
rials, dass die Radiolarienfauna der tiefsten Regionen der heutigen Meere
am meisten der fossilen Fauna von Barbados gleicht (37).
Andrerseits müssen wir dagegen schliessen, dass die Tripoli Sieiliens
ihre Entstehung in geringerer Tiefe fanden, welcher Schluss auch wohl
in dem Vorkommen ziemlich wohlerhaltner, eingeschwemmter Reste
pflanzlicher und thierischer Organismen des Festlandes eine Bestätigung
findet *).
*) Dem Literaturverzeichniss über Radiolarien bitte ich nachträglich noch zuzufügen:
Wallich, G. C., On some undeseribed Testaceous Rhizopods from the North-Atlantie Deposits.
Monthly microscop. journ. I. p. 104—110. Pl. II. 1869 (beschreibt die Schalen einiger
Öhallengeridae).
B. Abtheilung (Klasse, Subphylum)
Spor0z0a.
(Leuckart 1879.)
Den Grundstock dieser Klasse, deren hier adoptirte Bezeichnung 1879
von R. Leuekart in Vorschlag gebracht wurde, bildet eine Gruppe para-
sitischer einzelliger Wesen, die sogen. Gregariniden, welche vorzüglich
durch ihre eigenthümlichen Fortpflanzungsverhältnisse charakterisirt werden.
Das Wesen letztrer besteht darin, dass der einzellige Organismus, mit
oder ohne vorhergehende copulative Verschmelzung mit einem Ge-
nossen und nach Einschluss in eine Cystenhülle, eine verschiedne z. Th.
sebr ansehnliche Zahl beschalter Fortpflanzungskörper (sogen. Sporen)
durch Theilung oder Knospung erzeugt. Der plasmatische Kör-
per dieser kann selbst wieder in eine verschiedene Anzahl Keime zer-
fallen. Zu den Fortpflanzungserscheinungen gesellen sich weiterhin
eine Reihe morphologischer und physiologischer Eigenthümlichkeiten der
reifen Formen, welche diese Gruppe ziemlich scharf ceharakterisiren. So
eine membranöse Umhüllung des Körpers, welche echte Plasmabewegung
wenigstens im erwachsenen Zustand verbietet. Weiterhin als physiologische
Eigenthümlichkeit die parasitische Lebensweise, welche die Nichtaufnahme
fester Nahrung erklärlich macht. Zahlreiche Formen sind sogar als
Schmarotzer in Zellen höherer Thiere erkannt worden und es spricht
nicht wenig dafür, dass dieser Zellenparasitismus ursprünglich der ganzen
Abtheilung eigenthümlich war.
Ein Vergleich der Fortpflanzungserscheinungen unsrer Formen mit
denen andrer Protozoön weist vielleicht zunächst auf die Vorgänge bei
gewissen einfachen Rhizopoden hin, namentlich lässt sich das auf Grund
einiger neuer Untersuchungen über die Fortpflanzung gewisser amöben-
artiger Organismen noch bestimmter behaupten. Da andrerseits kein zu
grosses Hinderniss zu bestehen scheint, sich die Gestaltung eines grega-
rinidenartigen Organismus sowohl nach morphologischer wie physiologi-
scher Seite hin aus einem einfachen rhizopodenartigen Wesen entstanden
zu denken, so glauben wir, dass die Gregarinida hier die geeignetste
4850 Sporozoa.
Stelle finden. Man hat in früherer und neuerer Zeit mehrfach die Ver-
muthung ausgesprochen, dass die Gregariniden überhaupt nicht den thie-
rischen einzelligen Wesen zuzurechnen seien, sondern ins Pflanzenreich
iiberwiesen werden müssten. Doch hatt nur Gabriel diese Ansicht ein-
gehender zu begründen versucht; er findet die nächsten Beziehungen der
Gregariniden bei den Myxomyceten. Unsre genauere Darstellung wird
jedoch zeigen, dass jedenfalls bis jetzt eine solche Zusammenstellung
beider Gruppen nicht berechtigt erscheint. Dies schliesst aber nicht
aus, dass auch gewisse Aehnlichkeiten zwischen Gregariniden (und
namentlich Sporozoön im weiteren Sinne) und den Myxomyceten auf-
zufinden sind, denn schliesslich werden doch wohl auch die Myxomy-
ceten mit den einfacheren Rhizopoden in stammverwandtschaftliche Be-
ziehung gesetzt werden müssen.
Neben den Gregarinida besprechen wir in der Klasse der Sporozoa
noch zwei weitere Gruppen, die Myxosporidia und Sarcosporidia, deren
Einreihung in diese Klasse einen mehr provisorischen Charakter besitzt.
Weniger gilt dies hinsichtlich der Myxosporidia, für deren Zugehörigkeit
zu den Sporozoa eine Anzahl wesentlicher Gründe spricht. Unsicherer
dagegen ist die Stellung der Sarcosporidia. Beide Gruppen sind eben-
falls parasitische, die letztere sogar gleichfalls cellularparasitisch. Beide
haben ferner mit zahlreichen eigentlichen Gregarinida die Erzeugung
grosser Mengen von Sporen gemeinsam.
Indem wir bei der noch unsicheren Verfassung unsrer jetzigen Kennt-
nisse der beiden letzterwähnten Abtheilungen darauf verzichten, hier eine
kurze diagnostische Charakteristik der unter der Bezeichnung Sporozoa
zusammengefassten drei Abtheilungen vorauszuschicken, werden wir zu-
nächst die eingehender erforschte Gruppe der Gregarinida speeieller be-
trachten und hierauf mehr anhangsweise die Abtheilungen der Myxospo-
ridia und Sareosporidia schildern.
1. Uebersicht der historischen Entwicklung unsrer Kenntnisse der
Sporozoa.
Die erste Entdeckung der uns hier beschäftigenden Protozo@nabthei-
lung wird von Diesing (25) schon ins 17. Jahrhundert verlegt und Redi
(1, p. 183) zugeschrieben. Es scheinen mir jedoch die Gebilde, welche
tedi in grösserer Zahl (16) in einem nussgrossen Bläschen, das am
Ovarium eines Cancer pagurus befestigt war*), auffand, in ihrer Bedeu-
tung zu zweifelhaft, als dass wir dem berühmten italienischen Forscher
auch die Entdeckung der Gregarinen zuweisen dürften.
Sehr kenntlich dagegen ist die von einer kurzen Beschreibung be-
«leitete Abbildung, welche Cavolini 1787 (2, p. 169. T. 2, Fig. 22) von
*) Dieselben Bläschen sammt Inhalt hat er jedoch auch bei einer „Locusta” am Oyarium
und dem Magen befestigt angetroffen.
Geschichte (eigentl, Gregarinen). 481
einer Gregarine gab. Er fand dieselbe in grosser Menge in den beiden
eigenthümlichen Anhangsdrüsen des Magens von Cancer depressus. Cavo-
‚lini hielt die paarweise zusammenhängenden Thiere für zweigliedrige
Bandwürmer und entwarf auch ein ganz anschauliches Bild ihrer Be-
wegungen. Sehr deutlich beobachtete er weiterhin schon den Zellkern
als helle Stelle in dem hinteren Abschnitt seiner Gregarinen, hielt ihn
jedoch für eine Oeffnung, welche er der z. Th. ähnlich gelagerten Ge-
schlechtsöffnung der Bandwürmer vergleicht.
Sehr zweifelhaft erscheinen mir wieder die Angaben Ramdohr’s (3)
über Schmarotzergebilde der Inseeten, welche vielfach auf Gregarinen
bezogen worden sind. Dies gilt ebensowohl von den unter dem Namen
„Netzkörperchen“ (nicht Schwielen, wie Diesing angibt) aus dem sogen.
Netz (Fettkörper) der Larve von Dermestes lardarius beschriebnen Ge-
bilden (T. XI. Fig. 8), wie auch von dem Eingeweidewurm aus dem
Magen des Reduvius personatus (T. XXII. Fig. 9 u. 11), welchen er
„Vibriö Reduvii“ nannte.
Dagegen dürften die Würmchen, welche Gaede (4, p. 17) 1815 im
Mitteldarm von Blaps mortisaga fand, mit Recht auf Gregarinen bezogen
werden *). i
Ein tieferes Interesse erhielten die Gregarinen zum ersten Mal
durch die Untersuchungen von Leon Dufour (5—8), welcher mit Recht
als der erste wissenschaftliche Entdecker derselben zu bezeichnen ist und
auch den Namen Gregarina schuf (6). Bei seinen eingehenden Unter-
suchungen der Insectenanatomie konnten ihm die zahlreichen Gre-
garinenformen dieser Arthropoden nicht verborgen bleiben. Schon um
1811 hatte er dieselben bei Blaps gigas zum ersten Mal gesehen, doch
veröffentlichte er erst im Jahre 1826 seine Beobachtungen über die Gre-
garinen mehrerer Käfer. Es erschien zu damaliger Zeit gewiss gerecht-
fertigt, diese Parasiten zu den Eingeweidewürmern zu zieben; speciell
in die Gruppe der Vers parenchymateux Cuvier’s und in die Fami-
lie der Trematoden glaubte sie Dufour einreihen zu sollen. Die nächste
Beziehung zu ihnen schien ihm die Gattung Caryophyllaeus darzu-
bieten. Zum Theil erklärt sich diese Auffassung Dufour’s auch aus
der irrthümlichen Annahme, dass das Vorderende der Gregarinen mit
einem saugnapfartigen Mund ausgerüstet sei. Darmkanal und After wur-
den dagegen vermisst.
Fast zwei Jahre später (1828, 6) glaubte er sicher zu sein, dass es
sich thatsächlich um eine ganz neue Gattung von Eingeweidewürmern
handle, für welche er dann auch den neuen Namen Gregarina einführte
und zwei Arten unterschied. Nicht allein bei Coleopteren, sondern auch
bei Orthopteren (Forfieula) hatte sich die Gegenwart der Gregarinen jetzt
nachweisen lassen; hierzu gesellten sich 1833 (7) auch ein Beispiel aus
*) Es ist ohne Zweifel eine Verwechslung der Namen, wenn A Schneider (40) angibt,
dass Dujardin die Entdeckung der Gregarinen Goetze zuschreibe. Es ist Gaede gemeint.
Bronn, Klassen des Thier-Reielis. Protozon, al
482 Sporozoa.
der Ordnung der Hemipteren und 1837 (8) noch. weitere Formen aus ver-
schiednen Orthopteren. In letzterwähntem Jahr fasste Dufour seine Beob-
achtungen über die Gregarinen, und die Eingeweidewürmer der Insecten
iiberhaupt, nochmals zusammen.
Seine Ansichten über Bau und Verwandtschaftsverhältnisse unsrer
Organismen hatten sich gegen früher nicht wesentlich geändert, nur
glaubte er die Entdeckung einer zweifachen Hautbekleidung gemacht zu
haben. Von dem Kern hat er bei seinen Untersuchungen nichts wahr-
genommen.
Wie bemerkt, waren Dufour’s Kenntnisse auf die Gregarinen der In-
seeten beschränkt. Auch seine nächsten Nachfolger Hammerschmidt (11)
und v. Siebold (12) untersuchten nur solehe Formen. Ersterer erweiterte
die Kenntniss derselben durch die Beschreibung einer Anzahl neuer Arten,
machte auch den sehr missglückten Versuch, einige Geschlechter zu
unterscheiden und suchte den Nachweis zu führen, dass die Gregarinen
einen Darmkanal besässen. Von grössrer Wichtigkeit ist dagegen, dass
er den Kern im auffallenden Lichte wieder deutlich beobachtete und ab-
bildete. Hinter Dufour blieb er hauptsächlich darin zurück, dass er das
von dem ersteren schon häufig gesehene und richtig gedeutete Zusammen-
hängen zweier Gregarinen ganz missverstand und die Paare als ein.
heitliche Organismen deutete. Siebold’s (8) Forschungen (1839) über
die Insectengregarinen waren in mancher Beziehung von grosser Be-
deutung. Abgesehen von zahlreichen Einzelheiten und der Erweiterung
der Artkenntniss, welche sie darboten, verdanken wir ihm hauptsächlich
die erste genauere Kenntniss des Nucleus*) und einer mit sehr entwickel-
tem Haftapparat versehenen Form, sowie vor allem den ersten Hinweis
auf die Fortpflanzungsverhältnisse.
Siebold entdeekte nämlich in der Larve einer Mücke (Seiara nitidi-
collis), welche von einer Gregarine heimgesucht wird, enceystirte Grega-
rinen auf verschiednen Entwicklungsstufen, darunter namentlich auch zahl-
reiche mit Pseudonavicellen (Sporen) gefüllte, reife Cysten. Obgleich ihm der
Zusammenhang zwischen Gregarinen und Pseudonavicellenbehältern noch
verborgen blieb, so ‚lenkten seine Beobachtungen doch zuerst wieder
die Aufmerksamkeit auf frühere Erfahrungen über ähnliche Pseudonavi-
cellenbebälter der Regenwürmer und gaben damit der Anstoss zur Er-
kenntniss der Regenwurmgregarinen in ihren Beziehungen zu denen
der Insecten. |
Schon 1835 hatte nämlich Henle**) solche Pseudonavicellenbehälter
in den Hoden des Regenwurms beobachtet, ohne aber zu irgend einer
gesicherten Vorstellung über ihre Bedeutung zu gelangen. Nur ihre
*) Die eigentliche Bedeutung des Nucleusbläschens alınte v. Siebold jedoch nicht, wie er
denn die Gregarinen gleich seinen Vorgängern zu den Eingeweidewürmern und zwar zu den
Uystica stellen wollte.
*#) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1835. p. 591 Anm.
Geschichte (eigentl. Gregarinen). 485
Beziehung zu den Eiern des Regenwurms, die wohl früher wie später
mehrfach vermuthet wurde, glaubte er sicher zurückweisen zu dürfen.
Nichtsdestoweniger war schon in demselben Jahr 1835 eine Gregarine
aus der Leibeshöhle des Regenwurms von Dujardin (9) unter dem Namen
Proteus tenax recht gut beschrieben worden und im folgenden Jahr sehil-
derte Suriray (10) auch eine der gewöhnlichsten Gregarinen aus dem
Hoden des Regenwurms und lieferte sehr kenntliche Abbildungen
derselben. Auch Pseudonavicellen scheint er frei im Inhalt des Hodens
gefunden zu haben, ohne jedoch ihren Zusammenhang mit der von ihm
unter dem Namen „sablier proteiforme“ beschriebnen Gregarinenform
zu ahnen. Ebenso hatte Henle Regenwurmgregarinen in den Jahren
1836 und 37 mehrfach beobachtet, worüber er jedoch erst 1845 eine Mit-
theilung machte (13). Bemerkenswerth erscheint, dass er bei ihnen zuerst
einen haarartigen Besatz gelegentlich beobachtete. Die Beziehung der
Pseudonavicellenbehälter zu den Gregarinen hielt er jetzt für ziemlich
sicher, doch ohne hierfür neue Belege beizubringen. Irrthümliche Beob-
achtungen H. Meckel’s*) aus dem Jahr 1844 über die Pseudonavicellen-
behälter des Regenwurms übergehen wir an dieser Stelle.
Von hervorragendster Bedeutung für die Erkenntniss der uns hier
beschäftigenden Wesen wurden jedoch die Untersuchungen Kölliker’s.
Obgleich er dieselben erst im Jahre 1548 ausführlich veröffentlichte (17),
hatte er doch schon 1845 (14) seine. in jeder Hinsicht bahnbrechenden
Ansichten über die Natur unsrer Organismen mitgetheilt. Hier zuerst
wird die Ansicht ausgesprochen und zu begründen versucht, dass die
Gregarinen einzellige Wesen seien — dass das von Hammerschmidt und von
Siebold beschriebne Bläschen der Zellkern sei. Hierdurch und durch den
gleichfalls versuchten Nachweis, dass es sich um ausgebildete Thierformen
handle, nicht etwa um Larven oder Keime höherstehender Thiere, wurde
denn auch die den Gregarinen seither allgemein zugewiesene Stellung
unter den Eingeweidewürmern berichtigt. Weiterhin erscheinen jedoch die
Kölliker’schen Untersuchungen dadurch noch besonders werthvoll, weil
sie zuerst die weite Verbreitung unsrer Organismen bei Würmern, Tuni-
caten und Arthropoden darlegten. Nicht nur bei verschiedenen Anneliden,
sondern auch bei Gephyreen und Nemertinen wies er Gregarinen nach;
durch Beiträge von v. Siebold und Ecker konnte er ferner das Vorhanden-
sein solcher Parasiten auch bei gewissen Tunicaten, Crustaceen und
Myriopoden feststellen. Bei letzteren beiden Arthropodenabtheilungen
waren ziemlich gleichzeitig auch von v. Frantzius und Stein Gregarinen
nachgewiesen worden.
Etwas beeinträchtigt wurden die Kölliker’schen Ansichten über die
Natur und das Wesen der Gregarinen durch den Mangel klarer Beob-
achtungen und Vorstellungen über ihre Fortpflanzungs- und Entwick-
lungsvorgänge. — Die auf Grund missverstandner Beobachtungen
*, Meckel, H., Arch, f, Anat. u. Phys. 1844,
31*
454 Sporozoa.
anfänglich angenommene Vermehrung durch Zweitheilung (endogene Zell-
bildung), betrachtete er späterhin selbst wieder als zweifelhaft. Auch
das Verhältniss der Pseudonavicelleneysten zu den Gregarinen blieb ihm,
obgleich er hierüber eigne werthvolle Beobachtungen angestellt hatte,
poch unklar. Wenn er auch keine ernstlichen Zweifel mehr hegen
konnte, dass diese Gebilde in den Entwieklangskreis der Gregarinen ge-
hörten, so war doch der Entwicklungsgang, welchen er den Pseudo-.
navicelleneysten zuschrieb, nicht der natürliche, wenn er auch den letz-
teren vermuthungsweise als gleichfalls möglich besprach.
Die von Kölliker so entschieden betonte Einzelligkeitslehre der Gre-
garinen hatte bis zu ihrer definitiven Anerkennung noch viele Kämpfe zu
bestehen, wie wir ja Aehnlichem bei sämmtlichen Protozo@nabtheilungen
begegnen. Auf dem Gebiet der Gregarinen wurden jedoch der allgemeinen
Anerkennung dieser Lehre noch grössere Schwierigkeiten bereitet, weil
sich der Auffassung der Gregarinen als entwickelte, selbstständige Organis-
men noch zahlreiche Hindernisse in den Weg stellten.
Schon 1845 hatte Henle einige Bedenklichkeiten gegen die Kölliker’-
sche Auffassung der Gregarinen als einzellige, thierische Wesen ge-
äussert und gleichzeitig der Vermuthung Ausdruck verliehen, dass die-
selben möglicherweise unentwickelte Formen, tbierische oder sogar pflanz-
liche Keime seien. In beiden Punkten schloss sich ihm v. Frantzius
1546 (15) in seiner Inauguraldissertation an. Dieselbe brachte jedoch
gleichzeitig eine Reihe werthvoller Beobachtungen über die Gregarinen
zahlreicher Insecten — namentlich auch über die Häufigkeit des gleich-
zeitigen Vorhandenseins von Gregarinen und Pseudonavicellenbehältern.
Dass die Bedenklichkeiten, welche Frantzius gegen die Kölliker’sche Auf-
fassung der Gregarinen hatte, nicht sehr erhebliche waren, geht schon
daraus hervor, dass er dieselben, nach dem Erscheinen der gleich zu er-
wähnenden wichtigen Arbeit Stein’s, fallen liess (1845) und sich Kölliker
völlig anschloss.
Die Stein’sche, 1848 erschienene Arbeit besitzt ihre hohe Bedeutung
hauptsächlich deshalb, weil in ihr zuerst mit Sicherheit nachgewiesen
wurde, dass die Pseudonavicellenbehälter, sowohl die der Monoeysti-
den des Regenwurms wie die der Polycystideen der Inseeten, that-
sächlich in den Entwicklungskreis der Gregarinen gehören. Gleichzeitig
suchte jedoch Stein den Beweis zu liefern, dass nicht die einzelnen
Gregarinen durch Eneystirung und weitere Umbildung die Pseudonavi-
cellenbehälter, welche er jetzt Cysten nennt, hervorbringen, sondern, dass
sich zwei Thiere. gleichzeitig in eine Cyste einbüllen, um schliesslich zu
verschmelzen. Hiermit war denn zuerst die Wichtigkeit der Copulation
im Leben der Gregarinen erkannt. Gleichzeitig wurde jedoch dadurch
auch Licht auf eine schon Dufour wohlbekannte Eigenthümlichkeit zahl-
reicher Gregarinen geworfen, die Erscheinung nämlich, dass viele
Formen während ihres erwachsenen Zustandes paarweise zusammen-
hängen. Die Stein’schen Untersuchungen deuteten diese Eigenthimlichkeit
4
en & u un
Geschichte (eigentl. Gregarinen). 485
nun als ein Vorspiel zu der nach Vollzug der Eneystirung eintretenden
Copulation, weil sich eben die beiden zusammenhängenden Thiere gleich-
zeitig in die Cyste einschliessen. Das weitere Verhalten der Cysten und
die Bildung der Pseudonavicellen wurde, soweit möglich, eingehend ver-
folgt und die Pseudonavicellen schliesslich als Keimkörner angesprochen,
aus welchen nach der Wiederaufnahme in den Darmkanal (resp. andere
Theile) eines passenden Wirthes die junge Gregarine hervorschlüpfe. In
dieser Weise schien also der Entwicklungseyelus der Gregarinen völlig
aufgeklärt.
Eine weitere Analyse der Stein’schen Arbeit kann hier nicht unsre
Aufgabe sein, nur soviel sei bemerkt, dass Stein die gregarinenartigen
Thiere zu einer besonderen Abtheilung des Thierreichs unter dem Namen
„Symphyten‘“ zu erheben vorschlug, welche er vorläufig in die Siebold’-
sche Klasse der Protozoa einordnen wollte. Dagegen konnte sich auch
Stein mit der Kölliker’schen Auffassung der Gregarinen als einzelliger
Wesen nicht befreunden. Ihm erregten namentlich die Scheidewand
zwischen sogenanntem Kopf und Rumpf der Polycystideen und gar
die zwei Scheidewände seiner vermeintlichen Didymophyiden Bedenken,
da er solche Bildungen nicht mit dem Bau einer Zelle zu verein-
baren vermochte. Ausserdem schienen ihm auch die Haftapparate
gewisser Gregarinen, welche er selbst genauer studirte, mit dieser Ansicht
nicht zu harmoniren.
Die durch Kölliker's und Stein’s Untersuchungen anscheinend so
sicher begründete Auffassung unsrer Wesen, als vollentwickelte, selbst-
ständige Organismen, sollte doch in den folgenden Jahren eine Reihe
ziemlich unerwarteter Angriffe erfahren, welche ihren Grund wohl haupt-
sächlich in der in vieler Hinsicht merkwürdigen und vereinzelten Stellung
unsrer Organismen hatten. Anschliessend an eine schon im Jabre 1845
von Henle*) geäusserte Ansicht, dass die Regenwurmgregarinen wohl
zu den in den Geweben dieser Oligochaeten meist massenhaft schma-
rotzenden Nematodenlarven in Beziehung ständen**), glaubte Bruch
1549 (19) nachweisen zu können, dass sich die sogen. Gregarina
Lumbriei aus diesen Nematodenlarven hervorbilde — dass sie nichts sei,
wie eine „stillgewordene Filaria‘‘ ***). Er bezeichnete diese Angabe als eine
„nackte Thatsache“. Die Henle-Bruch’sche Auffassung der Gregarinen
fand dann einen warmen Vertheidiger in Leydig, der 1851 (20) durch
direete Beobachtung den Uebergang einer im Darm von Terebella sich
findenden Gregarine in einen filariaartigen Rundwurm nachgewiesen zu
haben glaubte. Auch R. Leuckart (21) hielt 1852 die Lehre von der
Degeneration der Rundwürmer zu Gregarinen für erwiesen und suchte
*) Henle, Jahresbericht für Histologie 1845.
#=), Von Rhabditis pellio Schnd.
###), Diese Ansicht erscheint jedem um so wunderbarer, der einmal die lebhaften Be-
wegungen der Regenwurmgregarinen, wenigstens der Monocystis agilis und der Monoc. magna,
beobachtet hat.
486 Sporozoa.
dieses Verhältniss durch den Vergleich mit den Acephalocysten der
Eehinococcen, welche ja auch als degenerirte Bandwürmer zu betrachten
seien, plausibler zu machen. Die. Fortpflanzungserscheinungen der
Gregarinen glaubte er nicht als Hinderniss für diese Ansicht betrachten
zu dürfen, da ja auch die degenerirten Blasenwürmer noch Fortpflanzungs-
erscheinungen zeigten *).
Gegen diesen merkwürdigen Versuch der Verknüpfung von Grega-
rinen und Nematoden erhoben jedoch die besten Gregarinenkenner der
damaligen Zeit, Kölliker (19) und Stein, ihre Stimme und es scheint, dass
die von ihnen vorgebrachten Argumente ihren Eindruck nieht verfehlten,
indem in der Folgezeit die erwähnte Anschauung keine Vertreter mehr
aufzuweisen hatte**), nur Leidy (22), der sich in Nordamerika mit der
Erforschung der Arthropodengregarinen beschäftigte, glaubte denselben
ebenfalls eine höhere Stelle in der Reihe der thierischen Wesen zu-
schreiben zu sollen. Da er bei gewissen Gregarinen eine Längsmuskel-
faserschicht entdeckt zu haben glaubte, vermuthete auch er nähere Be-
ziehungen der Gregarinen zu den Würmern.
Bei dieser Gelegenheit sei denn auch kurz der sehr irrthüm-
lichen Anschauungen Diesing’s (25, 26) gedacht, welcher durch ganz
missverstandne äussere Formähnlichkeit verleitet, die Gregarinen für die
nächsten Verwandten der Acanthocephalen unter den Würmern erklärte
und diese beiden Abtheilungen, sammt den Gephyreen, zu einer Ordnung
der Rhyngoden vereinigte. Eine gewisse Bestätigung dieser irrthümlichen
Vergleichung fand er weiterhin in den von Zenker***) entdeckten
jugendlichen Echinorhynchen der Leibeshöhle gewisser Süsswasser-
erustaceen, welche Diesing einfach in die Gattung Gregarina auf-
nahm. Späterhin suchte er die Gregarinen sogar direct als Larvenformen
der Acanthocephalen darzustellen. So wenig auch diese Ansichten ein
Recht auf ermstliche Berücksichtigung beanspruchen durften, so hat doch,
*) Ich glaube hier noch einige Bemerkungen zufügen zu sollen, welche auf die
heutzutage schwerverständliche Möglichkeit der Entstehung derartiger Ansichten einiges
Licht werfen. In Leydig’s Darstellung fehlt jeder Beweis, dass der angeblich durch Um-
bildung einer Gregarine entstandne Rundwurm thatsächlich ein solcher gewesen sei; mit
Ausnahme der Thatsache, dass er eine rundwurmartige Gestalt besass und sich nematoden-
artig bewegte. Nun haben jedoch schon die Kölliker'schen Untersuchungen, sowie spätere von
Lieberkühn (l’Institut 1858), Claparöde etc. gezeigt, dass es Gregarinen gibt, welche mit sehr
nematodenartiger Gestalt auch nematodenähnliche Bewegungserscheinungen verbinden. Speciell
für Terebella hat Lieberkühn das Vorkommen einer solchen Gregarine erwiesen. Da nun nach
Analogie mit den gleichfalls nematodenähnlich gestalteten und sich bewegenden sichelförmigen
Keimen, wie sie im Entwicklungsgang eines Theils der eigentlichen Gregarinen und der sogen.
eiförmigen Psorospermien (Coceidien) auftreten, zu schliessen ist, dass wohl auch diese nema-
todenähnlichen Gregarinen zuweilen andere Gestaltungen annehmen, so liesse sich auf Grund
dieser Erfahrungen wohl die vermeintliche Beobachtung des Uebergangs einer Gregarine in
einen Rundwurm und umgekehrt begreifen.
**) Durch die Arbeiten von Lieberkühn und A. Schmidt wurde dieser Irrthum dann de-
finitiv beseitigt.
De Gamari pulicis hist. nat. Jenae 1832,
Geschichte (eigentl. Gregarinen). 487
wohl im Anschluss an sie, die Einreihung der Gregarinen unter die
Würmer noch bis in die neueste Zeit in gewissen Lehrbüchern Eingang
gefunden.
Das Interesse, welches die eigenthümlichen, hauptsächlich durch
Stein nachgewiesenen Fortpflanzungsprocesse der Gregarinen erregten,
gab bald Veranlassung zu weiteren Forschungen. Ziemlich gleich-
zeitig wurde dieser Gegenstand von N. Lieberkühn und A. Schmidt
in Angriff genommen, ohne jedoch durch die Untersuchungen dieser
Forscher zu einem befriedigenden Abschluss geführt zu werden. Beide
beschränkten ihre Beobachtungen auf die Gregarinen der KRegen-
würmer und liessen die so zahlreichen und sehr wichtigen Insecten-
bewohner ausser Betracht. Diese Vernachlässigung hat wohl auch einen
nachtheiligen Einfluss auf ihre Arbeiten geäussert; denn es unterliegt
keinem Zweifel, dass die Lebensverhältnisse der Regenwurmschmarotzer
der Untersuchung weit grössere Schwierigkeiten bereiten, als dies bei
denen der Insecten der Fall ist.
Schon die gleichzeitige Anwesenheit mehrerer, in ihren Bezieh-
ungen bis jetzt noch nicht hinreichend aufgeklärter Gregarinenfor-
men bei den Regenwürmern hätte dieses Untersuchungsobject gegen-
über zahlreichen Inseetengregarinen als sehr unzuverlässig und schwierig
charakterisiren müssen, das jedenfalls nicht ohne gleichzeitige Controle
durch ein Object, bei welchem die Verhältnisse weniger verwickelt
lagen, hätte verwerthet werden dürfen.
Unsere historische Uebersicht gewährt nicht Raum zu einer genaueren
Analyse der Lieberkühn’schen Arbeit, deren Charakteristik auch noch
weiterhin der Gegenstand unsrer Betrachtung sein wird. Es genüge hier
die Bemerkung, dass Lieberkühn die Stein’sche Lehre von der Conjuga-
tion der Gregarinen für unrichtig erklärte und der Schwerpunkt seiner
Arbeit weiterhin darin gipfelt, dass sich der Entwicklungseyelus der Gre-
garinen vollende, indem der Inhalt der Pseudonavicellen in Gestalt kleiner
Amöben hervortrete, welche sich allmählich zu Gregarinen ausbilden.
Der gesammte Entwicklungsprocess sollte nach ihm im Innern der Regen-
würmer stattfinden, ja die Umbildung der Pseudonavicellen in Amöben
schon innerhalb der Cysten geschehen.
Seit Lieberkühn in dieser Weise zuerst ein amöbenartiges Stadium
in den Entwicklungsgang der Gregarinen einführte, hat sich diese Vor-
stellung mehr oder weniger in Ansehen erhalten, obgleich sie in der
Folge nur noch durch bald zu erwähnende Untersuchungen E. van Beneden’s
und die Erfahrung über den Entwicklungsgang der den eigentlichen Gre-
garinen zunächst verwandten eiförmigen Psorospermien eine Stütze
erhielt. Durch Lieberkühn’s Arbeit selbst wurde jedoch der postulirte
Entwicklungsprocess der Regenwurmgregarinen keineswegs sicher erwiesen;
schon eine einfache, vorurtheilsfreie Kritik seiner Mittheilungen führt un-
488 Sporozoa.
widerleglich zu diesem Sebluss, während die Forschungen späterer Zeit
zur Genüge zeigten, dass die Entwicklungsvorgänge der Regenwurm-
pseudonavicellen in ganz anderer Weise verlaufen, als Lieberkühn an-
nehmen zu dürfen glaubte.
Auch A. Schmidt (23) glaubte auf Grund seiner mit Lieberkülhn
ziemlich gleichzeitig angestellten Beobachtungen über die Regenwurm-
gregarinen die Conjugationslehre Stein’s (wenigstens für die Monocystis
agilis) zurückweisen zu dürfen. Einen wichtigen Fortschritt in der
Erkenntniss der eigenthümlichen Lebensverhältnisse der Monoeystideen
verdanken wir jedoch diesem Beobachter. Er erkannte, dass die erwähnte
Monoeystide sich innerhalb der kugligen Gruppen von Spermatozoönkeim-
zellen des Regenwurms aus sehr kleinen Anfängen entwickele und wurde
dadurch zu der interessanten Anschauung geführt, dass das häufig
beobachtete eigenthümliche Haarkleid derselben nichts weiter sei wie
ein Ueberzug verkümmerter Regenwurmspermatozoön. Auch Lieber-
kühn (30) gelangte später und, wie es scheint, unabhängig zu derselben
Vorstellung. Die Frage nach dem Schicksal der Pseudonavicellen und
deren Zusammenhang mit den jungen Gregarinen vermochte auch Schmidt
nicht zu lösen, doch gelangte er durch eigne Untersuchungen zu dem
Schluss, dass die von Lieberkühn als Entwicklungsformen der Gregarinen
angesprochnen amöbenartigen Körperchen aus der Leibeshöble der Regen-
würmer sieh nicht zu Gregarinen umbildeten und überhaupt nicht in den
Entwicklungskreis dieser Wesen gehörten. Schmidt schliesst seine Arbeit
sebr richtig mit den Worten, dass er sich dem Ausspruch, welchen P. van
Beneden in seinem Referat über die preisgekrönte Lieberkühn’sche Arbeit
that: dass nämlich die Entwicklungsgeschichte der Gregarinen durch die-
selbe abgeschlossen worden sei, nicht anzuschliessen vermöchte.
Obgleich nun, wie bemerkt, durch die letztbesprochnen Arbeiten die
Fortpflanzungsgeschichte der Gregarinen noch fragmentarisch genug
selassen wurde, so trat doch, wohl vorzüglich durch die Lieber-
kühn’sche Arbeit veranlasst, für eine ziemliche Reihe von Jahren ein
Stillstand auf diesem Forschungsgebiet ein. Man glaubte sich wohl
zunächst mit der Lieberkühn’schen Annahme über den Entwicklungs-
vorgang der Gregarinen beruhigen zu dürfen. Erst im Jahre 1871
rief eine Untersuchung E. van Beneden’s (34), welche sich an die
zufällige Entdeckung einer interessanten Gregarinenform anschloss, die
Frage nach der Entwicklungsgeschichte wieder in den Vordergrund.
In der Zwischenzeit wurde durch Untersuchungen verschiedner Forscher,
wie Claparöde, R. Lankester, Ant. Schneider, Lieberkühn,
A. Stuart die Kenntniss der Gregarinenformen und ihrer Verbreitung,
wenn auch nicht gerade sehr erheblich, so doch immerbin in mancher
Hinsicht vermehrt (27—33). Durch die erwäbnte Untersuchung E. van
Beneden’s erhielt nun aber die Lieberkühn’sche Annahme von dem
4
’
Geschichte (eigentl. Gregarinen, Psorospermien). 489
amöbenartigen Stadium im Entwicklungsgang der Gregarinen eine Be-
stätigung und gleichzeitig suchte van Beneden eine höchst eigenthüm-
liche Weiterentwicklung dieser amöbenartigen Jugendformen zu erweisen.
Im Ansehluss an diese Forschungen über die Entwicklungsgeschichte
seiner Gregarina gigantea gelangte van Beneden weiterhin noch zur Er-
kenntniss eines wichtigen, seither übersehenen Structurelementes, der eir-
eulären Fibrillenschicht nämlich, welche sich bei zahlreichen Polyeystideen
im Eetosark vorfindet. Auch R. Lankester (37) theilte dann 1872 noch
Beobachtungen über die Entwicklungsgeschichte einer Gregarine mit,
welche sich in mancher Hinsicht an die van Beneden’s anschlossen.
Eine recht bedeutungsvolle Beobachtung verdanken wir noch aus
demselben Jahr A. Giard (36), dem es nämlich zum ersten Mal glückte,
den Conjugations- und Encystirungsprocess einer Monoeystidee durch fort-
laufende Beobachtung unter dem Mikroskop zu verfolgen.
Mit dem Jahre 1573 beginnt eine neue Phase der Gregarinenforsehung,
welche durch eine Reihe wichtiger und ausgedehnter Untersuchungen
Aime& Schneider’s (vorzugsweise über die Gregarinen der Inseeten) er-
öffnet wurde. Da diese, bezüglich des Baues wie der Fortpflanzungsge-
schichte in gleicher Weise hochwiehtigen Forschungen in vieler Hinsicht den
augenblicklichen Stand unsres Wissens von den Gregarinen bezeichnen,
so ist hier nicht mehr der Ort, ihren Inhalt näher zu beleuchten,
da dies ja wesentlich die Aufgabe der folgenden Abschnitte bilden wird.
In Deutschland bemühte sich B. Gabriel seit 1575 in einer Reihe von
Mittheilungen die Entwicklungsverhältnisse der Regenwurmgregarinen
näher aufzuklären; seine Untersuchungen führten ihn zu Vorstellungen
über die Entwicklungsgeschichte und die verwandtschaftlichen Beziehungen
der Gregarinen, die, wenn sie sich als gegründet erwiesen, eine völlige
Revolution unsrer seitherigen Auffassung dieser Organismen hervorzurufen
im Stande wären. Leider war es Gabriel nicht mehr gegönnt, die Resul-
tate seiner Forschungen ausführlich darzustellen, es liegen hierüber nur
kurze und schwer verständliche, vorläufige Berichte vor, welche wir später-
hin, soweit dies möglich, an geeignetem Ort noch berücksichtigen werden.
Auch Verfasser dieses Handbuches beschäftigte sich im Anschluss an
A. Schneider mit der Fortpflanzungsgeschichte der Gregarinen, worüber
gleichfalls später genauer zu berichten sein wird.
Nachdem wir im Vorstehenden versucht haben, die geschichtliche Ent-
wicklung unsrer Kenntnisse derjenigen Sporozo&ön, welche man bis vor nicht
langer Zeit allein als Gregariniden bezeichnete, wenn auch nur mit Be-
rücksiehtigung der Hauptpunkte ihrer Lebensgeschichte, kurz zu schildern,
bleibt uns jetzt noch die Aufgabe, in ähnlicher Weise auch die Geschichte
der unter dem allgemeinen Namen Psorospermien seither zusammen-
gefassten Gebilde kurz zu betrachten. Wenn wir dies hier gesondert von
490 Sporozoa.
der Schilderung des Entwicklungsganges der Gregarinenforschung thun,
obgleich die neuere Forschung wenigstens für einen Theil der sogen. Psoro-
spermien unwiderleglich gezeigt hat, dass sie in die Abtheilung der eigent-
lichen Gregarinen gehören, so bestimmt uns hierzu der Umstand, dass
die geschichtliche Entwicklung der Psorospermienforschungen bis in
die neueste Zeit einen ziemlich eignen Weg verfolgt hat und es
weiterhin bis jetzt doch nur für einen Theil der seither als Psorosper-
mien bezeichneten Gebilde geglückt ist, nahe Beziehungen zu den Grega-
rinen zu erweisen.
Die sogen. psorospermienartigen Gebilde wurden zuerst bei einem
Säugethier, dem Kaninchen, gefunden, welches auch einer der gewöhn-
lichsten Träger dieser parasitischen Organismen ist. Schon Carswell
waren in der Leber dieses Nagers tuberkelartige Gebilde aufgefallen,
welche als weisse, eine käsige Masse enthaltende Knoten jenes Organ
häufig in grosser Menge durchsetzen. Es lag nahe, diese Knoten den
anderweitig bekannten, tuberkelartigen pathologischen Erzeugnissen direct
an die Seite zu stellen. Hake (48) untersuchte sie 1839 näher und fand
darin massenhaft eiterkörperchenartige Gebilde, welche er denn auch für
eine Art Eiterkörperchen erklärte und aus den varikösen Venencapillaren
hervorgehen liess. Die Tuberkel selbst hielt er für Krebsgeschwülste,
welche durch Entartung der Gallengänge entstanden seien *).
Zwei Jahre später theilte Joh. Müller (99) mit, dass er bei verschied-
nen Flussfischen, sowohl in inneren Organen (wie in der Augenwand und
den Augenmuskeln des Hechtes), verbreiteter jedoch in ausschlagartigen
Pusteln der äusseren Haut und der Kiemen grosse Mengen eigentbüm-
licher, in Cysten eingeschlossner Körperchen getroffen habe. Er nannte
dieselben Psorospermien, im Hinblick auf ihre zuweilen zu einem Schwanz-
anhang ausgezogene Hülle, wodurch ihre Gestalt etwas spermatozo@nartig
wurde. Auch seine keineswegs recht klaren Anschauungen über die-Natur
und Bedeutung dieser Gebilde hatten ohne Zweifel Einfluss auf die Namen-
gebung, da er in ihnen ein „belebtes Seminium morbi, eine Art Samen-
körperchen“ erkannt haben wollte, eine Anschauung, welche ja auch, bei
der damaligen Unsicherheit über Bedeutung und Natur der eigentlichen
Samenkörperehen, nichts so auffallendes darbot. Immerhin scheint mir
aus den damaligen und namentlich auch aus den ein Jahr später von
J. Müller (100) getbanen Aeusserungen hervorzugehen, dass er sich der
Ansicht entschieden zuneigt: es lägen hier speeifische, selbstständige
Wesen, nicht aber pathologische Bildungen vor. 1842 hatte nämlich
Müller in Gemeinschaft mit Retzius ganz entsprechende Gebilde auch
in der Schwimmblase des Dorsches nachgewiesen und hierbei weiter-
bin einige Beobachtungen über ihre wahrscheinliche Entwieklungs-
#*) Ja ich die Arbeit Hake’s nicht erhalten konnte, berichte ich über dieselbe nach
Nassc (49) und Leuckart (92). u
Geschichte (Myxosporidien). 491
geschichte gemacht, auf welche hier einzugeben nicht der Ort ist.
Zum besseren Verständniss des Folgenden sei jedoch hier gleich
bemerkt, dass sich die Müller’schen Psorospermien der Fische nicht
nur durch die Gestalts- und sonstigen Bauverhältnisse ihrer Hülle
von den schon erwähnten Körperchen der Kaninchenleber beträchtlich
unterschieden, sondern sich auch durch den Besitz von meist zwei eigen-
thümlichen, dem einen Pol der Hülle innerlich anliegenden Körperehen,
die sogen. Polkörper, auszeicbneten.
In der Folge hat man sieh denn auch gewöhnt, auf Grund dieser
Unterschiede die Körperehen des Kaninchens und die sich an dieselben
näher anschliessenden Gebilde als ei- oder kugelförmige Psorospermien
von jenen Müller’schen zu unterscheiden. Während nun die erstgenannte
Form der Psorospermien durch fortgesetzte Untersuchungen zahlreicher
Forscher im Laufe der Zeit eine recht befriedigende Aufklärung hinsicht-
lich ihrer Lebensgeschichte und ihrer nahen Beziehungen zu den eigentlichen
Gregarinen erfahren hat, war dies keineswegs in gleichem Maasse für die
Müller’schen Psorospermien der Fall. Hier ist sehr vieles noch zu thun.
Wir ziehen es daher hier vor, zunächst die Weiterentwicklung unsrer
Kenntnisse von jenen Müller’schen Psorospermien (oder Myxosporidien)
kurz zu verfolgen. Zur Vervollständigung sei noch. bemerkt, dass
Mayer*) nachträglich angab, die Psorospermien der Fische schon vor
J. Müller 1835 in der Retina eines Cyprinus und 1840 an den Kiemen
von Perca beobachtet zu haben.
Creplin beschrieb 1842**) die Psorospermien von Acerina und Leu-
eiseus rutilus und will dieselben gleichfalls schon vor Müller, seit 1835,
beobachtet haben. Er wies zum ersten Male auf die Möglichkeit hin,
dass hier etwas den sogen. Navicellenbehältern Analoges vorliegen könne,
wie sie Siebold bei Sceiara aufgefunden habe. Dies scheint überhaupt der
erste Hinweis auf die Beziebung der Psorospermien (im weiteren Sinne)
zu den eigentlichen Gregarinen zu sein. Auch Dujardin sprach 1845 ***)
den Gedanken aus, dass sich die Psorospermien der Fische vielleicht zu-
sammenstellen liessen mit den sogen. Pseudonavicelleneysten der Regen-
würmer, über deren Bedeutung er jedoch nichts weiter wusste. Jedoch
gelang es Dujardin, noch eine nicht unwichtige Beobachtung über das
Vorkommen der Fisehpsorospermien zu machen; er traf dieselben nämlich
auf den Kiemen von Leueiseus erytrophthalmus nicht in Cysten, sondern
in eine verästelte, sarkodeartige Masse eingeschlossen, welche er der
Leibessubstanz der Amöben vergleichen zu dürfen glaubte.
Der bis jetzt nur andeutungsweise ausgesprochene Zusammenhang
der Myxosporidien mit. gregarinenartigen Wesen wurde zuerst von
*) Archiv f. Anat. u. Physiol. 1564. p. 264.
##) Archiv f. Naturgeschichte 1842. I. p. 61-66.
*##), Histoire nat. des helminthes.
492 Sporozoa.
Leydig (1851) näher zu begründen versucht (20). Leydig’s Untersuchungen
zeigten zunächst, dass die Verbreitung dieser parasitischen Organismen
im Fischkörper eine viel weitere sei, als dies nach den vorhergehenden
Beobachtungen zu vermuthen war; er fand sie nicht nur im Herz und
dem Herzblut, der Zunge und der Leibeshöhle gewisser Süsswasserfische,
sondern auch namentlich sehr reichlich ia der Gallenblase zahlreicher
Seefische aus der Abtheilung der Chondropterygier. Für die Psorosper-
mien der letzteren glaubte er nun nachweisen zu können, dass sie
in gregarinenartigen, unbeweglichen und kernlosen Schläuchen ent-
stehen und zögerte daher nicht, sie der Reihe der gregarinenartigen
Wesen direet beizuordnen, um so mehr, als er eine völlige Analogie
zwischen den Pseudonavicellen der Regenwürmer, deren Zusammenhang
mit den Gregarinen dieser Thiere zur damaligen Zeit ja wohl als fest-
gestellt erachtet werden durfte, und den Psorospermien annehmen zu dürfen
glaubte. Diese wichtigen Untersuchungen und Deutungen Leydig’s er-
hielten sehr bald eine wesentliche Stütze durch Beobachtungen Lieber-
kühn’s (101, 1854). Derselbe konnte die Entstehung der Psorospermien
in ähnlichen protoplasmatischen, körnerreichen, hüllen- und kernlosen
Schläuchen, welehe er zahlreich auf der Schleimhaut der Hechtharnblase
antraf, gleichfalls beobachten. Auch gelang es ihm, an diesen gregarinen-
artigen Plasmaschläuchen Bewegungserscheinungen wahrzunehmen. Da er
nun weiterhin die Beobachtung gemacht hatte, dass sich die Hülle der
Psorospermien zuweilen durch Platzen öffnet — eine Wahrnehmung, die
auch früheren Beobachtern schon gelungen war — und der Inhalt
hierauf in Gestalt eines kleinen, amöbenartig beweglichen Körperchens
hervortrat, so schien ihm auch dadurch die Beziehung der Myxosporidien
zu den Gregarinen, für welche er ja einen ähnlichen Entwicklungsgang
festzustellen versucht hatte, nur noch mehr gegründet.
Einige Bedenklichkeiten musste aber natürlich die Beschaffenheit der
protoplasmatischen, schlauchartigen Gebilde im Vergleich mit den Grega-
rinen hervorrufen, da ihre Kern- und Hüllenlosigkeit mit letzteren nicht
recht in Einklang zu bringen war. Doch glaubten weder Leydig noch
Lieberkühn wegen dieser Unterschiede die versuchte Zusammenreihung
aufgeben zu sollen.
Allseitig überzeugend vermochten unter diesen Umständen die oben
erwähnten Beobachtungen der beiden deutschen Forscher nicht zu wirken.
Schon 1853 (56) hatte sich Robin für die pflanzliche Natur der fraglichen
Gebilde ausgesprochen, ohne jedoch seine Ansicht durch genügende Belege
zu erhärten. Ihm schloss sich ein zweiter französischer Forscher an,
welchem wir wichtige Beobachtungen über die Verbreitung und Bau-
weise der Fischpsorospermien verdanken, Balbiani nämlich. Ohne hier
speeieller auf die Resultate der Balbiani’schen Untersuchungen einzugehen,
deuten wir nur an, dass dieselben zum ersten Mal ein ganz neues Structur-
element im Bau unsrer Psorospermien nachwiesen. Balbiani entdeckte
Geschichte (Myxosporilien. Coceidien). 4953
nämlich, dass die schon erwähnten sogen. Polkörperehen einen spiralig
aufgerollten Faden enthalten, der unter gewissen Bedingungen hervor-
geschnellt werden kann. Auch das von Lieberkühn nachgewiesene Aus-
treten des Protoplasmainhalts der Psorospermien, die er als Sporen be-
zeichnet, in Amöbengestalt wurde von Balbiani bestätigt. Einen über-
zeugenden Beleg für die pflanzliche Natur der Psorospermien blieb jedoch
Balbiani schuldig. Spätere Forscher wie E. Bessels (103) und Aime
Schneider (40) konnten die Balbiani’sche Beobachtung über das Aus-
schnellen von Fäden aus den Polkörperehen bestätigen, jedoch wurde
dadurch diese merkwürdige Erscheinung nicht klarer. In neuester Zeit
versuchte dann auch B. Gabriel (104, 1878) die pflanzliche Natur der
Myxosporidien der Hechtharnblase, auf welche gerade Lieberkühn seinen
Hauptbeweis gründete, zu erweisen. Gabriel will dieselben als Myxo-
mycetenplasmodien deuten. Da dieser Forscher jedoch auch den eigent-
lichen Gregarinen nähere Beziehungen zu den Myxomyceten zuschreibt,
so wurde hierdurch zunächst die Verwandtschaft der Psorospermien mit
den Gregarinen nicht in Abrede gestellt. Schon im Jahre 1876 hatte je-
doch auch A. Giard, gelegentlich der Beschreibung eines psorospermien-
artigen Parasiten aus der Leibeshöhle eines Seeigels*), seiner Ueberzeu-
gung Ausdruck verliehen, dass die Myxosporidien pflanzliche Gebilde, und
zwar den Myxomyceten oder Chytridieen nächstverwandt seien. Schliess-
lich befasste sich auch Verf. (105) dieses Buches mit dem Studium einiger
Myxosporidien, erkannte namentlich, dass die Polkörperchen den Nessel-
kapseln vergleichbare Gebilde seien und klärte auch die Entstehung der
Sporen näher auf. Seine Ansicht über die Natur und die Verwandt-
schaftsbeziehungen der Myxosporidien wird im Laufe der weiteren Dar-
stellung noch eingehender zu schildern sein.
Wie aus dem Gesagten erhellen wird, konnte die eigentliche Natur
der Fischpsorospermien bis jetzt nur sehr unzureichend aufgeklärt werden,
bei weitem besser dagegen ist dies für die sogen. ei- oder kugelförmigen
Psorospermien gelungen, deren Geschichte wir jetzt einer kurzen Be-
trachtung unterziehen wollen.
Die Deutungen, welehe diesen Gebilden im Laufe der Zeiten von
mehr oder weniger eompetenten Forschern gegeben wurden, sind sehr
mannigfaltig. Wir ziehen es hier vor, diese verschiednen Ansichten im
Zusammenhang zu besprechen, statt einer ehronologischen Uebersicht der
einzelnen Fortschritte, Zuvor wollen wir aber einen Blick auf die all-
mählich wachsende Kenntniss von der Verbreitung dieser Schmarotzer
durch die Thierreihe werfen. Wie schon erwähnt, waren es die Leber-
psorospermien des Kaninchens, welche die Aufmerksamkeit der Forscher
zunächst auf sich lenkten.
*) Es ist jedoch unsicher, ob diese von Giard kurz beschriebne Psorospermienform sich
den Fischpsorospermien zunächst anreiht.
494 Sporozoa, _
Remak (50) gelang es zuerst 1345, diese Gebilde nicht nur in der
Leber, sondern auch in der Wand des Dünndarms und den Peyer’schen
Kapseln des wurmförmigen Fortsatzes beim Kaninchen aufzufinden und
er hegte schon die Vermuthung, dass sie im Epithel der Lieberkühn’schen
Drüsen und der Gallengänge ihre Entstehung nehmen. Die Infection der
Darmwände des Kaniuchens mit Psorospermien wurde auch von Lieber-
kühn (24) bestätigt, in seinem Fall war es der Diekdarm, welcher
dieselben in grosser Zabl beherbergte und wo sie in Cysten ein-
geschlossen sein sollten. Beträchtlich weiter geführt wurden diese
Beobachtungen jedoch durch Klebs (61, 1859), der die Psorosper-
mien in den Darmepithelzellen selbst zahlreich auffand, ebenso jedoch
auch im unterliegenden Bindegewebe und im Parenchym der Zotten.
1854 hatte aber auch schon Finck (57) die fraglichen Organismen sehr
zahlreich in dem Epithel der Darmzotten der Katze angetroffen. In dem-
selben Jahr machte ferner Lieberkühn (58) die interessante Entdeckung,
dass auch die Niere der Frösche zuweilen von unseren Schmarotzern
heimgesucht wird, die hier in Cysten eingeschlossen in grösserer Menge
zusammengebettet sich finden. Um ein Jahr später erhalten wir die wich-
tige Nachricht, dass unsre Psorospermiengebilde sich auch bei wirbellosen
Thieren finden; Kloss (59) fand solehe nämlich sehr häufig in der Niere
von Helix. Wenn er auch die von ihm gefundege Form nicht direet
mit den schon bekannten Psorospermien auf eine Stufe stellte, so sprach
er dieselben doch als gregarinenartige und auch den Psorospermien ver-
gleichbare Organismen an. A. Schmidt (23) sprach sich gleichzeitig noch
dahin aus, dass diese Schmarotzer in den Nierenzellen selbst zur Ent-
wieklung gelangten.
Das Jahr 1858 brachte die interessante und schmerzliche Botschaft,
dass unsre Parasiten auch den Menschen anfallen, hier konnte sie Gubler
(60) zuerst ähnlich wie beim Kaninchen in der Leber nachweisen, welche
Erfahrung dann in der Folgezeit durch Dressler, Virchow (62) und
Leuckart (92) mehrfach bestätigt wurde. Dass jedoch auch der Darm
des Menschen Sitz dieser Gebilde ist, wurde schon 1860 dureh Kjell-
berg (62) nachgewiesen und durch Eimer mehrfach bestätigt. Auch der
Darm des Hundes wurde schon 1860 durch Virchow als Träger unsrer
Parasiten erkannt, was auch Leuckart bestätigt fand. Auch gelang es
Virchow (1860), dieselben in der Niere*) der Fledermaus nachzuweisen.
1562 fand Eberth (66) entsprechende Organismen in zahlreichen inneren
*), Bei dieser Gelegenheit sei auch kurz erwähnt, dass Lindemann (siehe Leuckart, Para-
siten 1. Aufl. Bd. I. p. 743 und Bullet. soc. imp. Moscou 1863. Nr. 4. p. 425) auch in der
Niere und dem Herzen des Menschen unsre Psorospermien beobachtet haben will. Jedoch
gestatten die Mittheilungen schr bedenkliche Zweifel über die richtige Deutung des Gesehenen.
Mit Sicherheit darf jedoch die gleichfalls von Lindemann ausgehende Behauptung, dass sich
häufig Psorospermienmassen, ja sogar freie, bewegliche Gregarinen an den Haaren des Men-
schen finden (siehe auch Bull. soe. Moscou 1565. p. 252) zurückgewiesen werden. Auch
Knoch will diese Haarpsorospermien des Menschen beobachtet haben (Journ. des russ. Kriegs-
departem, Bd. 95. 1866).
EEE heit esse re ee ee I En =
Geschichte (Öoceidien). 495
Organen gewisser Cephalopoden, eine Erfahrung, welche später von
Aim& Schneider (80) ohne Kenntniss der Arbeit seines Vorgängers
bestätigt wurde.
Dass auch die Vögel von unsren Psorospermien heimgesucht werden,
erkannte zuerst Rivolta (72, 1869) beim Sperling und Huhn. Die eiför-
migen Psorospermien des Mäusedarms wurden 1370 von Eimer*) einem
eingehenden Studium unterworfen und die Verbreitung unter den Vögeln
durch Piana und Rivolta noch eingehender studirt.
Dass auch den Reptilien unsre Parasiten nicht fehlen, geht aus
einer kurzen Nachrieht von Solger und Gabriel**) hervor, welche die-
selben zahlreich in der Darmwand eines Krokodils gefunden haben. Auch
Grassi beschrieb neuerdings Coceidien von Reptilien. Bei Fischen con-
statirte sie Eimer. Durch Bütschli und Schneider wurden sie in neuester
Zeit auch bei Myriopoden aufgefunden.
Ueberschauen wir nun die sehr verschiednen Auffassungen, welche
die Coeeidien im Laufe der Zeit erfahren haben. Zunächst bot sich
die Möglichkeit dar, sie als pathologische Erzeugnisse der infieirten
Organe selbst zu betrachten. Wir haben diese Auffassung schon oben
als die ihres ersten Beschreibers, Hake, kennen gelernt. Ihm folgte 1843
Nasse (49), der sie am meisten den Knorpelzellen nähern wollte und
glaubte, dass sie von der Wand der Gallengänge als ein abnormes Epi-
thelium ibren Ursprung nähmen. Handfield (51) dagegen wollte sie 1846
durch Umbildung der Leberparenchymzellen selbst hervorgehen lassen.
Auch Kauffmann (54) war 1847 geneigt, sie für Bildungen des Wirths-
organismus selbst zu halten, während Vulpian sie durch abnorme
Entwicklung der Kerne der Leberzellen entstanden dachte. Noch 1863
schien es auch Leuckart (112) das wahrscheinlichste, in ihnen pathologi-
sche Gewebselemente zu erblicken. Trotz zahlreicher Versuche, diese
irrthümlichen Anschauungen zurückzuweisen, fanden dieselben doch noch
1868 in Roloff (70) und G. Lang (71) Vertreter, von welchen der erstere
sie wie Handfield auf Leberzellen zurückzuführen suchte, der letztere da-
gegen sie für die Endglieder eines eigenthümlichen pathologischen Pro-
cesses, „regelmässig gestaltete Schollen‘ einer organischen Masse, erklärte.
Ganz besonders eigenthümlich klingt die von Finck (1854) entwickelte
Ansicht, der vermuthete, dass sie bei der Fettresorption der Darmzotten
betheiligt seien, da sie angeblich nur in solehen Zotten vorhanden wären,
welche in Fettaufnahme begriffen sind.
Sehr lange Zeit hielt sich weiterhin die Vermuthung aufrecht, es
seien die Psorospermien Eier von Helminthen.
Zuerst scheint dieselbe von Vogel (52) 1345 ausgesprochen worden
zu sein, welcher sie für Eier eines Bandwurms erklärte. Rayer (53) und
*) Auch im Maulwurf hat sie derselbe Beobachter häufig geschen und nach Leuckart
soll auch das Schaf und Meerschweinchen zuweilen als Träger der Darmpsorospermien auf-
geführt werden.
##) Berichte der schles. Ges. f, vaterländ. Cultur 1976.
496 Sporozoa.
Dujardin vermutheten (1846) in ihnen die Eier von Distomum lanceo-
latum. Für ihre Natur als Helmintheneier sprach sich weiterhin Brown-
Sequard*) 1849 aus. Küchenmeister zeigte 1852 (55), dass die Psoro-
spermien des Kaninchens nicht Distomeneier sein könnten und dass auch
ihre Auffassung als Bandwurmeier wenig für sich habe, dagegen schien
ihm das richtigste, sie für Eier eines noch unbekannten Nematoden zu
erklären. Virchow war zu dieser Zeit zweifelhaft, ob er sich dieser An-
schauung anschliessen sollte, dagegen trat Davaine 1860 (65) derselben
bei, während Gubler 1859 die menschlichen Leberpsorospermien wieder
als Distomeneier deuten wollte. Auch Keferstein **) vertritt 1862 noch
die Kichenmeister’sche Ansicht.
Sehr frühzeitig jedoch hatten sich auch Stimmen hören lassen, welche
ihnen nähere Beziehungen zu den Psorospermien der Fische und den
Pseudonavicellen der Gregarinen zuschrieben. So hatte schon Remak
1845 in ihnen parasitische Organismen ähnlich den Müller’schen Psoro-
spermien zu erblicken geglaubt und ihre Beziehungen zu diesen hebt auch
Kauffmann (1847) hervor. Erst die Lieberkühn’schen Arbeiten (24, 58)
über die eiförmigen Psorospermien des Kaninchendiekdarms suchten je-
doch ihre Beziehungen zu den Gregarinen striete zu erweisen und dadurch
die völlige Gleichstellung der sogen. Psorospermien mit den Pseudonavi-
cellen der Regenwurmgregarinen darzuthun. Lieberkühn glaubte das
allmähliche Entstehen seiner Psorospermiencysten aus gregarinenartigen
Wesen, ganz in der Weise wie sich die Pseudonavicelleneysten aus Regen-
wurmgregarinen entwickeln, nachweisen zu können. Wir dürfen aber
wohl aus unsrer jetzigen besseren Kenntniss der Entwicklungsvorgänge
dieser Organismen schliessen, dass diese Lieberkühn’schen Darstellungen
zum grösseren Theil irrige waren.
Die erste Spur, welche zu dem richtigen Verständniss der Entwick-
lungsvorgänge der eiförmigen Psorospermien und damit auch zu der de-
finitiven Feststellung ihrer Gregarinennatur hinleitete, war schon 1847 von
Kauffmann (54) gefunden worden. Es war die Thatsache, dass sich der
Inhalt der Lebercoceidien des Kaninchens nach längerem Aufenthalt in
Wasser zu 3—4 Körperchen zertheile, die er für eine zweite Generation
von Psorospermien hielt. Dasselbe beobachtete auch Lieberkühn an den
Kaninchenpsorospermien, bei weitem vollständiger jedoch an denen der
Froschniere (1854). Bei letzteren sah er den Inhalt zu 3—4 stäbchen-
artigen Körperehen zerfallen, welche sich bewegten und schliesslich aus
der Psorospermienhülle hervortraten. Die Annahme, dass diese hervor-
getretnen Körperchen wieder zu den Mutterorganismen auswüchsen, aus
welchen die Psorospermien hervorgehen, war natürlich und hat sich als
begründet erwiesen. Dagegen blieb Lieberkübn die Beziehung dieser Vor-
sänge im Innern der Psorospermien zu den ganz in gleicher Weise im Innern
sewisser Pseudonavicellen (Sporen echter Gregarinen) verlaufenden noch
*) Öompt. rend. soc. biolog. Paris 1849. I. p. 46,
**, Göttinger zelehrte Anzeigen III. Bd. auf d. J. 1562, p. 1608.
Geschichte (Coceidia). 497
unklar, obgleich er ähnliches auch in letzteren andeutungsweise beob-
achtet hatte.
Schon im nächstfolgenden Jahr 1855 lieferte jedoch Kloss eine sehr
vollständige und mit den neueren Erfahrungen gut übereinstimmende
Lebensgeschichte der in der Helixniere schmarotzenden Coceidienform,
welche hier näher zu verfolgen nicht der Ort ist und die nur darin
unvollständig blieb, dass das Wiedereindringen der aus den Psorosper-
mien freigewordenen stäbchenförmigen, beweglichen Körperehen nicht
beobachtet wurde.
Aehnliche, wenn auch nicht gleich vollständig erkannte Entwicklungs-
vorgänge der Cephalopodenpsorospermien lehrten ferner die Unter-
suchungen Eberth’s 1862 kennen, welche durch spätere Erfahrungen
A. Schneider’s Bestätigung und z. Th. auch Erweiterung fanden.
Die durch Kauffmann’s Untersuchungen zuerst angebahnte Kenntniss
der Entwicklungsprocesse der Leberpsorospermien des Kaninchens wurde,
z. Th. gleichzeitig mit der Untersuchung der Darmpsorospermien desselben
Thieres, durch zahlreiche Beobachtungen weiter gefördert und dadurch
die Uebereinstimmung der Entwicklungsvorgänge dieser Formen mit denen
der eben erwähnten immer sicherer erwiesen.
Um diese Erforschung der Leber- und Darmpsorospermien des Ka-
ninchens, welche im Wesentlichen den nämlichen Entwicklungsprocess
erkennen liessen, erwarben sich hauptsächlich noch Waldenburg, Stieda,
Reincke und schliesslich R. Leuckart Verdienste. Hierdurch wurde
denn auch in diesen Psorospermien die Entstehung stäbehenförmiger
Gebilde sichergestellt und diese Stäbchen als die eigentlichen Keime er-
kannt, aus welchen die Mutterorganismen wieder hervorgehen.
Sehr wesentlich vervollständigt wurde das Bild von den Entwicklungs-
vorgängen und der gesammten Lebensgeschichte der Psorospermien durch
die schönen Untersuchungen Eimer’s (73) über die Darmpsorospermien
der Maus; seine Forschungen trugen sehr wesentlich zu einer richtigen
Erkenntniss des Zusammenhangs zwischen Gregariniden und Psorospermien
bei. Auch die meisten der letzthin genannten, um die Erforschung der
Entwicklungsvorgänge verdienten Forscher huldigten der Ansicht von
der Gregarinennatur der Psorospermien; speciell betont haben dies, wie
7. Th. schon erwähnt, Lieberkühn, Kloss, Waldenburg, Eimer und nament-
lich A. Schneider (81, 94), welcher durch seine gleichzeitigen Unter-
suchungen der Entwicklungsprocesse der Psorospermien und der Vorgänge
in den Pseudonavicellen der Monocystideen die Uebereinstimmung der-
selben klar zu zeigen vermochte, Dieser Auffassung schloss sich denn
auch R. Leuckart neuerdings völlig an.
Doch sind auch gelegentlich Ansichten geäussert worden, welche eine
Beziehung der Psorospermien zu den Infusorien behaupteten. So glaubte
sie Reincke (68, 1866) mit den Infusorien vergleichen zu dürfen, wegen
ihrer Fortpflanzung in Kapseln; noch weiter ging 1869 Rivolta (72),
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. 32
A
498 Sporozoa,
welcher sie aus bewimperten Infusorien hervorgehen liess, die nach Ab-
streifung ihres Wimperkleids in die Epithelzellen eindrängen und sich
hier zu den Psorospermien entwickelten.
Wie bemerkt, werden den Psorospermien gewöhnlich noch gewisse
sehr eigenthümliche parasitische Bildungen angeschlossen, welche Miescher
1843 zuerst in den Muskeln einer Maus auffand und die später in weiter
Verbreitung bei den Säugethieren und auch den Vögeln nachgewiesen wer-
den konnten. Wir unterlassen es an dieser Stelle die geschichtliche Ent-
wicklung unsrer Kenntnisse dieser immer noch sehr unsichern Organismen
zu verfolgen und werden dieselbe späterhin bei der genaueren Betrachtung
der Sarcosporidien eingehender berücksichtigen.
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„Lancet“ Jan. 1866.)
Gregarinida. 505
III. Erste Unterabtheilung (Unterklasse).
Gregarinida.
1, Kurzer Ueberblick der allgemeinen morphologischen Gestaltung und
der übrigen bezeichnenden Charaktere der Gregarinida,
Die Gregarinida sind durchaus parasitische Protozo@ön von einzelligem
Bau, welche im erwachsenen Zustand nur selten eine annähernd kuglige
Gestalt besitzen, sondern gewöhnlich ansehnlich in die Länge gestreckt
erscheinen. Häufig gesellt sich jedoch zu dieser Längsstreckung noch
eine mehr oder weniger deutliche Abplattung in einer zu der Längsaxe
senkrechten Richtung, so dass sich die Körpergestalt der bandförmigen
nähert und ferner ein mehr oder weniger scharf hervortretender Unter-
schied in dem Bau der beiden Körperenden. Wir können daher, wenn
wir von den einfachsten kugel- bis eiförmigen Gregariniden ausgehen,
eine allmähliche Differenzirung der Körpergestalt von dem Homaxonen
ins Monaxone und schliesslich Zweistrahlige verfolgen, ja indem die
Hauptaxe sich krimmt oder das eine Körperende sich etwas asymmetrisch
gestaltet, kann auch vorübergehend oder bleibend eine bilaterale (dipleu-
rische) Gestaltung zur Entwicklung gelangen.
Der Gregarinenkörper besitzt jedoch zeitweise oder dauernder die
Fähigkeit der Gestaltsveränderung, welche Veränderlichkeit jedoch nur
selten und dann nur im jugendlichsten Zustand den Charakter der
amöboiden Bewegung zu besitzen scheint, sonst jedoch den Eindruck eines
auf Contraetionen der äusseren Körperschicht beruhenden Phänomens
macht. Hand in Hand mit diesen Gestaltsveränderungen, aber auch noch
in andrer eigenthümlicher Weise, kann auch Ortsveränderung zu Stande
kommen. Eigentliche Pseudopodienentwicklung kommt den Gregarini-
den nie zu. Dies ist schon dadurch unmöglich, dass bei allen einiger-
maassen ansehnlichen Formen eine scharf umschriebne äussere Membran
(Zellhaut, Cuticula, Epieyt) vorhanden ist. Bei diesen Formen ist auch
gewöhnlich die deutliche Differenzirung eines Eetosarks zu beobachten.
Die Gegenwart eines Zellkerns und zwar mit wenigen, kaum hinreichend
sicheren Ausnahmen nur eines einzigen, darf als constant und durchaus
charakteristisch bezeichnet werden.
504 Gregarinida.
Der Körper einer Abtheilung der Gregariniden ist jedoch noch da-
durch ausgezeichnet, dass er durch eigenthümliche Differenzirungsvor-
gänge, die bei allen übrigen Protozo@ön kein rechtes Analogon haben, in
eine Anzahl verschiedenartiger, segmentartig in der Längsaxe aufeinander-
folgender Abschnitte gegliedert erscheint. Soleher Abschnitte sind bei
jenen Formen entweder zwei, ein vorderer, kleinerer (Protomerit) und ein
hinterer, grösserer (Deutomerit) zu unterscheiden, oder es tritt hierzu
häufig noch ein vorderster (Epimerit), der die Bedeutung eines temporären
Haftapparates besitzt, welcher im Alter verloren geht.
Ungemein bezeichnend sind die Fortpflanzungserscheinungen unsrer
Wesen. Dieselben vollziehen sich, soweit mit Sicherheit bekannt, nie
durch einfache Theilungsprocesse im erwachsenen Zustand. Der Fort-
pflanzungsaet wird stets durch eine Encystirung eingeleitet, welche hier
niemals nur zum Schutz eintritt. Sehr häufig geht diese Encystirung
Hand in Hand mit einer Copulation zweier Einzelindividuen. Der
Leib der eneystirten T'hiere zerfällt vollständig oder nur zum Theil
in eine mehr oder minder grosse Anzahl umhüllter, sporenartiger
Fortpflanzungskörper (Pseudonavicellen, Psorospermien z. Th.), zu deren
Ausstrenung aus den Cysten zuweilen noch sehr eigenthümliche accesso-
rische Einrichtungen entwickelt werden. Der Plasmainhalt der Sporen zeigt
bei einem Theil der Formen noch einen weiteren Vermehrungsprocess
innerhalb der Sporenhülle, in Folge dessen eine Anzahl stäbchen- bis
sichelförmiger Plasmakörperchen auftreten, welche mit grosser Wahrschein-
lichkeit als die jugendlichen Gregarinidenformen zu betrachten sind und
sich unter geeigneten Umständen zu erwachsenen Formen, häufig viel-
leicht mit Einschiebung eines durch amöbenartige Beweglichkeit aus-
gezeichneten Stadiums entwickeln.
Die oben geschilderte, bei einem Theil der Gregarinida eingetretne
Differenzirung in eine Anzahl Körperabschnitte dürfte bei dem heu-
tigen Stande unsres Wissens die geeignetste Handhabe zu einer Sonde-
rung unsrer Abtheilung in zwei grössere Gruppen bieten, nämlich in die
Abtheilung der Monocystideen, welcher eine derartige Differenzirung
fehlt und die zweite Gruppe, die der Polyceystideen, bei welchen eine
solche Differenzirung mehr oder minder deutlich ausgesprochen ist. Diese
Gruppirung dürfte sich noch deshalb empfehlen, weil auch das Vor-
kommen der beiden Abtheilungen damit in gewissem Grade harmonitt.
Die sogen. ei- und kugelförmigen Psorospermien (Coeeidien) werden dabei
naturgemäss der Abtheilung der Monocystideen eingereiht.
2, Genauere Schilderung der Gestaltungsverhältnisse der Gregarinida.
Die einfachsten Gestalten zeigen, wie schon erwähnt, die kleinen
Formen der Monoeystideen, welche die Gruppe der ei- oder kugelförmigen
Psorospermien (Coceidien) bilden. Im erwachsnen Zustand sind dies
kugel- bis eiförmige, einfache Zellen, welche in dieser Lebensperiode auch
Gestaltsverhältnisse (Monocystideen). 505
durchaus bewegungslos sind und keine Gestaltsveränderungen dar-
bieten (T. XXXVII. 10; XXXVII. la, 2a).
Sehr klein scheinen durchaus die Leber- und Darmcoceidien zu bleiben, welche im
srössten Durchmesser nur ca. 0,025 Mm. erreichen. Andre Formen hingegen, wie die der
Pulmonatenniere, erreichen bis 0,12 Mm. Länge und die der Cephalopoden sollen nach Ebertlı
und Aim& Schneider sogar bis zu 1 Mm. heranwachsen.
Aehnliche rundliche bis ovale Gestalten treffen wir jedoch nicht allzu-
selten auch bei den frei im Darme verschiedner wirbelloser Thiere leben-
den Monoeystideen, so bei der kleinen Adelea Schneider’s (T. XXXV. 12a),
. der Urospora Sipuneuli Kölliker’s, jedoch ist bei der letzteren und bei den
meisten noch zu erwähnenden Formen die Gestalt wegen der Leibescontrac-
tionen einem mehr oder minder energischen Wechsel unterworfen. Hieran
reihen sich dann mehr oder minder längsgestreckte bis spindelförmige
Monoeystideen, nicht selten mit deutlich ausgesprochner Unterscheidung
der beiden Körperenden, indem das hintere häufig mehr verschmälert
bis zugespitzt ist, während das vordere abgerundet und mehr ver-
breitert erscheint. Die Längsstreckung des Körpers führt dann schliess-
lich zu ausgesprochen schlauchförmigen Gestalten, bei denen jedoch
ebenfalls das Hinterende gewöhnlich etwas zugeschärft ausläuft. Gelegent-
lich weist auch das Vorderende noch eine polare Zuspitzung oder einen
knopfartigen Fortsatz auf, der sich selten, so bei der von R. Lankester (29)
beschriebnen Monocystis Aphroditae, zu einem rüsselartigen Anhang zu ent-
wickeln vermag (T. XXXV. 1). Eine höchst merkwürdige Gestalt zeigt das
Vorderende einer von Clapar£de (28) bei Capitella gefundnen Monoecystidee, in-
dem dasselbe in zwei grosse seitliche, zugespitzte Fortsätze ausgezogen
ist, wodurch die Gesammtgestalt der Gregarine eine ankerähnliche wird
EI7 RANIV. IL).
Eine besondere Erwähnung verdienen vielleicht noch die kleinen, beiderseits scharf zu-
gespitzten und in ihrer Gestalt ungemein nematodenähnlichen Monocystideen, die aus ver-
schiednen Anneliden beschrieben worden sind, so die Monoc. Enchytraei und Terebellae
Kölliker's (17, auch 20, 30), eine von Claparöde (28) aus Phyllodoce beschriebne Monocystis
und andre (T. XXXLV. 9, 10). Diese Formen scheinen mir einer besondern Beachtung haupt-
sächlich deshalb werth zu sein, weil sie sich in ihrer Gestalt den sogen. sichelförmigen Keimen,
die, wie wir wissen, in der Fortpflanzungsgeschichte zahlreicher Gregariniden eine wichtige
Rolle spielen, sehr innig anschliessen.
Sehr eigenthümlich gestaltet ist eine neuerdings von Greeff (45) be-
schriebne Monoeystidee (Conorbynchus), indem ihre gesammte Ober-
fläche im erwachsenen Zustand mit kurzen, zottenartigen Fortsätzen be-
deckt ist (T. XXXIV. 3) *).
Wenden wir uns nun zu einer kurzen Betrachtung der hauptsäch-
lichsten Gestaltseigenthümlichkeiten der Polyeystideen. Wir wissen,
dass an dem fast stets ziemlich langgestreckten und häufig bandförmig
abgeplatteten Körper dieser Formen zum mindesten die Differenzirung
zweier, hintereinanderliegender Abschnitte eingetreten ist. Es scheint
*) Ueber das Haar- oder Borstenkleid gewisser Monocystideen wird später noch ein-
gehender berichtet werden.
906 Gregarinida.
nämlich sicher zu sein, dass eine Anzahl von Formen ihr ganzes Leben
hindurch nur zwei Abschnitte aufweisen, während die Mehrzahl, wie
schon erwähnt, in ihrer Jugendzeit noch einen dritten, vordersten Ab-
schnitt erkennen lässt. Da dieser vorderste Abschnitt, wie später noch
genauer zu erörtern sein wird, vergänglicher Natur ist, so erscheint
es nicht unverständlich, dass man über sein Auftreten bei gewissen
Formen bis jetzt noch unsicher blieb. Die Bedeutung des dritten
vordersten Abschnitts (Epimerit) ist, wie gesagt, die eines vergänglichen
Haftapparats.. In dem Entwicklungskreis der dreigliedrigen Polyeysti-
deen lassen sich also zweierlei Formen unterscheiden, die jugendlichen
mit Epimerit versehenen und die ganz erwachsenen, zur Fortpflanzung
sich anschiekenden, welche diesen Körperabschnitt verloren haben.
Schneider bezeichnet die ersteren Formen als die „Cephalins“, die
letzteren hingegen als die „Sporadins“; wir können diese Namen etwa in
der Weise umschreiben, dass wir die ersteren als Kopfform (Cephalonta),
die letzteren dagegen als Fortpflanzungsform (Sporonta) bezeichnen. In
ihrer allgemeinen Bildung stimmen also die Sporonten mit denjenigen
Formen überein, welche nur aus zwei Abschnitten zusammengesetzt sind.
Der vordere dieser Abschnitte oder das Protomerit ist stets der kleinere
und unterscheidet sich entweder von dem Deutomerit wesentlich nur durch
seine Kürze, wo dann der Körper in zwei mehr oder minder ungleich-
lange Glieder getheilt scheint, von welchen das vordre kopfartig dem
eigentlichen Leib aufsitzt, oder es bleibt das Protomerit auch in der Breite
beträchtlich hinter dem Deutomerit zurück und erscheint dann mehr oder
weniger in Gestalt eines dem letzteren angefügten knopfartigen Fortsatzes.
Aeusserlich ist die Grenze der beiden Abschnitte fast stets durch eine
Einschnürung ziemlich scharf bezeichnet, und die auch innerlich stets
völlig durchgeführte Sonderung werden wir noch späterhin genauer zu
betrachten haben (vergl. T. XXXV—XXXVM).
Die eigenthümlichste Gestaltung des Protomerits findet sich vielleicht bei der Gattung
Bothriopsis Schn., einer derjenigen, welche wahrscheinlich überhaupt niemals ein Epimerit be-
sitzen (T. XXXVI. 11). Hier hat das schr gestaltsveränderliche und ansehnliche Protomerit im
gewöhnlichen Zustand eine nach vorn verbreiterte, etwa keulenförmige Gestaltung, sein Vorder-
ende vermag sich jedoch derart zurückzuziehen, dass es sich saugnapfartig gestaltet und auch
zur Festheftung in Art eines Saugnapfes thatsächlich Verwendung finden kann. Auch bei der
Gattung Dufouria findet sich eine Annäherung an die eben geschilderte eigenthümliche Gestal.
tung des Protomerits.
Bei den Cephalonten finden wir nun, dass sich das Vorderende des
Protomerits noch in einen besondern, kleinen Abschnitt fortsetzt, der stets
zur Anheftung der Gregarinen an die Darmwände dient und hinsichtlich
seiner Ausbildung eine ziemlich grosse Mannigfaltigkeit darbietet. Wie
später noch genauer besprochen werden wird, scheint das sogen. Epi-
merit nur selten so scharf von dem Protomerit geschieden, wie letz-
teres von dem Deutomerit; auch äusserlich ist die Scheidung häufig nur
wenig scharf ausgeprägt, so dass sich das Epimerit dann als eine di-
recte Fortsetzung oder wie ein Anhang des Protomerits darstellt.
0
Gestaltsverhältnisse (Polycystideen). 507
In den einfachsten Fällen tritt das Epimerit in Gestalt eines dem vorderen Pol des Proto-
merits angefügten, knöpfchenartigen kleinen Anhangs auf, der sich ziemlich scharf gegen das
Protomerit absetzt (Clepsidrina*), Pileocephalus, T. XXXV.9; XXXVL 10a, ep). Sehr eigen-
thümlich gestaltet sich dieses wenig entwickelte Epimerit bei der Gattung Echinocephalus dadurch,
dass es eine asymmetrische, schief konische Form besitzt und mit kleinen finger- bis stiletförmigen
Anhängen ziemlich dicht, jedoch unregelmässig besetzt ist (T. XXXVI. 14a, ep). Ziemlich kurz
und knopfartig bleibt das Epimerit weiterhin auch bei der Gatt. Actinocephalus, ist jedoch hier noch
vorzüglicher als Haftapparat eingerichtet, indem sein vordres Ende sich zu einer Scheibe verbrei-
tert, deren Ränder in eine Anzahl zahn- oder hakenförmiger Fortsätze ausgezogen sind (XXXVI.
13a). Gegen das Protomerit ist das Epimerit des Actinocephalus durch eine Einschnürung, die
zuweilen auch etwas halsförmnig ausgezogen ist, ziemlich scharf abgesetzt. Eine ähnliche Haken-
krone findet sich auch am Ende des kurzen Epimerits von Pyxinia, hier entspringt jedoch
vom Centrum dieser Krone noch ein fadenartiger Anhang (XXXVL. 12b).
Im Prineip ziemlich übereinstimmend mit der beschriebnen Bildung bei Actinocephalus
verhält sich das Epimerit bei den Gattungen Hoplorhynchus und Geneiorhynchus, hier hat
sich aber der bei Actinocephalus schr kurze Hals ansehnlich rüsselförmig verlängert, so dass
das Epimerit einen langen, an seiner Basis häufig noch etwas angeschwollnen Anhang dar-
stellt. Bei Hoplorhynchus trägt das Ende des Epimerits eine ähnliche Hakenkrone wie bei
Actinocephalus, bei Geneiorhynchus dagegen ist das angeschwollne Ende mit einer grossen
Zahl feiner, borstenähnlicher Zähnchen besetzt. Bei Stylorhynchus schliesslich finden wir
ganz dieselbe Bauweise des Epimerits wie bei der letzterwähnten Gattung, jedoch mangelt
der Zähnchenhesatz (vergl. T. XXXVIL. 2a, Sa, 9a).
Eine besondre Gruppe errichtete Stein (18) seiner Zeit für eine Anzahl Gregariniden-
formen, welche von den seither erwähnten dadurch abweichen sollten, dass der Körper
aus drei aufeinanderfolgenden Abschnitten zusammengesetzt sei. Die beiden hinteren Abschnitte
sind an Grösse gleich und nach ihrem Bau, namentlich wegen des Vorhandenseins eines Zell-
kerns in jedem derselben, zwei Deutomeriten der gewöhnlichen Polyeystideen zu vergleichen,
Es schienen ihın diese Formen, wie gesagt, so abweichend von den gewöhnlichen, dass er zu
ihrer Aufnahme eine besondre Abtheilung der Didymophyidae errichtete. Schon Kölliker**)
wies jedoch darauf hin, dass diese Didymophyiden wohl sicherlich nicht als besondre Formen,
sondern als zusammenhängende Paare gewöhnlicher Polycystideen (jedenfalls im Sporonten-
zustand) zu betrachten seien, bei welchen das Protomerit des hinteren Thieres in das
Hinterende des vorderen Individuums so eingepresst ist, dass es übersehen und seine
Grenze gegen das Deutomerit des vorhergehenden Individuums für eine Scheidewand
zwischen den beiden kernführenden ansehnlichen hinteren Leibesabschnitten der vermeint-
lichen Didymophyiden gehalten wurde. Diese Auffassung, der auch A. Schneider völlig
zustimmt, ist ohne Zweifel berechtigt und damit sind die Stein’schen Didymophyiden als Ver-
treter einer besonderen morphologischen Ausbildungsform der Gregariniden zu streichen.
Die Grössenverhältnisse der freien Mono- wie Polyeystideen sind sehr
verschiedene. Die untere Grenze für die Grössenentwicklung ist schwierig
mit Sicherheit festzustellen, da bei den häufig nur auf Grund weniger
Exemplare gegebnen Beschreibungen leicht nur unerwachsne Formen zu
Gesicht gekommen sein mögen. Eine der kleinsten Formen der freien
Monoeystideen scheint die Adelea Schneider’s zu sein, jedoch fehlen nähere
Maassangaben. Immerhin scheinen Mono- und Polyeystideen, welche
0,01— 0,02 Mm. nicht viel überschreiten, nicht sehr selten zu sein.
Andrerseits treten jedoch in beiden Abtheilungen auch wahrhafte Riesen
*) Es wird später noch zu erwähnen sein, dass Schneider bei der Gatt. Clepsidrina einen
Theil des äusserlich als Protomerit erscheinenden Abschnitts zu dem Epimerit rechnet. Der
Einfachheit wegen haben wir hier nur den Knopf als Epimerit beansprucht.
**) Kölliker, Icones zootomicae. I, Abtheil. 1864.
308 Gregarinida.
auf, welche sich gleichzeitig durch eine sehr langgestreckte Gestaltung
kennzeichnen. So erreicht die Monocystis magna des Regenwurms bis
5 Mm. Länge und die von van Beneden entdeckte Porospora gigantea
aus dem Hummer übertrifft diese noch, da sie bis 16 Mm. Körperlänge
aufweist.
3, Genauere Darstellung des Verhaltens der einzelnen Organisations-
elemente der Gregarinida,
A. Die sogen. Cuticula (Zellhaut, äussere Hülle, Epicyt Schneiders).
Die sehr kleinen Coceidien des Darmepithels und der Leber zeigen
vor ihrer Epveystirung nichts von einer Zellbaut oder Cutieula, da-
gegen scheint es nach den Mittheilungen von Kloss und Eberth, dass die
zu ansehnlicherer Grösse heranwachsenden Formen der Pulmonaten und
Cephalopoden, wenigstens in ihrem erwachsenen Zustand, eine zarte,
structurlose Hülle besitzen.
Sämmtliche freien Mono- und Polyeystideen dagegen besitzen im er-
wachsenen Zustand eine meist recht deutliche äussere Cutieula, welche
entweder nur schwach entwickelt ist und dann als eine einfach contou-
rirte feine Hülle erscheint, oder stärker entwickelt ist und dann deutlich
doppelte Contouren zeigt. Schwach ausgebildet und daher nur einfach
contourirt ist die Cuticula häufig, jedoch keineswegs immer, bei den
Monoeystideen; deutlich doppelt contourirt dagegen gewöhnlich bei den
Polyeystideen, namentlich den ansehnlicheren. Die Cuticula überzieht
den Zellkörper ununterbrochen und erscheint durchsichtig, glashell (die
schwach bläuliche oder grünliche Färbung im durchfallenden Licht ist
wohl nur eine mikroskopische Erscheinung).
Die Hülle besteht ohne Zweifel aus einer stickstoffhaltigen organi-
schen Substanz, jedenfalls hat ihre Natur namentlich nichts cellulose-
artiges. Nach Schneider (40) soll sie in Essigsäure und Ammoniak
leicht löslich sein*); Kölliker (17) bemerkte gleichfalls ihre Löslichkeit in
Essigsäure bei einer Anzahl der von ihm untersuchten Gregariniden.
Bei der Mehrzahl der Gregariniden, hauptsächlich aber den kleineren
Formen, konnten keine besonderen Structurverhältnisse dieser Cutieula
wahrgenommen werden; dieselbe erscheint dann durchaus homogen, ohne
Seulpturen, Anhänge oder dergleichen. Dagegen zeigt sie bei gewissen
Monocystideen und Polyeystideen eine, wenn auch sehr feine und dichte,
so doch bei aufmerksamer Betrachtung sehr deutliche Längsstreifung.
Recht deutlich ist dieselbe z. B. bei den Angehörigen des Geschlech-
tes Clepsidrina, so bei der Cl. Blattarum der Schabe und der Cl.
polymorpha der Mehlkäferlarve. Bei letztrer Form konnte ich bei
*, Ueber den Concentrationsgrad der angewandten Reagentien fehlen genauere Angaben.
nenn A
Cuticula (Streifung). 509
der Betrachtung des optischen Querschnitts deutlich erkennen, dass die
Streifung thatsächlich der Cutieula angehört: die Streifen traten hier
schwach über die äussere Fläche der Cutieula hervor und es scheint so-
gar, dass dieselben sich durch die Dieke der Cutieula fortsetzen, da die-
selbe im Querschnitt zart radiär gestrichelt erscheint. Sehr deutlich er-
scheint die Streifung weiterhin bei Stenocephalus Juli Schn., bei welcher
(oder doch einer sehr nahe verwandten Form) sie auch zuerst von Leidy
1853 (22) beobachtet wurde. Eine ganz entsprechende, zarte Streifung
findet sich jedoch auch bei gewissen Monoeystideen, so bemerkte ich sie
(wie schon früher Lieberkühn und A. Schmidt) sehr deutlich bei der Mono-
eystis magna des Regenwurms; hier tritt sie namentlich an dem etwas
zugespitzten Vorderende sehr kräftig hervor, ja die Streifen scheinen sich
am äussersten Ende, wo sie zusammenlaufen, zuweilen etwas rippen- oder
zähnchenartig zu erheben (T. XXXII. 1b). Diese Einrichtung des vorderen
Pols mag in ähnlicher Weise die Anheftung dieser, mit ihrem Vorderende ge-
wöhnlich in eine Zelle der Hodentrichterwand eingesenkten Form begünsti-
gen, wie die Anhänge des Epimerits bei den Polyeystideen. Auch die Mono-
eystis agilis der Regenwürmer zeigt dieselbe zarte Cuticularstreifung häufig
recht deutlich, was auch schon Schmidt beobachtete. Eine ähnliche
Längsstreifung wurde weiterhin noch von einer ziemlichen Anzahl Mono-
eystideen beschrieben, so zuerst von Kölliker (16) bei seiner Grega-
ıina Terebellae, welche äusserlich eonstant von sechs Längsrippen über-
zogen sein soll, ferner von Clapar&de (28) bei einigen Monoecystisformen
der Phyllodoce, von welchen eine nematodenähnlich gestaltete, neben
dieser Längsstreifung auch noch eine ringförmige aufweisen soll (T.XXXIV.
10). Auch R. Lankester (29) hat die Längsstreifung namentlich bei seinen
Monoeystis Serpulae und Sabellae beschrieben.
Ob alle diese Streifungen wirklich in die Kategorie der Cuticularstreifen eingereiht werden
dürfen, scheint etwas zweifelhaft. Man kann nämlich leicht beobachten, dass nicht selten bei
den Ölepsidrinen noch eine Längsstreifung andrer Natur auftritt, nämlich eine durch Faltung
der Körperwand hervorgerufne, welche als eine Folge besondrer Contractionszustände betrachtet
werden darf. Diese Längsfaltung der Körperwand ist bedeutend leichter bemerkbar. wie die
viel zärtere Cuticularstreifung; die Falten stehen sehr viel weiter auseinander wie die feinen
Cuticularstreifen und lassen sich auch gewöhnlich nur über einen Theil der Körperoberfläche
verfolgen. Es gelingt leicht, sich an einem und demselben Thier von der gleichzeitigen
Gegenwart der Falten und Streifen zu überzeugen. Dass diese Längsfaltung sich am lebenden
Thier nie zeige, wie Schneider angibt, sondern nur an durch Reagentien (Glycerin z. B.) ge-
tödteten, ist meinerErfahrung nach, wenigstens für die Olephidrina polymorpha und Blattarum,
unrichtig.
Wie gesagt, erscheint es schwer, die von früheren Beobachtern beschriebnen Fälle von
Längsstreifung immer sicher nach ihrer Natur zu klassifieiren, Eigenthümlich abweichend soll
sich nach Schneider die Gattung Echinocephalus rücksichtlich der Cuticularstreifung verhalten.
indem statt der Längsstreifen hier zwei Systeme schief verlaufender, nahezu querer, sich
kreuzender Guticularstreifen vorhanden sind.
Anderweitige Seulpturirungen der Cutieula scheinen kaum vorzukom-
men, jedoch ist nach Lankester (35) die Cuticula der Urospora Sipun-
euli dicht mit zarten Tuberkeln bedeckt. Als Gebilde von ceutieularer
510 Gregarinida.
Beschaffenheit müssen auch die Fortsatzbildungen betrachtet werden,
welche bei einer Anzahl Polyeystideengeschlechter an dem Epimerit an-
gebracht sind. Die Zähnchen oder Haken der Epimeritkrone des Actino-
cephalus und Hoplorhynehus, die feinen Börstehen des Geneiorhynchus,
die fingerförmigen Fortsätze des Echinocephalus u. s. w. In dieselbe
Kategorie muss weiterhin der Haarbüschel gerechnet werden, in welchen
das Hinterende der eigenthümlichen Zygoeystisform des Regenwurmhodens
gewöhnlich ausläuft, da sich derselbe deutlich als eine Fortsatzbildung der
Cutieula erkennen lässt (T. XXXIV. 1). Fraglich erscheint es jedoch, ob
diese Fortsätze jener Form constant zukommen. Ein feinerer Haarbesatz
an einem Körperende findet sich noch bei einer weiteren Monocystisform
des Regenwurmhodens (Monoe. eristata A. Schm.), jedoch scheint dessen
Natur und Bedeutung, namentlich im Hinblick auf den gleich zu erwäh-
nenden Haarbesatz der Monoe. agilis, etwas zweifelhaft.
Es scheint nämlich kaum einem Zweifel zu unterliegen, dass das bei der Monocystis
agilis des Regenwurmhodens sehr häufig vorhandne Haarkleid — ein entweder nur lokaler
oder vollständiger Ueberzug von strahlenförmig abstehenden, bewegungslosen borsten- bis
haarförmigen Anhängen, die an ihrer Basis meist etwas angeschwollen sind — nicht der Gre-
sarine selbst angehört, sondern eine ganz andre Entstehung besitzt (T. XXXIIL, 3c—g). Wie»
schon angedeutet wurde, haben die Untersuchungen von A. Schmidt (23), welche Lieberkühn (30)
späterhin bestätigte, mit ziemlicher Sicherheit nachgewiesen, dass das Haarkleid der Mon. agilis
seine Entstehung den verkümmerten Regenwurmspermatozo@n verdankt, welche, nach der Entwick-
lung der Monocystis im Innern der Spermatoblastosphaeren, schliesslich noch wie ein haar-
artiger Ueberzug die Oberfläche der Gregarine überziehen. Endlich wird diese Hülle ver-
kümmerter Spermatozoön abgestreift und diese Erscheinung gab Veranlassung zu der Annahme
einer Häutung der haarigen Monocysten, in welchem Sinn zuerst Lieberkühn (24) seine ein-
schlägigen Beobachtungen deutete. A. Schneider hält es für möglich, dass bei seiner Glepsi-
drina macrocephala etwas einer Häutung, einer Erneuerung der Cutieula Aehnliches vor-
komme, wobei die alte Guticula vollständig in Körnchen zerfalle, welche durch eine klebrige
Masse noch zu einer Art Haut zusammengehalten würden. Da jedoch eine genauere Schilde-
rung dieses Vorgangs bis jetzt fehlt, so müssen wir uns mit dieser kurzen Andeutung begnügen,
B. Das Ectoplasma (ÜCorticalschicht Lieberk.) und seine Differenzirungen.
An dem von der Cutieula umhüllten Plasmakörper der erwachsenen
Gregariniden lassen sich häufig, jedoch keineswegs immer, zwei Zonen
unterscheiden, welche wir wegen ihrer Aehnlichkeit mit den als Eeto- und
Entoplasma unterschiednen Zonen des Rhizopodenkörpers, in gleicher
Weise bezeichnen dürfen. Im Allgemeinen zeichnet sich das Entoplasma,
welches die centrale Hauptmasse des Körpers formirt, durch die Massen-
haftigkeit seiner körnigen Einschlüsse aus, während das die äussere Zone
bildende Eetoplasma ziemlich körnerfrei oder doch nur feinkörnig erscheint.
Wie jedoch diese Differenzirung zweier Plasmazonen am Leibe der Gre-
gariniden sich erst im Laufe des Wachsthums allmählich ausbildet, so
scheint sie auch den kleineren und einfacheren Formen, den als Coceidien
bezeichneten Monoeystideen durchaus zu fehlen.
Bei den grösseren freien Monoeystideen aber, ebenso wie bei den
Polyeystideen scheint dagegen die Differenzirung der beiden Plasmazonen
RAD en en a a
Cutieula (Fortsatzbildungen), Ectoplasma. 5ll
ziemlich allgemein verbreitet zu sein, doch lässt sich dies nieht mit Be-
stimmtheit behaupten, da die Beschreibungen und Abbildungen der ver-
schiednen Beobachter häufig nicht genau genug sind, um eine sichere
Orientirung über diesen Punkt zu gestatten.
Das Ectoplasma bildet eine meist nur wenig dieke Lage unterhalb
der Cutieula, bestehend aus einem nahezu homogenen oder doch nur fein-
granulirten und daher recht hellen Plasma. Eine scharfe Grenze gegen
das von ihm umschlossne starkkörnige Entoplasma ist auch hier nicht
vorhanden; dies ergibt einmal die direete Beobachtung des allmäblichen
Uebergangs in das Entoplasma, weiterhin bemerkt man auch nicht
selten, dass einzelne der gröberen Entoplasmakörnchen in das hellere
Eetoplasma eindringen, ja dass zuweilen bei einzelnen Individuen ein
deutliches Entoplasma ganz verschwindet, indem auch in die Eetoplasma-
zone zahlreiche Entoplasmakörner treten und damit der (Gegensatz
zwischen beiden Regionen erlischt.
Meist besitzt die Eetoplasmazone keine ganz übereinstimmende Dicke
über den ganzen Körper hin; namentlich am Vorder- und Hinterende fin-
det sich, sowohl bei Mono- wie Polyeystideen gewöhnlich eine etwas be-
trächtlichere Anhäufung von Eetoplasma.
Auch die Enden der Fortsätze, welche sich bei Conorhynchus aus
der Mittelregion des Leibes entwickeln, zeigen gewöhnlich eine etwas
stärkere Anhäufung von Ectoplasma. Bei den Polyeystideen findet sich
die vordere Verdickung des Ectoplasmas natürlich im Protomerit und
auch das vergängliche sogen. Epimerit ist gewöhnlich zum grössten Theil
aus einem sehr hellen, nur wenig körnigen Plasma gebildet, wenn-
gleich sieh durch dasselbe meist auch eine körnige axiale Plasmapaıtie
hindurchzieht.
Verschiedne Forscher, namentlich Lankester (35) und E. van Beneden,
(37) haben wohl mit Recht betont, dass das Eetoplasma dichter sei wie
das Entoplasma, oder wenigstens eine bedeutendere Consistenz und Zähig-
keit besitze. Namentlich Beneden hat gezeigt, dass das Entoplasma beim
Durchschneiden der sehr langgestreckten Porospora gigantea sofort aus-
strömt, während sich das Eetoplasma sammt der Cutieula in Gestalt eines
hohlen Schlauches erhält. Auch ich möchte mich dieser Ansicht an-
schliessen, da ich unter gewissen Bedingungen das Entoplasma in sehr
lebhafter Strömung sah, während das umgebende Eetoplasma keine Spur
einer Verschiebung zeigte. Angesichts des ganz allmäblichen Uebergangs
der beiden Plasmaregionen, müssen wir dann weiterhin mit Beneden
annehmen, dass sich die Consistenz des Eetoplasmas nach Innen mehr
und mehr verringert, bis sie allmählich in die relativ flüssige des Ento-
plasmas übergeht. Aim& Schneider schliesst sich der eben entwickelten
Ansicht von der Beschaffenheit des Ectoplasmas nicht an. Ihm zufolge
ist dasselbe nichts weiter wie eine äussere Ansammlung der „Flüssigkeit“
(seines sogen. Metaplasmas), welehe die Körner des Entoplasmas suspendirt
512 Gregarinida.
enthält, also den wesentlichsten Bestandtheil dieses Entoplasmas bildet.
Demnach müsste denn auch das Ecetoplasma ebenso flüssig erscheinen wie
das Entoplasma, womit die oben angedeuteten Erfahrungen nur wenig
iibereinstimmen.
Bei einem Theil der Polyeystideen und einer Monoeystidee (wahr-
scheinlich jedoch auch noch anderen) findet sich eine höchst interessante
Differenzirung der äussersten Eetoplasmaregion, welche zuerst von E. van
Beneden bei der Porospora gigantea aufgefunden wurde. Zwischen Cuti-
eula und dem eigentlichen Ectoplasma hat sich eine auch nach dem letz-
teren durch eine scharfe Contour abgegrenzte helle und homogene, dünne
Lage gebildet, welcher Schneider den Namen Sarcocyt gegeben hat. Wie
gesagt, ist dieses Sarcocyt nach Schneider’s Angaben nur bei einem Theil
der Polyeystideen ausgebildet. So soll es den Gattungen Actinocephalus,
Bothriopsis und Pileocephalus fehlen, während es bei anderen im erwach-
senen Zustand nur im Protomerit deutlich zu beobachten ist (Stylorhyn-
chus, Euspora, Echinocephalus). Bei einer dritten Reihe von Formen
schliesslich ist im erwachsenen Zustand ein Sarcocyt sowohl im Proto-
wie Deutomerit gut zu beobachten (einzelne Clepsidrinen, Porospora,
Geneiorhynchus, Hyalospora). Bei Porospora soll sich aber nach
van Beneden das Sarcoeyt nur auf den hinteren Theil des Protomerits
ausdehnen.
Seltsam erscheint, dass diese gegen das Ectoplasma so deutlich ab-
gegrenzte Sareoeytschieht nach Schneider’s Beobachtungen nicht selten
eine recht vergängliche Bildung zu sein scheint. Bei zahlreichen Formen
soll das im jugendlichen Zustand auch im Deutomerit gut ausgeprägte Sarco-
eyt später dortselbst verschwinden, ja bei der Gatt. Hoplorhynehus (von uns
zu Actinocephalus gezogen) soll das Sareocyt, welches bei den Cepha-
lonten sehr ausgeprägt war, bei den Sporonten vollständig „resorbirt‘
werden. Wenn diese Beobachtungen gegründet sind, so dürfte sich viel-
leicht auch der gänzliche Mangel des Sarcocyts bei anderen Gattungen
aus einer nachträglichen Rückbildung erklären. Jedenfalls möchten wir
jedoch aus diesem Verhalten des Sarcoceyts schliessen, dass dasselbe ein
einfaches Differenzirungsproduet des Ectoplasmas ist.
Im Sareoeyt tritt nun nicht selten noch eine weitere Differenzirung
auf, welche gleichfalls zuerst von E. van Beneden bei seiner Porospora
gigantea ermittelt wurde, nämlich eine Schicht sehr feiner quer zu
dem Körper verlaufender Fibrillen. Diese feinen Fibrillen sind sehr
dicht zusammengestellt und erscheinen bei der Flächenbetrachtung wie
eine sehr zarte Querstreifung. Auf dem optischen Querschnitt des Sarco-
cyts bemerkt man dagegen sehr deutlich die Querschnitte der Fasern
als eine Reihe dunkler Pünetehen und kann sich leicht davon überzeugen,
dass es sich thatsächlich um Fasern im Sarcoeyt, nicht etwa um eine
Streifung ähnlich der Längsstreifung der Cutieula handelt. Die Fibrillen
scheinen zuweilen einen ringförmigen Verlauf zu besitzen, jedoch lässt
Fibrillen des Sarcocyts. 513
sich wegen ihrer sehr dichten Zusammenstellung nicht wohl entscheiden,
ob nicht auch ein spiraliger Verlauf vorhanden sein kann. Bei Clepsi-
drina Munieri fand Schneider eine netzfürmige Anordnung, indem die
queren Fibrillen durch etwas schief zur Körperaxe ziehende Anastomosen
vielfach verbunden waren (T. 35. 10). Wie gesagt, findet man fast durchaus
nur eine einfache Lage solcher Sarcoeytfasern, nur bei Porospora gigantea
beobachtete Beneden, dass da, wo die Scheidewand zwischen den beiden
Körperabsehnitten aus dem äusseren Sareoeyt ihren Ursprung nimmt, zu-
weilen mehrere Fasern übereinander gelagert waren (T. 36. 7). Stets scheint
sich diese Fibrillenschicbt über die beiden Körperabschnitte der Polyeystideen
zu verbreiten, doch konnte sie Beneden, ebenso wie das Sarcocyt, bei Poro-
spora gigantea nur in der Hinterregion des Protomerits auffinden. Wie
bemerkt, ist bis jetzt nur eine Monoeystidee (Gamoeystis) bekannt, bei
welcher Schneider eine solche Fibrillenschicht im wohlausgeprägten Sarco-
eyt eonstatirte.
Zahlreichen Gattungen und Arten der Poly- und Monocystideen soll
nach Schneider’s Untersuchungen die Fibrillenschieht fehlen, doch
möchte ich eine weitere Verbreitung derselben vermuthen, als dieser
Forscher anzunehmen geneigt ist, wenigstens beobachtete ich sie deutlichst
bei einigen Clepsidrinen (polymorpha, ovata und Blattarum), bei welchen
sie Schneider theils vermisste, theils (polymorpha) zweifelhaft liess. Ein
weiterer Punkt scheint mir bis jetzt gleichfalls etwas unsicher, ob
nämlich die Ausbildung einer solchen Fibrillenschieht auch stets ein
scharf abgegrenztes Sarcocyt voraussetzt, wenigstens gelang es mir bei
der Clepsidrina Blattarum nicht, im Deutomerit ein scharf begrenztes
Sarcocyt nachzuweisen, obgleich die Deutlichkeit der Fibrillenschicht
nichts zu wünschen übrig lässt.
Die Fibrillen selbst fand Schneider stets ganz homogen, und auch
die von mir untersuchten Clepsidrinen zeigten dasselbe; die Fasern er-
scheinen dunkler und stärker lichtbrechend wie das umschliessende Sarco-
eyt, resp. die äusserste Zone des Ectoplasmas. Beneden dagegen sah die
Fibrillen der Porospora gigantea aus aneinandergereihten feinen Körperchen
zusammengesetzt (T. 36. 8).
Bezüglich der Frage nach der Bedeutung der Fibrillenschicht ist bis
jetzt keine Uebereinstimmung erzielt worden. Ihr Entdecker Beneden
fasste die Fibrillen als contractile, muskelfaserähnliche Elemente auf, ver-
gleichbar den contractilen Fibrillen gewisser Infusorien, ohne dabei jedoch
genauer auseinanderzusetzen, welchen Antheil er dieser Schicht contrae-
tiler Fasern an den Bewegungserscheinungen der Gregarinen zuschrieb.
Schneider kann sich mit dieser Auffassung der Faserschicht nicht be-
freunden (doch bringt er für sie mit ? den Namen Myocyt in Vorschlag).
‘Seine Gründe können wir jedoch erst weiter unten bei der Betrachtung
der Bewegungsvorgänge der Gregariniden eingehender würdigen. Im All-
Bronn, Klassen des Thierreichs. Protozoa. 33
514 Gregarinida.
gemeinen scheint er mehr geneigt, der Faserschicht eine Bedeutung als
Stützapparat zuzuschreiben.
Bei dieser Gelegenheit müssen wir kurz noch einiger früherer An-
sichten über die Existenz einer contractilen Faserschicht bei den Grega-
riniden gedenken. Schon bei Besprechung der Cuticula wurde dargelegt,
dass deren Längsstreifung gelegentlich fälschlich in einem solchen Sinne
gedeutet wurde. Aber auch eine Längsstreifung andrer Art wurde zu-
weilen als eine besondre Muskelfaserschicht betrachtet. Nicht selten
scheint sich nämlich bei gewissen Gregariniden die Grenzregion zwischen
Eeto- und Entoplasma in Längsfalten zu legen, indem das Eetoplasma
längsfaltig in das Entoplasma vorspringt. Es hat dann den Anschein,
als wenn über den Gregarinenkörper ein System abwechselnder hellerer
und dunklerer Längsstreifen hinziehe. Die meisten Beobachter, Leuckärt*),
Lankester (31), van Beneden (37), bringen diese Erscheinung in Zusammen-
hang mit der Contractilität des Eetoplasmas, was auch wohl richtig
erscheint.
Diese Streifung, welche immer viel gröber erscheint wie die Cuticula-
streifung (ähnlich wie die schon früher geschilderten Längsfaltungen der
gesammten Körperwand) ist es ohne Zweifel, welche Stuart (33) als eine
besondere Muskelhaut deutete, die ihren Sitz zwischen Eeto- und Ento-
plasma habe. Aus seinen Abbildungen geht deutlich hervor, dass der
Sitz der Faltung hier nicht die äussere Körperoberfläche, sondern die
Grenze zwischen Eeto- und Entoplasma ist; Lieberkühn (30) beschreibt
diese Art der Längsfaltung von einer Monoeystide der Regenwürmer und
Beneden (37) bei seiner Porospora, scheint sie jedoch früher (34) vorüber-
gehend für eine Längsmuskelfibrillenlage gehalten zu haben.
Die Scheidewände der Polyeystideen sind Organisations-
bestandtheile, welche sich erst im Laufe des allmählichen Wachsthums
hervorbilden, wie dies durch Beneden’s (34) und Bütschli’s (47) Unter-
suchungen erwiesen wurde. Die erste genauere Schilderung der Scheide-
wand gab Kölliker bei seiner Gregarina (Clepsidrina?) Heerii (17), jedoch
hielt er sie irrthümlich für ein aus flüssiger Substanz bestehendes Dia-
phragma. Frantzius (15) und Stein (18) zeigten dagegen, dass die
Scheidewand zwischen Deuto- und Protomerit eine relativ beträchtliche
Festigkeit besitzt, so dass einmal durchaus keine directe Communication
zwischen dem Entoplasma der beiden Körperabschnitte durch das Dia-
phragma hindurch statthat und weiterhin beim Platzen des Deutomerits
nur dessen Inhalt ausfliesst, ja die Scheidewand einem sehr beträchtlichen
Druck widersteht, ohne zu zerreissen. Beide erklärten dieselbe daher
für eine ziemlich feste Membran.
In neuerer Zeit konnten Beneden und Schneider feststellen, dass die
Scheidewand bei den mit Sarcocyt versehenen Polyeystideen durch eine
*) Arch, f. Naturgeschichte 1855. IL p. 108,
Diaphragma der Polycystideen. 515
Einfaltung desselben gebildet wird. Ist das Sarcocyt nur in dem Proto-
merit entwickelt, so schlägt es sich auf dessen hinterer Grenze einfach
nach Innen um zur Bildung der Scheidewand; sind dagegen beide Körper-
abschnitte mit Sarcocyt versehen, so geht dasselbe auf der Grenze zwischen
Proto- und Deutomerit gleichmässig in die Bildung der Scheidewand ein,
Dieselbe ist in diesen Fällen eine dünne, sowohl nach dem Ento-
plasma des Deuto- wie Protomerits scharf begrenzte homogene, helle
Schicht von, wie bemerkt, grosser Festigkeit. (Bei Clepsidrina Blattarum
„glaubte ich einmal ‚deutliche Anzeigen einer Zweischichtigkeit der Scheide-
wand zu beobachten.)
Bei den sarcocytlosen Formen erscheint die Scheidewand nach
Schneider als einfache, sehr dünne Membran, welche sich äusserlich der
Cuticula anheftet. In solcher Gestalt sah ich auch ein Diaphragma bei
der Entwicklung der Clepsidrina zuerst auftreten*), wogegen Beneden
bei Porospora die Scheidewand als eine ziemlich breite, helle Plasma-
schicht auftreten sah, welche mit dem hyalinen Eetosark in Verbin-
dung stand.
Die relativ beträchtliche Festigkeit der Scheidewand gestattet uns
wohl auch einen Rückschluss auf die Consistenz des Sarcoeyts, mit
welchem ja die Scheidewand eins und dasselbe ist, auch diesem haben
wir daher eine ähnliche Festigkeit zuzuschreiben.
Meist spannt sich die Scheidewand zwischen Deuto- und Protomerit
senkrecht zur Körperaxe eben aus, doch weicht sie bei heftigeren Be-
wegungserscheinungen der Thiere nach vorn oder hinten aus und springt
dann gewölbt in das Proto- oder Deutomerit vor. Andrerseits findet sich
jedoch bei einigen Formen im Ruhezustand constant eine starke Vor-
wölbung der Scheidewand in das Protomerit. Am auffallendsten ist dies
bei Bothriopsis, wo die membranöse Scheidewand handschuhfingerartig bis
in die Mittelregion des Protomerits vorspringt; auch bei Dufouria findet
sich ein ähnliches, wenn auch nicht so starkes Vorspringen (T. 36. 11).
Ob auch zwischen dem Epi- und Protomerit stets eine ähnliche
Scheidewandbildung statthat, scheint mir aus Schneider’s Beschreibungen
und Abbildungen nicht genügend hervorzugehen. Bei einigen Formen mit
ansehnlichem Epimerit (Stylorhynchus, Geneiorhynehus, Echinocephalus)
bildet Schneider eine solche Seheidewand sehr deutlich ab (vergl. T. 36.
14a; 37. 8a etc.).
Gabriel (46) erwähnte in neuester Zeit eine Gregarinide aus Typton
spongicola (einer Garneele), welche in der Jugend der Septen ganz ent-
behre, später dagegen zahlreiche Quersepten entwickele. Aehnliches ist
bis jetzt nicht weiter bekannt geworden, auch scheint die Bedeutung dieser
Septenbildung bis jetzt noch nicht genügend aufgeklärt, da Gabriel darin
*) Wenn auch sehr wahrscheinlich, so ist es doch nicht ganz sicher, ob dieses Dia-
phragma die Scheidewand zwischen Proto- und Deutomerit ist. Hierüber folgt das Nähere in
dem Kapitel über die Fortpflanzung.
33*
516 Gregarinida.
einen Vermehrungsact erkennen wollte, die septirte Form als eine Kolonie
oder Strobila auffasst und angibt, dass jedes der Glieder selbstständiger
Fortpflanzung fähig sei.
C. Das Entoplasma.
Die Fortpflanzungs- und Entwicklungsgeschichte der Gregarinida
lehrt, dass die Keime und Jugendformen aus einem noch undifferenzirten,
meist fast körnchenfreien, hellen Plasma bestehen. Erst im Laufe des
Wachsthums tritt allmählich eine Differenzirung in Eeto- und Entoplasma
auf, namentlich dadurch kenntlich, dass das Entoplasma immer körniger
wird, bis es im erwachsenen Zustand meist dicht von dunklen, stark licht-
brechenden Körnern erfüllt ist, welche die gesammte Gregarinide sehr
dunkel und undurchsichtig machen.
Das eigentliche Entoplasma, in welchem diese Körnchen suspendirt
sind, besitzt nach den übereinstimmenden Angaben der Beobachter eine
ziemlich flüssige Consistenz, wenigstens zeigt es bei den Bewegungen der
Gregariniden eine so leichte Verschiebbarkeit seiner Theilchen, dass es
von den meisten Forschern geradezu als flüssig bezeichnet wird. Das
Gleiche ergibt sich auch aus der häufig zu machenden Wahrnehmung,
dass die Entoplasmakörnchen ganz lebensfrischer, sehr beweglicher Gre-
gariniden eine wimmelnde Durcheinanderbewegung zeigen, welche nicht
selten ganz den Charakter der Molekularbewegung besitzt. Schon Kölliker
hat eine solche Molekularbewegung bei seiner Greg. Saenuridis (Urospora
Schn.) beobachtet, auch Schmidt berichtet dasselbe von der Monocystis
agilis. Bei einigen Clepsidrinen konnte ich die Molekularbewegung sehr
sicher beobachten.
Die Körnchen des Entoplasmas treten nach Stein (18) ursprünglich
als ein feiner nebelartiger Niederschlag auf und wachsen allmählich
heran, indem sich gleichzeitig fortdauernd neue Granulationen hinzu-
gesellen. Auch findet man bei den noch schwachkörnigen Jugendformen
häufig keine ganz gleichmässige Vertheilung der Körnchen durch das
Entoplasma, seltner Aehnliches auch bei erwachsenen Formen. Es sind
dann die Körnchen in unregelmässigen Gruppen oder Flecken zusammen-
gehäuft. Auch bei gleichmässiger Erfüllung des Entoplasmas findet zu
weilen eine diehtere Körnchenanhäufung an gewissen Stellen statt. So
tritt bei der Porospora gigantea schon sehr frühzeitig in der Entwicklung,
schon bevor eine Scheidewand zwischen Proto- und Deutomerit gebildet
wurde, die Anlage des ersteren sehr deutlich hervor, indem in ihm die
Körnchen in grosser Menge dicht zusammengehäuft sind. Bei Actino-
cephalus u. A. findet sich eine sehr dunkle, wohl ohne Zweifel auch durch
dichtere Zusammenhäufung der Körnchen gebildete Zone am Vorderende
des Protomerits.
Bei den erwachsenen Gregariniden trifft man gewöhnlich Körnchen
der verschiedensten Grössen an, von eben sichtbarer Grösse bis zu 0,01 Mm.
Entoplasma. 517
Durchmesser und wohl auch noch mehr. Bei den verschiednen Formen
herrschen jedoch Unterschiede in der Maximalgrösse der Körnchen; wäh-
rend die einen ziemlich grobkörnig erscheinen, besitzen andre zwar ein
recht dunkles, jedoch sehr feinkörniges Entoplasma.
Auch die Gestaltung der Körnchen ist recht verschieden; es finden
sich gewöhnlich durcheinander kuglige, ovale, längliche bis unregel-
mässige. Wie gesagt, sind sie stark lichtbrechend und von dunkelgrün-
lichem Aussehen, bei scharfer Einstellung tritt eine liehtere Contour
hervor. Ihre chemische Natur scheint sich aus ihren Reactionen mit ziem-
lieber Sicherheit zu ergeben *). In eoncentrirter Essigsäure und schwachen
Mineralsäuren sind sie unlöslich, ebenso selbst in kochendem Alkohol
und Aether, dagegen werden sie von verdünntem Kali und ceoncentrirten
Mineralsäuren rasch gelöst. Jodtinetur färbt sie braunroth bis braun-
violett, wie schon Leidy beobachtete, und durch Zusatz von starker
Schwefelsäure geht diese Färbung in eine weinrothe bis veilchenblaue
über, was zuerst Kloss (59) feststellte. Aus diesen Reactionen schloss
Bütschli, dass die Körnchen aus einer dem Amyloid zunächst ver-
wandten Substanz bestehen. Früher wurden sie irrthümlicher Weise
häufig für Fett (Stein ete.) oder sogar für ein Kalksalz (Henle, 13)
gehalten.
Ihre allgemeine physiol»gische Bedeutung ist etwas schwierig zu be-
urtheilen, am natürlichsten möchte es erscheinen, sie mit Leuckart**) als
aufgestapelte Reservenahrung zu betrachten, jedoch ist bis jetzt nicht recht
abzusehen, wenn dieser Nahrungsvorrath zur Verwendung kommen soll.
Wir wissen wenigstens, dass zahlreiche Gregariniden die Hauptmenge
der Körner bei der Fortpflanzung ganz unverbraucht zurücklassen.
Jedenfalls erscheint daher diese Auffassung der Amyloidkörner nur in be-
schränktem Sinne zulässig.
Ausser den soeben genauer geschilderten Amyloidkörnern des Ento-
plasmas fand ich bei der Clepsidrina Blattarum noch anders beschaffne,
sehr feine Körnchen, welche deutlich hervortraten, wenn die Amyloidkörner
durch Kali zerstört wurden. Ihre chemische Natur blieb unsicher.
Hat man durch Kali die Amyloidkörner zerstört (Clepsidrina Blatta-
rum), so erscheint das restirende Plasma sehr deutlich netzförmig angeordnet.
Leider gelang es am lebenden Thier nicht, diese netzförmige Structur zu
beobachten und festzustellen, ob dieselbe ein reelles Structurverhältniss
ist, was mir nach später zu schildernden Beobachtungen an den
Cysten nicht unwahrscheinlich dünkt. Liessen sich wirklich netz-
förmige festere Structurelemente und flüssigere Erfüllungen dieses Netz-
werks, in welche die Körner eingebettet sind, unterscheiden, so wäre die
Molekularbewegung der Körnchen etwas weniger auffallend.
*) Vergl. hierüber: Bütschli, Archiv f. Anat. u. Physiol. 1871. p. 362.
*#) Arch. f. Naturgesch. 1855. II. p. 108.
518 Gregarinida,
Sehr seltne Erzeugnisse des Entoplasmas scheinen Flüssigkeitsvacuolen
zu sein, bis jetzt wenigstens sind nur einige wenige Beispiele hierfür be-
kannt. Bei jugendlichen Exemplaren der Clepsidrina Blattarum fand ich
nicht selten das Protomerit ziemlich vacuolär. Bei der eigenthümlichen
Monoeystis aus Cyclops beobachtete Stein*) am Vorderende häufig einen
runden lichten Hohlraum, ähnlich einem contractilen Behälter und Rehberg
spricht sogar von einer contractilen Blase am Vorderende dieser Form**).
Höchst interessant ist durch die Reichlichkeit ihrer Vacuolisation die
Monocystide Conorhynchus Greeff. Bei dieser Form tritt im Laufe des
Wachsthums eine nahezu vollständige Vacuolisation des Entoplasmas ein,
so dass zwischen den sich polyedrisch zusammenpressenden Vacuolen nur
zarte Plasmascheidewände restiren. Bei den Syzygien beobachtet man
in jedem Individuum eine sehr grosse Vacuole der Paarungsfläche dicht
anliegend (T. 34. 5e).
Nur sehr selten weist das Entoplasma eine entschiedene Färbung
auf. Schneider wurden drei solche Fälle bei Polyeystideen be-
kannt. Da keine weiteren Angaben über die Natur dieser Färbung
vorliegen, so dürfen wir wohl annehmen, dass das Plasma selbst gefärbt
ist. Die Färbung ist eine gelblich-orangeartige oder rothe. Schneider
kommt zu dem Schlusse, dass es sich hierbei nicht um einen von den
Gregariniden selbst erzengten, specifischen Farbstoff des Entoplasmas
handle, sondern dass die Pigmentirung durch den Parasitenträger bedingt sei.
Bei den Wirthen der drei gefärbten Formen findet man nämlich auch den
Darmkanal, welcher die Gregariniden beherbergt, in entsprechender Weise
gefärbt, z. Th. auch die Färbung noch durch weitere Gewebe des
Wirthes verbreitet. Mit dieser Auffassung stimmt sehr wohl überein, dass
sich bei der Clepsidrina Munieri (der Timarcha tenebricosa) die Färbung
der freien und eneystirten Gregarinen z. Th. verliert, wenn man ihre
Wirthe lange hungern lässt, ebenso dass die Färbung des Stenocephalus
Juli in Julus sabulosus viel intensiver erscheint wie im Julus terrestris,
in Harmonie mit der intensiveren Färbung des Darmes bei der ersteren
Julusart.
D. Bewegungsvorgänge und Ernährungsverhältnisse der Gregarinida.
Die freien Monoeystideen und Polyeystideen zeigen häufig ziemlich
energische Bewegungserscheinungen, doch verrathen viele Formen eine
*) Organismus der Infusionsthiere IL. p. 6-7.
‘#*) Abhandl. des naturwissensch. Vereins zu Bremen VU. Bd. p. 68. (Nach der Abbhil-
dung macht mir der helle Raum, in dem sich bei der Bewegung rüsselartig vorschiebenden
Vorderende dieser Monoeystide, mehr den Eindruck einer Ansammlung hellen, körnerfreieu
Eetoplasmas. Die angebliche Contractilität dieses hellen Raumes halte ich für se 'hr zweifel-
haft. Merkwürdig ist, dass sich an der Spitze des Vorderendes häufig zwei bis mehr
schwarze Pünktchen (Protoplasmakörnchen Rehberg) finden.
=
Bewegungsvorgänge. 519
gewisse Launenhaftigkeit in ihren Bewegungen. Häufig kann man
zahlreiche Individuen anhaltend beobachten, ohne eine Spur activer Be-
wegungen wahrzunehmen, während andre oder die Individuen eines ande-
ren Wirthes anhaltende und ausgiebige Bewegungen ausführen. Die
näheren Bedingungen des Eintritts der Bewegung oder Ruhe sind bis
jetzt noch ganz unaufgeklärt. Die zellenschmarotzenden Coceidien haben
bis jetzt im erwachsenen Zustand noch keinerlei Bewegungen erkennen
lassen, dagegen sind ihre Keime häufig recht beweglich, wie später zu
schildern sein wird.
Die Bewegungserscheinungen der erwachsenen freien Monoceystideen
und Polyeystideen sind etwas verschiedner Natur. Namentlich bei den
Polyeystideen, jedoch auch nicht selten bei den Monocystideen beobach-
tete man zunächst einen Bewegungsvorgang, welchen Kölliker zuerst ge-
nauer beschrieb, wobei die Gregarinide ohne irgendwelche Gestaltsver-
änderung sich langsam in Richtung ihrer Körperaxe gerade fortschiebt.
Bei den Polyeystideen geht hierbei das Vorderende voran. Nicht selten
sistirt die Bewegung plötzlich ohne ersichtlichen äusseren Grund, um nach
einiger Zeit wieder zu beginnen. Stösst die Gregarinide bei ihrer Vor-
wärtsbewegung auf ein unnachgiebiges Hinderniss, so knickt sich das
Vorderende nach rechts oder links um und sie setzt nun ihre Bewegung
in einer zu der ursprünglichen senkrechten Richtung fort.
Im Allgemeinen erinnert mich diese Vorwärtsbewegung am meisten
an die der Bacillariaceen, nur zeigen die Gregariniden nicht das eigen-
thümliche Hin- und Herwackeln wie jene. Eine zureichende Erklärung
dieser Bewegungserscheinung hat bis jetzt noch Niemand gegeben; die
meisten Beobachter haben überhaupt keine Erklärung versucht, nur
Lankester glaubt sich bei der Monocystis (Urospora) Sipuneuli. über-
zeugt zu haben, dass diese Bewegung durch leichte, jedoch beständige
Undulationen der Körperränder bewirkt werde. Mir scheint es jedoch
bis jetzt nicht recht verständlich, wie durch einen solchen Vorgang eine
Ortsbewegung hervorgehen soll, abgesehen davon, dass von den zahl-
reichen Polycystideen, welche bis jetzt in dieser Fortbewegung untersucht
wurden, eine ähnliche Beobachtung fehlt.
Eine zweite Reihe von Bewegungsvorgängen vollzieht sich unter den
Erscheinungen von partiellen Contractionen und Gestaltsveränderungen des
Gregarinidenkörpers, und zwar mit oder ohne Ortsveränderung. Am
schönsten sieht man diese Gestaltsveränderungen und Bewegungen zu-
nächst bei langgestreckten Monocystideen, wo sie schon von Du-
Jardin (9) und Suriray (10) beobachtet worden sind. Auch die spä-
teren Beobachter, namentlich Kölliker, Stein und Schmidt geben
recht eingehende Beschreibungen dieser Bewegungsvorgänge Im All-
gemeinen scheint das Wesen derselben (wenn wir einstweilen von
ihren Ursachen absehen) in einem mehr oder weniger energischen
Hin- und Herströmen des flüssigeren Entoplasmas zu bestehen. Sehr
520 Gregarinida.
schön zeigt sich dies z. B. bei der Monoeystis agilis und andern Mono-
eystideen des Regenwurms, namentlich aber auch bei der Monoeystis
tenax von Cyclops.
Bei der ersteren, und ähnlich verhält sich auch die letztere, sieht
man das körnige Entoplasma einem Körperende zuströmen, welches dem
entsprechend keulig anschwillt, während das andre Ende sich verschmä-
lert, worauf dann eine Strömung in umgekehrter Richtung einsetzt und die
Gestalt sich entsprechend ändert (T. 33. 2b). Gleichzeitig treten häufig auch
Beugungen und Krümmungen des Körpers in sehr verschiedner Weise ein.
Dieses Hin- und Herströmen dauert nicht selten lange Zeit in gleicher
Weise an. Auch beginnt der Rückstrom zuweilen schon zu einer Zeit,
wo der vom anderen Körperende herkommende Strom noch nicht zur
Ruhe gekommen ist; es treffen dann die beiden Ströme in der Mittel-
region der Monocystis zusammen, so dass dieselbe bauchig anschwillt.
Wie bemerkt, sind die Gestaltsänderungen und Bewegungsvorgänge der
Monoeystis tenax und zahlreicher weiterer Monocystideen sehr ähnliche,
nur zeigen die erstgenannte Form und zahlreiche weitere gleichzeitig
auch mehr oder minder energische Ortsbewegungen im Gefolge dieses
Gestaltswechsels. Der Eindruck, welchen eine in dieser Weise sich fort-
bewegende Monoeystide macht, erinnert, wie auch schon Stein hervorbebt,
sehr an die Bewegungserscheinungen der einfacheren Rhizopoden, nur
modifieirt durch die Anwesenheit einer den Körper äusserlich umschliessen-
den Cuticula. Die grösste Aehnlichkeit zeigen diese Bewegungen mit
denen geisselloser Euglenen, Astasien und verwandter |Flagellaten, bei
welehen ja wohl gleichfalls eine durch die Gegenwart einer Hüllhaut
modifieirte amöboide Beweglichkeit vorliegt.
Bei sehr langgestreckten Monocystideen (z. B. der Monocystis magna)
bemerkt man auch häufig etwas andere Bewegungserscheinungen. Es
treten hier ringförmige Einschnürungen des schlauchförmigen Körpers auf,
welche wellenförmig nach vorn oder nach hinten an dem Körper hin-
ziehen, natürlich unter gleichzeitiger lebhafter Strömung des Ento-
plasmas.
Nicht unähnliche Bewegungsvorgänge zeigen zu Zeiten auch die
Polyeystideen. Schon v. Siebold (12) beschreibt die Bewegungen der-
selben (specieller der Clepsidrina Blattarum) als träge, wurmförmige Zu-
sammenziehungen. Meist beobachtet man einseitig auftretende Ein-
schnürungen des Deutomerits, in Folge deren die Gregarine auf der
eingeschrürten Seite zusammenknickt. Solche Einbiegungen oder -kniekun-
gen treten häufig ziemlich plötzlich und mit ansehnlicher Energie auf.
Auch sieht man derartige Einschnürungen wellenförmig über den Rand des
Deutomerits hinziehen, häufig eine Anzahl hinter einander. Seltner sind
hier ringförmige, den Körper völlig umziehende Einschnürungen, Jedoch
konnte ich gelegentlich auch solehe beobachten, wobei das Entoplasma
langsam aus dem einen Abschnitt durch die Einschnürungsstelle hindurch
Bewegungsvorgänge. 521
in den anderen strömte. Bei zahlreichen Formen sollen sich diese
Bewegungsvorgänge nach Schneider auf das Deutomerit beschränken,
seltner dagegen soll auch das Protomerit entsprechende Bewegungen
zeigen.
Gelegentlich beobachtet man aber auch viel energischere Gestalts-
veränderungen mancher Polyeystideen (so z. B. Clepsidrina polymorpha
und Blattarum), wobei sich gleichzeitig eine lebhafte Ortsveränderung
vollzieht. Hierbei krümmt und windet sich das Tbier nach den verschie-
densten Richtungen, die Gestalt wird sehr unregelmässig und veränderlich
und das Entoplasma strömt energisch bald nach dieser, bald nach jener
Ausbuchtung des Körpers hin. Im Ganzen macht auch dieser Bewegungs-
vorgang ganz den Eindruck einer im Hinfliessen begriffnen Amöbe, deren
Strömungsvorgänge durch die Gegenwart einer festeren Hüllhaut ein-
geengt sind.
Eigenthümliche Bewegungserscheinungen zeigen ferner gewisse kleine
Monocystideen von ganz oder theilweise spindelförmiger Gestalt (Mono-
eystis Enchytraei Köll.). Hier krümmt sich der Körper ruckweise bogen-
förmig zusammen, um sich hierauf wieder zu strecken (T.34.9b). Auch Clapa-
rede beschreibt die Bewegungen kleiner Monocystideen aus Phyllodoce in
ähnlicher Weise. — Diese Art der Bewegung ist derjenigen sehr ähnlich,
welche die sogen. sichelförmigen Keime der Gregariniden zeigen und die
wir später noch eingehender zu betrachten haben werden. Es scheint
mir jedoch auch nicht ganz sicher, ob diese kleinen Monocystideen wirk-
lich reife Formen sind, wenngleich ihre Länge die der sichelförmigen
Keime beträchtlich übertrifft.
Einige Worte nun noch über die versuchten Erklärungen dieser Be-
wegungsvorgänge der Gregariniden.
Die verschiednen Beobachter sind darüber einig, sie den Contractions-
erscheinungen zuzurechnen. Es lassen sich nun auch eine Reihe der im
Vorstehenden geschilderten Bewegungsphänomene nicht wohl anders als
in solcher Weise beurtheilen. Die plötzlichen Kniekungen, ruckweisen
Zusammenbiegungen und ringförmigen Einschnürungen erklären sich jeden-
falls in dieser Weise am einfachsten. Doch darf nicht unberücksichtigt
bleiben, dass die Bewegungserscheinungen häufig auch eine grosse Aehn-
lichkeit mit der amöboiden Bewegung einfacherer Rhizopoden besitzen.
Wir wissen ja auch, dass die Jugendformen gewisser Gregarinen (Poro-
spora nach Beneden) wohl sicher echte amöboide Beweglichkeit zeigen.
Es will mir daher scheinen, dass die Gregariniden mit der Fähigkeit
amöboider Plasmaströmung, an welcher speciell das Entoplasma activen
Antheil nimmt, gleichzeitig wirkliche Contractionsfähigkeit verbinden.
Ueber den Sitz dieser Contractionsfähigkeit sind die Beobachter gleich-
falls ziemlich einig. Dass wir nicht die Cutieula, wie Kölliker (17),
Stein (18) u. A. ursprünglich annahmen, als contractil betrachten dürfen,
kann wohl keinem Zweifel unterliegen. Dagegen scheint Vieles dafür zu
5223 Gregarinida.
sprechen, dass das Eetoplasma, wo es ausgebildet, der Sitz der Contracti-
lität ist. Hierfür spricht namentlich die Beobachtung, dass dasselbe sich
an contrahirten, eingefalteten Stellen nicht unbeträchtlich verdickt, worauf
schon Lieberkühn (30) hinwies und was auch Schneider hervorhebt.
Lankester und Beneden sprechen sich entschieden für die Contractilität
des Ectoplasmas aus.
Mit Schneider müssen wir es dagegen als fraglich betrachten, in-
wiefern die von Beneden als Muskelfibrillenschicht bezeichnete Differen-
zirung des Ectoplasmas wirklich bei den Contractionsvorgängen der Gre-
gariniden betheiligt ist. Das Bedenken, welches sich gegen eine solche,
anfänglich sehr natürlich scheinende Auffassung der Querfaserschicht er-
hebt, ist, dass es nicht wohl gelingen will, die Contractionsvorgänge der
Gregariniden aus der nothwendigen Wirkungsweise einer solchen Ring-
oder Querfaserschicht herzuleiten.
Nur die ringförmigen, bei den Polyeystideen im Allgemeinen nicht
sehr häufigen Einschnürungen würden sich ungezwungen durch die Con-
traction einer derartigen Faserlage erklären lassen, wogegen die übrigen
Bewegungserscheinungen, wie Schneider mit Recht betont, nicht wohl
auf die Wirksamkeit einer solchen Schicht zurückführbar erscheinen.
Immerhin wird nicht ausser Acht zu lassen sein, dass sowohl die Be-
wegungserscheinungen der Gregariniden, wie die Verhältnisse der Fibrillen-
schicht des Eetoplasmas noch weiterer genauerer Untersuchung bedürfen,
um mit ausreichender Sicherheit über die eventuelle active Theilnahme
der Fibrillenschicht an den Bewegungsvorgängen urtheilen zu können.
Am Schlusse dieses Abschnittes genügen zwei Worte, um den Stand-
punkt unsrer heutigen Kenntnisse von der Ernährungsweise der Grega-
rinida darzulegen.
Nach Allem, was wir über Bau und Verhalten dieser Wesen wissen,
müssen wir die alte Auffassung, dass die Ernährung durch Aufsaugung
mittels der Körperoberfläche stattfinde, für richtig erachten. Irgend etwas
Genaueres über die Ernährungs- und Stoffwechselvorgänge ist nicht be-
kannt. Betonenswerth erscheint vielleicht nur noch, dass keinerlei Wahr-
nehmungen für einen mehr pflanzlichen Verlauf des Stoffwechsels sprechen,
so dass auch die eigenthümliche Art der Ernährung, welche übrigens
zahlreiche Analoga unter protozoön wie metazoön Schmarotzern besitzt,
nicht wohl gegen die Herleitung unsrer Formen von einzelligen Wesen
mit echt-thierischer Ernährung ins Feld geführt werden kann.
E. Der Nucleus.
Der Zellkern der erwachsenen Gregariniden ist meist ein relativ so
ansehnliches Gebilde, dass: er schon bei oberflächlieher Betrachtung sofort
als ein heller Fleck in der dunklen Entoplasmamasse auffällt. Wir fanden
denn auch schon früher, dass er selbst Cavolini im vorigen Jahrhundert
nicht entgangen war. Das Vorhandensein eines Zellkerns bei den er-
Bewegungsvorgänge,. Nucleus. 525
wachsenen Gregariniden darf weiterhin mit Recht als ein constantes be-
zeichnet werden.
Die wenigen Angaben neuerer Forscher, welche von einem gelegentlichen Fehlen des-
selben bei gewissen Gregarinen berichten — so vermisste Stein (18) den Nucleus bei seiner
Gregarina (Didymophyes) paradoxa, Lankester (29) konnte gelegentlich keinen Nucleus bei der
Monocystis agilis des Regenwurms auffinden — beruhen wohl ohne Zweifel auf mangelhafter
Beobachtung.
Nicht mit derselben Sicherheit liess sich bis jetzt der Nachweis des Zellkerns bei den
sogen. Coceidien führen. Immerhin ist die Gegenwart eines deutlichen und ziemlich ansehn-
lichen Zellkerns im nichtencystirten, jedoch erwachsenen Zustand dieser Gregariniden von einer
grossen Zahl von Forschern so häufig constatirt worden, so Klebs, Kloss, Eberth, Stieda,
Waldenburg, Eimer, Neumann, Leuckart, Bütschli uud Aim. Schneider, dass wir auch für die
Coceidien den Kern als einen durchaus constanten Organisationsbestandtheil im erwachsenen
und nicht encystirten Zustand aufführen dürfen. Dass eine ziemliche Anzahl der erwähnten
Beobachter neben den kernhaltigen Individuen gelegentlich auch kernlose auffanden, dürfte
bei Öbjeeten, deren Kleinheit der Beobachtung häufig grosse Schwierigkeiten bereitet,
nicht gegen die Annahme einer allgemeinen Verbreitung des Nucleus sprechen,
Während nun, wie aus dem eben Erwähnten hervorgeht, nur noch wenige Zweifel darüber
bestehen können, dass die erwachsenen Gregariniden eines Kernes nie entbehren, hat sich da-
gegen in neuerer Zeit die Ansicht ziemlich allgemeine Geltung erworben, dass die jugendlich-
sten Entwicklungsstufen meist kernlose Cytoden darstellen. Obgleich wir erst im Kapitel über
Fortpflanzung und Entwicklung unsrer Organismen genauer auf diese Frage eingehen werden,
wollen wir doch nicht unterlassen, an dieser Stelle gleich unsrer Ueberzeugung Ausdruck zu
verleihen, dass auch im jugendlichsten Zustand den Gregariniden der Kern nicht fehlt und dass
sehr wahrscheinlich auch bei unsrer Abtheilung die tiefer eindringende Forschung den Nach-
weis wird führen können, dass überhaupt keinem Lebensstadium der Kern gänzlich fehlt.
Gegenüber anderen Protozo@ön zeichnen sich die Gregarinen haupt-
sächlich dadurch aus, dass sich fast durchaus nur ein einziger Kern findet.
Die Beobachtung mehrerer und dann höchstens zweier Kerne ist so selten
gemacht worden, dass die Einkernigkeit sicher als der normale Zustand
bezeichnet werden muss. Zwei Kerne wurden gelegentlich von Kölliker
(17) bei seiner Gregarina Terebellae, von Leidy (22) bei Greg. Polydesmi
und Juli, von d’Udekem*) bei der Monocystis magna des Regenwurms
und von A. Schneider (40) bei Porospora gigantea v. Bened. wahrgenon-
men. Jedoch beziehen sich diese Beobachtungen durchaus auf Arten, bei
welchen die Einkernigkeit das normale Verhalten ist.
Der Kern ist dem Entosark eingelagert und zwar schwebt er frei in
demselben, so dass er bei den Contractionen des Gregarinenkörpers mit
dem Entosarkstrom bald hier- bald dorthin verschoben wird, was jedoch
nicht ausschliesst, dass er bei der Mehrzahl der Individuen im ruhigeren
Zustand auch eine annähernd constante Lage besitzt. Seine Lage
kann jedoch bei den verschiednen Formen sehr verschieden sein. Bei
den Polyeystideen liegt der Kern stets im Entosark des Deutomerits.
Der Bau des Gregarinidenkernes ist ein exquisit bläschenförmiger.
*) M&m. cour. et mem, d. sav. &traug. de l’Acad. roy. de Belgique. T. XXIL 1856.
p. 16—17. Taf. I. Fig. 17.
524 } Gregarinida.
Diese Thatsache haben schon v. Siebold und Kölliker hervorgehoben, sie wurde je-
doch von v. Frantzius und Stein in Abrede gestellt. Nach beiden letztgenannten Forschern
sollte der Kern sich nicht wie ein mit Flüssigkeit gefülltes Bläschen, sondern wie ein solider,
zäher und gallertartiger Körper verhalten. Beide schliessen dies aus seinem Verhalten gegen
Druck, wobei er nicht zerplatze, sondern entweder in Stücke zerbreche oder sich beliebig breit
quetschen lasse. Die neueren Beobachter, wie Beneden und Schneider, bestätigten dagegen
wieder seine Bläschennatur, und zwar gerade dadurch, dass heftiger Druck das Platzen der
Hülle und Ausfliessen des Inhalts hervorrufe. Jedenfalls besitzt die zarte, jedoch scharf und
deutlich erscheinende Kernmembran eine relativ beträchtliche Festigkeit und Elasticität, so dass
sie einem recht starken Druck widersteht und bei Nachlassen desselben der Kern wieder zu
seiner ursprünglichen Form zurückkehrt.
Die Gestalt des Kernes ist meist eine kuglige, seltner ellipsoidische
oder eiförmige, gelegentlich ist er noch etwas mehr in die Länge ge-
streckt. Der Kerninhalt besteht aus einer hellen, sonder Zweifel mehr
oder minder flüssigen Masse, die bei der Betrachtung im lebenden Zustand
keine weiteren Structurverbältnisse wahrnehmen lässt. — Diese Kern-
flüssigkeit bildet nun nach der Darstellung Schneider’s entweder allein
den Inhalt oder sie enthält noch sogen. Nucleoli in verschiedner Zahl
und Beschaffenheit. Die Angabe Schneider’s, dass sich bei einer ziem-
lichen Zahl von Geschlechtern der Kern bald ohne, bald mit Nucleoli
zeigen soll, bedarf noch einer genaueren Prüfung.
Die Binnenkörper oder Nucleoli bieten, wie bemerkt, ziemliche
Verschiedenheiten dar. Sie bestehen aus einer ziemlich stark licht-
brechenden, meist homogen und ziemlich dicht erscheinenden Masse.
Entweder findet sich nur ein einziger und dann meist ziemlich an-
sehnlicher Nucleolus, so nach Schneider (40) durchaus bei den Geschlech-
tern Clepsidrina, Euspora und Gamoecystis. Bei zahlreichen anderen Ge-
schlechtern dagegen tritt neben einem grössern eine sehr verschiedne Zahl
kleinrer Nucleoli auf, welche meist unregelmässig durch den Binnenraum
des Kernes zerstreut sind, oder sich zuweilen auch zu einem Häufchen
zusammengruppiren. Ein solehes Häufchen diebt zusammengepackter
kleiner Nucleoli, wie es z. B. Kölliker schon von seiner Gregarina Sie-
boldii beschrieben hat, kann leicht mit einem einfachen grösseren Nucleo-
lus verwechselt werden. So besitzt z. B. die Clepsidrina Blattarum nach
meinen Beobachtungen im erwachsenen Zustand statt eines einfachen
Nuceleolus stets einen solehen Haufen von Nucleoli, so dass biernach die
oben erwähnte Schneider’sche Angabe zu berichtigen ist.
Bei dieser Form lässt sich ferner leicht constatiren, dass die Zahl der Nucleoli, welche
das Häufchen bilden, mit dem Alter der Thiere zunimmt. In sehr jugendlichem Zustand
findet sich nur ein einziger Nucleolus vör, successive vermehrt sich ihre Zahl mit der Grössen-
zunahme des Thieres*). Ein derartiges Verhalten vermuthete schon Kölliker auf Grund der
verschiednen Zahl der Nucleoli bei einer und derselben Form; ob sich jedoch, wie er gleich-
falls anzunehmen geneigt ist, die Nucleoli durch allmählichen Zerfall des ursprünglich ein-
zigen vermehren, scheint mir bis jetzt noch nicht hinreichend erwiesen. Man bemerkt zwar
*) Auch die Jugeudformen der Porospora gigantea v. Bened. weisen stets nur einen ein-
zigen Nucleolus auf; die erwachsenen dagegen gewöhnlich zahlreiche,
Nucleus (Bau). 525
nicht selten eingeschnürte oder gelappte Nucleolusformen, welche sich auf solchen Zerfall be-
ziehen liessen, jedoch könnten dieselben auch durch nachträgliche Verschmelzung hervorge-
gyangen sein; hierüber muss die Entscheidung durch directe Beobachtung abgewartet
werden.
In den grösseren Nucleoli beobachtet man zuweilen eine oder mehrere
ziemlich ansehnliche Vacuolen, welche vielleicht schon Siebold wahrge-
nommen hat, da er die Nucleoli als Bläschen bezeichnet; Kölliker be-
schrieb einen solchen Fall schon sehr kenntlich bei Hoplorhynchus oliga-
canthus. Diese Erscheinung ist jedoch nach den Abbildungen Lieberkühn’s,
Beneden’s, Schneider’s ete. auch sonst noch recht verbreitet. Gewöhnlich
scheinen die Nucleoli frei in der Kernflüssigkeit zu schweben; bei Mono-
eystis magna schien mir jedoch der Nucleolus an der Kernhülle angeheftet
zu sein, eine Erscheinung, welche vielleicht noch weiter verbreitet ist. In
anderen Fällen mag er an einem zarten Kernnetz befestigt sein, denn
obgleich ein solches am lebenden Kern nicht deutlich zu sehen ist, lässt
es sich doch bei der Clepsidrina ovata nach Essigsäurebehandlung recht
wohl wahrnehmen; bei anderen Formen dagegen gerann die Kernflüssig-
keit nach Zusatz von Essigsäure feingranulär, ohne dass ein Kernfaden-
netz hervortrat.
Ein ganz eigenthümliches Verhalten sollen nach van Beneden (32)
die Nucleoli der Porospora gigantea zeigen. Dieselben besitzen im All-
gemeinen ganz dasselbe Aussehen, wie die der übrigen Gregarinen, sollen
aber in raschem Wechsel verschwinden und wieder auftauchen. Während
z. B. der ursprünglich einfache Nucleolus schnell an Grösse abnimmt und
schliesslich ganz schwindet, tauchen zahlreiche neue, zuerst ganz kleine
hervor, welche rasch anwachsen, wieder verschwinden und so fort.
Zuweilen soll auch jede Spur der Nucleoli gänzlich verschwunden
sein. Dieser Wechsel vollziehe sich ungemein rasch, manchmal nahezu
momentan (vergl. T. 36. 9a—f).
Bei anderen Gregarinen ist bis jetzt von einer solchen Wandelbarkeit der Nucleoli kaum
etwas bekannt; zwar theilt Schneider (38) mit, dass er dieselbe Erscheinung bei gewissen
Gregarinen gefunden habe, in seiner grösseren Arbeit (40) geht er jedoch auf dies merkwür-
dige Phänomen nicht näher ein, wenn nicht vielleicht seine Angabe: dass man im Kern von
Actinocephalus (ähnlich auch Hoplorhynchus, Stylorhynchus und Bothriopsis) häufig zahlreiche
feine Granulationen, wie eine Wolke erscheinen sehe, die sich zu einem centralen Haufen
verdichten könne, auf diese Vorgänge zu beziehen ist. Ist dies wirklich der Fall, wie zu ver-
ımuthen, da Schneider dieser Erscheinung direct im Zusammenhang mit den Beneden’schen
Beobachtungen gedenkt, so dürfte hieraus wohl geschlossen werden, dass er geneigt ist, die
Wandelbarkeit der Nucleoli durch bald hier, bald dort stattfindende Anhäufung der feinen
Granulationen und Wiedervertheilung derselben zu erklären.
Ueber Theilungsvorgänge des Kerns der Gregarinen ist bis jetzt
durchaus nichts bekannt und sein Verbalten bei der Eneystirung, Copu-
lation und der Fortpflanzung überhaupt wird späterhin noch genauer zu
betrachten sein.
526 Gregarinida.
4. Fortpflanzungserscheinungen der Gregarinida,
Wie schon früher betont wurde, ist eine Vermehrung der Gregariniden
durch einfache Theilung nie sicher beobachtet worden*). Selbst die zusam-
menhängenden Gregarinen (Syzygien), welche leicht für Theilungszustände
hätten gehalten werden können, sind bis jetzt nie ernstlich in dieser Weise
gedeutet worden. Die einzig bekannte und auch wohl sicher allein existi-
rende Fortpflanzungsweise geschieht durch Encystirung und Sporenbildung.
Da wir schon in der allgemeinen historischen Einleitung die allmähliche
Entwicklung unsres Wissens von der Fortpflanzung der Gregarinen etwas
näher betrachteten, verzichten wir hier auf eine Wiederholung dieses
Gegenstandes und werden nur im Verlaufe der Darstellung auf einzelne
historische Daten von Wichtigkeit Rücksicht nehmen.
I. Fortpflanzungserscheinungen der freien, d. b. nicht
intracellulär schmarotzenden Gregariniden.
A. Vorbereitende Erscheinungen, CGonjugation,
Bei einer ansehnlichen Zahl von Gregarinen, hauptsächlich jedoch
den Polyeystideen, scheinen die Vorbereitungen zur Fortpflanzung schon
sehr frühzeitig im Leben einzutreten, schon lange bevor die volle Wachs-
thumsgrösse erreicht ist. Als derartige vorbereitende Erscheinungen dür-
fen einmal die schon so lange bekannten Vereinigungen zweier und meh-
rerer Thiere (sowohl bei den Monocystideen wie den Polyeystideen) in
Anspruch genommen werden, als auch wohl die bei zahlreichen Poly-
eystideen zu beobachtende Verstümmlung: das heisst das Abwerfen des
Haftapparates, des Epimerits, womit die Gregarine ihre Befestigung an
der Wand des Darmkanales aufgibt und frei wird. Da diese Loslösung
nothwendig erscheint, einmal zur Einleitung des Conjugationsprocesses,
andrerseits zur Entleerung der Cysten in die Aussenwelt, so kann der
Vorgang, obgleich er meist schon sehr frühzeitig im Leben der Poly-
eystideen auftritt, doch auch unter die Vorbereitungen zur Fortpflanzung
gerechnet werden. Grossen Werth lege ich natürlich nicht auf diese Auf-
fassung, doch ist hier wohl die geeignetste Stelle zur Besprechung dieser
Vorgänge. Betrachten wir also zunächst diesen Process der Lösung und
des Verlustes des Haftapparates bei den Polyeystideen.
Schon v. Siebold (12) machte die Erfahrung, dass der rüsselartige Haftapparat seiner
Gregarina oligacantha sehr leicht abreisse; dieselbe Erscheinung wurde von Kölliker (13) bei
der nämlichen und ähnlich ausgerüsteten Formen mehrfach beobachtet, beide Forscher hielten
diesen Vorgang jedoch für einen anormalen. Dagegen vermuthete schon v. Frantzius (15),
*) Kölliker (14, 16, 17) hielt eine Zeit lang die Zweitheilung (endogene Zellbildung)
der Gregarinen für wahrscheinlich. Er stützte sich dabei auf gewisse Beobachtungen an seiner
Monocystis (Urospora) Sipunculi, welche jedoch sicherlich auf Copulations-, nicht aber auf
Theilungserscheinungen bezogen werden müssen. Einige weitere Angaben über gelegentliche
Vermehrung gewisser Mono- und Polycystideen durch einfache Theilung, werden wir weiter
unten noch berühren; dieselben erscheinen aber theils sehr unsicher, theils können wir sie
ohne anderweitige Bestätigung nicht ohne Bedenken acceptiren,
Pe.
Fortpflanz. d. freien Gregariniden (Vorber. Erscheinungen). 527
dass dieser Verlust des Haftapparates auch als ein normaler Vorgang im Leben der Poly-
cystideen anftrete, ohne diese Annahme aber durch genügende Beweise zu erhärten. Stein (18)
hob zuerst hervor, dass „alle mit einem Haftapparat versehenen Gregarinen im reifsten Lebens-
alter stets ohne denselben getroffen werden“ und dass sie alsdann zur Conjugation schritten.
Durch die neueren Untersuchungen von Schneider wurde diese Erscheinung ganz sicher ge-
stellt und namentlich auch noch constatirt, dass sich dieselbe keineswegs, wie früher vermuthet
wurde, nur im erwachsenen Lebensalter vollziehe, sondern sie bei nicht wenigen Formen
schon sehr frühzeitig eintritt. Letzteres scheint sich hauptsächlich bei denjenigen zu finden,
deren Haftapparat nur eine geringe Entwicklung besitzt, z. B. der so häufigen Gattung Olepsi-
drina. Hier geht der Haftapparat schon zu einer Zeit verloren, wo die Thiere noch nicht
den fünften Theil ihrer definitiven Länge erreicht haben. Es ist daher auch natürlich, dass
hier die Beobachtung des Haftapparates, sowie des Ueberganges der Cephalonten in die
Sporonten erst in neuester Zeit gelang. Sehr frühzeitig tritt nach Schneider der Verlust des
Haftapparats auch bei Stylorhynchus ein.
In den meisten Fällen geht das ganze sogen. Epimerit verloren; eine
Ausnahme von diesem Verhalten machen nur die Gattungen Clepsidrina
und Echinocephalus, bei der ersteren wird nur das in die Darmzelle ein-
gesenkte Knöpfchen abgeworfen, wogegen der grössere Theil des Schneider’-
schen Epimerits als vordrer Theil des Protomerits erhalten bleibt. Bei
Echinocephalus dagegen bleibt das asymmetrische Epimerit dauernd er-
halten und es gehen nur seine finger- bis stiletförmigen Anhänge, welche
die eigentlichen Befestigungsorgane darstellen, sehr frühzeitig verloren.
Das Abwerfen der Haftapparate scheint stets in der Weise vor sich
zu gehen, dass dieselben thatsächlich von dem Protomerit oder dem noch
persistirenden Theil des Epimerits abgeschnürt und losgelöst werden und
hierauf sehr rasch in definitiven Zerfall übergehen (T. 36. 13a—b). Bei der
Clepsidrina Blattarum bemerkt man an dem vorderen Pol des Protomerits der
Cephalonten, an der Stelle, wo sich das Kopfzäpfchen gelöst hat (namentlich
bei jugendlichen Cephalonten) sehr deutlich. eine Art strahliger Einziehung
der Cutieula. Diese Erscheinung lässt sich vielleicht auf die bei Lösung
des Kopfzäpfchens stattfindende Einschnürung der Cuticula und den Ver-
schluss der hierbei erzeugten Wunde zurückführen.
Bei den befestigten Monocystideen, von welchen bis jetzt nur eine
Form, die Monocystis magna, bekannt ist, geht die Lösung ohne Zweifel
ohne Verlust eines Körpertheils vor sich, tritt jedoch auch hier sicherlich
vor der Fortpflanzung ein.
Als weitere, vorbereitende Erscheinung der Fortpflanzung haben wir
noch die Conjugation ins Auge zu fassen, die Erscheinung nämlich, dass
zahlreiche Gregarinenformen (und zwar sowohl Mono- wie Polyeystideen)
sich mehr oder weniger frühzeitig während ihres Lebenslaufs zu zweien
oder zuweilen auch zu mehreren zusammenhängen und in diesem Zustand
lange Zeit verharren, ohne dass sich wesentliche Veränderungen an ihnen
beobachten liessen oder dass eine innigere Vereinigung durch theilweise
Verschmelzung zu Stande käme. Obgleich diese Erscheinung schon so
lange bekannt ist, hat sie doch bis in die neueste Zeit noch keine allge-
mein angenommne Erklärung gefunden, ja ihre Bedeutung bei den Poly-
eystideen wurde gerade neuerdings wieder als ganz zweifelhaft bezeichnet.
528 Gregarinida.
Schon Dufour, welcher gepaarte Formen bei den Polyeystideen der Insecten viel-
fach beobachtete, deutete sie in richtiger Weise als zwei zusammenhängende Thiere. Kölliker
sprach dagegen 1848 die Vermuthung aus, dass dieselben sich vielleicht durch sehr frühzeitig
auftretende Theilung erklären liessen. Er musste, um sich die vorliegenden Thatsachen durch
die Annahme von Theilung verständlich zu machen, nicht nur für gewöhnlich Quer-, sondern
auch für die Erklärung des zeitweiligen Anhängens zweier kleinerer Thiere an einem grösse-
ren, gelegentliche Längs-Theilung annehmen. Die Unzulässigkeit dieses Erklärungsversuches
ergab sich jedoch daraus, dass eben bis heute noch durchaus nichts von einem solchen
Theilungsprocess auf irgend einer Wachsthumsstufe der Gregarinen beobachtet werden konnte
und weiterhin sicher dadurch, dass die mit Haftapparat versehenen Polycystideen stets un-
gepaart sind, so lange sie diesen Apparat noch besitzen, dass sich dagegen an den ihres
Haftapparats beraubten, gepaarten Thieren z. Th. noch der Nachweis führen lässt, dass beide
aus den jugendlichen, isolirten 'Thieren hervorgegangen sind. Eine directe Beobachtung des
Conjugationsactes liegt jedoch bis jetzt noch nicht vor, dürfte auch wohl grosse Schwierig-
keiten haben.
Wie bekannt, fasste Stein zuerst diese Vereinigung der Gregarinen
als einen Conjugationsact auf und glaubte durch seine Beobachtungen so-
wohl für die Monocystideen wie die Polyeystideen festgestellt zu haben,
dass die Syzygien sich schliesslich gemeinschaftlich encystirten und nun
durch Verschmelzung ihrer Leibesmassen zur Copulation und Fortpflan-
zung schritten. Spätere Beobachter, wie Lieberkühn, Schmidt, van Beneden
und Andre, welche sich auf Grund ihrer Untersuchungen gegen die all-
gemeine Zulässigkeit der Conjugationslehre Stein’s aussprachen, haben es
nicht versucht, eine Erklärung der Syzygien zu geben. Zum Theil mögen
sie für gewisse Formen die Annahme Stein’s stillschweigend als gültig
erachtet haben, z. Th. sahen sie wohl in der Syzygienbildung eine räthsel-
hafte Erscheinung, für deren Verständniss der Schlüssel noch telıle. Auch
der neueste und treffliche Beobachter der Gregarinen, A. Schneider, sieht
in der Vereinigung keine Beziehungen zur Fortpflanzung. Ihm waren
zwar zwei sichere Fälle von Copulation bekannt, welche weiter unten
noch näher erörtert werden, dagegen scheint er für die zusammenhängen-
den Paare die Stein’sche Lehre durchaus zurückzuweisen. Nach ihm
sollen sich die Syzygien entweder kurz vor der Eneystirung und Fort-
pflanzung wieder trennen, um sich solitär zu encystiren, oder aber bei
gemeinsamer Eneystirung nicht verschmelzen, sondern Doppeleysten bilden,
ein Vorgang, welchen er als Pseudoconjugation bezeichnet. Ich muss je-
doch gestehen, dass mir die Schneider’schen Untersuchungen und Deu-
tungen bezüglich dieses Punktes nicht das grosse Zutrauen zu ver-
dienen scheinen, welches seiner Arbeit sonst zu zollen ist. Ich bin im
Gegentheil geneigt, der Stein’schen Deutung im Allgemeinen zuzustimmen,
da ich mich bei zwei Polycystideen persönlich von ihrer Richtigkeit über-
zeugt habe, ohne damit jedoch die Möglichkeit gänzlich zurückweisen
zu wollen, dass in gewissen Ausnahmefällen nicht auch nachträg-
liche Trennung und gesonderte Eneystirung der Einzelindividuen der
Paare eintrete. Die Belege für die eben ausgesprochne Ansicht
werden wir weiter unten bei der Betrachtung der Eneystirung noch
kennen lernen.
Fortpfl. d. fr. Gregariniden (Syzygienbildung). 529
Zunächst noch einige Worte über die Art der Syzygienbildung und
das Verhalten der Einzelthiere hierbei.
Die Syzygien bilden sich in etwas verschiedner Weise bei den Mono-
und Polyeystideen. Schon Henle (13), welcher zuerst eine gepaarte
Regenwurmmonoeystis beobachtete, fand, dass sich die Individuen mit
den gleichnamigen Körperenden aneinander geheftet hatten. Diese Er-
fahrung wurde später von Kölliker für seine Monocystis Saenuridis be-
stätigt (T. 34. 8a), das Gleiche fanden Stein und spätere Forscher bei der
sogen. Zygocystis des Regenwurmhodens (T.34. 1a), Schneider bei der ver-
wandten Gamocystis (T.34.2a) und Greeff bei seinem Conorbynchus (34. 3c);
auch Giard sah die Monocystiden des Darmes von Amauroeecien sich gewöhn-
lich mit den breiten Enden eopuliren. Nur Lachmann *) berichtet von seiner
Zygoeystis puteana, dass die Individuen der Paare mit den ungleichnamigen
Enden zusammengefügt seien, indem das Vorderende des hinteren etwas
in das Hinterende des vorderen eingesenkt sei.
Nach dem Bemerkten scheint es, dass die erstgeschilderte Ver-
einigungsweise der Monoeystiden wohl allgemeine Gültigkeit besitzt; ja
ich möchte wohl vermuthen, dass die Lachmann’sche Angabe auf irr-
thümlicher Beobachtung beruhe.
Schneider bezeichnet die beschriebne Verbindungsweise der Mono-
eystideen, im Gegensatz zu der gleich zu schildernden der Polyeystideen,
als Apposition und hebt hervor, dass die in solcher Weise vereinigten
Monocystideen ganz bewegungslos seien. Soweit die Ortsbewegung in
Frage kommt, dürfte dieser Ausspruch wohl gerechtfertigt sein, dagegen
scheint derselbe nicht gültig, wenn wir auch die Gestaltsveränderungen
der Thiere dem Begriff der Bewegung unterordnen. Zwar sind gewisse
in dieser Weise gepaarte Monocystideen, wie die Zygocystis cometa
Stein’s und die Gamoeystis tenax Schneider’s stets ganz regungslos an-
getroffen worden, dagegen hat Kölliker an den Syzygien seiner Monocystis
Saenuridis sehr schwache und träge Gestaltsveränderungen beobachtet.
Dass auch drei Individuen sich zuweilen in gleicher Weise verbinden
können, wissen wir durch die Beobachtungen Stein’s an der Zygoeystis
cometa (T. 34. 1b).
Im Gegensatz zu den Vereinigungen der Monocystideen bilden sich
die der Polyeystideen, soweit bekannt, fast durchaus so, dass sich die
Einzelindividuen mit den ungleichnamigen Enden zusammenhängen. Es
ist also das Protomerit des hinteren Thieres dem Deutomerit des vorderen
angefügt (35.7). Gewöhnlich sind zwei Sporonten von nahezu gleicher Grösse
in dieser Weise vereinigt. Nicht selten ist jedoch das hintere Individuum
kleiner, ja zuweilen bleibt es hinter dem vorderen sehr beträchtlich an
Grösse zurück. Stein erklärt sich den letzteren Fall durch die Annahme,
dass ein Paar erwachsener Individuen durch Zufall getrennt worden sei,
und nun nachträglich eine Verbindung mit einem jüngeren, kleineren
*) Sitzungsberichte der niederrhein. Gesellsch. zu Bonn 1859. p. 39.
Bronn, Klassen des Thier-Reiels. Protozon. at
530 Gregarinida.
Exemplar stattgefunden habe. Inwiefern diese Erklärung gerechtfertigt
erscheint, soll hier nicht näher untersucht werden.
Das Protomerit des hinteren Individuums einer solchen Syzygie unter-
scheidet sich gewöhnlich in seiner Gestalt etwas von dem des vorderen.
Es umfasst nämlich das Hinterende des vorderen Paarlings mehr oder
weniger innig, wenigstens bei solchen Paaren, wo die beiden Exemplare
von ähnlicher Grösse sind. Wenn eine Lösung der Syzygie eingetreten
ist, erkennt man die hinteren Exemplare gewöhnlich leicht, da ihr Proto-
merit noch eine deutliche Einsenkung besitzt, in welche das Hinterende
des vorderen Thiers eingepflanzt war. Wie schon früher angedeutet
wurde, scheint namentlich bei den von Stein als Didymophyiden be-
zeichneten Polyeystideen die Verbindung eine sehr innige zu sein, da hier
wahrscheinlich das ganze Protomerit des hinteren Individuums in das
Hinterende des vorderen eingesenkt ist.
Zuweilen wird auch bei den Polyeystideen beobachtet, dass sich mehr wie
zwei Individuen mit einander vereinigen; dies kann entweder so geschehen,
dass dem Hinterende eines grossen Individuums zwei, ja auch drei bis vier
kleine angefügt sind, oder aber sehr selten, wie es scheint, derart, dass
drei gleichgrosse Individuen in einer Reihe zusammenhängen, ein Fall,
welcher bis jetzt nur von v. Siebold bei der Gregarina longissima (Porospora?)
einmal beobachtet wurde*). Die Bewegungsfähigkeit der Polyeystideen-
syzygien hat keine Einbusse erfahren, sie bewegen sich gewöhnlich ebenso
energisch durch einfache Translation oder durch Contractionen, wie die
einfachen Thiere. Mehrfach fand ich nur das vordere Thier in Bewegung,
das hintere wurde dann einfach nachgezogen.
Die gegenseitige Verbindung der Individuen scheint bei den seither
beschriebnen Syzygien der Polyeystideen und Monoeystideen im Allge-
meinen keine allzufeste zu sein, da, wie bemerkt, durch mecha-
nische Eingriffe eine Lösung der verbundnen Individuen ziemlich leicht
eintritt. Doch beobachtete Kölliker bei der Monocystis Saenuridis
häufig sehr fest vereinigte Paare, welche sich durch kein Mittel mehr
trennen liessen. Er vermuthet, dass eine Verschmelzung der Cuticula der
beiden Thiere an der Vereinigungsstelle eingetreten ist. Ich halte es für
sehr wahrscheinlich, dass eine solch innigere Vereinigung gewöhnlich
beim Uebergang in den encystirten Zustand eintritt.
Bei den Syzygien, welche wir im Vorhergehenden betrachtet haben,
findet die Vereinigung fast stets sehr frühzeitig statt, so dass in der Regel
nur sehr kleine Individuen unvereinigt gefunden werden, Bei den Mono.
eystideen scheint eine solche frühzeitige Vereinigung im Ganzen nicht
gerade sehr häufig zu sein; bei der Mehrzahl der bis jetzt beobachteten
Formen wurden Syzygien überhaupt noch nicht gesehen. Bei den Poly-
eystideen ist die frühzeitige Vereinigung sehr charakteristisch für die
Gattung Clepsidrina, der sich in dieser Hinsicht die nahe verwandten
#) Siehe bei Kölliker (13) p; 25 und 34.
Fortpfl. d. fr. Gregariniden (Syzygienbildung. Eneystirung). 531
Geschlechter Euspora und Hyalospora anschliessen, weiterhin findet man
dieselbe Erscheinung noch bei einer Anzahl in ihrer systematischen Stel-
lung unsicheren Arten, welche sich jedoch wohl den oben erwähnten
Gattungen zunächst anschliessen werden.
Die mit ansehnlich entwickelten Haftapparaten versehenen Polyeysti-
deen, wie die Gatt. Stylorhynchus, Geneiorhynehus, Hoplorhynchus und
'Actinocephalus scheinen keine Syzygien zu bilden, ebenso wurden auch
die Gattungen Stenocephalus, Botbriopsis, Dufouria, Pileocephalus und
Echinocephalus bis jetzt nicht in dauernden Vereinigungen beobachtet.
Das Gleiche gilt dann weiterhin noch von zahlreichen unsicheren Arten.
Dass diesen Formen die Copulation völlig fehle und die Eneystirung stets
in solitärem Zustand erfolge, hat die Beobachtung als nicht zutreffend er-
wiesen, da für einige derselben bekannt ist, dass sie sich copulirend
eneystiren; doch tritt in diesem Falle, wie es scheint, die Vereinigung
erst kurz vor der Eneystirung ein. Wie werden diese Fälle daher im
folgenden Abschnitt, welcher vom Encystirangsprocess handelt, näher
betrachten.
B. Die Encystirung.
Während Stein lehrte, dass die Eneystirung der Gregarinen durchaus
mit Copulation Hand in Hand gehe, d. h. dass sich stets zwei zur
Verschmelzung bestimmte Individuen gleichzeitig in eine gemeinsame
Cyste einhüllten, suchten seine Nachfolger zu erweisen, dass sich häufig
auch ein Einzelthier eneystire.
Schon 1849 suchte Bruch (19) dies für die sogen. Monocystis lumbriei (wahrscheinlich
M. agilis) zu erweisen und etwas später erklärte auch Lieberkühn (24), dass sich die Regen-
wurmgregarinen auch solitär zu encystiren vermögen. Den sicheren Nachweis dieser Angabe
wird man jedoch in seiner Arbeit vergeblich suchen. A. Schmidt (23) hat bei der von ihm spe-
ciell untersuchten Monocystis agilis gleichfalls nichts von einer Encystirung mit Copulation
beobachtet. Seine Mittheilungen über die Bildung der Cysten sind schr eigenthümlich und
scheinen in hohem Grade verdächtig, Es soll sich nämlich nicht eine ganze Gregarine en-
cystiren, sondern nur ein Theil des Gregarinenleibes, welcher sich als eine körnige Kugel ab-
schnüre,. Eine solche Abschnürung wurde einmal beobachtet und, wie Schmidt hervorhebt,
bei Wasserzusatz; es scheint mir daher gar nicht unwahrscheinlich, dass das ganze Phänomen
ein anormales war, hervorgerufen durch die zerstöürende Einwirkung des Wassers, Auch Ray
Lankester theilte 1863 mit, dass sich gelegentlich auch ein Einzelthier der Monocystis agilis
eneystire. In neuerer Zeit will sich dann weiterhin E. van Beneden überzeugt haben, dass
sich die Porospora gigantea stets isolirt encystire., Alle diese Angaben stützten sich je-
doch keineswegs auf thatsächliche Beobachtungen des Encystirungsprocesses und man kann
gegen sie mit Recht einwenden, dass sie nur die einzelnen beobachteten Stadien in geeigneter
Weise zu deuten versuchen. Dieser Einwand erscheint um so mehr berechtigt, als keiner
dieser Beobachter anscheinend eine so vollständige Reihe von Stadien des Encystirungsprocesses
dargestellt hat, wie dies Stein zum Beleg seiner Ansicht thun konnte,
Erst A. Schneider zeigte durch directe Beobachtung der Eneystirung
von Aetinocephalus Dujardini, dass hier unzweifelhaft eine solitäre En-
eystirung statthat, auch für seine Gattung Adelea scheint er denselben
Vorgang sichergestellt zu haben. Letztere Gattung schliesst sich aber
34 *
532 Gregarinida.
allem Anschein nach schon recht innig an die sogen. Coceidien an und
bei diesen dürfte nach allen Erfahrungen die solitäre Eneystirung
die Regel bilden, da bis jetzt in ibrer Lebensgeschichte kein An-
zeichen eines Conjugations- oder Copulationsprocesses aufgefunden wer-
den konnte. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass ein Copulations-
vorgang im Leben der Coceidien überhaupt niemals auftrete. Was wir
bis jetzt von der Lebensgeschichte dieser Formen wissen, ist keineswegs
vollständig genug, um das event. Auftreten eines derartigen Vorgangs
gänzlich auszuschliessen.
Werfen wir nun zunächst einen Blick auf den Vorgang der solitären
Eneystirung, wie er von Schneider bei Actinocephalus Dujardini mit
Sicherheit verfolgt wurde. Die Eneystirung beginnt hier mit einer Ver-
kürzung und Abrundung des Thierkörpers, namentlich wird das Hinter-
ende eingezogen und das Protomerit abgeflacht, bis schliesslich die reine
Kugelgestalt angenommen wird und die Abscheidung der Cystenhülle er-
folgt (T. 36. b—d). Die Trennungsgrenze zwischen Protomerit und
Deutomerit schwindet am zusammengekugelten Thier bald und ebenso
ist von dem Kern bald nichts mehr zu erkennen.
Zahlreicher sind nun aber die sicher beobachteten Fälle, wo sich zwei
copulirende Thiere gleichzeitig enecystirten. Stein-hat diesen Vorgang
hauptsächlich bei zwei Syzygien bildenden Arten genauer dargestellt,
einer Monoeystide, der Zygocystis cometa, und einer Polyeystide, der
Clepsidrina polymorpha (Greg. cuneata St... Beide Fälle halte ich für
durchaus sicher; für den letzteren kann ich die Angaben Stein’s bestätigen.
Die zusammenhängenden Thiere der Zygocystispaare rücken immer
inniger aneinander und ziehen sich halbkuglig zusammen, inden gleich-
zeitig der eigenthümliche Haarschopf eingezogen wird. Das mit breiter
Fläche zusammengelagerte Paar nimmt schliesslich Kugelgestalt an
und nun bildet sich eine beide Individuen gemeinsam umhüllende
Cystenhaut.
Dass dieser Encystirungsprocess von Zygocystis cometa eine sogen. Pseudoconjugation
darstelle, wie Schneider angibt, dass nämlich in seinem weiteren Verlaufe keine Verschmel-
zung der beiden Gregarinenkörper eintrete, sondern beide, durch eine Scheidewand getrennt,
gesondert zur Sporulation schritten, halte ich für ganz unbewiesen. Wenigstens bieten die
Stein’schen Angaben hierfür durchaus keinen Anhaltepunkt dar. Ich bin zwar keineswegs
überzeugt, dass die von Stein als weitre Entwicklungszustände seiner Zygocystiscysten be-
schriebnen Gystenbildungen thatsächlich in den Entwicklungskreis dieser Art gehören, indem
ich nämlich bis jetzt kein Mittel kenne, die Cysten des Regenwurmhodens specifisch zu unter-
scheiden und man bei ihrer Untersuchung geradezu in ein Labyrinth zu gerathen glaubt. Da-
gegen sind aber aus den Regenwurmhoden solche Pseudoconjugationsformen bis jetzt gar
nicht bekannt.
Wie schon früher angedeutet wurde, liegen jedoch aus neuerer Zeit
einige directe Beobachtungen über die mit Copulation sich vollziehende
Eneystirung gewisser Monocystideen vor. Giard (36) hat diesen Vorgang
direct unter dem Mikroskop (bei allmählicher Eintrocknung des Präparats)
an einer Monoeystis aus dem Darm von Amauroeeium beobachtet. Im
Fortpfl. d. fr. Gregariniden (Eneystirungsvorgänge). 533
Allgemeinen verlief derselbe ganz so, wie ihn Stein schon für die Zygo-
eystis erschlossen hatte, nur erfolgte hier die Vereinigung der beiden sich
eneystirenden Thiere erst kurz vor Eintritt der Eneystirung. Hierbei
zeigte sich jedoch noch eine eigenthümliche Erscheinung, welche wir
auch bei der Eneystirung gewisser Polyeystideen wiederfinden werden.
Die eopulirenden und sich zusammenkugelnden Thiere begannen nämlich
bald anhaltend von links nach rechts zu rotiren. Dies dauerte etwa eine
Stunde, worauf die Abkuglung sich völlig vollzogen hatte und die Aus-
scheidung der Cystenhülle erfolgte. In letzterer trat nach Schwinden der
Kerne bald völlige Verschmelzung der beiden Individuen ein. Auch
Hallez*) hat eine ähnliche Beobachtung bei der Monocystis der Planaria
fusca gemacht; hier schienen jedoch die beiden conjugirten Thiere der
Länge nach zusammengelagert und rotirten gleichfalls in einer bestimmten
Richtung. Die Eneystirung selbst wurde nicht beobachtet.
Bei den frühzeitiger Syzygien bildenden Polyeystideen wurde die ge-
meinsame Eneystirung der Paare gleichfalls in zwei Fällen ganz sicher
beobachtet. Zunächst bei der schon von Stein verfolgten Clepsidrina poly-
morphba. Hier liess sich zwar dieEneystirung nicht direet unter dem Mikro-
skop Sehritt für Schritt verfolgen, da man jedoch in geeigneten Fällen
sämmtliche Uebergangsstufen von den zusammenhängenden Paaren bis
zur ausgebildeten Cyste antrifft, so kann dennoch der Nachweis als
sicher erbracht bezeichnet werden. Die beiden Thiere eines Paares ver-
kürzen sich allmählich mehr und mehr, werden oval und schliesslich
kuglig; die Protomerite flachen sich dabei natürlich ganz ab und die
Grenze zwischen ihnen und den Deutomeriten scheint bald zu schwinden.
Hierauf pressen sich beide Individuen dicht zusammen, so dass sie zusammen
einen kugligen bis ellipsoidischen Körper bilden, um welchen nun die Aus-
scheidung der Cystenmembran erfolgt. Da sämmtliche jugendlichen, im Mittel-
darm befindlichen Cysten die beiden Individuen noch deutlich gesondert
wahrnehmen lassen, so darf hierin eine weitere Bestätigung der richtigen
Deutung dieses Vorgangs erblickt werden.
Schritt für Schritt unter dem Mikroskop wurde jedoch derselbe Vor-
gang bei der Clepsidrina Blattarum verfolgt (T. 35. 2a—d). Hier verkürzen
sich zunächst die beiden Individuen des sich zur Eneystirung anschickenden
Paares gleichfalls und werden etwas oval. Gleichzeitig ist die Syzygie
sehr beweglich und kriecht lebhaft umher. Allmählich nehmen die Indi-
viduen eine etwas schiefe Stellung zu einander an und beginnen nun be-
ständig in einem Kreis herumzukriechen, dessen Krümmung durch den
Grad der Schiefstellung der beiden Individuen bestimmt wird (2a). Die Schief-
stellung der beiden Individuen gegeneinander nimmt mehr und mehr zu
und in dem Maasse, wie dies geschieht, legen sie sich mit den dadurch
zur Berührung gebrachten gleichnamigen Längsseiten mehr und mehr an-
einander (2b), bis sich schliesslich beide der Länge nach völlig zusammen-
*) ÖOontrib. ä J'hist. nat. des Turbellaries, 1879.
534 Gregariuida.
gelegt haben und nun einen nahezu kugligen Körper bilden, der noch
beständig die frühere Drehbewegung ausführt und daher nach einer con-
stanten Richtung rotirt.
Die zusammengekugelten Thiere sind nun so gelagert, dass ihre Proto-
merite, welche noch deutlich, wiewohl ganz abgeflacht sind, die entgegen-
stehenden Pole der Kugel einnehmen (2e). Jetzt beginnt die Ausscheidung
der Cystenhülle innerhalb welcher die Rotation der conjugirten Individuen
noch ziemlich lange fortdauert. Auch bei dieser Art spricht die Wahr-
nehmung, dass in sämmtlichen Cysten des Mitteldarms die beiden Thiere
mit ihren Protomeriten noch deutlich beobachtet werden, dafür, dass hier
die eopulative Encystirung Regel ist.
Wie schon früher erwähnt wurde, hat man jedoch auch bei den-
jenigen Polyeystideen, welehe nicht frühzeitige Syzygien bilden, die En-
eystirung mit Copulation z. Th. beobachtet. Schon Stein führt ein solches
Beispiel auf, nämlich seinen: Stylorhynehus ovalis*). Hier sollen aber die
beiden copulirenden Individuen ziemlich gleich gerichtet nebeneinander
gelagert sein, sich allmählich abrunden und schliesslich gemeinsam en-
eystiren. An einer andern Stelle hebt er jedoch hervor, dass sich die mit
Haftapparat versehenen Gregarinen, nachdem sie diesen abgeworfen, ge-
wöhnlich in der Weise conjugirten, dass sich zwei Individuen mittels der
Köpfe innig aneinander schmiegten. Eine entsprechende Beobachtung
will auch Schneider bei dem Stylorbynchus oblongatus gemacht haben,
wo er nämlich häufig zwei mit den Protomeriten vereinigte Thiere traf
und nicht zweifelt, dass die Cysten durch Copulation zweier Individuen
ihren Ursprung nähmen. Diese Beobachtung, sowie die schon erwähnten
Wahrnehmungen bei der Conjugation der Monoeystideen mögen auch
Schneider zu dem Ausspruch veranlasst haben: es sei ein Gesetz, dass
die Copulation der Gregarinen stets mit den Vorderenden geschehe. Eine
solche Regel lässt sich keineswegs als allgemein verbreitet erweisen und
es scheint, dass Schneider wesentlich dieser vermeintlichen Regel zu Liebe,
die gewöhnliche Syzygienbildung der Polyeystideen nicht als solche gelten
lassen wollte. Ein Gegenstück zu der Copulation des Stylorbynchus
ovalis, die wir soeben auf Grund der Stein’schen Beobachtungen erwähn-
ten, hat Schneider noch bei seiner Dufouria agilis auf dem Objeetträger
verfolgt. Hierbei legen sich die Thiere in gleichnamiger Riehtung neben
einander und kugeln sich ab (T. 35. 11a); es liegen also die beiden Proto-
merite, abweichend von dem, was wir bei der Clepsidrina Blattarum sahen,
an einem Pol der Kugel nebeneinander. Ich bemerke noch nachträglich,
dass ich einmal auch eine Cyste der letzteren Form beobachtet habe,
welehe dasselbe Verhalten zeigte, ich konnte jedoch die Entstehungsart
derselben, im Gegensatz zu den gewöhnlichen, nicht sicher stellen.
*) Schneider hält den Stylorhynchus ovalis für eine Varietät der Clepsidrina polymorpha;
ich glaube, dass diese Auffassung nicht begründet ist, sondern dass er sich von dieser, gleich-
falls den Darm der Mehlkäferlarve bewohnenden Form specifisch wohl unterscheidet.
ee
en
Fortpfl. d. freien Gregariniden (Eneystirungsvorgänge. Bau der Öysten). 55
Indem wir nun nochmals einen Blick auf das seither über die Copu-
lation und Eneystirung der Gregarinen Mitgetheilte werfen, dürfen wir als
Resultat unsrer Betrachtung zusammenfassend hervorheben: dass einmal
die solitäre Eneystirung sowohl für gewisse Mono- wie Polyeystideen er-
wiesen ist, dass jedoch weiterhin eine ziemliche Zahl von Gregariniden
aus beiden Abtheilungen copulative Eneystirung aufweist. Für gewisse
Polyeystideen scheint letztere nach unsern heutigen Erfahrungen geradezu
Regel zu sein. Inwiefern sich solitäre und copulative Eneystirung bei
einer und derselben Form gleichzeitig findet, ist eine heutzutage noch
kaum näher berührte Frage. Die copulative Enceystirung selbst verläuft
aber entweder in der Weise, dass 1) die beiden Individuen sich mit ihren
gleichnamigen Enden vereinigen und kuglig abrunden, oder 2) sich mit
ihren Längsseiten zusammenlegen und ähnlich abrunden, wobei dann
wieder entweder die beiden Exemplare sich in gleichgerichteter oder aber
in umgekehrter Stellung befinden können.
Wie schon früher erwähnt wurde, schreibt van Beneden (32, 34) auch
seiner Porospora gigantea solitäre Eneystirung zu und erklärt sich die
Entstehung der häufig zu beobachtenden Cysten, deren Inhalt aus zwei
kugligen, anscheinend kernlosen Körpern besteht, wie frühere Forscher
und Schneider durch eine nachträgliche Theilung der encystirten Grega-
rina. Seine Angaben über diesen Theilungsvorgang lauten so bestimmt,
dass sich kaum ein Zweifel dagegen erheben lässt. Höchst merkwürdig
erscheint jedoch nach Beneden’s Schilderung das weitere Verhalten dieser
Cysten mit getheiltem Inhalt und findet bis jetzt kein Analogon bei einer
anderen Form. Nach ihm zerfällt allmählich die dicke ursprüngliche
Cystenhülle und jedes Theilstück bildet eine neue Cystenhaut. Hiermit
ist jedoch die Vermehrung der Cysten nicht abgeschlossen, es kann in
gleicher Weise eine nochmalige Theilung der beiden Cysten zweiter Gene-
ration zu vier Cysten dritter Generation stattfinden (T. 36. 4b—d). Aus
dem Zerfall der früheren Cystenhüllen soll eine durchsichtige Masse her-
vorgehen, welche sämmtliche, durch Theilung einer primären Cyste her-
vorgegangnen secundären einschliesse.
C. Gestalt der ÖÜysten und Beschaffenheit der Cystenhüllen,
Die Gestalt der Cysten ist meist eine völlig kuglige, seltner, jedoch
bei gewissen Formen regelmässig, eine ellipsoidische bis eiförmige. Die
Grösse der Cysten ist selbst bei derselben Art ansehnlichen Schwankungen
unterworfen, was hauptsächlich daher zu rühren scheint, dass die En-
eystirung auf ziemlich verschiedner Wachsthumsstufe einzutreten vermag.
Wie auch schon Schneider hervorhebt, scheint die Cystenhülle fast
immer eine Neubildung durch Ausscheidung zu sein und sich nicht etwa,
wie dies früherhin von Stein und auch noch von Giard für die Mono-
eystideen dargestellt wurde, aus der ursprünglichen Cutieula herzuleiten.
Mir ‚machte es sogar den Eindruck, als wenn die Cuticula der sich
eneystirenden Paare von Clepsidrina Blattarum schon bei der Zusammen-
536 Gregarinida.
kuglung nicht mehr deutlich bemerkbar wäre, wogegen sich jedoch Stein
bei der Cl. polymorpha noch nach vollzogner Eneystirung von der Gegen-
wart der Cuticula an den beiden eingeschlossnen Individuen überzeugen
konnte. Weiterhin lässt sich jedoch die allmähliche Ausscheidung der
Cystenhülle unter dem Mikroskop direct verfolgen und für die besondre
Natur der Cystenhülle spricht auch der Umstand, dass sie zuweilen durch
eigenthümliche Seulpturverhältnisse ausgezeichnet ist. Bei der kleinen
Adelea soll nach Schneider die Cystenhaut unterhalb der Cuticula ab-
geschieden werden.
Soweit bis jetzt bekannt, scheint die Cystenhaut der Monocystideen
gewöhnlich eine einfache, nicht sehr dieke Membran zu sein. Doch lässt
sich aus einigen Beobachtungen Lieberkühn’s schliessen, dass sich bei
den Monoeystideen des Regenwurms unterhalb dieser ersten Hülle zu-
weilen noch eine zweite ausbilden kann*). Eine gallertige, äusserste Hüll-
schicht, wie sie sich bei zahlreichen Polyeystideen findet, scheint bis jetzt
unter den Monocystideen nur bei der Gattung Gamocystis beobachtet
worden zu sein (34.2b, g). Dagegen ist, wie gesagt, eine solche äussere
gallertartige Hülle bei den Cysten der Polyeystideen recht verbreitet und
sie tritt, wie zu erwarten, und auch die Beobachtungen an Ülepsi-
dıina Blattarum direet erweisen, bei der Ausscheidung der Cystenhüllen
zuerst auf. Diese Gallerthülle ist so durchsichtig, dass ihre äussere
Grenze nur durch die anklebenden Fremdkörperchen bezeichnet wird.
Besonders ansehnlich ist sie bei den Angehörigen der Gattungen Clepsi-
drina (35.4), Bothriopsis, Dufouria und, wie schon erwähnt, auch bei der
monocystiden Gamocystis. Jedoch bietet die Dieke dieser Schicht bei einer
und derselben Art vielfache Variationen; so erreicht sie z. B. bei der Clepsi-
drina Blattarum häufig eine dem Durchmesser der Cyste entsprechende Dicke,
ja z. Th. noch mehr, bleibt dagegen andrerseits zuweilen wieder sehr schmäch-
tig, ja kann sogar gelegentlich gar nicht zur Ausbildung kommen. Bei einer
Reihe von Polyeystideen ist die Gallerthülle nach Schneider’s Angaben
stets sehr wenig entwickelt, so z. B. Actinocephalus und Pileocephalus,
bei Stylorhynchus fehlt sie völlig, — Nach den Beobachtungen dieses
Forschers zeigt sie zuweilen eine zarte, concentrische Streifung, also einen
geschichteten Bau.
Ohne das eigentlich zu bezweifeln, glaube ich doch aus weiter unten noch genauer aus-
zuführenden Gründen, dass hier zum Theil ein Irrthum vorwaltet, indem die Gallert-
schicht mit der gleich zu besprechenden eigentlichen Cystenhülle verwechselt wurde. Dies
scheint mir z. B. sehr wahrscheinlich für die Cysten der Gatt. Echinocephalus, wo sich auf
der Abbildung um die sogen. gestreifte Gallertschicht noch eine schwache durchsichtige
Schicht dargestellt findet, welche ganz den Eindruck der eigentlichen Gallertschicht macht.
Auch die bei Euspora erwähnte, gestreifte Gallertschicht scheint mir in ihrer Bedeutung etwas
zweifelhaft.
*), Auch Waldenburg spricht von doppelten Hüllen der Regenwurmeysten, jedoch sind
die Beobachtungen sehr wenig vertrauenerweckend. Die innre Hülle soll zuweilen kernhaltig
sein, die äussre aus Zellen zusammengesetzt. (Siehe Nr. 63.)
Fortpfl. d. freien Gregariniden (Bau d, Cysten; sogen, Pseudoconjugation). 537
Unterhalb dieser Gallertschieht, oder wo eine solche fehlt ohne weitere
Bedeekung, kommt bei den Polyeystideen die eigentliche Cystenhaut zur Aus-
bildung, eine mehr oder weniger dieke, scharf eontourirte Membran, welche
sich gewöhnlich durch starke Rlastieität auszeichnet, indem sie sich bei Ver-
letzungen häufig sehr stark eontrabirt und durch diese Fähigkeit späterhin
auch zur Entleerung des Cysteninhalts beiträgt (ch der Figg., vergl. T. 35.
2d, 3,4 ete.). Gegen das Eindringen von Wasser bietet diese Hülle den Cysten
Sehutz, da die Entwicklung im Wasser ungestört weiter schreitet. Ist diese
eigentliche Cystenhülle dieker, so scheint sie gewöhnlich einen deutlich ge-
schichteten Bau aufzuweisen, wie z. B. bei der Porospora gigantea (36.4) und
wahrscheinlich auch den oben erwähnten Gattungen Euspora und Echinoce-
phalus. Bleibt sie dagegen dünner, wie meist bei den Cysten der Clepsi-
dıina, so zeigt sie an den intaeten Cysten von einem geschichteten Bau ge-
wöhnlich nichts deutliches. Wird aber die Cystenhaut angerissen, so zieht sie
sich unter Verdiekung stark zusammen und der geschichtete Bau tritt nun
auch hier sehr deutlich hervor (35. 4).
Aus den Angaben Schneider's scheint, wie bemerkt, hervorzugehen, dass er diese Verhält-
nisse nicht richtig aufgefasst hat; er betrachtet nämlich die zusammengezogne und nun stark ver-
dickte, concentrisch gestreifte eigentliche Cystenhülle als die contrahirte Gallertschicht auf; dass
letztere Auffassung jedoch nicht zutrifft, ergibt sich sofort daraus, dass diese Umbildung der
eigentlichen Cystenhülle durch Zusammenziehung auch dann eintritt, wenn eine Gallerthülle,
wie dies zuweilen der Fall ist, völlig fehlt.
Besondre Sceulpturverhältnisse der eigentlichen Cystenhülle sind bis
jetzt nur von der Gattung Stylorhynchus bekannt; hier ist die Aussen-
fläche derselben entweder mit kleinen Tuberkeln besetzt oder zeigt eine
retikuläre Zeichnung, welche von dicht gedrängten kleinen und vertieften
Areolen hervorgerufen wird (37.4 u.5).
Ausser der eben näher beschriebnen Cystenhülle soll nach Schneider
bei Clepsidrina und zahlreichen weiteren Geschlechtern noch eine zweite,
innere existiren. Bei Clepsidrina findet sich thatsächlich noch eine solche
innerste zarte Hülle, welche die später zu betrachtenden Sporoducte trägt
und daher erst bei deren Besprechung genauer geschildert werden soll.
Eine genauere Darstellung dieser zweiten Hülle fehlt bei Schneider, so
dass sich auch nicht näher angeben lässt, wie sie sich bei denjenigen
Geschlechtern verhalten mag, die keine Sporoducte erzeugen.
Nur bei der Ölepsidrina ovata hat Schneider (38) die Bildung einer zweiten Hülle
genauer geschildert, welche hier jedoch nichts mit den Sporoducten zu thun haben soll. Nach
Bildung dieser zweiten Hülle soll sich die erstentwickelte auflösen oder doch sehr undeutlich
werden. Im Verlaufe der weiteren Entwicklung der Cyste nimmt diese neue Hülle ein eigenthüm-
lich retikuläres Aussehen an und soll schliesslich gewöhnlich auch zu Grunde gehen. Die
Sporoducte sollen hier von einer dritten innersten nachträglich gebildeten Hülle ausgehen. Ich
möchte vermuthen, dass diese Darstellung nicht dem wahren Sachverhalt entspricht, da Schneider
über diese Verhältnisse zu damaliger Zeit (so z. B. über die Bildung der Sporoducte) noch
sehr im Unklaren war.
Die soeben besprochnen Eneystirungsprocesse verliefen sicher oder
doch sehr wahrscheinlich mit Copulation. Interessanter Weise liegen je-
doch einige Beobachtungen vor, welche es schr wahrscheinlich machen,
538 Gregarinida.
dass die beiden Individuen einer Syzygie trotz gemeinsamer Encystirung
der letzteren, zuweilen nicht mit einander verschmelzen, sondern getrennt
sporuliren. Man begegnet nämlich zuweilen Cysten von Monoeystideen
mit zwei eingeschlossnen Gregarinenindividuen, die sonder Zweifel aus
der Eneystirung einer Syzygie hervorgegangen sind, in welchen die bei-
den Individuen durch eine die Cyste mitten durchziehende Scheidewand
getrennt sind (T. 34. Sa—e).
Jedes der beiden Individuen bildet hierauf seine Sporen gesondert
von denen des andern, nur gegen Ende des Sporenbildungsprocesses soll
nach Schneider die Scheidewand zuweilen einreissen, worauf sich die
Sporen beider Individuen vermischen. Einen hierhergehörigen Fall hat
schon Kölliker bei seiner Monoeystis Saenuridis geschildert und abgebildet
(s. T. 34. 8).
Schneider, welcher gleichfalls solche Cysten beobachtet zu haben
scheint, bezeichnet den Vorgang als Pseudoconjugation. Auch von
Vedjovsky (Beiträge zur vergl. Morphologie der Anneliden, Prag 1879)
wurde ein Fall von Pseudoconjugation bei seiner Gonospora Pachydnili
beschrieben.
Jedenfalls besitzt diese Erscheinung ein hohes Interesse, wenn mir
auch zur Zeit nicht ausgemacht erscheint, ob zwischen den beiden Indi-
viduen der sich encystirenden Syzygie nicht doch ein vorübergehender
conjugativer Zusammenhang und Austausch stattfindet, welcher für die
Sporulation von Bedeutung ist.
D. Die Sporulation (Bildung der Sporen).
Sporenbildung wurde bis jetzt mit Sicherheit nur bei encystirten Gre-
gariniden beobachtet. Es liegen zwar einige Angaben vor über gelegent-
liche Sporulation im Innern nicht eneystirter Formen; bis jetzt genügen
dieselben jedoch meiner Ansicht nach nicht, um diesen Vorgang ausser
Zweifel zu stellen. So will Clapar&de (28) in einer nicht encystirten Mono-
eystis aus Phyllodoce zahlreiche Sporen beobachtet haben, doch halte ich
es bis jetzt für nicht hinreichend erwiesen, dass die im Entoplasma dieser
Gregarine beobachteten länglichen Körperchen mit einseitiger mittlerer An-
schwellung wirklich Sporen waren (T.34.12au.b). Lieberkühn (30) fand 1865
in Regenwürmern Ballen von nicht in Cysten eingeschlossnen Sporen und
kam deshalb gleichfalls zur Ansicht, dass die Sporulation auch im nicht
eneystirten Zustand geschehen könne; endlich glaubte sich Gabriel (46)
überzeugt zu haben, dass die Sporenbildung einer Gregarine aus Julus
sabulosus (? Stenocephalus Juli Schnd.) ohne Eneystirung vor sich gehe.
Bei den Monocystideen vollzieht sich die Weiterentwicklung der Cysten
häufig im Innern des Parasitenkörpers, am Orte ihrer Bildung. So im
Hoden oder in der Leibeshöhle bei den Monocystideen der Regenwürmer,
dasselbe gilt für die Cysten des Tubifexhodens, die Gattung Adelea und
zahlreiche Coeeidien. Andrerseits dürfte jedoch auch bei zahlreichen
Fortpflanzung der freien Gregariniden (Sporulation). 539
Monoeystideen der Verdauungsorgane, ähnlich wie dies für die meisten
Polyeystideen der Fall zu sein scheint, die Weiterentwieklung der Cyste
erst nach ihrer Entleerung mit dem Kothe des Parasitenträgers erfolgen.
Es kommt jedoch, wenn auch nur selten, bei den Polycystideen der Insecten vor, dass
die Cysten ihre Weiterentwicklung bis zur Reife im Darm des Parasitenträgers durchlaufen ;
v. Siebold beschrieb diesen Fall von der Gregarine einer Sciaralarve, Stein von der Gregarina
Reduvii des Reduvius personatus. Im ersteren Fall wurden sogar freie Pseudonavicellen
(Sporen) massenhaft in dem Darm angetroffen. Da sich die entleerten Öysten in feuchtem
Koth oder im Wasser weiterentwickeln, so wird auch wohl ihrer Reifung und schliesslichen
Entleerung im Insectendarm nichts im Wege stehen, wenn ihre Abfuhr durch irgendwelche
Umstände verzögert wurde. Eine normale Weiterentwicklung der Polyeystideencysten im Darm
ihres Parasitenträgers wird möglicherweise bei der Porospora gigantea des Hummers gefunden,
da sich die Cysten hier unterhalb der Darmeuticula finden; ihre Weiterentwicklung an diesem
Ort ist jedoch bis jetzt noch nicht verfolgt worden.
Die Vorgänge der Sporenbildung in den Gregarineneysten bieten
trotz zahlreicher einschlägiger Untersuchungen noch so viel des Unklaren
dar, dass es schwer fällt, davon ein kurzes und präecises Bild zu ent-
werfen. Solitäre oder copulative Eneystirung scheint hierbei keine wesent-
lichen Unterschiede hervorzurufen, jedoch dürften hierüber erst genauere
Aufschlüsse von zukünftigen Untersuchungen zu erwarten sein.
Allgemein sicher gestellt erscheint zunächst, dass kurze Zeit nach
vollzogner Encystirung (und dies bei beiden Arten dieses Vorgangs), der
Kern (resp. die beiden Kerne der Copulanten) sehr undeutlich wird, sich
schliesslich dem beobachtenden Auge ganz entzieht, und nach Zerquet-
schen der Cysten in dem ausgebreiteten Cysteninhalt nicht mehr auf-
gefunden wurde. Wesentliche Umbildungen lassen sich nach der En-
eystirung schon an den noch vorhandnen Kernen z. Th. constatiren,
da dieselben bei Clepsidrina Blattarum die Nucleoli ganz verloren baben
und auch an Grösse redueirt erscheinen.
Aus diesen Wahrnehmungen ist seither allgemein der Schluss gezogen worden, dass die
Kerne nach der Eneystirung durch Auflösung völlig zu Grunde gehen. Inwiefern jedoch diese
Ansicht nach den heutigen Ansichten über die Nuclei und ihre Bedeutung noch gerechtfertigt
erscheint, werden erst erneute Untersuchungen der undurchsichtigen Gregarineneysten lehren
können. Die Möglichkeit einer Fortexistenz der Kerne liegt um so näher, da es wenigstens
bei einer Form bis jetzt geglückt ist, auf späteren Entwicklungsstufen der Cysten zahlreiche
Kerne im Cysteninhalt aufzufinden.
Hinsichtlich der Entwiceklungsprocesse der Sporen oder Pseudonavi-
cellen sind nicht weniger wie drei verschiedne Modi allmählich nach-
zuweisen versucht worden, ja diese drei Bildungsweisen sollten sich so-
gar bei einer und derselben Form gleichzeitig vorfinden.
Zunächst muss hervorgehoben werden, dass alle Beobachter der sogen.
copulativen Eneystirung die Ansicht aussprachen, dass die beiden zu-
sammen encystirten Gregarinenleiber sehr frühzeitig, schon kurze Zeit
nach vollzogner Eneystirung und bevor die Bildung der Sporen einge-
treten sei, mit einander völlig verschmölzen. Dieses ist nun keineswegs
immer der Fall, sondern die Sporenbildung tritt z. Th. schon zu einer
Zeit ein, wo die beiden Individuen noch nicht verschmolzen sind. Die
540 Gregarinida.
früheste Ansicht über die Hervorbildung der Sporen aus dem encystirten
Gregarinenleib wurde wohl von Kölliker ausgesprochen, welcher auf Grund
seiner Beobachtungen an den Cysten von Monoeystis Saenuridis ver-
muthete, dass sie wohl durch einen der Eifurchung ähnlichen Vorgang
entstünden. Dieselbe Ansicht hat dann Bruch für die Cysten des Regen-
wurmhodens geltend zu machen versucht.
Kölliker's Beobachtung ist für unsre Frage wenig beweisend, er sah nur bei gewissen
Cysten den früher ungetheilten Inhalt zu einer grösseren Anzahl körniger Kugeln zerfallen
(34.8c), während bei andern eine noch grössere Zahl runder jugendlicher Pseudonavicellen vor-
handen war (Sd). Wie jedoch dieser Zerfall sich vollziehe, ob durch successive oder durch simul-
tane Theilung und ob namentlich zwischen den jugendlichen Pseudonavicellen sich nicht viel-
leicht noch ein Rest unzerfallenen Cysteninhalts befand, lässt sich aus seinen Beobachtun-
gen durchaus nicht entnehmen. Nach Bruch soll sich ein etwas unregelmässiger Furchungs-
process am Inhalt der Monocystiscyste, der nach ihm, da er aus einem einfachen Thier her-
vorging, zunächst einheitlich ist, vollziehen. Man treffe zunächst Cysten mit zweigetheiltem
Inhalt, dann solche mit mehrgetheiltem und schliesslich solche mit 30 und mehr kugligen
und isolirten Körnerhaufen. Wenn diese Zerfallsproducte eine gewisse Kleinheit erreicht
haben, soll das Ganze wieder ziemlich „homogen“ aussehen, sich an den Rändern aufhellen
und nun eine Menge runder, feinkörniger Bläschen in sich entwickeln, welche sich schliesslich
auf Kosten der Körnermasse zu den Sporen entwickeln.
Auch Lieberkühn glaubt diesen Modus der Sporulation bei derselben
Form bestätigt zu haben, seine Ausdrucksweise ist jedoch zu charakte-
ristisch, als dass wir dieselbe hier nicht wörtlich anführen sollten; er be-
merkt nämlich, nachdem er diesen Process mit wenig Worten erwähnt
hat: „ainsi il n’y a rien ä dire contre l’opinion que par la division con-
tinue des Gregarines se forment finalement les psorospermies.‘“ Vergeb-
lich sucht man jedoch sowohl bei Bruch wie bei Lieberkühn nach einem
sichern Nachweis dieses Furchungsprocesses, Ganz abgesehen davon,
dass nicht einmal ein Theilungsaet direet beobachtet wurde, ist nament-
lich beim Studium der Lieberkühn’schen Abbildungen sehr auffallend,
dass nicht eine derselben einen Zustand darstellt, wo mehr wie zwei
Zerfallskugeln vorhanden wären, ohne dass gleichzeitig schon jugendliche
oder auch ausgebildete Pseudonavicellen anwesend sind. Solche Zustände
müssten doch recht häufig sein, wenn sich die Entwicklung in der be-
schriebnen Weise vollziehen würde.
Die so bestimmten Angaben Bruch’s lassen sich jedoch vielleicht in
der Weise erklären, dass er, bei schwachen Vergrösserungen unter-
suchend, die in den Cysten schon anwesenden Pseudonavicellen über-
sehen hat.
Einen zweiten Modus der Pseudonavicellenbildung scheint sich Lieber-
kühn in der Weise vorzustellen, dass sich einzelne der körnigen Zerfalls-
haufen durch Verlust ihrer Körner aufhellen und nun in ihrem Innern
Pseudonavicellen zur Entwieklung bringen. Ich muss gestehen, dass mir
dieser Modus höchst unwahrscheinlich und unbewiesen erscheint.
Wir gelangen nun zu dem dritten Modus, welcher zuerst von Lieber-
kühn sicher erwiesen wurde, der sich jedoch auch mit den Stein’schen
u
Fortpfl. d. freien Gregariniden (Sporulation b. Monoecystis). 541
Angaben über die Entwicklung der Regenwurmeysten in Einklang bringen
lässt. Dieser Modus besteht nämlich darin, dass an der Oberfläche der
beiden Körnerkugeln, welche gewöhnlich in den jugendlichen Cysten ge-
troffen werden, allseitig helle protoplasmatische Tropfen hervorsprossen
(sogen. Sporoblasten Schn.), die sich schliesslich ablösen und nun kleine
kuglige Plasmakörper darstellen, welche sich weiterhin zu den Pseudo-
navicellen entwickeln (33.4b—e). Eine solehe Knospung jugendlicher Pseudo-
navicellen kann entweder gleichzeitig an beiden Kugeln vor sich gehen
oder zuerst an der einen, später erst an der anderen. Nach Lieberkühn
sollen sich nun die so gebildeten Sporoblasten auf Kosten der körnigen
Binnenkugeln noch vermehren können und schliesslich soll man auch
Cysten finden, in welchen die Reste des körnigen Gregarinenkörpers gänz-
lich geschwunden sind. Der letzterwähnte Bildungsvorgang der Sporo-
blasten, welcher auch durch die Beobachtungen von A. Schmidt und
R. Lankester bestätigt wurde, scheint mir nun bis jetzt allein für die
Monocystiden des Regenwurms wirklich sichergestellt zu sein.
Hierbei erhebt sich jedoch noch die Frage nach der Herkunft jener zwei körnigen
Kugeln, welche sich so gewöhnlich in den jugendlichen Cysten finden. Nach Bruch und
Lieberkühn sollen dieselben wahrscheinlich durch eine erstmalige Theilung des encystirten
Gregarinenleibs entstanden sein. Mit Stein’s Angaben harmoniren sie auch nicht recht, da er
die sich copulirenden Thiere noch vor der Erzeugung der Pseudonavicellen verschmelzen lässt.
Ohne hier entscheiden zu wollen, ob diese Kugeln durch Theilung einer solitär encystirten
Gregarine oder eines copulirten Paares hervorgegangen sind, oder ob sie endlich zwei noch
nicht verschmolzne, copulirte Thiere darstellen, glaube ich doch hervorheben zu müssen, dass
ich die letztere Ansicht für die wahrscheinlichste halte und dies hauptsächlich deshalb, weil
ein wirklicher Theilungsact noch gar nie beobachtet wurde. Weiterhin jedoch auch deshalb,
weil wir auch bei den Polyeystideen z. Th. die Pseudonavicellen vor vollendeter Copulation
hervorknospen sehen werden.
Nach dem soeben Erörterten dürfen wir uns von dem wahrschein-
lichen Verlauf der Sporulation bei den Monocystideen des Regenwurms
etwa folgende Vorstellung machen. Die Sporulation geschieht dadurch,
dass auf der Oberfläche des solitär eneystirten oder der beiden noch nicht
verschmolznen copulativ eneystirten Thiere helle plasmatische Zellen her-
_ vorknospen, welche sich ‘schliesslich ablösen und frei werden und nun
gewöhnlich in einer Schicht peripherisch unterhalb der Cystenhülle an-
geordnet sind. Der bei der Sporulation unverbrauchte körnige Rest des
oder der Gregarinenkörper zerfällt nun in eine wechselnde Zahl ver-
schieden grosser kugliger oder unregelmässig gestalteter Körper, vielleicht
nachdem vorher eine Verschmelzung der beiden Körper (bei copulativer En-
eystirung) stattgefunden hat (33. 4d—e). Diese Reste der ursprünglichen
Gregarinenkörper haben keine weitere Bedeutung, wie es scheint. In ihrem
Innern treten gewöhnlich mehr oder minder ansehnliche Vacuolen auf und
häufig sieht man von ihrer Oberfläche protoplasmatische Fadennetze ent-
springen, welche das Innere der Cyste bis zu deren Wänden durchsetzen (33.41).
Da diese Körper im Allgemeinen den Eindruck machen, als seien sie zum
allmählichen Untergang bestimmt, so scheint es auch nicht unwahrschein-
lich, dass sie zuweilen vollständig zerstört werden.
542 Gregarinida,
Wie im Obigen schon mehrfach angedeutet wurde, soll durch diese
Schilderung keineswegs der letztbeschriebne Modus, als der bei den
Monoeysten der Regenwürmer alleinherrschende, hingestellt werden.
Möglich, dass auch ein Sporulationsprocess durch fortgesetzte oder simul-
tane Theilung des ganzen Cysteninhalts sich findet, was nicht unglaub-
lich erscheint, da man auf Öysten trifft, die dieht und gänzlich mit Pseudo-
navicellen angefüllt scheinen; bis jetzt kann ich jedoch nur den letzt-
geschilderten Modus als einigermaassen sichergestellt anerkennen. Es
darf jedoch andrerseits auch als sicher betrachtet werden, dass bei einer
ziemlichen Zahl Gregarinengeschlechter, und zwar sowohl Monoecystideen '
wie Polyeystideen, der ganze Cysteninhalt zur Bildung der Sporen ver-
braucht wird, sich also ein vollständiger Zerfall zu Sporoblasten findet.
Schneider wenigstens schreibt eine solche „complete Sporulation“, wie er
sich ausdrückt, nicht weniger als neun der von ihm beschriebnen Ge-
schlechter zu (zwei Monoeystideen und sieben Polyeystideen), weiterhin
scheint aber dieser Process der Sporulation auch bei den Coceidien
durchaus zu herrschen. Es ist daher sehr zu bedauern, dass wir bis
jetzt nicht von einer einzigen Form mit completer Sporulation über das
Nähere des Sporenbildungsprocesses unterrichtet sind. Schneider erwähnt
diesen Vorgang der completen Sporulation in seiner allgemeinen Dar-
stellung mit keinem Wort und gibt ebensowenig bei der Specialbeschrei-
bung ein Bild davon. Auch diejenigen Sporulationsprocesse, welche seine
Untersuchungen genauer kennen gelehrt haben, sind durchaus Knospungs-
processe, bei welchen der grössre Theil des encystirten Leibes nicht in
den Sporenbildungsprocess eingeht. Es sind die Gattungen Stylorhynchus,
Clepsidrina, Gamocystis und Euspora, von denen wir etwas Näheres über
diesen Vorgang erfahren haben. Bei diesen Formen (speciell Stylorhyn-
chus und Clepsidrina) soll sich nach Schneider der Cysteninhalt zunächst
in zwei gleich grosse Halbkugeln theilen, welche nach einiger Zeit wieder
mit einander verschmelzen, worauf die Sporulation beginne. Diesen Vor-
gang halte ich für unwahrscheinlich. Einmal hat Schneider, wie mir
scheint, den Theilungsact selbst nie gesehen, sondern nur erschlossen,
andrerseits muss ich mit Bestimmtheit behaupten, dass wenigstens für
Olepsidrina polymorpha und Blattarum beide Halbkugeln nicht einem
Theilungsact ihre Entstehung verdanken, sondern die beiden copulativ
encystirten Individuen eines Paares sind. Die genaue Verfolgung des
Entwicklungsgangs der Cysten von Clepsidrina Blattarum lässt durchaus
nichts von einem solchen Theilungsaect wahrnehmen. Da Schneider weiter-
bin auch für Stylorhynchus die copulative Encystirung sehr wahrschein-
lich gemacht hat, möchte ich auch bei dieser Form die beiden Halbkugeln
in gleicher Weise deuten,
Wie gesagt, erfolgt nach Schneider die Knospung der Sporen bei den
obenerwähnten Gattungen nach der Verschmelzung beider Halbkugeln,
also wie wir es auffassen, nach vollzogner Copulation. Auch dieser Vor-
gang ist wenigstens für die Clepsidrina Blattarum nicht richtig, da bei
Fortpfl. d. freien Gregariniden (Sporulation b. Polyeystideen). 543
dieser die Knospung schon an der Oberfläche der noch nicht verschmolz-
nen beiden Individuen eintritt, wobei wir es zunächst unentschieden lassen
müssen, inwiefern vielleicht schon eine theilweise Vereinigung auf der
Berührungsfläche derselben stattgefunden hat. Jedenfalls ist bei dieser
Form die Trennungslinie der beiden Individuen während des Sporu-
lationsactes noch deutlich sichtbar.
Die Knospung geschieht bei Stylorbynchus äbnlich wie bei der Mono-
eystis des Regenwurms, indem die jugendlichen Sporen als helle durchsich-
tige Plasmaperlen von der Oberfläche hervorsprossen (37.3b). Bei Clepsidrina,
Euspora und Gamocystis dagegen scheinen die Sporoblasten von Anfang
an dicht gedrängt hervorzusprossen, so dass sie eine cylinderepithelartige
Schicht auf der Oberfläche des Cysteninhalts bilden (35. 3). Von der Fläche
betrachtet erscheint diese Sporoblastenschicht mosaikartig (nach Schneider),
oder etwa wie ein aus sehr kleinen Zellen bestehendes Blastoderm. Jeden-
falls dürfte sich auch der ganze Process der Sporenbildung dem der
Blastodermbildung bei den Insecten am nächsten vergleichen lassen. Ob
sich hierbei, wie Schneider will, ursprünglich eine Protoplasmaschicht auf
der Oberfläche findet, welche gleichzeitig in ihrer ganzen Ausdehnung in
die Sporoblasten zerfällt, oder ob diese mehr allmählich entstehen und
sich erst später mehr zusammendrängen, halte ich noch für unentschieden.
— Von grössrer Wichtigkeit ist aber, dass sich bei Clepsidrina Blattarum
im oberflächlichen Plasma des Cysteninhalts, kurz vor Eintritt der Sporu-
lation, eine grosse Anzahl kleiner Kerne nachweisen lässt und dass auch
die Sporoblasten dieser Form einen deutlichen kleinen Zellkern besitzen.
Ein sehr eigenthümliches Verhalten zeigt sich bei der Gattung Stylo-
ıhynchus nach dem Hervorsprossen der Sporoblasten. Diese letzteren
sind ursprünglich kleine, sphärische Plasmakörper; sehr bald strecken sie
sich jedoch in die Länge, werden spindelförmig und beginnen nun leb-
hafte Contractionsbewegungen auszuführen, indem sie sich abwechselnd
verkürzen und wieder strecken, gleichzeitig bewegen sie sich aber auch
oscillirend, indem ihr inneres Ende sich auf die Oberfläche des Cysten-
inhalts stützt, das nach aussen gerichtete dagegen frei hin und her-
schwingt (37.3c). Dies Verhalten der Sporen ruft das Bild einer wimmelnden
Durcheinanderbewegung derselben hervor. Nur bei der erwähnten Gattung
ist diese Erscheinung bis jetzt beobachtet worden.
Kurz nach Entwicklung der Sporoblasten erfolgt bei Clepsidrina
(wenigstens Cl. Blattarum) die völlige Verschmelzung der beiden bei der
Sporulation nicht verbrauchten Reste der copulirenden Individuen und
nun tritt eine Wanderung der Sporen ein, welche in dieser Gat-
tung allgemein vorzukommen scheint, da sie auch Schneider bei den
von ihm untersuchten Clepsidrinen beobachtete. Die Sporen ziehen sich
nämlich von der Oberfläche in das Innre des bei der Verschmelzung ent-
standnen körnigen Cysteninhalts zurück, in dessen Centrum sie sich zu
einem Haufen ansammeln (35. 2e). Damit klärt sich denn auch das Centrum
beträchtlich auf, da die Sporen ja aus ganz durehsichtigem Protoplasma
544 Gregarinida,
bestehen. In welcher Weise diese Wanderung sich vollzieht, ob
namentlich die Sporen hierbei durch active Beweglichkeit mitwirken,
konnte bis jetzt noch nicht festgestellt werden.
Bevor wir zur Betrachtung der weiteren Ausbildung und des Baues
der reifen Sporen oder Pseudonavicellen übergehen, empfiehlt es sich,
zunächst die eigenthümlichen Einrichtungen kennen zu lernen, welche
sich bei gewissen Formen entwickeln, um die Oeffnung der reifen Cysten
und die Ausstreuung der Sporen zu bewirken oder doch zu unterstützen.
Derartige Einrichtungen zur Ausstreuung der Sporen sind bis jetzt nur
bei einer Monocystidee und zwei Polyeystideengattungen aufgefunden
worden. Bei den übrigen Formen geschieht die Eröffnung der Cysten
durch einfache Sprengung der Hüllen und Hervortritt des Inhalts. Bei
einigen Gattungen wenigstens wird hierbei ohne Zweifel die sehr elastische
und stark gedehnte, eigentliche Cystenhülle durch ihre nach dem Ein-
reissen erfolgende starke Contraction zur Austreibung des Inhalts bei-
tragen.
Schneider glaubt das Aufspringen der Cysten in diesen Fällen auf eine allmähliche
Volumzunvahme des Cysteninhalts zurückführen zu müssen und bezieht sich dabei auch auf
Stein, welcher schon vor langer Zeit angab, dass das Aufspringen durch die Auflösung des
bei der Sporulation nicht verwendeten Cysteninhalts unterstützt werde; dabei ist jedoch nur
nicht recht abzusehen, wie ein solcher Vorgang bei den Formen mit sogen. completer Sporu-
lation zu Stande kommen soll, da sich ja hier, wenn wir anders Schneider recht verstehen,
kein auflösbarer Rückstand des Cysteninhalts mehr findet. Schneider glaubt ferner, dass die
durchsichtige Gallertschicht zahlreicher Cysten bei der Eröffnung und der Austreibung des
Inhalts vielleicht betheiligt sei. Bringe man diese Gallertschicht in Berührung mit etwas
Essigsäure, so spränge die ÜOyste stets auf. Die Gallertschicht ziehe sich hierauf stark zu-
sammen, verdichte sich zu einer concentrisch gestreiften Hülle und helfe derart der
Cysteninhalt austreiben. Wir mussten schon bei früherer Gelegenheit hervorheben, dass nach
unsrer Ansicht diese concentrisch gestreifte Hülle nicht durch Zusammenziehung der Gallert-
schicht, sondern der eigentlichen Cystenhülle hervorgehe.
In zahlreichen Fällen mag jedoch auch keinerlei besondre Einrich-
tung zur Eröffnung der Cysten vorhanden sein, sondern die Oefinung
mehr zufällig, manchmal vielleicht erst nach Wiederaufnahme der Cyste
durch einen andern Parasitenträger erfolgen. Bei den Monocystideencysten
des Regenwurms wenigstens scheinen die Cysten keine Neigung zum
Aufspringen zu besitzen. |
Die eigenthümlichen Einrichtungen nun aber, welche bei gewissen
Geschlechtern zur Eröffnung der Cysten und zur Ausstreuung der Sporen
dienen, sind von zweierlei Art. Bei der Gattung Stylorhynchus umhüllt
sich der nicht zur Sporulation verwendete Cysteninhalt mit einer zarten,
allseitig geschlossnen Membran und wird so zu einer inneren sogen.
Pseudocyste, zwischen welcher und der eigentlichen Cystenwand sich die
Sporen angehäuft finden (37. 3d, pe). Indem diese Pseudocyste allmählich
an Volum wächst, sprengt sie schliesslich die eigentliche Cystenhülle und
dient so zur Eröffaung und Ausstreuung der Sporen.
3ei weitem interessanter ist die Bildung der sogen. Sporoducte, welche
bei den Gattungen Clepsidrina und Gamoeystis vorkommen. Sehon im Jahre
Fortpfl. d. freien Gregariniden (Sporulation; Einricht. zur Ausstreuung der Sporen). 545
1545 scheint Stein diese Sporoducte an geöffneten Cysten der Clepsi-
drina polymorpha beobachtet zu haben; sehr kenntlich bildete er sie je-
doch 1857*) ab und beschrieb sie .als strangförmige Fortsätze des Cysten-
inhalts, welche die Cystenhaut durchbohrt hätten und durch welche die
Sporen nach Aussen träten. Erst im Jahre 1873 wurde jedoch dieser
eigenthümliche Apparat von A. Schneider bei der Clepsidrina ovata wieder-
entdeckt und genauer studirt, später dann noch bei weiteren Arten ver-
folgt und auch bei einer Monocystide, dem Gamoeystis, in ganz ent-
sprechender Ausbildung angetroffen. Indem wir zur genaueren Schilde-
rung dieser Sporoducte und ihrer Bildung übergehen, wollen wir die Ver-
hältnisse. bei Clepsidrina Blattarum zu Grunde legen, welche ich selbst
zu studiren Gelegenheit hatte.
Sehr frühzeitig, schon vor dem Hervorknospen der Sporen und vor dem
Verschmelzen der beiden copulirenden Individuen erkennt man unter der
eigentlichen Cystenhülle das Vorhandensein einer innersten, dem Cysten-
inhalt, wie es scheint, ‚dicht aufliegenden, zarten Hülle, welche deshalb
von besondrer Wichtigkeit ist, weil die sich später bildenden Sporoducte
mit ihr in Verbindung treten und dann als Anhänge, resp. Fortsätze der-
selben erscheinen,
Die ersten Spuren der Sporoducte selbst finden sich einige Zeit nach
der Verschmelzung des Cysteninhalts zu einer einheitlichen Masse und
nachdem sich die Sporoblasten in das Centrum dieser Masse zurückgezogen
haben. Man erblickt darn in der peripherischen körnigen Masse des
Cysteninhalts eine, je nach der Grösse der Oysten verschiedne Zahl heller
rundlicher Flecke, welche von reinem, nichtkörnigem Plasma gebildet wer-
den (35.2e). Diese Flecke sind aber nicht nur oberflächliche Gebilde, sondern
jeder entspricht einer radial gerichteten Portion hellen Plasmas, die sich
von dem centralen Sporenhaufen bis zur Oberfläche des Cysteninhalts
erstreckt. In der Axe jedes dieser hellen Plasmastreifen tritt nun schon
deutlich ein zartes Röhrchen hervor, über dessen erste Entstehung sich
nichts Näheres ermitteln liess. Das peripherische Ende dieses Röhrchens,
des Sporoducets, ist von einer feinkörnigen plasmatischen Masse umlageıt,
von der aus sich ein plasmatisches Fadennetz in die umgebende körnige
Masse verfolgen lässt, und derartige Plasmanetze treten auch im weiteren
Verlauf des jugendlichen Sporoducts an ihn heran und umspinnen ibn mit
einem zarten Plasmaschlauch, der ohne Zweifel die Abscheidung oder
Bildung des Sporoduets bewerkstelligt. Schon sehr frühzeitig tritt der
Sporoduet mit der Sporoducetenhaut in Verbindung und erscheint dann
wie eine röhrenförmige Einstülpung desselben ins Innre des Cysteninhalts.
Ursprünglich noch weniger resistent, erlangen die Sporoducte bald eine
grössre Resistenz, so dass sie wie die Sporoduetenhaut der Einwirkung
von Kalilauge widerstehen und mit Hülfe dieses Reagens sehr deutlich ge-
macht werden können, da dasselbe die Körner des Cysteninhalts auflöst,
#=) J. V. Carus, Icones zootomicae 1857. Taf. I. Fig. 5.
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. 35
546 Gregarinida.
Die Zabl der sich bildenden Sporoducte ist sehr verschieden und
scheint mit der Grösse der Cysten ziemlich regelmässig zuzunehmen. Bei
der Clepsidrina Blattarum schwankt ihre Zahl etwa zwischen 4—12.
Die Art und Weise, wie diese Sporoducte nun bei der Emission der
Sporen in Wirksamkeit treten, ist die, dass sich, an Stelle eines Aufreissens
der Cystenhülle, die Sporoducte plötzlich nach Aussen umstülpen, indem sie
die eigentliche Cystenhülle und die Gallertschicht durchbohren (34.2b; 35.4).
Je nach der sehr verschiednen Dicke, welche diese letztere erreicht, sind sie
nach ihrer Ausstülpung in die Gallertschicht eingeschlossen oder ragen
über dieselbe noch frei hinaus, Länge und Zahl der Sporoducte scheint
bei den verschiednen Arten gewissen Verschiedenheiten unterworfen zu
sein. An den hervorgestülpten Sporoducten der Clepsidrina Blattarum
erkennt man noch eine eigenthümliche Bildung recht deutlich, welche in
unausgestülptem Zustand nicht wohl zu bemerken war (35.6). Ihr basaler Ab-
sehnitt ist nämlich anscheinend verdickt und zu einem besonderen Basal-
glied angeschwollen, auf welches ein langes, röhrenförmiges Endglied
folgt. Genauere Beobachtung lehrt jedoch, dass diese scheinbare An-
schwellung aus einer mehr oder weniger unregelmässigen Anhäufung einer
grobkörnig-fasrigen Masse um den basalen Abschnitt des Sporoduets
besteht. Bei andern Clepsidrina- Arten soll dieses scheinbare Basalglied
noch viel deutlicher sein und namentlich auch schon an dem unausgestülp-
ten Sporoduct sehr bemerkbar hervortreten. Speciell bei Clepsidrina
Munieri ist es sehr kenntlich, da es noch durch eine rothe bis braune
Färbung hervorsticht. Ueber die Entstehungsweise dieses scheinbaren
Basalgliedes bei Clepsidrina Blattarum dürfte schwer etwas Sicheres an-
zugeben sein. Wahrscheinlich wird es von einer Masse gebildet, die bei
der Hervorstülpung der Sporoducte zunächst ausgepresst wird, einer
Masse, welche sich vielleicht schon innerhalb der unausgestülpten Sporo-
ducte vorfand.
Nachdem durch die Hervorstülpung einiger oder sämmtlicher Sporo-
ducte (häufig geschieht dieselbe nämlich nur theilweise) ein Weg zum
Austritt der Sporenmasse geschaffen wurde, scheint deren Austreten nun
einfach durch den Druck der sich contrahirenden eigentlichen Cystenhülle
stattzufinden. Dabei kommt jedoch (wenigstens bei der Clepsidrina Blat-
tarum) noch eine eigenthümliche Einrichtung zur Geltung, welche ver-
mittelt, dass die central angehäuften Sporen zu den Sporodueten hinge-
leitet werden. Als solche Leitbahnen funetioniren nämlich die schon oben
erwähnten, plasmatischen Schläuche, in deren Innerem die Sporoducte sich
bildeten (35. 4, s).
Zuweilen verläuft aber auch die Eröffnung der Clepsidrineneysten
(Cl. Blattarum) etwas anders. Es reisst nämlich nicht selten die eigent-
liche Cystenhülle ein und treibt durch ibre Zusammenziehung den ge-
sammten Cysteninhalt, in der Sporoductenhaut eingeschlossen, heraus,
wobei dann gleichzeitig die Sporoducte theilweis oder vollständig zur
Ausstülpung gelangen. Ausser bei Clepsidrina fand sich, wie bemerkt,
Fortpfl. d. freien Gregariniden (Einricht. zur Ausstreuung d. Sporen ; Bau d. reifen Sporen). 547
diese Sporoductenbildung bis jetzt nur bei der zu den Monocystideen ge-
hörigen Gattung Gamoeystis; eine jedenfalls vorerst sehr merkwürdige
Vertheilung dieser Einrichtung.
E. Weitere Ausbildung und Bau der reifen Sporen.
Als reif bezeichnen wir diejenige Ausbildungsstufe der Sporen, auf
welcher sie eine wohlentwickelte Hülle von charakteristischer Gestalt be-
sitzen, der plasmatische Sporenkörper jedoch noch keinerlei tiefere Um-
bildung, mit Ausnahme etwa einer Condensation, erfahren hat. Wir ver-
liessen die jugendlichen Sporen im vorigen Abschnitt als hüllenlose
kuglige, sehr durchsichtige Plasmakörperchen, welche zuweilen auch einen
Kern erkennen liessen. In welcher Weise die weitere Entwicklung, spe-
eiell zunächst die Bildung der Sporenhülle sich vollzieht, ist durch neuere
Untersuchungen nur wenig aufgeklärt worden. Ohne Zweifel wird man
wenig fehlgeben, wenn man sich die Hülle als einfaches Ausscheidungs.
resp. Umbildungsproduet auf der Oberfläche des nackten Sporoblasten
entstehen denkt. Da die Sporenrhüllen z. Th. sehr eigenthiümliche und
charakteristische Formen besitzen, so ist natürlich erforderlich, dass
auch die Sporoblasten zunächst derartige Formen annehmen, über
welche sich die Hülle alsdann wie ein Abguss bildet. Bei den Mono-
' eystideensporen der Regenwürmer lässt sich dies auch wohl beobachten;
die Sporoblasten nehmen hier zunächst eine spindelförmige Gestalt an, worauf
die Ausbildung einer zarten Membran auf ihrer Oberfläche beginnt (33. 5a);
diese Membran verdickt sich allmählich, während die Plasmamasse sich con-
densirt und sich dabei aus den Polen der spindelförmigen Hülle zurück-
zieht. Diese etwas zugespitzten Pole werden durch eine besonders reich-
liche Ausscheidung von Hüllsubstanz knopfartig verdickt (5b). Die Sporen-
hülle der eigentlichen Gregarinen ist, soweit bekannt, stets eine einfache
und allseitig geschlossene. Sie ist weiterhin fast durchaus homogen und
solide, nur bei der Gattung Porospora wird die sehr dicke Hülle von
zarten, radialen Porenkanälchen dicht durchsetzt und zerfällt leicht in feine
Stäbchen (36.5). Die Dicke der Hüllmembran bietet grosse Verschieden-
heiten dar; im Gegensatz zu den Verhältnissen bei der eben erwähnten
Porospora, sinkt sie bei andern Geschlechtern bis zur einfach con-
tourirten, zartesten Hüllhaut herab. Gewöhnlich ist sie durchaus farb-
los, nur bei Stylorhynehus zeigt sie eine intensiv braune Färbung.
Ueber ihre chemische Natur ist nicht viel bekannt; sie ist sehr
widerstandsfähig gegen die Einwirkung verschiedner Reagentien; dass
sie jedoch nicht aus Kieselsäure besteht, wie sich aus der früheren Ver-
gleichung mit den Navicellen vielleicht hätte vermuthen lassen, hat schon
Frantzius aus ihrer Zerstörung beim Glühen bewiesen.
Von grosser Mannigfaltigkeit sind die Gestalts- und Grössenverhält-
nisse der Sporen. Zuweilen bewahren auch die reifen Sporen noch eine
nahezu sphärische Gestalt, so bei Stylorhynchus (37. 7) und Porospora, bei
letztrer Form jedoch auch häufig ins Ovale übergehend (36. 5). Es finden sich
35 *
545 Gregarinida.
dann weiterhin elliptische Formen (wie bei Hoplorbynchus), welche durch
Zuspitzung ihrer Enden in die spindelförmige, navicellenartige Form über-
gehen, die für die Regenwurmmonocysten so charakteristisch ist, jedoch
auch bei Polyeystideen z. Th. auftritt. Bei Stenocephalus sind die spindel-
fürmigen Sporen noch durch eine dunkle Aequatoriallinie ausgezeichnet,
während bei Dufouria eine Linie zwischen den Polen der navicellenartigen
Sporen hinzieht, welche vielleicht auf eine Zusammensetzung der Sporen-
schale aus zwei Hälften hindeutet (35.11b). Auch die scheibenförmigen
Sporen von Adelea sind zweiklappig (35.12ec).
Bei Actinocephalus nehmen die Sporen eine doppelkegelförmige Ge-
stalt an (36.13c), während sie bei Eehinocephalus und Gamoeystis zu cylin-
drischen, mit abgerundeten Enden versehenen Gebilden werden (36. 14e).
Aehnlieh erscheinen im Allgemeinen auch die von Clepsidrina, sind jedoch
an den Enden quer abgestutzt und in der Aequatorialgegend mehr oder weniger
bauchig aufgetrieben, so dass die Gesammtgestalt tonnenförmig wird (35.5).
Die im Allgemeinen ähnlich gestalteten Pseudonavicellen von Euspora sind
nicht mehr cylindrisch, sondern fünfseitig prismatisch (36. 2).
Von besonderem Interesse ist das Vorhandensein eines schwanzartigen
Anhangs an dem einen Pol der ziemlich spindelförmigen Sporen von Uro-
spora (34 6), eine Eigenthümlichkeit, die namentlich deshalb unsre Be-
achtung verdient, weil ein solcher Anhang ja auch einem Theil der Myxo-
sporidiensporen eigenthümlich ist.
Bemerkenswerth erscheinen weiterhin eine Reihe von Missbildungen
und eigenthümlicher Doppelbildungen, welche hauptsächlich bei den Sporen
der Regenwurmmonoeystideen, zuerst durch Lieberkühn, beobachtet worden
sind. Einmal sind dies Abweichungen von der spindelförmigen Normal-
gestalt, welche dieselbe in eine mehr birnförmige oder häufig auch dreiseitige,
mit Ausprägung dreier knopfförmiger Pole, überführen (33.6—8); anderseits
jedoch sehr eigenthümliche Doppelbildungen, welche man sich etwa durelı
theilweise Verwachsung zweier oder auch dreier, mit ihren Längsaxen
gekreuzter Sporen der Normalform hervorgegangen denken kann (33.10).
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass diese Missbildungen umgekehrt durch
unvollständige Theilung jugendlicher Sporen entstanden sind. Auch die
schon erwähnten dreipoligen, missgebildeten Sporenformen können in ähn-
licher Weise miteinander verwachsen sein (33.9), und weiterhin lässt sich
denken, dass sehr eomplieirte, mit zahlreichen stachelartigen Fortsätzen
versehene Sporengestalten der Art entstanden, dass die einfacher gebauten
Doppel: oder Tripelsporen nochmals unter einander in Verbindung traten
(33. 11). Auch bei Pileocephalus hat Schneider Doppelsporen beobachtet,
welche sich wie eine Einzelspore repräsentiren, die in halber Länge getheilt
ist (36. 10f). Wie gesagt, soll jedoch durch diese Schilderungsweise der Viel-
fachsporen (oder concretionären Sporen nach Schneider) keineswegs ausge-
sprochen werden, dass dieselben thatsächlich das Resultat von Ver-
wachsungsprocessen der Einzelsporen seien. Der plasmatische Inhalt der
missgebildeten Sporen zeigt, soweit bekannt, niemals Anzeigen einer
Fortpflanz. d. freien Gregariniden (Bau der reifen Sporen). 549
complieirteren Zusammensetzung, sondern ist einfach gebildet, wie der der
gewöhnlichen.
Den protoplasmatischen Inbalt dieser letzteren müssen wir noch etwas
näher betrachten. Derselbe ist entweder fast ganz körnerfrei und da-
her sehr durchsichtig oder enthält mehr oder weniger Körnchen, welche
sich bei der reifen Spore zuweilen mehr im Centrum des Plasmakörpers
zusammenhäufen. Wahrscheinlich vermehren sich diese Körnchen des
Sporenplasmas zuweilen allmählich, wie es mir wenigstens bei Clepsidrina
Blattarum schien und vielleicht auch nach Lieberkühn’s Untersuchungen
für die Sporen der Regenwurmmonoeystideen angenommen werden darf.
Wie schon oben hervorgehoben wurde, zieht sich das Protoplasma in den
reifen Sporen häufig durch Condensation etwas zusammen.
Bei den Sporen einiger Geschlechter erwies zuerst A. Schneider die
Gegenwart eines Zellkerns, so bei Pileocephalus, Echinocephalus, Hoplo-
rbynchus und Adelea; hierzu gesellen sich nach meinen Erfahrungen noch
die Gattung Clepsidrina, wo ich wenigstens in den Sporoblasten den Kern
deutlich sah und weiterhin die Monocystiden der Regenwürmer, bei
welchen der Kern in grossen Sporen sehr deutlich hervortritt. Der
Nucleus dieser letzteren zeichnet sich durch relativ beträchtliche Grösse
aus und ist auf den verschiednen Ausbildungsstufen der Sporen ziemlich
leicht zu beobachten (33.5b). Schneider ist der Ansicht, dass die
Sporen theils Cytoden, also kernlos, theils kernhaltige Zellen seien;
ich muss gestehen, dass ich diese Ansicht nicht für wahrscheinlich halte,
sondern sämmtliche Sporen für kernhaltig, also für Zellen im Häckel’schen
Sinn erachten möchte. Dass sich bis jetzt nur in wenigen der Kern nach-
weisen liess, ist bei der Kleinheit der Objeete unschwer verständlich und
der thatsächliche Nachweis des Kernes bei einer Anzahl Geschlechter in
dieser Hinsicht gewiss höher anzuschlagen, als die negativen Befunde.
In den Sporen von Adelea fand Schneider noch zwei längliche Kör-
perehen von unbekannter Bedeutung, welche an einem Pol in der Weise
divergirend zusammengelagert sind, dass sie den Nucleus zwischen sich
nehmen (35. 12c, k). Wenn auch die Bedeutung dieser Körperchen bis
jetzt noch keineswegs aufgeklärt ist, so beanspruchen sie doch ein ziem-
liches Interesse, da die Vermuthung erlaubt ist, dass sie den eigenthiüm-
lichen Polkörperehen der Myxosporidien entsprechen.
Mit einigen Worten wäre noch der Grössenverhältnisse der Sporen
zu gedenken. Hierüber lässt sich jedoch bei dem heutigen Stand unsrer
Kenntnisse schwer etwas Umfassendes mittheilen, da derjenige Forscher,
welcher bis jetzt die Sporen einer grösseren Zahl von Gregarinen genauer
studirt hat, A. Schneider, über ihre Dimensionen gar nichts mittheilt. Bei
den Regenwurmmonoeystiden schwankt die Länge der Sporen etwa zwischen
0,014 und 0,026 Mm., bei Clepsidrina Blattarum besitzen die tonnenför-
migen Sporen nur eine Länge von ca. 0,011 Mm.
Die Erwähnung der Grössenverhältnisse der Sporen gibt uns Anlass,
noch auf eine eigenthümlicbe Erscheinung aufmerksam zu machen, welche
550 Gregarinida.
Schneider bei einigen Gregarinen aufgefunden hat, nämlich das Vor-
kommen von zweierlei, in der Grösse differirenden Sporen, sogen. Mikro-
und Makrosporen bei einer und derselben Art.
Dies, von ihm zunächst bei der Clepsidrina ovata aufgefundne Verhalten sucht er weiter-
hin auch für die sehr verschieden grossen Sporen der Monocystiden des Regenwurms gel-
tend zu machen. Auch hier glaubt er Mikro- und Makrosporen, welche sich nur durch ihre
Grösse unterscheiden, auseinanderhalten zu sollen. Die sehr verschiedne Grösse dieser Sporen
haben wir schon oben betont, jedoch will mir scheinen, als ob sich dieselben nicht einfach
in Mikro- und Makrosporen scheiden liessen, sondern dass sich auch Uebergangsstufen zwischen
ihnen finden. Wie es scheint, geht Schneider von der Lieberkühn’schen Ansicht aus: dass
die Monocystiden des Regenwurmhodens sämmtlich eine einzige Art bildeten, eine Idee, welche
ich mit Stein und Schmidt für irrig oder doch wenigstens für ganz unbewiesen halten muss.
Die sogen. Mikro- und Makrosporen der Regenwurmmonocystiden könnten daher sehr wohl
auch specifisch verschieden sein.
Wie gesagt, hat Schneider solche Mikro- und Makrosporen zunächst bei der Clepsidrina
ovata aus der Larve des Tenebrio molitor getroffen, auch hier, wie bei den Monocystiden des
Regenwurms, enthielten die einzelnen Cysten stets entweder nur die eine oder die andre
Sporensorte. Die Makrosporen übertreffen die Mikrosporen etwa um das zwei- bis dreifache
an Länge. Aeusserlich zeigten die nach ihrem Inhalt verschiednen Cysten keine Differenz ;
jedoch unterschieden sie sich in dem Kaliber ihrer Sporoducte, indem diejenigen mit Makro-
sporen auch entsprechend weitere Sporoducte zum Durchtritt der grösseren Sporen aufwiesen.
Nicht selten beobachtet man, dass die reifen Sporen gewisser Monocystideen (so die der
Regenwürmer zuweilen) wie Polycystideen (namentlich charakteristisch bei Clepsidrina und
Stylorhynchus) in eigenthümlicher Weise aneinanderhängen. Gewöhnlich hängen sich dann
eine grosse Menge Sporen, in einfacher Reihe hinter einander gereiht, zu einer Kette zusam-
men (T. 37. 3d). Die länglichen und spindelförmigen Sporen heften sich, wie zu erwarten,
mit den Polen aneinander. Selten beobachtet man, dass sich eine Sporenkette in ihrem Ver-
laufe zu zweien spaltet. Bei den angeführten Polycystideengeschlechtern treten die Sporen
aus den Öysten in solcher Kettenvereinigung in die Aussenwelt, und diese Ketten können sich
nach Schneider mehrere Tage unzerfallen erhalten. Nach Gabriel (43) soll das Zusammen-
hängen der Sporen bei den Monocystiden der Regenwürmer durch eine Kittsubstanz bewirkt
werden, welche entweder in Gestalt eines Tröpfchens an den Polen der spindelförmigen Sporen
hervortrete oder die Sporen gänzlich umhülle.
F. Weiterentwicklung des Sporeninhalts, Ausbildung sogen. sichelförmiger
Keime.
Bei der grösseren Mehrzahl der Gregarinidenformen wurde bis jetzt
eine Veränderung und Weiterbildung des Sporeninhalts nicht beobachtet;
dagegen liess sich namentlich bei gewissen Monocystideen eine sehr inter-
essante Weiterentwicklung desselben bemerken, und da derselbe Vor-
gang auch bei einer Polycystidee gefunden wurde und weiterhin bei den
Coceidien allgemein verbreitet ist, so dürfte die Vermuthung nicht so un-
gerechtfertigt erscheinen, dass eine solche Weiterentwicklung des Sporen-
inhalts möglicherweise den Gregarinen allgemein zukommt.
Ueber die Weiterentwicklung der Sporen der Regenwurmmonocystiden hatte bekanntlich
Lieberkühn eine eigenthümliche Ansicht entwickelt, dass nämlich der Sporeninhalt (der sogen.
Nucleus Lieberkühn’s) nach Ablauf gewisser, hier nicht näher zu erörternder Umbildungen,
noch innerhalb der Cysten durch Zerstörung und Auflösung der Sporenhülle frei werde und
sich hierauf, nach Verlassen der Öyste, in der Leibesflüssigkeit des Regenwurms zu einer
Amöbe umbilde, welche sich schliesslich allmählich zur Gregarinenform entwickle. Die Un-
Fortpfl, d. fr, Gregariniden (Bau u. Weiterentwickl. d. reifen Sporen). 55l
richtigkeit dieser Lieberkühn’schen, auf sehr schwacher Thatsachenbasis beruhenden Ansicht
wurde dann namentlich von A. Schneider erwiesen,
Nach unsern heutigen Erfahrungen erleidet der Inhalt der Monoeystis-
sporen der Regenwürmer, und ähnlich verhalten sich auch die Sporen
von Urospora, Gonospora und Dufouria, eine Art von Furchung, welche
entweder schon eintritt, so lange die Cysten noch in den Parasitenträgern
verweilen, oder auch erst nach ibrer Entleerung ins umgebende Wasser ete.
Bei den Monoeystissporen verläuft dieser Vorgang etwa in folgender
Weise. Der ziemlich körnige Plasmakörper der Sporen nimmt allmählich
wieder an Volum zu, so dass er die Sporenhülle wieder nahezu völlig
erfüllt. Die Körner sammeln sich mehr im Centrum oder auch am einen
Ende des Plasmakörpers an. Wahrscheinlich findet jetzt auch schon eine
Vermehrung des Kermnes statt, indem man nun mehrere, 3—4 helle, kern-
artige Flecke im Plasma bemerkt. Hierauf theilt sich der Plasmakörper
der Länge nach in 4—8 stäbchenförmige, beiderseits zugespitzte und aus
körnerfreiem hellen Plasma bestehende Körperchen, die sog. sichelförmigen
Körperchen (33. 5e). Höchst wahrscheinlich erfolgt diese Längstheilung
simultan, nicht successive, da man successive Theilungsstadien nicht beob-
achtet. Jedoch ist die Theilung selbst sehr regelmässig und erfolgt nach
radial gerichteten Längsebnen, welche sich sämmtlich in der Längsaxe
der Spore schneiden, so dass die sichelförmigen Keime ganz regelmässig,
etwa wie die Schnitze einer Orange zusammengeordnet sind (33. 5d)*).
Unregelmässige Lagerung der Körperchen, wie sie sehr gewöhnlich
an den Sporen mit völlig ausgebildeten Keimen zu beobachten ist, dürfte
wohl auf nachträgliche Verschiebungen zurückzuführen sein. Die im Cen-
trum oder am einen Ende des sich theilenden Plasmakörpers angesam-
melte Körnermasse wird bei der Theilung als eine axial gelagerte Masse
ausgeschieden, welche sich nach völliger Ausbildung der Keime meist
mehr abrundet und nun den sogen. „nucleus de reliquat‘‘ (A. Schneider’s)
bildet, ein Ausscheidungsproduct, welches ohne Zweifel keine Bedeutung
mehr für die Entwicklung der Gregarine besitzt (5c, r). Vergleichen lässt
sich diese Ausscheidung des Nucleus de reliquat oder Restkörpers vielleicht
am besten mit dem Reinigungsprocess, der sich auch bei der Eneystirung
gewisser Rhizopoden, Heliozo@n und Flagellaten vollzieht, indem inner-
halb der Cyste die Nahrungsreste und Excretkörnchen ausgestossen werden.
Es erscheint auch nicht unwahrscheinlich, dass sich bei näherer Unter-
suchung die Körnermassen des Restkörpers als chemisch different von
den gewöhnlichen Gregarinenkörnern und zwar als Exeretionsproduet
ergeben möchten.
Die Entstehungsgeschichte der sichelförmigen Keime ist bei den übrigen
Geschlechtern bis jetzt noch wenig ausreichend erforscht, jedoch dürfte
*) (rabriel (43) leugnete die Entstehung sichelförmiger Keime in den Sporen der
Regenwurmmonocystideen und gab eine Darstellung der Weiterentwicklung dieser Sporen, ayf
welche jedoch hier nicht näher eingegangen werden soll, da ich sie für unrichtig halte und
Gabriel selbst späterhin (44) die sichelförmigen Keime häufig beobachtet zu haben scheint.
552 Gregarinida.
bei der allgemeinen Uebereinstimmung der Verhältnisse auch eine analoge
Entstehung sehr wahrscheinlich sein. Der sogen. Restkörper besitzt eine
allgemeine Verbreitung.
Die sichelförmigen Keime der Regenwurmsporen lassen einen deut-
lichen Nucleus wahrnehmen; bei denen der übrigen Geschlechter (Uro-
spora, Gonospora und Dufouria, 34. 5 u. 6, 35. 11b) glückte der Nachweis
eines Kernes bis jetzt noch nicht, jedoch dürfte derselbe wohl auch hier
nicht fehlen. Bewegungserscheinungen liessen sich bis jetzt an den Kei-
men der erwähnten Gregarinengeschlechter noch nicht sicher beobachten,
da aber die ganz entsprechenden der Coccidien deutliche Bewegungs-
erscheinungen zeigen, so ist ihr Auftreten unter geeigneten Bedingungen
auch hier zu erwarten“).
Schon oben wurde hervorgehoben, dass ziemlich viel für ein verbrei-
teteres Auftreten der sichelförmigen Keime im Entwicklungskreis der
Gregarinen spricht, jedoch fehlen hierfür bis jetzt positive Nachweise.
Was die Bedeutung der Keime betrifft, so ist bei dem Mangel that-
sächlicher Erfahrungen über ihr weiteres Schicksal bis jetzt nur die An-
nahme vermuthungsweise zulässig, dass sie sich unter geeigneten Bedin-
gungen direet zu den Gregarinenformen entwickeln. Näheres über diese
Frage wird der folgende Abschnitt bringen.
G. Die Wiederentwicklung der Gregariniden aus den Sporen.
Wir betreten hier den bis jetzt noch dunkelsten Abschnitt in der
Fortpflanzungsgeschichte der Gregariniden. Bis heute ist noch nicht in
einem einzigen Fall die Entwicklung der Gregarine aus den Sporen zu-
sammenhängend verfolgt worden.
Ganz flüchtig wollen wir hier nur einige Ansichten berühren, welche im Laufe der Zeit
über diese schwierige Frage mit mehr oder weniger Berechtigung ausgesprochen worden sind.
Kölliker vermuthete einst, dass die Entwicklung der Gregarinen einfach durch Auswachsen
der Sporen unter geeigneten Bedingungen geschehe; dass also die Hülle der Spore sich direct
in die der Gregarine umwandle und so fort. Stein dagegen, welcher sich zuerst auch die
Ermittlung der Neuinfection der Parasitenträger mit Gregarinen zur Aufgabe machte, wollte
sich, speciell bei Clepsidrina Blattarum, überzeugt haben, dass der Sporeninhalt nach Aufnahme
der Sporen in den Darmkanal der Schaben — ein Fall, der sich ja beim Fressen des mit
Sporen geschwängerten Kothes sehr leicht ereigne — in der Form einer jungen Gregarine
hervorschlüpfe. Der Ansicht Lieberkühn’s wurde oben schon mehrfach gedacht; nach ihm
sollten sich die Regenwürmer fortdauernd selbst mit Gregarinen inficiren, indem die als kleine,
kernlose Amöben frei gewordnen Sporenkörper sich allmählich wieder zu Gregarinen ent-
wickelten. Es ist aber auch schon genügend gezeigt worden, dass die Herleitung eines Theils
der amöboiden Körperchen der perivisceralen Flüssigkeit der Regenwürmer von den Mono-
cystissporen durchaus nicht erwiesen und andererseits auch der Uebergang dieser Amöben in
die Gregarinen nicht mit Sicherheit dargelegt wurde.
*) Nach einer Mittheilung Gabriel’s (44) möchte es jedoch scheinen, dass er freie
bewegliche sichelförmige Keime in den Hoden und der Leibeshöhlenflüssigkeit der Regen-
würmer vielfach beobachtet hat.
u
Fortpfl. d. fr. Gregariniden (Sichelförm. Keime u. Wiederentwickl. d. Gregar. aus d. Sporen). 553
Leider besitzen wir für diejenigen Gregarinen, welche bis jetzt die
Entwicklung sichelfürmiger Keime erkennen liessen, gar keine Erfahrungen
über die eventuelle Entstehungsweise der ausgebildeten Gregarinen aus
jenen Keimen. Ja es ist sogar in diesen Fällen, und speciell für die so
vielfach untersuchten Monoeystiden der Regenwürmer, bis jetzt ganz
zweifelhaft, auf welchem Wege die Infeetion mit jugendlichen Gregarinen,
resp., wie ja sehr wahrscheinlich, mit den sichelförmigen Keime enthal-
tenden Sporen geschieht. Denn dass sich die Sporen dieser Monoeysti-
den, wie Lieberkühn annahm und neuerdings wieder Gabriel behauptete,
direet in ihrem Parasitenträger wieder zu Gregarinen entwickelten, dürfte
kaum zulässig erscheinen. Mau braucht nur die kolossale Masse der
Cysten, welche die Hoden gewöhnlich erfüllt, mit der meist nicht sehr
erheblichen Zahl ausgebildeter Gregarinen zu vergleichen, um diese An-
nahme sehr unwahrscheinlich zu finden. Würde sich der Entwicklungs-
gang in der erwähnten Weise vollziehen, so wäre nicht recht einzusehen,
warum die Hoden der Regenwürmer nicht stets strotzend von Gregarinen
erfüllt gefunden werden.
Weiterhin wissen wir jedoch bestimmt, dass sich die Sporen der
Arthropodenpolyeystiden nicht in ihrem ursprünglichen Wirth weiter-
entwickeln,. sondern durch Uebertragung in den Darm eines zweiten
Wirths verpflanzt werden müssen, um zur Entwicklung zu gelangen.
Bis jetzt sind es gerade die Entwicklungsprocesse gewisser Polyeysti-
den, welche, obgleich in nur lückenhafter Weise, etwas genauer erkannt
wurden. Zunächst gelang es E. van Beneden (34), den wahrscheinlichen
Entwicklungsgang seiner Porospora gigantea näher zu ermitteln und dieser
bietet, vorausgesetzt, dass der Verlauf thatsächlich in jeder Hinsicht rich-
tig geschildert wurde, sehr interessante Verhältnisse dar. Einmal dadurch,
dass hier zum ersten Mal ein amöboides Ausgangsstadium wirklich mit
genügender Sicherheit constatirt zu sein scheint. Als Ausgangspunkt der Ent-
wieklung fand E. van Beneden nämlich im Darme des Hummers kleine amöben-
ähnliche kernlose Plasmagebilde, welche ziemlich lebhafte Gestaltsverände-
rungen zeigten, Jedoch niemals eigentliche Pseudopodien entwickelten (36. 6a),
wie wir denn auch bei den amöbenähnlichen Umbildungszuständen der
sichelförmigen Keime der Coceidien mehr ceontractiven Formänderungen
wie eigentlichen Pseudopodien begegnen werden. Leider blieb jedoch die
Herkunft dieser Plasmagebilde unbekannt und die Annahme, dass sie
direet aus den Sporen hervorgegangen seien, ist bis jetzt durchaus nicht
zu erweisen. Nach Beneden’s Darstellung, welche auf Combination
verschiedner beobachteter Zustände, nicht jedoch auf direete Verfolgung
der Fortentwicklung gegründet ist, soll sich die Weiterbildung dieser kern-
losen Plasmakörper folgendermaassen gestalten.
Zunächst erlischt die Bewegung, worauf der Plasmakörper zwei finger-
artige Fortsätze entwickelt, welche sich einmal durch ihre Plasmabeschaffen-
heit, indem nämlich der eine körnig, der andre fast körnerfrei ist, andrer-
554 Gregarinida.
seits jedoch auch dadurch unterscheiden, dass der körnerfreie keine Beweglich-
keit zeigt, der andre dagegen sich lebhaft bewegt (6b—d). Seine Bewegungen
bestehen hauptsächlich in knieförmigen Einkniekungen und in Strömungs-
erscheinungen des Plasmas nach dem freien Ende des Fortsatzes hin.
Allmählich verlängert sich der Fortsatz mehr und mehr und wächst
schliesslich zu einem schlauchartigen Gebilde aus. Seine Zusammenhangs-
stelle mit dem Plasmakörper, welcher ihm den Ursprung gab, schnürt
sich allmählich ein und soll schliesslich einreissen, so dass der Fortsatz
frei wird. Derselbe besitzt nun etwa die Gestalt eines kleinen Nematoden,
zeigt auffallender Weise auch eine ganz nematodenähnliche lebhafte Beweg-
lichkeit und wird daher von van Beneden als Pseudofilarie bezeichnet (6h).
Der Rest des Plasmakörpers mit dem unbeweglichen Fortsatz wandelt
sich nun schliesslich in seiner Totalität in eine ähnliche Pseudofilarie um,
indem der unbewegliche Fortsatz allmählich beweglich wird und der Rest
des Plasmakörpers in ihm aufgeht (6f—h). In solcher Weise sind
demnach aus einem Plasmakörper zwei kernlose Pseudofilarien hervor-
gegangen, welche sich allmählich direet zu jugendlichen Gregarinen ent-
wiekeln werden. Letzteres geschieht in der Weise, dass die Pseudofilarie
allmählich ihre Beweglichkeit verliert und sich mebr und mehr ver-
kürzt. Gleichzeitig tritt in ihr ein dunkler Nucleolus auf, um welchen
sich bald eine helle Zone entwickelt, der eigentliche Körper des
Kernes (6i—]).
Unter weiterer Verkürzung nimmt die jugendliche Gregarine schliess-
lich eine ovale bis birnförmige Gestalt an. Bald tritt an ihrem einen
Ende ein knopfartiger Fortsatz auf, der sich durch eine Anhäufung zahl-
reicher dunkler Körnehen noch weiterhin auszeichnet und sich in der Folge
zu dem Protomerit hervorbildet (6m—n). Beim weiteren Wachsthum ist das
Deutomerit bevorzugt, welches sich rasch verlängert. Erst relativ spät
lässt sich die Cutieula deutlich unterscheiden, wogegen sehr frühzeitig,
schon an dem bewegungslos gewordnen, ursprünglichen Plasmakörper ein
Ectosark angedeutet war.
Soweit die Darstellung Beneden’s, über die einige Worte zu bemerken
hier gestattet sein möge.
Sehr zweifelhaft dürfte die auf Grund dieser Beobachtungen ent-
wiekelte Ansicht erscheinen, dass sich der Nucleus erst im Laufe der
Entwicklung hervorbilde und der ursprüngliche Ausgangspunkt eine
kernlose Cytode sei, da wir positiv wissen, dass die Sporen einer Reihe
von Gregarinen kernhaltig sind. Ein schwacher Punkt ist weiterhin die
Unsicherheit über die Herkunft der ursprünglichen amöboiden Plasma-
körper — die Lücke, welche zwischen deren Auftreten und den reifen
Sporen noch blieb. Diese Lücke dürfte vielleicht auch noch einige Zweifel
über die richtige Gruppirung der einzeln beobachteten Entwicklungs-
zustände gestatten. Ich erlaube mir diese leisen Zweifel anzudeuten in
der Hoffnung, dass hierdurch vielleicht zur weiteren Aufklärung dieses
Fortpfl, d. freien Greg. (Entwickl. d. Porospora gigantea u. d. Urospora Sipunculi). 55
interessanten Falls einige Veranlassung gegeben werde. Schon Schneider
hat hervorgehoben, dass der sogen. Pseudofilariazustand eine grosse Aehn-
lichkeit mit den sichelförmigen Keimen andrer Gregarinen besitze und ist
daher geneigt, den Entwicklungsgang der Porospora gigantea so aufzu-
fassen, dass bei ihr die Erzeugung der sichelförmigen Keime nicht in den
Sporen, sondern erst nach dem Ausschlüpfen des Sporeninhalts erfolge.
Immerhin wäre es jedoch möglich, dass die Uebereinstimmung zwischen
der Entwicklung der Porospora und der übrigen Gregarinen noch weiter-
sche, wenn wir nämlich die Möglichkeit berücksichtigen, dass der von
van Beneden postulirte Zusammenhang der gesehenen Entwicklungszustände
nicht völlig dem Thatsächlichen entspreche. Mir scheint die Annahme
nicht ganz unzulässig, dass es auch hier die Pseudofilarien (oder sichel-
förmigen Körperchen) sind, welche aus den Sporen hervorschlüpfen und
in diesen schon gebildet worden sind. Bei einer solchen Auffassung wäre
dann der Zusammenhang zwischen den sogen. Pseudofilarien und den
amöboiden Plasmakörperchen in umgekehrter Reihenfolge zu deuten und
durch Umgestaltung dieser letzteren liessen sieh vielleicht die jugendlichen
Gregarinen entstanden denken. Es lässt sich zwar nicht verkennen, dass
dem Versuch einer solchen Deutung des Beobachteten sehr erhebliche
Schwierigkeiten entgegenstehen, jedoch könnte immerhin ein etwas andrer
als der von E. van Beneden aus seinen Beobachtungen gefolgerte
Entwieklungsgang möglich erscheinen, worauf hinzuweisen vorzüglich der
Zweck der obigen Bemerkungen sein sollte.
Gewisse Aehnlichkeiten mit dem eben geschilderten Entwicklungsgang
der Porospora gigantea glaubt R. Lankester (35) auch bei einer Monocystide,
der Urospora Sipuneuli gefunden zu haben. Das jüngste Ausgangsstadium
bilde hier eine pseudofilarienartige, kleine kernlose Form, welche häufig
in theilweis aufgebrochnen Cysten der Leibeshöhle des Sipunculus und
dem Divertikel des hintern Darmabschnittes angetroffen wurde. Diese
pseudofilarienartige Form war sehr beweglich und zwar waren auch bier
ihre Bewegungen ganz nematodenähnlich. An sie schien sich als weiter-
entwickeltes Stadium zunächst eine kernhaltige Form anzuschliessen, bei
welcher sich ein hintrer Leibesabschnitt durch eine Einsehnürung wie eine
Art Schwanzanhang von dem vorderen, kernhaltigen abgesetzt hatte, so
dass die Gestalt sehr an eine Cercarie erinnerte und dies um so mehr,
als die Beweglichkeit nur auf den Schwanzabschnitt beschränkt war.
Nach Lankester’s Vermuthung soll sich dieser Schwanzabschnitt nun von
dem kernhaltigen vorderen Leibesabschnitt loslösen, der erstere sich zu
einer jugendlichen Monocystide hervorbilden, während das Schicksal des
Sehwanzes nicht zu ermitteln war, Weiterhin glaubt jedoch L., dass die
in solcher Weise entstandnen jugendlichen Monoeystideen sich durch Längs-
theilung vermehrten, da er sie häufig zu zweien der Länge nach zusammen-
gelagert traf und auch gelegentlich statt eines Kernes in einem Einzel-
thier deren zwei traf, was er als erste Vorbereitung zur Längsthei-
556 Gregarinida.
lung deuten möchte. So interessante Momente auch durch diese Mitthei-
lungen aus dem wahrscheinlichen Entwicklungsgang der M. Sipuneuli zu
unsrer Kenntniss gekommen sind, so scheinen mir die Lankester’schen
Untersuehungen doch noch zu unvollständig, um einen eingehenderen Ver-
gleich mit der Entwicklung der Gregarina gigantea zu gestatten.
Genauere Ermittelungen über die Entwicklung einer zweiten Poly-
eystidee aus den Sporen liegen noch aus neuester Zeit vor. Es gelang
nämlieh Bütschli (47), die Schaben dureh Fütterung mit reifen Sporen der
Clepsidrina Blattarum zu infieiren und in dieser Weise die jugendlichsten
bis jetzt gesehenen Entwicklungsstufen dieser Polycystidee zu beobachten.
Leider glückte es bis jetzt auch hier nicht, den Sporeninhalt, welcher bei
dieser Form bekanntlich bisher noch nichts von einem Zerfall in sichel-
förmige Keime gezeigt hat, beim Herausschlüpfen aus der Sporenhülle im
Darmkanal der Schabe zu beobachten. Damit ist denn auch hier die
Frage noch offen geblieben, ob und welche Umbildungen dieser Inhalt
vor seinem Hervortreten eventuell noch erfahren kann. Die jugendlich-
sten Gregarinenformen, welche drei Tage nach der Infeetion einer Schabe
mit Sporen massenhaft im Mitteldarm gefunden wurden, zeigten jedoch
eine Reihe sehr interessanter Verhältnisse. Sie fanden sich keineswegs
frei im Darminhalt, sondern waren sämmtlich mit einem Theil ihres Körpers
in die freien inneren Enden der Darmepithelzellen eingesenkt (35.8). Die
jugendlichsten Gregarinen waren kleine, ovale bis etwas birnförmige Zellen,
welche an Grösse die Sporen nieht übertrafen und einen sehr deutlichen
Kern mit grossem Nucleolus, sowie sehr feinkörniges Protoplasma (nach
Behandlung mit Essigsäure) aufwiesen. Sie fanden sich, wie gesagt, bis
zur Hälfte, oder auch über die Hälfte in die Epithelzellen eingesenkt und.
zwar so, dass der Kern stets in der freigebliebenen Aussenhälfte einge-
bettet war. Bei den weiteren Entwieklungsstufen zeigte namentlich diese
Aussenhälfte ein rascheres Wachsthum, wurde mehr kugelförmig und
setzte sich bald durch eine scharfe Grenzlinie von dem eingesenkten
Theil ab, womit dann der Zustand einer kleinen Polyeystidee deutlich
erreicht war.
Weitere: Entwicklungsstadien sind bis jetzt noch nicht bekannt ge-
worden, so dass namentlich die Frage noch unerledigt bleiben muss, ob
die zunächst zur Differenzirung gelangenden beiden Körperabschnitte der
jugendlichen Clepsidrina dem Protomerit und Deutomerit entsprechen und ob
das bei etwas ausgebildeteren Zuständen (35. 9) auftretende und dann allein
noch in die Zelle eingesenkte Epimerit als eine Differenzirung des Proto-
merits auftritt, oder aber ob der zur Differenzirung gelangte vordere Ab-
schnitt allein dem Epimerit entspricht. Erstere Ansicht wird wohl der
Wahrheit näher kommen.
An diesem lückenhaften Entwieklungsgang einer Polyeystidee inter-
essirt uns namentlich die Erfahrung, dass die jugendlichsten Zustände
thatsächlich als eine Art Zellenschmarotzer aufzufassen sind; und dass
ee ee ee ee ee Me
Fortpfl. d. fr. Gregariniden (Entwickl. d. Ulepsidrina, der Monocystis agilis etc), 557
zahlreiche Polyeystideen sich in ähnlicher Weise verhalten werden, wissen
wir daraus, dass die grosse Mehrzahl derselben in ihrer Jugend mit Hafı-
apparaten ausgerüstet ist, welche sie an die Darmepithelien befestigen.
Wir wissen jedoch, dass auch Monoecystideen in ihrer Jugend eine solche
zellenschmarotzende Lebensweise führen; wir schliessen dies einmal aus
der Thatsache, dass sich die Monocystis magna bis zu ihrer Reife mit ihrem
Vorderende in Zellen eingesenkt findet (33. la), andrerseits aus dem von
A. Schmidt und Lieberkühn ermittelten Entwicklungsgang der Monoeystis
agilis. Schmidt hat hiervon eine Darstellung gegeben, welche, wie mir
scheint, grosses Vertrauen verdient. Bei dieser Form dürfen ai Jugend-
lichen Zustände geradezu als intracelluläre Schmarotzer beansprucht wer-
den, denn wenn auch die centrale Plasmakugel der Spermatoblastosphären,
innerhalb welcher sie sich entwickeln, sich durch den Mangel eines Zell-
kerns aus der Reihe der lebendigen Zellgebilde wahrscheinlich entfernt,
so ist dies doch ziemlich irrelevant für die Auffassung des Schmarotzer-
thums dieser jugendlichen Gregarinen. Schmidt traf sie zunächst als äusserst
kleine, kuglige Gebilde mit wohlausgebildetem Zellkern an (33. 3a). Unter
Wachsthum der ganzen Spermatoblastosphäre wächst auch die eingeschlossne
Gregarine rasch heran und zeigt bald deutliche Bewegungserscheinungen
(3b). Die Gestalt der Spermatoblastosphäre wird oval und die Sper-
matoblasten beginnen sich zu entwickeln und kurze Schwanzfortsätze zu
treiben, wodurch die ovale, gregarinenhaltige Blase ein eigenthümliches
Aussehen erhält (Sc—d); schliesslich wächst die Gregarine so heran,
dass sie das Innre der Spermatoblastenblase völlig ausfüllt. Die verküm-
meıten, zu kurzen, baarartigen Fädchen ausgewachsenen Spermatozoen
bilden ‘den schon früher erwähnten haarartigen Ueberzug der ziemlich
ausgewachsenen Monoecystis (3e). Die schliessliche Abstreifung dieser Hülle
wurde dann frühberhin gleichfalls schon erwähnt (3f—g) *).
Einen weiteren Fall intracellulären Parasitismus der Jugendformen
einer Monocystis theilt R. Lankester (97) in neuester Zeit mit; derselbe
traf nämlich die Jugendzustände der Monocystis Thalassemae als Schma-
rotzer in den Darmepithelzellen der Thalassema, einmal auch in grosser
Anzahl in den Eiern dieser Gephyree.
Mit einigen Worten müssen wir am Abschluss unsrer Beirachliug
über die Entwicklungsvorgänge der Gregarinen noch der neuerdings von
Gabriel (41—44) entwickelten, sehr eigenthümlichen und von dem seither
*) Nach einer soeben erschienenen Mittheilung von Dietr. Nasse (Beiträge zur Anatomie
der Tubifieiden. Inaug.-Diss. Bonn 1882) über einige Entwicklungszustände der Urospora
Saenuridis R. Lank. aus dem Hoden von Tubifex, scheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass
diese Form einen ähnlichen Entwicklungsgang besitzt wie Monocystis agilis. Da N. nämlich
mit einem sogen. Wimperkranz versehene Öysten beschreibt und abbildet, liegt die Vermuthung
nahe, dass auch hier die Cilienbekleidung verkümmerten Spermatozo@n ihre Entstehung ver-
dankt.-. Wenn diese Vermuthung richtig ist, so wäre weiterhin von Interesse, dass die Urospora
Saenuridis noch unter der schützenden Decke verkümmerter Samenfäden zur Encystirung
schritte,
558 Gregarinida.
Bekannten durchaus abweichenden Vorstellungen über die Entwicklungs-
vorgänge der Regenwurmmonoeystiden gedenken. Es dürften seine An-
gaben an dieser Stelle um so eher eine kurze Erwähnung finden, als sie
sich z. Th. höchst wahrscheinlich auf ähnliche Entwicklungszustände
gründen, wie die, welche wir soeben nach Schmidt und Lieberkühn’s
Forschungen aus der Lebensgeschichte der Monoeystis agilis kennen lern-
ten. Gabriel ist zunächst mit Lieberkühn überzeugt, dass die kernlosen
Amöben der perivisceralen Flüssigkeit der Regenwürmer thatsächlich in
den Entwicklungskreis der Monoeystiden gehören; neue Nachweise hier-
für werden aber kaum beigebracht. Die Entwicklung der Gregarinen aus
diesen Amöben soll sich aber nicht durch einfaches Hervorwachsen voll-
ziehen, wie sich Lieberkühn diesen Vorgang etwa vorstellte, sondern auf
sehr eigenthümlichen Umwegen. Die Amöben sollen z. Th. durch Con-
erescenz zu sogen. Synamöben sich umbilden und nur aus diesen, nicht
jedoch den einzeln gebliebnen Amöben gingen die Gregarinen hervor.
Aber auch nur ein Theil dieser Synamöben erzeugt Gregarinen, ein andrer
Theil dagegen entwickelt sich zu myxomycetenähnlichen Plasmodien,
welche auch schon Hering beobachtet, jedoch unrichtig gedeutet habe.
Auf diese Erfahrung gründet Gabriel seine Ueberzeugung von der Ver-
wandtschaft der Gregarinen mit den Myxomyceten.
Die ersterwähnte Form der Synamöben erzeugt nun die Gregarinen in drei
bis vier sehr verschiednen Weisen, jedoch entwickeln sich die Gregarinen
stets nur aus einzelnen Amöbenindividuen dieser Synamöben. Die Entwick-
lungsprocesse sollen sich im Grossen und Ganzen den Knospungs- und Sporen-
bildungsprocessen anreihen lassen. Genauer geschildert wird nur der
Entwicklungsprocess der Monoeystis agilis, aus dessen Darstellung mit
ziemlicher Sicherheit hervorgeht, dass Gabriel’s Beobachtungen sich auf
ähnliche Entwicklungszustände gründen, wie wir sie nach Schmidt und
Lieberkühn oben geschildert haben. Dass wir nicht geneigt sein können,
die Spermatozoönkeimblasen mit Gabriel für Synamöben zu halten,
dürfte natürlich erscheinen und sind wir daher naturgemäss auch bezüg-
lich der übrigen geschilderten Vorgänge sehr im Zweifel. Uebrigens liegen
die Gabriel’schen Mittheilungen nur in so kurzer und schwerverständlicher
Form vor, dass eine eingehendere Beurtheilung derselben unmöglich
erscheint.
Il. Fortpflanzungs- und Entwicklungsgeschichte der sog.
ei- oder kugelförmigen Psorospermien (Coceidien Lek.).
Da die Lebensgeschichte und die Fortpflanzungsverhältnisse der seit-
her besprochnen freien Gregariniden in mancher Hinsicht, obgleich
keineswegs prineipiell, von den entsprechenden Vorgängen bei den als
Coceidien bezeichneten Monoeystideen abweichen und weiterhin unsre
Kenntnisse bei beiderlei Formen noch in vieler Hinsicht weiterer Auf-
klärung bedürfen, erscheint es zur Zeit, im Interesse einer möglichst klaren
nn nn en
Fortpfl. d. fr. Gregariniden (Gabriel üb. Entwickl. von Monoeystis). Fortpfl. d. Coceidien. 559
Darstellung, von Vortheil, die Entwieklungs- und Fortpflanzungsvorgänge
der Coceidien gesondert von jenen der übrigen Gregariniden zu be-
handeln.
Wir haben die Coccidien als meist kleine kuglige oder eiförmige
Zellen kennen gelernt, welche in ihrer Jugend gewöhnlich hüllenlos er-
scheinen und stets in die Gewebe ihrer Wohnthiere selbst eingelagert
sind. Unsre seitherigen Erfahrungen lehren, dass sie meist das Innere
einzelner Zellen bewohnen, jedoch liegen auch eine Reihe von Angaben
vor, welche die Wohnstätte gewisser Coceidien in das Bindegewebe ver-
legen, wobei es denn zweifelhaft bleibt, ob sie sich auch an diesem
Ort als Zellenschmarotzer vorfinden. Wir werden die Frage nach dem
Wohnort unsrer Schmarotzer späterhin noch eingehender zu betrachten
haben. Sehr zweifelhaft muss es heutzutage erscheinen, ob, wie einzelne
Forscher, so z. B. Waldenburg und Eimer vermuthen, die Entwicklung der
Darmeoeceidien auch ganz frei im Darmschleim verlaufen könne; die That-
sache, dass man den verschiedenartigsten Entwicklungszuständen auch
frei im Darmschleim begegnet, dürfte doch wohl eher durch leichtes
Herausfallen aus den Epithbelzellen zu erklären sein.
Eine Erscheinung, welche sich der Conjugation und Copulation der
seither besprochnen Gregariniden vergleichen liesse, wurde bis jetzt bei
den Coceidien noch nie beobachtet. Dagegen gaben einige Forscher, so
Waldenburg, Rivolta und Eimer an, dass sich die jugendlichen, hüllenlosen
Coceidien (speciell die des Darms) durch Theilung vermehrten; die beiden
erstgenannten Beobachter erklären sich hierdurch das gleichzeitige Vor-
kommen mehrerer Coceidien in einer Zelle; Eimer will die Theilung im
nichteneystirten Zustand bei den Darmeoceidien sehr verschiedner Wirbel-
thiere gesehen haben, scheint diesem Vorgang jedoch eine ähnliche Be-
deutung beizulegen, wie der gleich zu betrachtenden Theilnng nach der
Eneystirung. Nach erlangter Reife encystiren sich nämlich unsre Cocei-
dien allgemein. Derartige Encystirungszustände waren es, welche früh-
zeitig bekannt und daher auch ursprünglich als Psorospermien bezeichnet
wurden.
Ueber die Bildung der Cystenhaut bei den durch ihre beträchtliche
Grösse sich auszeichnenden Coceidien der Pulmonatenniere und der
Cephalopoden ist wenig bekannt. Nach den Beobachtungen Eberth’s an
der letzteren Form möchte es scheinen, dass die Cystenhaut hier unter-
halb einer zarten Cutieula, welche die erwachsne Coceidie aufweist, zur
Ausbildung gelangt; nach den in dieser Hinsicht jedoch auch sehr un-
sichern Mittheilungen von Kloss über die erstere Form liesse sich dagegen
vielleicht umgekehrt auf die Bildung der Cystenhülle ausserhalb einer
ebenfalls vorbandnen feinen Cuticula schliessen. Nach den neueren Er-
fahrungen von Aim& Schneider scheint überhaupt die Bildung einer dop-
pelten Cystenhülle bei den Coceidien nahezu regelmässig zu sein. Schneider
gibt zwar an, dass einige Geschlechter nur eine einfache Cystenhaut be-
sässen, ich kann jedoch nach seinen eignen Mittheilungen nur die Gattung
560 Gregarinida,
Orthospora als solehe namhaft machen. Gewöhnlich ist die äussere Cysten-
haut dicker und resistenter, häufig jedoch nicht immer deutlich doppelt
contourirt, während die innere sehr zart und daher meist schwer nach-
weisbar ist.
Es ist jedenfalls nicht ohne Interesse, dass wir die bei den Coceidien
so gewöhnlichen doppelten Cystenhüllen auch bei den früher besprochnen
freien Gregariniden mehrfach in gleicher Ausbildung trafen.
Bei einer Form, der Schneider’schen Cyclospora, ist es sicher, dass
die innere Cystenhaut erst nach der äusseren entsteht, indem sie hier
erst gebildet wird, wenn sich der Cysteninhalt durch Condensation be-
trächtlich aus den Polen der äusseren, länglichen Hülle zurückgezogen hat.
In diesem Fall ist also die innere Cystenhülle viel kürzer wie die äussere
und wenn sich die Condensation des Cysteninhalts noch weiter fortgesetzt
hat, scheinen die polaren Theile der inneren Hülle wie zwei Scheide-
wände den Hohlraum der äusseren Cystenhülle jederseits zu durchsetzen, in-
dem nämlich in der äquatorialen Region die beiden Hüllen dicht aufeinander
lagern und daher hier nicht zu unterscheiden sind (39.2). Eigenthümlich schei-
nen sich die Hüllen bei dem Coceidium oviforme zu verhalten, da es Leuckart
für sehr wahrscheinlich hält, dass sich hier zunächst eine sehr zarte Um-
hüllungshaut bilde, unter welcher dann erst die eigentliche, diekere und in ihrer
Gestalt etwas verschiedene Cystenhaut 'entsteht (37. 11a). Die erstgebildete
zarte Hülle geht bald verloren (11b). An der einfachen Cystenhaut oder der
äusseren diekeren der beiden Häute finden sich zuweilen noch besondere
Auszeichnungen. Bei den Leber- und Darmcoceidien der Säugethiere
wurde vielfach (zuerst von Waldenburg) eine feine Oeffnung (sogen. Mikro-
pyle) an einem Pol der eiförmigen Cystenhaut beobachtet. Eimer will
an den Darmeoceidien der Maus (Eimeria faleiformis) häufig sogar an
beiden Polen solche Mikropylöffnungen gesehen haben (38.2b). Auch Aim&
Schneider beobachtete an dem einen Pol der einfachschaligen Orthospora
eine eigenthümliche Marke („stigma‘) der Cystenhaut, vielleicht ein der
sog. Mikropyle der andern Beobachter entsprechendes Gebilde (39.1); jeden-
falls hält es Schneider aber nicht für eine Oeffnung. Bei der Conden-
sation bleibt der Cysteninhalt dieser Form anfänglich und regelmässig durch
einen feinen Plasmafaden an dieser Marke der Schalenhaut befestigt,
später löst sich jedoch der Faden und zieht sich in das übrige Plasma
zurück. Die einfache Cystenhaut der Orthospora scheint weiterhin noch
in ihrer äquatorialen Region von feinen Porenkanälchen durchsetzt
zu sein, bis jetzt das einzig bekannte Vorkommen solcher Gebilde bei
den Cystenhüllen der Sporozo&n.
Ueber die chemische Natur der Cystenhäute liegen keine genaueren
Angaben vor, jedoch betonen eine Reihe Forscher ihre grosse Widerstands-
fähigkeit gegen Reagentien (CIH, NO,H, KHO). Kauffmann behauptete
sogar, dass die Cystenhaut des Coccidium oviforme von Schwefelsäure
nieht zerstört werde.
rd
nei ne
Fortpfl. d. Coccidien (Eneystirung, Sporulation), 561
Wie bemerkt, richtet sich die Gestalt der Cysten nach der der reifen
Coceidien, wir begegnen daher kugligen, eiförmigen bis etwas eylindri-
schen, aber auch zuweilen birnförmigen. (Vergl. T. 37—39.)
Die Weiterentwicklung der Cysten beginnt häufig mit einer schon
mehrfach erwähnten Condensation ihres Inhalts, welcher sich in den
länglichen Cysten aus den Polen zurückzieht und im Centrum kuglig
zusammenballt. Bei birnförmig gestalteten Cysten ballt sich der Inhalt
im breiteren Cystentheil zusammen. Dagegen scheinen Formen mit kug-
ligen Cysten häufig keine oder doch nur eine sehr schwache Condensation
aufzuweisen.
In ziemlicher Uebereinstimmung berichten die Untersucher, dass einige
Zeit nach vollzogner Eneystirung der Kern verschwinde, was ja auch
für die entsprechende Entwicklungsstufe der eigentlichen Gregarinen all-
gemein betont wird. Leuckart fand zwar im Cysteninhalt des Coceidium
oviforme stets, sogar nach der Vermehrung noch in jedem der Theil
producte (Sporoblasten), einen centralen hellen Fleck, er bestreitet jedoch
dessen Kernnatur, da er sich nicht färben liess. Wie bei den eigentlichen
Gregarinen möchten wir auch bei den Coceidien das gänzliche Schwinden
des Kernes bezweifeln, denn wir werden finden, dass in den Entwicklungs-
producten des Cysteninhalts, den sichelförmigen Keimen, Zellkerne nicht
selten deutlich nachweisbar sind.
Neuerdings konnte Aime& Schneider (94) bei einer Coceidie (Cyelospora
glomericola) die sehr interessante Beobachtung machen, dass man kurz
vor oder nach dem Verschwinden des Zellkerns in den von Flüssigkeit
erfüllten beiden Polen der Cyste je ein kleines glänzendes Körperchen auf-
treten sieht (39 .2b). Der ursprünglich im Centrum des Cysteninhalts gelegne
Kern war vor seinem Verschwinden ganz dicht unter die Oberfläche in
der Aequatorialregion gerückt. Mit grosser Berechtigung hebt Schneider
ohne Zweifel die Aehnlichkeit der beiden glänzenden Körperchen mit den
sogen. „Richtungskörperchen“ der sich entwickelnden Eizelle hervor.
Diese Beobachtung eröffnet eine verlockende Aussicht auf weitere Fort-
schritte in der Erkenntniss der Beziehungen der Fortpflanzungsvorgänge
bei Proto- und Metazoen.
Die weitere Entwicklung der eneystirten Coceidien vollzieht sich ähn-
lich wie bei den freien Gregariniden entweder an dem Bildungsort der Cysten
oder aber nachdem diese auf irgend welchem Weg in die Aussenwelt
gelangt sind. Die Cysten zahlreicher Coecidien scheinen jedoch vor ihrer
weiteren Entwicklung wenigstens aus den Zellen, in welchen sie ursprüng-
lich schmarotzten, in die Körperhöhlen ihrer Wirthe entleert zu werden,
wenngleich auch häufig bei gewissen Formen Cysten mit ausgereiften
Sporen in den Zellen angetroffen werden.
Die Weiterentwicklung im Wirthsthier scheint sich bei vielen Coceidien
der Wirbellosen und der kaltblütigen Wirbelthiere zu finden, jedoch nicht
stets, zum mindesten hat Schneider bei seiner Cyelospora aus dem Darm
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozon. 36
562 Gregarinida.
von Glomeris (Myriopode) constatirt, dass die Weiterentwicklung der Cysten
erst in den Fäces des Wirthes eintritt. Dasselbe findet sich wenigstens
bei einem Theil der Coceidien der Warmblüter, sicher bei dem sogen.
Coceidium oviforme und den Darmeoceidien der Vögel (nach Rivolta’s
Untersuchungen). Die Darmeoceidien der Säugethiere scheinen dagegen,
wenn auch nicht stets, so doch häufig am Eneystirungsort ihre weitere
Entwicklung zu durchlaufen. Rivolta hält den Unterschied in Bezug auf
den Ort der Weiterentwicklung sogar für so wichtig, dass er hauptsäch-
lich hiernach die Coceidien in zwei Gattungen sondert, die mit externer
Entwicklung als Cytospermium, die anderen dagegen als Psorospermium
bezeichnet. Fraglich dürfte wohl erscheinen, ob diejenigen Caccidien,
welche für gewöhnlich ihre weitere Entwicklung erst ausserhalb des Wohn-
thieres beginnen, niebt auch in der Entwicklung weiter fortschreiten wür-
den, wenn sie nur hinreichend lange im Organismus des Wohnthieres
zurückgehalten würden.
Der weitere Entwicklungsprocess der encystirten Coceidien besteht
nun wie bei den eigentlichen Gregarinen darin, dass sich aus ihrem proto-
plasmatischen Leib eine verschiedne Anzahl von Sporen oder Pseudonavi-
cellen hervorbildet. Die Sporulation scheint fast durchaus eine complete
zu sein, d. h. der Inhalt des Protoplasmaleibes sich gänzlich ohne Rück-
stand in Sporen umzubilden. Die Nierencoceidien des Frosches scheinen
nach Lieberkühn’s Angaben hiervon z. Th. eine Ausnahme zu machen,
indem deren Cysten häufig neben den Sporen noch körnige Masse auf-
weisen; ebenso bleibt auch nach Schneider’s Untersuchungen bei der
Sporulation der Klossia soror zuweilen ein centraler Rest des Cysteninhalts
unverbraucht.
Die Sporulation der Coccidien führt zur Bildung einer sehr verschied-
nen Zahl von Sporen, und zwar wächst die Sporenzahl im Allgemeinen
mit der Grösse der Coceidienformen. Das einfachste Verhalten treffen wir
in dieser Hinsicht bei den Gattungen Eimeria Schn. und Orthospora Schn.
(Unterabtheil. Monosporea Schn.). Hier bildet sich nämlich der Inhalt der
eneystirten Coceidie in seiner Gesammtheit zu einer einzigen Spore um,
indem er sich im Centrum der Cystenhaut zu einer kugligen Spore zu-
sammenzieht, welche entweder nackt bleibt (Orthospora, T. 39. 1) oder
sich in eine sehr zarte Sporenhaut hüllt (T. 38. 2).
Bei den übrigen Coceidien bildet der Cysteninhalt eine grössere An-
zahl von Sporen aus; eine Reihe von Formen (Unterabtheilung der Oligo-
spora Schn.) erzeugt eine geringe und, wie es scheint, für eine und die-
selbe Form in der Regel constante Sporenzahl. Die Sporen entstehen in
diesem Fall durch einen Theilungsprocess des Cysteninhalts.
Bei den hierhergehörigen Gattungen Cyelospora Schn. und Isospora
Schn. zerfällt der Inhalt durch einfache Theilung in zwei kuglige oder
ovale Sporoblasten, welche allmählich eine spindelförmige (Cyelospora,
T. 39. 2) oder birnförmige (Isospora) Gestalt annehmen und sich durch
Fortpfl. der Coceidien (Sporulation). ° 563
Ausbildung einer einfachen Sporenhülle zu zwei spindel- oder birnförmigen
Sporen entwickeln.
Auch bei gewissen Darmcoceidien der Vögel (Psorospermium Avium
Rivolta) soll die Sporenbildung nach Rivolta eine ähnliche sein, indem
der Inhalt gleichfalls nur in zwei Sporoblasten zerfalle. Dasselbe gibt
Rivolta auch für gewisse Coceidien der Darmzotten des Hundes an.
Bei der Gattung Coceidium (oviforme Leck. der Kaninchenleber) zer-
fällt der im Centrum der Cyste kuglig condensirte Protoplasmaleib durch
eine wahrscheinlich ziemlich simultan geschehende Theilung in vier
Sporoblasten (37. 11e), welche sich zu ovalen Körperchen umformen und
eine ihrer Oberfläche dicht aufliegende, sehr zarte Sporenhülle ausscheiden
(11d). An dem einen, etwas mehr zugespitzten Pol der Sporenhülle dieser
Form findet sich ein zuerst von Stieda beobachtetes kleines, dunkles
Knöpfehen.
Gegenüber diesen meist kleineren Formen mit sehr wenigen Sporen,
finden wir bei den grösseren (Unterabtheilung Polysporea Schn.) einen
Zerfall des Cysteninhalts in zahlreiche Sporen, ähnlich wie bei den ge-
wöhnlichen Gregariniden. Eine grosse Menge von Sporen wird in den
häufig stecknadelkopfgrossen Öysten der Froschniere erzeugt, ganz ähn-
lich ist dies auch bei den ansehnlichen Coccidienceysten der Cephalo-
poden (38. 1e), etwas geringer dagegen bei den auch kleineren der Gastro-
podenniere (37.10d; beide Molluskenformen zur Gatt. Klossia Schn. gehörig).
Der Vorgang der Sporulation ist bei diesen Polysporeen bis jetzt nur noch
wenig ausreichend aufgeklärt. Nach den Beobachtungen von Kloss an
der Klossia helieina möchte es scheinen, dass hier der Sporulationsaet in
etwas verschiedner Weise geschehen könnte, entweder durch einen ziem-
lich unregelmässig verlaufenden Zerfallsprocess des condensirten Cysten-
inhalts in eine Anzahl unregelmässiger bis rundlicher und an Grösse ziem-
lich verschiedner Kugeln (37. 10e) oder aber durch simultanen Zerfall in zahl-
reichere (bis über 60) gleichgrosse kuglige Sporoblasten. Ob der erst-
erwähnte Entwicklungsprocess durch weiteren Zerfall der unregelmässigen
grösseren Theilproducte ebenfalls zur Bildung kleiner Sporoblasten führt,
scheint bis jetzt unsicher. |
Auch Eberth hat in den Cysten der Cephalopodencoceidie z. Th. un-
regelmässigen Zerfall in eine Anzahl Theilstücke beobachtet, die eigent-
liche Bildung der zahlreichen Sporen der reifen Cysten jedoch nicht
ausreichend zu ermitteln vermocht. Wahrscheinlich wird jedoch die
Sporulation bei diesen Angehörigen der Gattung Klossia allgemein in der
neuerdings von Schneider von der Klossia soror berichteten Weise vor
sich gehen. Hier knospen die Sporoblasten von der Oberfläche des Cysten-
inhalts genau in derselben Weise wie bei zahlreichen echten Gregarinen
hervor (39.4); gleichzeitig soll aber der encystirte Plasmakörper zuweilen
eine Art Fragmentation erfahren. Meist zerfällt der Cysteninhalt dieser Form
36*
564 Gregarinida,
durch fortgesetzte Knospung vollständig in Sporoblasten oder es bleibt
doch nur ein geringer unverbrauchter Rückstand übrig.
Die Sporen der Polysporea sind meist einfach kuglige Gebilde, so
bei den bekannten Klossien durchaus. An den Sporen der Cephalo-
poden-Klossia will Eberth z. Th. eine zweifache Umhüllung gefunden
haben, von welchen die äussere gewöhnlich stärker und fester war und
zuweilen auch einen mikropyleartigen, kleinen Aufsatz besass.. Durch
Druck soll die Sporenhaut in zwei Hälften auseinanderbersten. Schneider,
welcher diese Form späterhin gleichfalls beobachtete, schreibt ihren Sporen
nur eine einfache, ziemlich dieke Schale zu (38. 1d—f). Im plasmatischen
Sporeninhalt fand Eberth gewöhnlich einen, zuweilen jedoch bis zu vier sog.
Nuclei; nach den Abbildungen sind es helle Flecke, welche hinsichtlich
ihrer Nucleusnatur weiterer Aufklärung bedürfen. In den Sporen der
übrigen Coceidien ist ein Nucleus bis jetzt noch nicht beobachtet worden.
Die Sporen der Gastropodenklossien sind kuglig mit einfacher, zarter
Membran (37. 10e—f); dagegen besitzen die der Froschniere-Coceidien nach
Lieberkühn eine spindelförmige Gestalt, ähnlich den Sporen der Regen-
wurm-Monocystiden.
Die vorstehende Uebersicht der Sporulationsverhältnisse der Cocei-
dien lässt uns erkennen, dass dieselben prineipiell mit denen der freien
Gregariniden übereinstimmen. Die Sporulation der Polysporeen ist that-
sächlich dieselbe wie die zahlreicher echter Monocystiden und die Vor-
gänge der Oligo- und Monosporeen lassen sich ohne Schwierigkeit von diesem
Verhalten ableiten. Auf Grund der Sporenbildung lässt sich daher eine
Sonderung der Coceidien von den Monocystiden nicht rechtfertigen.
Ebensowenig jedoch auch auf Grund der weiteren Entwicklung der Sporen,
wie wir gleich sehen werden.
Wie die Sporen einer Anzahl freier Gregariniden zeigen auch
die der Coceidien eine weitere Entwicklung, mit Bildung einer sehr ver-
schiednen Zahl sogen. sichelförmiger Keime. Diese Erscheinung beschrieb
zum ersten Mal Lieberkühn von der Coceidie der Froschniere und kurze
Zeit darauf schilderte sie Kloss sehr vollständig für die von ihm entdeckte
Klossia heliecina. Bei dem Coeeidium oviforme der Kaninchenleber hat
zunächst Stieda diesen Process richtig erkannt. Gerade letztere Form bietet
auch den einfachsten Entwicklungsgang der Sporen dar, indem sich hier
in jeder Spore nur ein einziges sichelförmiges Keimchen ausbildet.
Spätere Forscher, namentlich Leuckart, haben die Richtigkeit der Stieda-
schen Schilderung bestätigt. Der Sporeninhalt des Coceidium sondert sich
bei der Weiterentwicklung in einen hellen, durchsichtigen und einen
körnigen Theil. Der erstere liegt als ein C förmig gekrümmtes Stäbchen
der Sporenhülle dicht an und seine beiden etwas zurückgekrümmten
Enden, welche ihre Lagerung in den Polen der Spore finden, sind knopf-
förmig angeschwollen (37. 1le—h). Der körnige Rest, den wir auch hier wie
BE
———
Fortpfl. d. Coceidien (Sporulation; Entwickl. sichelförmiger Keime). 565
bei den Sporen der Gregarinen als Restkörper (Nucleus de reliquat) bezeichnen
dürfen, liegt der Concavseite des Stäbchens an und füllt den Zwischen-
raum zwischen den knopfförmigen Enden ziemlich aus, so dass er bei
gewisser Lage der Spore das Mittelstick des Stäbchens völlig verdeckt
und nur die beiden Endknöpfe sichtbar hervortreten.
Rivolta hat aus den Darmzotten des Hundes Psorospermien beschrieben, die nach ihrer
Bildung, sowie wegen ihrer Kleinheit (Länge —= 0,008—0,012 Mm.) es sehr wahrscheinlich
machen, dass sie aus der Cystenhülle befreite isolirte Sporen mit einem sichelförmigen Kör-
perchen und dem Nucleus de reliquat darstellen; sollte diese Auffassung unrichtig sein,
und diese Gebilde thatsächlich Coccidiencysten mit einem einzigen sichelförmigen Kör-
perchen darstellen, so müssten wir annehmen, dass sich auch monospore Coceidien, bei
welchen die Spore nur ein einziges sichelförmiges Körperchen ausbildet, finden. Er will jedoch
auch einzelne dieser Gebilde beobachtet haben, welche statt des einzigen sichelförmigen Keimes
drei längliche oder vier etwas unregelmässige helle Körperchen neben einer körnigen Masse
(dem Restkörper) aufwiesen. Die Erklärung hierfür findet sich vielleicht weiter unten bei der
Besprechung der von Rivolta und Anderen den Sporen zugeschriebnen Entwicklungsprocesse.
Bei den Gattungen Cyclo- und Orthospora entstehen in jeder Spore
einige sichelförmige Keime und zwar bei Cyclospora nur zwei, bei Ortho-
spora dagegen vier. In beiden Fällen, sicher jedenfalls bei Orthospora,
entstehen die sicbelförmigen Keime durch einen Knospungsprocess des
Sporenplasmas in ganz ähnlicher Weise wie die Sporoblasten zahlreicher
eigentlicher Gregarinen und gewisser Coceidien aus der Oberfläche des
Cysteninhalts hervorknospten. Man sieht hier die sichelförmigen Keime
als perlartige Auswüchse allmählich aus der Oberfläche des körnigen
Sporenplasmas hervorwachsen (39.1b). Der unverbrauchte Rest des körnigen
Plasmas bleibt schliesslich als ein sogen. Restkörper zwischen den ent-
wickelten Keimen liegen. Es erscheint nicht zweifelhaft, dass auch der
einzige Keim der Coceidiumspore seine Entstehung einem entsprechen-
den Knospungsprocess des Sporenplasmas verdankt. Wie Schneider be-
tont, ist es interessant, dass bei den drei Geschlechtern Orthospora, Cyelo-
spora und Coceidium die definitive Zahl der Keime vier beträgt, obgleich
ihre Sporenzahl resp. eins, zwei und vier ist. Die grössere Zahl der ge-
bildeten Keime compensirt also die geringere Sporenzahl.
Bei den übrigen genauer untersuchten Coceidien kommt ähnlich den
freien Gregariniden in einer Spore eine grössere und, wie es scheint, meist
unconstante Zahl von Keimen zur Ausbildung und neben ihnen findet sich
wohl stets ein sogen. Restkörper. Der Entwicklungsgang der Keime aus
dem Sporenplasma ist bis jetzt nur sehr unzulänglich ermittelt. Am ein-
gehendsten hat sich hiermit Eimer bei der Darmcoceidie der Maus
(Eimeria Schnd.) beschäftigt, jedoch halte ich den von ihm geschilderten
Entwicklungsgang nicht gerade für sehr wahrscheinlich, da er mit dem,
was wir von der Bildung der entsprechenden Keime in den Monoeystis-
sporen der Regenwürmer und den übrigen Coceidiensporen wissen, nicht
recht harmonirt. Nach Eimer sollen nämlich im Inhalt der Spore ge-
wöhnlich eine Anzahl glänzender Körperchen (nach der Abbildung helle
Flecke) auftreten (38. 2d), welche sich auf Kosten des körnigen Sporenplasmas
566 Gregarinida.
vergrösserten; das letztere schwinde schliesslich gänzlich und die frei-
gewordnen Körperchen bilden sich zu den sichelförmigen Keimen aus (2e).
Diese Bildungsweise scheint mir, wie gesagt, um so weniger wahrschein-
lich, da sie keinen Aufschluss über die Herkunft des auch von Eimer
fast stets zwischen den sichelförmigen Keinen gefundnen Restkörpers (r)
gibt. Eimer glaubt aber, dass sich auch noch ein weiterer Bildungsmodus
finde, bei welchem der Sporeninhalt durch fortgesetzte Theilung in eine
Anzahl rundlicher Körperchen zerfalle, die sich nachträglich zu den
sichelförmigen Keimen umgestalteten.
Der wahrscheinlichste Bildungsgang scheint mir auch hier der schon
früher für die Monocystiden betonte zu sein. Der Sporeninhalt zerfällt durch
Längstheilung *) zu einem Bündel sichelförmiger Körperchen, zwischen wel-
chen, gewöhnlich dem einen Ende des Bündels genähert, der ziemlich kuglige,
körnige Restkörper sich findet, mit welchem der grössere Theil der Körner-
masse des ursprünglichen Sporenplasmas als unverwerthbarer Bestandtheil
abgeschieden zu werden scheint. Hiermit stimmt denn auch überein, dass die
sichelförmigen Keime gewöhnlich in der erwähnten Weise zu einem Bündel der
Länge nach zusammengeordnet sind, indem sie sich sämmtlich mit ihren
beiden Enden berühren, oder doch sehr nähern (38.2g). Dass sich häufig
Abweichungen von dieser Anordnung finden, ist leicht verständlich, da sich
die Keime unserer Coceidien gewöhnlich schon in der Hülle bewegen
und damit die ursprüngliche Anordnung schwindet. — Eigenthümlichen
Lagerungsverhältnissen der Keime begegnet man bei der Benedenia
der Cephalopoden, sie liegen hier nämlich häufig nach zwei zu ein-
ander senkrechten Richtungen gekreuzt oder spiralig-concentrisch um-
einander (38. le—f).
Eine etwas genauere Betrachtung verdient noch der Bau der ausge-
bildeten sichelförmigen Keime, da derselbe zuweilen einige Besonderheiten
verräth. Ihre Gestalt ist meist eine länglich stäbchenartige mit schwach
bogenartiger Krümmung im Ruhezustand, so dass sich eine convexe und
concave Seite unterscheiden lassen (35.4a). Die Bezeichnung „sichelförmige
Körperchen oder Keime‘ st demnach im Ganzen wenig zutreffend, nur bei
starker Einkrümmung tritt eine sichelförmige Gestalt vorübergehend her-
vor. Die Enden der Stäbehen sind meist etwas zugespitzt, jedoch herrscht
auch in dem Grad dieser Zuspitzung eine recht erhebliche Verschiedenheit,
namentlich ist das eine Ende zuweilen breiter und abgerundet, so dass
die Gesammtgestalt dann lang birnförmig wird. Wie erwähnt, besitzen
die Keime des Coceidium oviforme eine etwas abweichende Form, da ihre
Enden kuglig verdickt sind, ihre Gestalt ist daher etwa hantelförmig.
*) Streng genommen, wäre es jedoch auch hier richtiger, von einer Knospung zu
sprechen, da auch hier ein Antheil des Sporenplasmas bei der Bildung der Keime unver-
braucht als Restkörper zurückbleibt, also kein völliger Zerfall des Sporenplasmas in Theilstücke
statthat. Der nicht getheilte Rest ist jedoch so geringfügig, dass die Bezeichnung des Vor-
gangs als Theilung nicht ganz ungerechtfertigt erscheint.
_
nn nn nn ai
Fortpfl. d. Coceidien (Bildung u. Bau der sichelförmigen Keime). 567
Häufig ist das Plasma der Keime, wie es scheint, ganz hyalin,
oder doch nur sehr feingranulirt, bei einigen Formen dagegen lassen
sich verschieden beschaffene Theile am Keime unterscheiden. Zuvor
sei jedoch bemerkt, dass es bei einigen Formen gelungen ist, einen
central gelegnen Zellkern mit Sicherheit nachzuweisen. Bütschli beob-
achtete ihn sehr deutlich, mit ansehnlichem Nucleolus, bei Eimeria
Schneideri (38. 4), Schneider bei Eimeria nova und Klossia soror. Ich
halte es demnach auch für sicher, dass den Keimen ein Nucleus über-
haupt zukommt.
Die erwähnte Zusammensetzung des sichelförmigen Keimes aus ver-
schieden gebildeten Plasmaregionen beobachtete Schneider sehr deutlich bei
einem Theil der Keime der Orthospora propria des Triton (39. ld—e). Hier
setzen sich die Stäbchen nicht selten recht deutlich aus drei segmentartigen
Abschnitten zusammen; einem mittleren feingranulirten und zwei endstän-
digen ziemlich hyalinen. Die Grenzen dieser scheinbaren Segmente ziehen
schief von der Convexseite der Keime bis zum Mittelpunkt der Concav-
seite herab, so dass sich hier die beiden hyalinen Endsegmente berühren,
während sie auf der Convexseite weit von einander abstehen. Doch
scheinen auch Abweichungen und Unregelmässigkeiten in der Vertheilung
des hyalinen und körnigen Plasmas vorzukommen. Ein Theil der Keime
zeigt das körnige Plasma an einem, dem mehr zugespitzten Ende ange-
häuft. Eine ähnliche Unterscheidung dreier Abschnitte beobachtete Schneider
auch bei der Isospora rara, hier bemerkt man ein mittleres schwächer
lichtbrechendes und zwei endständige starklichtbrechende und daher bläu-
lich erscheinende Segmente (T. 39. 3).
Aehnlich scheinen sich gewöhnlich die sichelförmigen Körperchen zu
verhalten, welche in neuester Zeit in den Blutkörperchen, Milzzellen und
verschiednen anderen Gewebezellen des Frosches und anderer Amphibien
von Gaule (93, 95) beobachtet wurden und denen Lankester (97) den Namen
Drepanidium Ranarum gab. Auch diese, ‘ihrer Natur und Herkunft nach bis
jetzt noch nicht hinreichend aufgeklärten Keime, lassen gewöhnlich drei Ab-
schnitte unterscheiden, einen mittleren hellen und zwei endständige dunk-
lere (39. 5). Nach den Angaben Lankester’s soll diese Differenzirung hier
davon herrühren, dass in jedem der Endabschnitte ein rundlicher stark-
lichtbrechender Körper eingelagert ist, welcher nach Behandlung mit
Jodlösung deutlich hervortritt. Auch Gaule zeichnete zwei entsprechende
dunkle Körper in seinen Abbildungen mehrfach ein, häufiger jedoch
zwei bis drei helle durchsichtige Körperechen, welche er für Tröpf-
chen oder Bläschen halten möchte und die nach ihm den Anschein heller
Querstreifen hervorrufen, die über das Drepanidium hinziehen. (Auch
auf Lankester’s Abbildung erscheinen übrigens die zwei angeblich stärker
lichtbreehenden Körperchen als zwei ganz helle durchsichtige Flecken.)
Wie schon bemerkt wurde, zeigen die sichelförmigen Keime der Coc-
eidien z. Th. sehr deutliche Bewegungserscheinungen, zuweilen schon
568 Gregariniaa.
innerhalb der Spore; viel energischer gewöhnlich nach ihrem Austritt aus
der Sporenhülle. Ein spontanes Austreten der Keime wurde mehrfach
beobachtet, so von Kloss bei Klossia (helieina); meist lässt sich das
Hervortreten der Keime durch künstliche Zersprengung der Sporenhülle
leicht erzielen. Die Bewegungserscheinungen der Stäbchen sind entweder
nematodenartige, wie wir sie auch an kleinen, ähnlich gestalteten Grega-
rinen gefunden haben, d. h. recht energische Zusammenkrümmungen nach
der eoncaven Seite (38.4b) und Wiederausstreckung, z. Th. jedoch auch Zu-
sammenziehungen, wobei eine tiefere Gestaltsveränderung eintritt, so Zu-
s®mmenziehung zu nahezu birnförmiger Gestalt (4e), welcher jedoch eine
Wiederausstreckung zur gewöhnlichen Form folgt.
Auch wirkliche Ortsbewegung tritt zuweilen auf, welche nach den
Beobachtungen von Kloss bei der Klossia in der Art geschieht, dass die
kleinen Wesen in euglenen- oder blutegeläbnlicher Weise umherkriechen,
wogegen Eimer von Eimeria eine mehr amöboide Beweglichkeit beschreibt ;
doeh tritt letztere erst ein, wenn das Keimchen seine sichelförmige Gestalt
durch Zusammenziehung dauernd in eine kuglige verändert ist (37. 13a—e).
Jedoch scheinen diese amöboiden Bewegungen nie sehrenergisch zu sein und
die dadurch hervorgerufnen Gestaltsveränderungen nur gering. Zu eigent-
licher Pseudopodienentwicklung scheint es kaum zu kommen*). Eigen-
thümlich ist schliesslich noch eine schwimmende oder rotirende Bewegung,
welche Kloss zuweilen bei der Klossia und ich bei der Eimeria Schneideri
beobachtet habe. Hierbei schwimmt das Keimchen längere Zeit in einem
Kreise herum, dessen Mittelpunkt in einiger Entfernung von der ihm stets
zugekehrten Concavseite des Keimes liegt. Es ist dies also eine Kreis-
bewegung ähnlich der, welche wir auch schon an den sich zur Eneysti-
rung anschickenden, conjugirten Clepsidrinen ete. beobachtet haben. Es
gibt aber auch unter den Coceidien gewisse Formen, bei welchen bis jetzt
noch keine Beweglichkeit der sichelförmigen.Keime beobachtet werden
konnte, dies gilt namentlich für das recht eingehend studirte Coceidium
oviforme.
Wie bei den freien Gregariniden spricht auch hier alles dafür,
dass sich die sichelförmigen Körperchen nach ihrer Befreiung aus der
Sporenhille unter geeigneten Bedingungen direct zu den reifen Gregarinen,
resp. Coeeidien entwickeln. Gerade für die letzteren ist dieser Entwick-
lungsgang als nahezu sichergestellt zu betrachten. Bevor wir jedoch zu
einer genaueren Verfolgung der in dieser Hinsicht maassgebenden
Beobachtungen übergehen, wollen wir noch einen Blick auf gewisse For-
schungen werfen, welche eine von der seither gegebnen Darstellung ab-
*) Aim& Schneider (94) glaubt von kleinen Amöben (von 0,04 Mm. Durchmesser), welche
er in der Niere von Neritina fluviatilis gefunden hat, die Klossia soror der Nierenzellen dieser
Prosobranchiate ableiten zu dürfen. Er beobachtete den Beginn einer Encystirung dieser
Amöben. Doch scheint ein sicherer Zusammenhang zwischen diesen Amöben und der Coceidie
bis jetzt noch nicht festgestellt.
Zu
nn
pe
nd en ee
Fortpfi. d. Coceidien (Bewegung d. sichelf. Keime, Keimbild. nach Waldenburg u. Rivolta). 569
weichende und eigenartige Weiterentwieklung der Coceidiensporen zu er-
weisen suchten. Diese Beobachtungen beziehen sich fast ausschliesslich
auf das Coceidium oviforme oder die demselben in ihrer Entwicklung
ganz ähnlichen Darmeoccidien gewisser Säugethiere. Schon Reincke
glaubte 1866 innerhalb der in den Sporen befindlichen Stäbehen dieser
Coceidien noch weitere Bildungen zu beobachten. Er fand in ihnen näm-
lich stets 3—4 scharf umschriebne bläuliche Körper, von wachsartigem
Glanz, von welchen zwei die äussersten Enden der Stäbchen einnahmen,
der andre oder die beiden andern dagegen in gleichen Abständen zwischen
diesen endständigen vertheilt waren.
Eine gewisse Beziehung zu diesen Beobachtungen haben jedenfalls die
späteren Mittheilungen von Waldenburg und Rivolta. Ersterer erkannte die
Bildung von sichelförmigen Keimen in den Sporen gar nicht an, sondern
findet in letzteren zwei heile Kerne“), welche in den Polen der ovalen Sporen
liegen (ohne Zweifel sind dies die kuglig angeschwollnen Enden des Keimes).
Im Verlauf der weiteren Entwieklung soll die Zahl der Kerne sich verdoppeln
(37. 12a) und der Sporeninhalt schliesslich, entsprechend den vier Kernen,
zu vier kleinen kernhaltigen Zellen zerfallen, welche nach Waldenburg die
wahren Keime des Coceidium oviforme darstellten (12b). In ähnlicher Weise
lässt Rivolta innerhalb der Sporen die eigentlichen Keime, welche er
„Mierococei psorospermiei‘“ nennt, in Vierzahl entstehen, jedoch nicht durch
einen Theilungsprocess, sondern in dem Innern des Sporenplasmas durch
eine Art endogener Bildung. Die Keime sind nach ihm sehr kleine glän-
zende Körperchen. Nach der Uebertragung solch reifer Coceidieneysten
in den Leib eines andern Parasitenträgers sollen diese Mierococei psoro-
spermiei hervorschlüpfen, sich amöboid bewegen, wachsen und sich
durch Theilung vermehren, um hierauf nach Eindringen in eine Epithel-
zelle ihrer weiteren Entwicklung entgegenzugehen. Früherhin (1869) da-
gegen glaubte Rivolta, dass sich die Micrococei nach ihrem Hervor-
schlüpfen in bewimperte Infusorien umwandelten, welche er im Darm und
auch der Leber der mit Coceidien infieirten Kaninchen gefunden haben
will und welche in die Epithelialzellen eindringend ihr Wimperkleid ab-
streifen und sich zu den Coecidien entwickeln sollten. Auch Waldenburg
will in der Flüssigkeit der Leberknoten der Kaninchen kleine, meist kern-
haltige Körperehen gefunden haben, welche er für die ausgeschlüpften
und übertragnen Keime hält, und deren amöboide Beweglichkeit ihm auch
sebr wahrscheinlich wurde **),
*) Diesem Stadium geht jedoch nach Waldenburg noch ein einkerniges zuvor, während
die jugendlichen Sporoblasten kernlos seien. Waldenburg liess die Entwicklung der von ihm
untersuchten Coccidieneysten entweder in Lösungen von Chromsäure oder doppeltchromsaurem
Kali vor sich gehen. Es ist nicht recht einzusehen, weshalb er solche, jedenfalls sehr unnatür-
liche Entwicklungsbedingungen auswählte, wenn dieselben auch im Allgemeinen den Ent-
wicklungsgang nicht wesentlich zu beeinflussen scheinen, was übrigens nach einer Beobachtung
Eimer’s bei den Darmcoceidien der Maus nicht immer so zu sein scheint.
**) Waldenburg hatte jedoch sehr eigenthümliche Vorstellungen von der amöboiden Beweg-
lichkeit, was z. B. daraus hervorgeht, dass er dieselbe auch an den mit Uhromsäurelösung
behandelten Lebern noch beobachtet haben will.
570 Gregarinida.
Die Ausbildung der Micrococei psorospermici will Rivolta auch bei
gewissen Darmeoceidien der Vögel (Psorospermium avium Rivolta) beob-
achtet haben; hier sollen sich jedoch in den nur in Zweizahl, wie oben
bemerkt wurde, gebildeten Furchungskugeln (Sporoblasten ?) nicht weniger
wie 10—15 solcher Microeoceen entwickeln; ja nach Piana soll diese
Mierocoecenentwicklung hier auch ohne vorhergehende Zweitheilung im
Cysteninhalt auftreten können.
Gegen die Berechtigung der Waldenburg-Rivolta’schen Auffassung
des Entwicklungsgangs des Coceidium oviforme spricht sich Leuckart (92)
neuerdings aus. Nach ihm lassen sich ähnliche Zerfallserscheinungen,
wie sie Waldenburg für die Sporen dieser Coecidie schildert, wirklich
beobachten, jedoch sind es keine normalen Entwieklungserscheinungen,
sondern Vorgänge, welche das Zugrundegehen und die Zerstörung der
Coceidieneysten bei langer Aufbewahrung in Wasser ete. begleiten. So
wahrscheinlich mir selbst diese Deutung der Waldenburg -Rivolta’schen
Angaben, namentlich in Anbetracht des von den übrigen Coeeidien be-
kannten Entwicklungsganges erscheint, so frappirt doch die grosse Regel-
mässigkeit, welche nach Waldenburg’s Schilderung und Abbildungen bei
dem Zerfall des Sporenplasmas herrschen soll und lässt eine weitere Auf-
klärung dieser Angelegenheit wünschenswerth erscheinen.
Ueber das definitive Schicksal der sichelförmigen Keime, ihre Wieder-
entwicklung zu der reifen Coccidie liegen bis jetzt ganz direete Beob-
achtungen nicht vor. Wir wissen aus den Beobachtungen von Kloss und
Eimer, dass die Keime sich schliesslich durch Zusammenziehung
kuglig gestalten und dass die jugendlichsten in den Zellen schmarotzend
angetroffnen Coecidien in Bezug auf Grösse und Bau kaum oder nicht
von diesen kuglig umgestalteten Keimen abweichen. Dies macht es natür-
lich höchst wahrscheinlich, dass die sichelförmigen Keime vor oder nach
ihrer Gestaltsmetamorphose mit Hülfe ihrer Bewegungen in die Epithel-
zellen eindringen und sich hier direet weiterentwickeln, dagegen ist dieser
Einwanderungsvorgang bis jetzt noch kaum Gegenstand direeter Wahr-
nehmung gewesen.
Ein eigenthümliches Licht werfen aber die interessanten Beobachtungen
Gaule’s auf die Frage nach den Wanderungen und dem weiteren Ver-
halten der sichelföürmigen Keime. Wie schon erwähnt, hat dieser Forscher
zuerst in den rothen Blutkörperchen des Frosches, später in den Milz-
zellen und anderen Gewebezellen dieses und anderer Vertreter der Amphi-
bien Organismen angetroffen, welche wohl unzweifelhaft sichelförmige
Keime einer Coceidie sind, wenn es auch bis jetzt noch sehr unsicher
erscheint, welcher Coceidienform sie zugehören (39. 6). Gaule beur-
theilt seine Befunde ohne Zweifel sehr irrthümlich, da er die Ansicht zu
vertheidigen sucht, dass diese siebelförmigen Keime in den betreffenden
Zellen entständen, sei es aus deren Plasma oder, wie es ihm später wahr-
scheinlicher schien, aus ihrem Kern.
Fortpfl. d. Goceidien (Entwiekl, d. Coceidien aus d. Keimen). 571
Wie gesagt, weist die gesammte Natur und speciell der schon früher
kurz geschilderte Bau dieser Gebilde mit einem hohen Grad von Sicher-
heit darauf hin, dass sie Keime von Coeeidien darstellen. R. Lankester
berichtigte zuerst die irrthümliche Ansicht Gaule’s und ich muss ihm
hierin ganz zustimmen. Bei dieser Auffassung der sogen. Würmehen oder
Cytozo@ön Gaule’s erhalten aber die Beobachtungen dieses Forschers ein
besonderes Interesse, da er mancherlei Merkwürdiges von dem Verhalten
dieser Keime berichtet.
Unter geeigneten Bedingungen sieht man nämlich die in den Zellen
(speciell den rothen Blutkörperchen) ruhenden Keime wieder beweglich
werden und kann schliesslich ihr Auswandern beobachten. Sie bewegen
sich dann lebhaft in der schon geschilderten Weise in der umgebenden
Flüssigkeit umber und wandern namentlich auch gelegentlich wieder in
andre Zellen ein. Die Gaule’sche Beobachtung ist demnach gleichzeitig
bis jetzt die einzige, welche ein Einwandern der sichelförmigen Keime
direet constatirt und sie weist gleichzeitig nach, dass die Einwanderung
im gewöhnlichen Zustand des Keims statthaben kann, dass eine Umfor-
mung desselben zu einer kleinen Amöbe keineswegs eine Bedingung der
Einwanderung und Weiterentwicklung zu sein scheint. Gleichzeitig erregen
die Gaule’schen Befunde unser Interesse namentlich noch deshalb, weil
aus der weiten Verbreitung der sichelförmigen Keime in den Gewebezellen
der Frösche hervorzugehen scheint, dass auch im normalen Entwicklungs-
gang der Keime Wanderungen aus einer Zelle in die andere statthaben
können. Bis jetzt wenigstens sind entwickelte Coceidien bei den Fröschen
nur in der Niere und dem Darmepithel constatirt worden und jedenfalls
scheint es kaum möglich, dass die in den rothen Blutkörperchen dieser
Thiere so häufigen Keime hier ihrer Weiterentwicklung entgegengehen,
da reife Coceidien in den Blutkörperchen der Frösche kaum zu übersehen
gewesen wären.
Unter diesen Umständen erscheint es daher wahrscheinlich, voraus-
gesetzt, dass die beschriebnen Organismen wirklich Keime von Coceidien
und nicht etwa entwickelte Formen sind, dass sie im Verlaufe des nor-
malen Entwicklungsgangs die Blutkörperchen verlassen und in andern
Zellen (Lankester vermuthet in der Niere) ihrer definitiven Ausbildung
entgegengehen. Die Eventualität, dass die Coceidienkeime der Blutkör-
perchen, Milzzellen ete. nur verirrte Einwanderer seien, welche eine
weitere Entwicklung nicht erfahren, scheint mir recht wenig an-
nehmbar.
Nach den früher schon gemachten Angaben dürfte es kaum nöthig
sein, hervorzuheben, dass in einer Reihe von Fällen, so z. B. bei
fast sämmtlichen bis jetzt bekannten Coceidien der Wirbellosen, jedoch
auch den Formen zahlreicher Wirbelthiere der gesammte Entwicklungs-
vorgang sich in einem und demselben Wirth abspielt, und auch die sichel-
P Gregarinida.
572 g
förmigen Keime sehr wahrscheinlich direet wieder in die Gewebe des-
selben Wirthes eindringen; während in andern Fällen (wie bei dem Coc-
eidium oviforme, den Darmeoceidien des Kaninchens und der Vögel, so-
wie der Cyelospora aus Glomeris) die Reifung der Keime im Freien ge-
schieht und letztere dann wahrscheinlich in anderen Individuen ihre Weiter-
entwicklung vollziehen. Wie jedoch einerseits im letzteren Fall eine
Wiederaufnahme durch denselben Wirth nicht ausgeschlossen ist, so wird
sich andrerseits auch im ersteren Fall die gelegentliche Uebertragung der
eneystirten Coceidien (die der isolirten sichelförmigen Körperehen scheint
unwahrscheinlich) in die Aussenwelt und damit Gelegenheit zu einer Aus-
breitung dieser Coceidien auch auf andre Individuen finden.
5. System der Gregarinida,
Im Verlaufe unsrer seitherigen Darstellung mussten wir schon mehr-
fach hervorheben, dass die systematische Durchforschung der zahlreichen
Gregarinidenformen noch eine sehr mangelhafte ist, was hauptsächlich
darauf beruht, dass die für die systematische Verarbeitung jedenfalls sehr
wichtigen Fortpflanzungserscheinungen, die Bauverhältnisse der Sporen ete.
nur von einer beschränkten Zahl bekannt geworden sind. Was daher bis
jetzt auf systematischem Gebiet geleistet wurde, kann zunächst nur als
Vorarbeit für spätere, auf ausreichenderer Basis zu unternehmende Ver-
suche beurtheilt werden.
Den ersten Versuch einer systematischen Gruppirung der Gregariniden
unternahm Stein (18); er unterschied 1843 drei Unterabtheilungen: die
Monoeystidea, Gregarinaria und Didymophyida und vertheilte die
ihm bekannten Formen in sieben Geschlechter: Monocystis, Zygocystis, Gre-
garina, Sporadina, Stylorhynchus, Actinocephalus und Didymophyes. Dass
die Abtheilung der Didymopbyida eine wenig naturgemässe war, wurde
schon früher hervorgehoben, sie ist von Stein’s Gregarinaria nicht zu
trennen und es empfiehlt sich, wie wir seither schon mit Schneider gethan,
die dementsprechend erweiterte Abtheilung der Gregarinaria, im Gegen-
satz zu den Monoeystidea. als Polyeystidea zu bezeichnen. Diese beiden
Untergruppen (Ordnungen) dürfen bis auf Weiteres auf eine gewisse
Natürlichkeit Anspruch machen, was im Grossen und Ganzen auch durch
ihre Verbreitungseigenthimlichkeiten bestätigt zu werden scheint.
Gewisse Forscher haben auf eine Unterscheidung von Genera ganz
Verzicht geleistet, so Diesing (25, 26), welcher alle Formen unter die
einzige Gattung Gregarina einreihte, oder doch nur die beiden Gattungen
Monoeystis und Gregarina unterschieden, welche dann natürlich zusammen-
fielen mit den beiden Untergruppen, wie z. B. R. Lankester (29). Es
scheint aber ohne Zweifel gerechtfertigt, in der grossen Reihe der Grega-
rinidenformen nach dem Vorgang Stein’s generische Typen zu unterscheiden,
System, 575
wenn auch die Stein’schen Genera nicht sämmtlich festgehalten werden
können. Einen Versuch zur Feststellung einer Anzahl solcher generischer
Gruppen machte 1875 A. Schneider (40), welcher zuerst die Fortpflan-
zungsverhältnisse, namentlich auch den Bau der Sporen zu einer genaueren
Charakteristik der Genera heranzog. Gleichzeitig wurde aber auch die
Bauweise der reifen Formen berücksichtigt, wogegen Unterscheidungs-
merkmale, wie sie Stein z. Th. verwerthete: z. B. ob die betreffenden
Formen frühzeitig Syzygien bilden (Gregarina St.) oder nicht (Spora-
dina St.), zurückgewiesen wurden.
Ob sich jedoch die Schneider’schen Klassifikationsprineipien, nament-
lich die vorwiegende Berücksichtigung der Sporengestalt, dauernd bewähren
werden, kann erst die Zukunft lehren.
Wir werden seine generischen Gruppen, welche jedoch bis jetzt nur eine
beschränkte Zahl der bekannten Formen umfassen, hier acceptiren, die
zahlreichen übrigen Formen können nur auf Grund neuer Untersuchungen
in das System eingereiht werden.
In neuester Zeit hat Gabriel (46), auf Grund seiner früher schon
z. Th. kurz angedeuteten Beobachtungen über die Fortpflanzung und die
Natur der Gregarinen überhaupt, eine Neugestaltung des Systems ver-
sucht, welche jedoch, wie seine übrigen Gregarinenforschungen, nur
in ganz kurzem Abriss vorliegt und daher hier eine eingehendere
Analyse und Verwerthung nicht finden kann. Gabriel’s System gründet
sich "ausschliesslich auf die in seinem Sinne aufgefassten und gedeu-
teten Fortpflanzungserscheinungen. Da diese nun zum Theil für die
Mono- und Polycystiden ganz identische seien, andrerseits nach Gabriel’s
Forschungen die Monocystideen in der Jugend zuweilen die Anlage eines
Septums, ähnlich dem der Polycystideen, zeigen sollen, sowie wegen einer
Reihe weiterer, weniger wichtiger Gründe, glaubt er die Unterschei-
dung der Untergruppen der Mono- und Polyeystideen verwerfen zu müssen.
An Stelle dieser setzt er die Eintheilung in Acystoplasta, d. h. „Gregarinen,
welche ohne vorhergehende Encystirung die Keime bilden“ und Cysto-
plasta: „Gregarinen mit, die Zeugung und Entwicklungsvorgänge ein-
leitender Eneystirung“. „Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Haupt-
untergruppen sei durch das Auftreten eines nur einfachen Myxomyceten-
plasmodiums (bei den Acystoplasta) und andrerseits mannigfacher Myxo-
mycetenumbildungen (Cystoplasta), als quellenden Protoplasmas, Bildung
von Kalkkörperchen, verschieden nüaneirten gelben Pigments, Mycetozole
(?) u. a. m. gesetzt.“ |
Eine weitere Untertheilung der Acystoplasta soll nicht angezeigt
sein, dagegen werden die Cystoplasta in drei Untergruppen zerfällt.
a. Isoplasta: „Myxomycetenreihe und Gregarinenkeime entstehen zu
gleicher Zeit und innerhalb eines und desselben mütterlichen Organismus“,
b. Proteroplasta: „Myxomycetenformen treten vor Bildung der Grega-
rinenkeime auf“. c. Hysteroplasta: ‚„Myxomycetenformen erscheinen
574 Gregarinida.
stets nach vollendeter Entwicklung der Gregarinenkeime (Pseudonavi-
cellen, Psorospermien)“. 3
Der Leser wird aus dieser, mit den eignen Worten Gabriel’s wieder-
gegebnen Uebersicht seines Systems entnehmen, dass eine Beurtheilung
desselben auf Grund der vorliegenden Mittheilungen nicht möglich er-
scheint und es daher erklärlich finden, dass wir im Nachfolgenden auf
diesen Versuch keine Rücksicht nehmen konnten.
Hinsichtlich der sogen. Coceidien betonten wir schon bei früherer
Gelegenheit und suchten durch Mittheilung der einschlägigen Verhältnisse
nachzuweisen, dass dieselben mit den eigentlichen Gregariniden zu ver-
einigen und demgemäss in der Abtheilung der Monocystidea unterzu-
bringen sind.
Die Zahl der bis jetzt bekannten Gregarinidenformen ist bei der auf
diesem Gebiet herrschenden Unsicherheit natürlich nicht einmal annähernd
mit einiger Bestimmtheit anzugeben. Von den bei kritischer Sichtung
etwa in Betracht zu ziehenden 80— 90 beschriebnen Formen (darunter .
etwas mehr Polyeystideen wie Monocystideen) dürften bis jetzt zwischen
30 und 40 als einer systematischen Sichtung zugänglich bezeichnet
werden. Die übrigen dagegen erwarten ihre genauere Aufklärung von
der Zukunft.
Uebersicht der Gattungen.
I. Ordn. Monocystidea.
Synon. Monocystidea Stein und der übrigen Autoren + kugel- und eiförmige
Psorospermien.
Char. Ohne Differenzirung des Körpers in zwei oder mehr durch
Scheidewände getrennte Abschnitte.
a. Coceidiidae.
Provisorische Abtheilung, welche sich von den übrigen Monoeystidea
mit Sicherheit zunächst nur auf Grund ihrer Lebenseigenthümlichkeiten
sondern lässt, da die hierhergehörigen Monoeystidea stets interne Schma-
rotzer der Gewebe ihrer Wohntbiere, vielleicht sogar stets bis nach voll-
zogner Enecystirung Zellenschmarotzer sind. Zu einer völligen Einreihung
dieser Formen zwischen die Geschlechter der freischmarotzenden Mono-
cystideen, scheinen mir unsre Erfahrungen bis jetzt noch nicht aus-
reichend zu sein. Die systematische Gruppirung der Coceidien in Ge-
schlechter, wozu Versuche von Schneider, Rivolta und Leuckart vorliegen,
ist bis jetzt nur eine provisorische. Schneider hat neuerdings (94) eine
Vertheilung der Coceidien in eine Anzahl Untergruppen versucht, die wir
hier acceptiren.
1. Tribus Monosporea. Der gesammte Inhalt der Cyste bildet
sich zu einer Spore um.
2 ee
System. 575
Orthospora A. Schn. 1881 (94). (T. 39. 1.)
Der Inhalt der kleinen länglichovalen Cyste (Länge bis 0,036) con-
densirt sich zu einer kugligen, nackten oder umhüllten Spore, aus
welcher vier sichelförmige Keime hervorknospen. Ein Restkörper oder
ein Häufchen Fett-(?)körnchen bleibt neben den Keimen erhalten.
Artzahl 1. Darmepithel verschiedner Tritonarten.
Eimeria Schneider 1575 (81), Bütschli (47), Schneider (94). (T. 38.
2,.4,..13.)
Synon. Gregarina (falciformis) Eimer (73).
Cysten kugel- bis eiförmig, mit oder ohne 1—2 Mikropylen, klein
(bis gegen 0,04 Mm. Durchmesser). Der Cysteninhalt entwickelt sich nur
zu einer Spore und in dieser bilden sich zahlreiche sichelförmige Keime.
Sichere Arten bis jetzt drei. Eimeria faleiformis Eim. aus Darmepithel
der Maus. (Eimer will jedoch entsprechende Formen auch im Darm-
epithel des Sperlings, des Frosches und bei Fischen beobachtet haben.)
Eimeria Schneideri Btschli. im Darmepithel einer Myriopode (Lithobius)
und Ei. nova Schn. in den Zellen der Malpighi’schen Gefässe von Glomeris.
2. Tribus Oligosporea. Der Cysteninhalt entwickelt sich zu
einer bestimmten und eonstanten geringen Anzahl von Sporen.
Cyelospora Schnd. 1881 (94) emend. Btschli. (T. 39. 2.)
Synon. Coceidium Rivolta, Grassi (98).
Durch Theilung des Cysteninhalts entstehen zwei kuglige ovale,
ellipsoide oder birnförmige Sporen, in welchen sich nur wenige, 2—4,
sichelförmige Keime bilden. Daneben ein Restkörper.
Arten zwei. Darmepithel von Glomeris (©. glomericola Schn.) und
der Katze (Coceid. Rivolta Grassi). Vielleicht gehört auch noch hierher
das sogen. Psorospermium Avium Rivolta (76) aus dem Darmepithel ver-
schiedner kleiner Vögel, da dasselbe gleichfalls durch Theilung nur zwei
Sporen bildet; in jeder derselben sollen sich jedoch hierauf 10—15 „‚mi-
erococchi psorospermiei“ hervorbilden. Auch bei einer gewissen Coceidien-
form aus den Darmzotten des Hundes hat Rivolta nur die Bildung zweier
Sporen beobachtet.
'Isospora A. Schn. 1881 (94). (T. 39. 3.)
Cysten kuglig (Grösse? scheinen jedoch ziemlich gross); durch Thei-
lung des Inhalts bilden ‚sich zwei birnförmige Sporen, in jeder von
welchen eine grössere Anzahl sichelförmiger Keime entstehen. Restkörper ?
1 Art. Limax (Organ?).
Coceidium Leuck. 1879 (92). Vgl. haupts. noch Kauffmann (54),
Waldenburg (63 u. 69), Stieda (67), Reincke (68) und Rivolta (72 ete.)
er 37 14212.)
Synon. Psorospermium p. p. Rivolta 1877, Cytospermium Rivolta 1877 p. p.
Klein. Cysten bis zu 0,04 Mm. Länge, eiförmig, meist mit Mikro-
pyle. Zerfall des Inhalts der Cyste in vier Sporen, in jeder von welchen
sich nur ein sichelförmiges Körperchen entwickelt.
Die Zahl der event. zu unterscheidenden Arten ist unsicher.
576 Gregarinida.
Vorkommen: Gallengangepithel und Darmepithel von Kaninchen, je-
doch nach Rivolta auch verschiedner Vögel. Identisch wahrscheinlich
auch die Lebereoceidien des Menschen.
3. Tribus Polysporea. Der Cysteninhalt entwickelt sich zu
einer grossen Anzahl Sporen.
Klossia Schneider 1875 (81, 94), Kloss (59). (T. 37.10 u. 39.3.)
Grösser, bis zu 0,12 Mm. Längsdurchmesser der gewöhnlich eiförmigen
Cysten. Completer Zerfall des Cysteninhalts in bis 60 kugelförmige
Sporen (ohne Mikropyle). In jeder Spore entwickeln sich 4—6 sichel-
förmige Keime. Artzahl 5 (Unterschiede jedoch unsicher).
Niere der Helix hortensis, der Suceinea amphibia (selten) und Neritina
fluviatilis.
? Benedenia Schneider 1875 (81, 94), Eberth (66). (T. 38. 1.)
Ansehnlich gross, bis 1 Mm. Durchmesser. Cysten meist kuglig. Zer-
fall des Inhalts in sehr zahlreiche kuglige Sporen, in denen sich ca. 15
sichelförmige Keime entwickeln.
Octopus und Sepia in verschiednen Organen verbreitet (Darmwände,
unter äussrer Haut, Muskulatur, Geschlechtsorgane, Venenanhänge)-
(Schneider spricht sich neuerdings (94) wieder für Zusammenziehung dieser
Gattung mit der vorhergehenden aus.)
Dieser Form schliessen sich vielleicht auch die von Lieberkühn in
der Froschniere beobachteten Coceidien (Cysten bis 0,67 Mm. Durech-
messer) zunächst an, jedoch sind hier die zahlreichen Sporen spindel-
förmig und entwickeln nur wenige (3—4) sichelförmige Keime *).
b. Monocystidae s. str.
Im erwachsenen, nichteneystirten Zustand freie, die Körperhohlräume
ihrer Wirthe bewohnende Monocystideen.
Adelea Schneider 1875 (40). (T. 35. 12.)
Klein, sphärisch bis oval, meist unbeweglich; Cystenhülle bildet sich
unterhalb der Cuticula der Gregarine. Sporulation eomplet. Sporen an-
sehnlich gross, scheibenförmig, mit zweiklappiger Hülle und relativ grossem
Zellkern sowie zwei eigenthümlichen, an die der Fischpsorospermien erinnern-
den Polkörperechen. Bildung sichelförmiger Körperchen nicht beobachtet.
(Diese Gattung nähert sich jedenfalls in vieler Hinsicht den Coceidien,
so dass wir sie hier die Reihe der Monocystideen im engeren Sinne er-
öffnen lassen.) 1 Art bis jetzt, aus Darm von Lithobius (Myriopode).
Monocystis Stein 1848 (18). Vergl. hauptsächlich noch Kölliker
(16), Schmidt (23), Lieberkühn (24), Claparede (28), Lankester (29, 31, 35),
Schneider (40) ete. (T. 33.)
Körpergestalt schlauchförmig, mässig bis sehr lang gestreckt, im be-
weglichem Zustand dureh Einschnürungen, welche über den Körper hin-
*), Die Beobachtungen Lieberkühn’s über die Goceidie der Froschniere konnte Solger
neuerdings bestätigen, was er mir gütigst mittheilte,
System. 577
laufen, etwas veränderlich. Das eine Körperende zuweilen mit haar-
artigem Cutieularbesatz. Syzygien nicht beobachtet. Copulation wahr-
scheinlich. Sporulation gewöhnlich incomplet. Ohne besondre Einrichtung
zur Eröffnung der Cysten und Ausstreuung der Sporen. Sporen spindel-
förmig mit verdickten, knöpfehenartigen Polen. Entwiekeln 4—8 sichel-
förmige Körperchen.
(Die Gattung Monoeystis wird vorerst, wie im Vorstehenden geschehen,
auf die lange bekannten Monocystideen der Regenwürmer als typische
Vertreter beschränkt werden müssen. Die Zahl der hier zu unterscheiden-
den Arten ist Sache künftiger Untersuchungen.) Vorkommen in Leibes-
höhle, Darm und namentlich Hoden der Regenwürmer.
Fraglich ob von Monocystis zu unterscheiden, ist die Zygocystis St.,
die bewegungslos, conjugirt getroffen wird, deren Cysten und Sporen sich
Jedoch ohne Zweifel nicht von denen der eigentlichen Monoeystis unter-
scheiden. Hoden des Regenwurms (L. terrestris L.). (T. 34. 1.)
Gamocystis Schn. 1875 (40) und 1882. (T. 34. 2.)
Synen. wahrsch. Zygocystis Ephemerae v. Frantz. (15) u. wohl = Gamocystis
Francisi Schn. 1882.
Solitär oder mit gleichnamigen Enden conjugirt und dann unbeweg-
lich. Cyste mit ansehnlicher Gallerthülle und partieller Sporulation. Sporo-
ducte zur Ausstreuung der Sporen ganz wie bei Clepsidrina. Sporen
länglich eylindrisch mit abgerundeten Enden. Bildung sichelförmiger
Körperchen nicht beobachtet. Sicher zwei Arten; aus Darm von Blatta
lapponica und Ephemerenlarve.
(Aus Artbropoden ist noch eine in Bezug auf Gestalt und Conju-
sation wohl vergleichbare Monocystide unter der Bezeichnung Zygo-
cystis puteanus Lachmann (Sitzungsber. der niederrhein. Gesellseh. zu
Bonn 1859) aus Darm des Gammarus puteanus beschrieben worden.
Es wäre nicht unmöglich, dass dieselbe gleichfalls dem eigenthüm-
lichen Geschlecht Gamoeystis näher anzuschliessen wäre.)
Conorhyncehus Greeff 1879 (45).
Synon. Gregarina Greeff 1877.
Fast stets in Syzygien, ähnlich Zygocystis und Gamocystis. Einzel-
thiere der Paare meist halbkuglig. Oberfläche allseitig mit zahlreichen
zottenähnlichen Fortsätzen bedeckt. Im erwachsenen Zustand das Ento-
plasma grossblasig vacuolär. Jugendlichste Thiere ohne Fortsätze wie ein-
fache Monoeystis. Cyste und Sporen unbekannt.
l Art. Darm von Echiurus.
Gonospora Schn. 1875 (40). (T. 34. 5.)
Synon. Gregarina (Terebellae) Köll. (17).
Sehr ähnlich Monoecystis. Sporen jedoch oval bis birnförmig, ent-
wickeln zahlreiche sichelförmige Körperchen. Anneliden (Audouinia,
Terebella). 1 Art.
Zahlreiche unsichre, seither beschriebne Monocystisarten mögen dieser
Gattung zuzurechnen sein,
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozoa. 37
578 Gregarinida.
Urospora Schneider 1875 (40). (T. 34. 6, ? 7.)
Synon. Gregarina (Nemertis) Köll. (Sipunculi) Köll. (17), R. Lankester (31);
(Saenuridis Köll.) Lankester (35), D. Nasse s. oben p. 557 Anm.; ? Gregarina vir-
gula P. v. Bened. (M&m. Ac. roy. Belg. T. XXXIIL).
Bau ganz wie Monocystis, isolirt oder in Syzygien. Sporen wie
Gonospora oder mehr länglich, der eine Pol der Hülle mit unbeweg-
lichem sehwanzartigen Anhang. Bildung zahlreicher sichelförmiger Körper-
chen in der Spore beobachtet.
‘ Bekannte Arten vielleicht drei. Darm von Nemertinen (Nemertes,
Valenciennia, Ommatoplea, ? Borlasia, Tetrastemma), Leibeshöhle von
Sipuneulus; Tubifex (Hoden). Wahrscheinlich hierher noch ziemliche An-
zahl der unsichern Monocystiden.
Die zahlreichen sonst noch kurz in den Arbeiten verschiedner
Forscher erwähnten Monocystideen sind, wie hinreichend hervorgehoben
wurde, einer systematischen Gruppirung zunächst unzugänglich. Unter
denselben heben sich dureh ihre besonderen Gestaltsverhältnisse nur zwei
Formen etwas hervor, welche vielleicht auf Grund dieses Verhaltens ein-
mal als besondere Gattungstypen aufgestellt werden dürften. Es sind
dies die Monoe. Aphroditae Lank. (29) mit ansehnlichem rüsselförmigen
Anhang (35.1) und die Monoc. (Gregarina) sagittata Leuck. (s. bei Clapa-
rede Nr. 28) von pfeil- bis ankerartiger Gestaltung, aus Capitella (34.11).
II. Ordn. Polyeystidea Schneid. 1872.
Gregarinen mit ausgesprochner Differenzirung von Deuto- und Proto-
merit, z. Th. auch Epimerit.
Eine weitere Untertheilung der Polyeystidea ist bis jetzt noch nicht
möglich (der Vorschlag Schneider’s [1873, Nr. 38], sie in zwei Grup-
pen, die Oytodo- und die Cytosporeen zu zerlegen, auf welchen er je-
doch später nicht mehr zurückkommt, dürfte nach dem, was früher über
die Sporen und ihre Kernverhältnisse bemerkt wurde, gewiss keine Nach-
ahmung verdienen). Das Genus Gregarina hat Schneider mit Recht ganz
eliminirt, es mag einstweilen weiter zur Aufnahme der zahlreichen, in ihrer
systematischen Stellung unsicheren Formen dienen.
Dufouria Schneid. 1875 (40). (T. 35. 11.)
Nur freie Sporonten bekannt, Cephalonten überhaupt zweifelhaft.
Protomerit ansehnlich, zarte Scheidewand springt convex in das Proto-
merit vor. Sareoeyt fehlt. Copulative Eneystirung beobachtet. Cysten
kuglig mit dieker Gallerthülle. Sporulation complet und Cysten einfach
aufplatzend. Sporen diekschalig, mit spindelförmig zugespitzten Polen.
Einzige Polyeystidee, bei der bis jetzt die Bildung sichelförmiger Keime
in der Spore beobachtet wurde. 1 Art. Darm von Colymbeteslarve
(Coleopt. F. Dytieidae).
Bothriopsis Schneid. 1875 (40). (T. 36. 11.)
Aehnlich Dufouria, jedoch das Protomerit viel ansehnlicher, nach
vorn kolbig angeschwollen und Vorderende sich häufig saugnapfartig
nn nn
System. 579
vertiefend und in solcher Weise zur Anheftung dienend. Conjugation oder
Copulation nicht beobachtet. Cyste einfach aufplatzend. Sporen ? 1 Art.
Im Darm verschiedner Dytieiden.
Porospora Schneid. 1875 (40), Beneden (32, 34, 37). (T. 36.3—8.)
Nur Sporonten beobachtet. (Ob überhaupt je Epimerit?) Sehr lang
(bis 16 Mm.) schlauchförmig; Protomerit sehr klein. Sareoeyt mit ring-
förmigen Fibrillen. Conjugation oder Copulation nieht beobachtet. Cysten
kuglig; angeblich sich durch Theilung vermehrend. Sporulation complet.
Sporen kuglig bis ellipsoidisch, mit sehr dicker und von Porenkanälchen
durchsetzter Schale. 1 Art. Homarus vulgaris (Darm).
Stenocephalus Schneid. 1375 (40).
Epimerit fehlt wohl stets. Protomerit klein. Gesammtgestalt mässig
langgestreckt. Sporulation complet. Cysten einfach aufplatzend. Sporen
spindelförmig, angeschwollen, mit einer dunklen Aequatoriallinie ausge-
zeichnet. 1 Art. Julusarten (Darm).
Hyalospora Schneid. 1875 (40) und 1882. (T. 36. 1.)
Sehr ähnlich Stenocephalus. Epimerit klein, knopfförmig. Häufig con-
jugirt. Sarcocyt mit Fibrillenschicht. Cyste durch einfaches Aufplatzen sich
öffnend. Sporen ellipsoidisch mit mehr oder weniger zugespitzten Polen.
2 Arten. Petrobius und Machilus (Thysanura). Hierher vielleicht noch
weitere Formen, so die Sporadina Reduvii Stein’s (18) ete.
Euspora Schneid. 1875 (40). (T. 36. 2.)
Bau der Thiere wie bei der folgenden Gattung Clepsidrina, jedoch
Epimerit noch nicht beobachtet. Häufig in Syzygien. Keine Sporoducte.
Sporen prismatisch. 1 Art (Larve einer Melolonthide).
(Diese Gattung ist jedenfalls sehr wenig unterschieden von der fol-
genden.)
Clepsidrina (Hammerschm.) Schneid. 1875. (T. 35. 2—10.)
Synon. Gregarina p. p. Autor.
Mässig lang, Protomerit mässig gross. Epimerit meist mit knopfförmigem,
selten sehr grossem ceylindrischem Haftfortsatz in der Jugend. Sarcocyt
wohl entwickelt, mit Ringfibrillen. Häufig conjugirt und copulirend. Cysten
mit ansehnlichen Gallerthüllen und fast stets zahlreichen Sporoducten.
Sporulation ineomplet. Sporen tönnchenförmig, bei der Ausstreuung ge-
wöhnlich kettenförmig zusammenhängend.
6 Arten aus Darm verschiedner Insecten.
Pileocephalus Schneid. 1875 (40). (T. 36. 10.)
Bauverhältnisse wie bei Clepsidrina; Epimerit der Cephalonten ein
kegelförmiger Knopf. Cysten ohne Sporoducte, einfach aufplatzend.
Sporen halbmondförmig.
1 Art (Mystacideslarve).
37*
580 Gregarinida.
Eehinocephalus Schneid. 1575 (40). (T:! 36. 14.)
Gestalt oval; Protomerit klein; Epimerit klein, konisch und asym-
metrisch, in der Jugend mit zahlreichen finger- bis stiletförmigen Haftfort-
sätzen besetzt. Sarcoeyt wohl entwickelt mit schiefen gekreuzten Fibrillen.
Syzygien oder Copulation nicht beobachtet. Cysten sphärisch mit Gallert-
hülle. Sporulation complet. Keine Sporoducte. Sporen eylindrisch mit abge-
a Enden, häufig zu Ketten vereinigt.
1 Art (Darth von Lithobius).
Stylorhynehus (Stein 1848, 13) emend. Schneid. 1875 (40).
(T. 37. 2—7.)
Mässig langgestreckt; Protomerit mässig mit langem, rüsselförmigem
Fpimerit, dessen knopfförmiges Ende mit basalem Wulst. Sporonten mit
einfach abgerundetem Protomerit. Copulation beobachtet. Cysten spbärisch
mit sculpturirter Hülle, aufspringend durch Anschwellung einer Pseudo-
cyste. Sporulation incomplet. Sporen sphärisch bis tetraädrisch (geld-
täschehenförmig), zu Ketten vereinigt.
2 Arten (Darm von Opatrum, Asida und Blaps).
Geneiorhynchus Schneid. 1875 (40). (T. 37. 8.)
Gestalt und Bau ganz Ähnlich Stylorhynchus, jedoch der basale Wulst
am Endknopfe des rüsselförmigen Epimerits mit feinen, borstenartigen
Zähnchen dicht besetzt. Syzygien oder Copulation nicht beobachtet. Spo-
rulation complet; Cysten einfach aufplatzend. Sporen „subnavieulär (avec
corpuscules figures)“.
1 Art (Darm von Libellennymphen).
Actinocephalus (Stein 1848, 18), Schneider (40). (T. 36. 13;
T, 37. 1a. 9.)
Synon. Gregarina Autor. p. p., Siebold (12), Leidy (22, ? Greg. Locustae). — Hoplo-
rhynchus J. V. Carus (Car. u. Gerst., Handb. der Zool. 2. Bd.), Schneider (40).
Mässig langgestrecht; Protomerit der Cephalonten mit kurzem knopf-
förmigen bis langem rüsselförmigen Epimerit, dessen Ende scheibenförmig
abgeplattet ist und die Ränder dieser Scheibe sind zu einem Kranze von
Zahnfortsätzen ausgezogen. Syzygien oder Copulation nicht beobachtet.
Sporulation complet. Cysten einfach aufplatzend. Sporen doppelkegel-
förmig bis ellipsoidisch.
Circa 7 Arten (Coleoptera, Orthoptera Eine iiaee Callopteryxlarve],
Dipteren [Larve von Sciara]).
Pyxinia Hammerschm. 1833 (11), Schneider (40). (T. 36. 12.)
Synon. Gregarina rubecula Frantz. (15).
Allgemeiner Bau der Cephalonten sehr ähnlich Actinocephalus, von
dem sie sich jedoch durch den Besitz eines aus dem Centrum der ge-
zähnten Scheibe des Protomerits entspringenden fadenförmigen Anhang
unterschieden. 1 Art. Larve von Dermestesarten.
Bemerkungen über einige neue, von Schneider 1882. beschriebene Polycystideen-
geschlechter siehe am Schlusse des Abschnitts über die Gregarinida,
—— -.
pP
Verbreitung (freie Monocystidea). 581
6. Allgemeine Verbreitung und Wohnortsverhältnisse der Gregariniden,
Die Verbreitung der freien Poly- und Monocystideen bei den
wirbellosen Thieren ist eine sehr weite. Gänzlich vermisst wurden
sie bis jetzt bei den Protozo@n selbst und den Coelenteraten, während
sie in den übrigen Phylen mehr oder minder häufig angetroffen worden
sind. Unter den Echinodermen sind bis jetzt nur bei zwei Holo-
thurien (Holothuria [27] und Synapta [40]) Monocystideen gefunden worden.
Auch den Mollusken scheinen die freien Gregariniden fast zu fehlen;
nur bei einer Heteropode (Pterotrachea) wurde bis jetzt (Stuart, 33) eine Form
von zweifelhafter Stellung beobachtet. In reicher Menge treffen wir Mono-
eystideen bei den Würmern, doch ist ihr Aufireten bei den verschiednen
Abtheilungen derselben ein ziemlich variables. Vermisst wurden sie bis jetzt
bei den schmarotzenden Plathelminthen, den Trematoden und Cestoden,
wogegen sie sowohl im Darm von Turbellarien, und zwar Rhabdocoelen *),
wie Dendrocoelen**), als Nemertinen***), nicht selten nachgewiesen wur-
den. Ihr Vorkommen bei den Räderthieren wurde bis jetzt nur dureh
eine zweifelhafte Beobachtung wahrscheinlich gemacht) und dasselbe gilt
für die Nematoden;7). Bei den Acanthocephalen werden sie vermisst.
In grosser Mannigfaltigkeit dagegen bewohnen sie die Anneliden
und diese Abtheilung darf neben den Arthropoden als die Hauptentwicklungs-
stätte unsrer Schmarotzer bezeichnet werden. Von besondrem Interesse er-
scheint es weiterhin, dass die freien Gregariniden der Anneliden, wie diejenigen
der überbaupt bis jetzt erwähnten Abtheilungen der Wirbellosen, durchaus
Monoeystideen sind und dass, um es gleich hervorzuheben, die Polyeystideen
fast durchaus auf die Arthropoden beschränkt erscheinen. Das einzige Bei-
spiel einer typischen Polyeystidee einer anderen Abtheilung bildet die
Form, welche Ecker im Darm einer Tunicate, der Phallusia mammillaris,
sefunden hat (s. bei Kölliker, 16). Da die sonst noch bei den Tunicaten
nachgewiesnen Gregariniden durchaus Monoecystideen sind, so kann ich
einige Zweifel nicht unterdrücken, ob hier nicht der Zufall eine Täu-
schung verursachte.
Die Verbreitung unter den Anneliden erstreckt sich in gleicher Weise
auf die Oligo- wie Polychaeten und es herrscht auch kein Unterschied
*) M. Schultze b. Mesostomen d. Ostsee (Beitr. zur Naturgesch. der Turbellarien 1851).
**) Monoc. Planariae M. Schultze, Beiträge zur Naturgesch. der Turbellarien.
Greifswald 1881; Keferstein, Beiträge zur Anatomie u. Entw. der Seeplanarien (Abh. der kör.
Ges. der Wiss. Göttingen Bd. XIV. 1866); Hallez, Contrib. ä l'hist. nat. des Turbellarics.
Lille 1879; Lankester (31) Convoluta.
##%) Kölliker (16), Frey u. Leuckart, Beiträge zur Kenntniss wirbelloser Thiere,
1847, p. 76; van Beneden, P., Rech. sur la faune littor. de Belgique (M&m. Acad. roy. de
Belgique T. XXXIL; Lankester, R. (31); Mac Intosh, Transact, roy. soc. Edinburgh
T. XXV. P. 2; On the gregariniform parasits of Borlasia (Transact. roy. microse. soc. 1867).
**) ? Monocystis Leydigii, Stein Org. der Infusionsthiere II. p. 9 Anm.; Leydig, Arch.
f. Anat. u. Physiol. 1857 p. 415.
++) Walter, Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. IX. p. 490, Leibeshöhle von Oxyuris or-
nata. Nach Schneider (40): in freilebenden Nematoden,
582 Gregarinida.
zwischen den Land und Wasser bewohnenden Formen der Oligochaeten.
Bei nicht weniger wie fünf Gattungen der Oligochaeten und zwölf
der Polychaeten sind Monocystideen nachgewiesen worden und diese
letzteren vertheilen sich in ziemlich gleicher Weise auf die Errantiae und
Tubieolae*). Auch den Gephyreen fehlen die Monocystideen nicht,
wenn sie auch bis jetzt nur bei drei Gattungen gefunden wurden **),
Wie jedoch schon bemerkt, bieten die Arthropoden neben den Anne-
liden das reichste Verbreitungsgebiet dar, und zwar dürfte keine der
grösseren Abtheilungen dieses Phylums unsrer Schmarotzer völlig entbeh-
ren. Es sind, wie gesagt, die Polyeystideen, welche hier ihre wahre Hei-.
math finden und gegenüber den spärlichen Monocystideen, welche bis
jetzt bei den Arthropoden angetroffen wurden, besonders hervorstechen.
Am spärlichsten scheinen unsre Schmarotzer bei den Arachnoideen
vertreten zu sein, da in dieser Abtheilung bis jetzt nur bei wenigen Milben
Polyeystideen beobachtet wurden ***). Reichlicher dagegen finden wir sie
bei den verschiedensten Ordnungen der Crustaceen und hier sowohl Mono-
wie Polyeystideen. Die Copepoden7) haben bis jetzt nur einige Mono-
eystideen geliefert, die Cirripedia}r) dagegen eine Polycystidee. Aus der
Abtheilung der Phyllopoden sind Gregarinen bis jetzt nicht bekannt ge-
worden. Dagegen finden wir eine Monocystidee und mehrere Polyeysti-
deen bei den Amphipodenfrj) und die Decapoden haben gleichfalls
eine Anzahl Polyeystideen*r) geliefert. Auch im Darm von Peripatus
fand Moseley eneystirte Gregariniden *j7).
*) S. haupts. Kölliker (16), Stein (18), Schmidt (23), Lieberkühn (24, 30), Claparede (28).
Stuart (33), Lankester (29, 31), Schneider (40), Vedjowsky, Monographie d. Enchytraeiden. 1879,
Oligochaeta: Lumbricus. Enchytraeus, Pachydrilus, Tubifex, Euaxes.
Polychaeta: Nereis, Aphrodite, Eunice, Capitella, Phyllodoce, Clymene, Cirra-
tulus, Spio, Serpula, Terebella, Sabella, Telepsavus.
*#*) Sipunculus, Kölliker (16), Lankester(35); Echiurus, Greefl(45), Thalassema Lankester (97).
**%*) Leydig, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1855. p. 447 Anm.; nach Schneider (40)
bei Gamasiden und Acariden.
r) In Cyclops fand Stein eine Monocystidee, welche dadurch besonders bemerkenswerth
erscheint, dass sie nach der Herausnahme aus ihrem Wirth im Wasser lange Zeit fortlebt.
(Organismus der Infusionsthiere II. p. 6—8.) In neuester Zeit beschrieb Rehberg diese Mono-
cystis (?) tenax St. aus dem Darm und der Leibeshöhle von Cyclops ohne Kenntniss der
Arbeiten seines Vorgängers als eine neue Form unter dem Namen Lagenella nobilis (Abhandl.
herausgeg. vom naturwiss. Verein zu Bremen VII. Bd. 1880). Aus Copepoden kennen wir
ferner drei Monocystisformen aus dem Darmkanal von Sapphirinen (Häckel, in Jenaische
Zeitschr. Bd. I. 1864).
-r) Gregarina Balani Kölliker (16) aus Balanus.
“tr) In Gammarus pulex Gregar. longissima Sieb. und Gammari Dies. (s. b. Kölliker 16);
Zygocystis puteana Lachmann im Darm von Gammarus puteana (Sitzungsber. der niederrhein.
Ges. zu Bonn 1859); Gregarine aus Phronima und Phronimella nach Claus (Organismus der
Phronimiden, Arbeiten des zool. Inst. Wien. 2. Bd.).
*+) Porospora gigantea v. Bened, sp. (32); Gregarina conformis Dies. nach Cavolini (2)
aus Cancer depressus. Zweifelhaft, wie früher bemerkt, die Redi’sche Form (von Diesing
Greg. praemorsa genannt) aus Cancer pagurus.
*++) Philososoph. Transact, roy. Soc. Vol. 164. p. 762.
Verbreitung (Polyeystidea). 585
Die reichste Verbreitung besitzen die Gregariniden bei den Myriapoda
und Inseeta. Bei nicht weniger wie sieben Myriapodengeschlechtern
sind bis jetzt eine ganze Anzahl Polyeystideen und eine Monoecystidee
(Adelea) nachgewiesen worden *).
Unter die verschiednen Insecetenordnungen vertheilen sich die bei
dieser Klasse so zahlreich gefundnen Gregarinen in sehr verschiedner
Weise. Obenan stehen vor Allem die Coleoptera, von welchen bis jetzt
gegen 25 Geschlechter als Gregarinenwirthe bekannt sind, theils im
Larven-, theils im Imagozustand, theils in beiden gleichzeitig. Häufig
sind die Polyeystideen ferner bei den Orthoptera, wo die Zahl der als
Gregarinenwirthe bekannten Geschlechter ca. 15 beträgt, welche sich
ziemlich gleichmässig über die verschiednen Familien vertheilen. Nur die
Plasmodea und Mantodea haben bis jetzt keine Gregarinen geliefert, was
jedoch vielleicht auf ungenügende Untersuchung dieser vorzugsweise ausser-
europäischen Familien zurückzuführen ist.
Das Gleiche lässt sich aber nicht bezüglich der Vertheilung der
Gregarinen in der grossen Ordnung der Käfer behaupten. Hier beherbergen
namentlich die Angehörigen der im Wasser, der Erde oder an dunkeln
feuchten Orten lebenden Familien, oder derjenigen, welche sich durch
räuberische Lebensweise auszeichnen, zahlreiche Gregarinen. Die erwähnten
Familien sind eben solche, welehe durch ihre Lebensweise Gelegenheit
zur Infeetion mit Sporen bieten, worauf seiner Zeit schon Stein (18)
aufmerksam machte. In gleicher Weise wird aber auch das von
Schneider (40) bei der Beurtheilung der Verbreitung der Gregariniden
unter den Inseeten (und speciell den Coleopteren) hervorgehobne Moment
berücksichtigt werden müssen, dass nämlich die Lebensverhältnisse solche
sein müssen, dass die mit dem Koth in die Aussenwelt beförderten Grega-
rineneysten günstige Bedingungen zu ihrer Entwicklung finden, also haupt-
sächlich genügende Feuchtigkeit, Schutz vor der Vernichtung durch Aus-
trocknung. Demgemäss sehen wir eine sehr reiche Gregarinenentwicklung
bei den Familien der Dermestini, Dytieidae, Lamellicornia und Melasoma.
Immerhin werden wir, bei Berücksichtigung der betonten Mo-
mente, noch eine ganze Anzahl Coleopterenfamilien finden, welche bis
jetzt keine Gregarinen geliefert haben, obgleich sie keine ungünstigen
Bedingungen zur Entwicklung dieser Schmarotzer darzubieten scheinen.
Inwieweit nun hierbei noch besondere, bis jetzt unerkannte Verhältnisse eine
Rolle spielen oder unsre, ja im Ganzen noch nicht sehr ausgebreitete Er-
fahrung Lücken aufweist, soll hier nicht näher untersucht werden. Dass
auch die Thysanura**)und Neuroptera, die letzteren im Larvenzustand,
als Gregarinenwirthe sich erweisen, kann nach dem angeführten nicht ver-
wundern und dasselbe gilt für eine Anzahl Rhynchota, unter denen unsre
Schmarotzer jedoch bis jetzt nur bei drei Gattungen beobachtet wurden ***).
*) Lithobius, Scolopendra, Cryptops, Scutigera, Julus, Polydesmus, Polyxenus, Glomeris.
#*) Gefunden b. Petrobius maritimus u. Machilus Schnd, (40)u. 1882, b. Lepisma nach Stein (18).
*#*) Phymata (s. Dufour 7 und Ann. sc. n. 2. VIL), Reduvius, Nepa (Stein 18).
584 Gregarinida.
Aeusserst arm an Gregariniden sind ferner die Diptera; die Lebens-
weise der ausgebildeten Formen erklärt dies wohl, es sind daher auch
nur drei Larvenformen, bei welehen Gregarinen getroffen wurden*),
doch möchte die Lebensweise zahlreieber Dipterenlarven die Vermuthung
nahe legen, dass die Verbreitung der Gregarinen unter ihnen noch eine
ausgedehntere sein dürfte. Dagegen wurden die Gregarinen bis jetzt
durchaus vermisst bei den Hymenoptera und Lepidoptera, was mit
der Lebensweise der hierhergehörigen Inseeten recht wohl in Einklang steht.
Wie bemerkt, sind es fast ausschliesslich Polyeystideen, welche die
Insecten bewohnen, das Vorkommen von Monoeystideen ist bis jetzt
nur in zwei Fällen ceonstatirt worden, in beiden waren es wahrscheinlich
Angehörige des Monoeystideengeschlechts Gamocystis.
Zum Schlusse unsrer Betrachtung der Verbreitung der freien Grega-
riniden haben wir noch zweier Abtheilungen wirbelloser Tbiere zu ge-
denken, bei welehen das Vorkommen unsrer Schmarotzer eonstatirt wurde.
Leuckart erwähnt Gregarinen aus dem Darm der Sagitten und verschiedne
Beobachter wiesen ihr nicht seltnes Vorkommen im Darm der Tunicaten
nach **).
Werfen wir nun in ähnlicher Weise einen Blick auf die Verbreitung
der Coceidien, so finden wir dieselben bis jetzt häufiger bei den Verte-
brata nachgewiesen, was aber wohl hauptsächlich auf die geringe Be-
achtung, die dieselben bis jetzt bei den Wirbellosen gefunden haben,
zurückzuführen ist. Unter diesen letzteren vertreten sie wie bei den
Vertebrata die freien Gregariniden bei den Mollusken ***); ihr Vor-
kommen ist weiter bekannt von den Myriapoda (Lithobius und Glomeris).
Eine eoecidienartige, zahlreiche sporenähnliche Körperchen einschliessende
Cyste wurde von Hallez bei einer Planarie beobachtet).
Spärlich ist im Ganzen ihre Verbreitung bis jetzt bei den kaltblütigen
Wirbelthieren eonstatirt worden; wir sind jedoch unterrichtet von ihrem Vor-
kommen bei Fischen, den Anuren (Frosch und Kröte [98]), Triton (94), der
Coronella (98), dem Krokodil und wahrscheinlich auch der Schildkröte (96).
Reichlicher treffen wir dagegen Coceidien bei den Warmblütern, so
bei einer ganzen Reihe von Vögeln, den Hausvögeln: Hühnern, Gänsen,
Enten, Tauben, jedoch auch freilebenden, wie dem Sperling, Zeisig (luche-
rino, Fringilla spinus), Schwärzblättehen (Sylvia atricapilla), Pfau (Pavo),
(s. Rivolta 85).
Sehr verbreitet ist ihr Vorkommen bei den Säugethieren; sie sind
jetzt nachgewiesen bei zahlreichen Hausthieren wie Hund, Katze, Schaf,
*) Sciara (Siebold 12), Tipula (Hammerschmidt 11); Flohlarven nach R. Leuckart
(Jahresber. f. 1859, Arch. f. Naturgesch. 26. Jahrg. II. p. 161).
*#*) Olavellina, Phallusia (s. Kölliker 16), Ascidia? (Lankester 35), Amauroecium
(Giard 36), Salpen (Leuckart (Jahresber. f. 1859, Arch, f. Naturgesch. 26. Jahrg. II. p. 161).
##%*) (Gephalopoden, Limax, Helix, Succinea, Neritina.
+) Contrib. ä l’hist. nat. des Turbellaries. 1879. Moniez hat Psorospermiancysten bei
Echinorhynchus proteus beobachtet (Bullet. scientif. d£p. du Nord T. I. p. 6), ebenso nach
Balbiani auch Henneguy. Ich konnte die Arbeit des Letzteren leider nicht durchschen.
Verbreitung (Coceidia). Wohnortsverhältnisse. 585
Kalb, Schwein, Kaninchen, Meerschweinchen, weiter jedoch auch in der
Maus, Fledermaus, Maulwurf und beim Menschen. Die bis jetzt von Affen
beschriebnen Coceidien sind sehr zweifelhafter Natur *).
Eine kurze Besprechung erfordern noch die speciellen Wohnortsver-
hältnisse der Gregariniden innerhalb der von ihnen heimgesuchten Thiere.
In dieser Hinsicht zeigen die freien Monoeystideen — wir verschieben
auch hier die Betrachtung der Coceidien bis ans Ende eine grössere
Mannigfaltigkeit. Sie bewohnen sowohl den Darmkanal, wie die Leibes-
höble, bei den Oligochaeten häufig auch die Hoden. Noch wenig aufge-
klärt erscheint es jedoch, ob eine und dieselbe Art gleichzeitig in Leibes-
höhle und Darm anzutreffen ist, wenn auch für die Monocystideen der
Regenwürmer häufig das gleichzeitige Vorhandensein einer und derselben
Form in Hode und Leibeshöhle hervorgehoben wurde. In sehr verschied-
nen Organen wird nach Anton Schneider die in ihrer Stellung etwas un-
sichere Gregarina Holothuriae (der Holothuria tubulosa) angetroffen, da
dieselbe gleichzeitig den Darm, die Blutgefässe und die Leibeshöhle be-
wohnen soll. In die letztere gelangt sie wahrscheinlich in der Weise,
dass sich.an den Blutgefässen bruchsackartige Ausbuchtungen bilden,
welche wahrscheinlich zwei copulirte Thiere einschliessen, wie sich aus
dem Vorhandensein zweier Kerne vermuthen lässt und diese Aussackungen
sich schliesslieb sammt den umschlossnen Gregarinen, loslösen und
in die Leibeshöhle hineinfallen. Vielleicht dürfte sich auf eine ähn-
liche Weise das von mehreren Forschern erwähnte Vorkommen von
Gregarinen in Kapseln in der Leibeshöhle erklären. So fand Kölliker
(16) seine Urospora Sipunculi, welche R. Lankester (35) auch frei
in der Leibeshöhle des Sipunculus angetroffen hat, in zahlreichen Indi-
viduen in einer „dicht vor den Zurückziehern des Schlundes gelegnen
Kapsel“. R. Lankester klärt dieses eigenthümliche Vorkommen dahin
auf, dass die Kapselwand von der flimmernden Peritonealhaut gebildet
wird; doch scheint letztrer Forscher stets nur ein Individuum in einer
solchen Kapsel getroffen zu haben.
Auch von seiner Gregarina clavata berichtet Kölliker, dass er sie zu
zebn in einer Kapsel im Hinterleib einer Ephemerenlarve gefunden habe,
und dieser Fall erlangt noch dadurch ein besondres Interesse, weil die
Polyeystideen bekanntlich fast ausschliesslich auf das Leben im Darme
angewiesen sind. Einige Ausnahmen von letztrer Regel finden sich zwar in
der Literatur verzeichnet, doch dürfte es sich in diesen Fällen wohl stets um
verirrte Individuen von Arten handeln, welche eigentlich den Darmkanal be-
wohnen. Ich schliesse dies daraus, dass ich mehrfach vereinzelte Clepsidrinen
in der Leibeshöhle der Blatta orientalis traf, wie dies auch früher schon
*) Nach Paulicki (Gurlt u. Hertwig, Magaz. f. Thierheilk. Bd. 35) sollen sich chloro-
phylihaltige Coceidien bei Cebus und Macacus in den Lungen, nach Piana (S2) solche in den
Ganglien (?) von Cynocephalus gefunden haben. In den erstgenannten chlorophyllhaltigen
grünen Körperchen vermag ich ebensowenig wie Leuckart Psorospermien zu erkennen. Auch
die von Piana erwähnten erscheinen noch unsicher.
586 Gregarinida.
Frantzius (15) aufgefallen war, und dass diese stets regungslos sowie un-
gemein blasig aufgeschwollen erschienen. Hammerschmidt (11) bat solche
blasenförmig aufgetriebne und bewegungslose Polyeystiden schon in der
Leibeshöhle einer Tipulalarve beobachtet und darauf sogar sein Geschlecht
Bullulina gegründet. Auch Leidy (22) berichtet, seine Greg. Achetae ge-
legentlich in der Leibeshöhle gefunden zu haben *).
Ueber die Wohnortsverhältnisse der monoeystiden Coceidien wurde
schon früherhin Manches berichtet, so dass wir uns hier kurz zu fassen
vermögen. Es dürfte vieles dafür sprechen, dass diese stets in Geweben
schmarotzenden Formen auch stets in den Zellen selbst ihre Wohnstätte
aufschlagen und dass sie da, wo sie frei im Binde- oder Muskelgewebe ete.
beobachtet wurden, vielleicht erst späterhin, nach ihrer Enceystirung, abge-
lagert worden sind. Doch bedarfdiese Angelegenheit noch weiterer Aufklärung.
Ungemein häufig treffen wir sie in den Epithelzellen des Verdauungs-
kanals und zwar des Mitteldarms und seiner Lieberkühn’schen Drüsen.
Bei reichlicher Anwesenheit können sie hier arge Verwüstungen am Epi-
thel hervorrufen. Wie bekannt, finden sie jedoch auch den Weg in das
Epithel der Gallengänge der Leber (Kaninchen, Mensch) und erzeugen
hier die sogen. Coeeidienknoten. Die Bindegewebswandungen der infieir-
ten Gallengänge verdicken sich und diese Wucherung bringt allmählich
das benachbarte Leberparenehym zum Schwund. Hand in Hand mit der
Ansammlung einer käsigen oder rahmartigen Masse, welche aus Flüssig-
keit mit zahlreichen degenerirten Epithelzellen und encystirten Coceidien
besteht, erweitern sich die infieirten Stellen der Gallengänge; ‚die Binde-
gewebswandungen, welche die benachbarten Gänge scheiden, werden mehr
und mehr verdünnt und schliesslich fliessen die benachbarten Knötchen zur
Bildung eines grösseren Knotens zusammen. Knötchenartige grössere An-
häufungen von Coceidien in der Darmschleimhaut mögen z. Th. durch
eine massenhaftere Ansammlung derselben in den infieirten Lieberkühn’-
schen Drüsen, z. Th. jedoch durch eine ähnliche Infieirung der Peyer’-
schen, wie der solitären Follikel hervorgerufen werden, da auch in diesen
Coceidien nachgewiesen worden sind.
Die neueren Untersuchungen haben jedoch erwiesen, dass nicht nur
die eigentlichen Darmepithelien in dieser Weise dem Anfall der Coceidien
ausgesetzt sind, sondern dass dieselben sowohl beim Kaninchen, nach den
Untersuchungen Zürn’s (91), wie den Hühnern, nach denen Silvestrini’s
und Rivolta’s (75 u. 76), ein viel ausgedehnteres Verbreitungsgebiet be-
sitzen. So bewohnen sie sehr häufig die Nasenschleimhaut dieser Thiere
und verursachen eine Entzündung derselben, verbreiten sich aber von hier
auch auf die Schleimhaut des Mauls und infieiren sogar den Kehlkopf;
dagegen ist es bis jetzt noch nicht hinreichend sicher, ob sie sich bei
dem Kaninchen auch noch tiefer in die Luftwege hinab ausdehnen und
*) Claus schreibt, dass er die Gregarinen von Phronima und Phronimella „am Magen-
darm“ beobachtet habe; liegt hier nicht etwa nur ein Schreibfehler vor, so wäre dies viel-
eicbt ein Beispiel einer Polycystidee, die wirklich die Leibeshöhle bewohnt.
Wohnortsverhältnisse (Coceidia). 587
schliesslich sogar die Lunge zu affieiren vermögen, wie Zürn anzunehmen
geneigt ist (während sie bei den Hühnern auch in den Anfang der
Trachea und des Oesophagus herabsteigen). Andrerseits soll sich jedoch
nach Zürn das Coceidienleiden der Kaninchen zuweilen aus der Rachen-
schleimhaut auch auf die Eustachischen Tuben ausdehnen, die Pauken-
höhle in Mitleidenschaft ziehen und schliesslich von hier aus sogar auf
das Labyrinth und den äusseren Gehörgang übergreifen. Sowohl bei den
Hühnern wie bei dem Kaninchen stellt sich das Psorospermienleiden auch
zuweilen an der Conjunetiva ein und ruft hier eine Conjunetivitis hervor,
soll sich jedoch bei den Hühnern auch auf das äussere Epithel ausdehnen
und den Kamm und Bart heimsuchen. Rivolta (88) sucht ferner nach-
zuweisen, dass eine in Italien unter dem Namen ‚vajuolo“ schon lange
bekannte Hautkrankheit der Hühner und Tauben, welche sich haupt-
sächlich in Knötchenbildungen an der Haut des Kopfes und Halses,
jedoch auch andrer Körperstellen äussert, gleichfalls durch Coceidien her-
vorgerufen werde, welche sich in dem hyperplastischen Rete Malpighii
dieser Knötehen ansammeln. Es scheint, dass er diese Hauteoceidien für
identisch hält mit den Darmeoceidien der erwähnten Vögel und demnach
auch wohl dem Coceidium oviforme.
Wie schon angedeutet, liegen auch einige Beobachtungen über das
Vorkommen der Coceidien in noch anderen Geweben vor. So fand sie
schon Klebs im Parenchym der Darmzotten und im Bindegewebe
zwischen den Lieberkühn’schen Drüsen beim Kaninchen; ähnlich beob-
achtete auch Rivolta die Coceidien der Zotten des Hunde- und Katzen-
darms im Parenchym. Bei den Cephalopoden muss sich nach den An-
gaben von Eberth Aehnliches finden. Bei Octopus beobachtete er eine
sehr weite Verbreitung der Benedenia. Er fand sie „unter der äusseren
Haut, in der Muskulatur des Körpers wie der Arme, unter der Serosa
des Darms, der Geschleehtsorgane, in den Venenkörpern (anhängen!) und
in der Darmschleimhaut“. Im Mesenterium des Kaninchens und dessen
Mesenterialdrüsen hat Reincke die Coeeidien gleichfalls constatirt, sie
waren hier in Knötchen zusammengehäuft, welche dem Verlauf der Ge-
fässe folgten. Wir kennen ferner die gelegentliche Infection der Niere
durch Coceidien, welche Lieberkühn für den Frosch sichergestellt hat*)
und die unter den Gastropoden mehrfach angetroffen wurde.
Aus dem Vorstehenden dürfte zur Genüge erhellen, wie der gesammte
Körper, möchte man nahezu sagen, den Angriffen der Coceidien ausge-
setzt sein kann, dagegen auch, dass in zahlreichen Fällen noch nähere
Aufklärungen über den eigentlichen Sitz dieser Schmarotzer in den von
ihnen befallenen Geweben nothwendig sind.
Noch zwei Fragen mögen hier zum Schluss unsrer Betrachtung über
die Verbreitungs- und Wohnortsverhältnisse der Gregariniden kurz berührt
*) Wo hier der eigentliche und primäre Sitz der Coceidien ist, wurde bis jetzt noch nicht
aufgeklärt.
88 G(regarinida.
werden, nämlich die nach der Verbreitung einer und derselben Art auf
einen oder mehrere Wirthe, sowie im Anschluss hieran die Frage nach
dem gleichzeitigen Vorkommen mehrerer Gregarinidenarten bei einem und
demselben Wirth. Die Beantwortung dieser Fragen bietet heutzutage noch
mancherlei Schwierigkeiten, da sich die systematischen Forschungen auf
unserem Gebiet noch in den Anfängen befinden und nicht wenige Grega-
rinenformen nur in Hinblick auf ihr Vorkommen zu besonderen Arten
erhoben worden sein mögen, obgleich es auch andrerseits an dem Ver-
such nicht gefehlt hat, Formen von höchst wahrscheinlich specifischer
Verschiedenheit auf Grund ihres Vorkommens bei demselben Wohnthier
zu einer Art zu verschmelzen. Diese Schwierigkeiten illustriren wohl am
geeignetsten die Gregariniden des gemeinen Regenwurms (Lumbrieus ter-
restris L.).. Während Lieberkühn und wie es scheint auch A. Schneider
die verschiednen Gregarinenformen dieses Wurmes sämmtlich als ver-
schiedne Zustände einer und derselben Art auffassen, unterschied Stein
nicht weniger wie vier Arten, welche in zwei Gattungen eingereiht wur-
den, und ähnlich sprach sich auch A. Schmidt aus. Ebenso neige ich mich
auf Grund eigner Erfahrungen der Stein’schen Auffassung zu. Auch die
von Stein unterschiednen drei Gregarinenarten der Mehlkäferlarve (Tene-
brio) sollen nach Schneider nur eine einzige Art bilden, eine An-
sicht, welche ich wenigstens in Bezug auf eine Form (den Stylo-
rhynchus ovalis St.) nicht zu theilen vermag. Wir heben hier jedoch
noch einige gesicherte Beispiele gleichzeitigen Vorkommens verschiedner
Arten, ja Gattungen, bei einem und demselben Wirth hervor. So be-
herbergt nach Schneider die Audouinia Lamarcki zwei verschiedne Mono-
eystideen, die eine im Darm, die andre in der Leibeshöhle. Das auf-
fallendste Beispiel bietet bis jetzt aber der Lithobius forficatus L.,
welcher in seinem Mitteldarm nicht weniger wie vier Gregarinenarten,
nicht selten mehreren gleichzeitig, Wohnung gewährt, vier Arten, welche
mit Recht zu vier verschiednen Gattungen: Actinocephalus, Echinocephalus,
Adelea und Eimeria (eine Coceidie) gestellt werden. Im Darm der Myctaeides-
larven trifft man gewöhnlich zwei Gregarinen der Gattungen Pileocephalus
und Clepsidrina an. Durch Schneider haben wir neuerdings auch von
dem gleichzeitigen Vorkommen zweier Coceidien bei einer Thierart Nach-
richt erhalten. Die Myriapodenform Glomeris nämlich beherbergt zwei
Coceidienarten (eine Cyelospora und eine Eimeria), die eine im Mittel-
darm, die andre in den Malpighischen Gefässen.
Im Ganzen scheint die Verbreitung der einzelnen Arten eine ziemlich
fest umgrenzte und beschränkte zu sein, was namentlich von Schneider (40)
durch Hinweis auf einige interessante Beispiele näher erörtert wurde, bei
welchen gewisse Gregarinenformen eonstant ihre bestimmten Wohnthiere
aufsuchen, obgleich letztere unter ganz entsprechenden Lebensbedingungen
gleichzeitig dieselben Orte bewohnen, eine Uebertragung von einem auf
den anderen Wirth daher wohl zu erwarten wäre. Andrerseits kennt
man jedoch auch einige Beispiele ausgedehnterer Verbreitung bestimmter
Verhreitungseigenthümlichkeiten. 589
Arten. So findet sich die Bothriopsis Histrio Aim. Schn. bei drei
Gattungen von Wasserkäfern, der Actinocephalus stelliformis bei drei
Käferarten verschiedner Familien (Carabus, Stapbylinus und Rhizotrogus)
und dürfte daher wohl auch noch weiter verbreitet sein. Auch unter den
Monoeystideen der Anneliden werden sich wohl Beispiele einer derartigen
breitung finden, wenn nur die systematische Durchforschung der zahl-
reichen hierhergehörigen Formen erst weiter gediehen sein wird.
Nachträglicher Zusatz: Im Begriffe die zweite Correctur dieses Bogens zu lesen,
erhalte ich eine soeben erschienene, sehr interessante Fortsetzung der Untersuchungen
A. Schneider’s über die Gregariniden (Archives de zoologie experim. T. X. 1582. p. 423—50,
Taf. 13). Da es leider zu spät ist, die wichtigsten Resultate derselben noch dem Text ein-
zuverleiben, will ich hier nachträglich auf das Bemerkenswertheste hinweisen. Schneider hat
jetzt bei einer ganzen Anzahl Polyeystideengeschlechter (Ölepsidrina, Loporhynchus, Stylo-
rhynchus, Trichorhynchus und Cnemidospora) die Erzeugung sichelförmiger Keime festgestellt
und konnte sich ferner in fast allen Fällen versichern, dass die Keime einen deutlichen, zu-
weilen sogar recht ansehnlichen Zellkern enthalten. Ebenso gelang es ihm, in den noch
hüllenlosen jugendlichen Sporoblasten, sowie in den noch nicht weiter entwickelten Sporen des
Stylorhynchus den ansehnlichen Nucleus zu beobachten.
Bringt man die mit sichelförmigen Keimen erfüllten, reifen Sporenketten des Stylorhynchus
longicollis in etwas Darmsaft des Blaps mortisaga (des Wohnthiers dieser Polycystidee), so
springen die Sporenschalen auf und die sichelförmigen Keime treten hervor. Dieselben be-
wegen sich mehr oder weniger lebhaft in der bekannten Weise und diese Beweglichkeit der
Keime dauert in gleicher Weise mehrere Stunden fort. Amöboide Beweglichkeit oder Schwimm-
bewegung der Keime wurde nie wahrgenommen. Die nach dem Hervortreten aus der Spore
etwa langgestreckt rübenförmigen Keime tragen an ihrem dickeren Ende einen mässig langen,
schmalen, stiftförmigen Fortsatz, welcher besonders beweglich erscheint, indem er sich lebhaft
hin- und herbiegt.
Zu diesen interessanten Mittheilungen gesellt Schneider die weitere, dass man in den
Darmepithelzellen des Blaps mortisaga sehr häufig einen oder mehrere kernhaltige Körper
treffe, welche mit grosser Wahrscheinlichkeit als die erste Weiterentwicklungsstufe der in die
Epithelzellen eingedrungnen Keime von Stylorhynchus longicollis zu betrachten seien. Es
scheint demnach, dass auch die Polycystideen ihre erste Entwicklung als intracelluläre Schma-
rotzer beginnen.
Schneider’s Arbeit beschreibt ferner eine Reihe neuer Polycystideengeschlechter, wobei gleich-
zeitig eine Anzahl wichtiger Bemerkungen über Bau und Fortpflanzung derselben mitgetheilt werden.
Wir versuchen es hier noch eine kurze Charakteristik dieser neuen Geschlechter beizufügen.
Loporhynchus Schn. 1882. Epimerit hat Aehnlichkeit mit dem von Actinocephalus
und Echinocephalus; kurz und dick, längs gestreift, Vorderende breit abgestutzt und etwas
saugnapfartig ausgehöhlt, mit membranösem vorspringendem Rand, unterhalb dessen ein ein-
reihiger Kranz von birnförmigen blasigen Anhängen entspringt. Cystenhaut ähnlich wie bei
Stylorhynchus mit Wärzchen bedeckt. Sporen wie die von Stylorhynchus gestaltet und Ketten
bildend. 1 Art. Darm von Helops.
Trichorhynchus Schn. 1882. Unterscheidet sich von Stylorhynchus wesentlich nur
durch die elliptisch bis cylindrisch gestalteten Sporen. 1 Art. Darm von Scutigera (Myrio-
pode). Cyste sehr interessant, Etwas abgeplattet; die Cystenhaut mit einem scharf hervor-
tretenden, dunklen und ziemlich breiten Aequatorialband, längs dessen Mittellinie die ausge-
reifte Cyste in zwei Hälften aufspringt. Oberfläche der Cystenhaut mit regelmässig gestellten
Wärzchen bedeckt und dazwischen fein punktirt.
Cnemidospora Schn. 1882. Bis jetzt nur Sporonten bekannt, welche wie die beiden
vorhergehenden Gattungen keine Syzygien bilden. Hauptauszeichnung bildet die Anhäufung
einer homogen und fettartig erscheinenden Masse im Vorderende des Protomerits. Sporen
elliptisch. 1 Art. Darm von Glomeris (Myriop.).
590 Myxosporidia,
II. Myxosporidia. .
Bütschli 1881 (sogen. Fischpsorospermien).
T. 38. Figg. 5—24.
Schon bei Gelegenheit der historischen Uebersicht unsrer Kenntnisse
der Sporozoa wurde erläutert, dass gerade die von Joh. Müller (1841)
zuerst unter der Bezeichnung Psorospermien beschriebnen parasitischen
Gebilde der Fische, hinsichtlich ihrer wahren Natur und Bedeutung, bis
jetzt viel zweifelhafter geblieben sind, als die erst später genauer bekannt
gewordnen ei- und kugelförmigen Psorospermien. Da die Fischpsoro-
spermien, wegen ihrer in vieler Hinsicht eigenthümlichen Bau- und
Lebensverhältnisse, ohne Zweifel eine besondere Abtheilung bilden und
der Name Psorospermien wegen seiner heterogenen Verwendung heutzu-
tage hinfällig geworden ist, so habe ich für die hierhergehörigen Orga-
nismen die Bezeichnung Myxosporidia vorgeschlagen (105). Bis jetzt
sind diese Gebilde, welche sich sehr wesentlich von den Coceidien unter-
scheiden, fast ausschliesslich bei den Fischen angetroffen worden. Die
einzige sichere Ausnahme dieser Regel beobachtete Lieberkühn, welcher
Myxosporidiensporen in Nais (Oligochaete) auffand*). Auch Balbiani**)
hat in der Leibeshöhle eines Schmetterlings (Pyralis viridiana) Cysten
beobachtet, welche mit Körperchen, von einem den Myxosporidien-Sporen
ähnlichen Bau, erfüllt waren; die Beobachtung ist jedoch nicht aus-
reichend, um ihre Zugehörigkeit zu unserer Abtheilung zu erweisen. Zweifel-
haft erscheint der von Giard unter dem Namen Lithocystis Schneideri
beschriebne Organismus, welcher bei einem Seeigel (Echinocardium
cordatum) gefunden wurde. Aehnlich wie die Coceidien zeigen aber
auch die Myxosporidien eine ungemein weite Verbreitung im Fisch-
körper. Wenn sie auch J. Müller ursprünglich (99) — ausser in Theilen
des Auges, wie den Augenmuskeln, der Sklerotika, zwischen dieser und
der Chorioidea — fast ausschliesslich und sehr häufig an der Haut der
Fische und zwar in Form kleiner Pusteln, welche einen Hautausschlag
zu bilden schienen, auffand, so glaubte er doch, in Gemeinschaft mit
*) Diese wie eine Anzahl weiterer, seither unpublieirter Beobachtungen verdanke ich der
Liebenswürdigkeit des um die Myxosporidien so verdienten Prof. N. Lieberkühn, welcher mir
eine grosse Anzahl vorzüglicher, bis jetzt unpublieirter Zeichnungen, von der Künstlerhand
G. Wagner’s ausgeführt, zur Benutzung überliess. Meinen aufrichtigsten Dank, bitte ich ihn,
auch an dieser Stelle entgegennehmen zu wollen.
**) Balbiani in Journ. anatomie et physiologie T. III. p. 599 u. T. IV. p. 263.
ae
e Verbreitung unter d. Fischen u. im Fischkörper. 591
Retzius (100) auch schon das gelegentliche Auftreten ähnlicher Körperchen
in inneren Organen und zwar in der Schwimmblase des Dorsches con-
statiren zu können*). Leydig (20), Lieberkühn (24, 58, 101) und nament-
lich Balbiani (102) erwiesen dann, dass sie noch in vielen inneren Or-
ganen vorkommen.
Der Hauptsitz der Hautmyxosporidien scheint die Kopfgegend zu sein
und zwar entweder die äussere Fläche des Kopfes, häufig die des Kiemen-
deckels, namentlich aber auch die Kiemenhöhle, wo die Innenseite des
Kiemendeckels, die Kiemenhaut, die Kiemenbogen und schliesslich häufig
auch die Kiemenblättchen selbst ihren Sitz bilden. Auch auf den Flossen
sind die Psorospermieneysten gelegentlich beobachtet worden.
Die Verbreitung der Myxosporidien in den inneren Theilen des Fisch-
körpers ist, wie schon bemerkt, eine so weite, dass nur wenige Organe
und Organsysteme von ihnen verschont zu bleiben scheinen. So vermisste
sie Balbiani nur in der Stammesmuskulatur und dem centralen Nerven-
system durchaus, wogegen neuerdings Ryder**) bei einem Aphrododerus
zahlreiche Myxosporidieneysten in der Seitenmuskulatur auffand. Ihre
besonderen Lieblingssitze sind nach Balbiani die Nieren und die Milz,
doch trifft man sie nach den Untersuchungen Leydig’s und Lieberkühn’s
namentlich auch in der Gallen- und Harnblase von Süsswasser- und
Meeresfischen recht häufig. Da sie sich gelegentlich auch in dem Gefäss-
apparat, so den Herzklappen ansiedeln, so ist ihr von Leydig beob-
achtetes Vorkommen im Herzblut erklärlich (Leuciseus). Fernerhin ver-
mochten sie Leydig und Lieberkühn bei Gobius auch in der Leibeshöhle
zu constatiren. Aus obigen Bemerkungen geht die weite Verbreitung
dieser Schmarotzer im Fischkörper zur Genüge hervor. Ebenso besitzen
sie aber auch eine weite Verbreitung durch die Klasse der Fische. Schon
J. Müller batte bei einer ziemlichen Zahl einheimischer wie ausländischer
Süsswasserfische Myxosporidien aufgefunden. Leydig dagegen erwies ihr
häufiges Vorkommen bei nicht wenigen Plagiostomenarten. Die übrigen
Meeresfische sind dagegen bis jetzt noch wenig ausreichend nach unsern
Schmarotzern durchforscht, obgleich es kaum zweifelhaft sein kann,
dass die Myxosporidien auch unter den marinen Fischen eine weite Ver-
breitung besitzen.
Die kleinen sporenartigen Körperchen, welche J. Müller ursprünglich
als Psorospermien bezeichnete, sind nun natürlich keine erwachsenen
selbstständigen Organismen, sondern die Fortpflanzungskörper oder Sporen
einfacher, plasmatischer, bis zu einem gewissen Grade amöbenähnlicher
Organismen. Wir finden nämlich nach den gewöhnlichen Angaben der
*) Es scheint mir jedoch recht fraglich, ob diese psorospermienartigen Körperchen der
Dorschschwimmblase zu den eigentlichen Myxosporidien und nicht vielmehr zu den Coccidien |
zu rechnen sind. Ihr Bau scheint sich nämlich eher den letzteren anzuschliessen ; namentlich |
spricht dafür auch das Fehlen der für die Sporen der Myxosporidien so charakteristischen }
Polkörperchen. I
#2) Americ. naturalist Vol. XIV.
592 Myxosporidia. !
Beobachter die Psorospermien der Haut, seltner dagegen die innerer Or-
gane, in grosser Menge in einer sehr zarthäutigen Blase oder Cyste ein-
geschlossen und es sind eben diese Myxosporidieneysten oder Psoro-
spermienblasen, welche — auf der Haut befestigt oder fh dieselbe ein-
gelagert — die ausschlagartigen Pusteln darstellen, deren schon oben
gedacht wurde. Obgleich es nach den Mittheilungen einiger Beobachter
wahrscheinlich ist, dass diese Myxosporidieneysten zuweilen auch ganz
frei auf der Haut oder den Kiemenblättchen gefunden werden, halte ich
dies Vorkommen einstweilen doch für ein seltenes und vermuthe, dass
sie gewöhnlich in die Haut selbst ngebettet sind. Die genauere Unter-
suchung der Myxosporidieneysten Kiemenblättehen unsrer Süsswasser-
fische hat mich wenigstens beleh@@ dass dieselben in das Gewebe der
Kiemenblättehen eingebettet sind 5). Ihr Sitz ist die Bindegewebs-
schicht des Kiemenblättehen, ja siegen sogar innerlich von dessen Capil-
laren, von welchen sie gewisser sen umgürtet werden (T. 38. 6a).
Ist die Myxosporidieneyste W@sehnlich herangewachsen, so drängt
sich ihre Masse bruchsackartig ®wischen den umgürtenden Capillaren
hervor undsdadurch wird die Gestalt der Cyste eine ziemlich unregel- .
mässige. Kfeinere Cysten as Art erscheinen dagegen einfach kuglig
bis ellipsoid sen scheint die Cyste schliesslich
die Capillare Epithel des Kiemenblättchens
leicht verlor Äser Untersuchung leicht die
ı Ki
namentlich bei Isolirung der sogen. Cysten
der Kiemen, gelingt es, sich vofi der Gegenwart einer umkleidenden Cysten-
haut zu überzeugen. Doch Hesitzt diese Umhüllungsmembran nicht die
Charaktere gewöhnlicher Cy$tenhüllenf wie sie uns die übrigen Proto-
zoön und speciell die Sporoßoön so hähfig zeigen. Sie ist keine structur-
lose, resistente Abscheidungshaut, sondern ein deutlich plasmatisches
Gebilde, bestehend aus einem hellen, schwach körnigen Plasma, in
welches zahlreiche, etwas unregelmässig gestaltete Zellkerne eingelagert
sind. Leider lässt sich bis jetzt eine sichere Auskunft über die Abstam-
mung dieser Haut nicht geben. Es muss zunächst unsicher bleiben,
ob dieselbe von der Myxosporidie selbst oder von dem Gewebe des
Kiemenblättchens ihre Entstehung nimmt.
Nach diesen Erfahrungen an den Kiemenmyxosporidien erscheint es
also etwas zweifelhaft, ob sich bei unseren Organismen überhaupt eysten-
artige Sporenblasen mit einfacher Cystenhaut vorfinden, wie dies nach den An-
gaben mancher Beobachter scheint. Es ist dies um so zweifelhafter, da wir
sehen werden, dass die Sporulation der Myxosporidien, welche innere
Körperhöhlen bewohnen, wenigstens häufig sicher im nackten, unencystirten
Zustand stattfindet. Mir ist es daher wahrscheinlicher, dass die Sporen-
bildung bei unseren Formen überhaupt nicht an eine vorherige Encysti-
rung geknüpft ist und da®s daher aueh die eben beschriebne eigenthümliche
®. Bau d. Kiemenmyxosporidien u. der d. Hechtharnblase. 593
Umhüllungshbaut der Kiemenmyxosporidien wahrscheinlich nicht als eine
Cystenhaut aufzufassen, sondern als ein Erzeugniss des infieirten Gewebes
zu betrachten ist. Die geschilderten Myxosporidien der Kiemen und der
Haut bestehe# jedoch nicht ausschliesslich aus einer Anhäufung der sogen.
Psorospermien oder Sporen, sondern zwischen diesen, sie einbettend und
umhüllend, d. h. den eigentlichen Organismus der Myxosporidie consti-
tuirend, findet sich eine körnerreiche plasmatische Masse.
Die Grösse solcher Myxosporidien der Haut und Kiemen ist z. Th.
gar nicht unbeträchtlich, so beobachtete schon J. Müller an den Kiemen
von Catostomus tuberculatus Myxosporidien von 1—2 Linien Länge. Auch
Lieberkühn fand bei Gasterosteus Psorospermienblasen von 1 Linie Länge.
Gewöhnlich bleiben sie aber kleiner, doch fehlen bis jetzt genauere
Angaben über die durebschnittliche Grössenentwicklung der Myxosporidien
der Fischhaut.
Auch im Körperinneren sind zuweilen Myxosporidien gefunden worden,
welche auf die Beobachter mehr den Eindruck einer mit Sporen gefüllten
Cystenblase machten, so sind hierher wohl die frei in der Leibeshöhle
gefundnen Psorospermienblasen zu rechnen; gewöhnlicher finden sich da-
gegen die Psorospermienanhäufungen der inneren Organe in eine plasma-
tische, amöbenartige Masse eingeschlossen, welche eine mehr oder minder
"unregelmässige Gestalt besitzt.
Von solchen frei in gewissen Körperhöhlen lebenden Myxosporidien
wurden am eingehendsten studirt die der Gallenblase der Plagiostomen
von Leydig und die der Harnblase des Hechtes und der Quappe (Lota
vulgaris) von Lieberkühn. Die -Form der Hechtharnblase untersuchten
späterhin noch Gabriel und Bütschli. Diese Myxosporidien sind, wie be-
merkt, amöben- oder plasmodienartige Körper von sehr verschiedner
Grösse und ebenso verschiedner Gestaltung. Im Allgemeinen erscheinen
sie kuglig bis langgestreckt band- und schlauchförmig, zuweilen auch
etwas keulig angeschwollen. Wie Lieberkühn schon bemerkte, sind es
nackte, hüllenlose und amöboid veränderliche Plasmakörper. Leydig da-
gegen will bei denen der Plagiostomen-Gallenblase eine membranartige
Verhärtung der Oberfläche beobachtet haben, was schon daraus hervorgeht,
dass er sie als Blasen bezeichnet; doch hebt er selbst hervor, dass es häufig
den Eindruck mache, als sei eine Membran noch nicht vorhanden.
. Während die kleineren Myxosporidien der Hechtharnblase aus
einem einheitlichen körnigen Plasma bestehen, bemerkt man an den
grösseren gewöhnlich sehr deutlich eine Zusammensetzung aus zwei
Plasmazonen, einem sehr körnigen Entosark und einem sehr durebsich-
tigen, feingranulirten Eetosark. In letzteres treten die gleich zu beschrei-
benden charakteristischen Einschlüsse des Entosarks nie ein. Wie früher
bemerkt wurde, gelang es schon Lieberkühn, schwache amöboide Beweg-
lichkeit der Myxosporidien des Hechtes wahrzunehmen, wogegen Gabriel
(104) das Vorkommen wirklicher amöboider Beweglichkeit leugnete —
zwar die Bildung pseudopodienartiger Fortsätze zugab, jedoch die
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozan, 38
cc
N so+ A)
594 Myxosporidia.
Möglichkeit ihrer Wiedereinziehung in Abrede stellte. Bütschli fand
jedoch, dass sich unsre Myxosporidien unter günstigen Bedingungen
langsam amöbenartig hinfliessend bewegen und beobachtete gelegentlich
auch das Auftreten bruchsackartiger plumper Pseudopodien, an deren
Erzeugung zunächst das Ectosark betheiligt ist, in welche jedoch bei an-
sehnlicherer Entwicklung auch das Entosark eintritt. Hieraus darf man
denn auch entnehmen, dass die wechselnden Gestaltsverhältnisse dieser
Myxosporidien, ihre z. Tb. lappigen bis zuweilen in mehrere Fortsätze
ausgezognen Formen, auf amöboide Beweglichkeit zurückzuführen sind
(T. 38.12).
Von besonderem Interesse erscheint es aber, dass das Eetoplasma der
Hecht-Myxosporidien sehr gewöhnlich noch eine zweite Kategorie pseudo-
podienartiger Fortsätze entwickelt, nämlich zarte haar- bis borstenförmige,
welehe in mancher Hinsicht den haarartigen feinen und rigiden Fort-
sätzen gewisser Amöben und amöbenartiger Organismen gleichen. Solche
Fortsätze bedecken recht häufig die gesammte Oberfläche der Myxospo-
ridien (T. 38. 13), beschränken sich jedoch auch nicht selten auf einen
Theil derselben und kommen gelegentlich, wie bei gewissen Amöben, nur
an dem einen Körperende vor.
Die fraglichen Fortsätze sind auch zum Theil verzweigt; zuweilen
sind es auch nieht mehr einfache Fortsätze, sondern quer über den Körper
hinziehende Falten, deren optischer Durchsehnitt am Körperrand den An-
schein haarartiger Fortsätze erweckt. Wie bemerkt, machen diese Aus-
wiüchse des Ectosarks einen sehr rigiden Eindruck und zeigen gewöhn-
lich keine Veränderungen und Bewegungen. Dennoch gelang es mir zu-
weilen, eine Veränderung derselben zu constatiren und ein langsames
Zurückfliessen, sowie eine Neuentstehung einiger Fortsätze wahrzunehmen.
Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass sich die Myxosporidien der
Hechtharnblase zuweilen mit einigen stumpfen gelappten Pseudopodien
eines Körperendes auf der Schleimhaut der Harnblase befestigen, ja die
Jugendformen scheinen sich sogar an einzelnen Zellen des Harnblasen-
epithels festzusetzen ; wenigstens deutet darauf die Beobachtung hin, dass
man zuweilen kleinen Myxosporidien begegnet, welche eine losgelöste
Epithelzelle zum Theil umfassen.
Das Entoplasma ist, wie schon bemerkt, dicht mit in Alkohol lös-
liehen gelblichen Körnern, von wahrscheinlich fettartiger Natur, erfüllt
und diese Fettkörner enthalten häufig einen oder mehrere braunrothe
Krystalle, welelie schon Meissner und Lieberkühn beobachteten und wohl
richtig als Hämatoidinkrystalle deuteten. Auch die Myxosporidien der Gallen-
blase besitzen nach Leydig eine gelbe Färbung, welche sich wohl von
der Färbung der Galle herleiten dürfte, wie Leydig schon vermuthete.
Ausserdem enthält jedoch das Entosark der Myxosporidien des Hechtes
eine ungemein grosse Anzahl sehr kleiner Zellkerne, welche zuerst Bütschli
auffand; da nun auch das Plasma der Kiemenmyxosporidien einen ent-
sprechenden Reichthum an kleinen Zellkernen aufweist, so dürfte diese
Bau, Bewegung etc. Sporulation. 595
Eigenthümlichkeit wohl für die Myxosporidien überhaupt charakte-
ristisch sein.
Hinsichtlich der Grössenverhältnisse der geschilderten freien Myxo-
sporidien der inneren Körperhöhlen wurde schon erwähnt, dass bei dem
Hecht gewöhnlich Individuen der allerverschiedensten Grössen gleichzeitig
angetroffen werden, bis zu einer Länge von 0,3 Mm. Kleiner scheinen
dagegen die Myxosporidien aus der Harnblase von Lota (bis 0,075 Mm.
Lieberk.) und der Gallenblase der Plagiostomen (bis 0,067 Mm. Leydig)
zu bleiben.
Bevor wir zur Betrachtung der Sporenbildung übergehen, empfiehlt
es sich noch, einen Blick auf gewisse Beobachtungen zu werfen, welche
auch für die Kiemen- und Hautmyxosporidien das Vorhandensein eines
freien, beweglichen Stadiums wahrscheinlich zu machen suchten. Schon
Dujardin*) fand 1845 baumförmig verzweigte, plasmodienartige Gebilde
und Lieberkühn fand derartige Plasmakörper auf der Haut und den Kiemen
verschiedner Fische, namentlich des Barsches (Perca fluviatilis). Dieselben
erreichten einen Durchmesser von 0,46 Mm. (T. 38. 5). Immerhin erscheint
es mir noch nicht erwiesen, ja eher unwahrscheinlich, dass die im Inneren
der Kiemenblättchen sich findenden Myxosporidien aus solchen freien
amöbenartigen Körpern hervorgehen.
Wir haben uns jetzt mit dem Vorgang der Sporulation bei unseren
Myxosporidien zu beschäftigen. Eigenthümlich erscheint zunächst, dass
die Sporenbildung nicht als Abschluss des Lebenseyelus aufzutreten
scheint, sondern dass man schon bei sehr kleinen und allem An-
schein nach jugendlichen Formen entwickelte Sporen findet. Dies ist
sowohl bei den Formen der Hechtharnblase wie bei denjenigen der
Kiemen der Fall. Bei ersteren traf ich in relativ recht kleinen Indivi-
duen sehr gewöhnlich einige Sporen an, während die gleichzeitig in Menge
vorhandnen grossen zuweilen gar keine gebildet hatten, oder aber unge-
heure Mengen derselben entbielten.
Auch die Kiemenmyxosporidien sind gewöhnlich auf den verschieden-
sten Grössenzuständen dicht mit Sporen erfüllt, wie dies ja aus unserer
früheren Beschreibung schon hervorging. Im Allgemeinen wird unter
solchen Umständen die Zahl der in einer Myxosporidie erzeugten Sporen
von der Grösse des Mutterorganismus abhängig sein, jedoch scheint es
auch, dass die in Sporulation begrifinen Myxosporidien ihr Wachsthum
weiter fortzusetzen und fortdauernd neue Sporen zu erzeugen im Stande
sind. Die Zahl der in den kleinen Myxosporidien des Hechts vorhan-
denen Sporen beträgt nicht selten nur ein Paar, die geringste Zahl näm-
lich, welehe überhaupt zur Entwicklung kommen kann, wie wir gleich
sehen werden. Auch bei den von Leydig beobachteten Formen der
Gallenblase fanden sich die Sporen stets in sehr mässiger Zahl vor, wo-
gegen sie wie gesagt in den grösseren Myxosporidien des Hechtes, der
*) Histoire nat. des helminthes p. 644,
38%
Pr‘
596 Myxosporidia.
Kiemen und der Haut gewöhnlich in ganz erstaunlichen Mengen an-.
getroffen werden.
Die Bildung der Sporen ist eine endogene. Bis jetzt wurde sie nur
bei der Hechtform von Bütschli genauer verfolgt, jedoch liegen einige
Beobachtungen vor, welche auch für die Kiemenformen einen entsprechen-
den Sporulationsprocess wahrscheinlich machen. Die früheren Beobachter,
einschliesslich Gabriel, gelangten nicht zu einer richtigen Vorstellung von der
Bildung der Sporen. Nach ihrer Schilderung sollten im Plasma der Myxo-
sporidie zunächst eine geringere oder ansehnlichere Menge heller vacuolen-
artiger Bläschen entstehen, sogen. Tochterblasen, wie sie Leydig bezeich-
nete. In jeder dieser Tochterblasen bildeten sich dann allmählich ein
oder mehrere Sporen (je nach den verschiednen Formen), in einer von
den früheren Beobachtern durchaus nicht hinreichend aufgeklärten Weise.
Bütschli’s Beobachtungen an der Hechtinyxosporidie zeigen zunächst, dass
es nicht Vacuolen oder Bläschen sind, welche anfänglich entstehen, son-
dern dass sich zuerst kleine kuglige, helle Plasmakörper differenziren,
welche eine grössere Anzahl der kleinen Kerne des Entoplasmas ein-
schliessen.
Da aus diesen Plasmakugeln die Sporen entstehen, so dürfen wir sie
\ wohl als Sporoblasten bezeichnen. Welches der specielle Bildungsaet
dieser Sporoblasten ist, konnte bis jetzt noch nicht näher verfolgt werden;
die nächstliegende Vermuthung ist, dass sie sich völlig endogen im Innern des
Entoplasmas differenziren. Man könnte jedoch auch die Vermuthung auf-
stellen, dass sie ursprünglich auf der Oberfläche knospenartig erzeugt und
erst nachträglich in das Plasma der Myxosporidie aufgenommen würden,
da wir ja etwas ähnliches bei der Sporulation gewisser Gregariniden ge-
funden haben (vergl, oben p. 543). Unter diesen Plasmakugeln begegnet
man zahlreichen, welche sechs Zellkerne einschliessen und diese sind es,
welche sich direct zu Sporen weiterbilden (T.38.14a). Wie es sich mit den mehr-
kernigen Kugeln verhält, ist bis jetzt nicht ermittelt. Auf der Oberfläche
der sechskernigen Sporoblasten kommt es zunächst zur Ausbildung einer
zarten Membran und da sich das Plasma der Sporoblasten innerhalb dieser
Membran etwas condensirt, so erscheint er jetzt in Gestalt eines hellen
Tochterbläschens mit einem centralen, blassen Inhalt (14b). Hierauf wird eine
Theilung dieses condensirten Inhalts in zwei dreikernige Kugeln vor sich
sehen, da man häufig solchen Zuständen begegnet und eine ziemliche Reihe
Umbildungsstufen dieser letzteren zu reifen Sporoblasten wahrnimmt (14e).
Aus jeder der dreikernigen Kugeln geht eine Spore hervor und zwar in
unserem Fall in der Weise, dass sich die Kugeln in die Länge strecken
und allmählich eine spindelförmige Gestalt annehmen (14d). Dabei ordnen
sich die drei Zellkerne so, dass sie der Länge nach in einer Reihe hinter-
einander liegen. Während nun allmählich auf der Oberfläche der so vor-
gebildeten Spore die Sporenhülle zur Abscheidung gelangt, bilden sich die
beiden endständigen Kerne successive zurück. Neben jedem derselben
tritt jedoch ein dunkler kleiner Körper auf, weleher allmählich heranwächst,
Sporulation. Bau der reifen Sporen. 597
eine länglich ovale Gestalt annimmt und sich zu einem sogen. Polkörper-
chen entwickelt, von welchen sich, wie wir sehen werden, in jedem Pol
der spindelförmigen Spore eines vorfindet (14e). Schliesslich verschwinden die
beiden endständigen Kerne ganz, der mittlere dagegen erhält sich als
der bleibende Kern der Spore (15).
Dieser Entstehungsgang der Sporen der Hechtmyxosporidien erklärt
gleichzeitig die Erscheinung, dass die Sporen dieser wie andrer Myxo-
sporidien stets paarweise in einem Sporoblastbläschen vereinigt sind.
Dagegen beobachtete Leydig bei den Myxosporidien der Gallenblase stets
nur eine Spore in einem Bläschen und auch die von mir untersuchten
Kiemen-Myxosporidien zeigten nie eine paarweise Vereinigung ihrer Sporen,
welche ich hier auch nie in Bläschen eingeschlossen, sondern direet in
das Plasma eingebettet traf. Dennoch verriethen auch diese Sporen An-
zeichen eines ähnlichen Entstehungsprocesses wie die erstgeschilderten; es
wurde wenigstens sehr wahrscheinlich, dass sie gleichfalls aus dreikernigen
Plasmakugeln hervorgehen (10a), von deren Kernen sich nur der eine als
Sporenkern erhält; nur hatte es den Anschein, als wenn hier die beiden
Polkörperchen direet aus den beiden anderen Kernen hervorgingen (10b).
Gelegentlich scheinen sich jedoch in einem Sporehbläschen auch drei
Sporen entwickeln zu können, wenigstens fand J. Müller bei der Myxo-
sporidie des Luciopereca Sandra zuweilen auch drei Sporen in einem
solchen Bläschen.
Die Bauweise der ausgebildeten Myxosporidiensporen erinnert in
einigen Beziehungen an die der Gregariniden und Coceidien, weist da-
geren auch einige sehr wesentliche Verschiedenheiten auf. Ihre Grösse
ist stets sehr gering; der Längsdurchmesser beträgt durchschnittlich
0,008—0,02 Mm.; die letzterwähnte Grösse erreichen die sehr lang spindel-
förmigen Sporen der Hechtmyxosporidie. Auch ihre Gestaltung ist ziem-
lich verschieden; häufig sind sie abgeplattet linsenförmig mit nahezu
kreisrundem Umriss, stets jedoch einem mehr oder weniger zugespitzten
Pol (6b, 18a, 23 ete.). Der Rand der linsenförmigen Spore ist wulstig verdickt.
Die Sporenschale ist keine einheitliche, sondern setzt sich aus zwei klappen-
artigen Hälften zusammen, welche mit ihren etwas verdickten Rändern aufein-
andergepasstsind und wodurch eben der erwähnte Randwulst gebildet wird (7).
Diese zweiklappige Beschaffenheit scheint den Myxosporidiensporen fast
durchaus eigenthümlich zu sein; jedoch konnte ich sie bei denen der
Hechtharnblase nicht nachweisen.
An die ebengeschilderten Formen schliessen sich dann länger
gestreckte, ellipsoidische bis eiförmige an, stets mit ausgeprägter
Zuspitzung des einen Pols. Selten findet sich eine doppelpolige Zu-
spitzung solch länglicher Formen, wodurch die Gestalt eine spindelförmige
wird (5a). Balbiani beobachtete sogar eylindrische Sporen. — Fast stets
scheint eine Myxosporidienform nur ein und dieselbe Form von Sporen
zu erzeugen, abgesehen von geringfügigen Gestaltsverschiedenheiten. Zu-
‚weilen begegnet man jedoch in einer und derselben Cyste die gleich zu
598 > yxosporidia.
erwähnenden geschwänzten und ungeschwänzten Sporenformen durch-
einander an, während die letzteren sonst für gewisse Myxosporidienformen
charakteristisch sind. Diese geschwänzten Sporen (Figg. 16a—c, 21) besitzen
ähnlich, wie die Sporen gewisser Monoeystideen (Urospora) einen von der
Sporenschale entspringenden, mehr oder weniger ansehnlichen schwanz.
artigen, soliden Fortsatz, dessen Ende jedoch häufig gablig gespalten ist.
Zuweilen erstreckt sich die Gablung sogar bis zum Grunde des Schwanz-
fortsatzes, so dass sich zwei Anhänge finden. Der Ursprung der
Schwanzanhänge liegt stets dem zugespitzten Pol der etwa ovalen linsen-
törmigen Sporenschale gegenüber, also ebenfalls polständig. — Ueber die
Natur und die Bedeutung dieser Schwänze entwickelte Balbiani eine sehr
eigenthümliche und schwer verständliche Ansicht. Nach ihm „ist der Rand
jeder Schalenklappe in seinem Umkreis von einem elastischen Ring (wahr-
scheinlich der schon oben erwähnte Wulst) gebildet, welcher Ring sich
aus zwei Sticken zusammensetze, die in der Mittellinie mit einander arti-
euliren und sich in fadenförmigen, mehr oder weniger zahlreichen Fort-
sätzen endigen“. Unter gewöhnlichen Umständen sollen diese Filamente
wenig sichtbar sein, da sie sich dem Rand der Klappen dicht anlegen.
Zu gewissen Zeiten dagegen sollen sie sich davon abheben, sich ver-
längern und in verschiednen Richtungen abstehen. -— Bei manchen Sporen
nun legten sich diese Filamente nicht um den Rand der Schale herum,
sondern streckten sich in der Axe der Spore aus, vereinigten sich in
variabler Länge und bildeten so den einfachen oder getheilten Schwanz-
faden. Ich habe diese Darstellung Balbiani’s möglichst mit seinen eig-
nen Worten wiedergegeben, da sie mir in vielen Punkten unklar ge-
blieben ist, ganz abgesehen von der höchst merkwürdigen Bedeutung,
welche Balbiani den Filamenten bei der von ihm angeblich festgestellten
Fortpflanzung der Psorospermien zuschreibt.
Die Sporenschale ist stets ziemlich diek und daher deutlich doppelt
eontourirt. Sie wird von einem sehr widerstandsfähigen Stoff gebildet,
da nach Balbiani selbst heisse Alkalien und Mineralsäuren sie nicht an-
greifen. Dagegen wird sie nach meinen Erfahrungen von erhitzter, con-
centrirter Schwefelsäure zerstört. Die Einwirkung der erwähnten Reagen-
tien löst den Zusammenhang der beiden Schalenklappen, die alsdann aus-
einanderfallen (Fig. 8). Auch längere Aufbewahrung in Wasser scheint den-
selben Effeet auszuüben, wie Creplin schon 1846 hervorhob; doch erfolgt
das Aufspringen der Schale, wie wir noch sehen werden, auch wohl auf
natürlichem Weg bei der Weiterentwicklung.
Am zugespitzten Pol der linsenförmigen Sporen findet sich eine Oefl-
nung, auf welehe schon J. Müller hinwies. Dieselbe wird wohl einfach
dadurch zu Stande kommen, dass hier die beiden Schalenklappen etwas
auseinanderweichen. Es ist zu vermuthen, dass bei den beiderseits zugespitz-
ten Sporen der Hechtmyxosporidie beide Pole eine feine Oeffnung besitzen.
Ganz eonstant findet man nun innerhalb der Sporenschale noch eigen-
thümliche, ziemlich dunkle und scharf umschriebne bläschenförmige Ge-
Be
Bau der reifen Sporen (Sogen. Polkapseln). 599
bilde in verschiedner Zahl, die stets dem einen oder bei doppelter
Zuspitzung den beiden Polen genähert liegen und welche daher als Pol-
körperchen bezeichnet wurden. Schon J. Müller beschrieb dieselben
recht gut. Gewöhnlich finden sie sich nur in dem einen zugespitzten
Pol der Psorospermie, wo sie in Zwei-, Drei-, seltner Vier- und nach
Balbiani sogar zuweilen in Achtzahl liegen (vergl. die Figg.).
Ihre Gestalt ist gewöhnlich eine ovale mit einem etwas zugespitzten
Pol; ihre Lagerung eine solche, dass die zugespitzten Pole dem ver-
schmälerten Pol der Sporenschale, resp. der hier vorhandnen Oeffnung
dicht genähert sind. Als ein seltner Fall ist zu verzeichnen, dass bei
beiderseits zugespitzten Sporen auch jeder Pol mit ein oder zwei solchen
Polkörperchen ausgerüstet sein kann, wie dies von Leydig bei gewissen
Sporen aus dem Gallengang des Raja batis, von Lieberkühn u. A. bei
denen der Hechtharnblase aufgefunden wurde (15), Sehr interessant ist nun
der feinere Bau dieser Polkörperchen, welchen zuerst Balbiani kennen
lehrte. Er entdeckte in jedem der bläschenförmigen Polkörperchen einen
spiralförmig aufgerollten Faden, welcher das Innere des Bläschens voll-
ständig durchzog. Bei Einwirkung verschiedner Reagentien, wie kaustische
Alkalien und Glycerin, wird der Spiralfaden plötzlich hervorgeschnellt ;
er tritt dann, sich aufrollend, als ein anschnlicher Faden (bis zur 8-, ja
1Ofachen Länge des Psorosperms) aus der erwähnten Oeffnung der
Schalenhaut hervor (9).
Diese Beobachtung Balbiani’s haben später Bessels, Aim& Schneider
und schliesslich Bütschli bestätigt; letzterer fügte noch zu, dass die
Ausschnellung der Fäden auch durch Druck hervorgerufen wird, dann je-
doch häufig etwas unregelmässig erfolg. Auf Grund dieser Bauweise
und des Verhaltens der sogen. Polkapseln ergibt sich denn, dass dieselben
‚sich in jeder Hinsicht den Nesselkapseln der Coelenteraten anreihen und
daher füglich auch nur als solche betrachtet werden können. Die Richtig-
keit dieser Auffassung wird auch noch durch die Entwicklung, welche
die Polkapseln der Sporen zeigen, bestätigt. Bütschli hat hiervon einiges
beobachtet, woraus hervorzugehen scheint, dass der Faden zunächst
im ausgestülpten Zustand angelegt wird und sich erst nachträglich '
ins Innere der Kapsel zurückzieht. Obgleich ich früher aus meinen
Beobachtungen diesen Schluss nicht zog, scheint derselbe jetzt gerecht-
fertigt, da mittlerweile Jiekeli*) einen ‘solchen Entwicklungsgang für die
Nesselkapseln der Hydra sehr wahrscheinlich gemacht hat. Auf die eigen-
thümliehe Bedeutung, welche Balbiani diesen Fäden zuschreibt, werden wir
weiter unten noch zurückkommen, heben jedoch hier noch hervor, dass ihr
Hervortreten unter natürlichen Bedingungen bis jetzt noch nicht beobachtet
wurde.
Das tbrige Sporeninnere wird von einem meist sehr hellen, durch-
siehtigen, wenig körnigen Protoplasma erfüllt, von welchem die früheren
*) Siehe dessen Arbeit im „Morpholog. Jahrbuch‘ Bd. 8. p. 373,
600 Myxosporidia.
Beobachter meist gar nichts wahrgenommen haben, das jedoch Balbiani
durch die Einwirkung gerinnenmachender Reagentien nachwies,
Bei genauer Untersuchung der Sporen bemerkt man häufig sehr deut-
liche Anzeigen, dass auch die Polkapseln noch von einem zarten Ueber-
zug des plasmatischen Sporeninhalts theilweis überkleidet werden, wo-
durch sehr wahrscheinlich wird, dass sie nicht neben, sondern in dem
plasmatischen Sporeninhalt liegen, was übrigens auch schon nach ihrer
Entstehungsgeschichte zu erwarten war.
Wie schon bei der Betrachtung der Bildungsgeschichte der Sporen
angedeutet wurde, umschliesst der Sporeninhalt einen Zellkern, welchen
Bütschli zuerst beobachtete.
Ueber die weiteren Schieksale der Sporen haben sich bis jetzt nur
zwei Beobachter, Lieberkühn und Balbiani, jedoch in übereinstimmender
Weise ausgesprochen. Beide geben an, dass die Sporenschale schliess-
lich in die beiden Klappen aufspränge und der Protoplasmainhalt in Gestalt
eines kleinen, amöbenartig beweglichen Körperchens hervortrete (18b—c),
über dessen weitere Schicksale und seine eventuelle Entwicklung zur
ausgebildeten Myxosporidie bis jetzt noch nichts Sicheres ermittelt wurde,
wenn auch natürlich die Annahme sehr nahe liegt, dass dies einfach
durch Auswachsen der kleinen hervorgeschlüpften Amöbe geschehe. Nach
Lieberkühn soll das Ausschlüpfen des Sporeninhalts sogar schon inner-
halb der sogen. Myxosporidieneysten vor sich gehen, eine Erscheinung,
welcher ich nicht allgemeine Gültigkeit zuschreiben möchte.
Ueberhaupt kann ich einige Zweifel bezüglich eines so einfachen
Entwieklungsganges der Sporen nicht unterdrücken. Sporen, welche ich
lange Zeit in Wasser aufbewahrte, zeigten keine wesentliche Verände-
rung, namentlich auch kein Austreten des Inhalts in Amöbengestalt.
Weiterhin erscheint mir jedoch eine so einfache Weiterentwicklung der
Sporen namentlich deshalb etwas zweifelhaft, weil ich annehmen muss,
dass den eigenthümlichen Nesselkapseln doch irgend eine bis jetzt
noch unbekannte wichtige Bedeutung zukommen muss, wogegen sie
bei der Annahme eines so einfachen Entwicklungsganges wie eine Art
‘ Luxus erscheinen. Man könnte eventuell daran denken, dass die hervor-
schnellenden Fäden der Kapseln den Sporen zur Befestigung an anderen
Fischen oder auch an der Nahrung derselben dienten.
Hiermit wäre das Wichtigste unsres thatsächlichen Wissens von den
Myxosporidien erschöpft; es mögen sich hieran nun noch einige Bemer-
kungen über die Bedeutung, welche diesen Organismen von Seiten der
verschiednen Beobachter zugeschrieben wird, anreiben.
Bekanntlich hat zuerst Leydig eingehender auf ihre Beziehungen zu
den Gregariniden aufmerksam gemacht, gestützt auf die zuerst von ihm
etwas aufgeklärte Entstehungsgeschichte der Sporen in den plasmodien-
artigen Zuständen. Dieser Ansicht schloss sich dann später Lieberkühn
vollständig an und dieselbe blieb bis zur heutigen Zeit so ziemlich die
System. Stellung u. Verwandtschaftsbeziehungen. 601
verbreitetste. Es kann nun auch nicht geleugnet werden, dass mancherlei
für sie spricht, namentlich die Uebereinstimmungen, welche in der Bau-
weise der Sporen der Myxosporidien und derjenigen der Gregariniden zu
beobachten sind. Gestalt und Grössenverhältnisse, die Zweiklappigkeit,
welche auch bei gewissen Gregarinensporen (Adelea) gefunden wird,
weiterhin die eigenthümlichen Schwanzfüden, die sich ähnlich bei der
Monoeystideen-Gattung Urospora wiederfinden, sind in dieser Hinsicht zu
erwähnen. Dagegen lässt sich auch ein tiefgehender Unterschied zwischen |
den beiderlei Sporen nicht verkennen, welcher durch die allgemeine An-
wesenheit der Nesselkapseln bei den Myxosporidien bedingt wird. Be-
kanntlich hat sich in den Sporen der Gregarinidae bis jetzt nichts auf-
finden lassen, was mit Sicherheit diesen Polkapseln verglichen werden
könnte. Nur in den Sporen der Gattung Adelea beobachtete Schneider
zwei Körperchen, welche eine gewisse Aehnlichkeit mit den Polkapseln
zeigen, doch konnte bis jetzt eine wirkliche Uebereinstimmung mit den
letzteren keineswegs festgestellt werden. Auch die Entwicklung sichel-
förmiger Körperchen, die ja sonder Zweifel, speciell für die Monoeystideen,
sehr charakteristisch erscheint, liess sich bis jetzt bei den Myxosporidien-
sporen nirgends beobachten; doch glaube ich, dass hierauf vorerst nicht
zu viel Werth gelegt werden darf, da ja die bisherigen Untersuchungen
über das weitere Schieksal der Sporen gerade nicht sehr ausgedehnte
gewesen sind. Schwierigkeiten für die Begründung einer näheren Ver-
wandtschaft zwischen Gregariniden und Myxosporidien erwachsen weiter
noch daraus, dass sich auch der reife Zustand der letzteren, wegen mancherlei
Verschiedenheiten den ausgebildeten Gregariniden nicht ohne Weiteres
vergleichen lässt. Ein hüllenloser, deutlich amöboider, ja zuweilen baum-
förmig verästelter Protoplasmakörper bietet in der That keine rechten
Vergleichspunkte mit den echten Gregarinen dar, wozu sich dann weiter-
hin noch das Vorkommen zahlloser kleiner Zellkerne bei den Myxospori-
dien gesellt. Dennoch glaube ich, darf selbst diesen nicht unbeträcht-
lichen Abweichungen im Bau der erwachsenen Zustände der Myxosporidien
kein zu grosses Gewicht bei der Beurtheilung ihrer Beziehungen zu den
Gregariniden beigelegt werden. Die Charaktere derartiger einzelliger
Organismen sind im Ganzen so geringfügig, dass durch gewisse Ab-
weichungen in denselben die Uebereinstimmung, welche in den Fort-
pflanzungsverhältnissen sich finden, nicht in den Hintergrund gedrängt
werden kann. — Das Fehlen eines dem Eneystirungsprocess der Grega-
riniden vergleichbaren Vorgangs im Entwicklungskreis der Myxosporidien
besitzt vielleicbt nicht die Bedeutung, welche man anfänglich darin wohl
erblicken möchte, da es nach neueren Erfahrungen wahrscheinlich geworden
ist, dass auch gewisse Gregariniden ohne Eneystirung sporuliren. Auch
die Verschiedenheit in den Kernverhältnissen ist vielleicht mehr eine
scheinbare, da ja auch die Gregariniden, welche zahlreiche Sporen er-
zeugen, ohne Zweifel kurz vor dem Hervorknospen dieser Sporen eine
ungeheure Menge kleiner Kerne enthalten und es darf nicht vergessen
602 Myxosporidia,
werden, dass wir die Myxosporidien bis jetzt eigentlich nur während des
Sporulationsprocesses beobachtet haben.
Fernerhin ist jedoch heutzutage das Auftreten Jugendlicher amöben-
ähnlicher Zustände bei den Gregariniden nicht wohl zu bezweifeln, so
dass sich hieraus die Möglichkeit der Existenz verwandtschaftlicher Be-
ziehungen auch der erwachsenen plasmodienartigen Myxosporidien zu den
eigentlichen Gregariniden ergibt. Beide könnten sich wohl von gemeinsamen
Ursprungsformen aus, die schon durch gewisse charakteristische Fort-
pflanzungserscheinungen gekennzeichnet waren, entwickelt haben. Wäh-
rend die eigentlichen Gregariniden dann im Laufe ihrer phylogenetischen
Hervorbildung allmählich die sie jetzt bezeichnenden, bestimmteren Cha-
raktere entwickelten, verharıten dagegen die Myxosporidien auf einer
niederen, dem ursprünglichen Ausgangspunkt ähnlichen Entwicklungsstufe.
Es wäre sogar möglich, dass ein bis jetzt leider nur flüchtig von
Giard (83) beschriebner Organismus, seine sogen. Lithocystis Schneideri,
eine Art Mittelstufe zwischen Gregariniden und Myxosporidien einnimmt, da
er das plasmodienartige Wesen mit Erzeugung ähnlicher Sporen wie die
Myxosporidien, sowie der Hervorbildung sichelförmiger Keime in diesen
Sporen vereinigt. Leider ist jedoch, wie gesagt, die Lithoeystis noch nicht ein-
gehend beschrieben, so dass ihre Beurtheilung bis jetzt etwas schwer fällt*).
Aus dieser Erörterung dürfte schon hervorgehen, dass ich, bei dem
heutigen Stand unsrer Kenntnisse, nähere Beziehungen der Myxosporidien
zu den Gregarinen für nicht unwahrscheinlich halten muss, und in ihrer
Anreihung an die Gregarinida einstweilen die geeignetste Stellung er-
Bann welche wir dieser Gruppe geben können. Im Gegensatz zu einer
*) Es dürfte wohl hier die Gelegenheit sein, über diese Lithocystis, welche sich bis
jetzt weder den Coccidien noch den Myxosporidien mit Sicherheit anschliessen lässt, sondern
eine Art Mittelglied zwischen beiden zu sein scheint, kurz etwas näher zu berichten. Wie bei
den letzteren sind die Erzeuger der sogen. Psorospermiencysten der Lithocystis relativ an-
sehnliche, plasmodienartige Sarkodemassen, welche sich hauptsächlich auf der Oberfläche der
Schale in der Leibeshöhle des Echinocardium cordatum finden. Ihre Sarkode schliesst so grosse
Menge dunklen, körnigen Pigments ein, dass sie ganz schwarz erscheinen. Auf ihrer Ober-
fläche finden sich mehr oder weniger zahlreiche kuglige Cysten sehr verschiedner Grösse (bis
zu 2 Mm. Durchm.), welche in ihrem Innern einen hellen Fleck, der aus Krystallen besteht,
sowie zahlreiche Psorospermien (Sporen) wahrnehmen lassen. Die Sporen sind regelmässig
radial um das Öentrum gestellt und besitzen eine spindelförmige Gestalt mit zwei ansehnlich
langen nach dem Centrum gerichteten Schwanzfäden., Sämmtliche Fäden vereinigen sich im
Centrum der Oyste. In gewissen Cysten finden sich Mikro-, in anderen Makrosporen, welche
beide sich nur durch ihre Grössenverhältnisse von den normalen Sporen unterscheiden. Später
ordnen sich die Sporen zu zahlreichen kleinen Gruppen an, und die beiden Schwanzfäden jeder
Spore legen sich zur Bildung eines einfachen Fadens zusammen. Das Vorhandensein von
Polkörperchen wird nicht angegeben. Der Inhalt der Spore entwickelt 3—6 sichelförmige
Körperchen und einen Nucleus de reliquat. Der Krystallhaufen der Cysten zerfällt bei
ihrer Reife und soll zur Ausstreuung der Sporen beitragen, ähnlich wie das sogen. Capillitium
der Myxomycetensporangien. Die zahlreichen amöbenartigen Körperchen, welche man in der
Leibeshöhlenflüssigkeit des Echinocardium trifft, sollen wahrscheinlich in den Entwicklungs-
kreis der Lithocystis gehören. Durch ihre Verschmelzung bildeten sich die Plasmodien hervor,,
sie selbst jedoch lassen sich ableiten von den ausgeschlüpften sichelförmigen Körperchen.
/
Systemat. Stellung u. verwandtsch. Beziehungen. 603
derartigen Anschauung haben sich zwei französische Forscher, Robin und
Balbiani, dafür ausgesprochen: dass die Myxosporidien keine Beziehungen
zu den Gregariniden besässen und überhaupt nicht zu den thierischen
Wesen zu stellen seien, dass ihre Natur sie vielmehr entschieden in das
Pflanzenreich verweise. Wir haben an dieser Stelle nicht nochmals auf
die Beurtheilung der pflanzlichen oder thierischen Natur der Gregariniden
überhaupt zurückzukommen, da wir dieser Frage schon früher einige
Worte gewidmet haben, dagegen müssen wir einige der Punkte, welche
jedenfalls bei Balbiani’s Deutung der Myxosporidien sehr ins Gewicht
fielen, hier kurz hervorheben. Balbiani entwickelte nämlich auf Grund
seiner Beobachtungen eine sehr eigenthümliche Ansicht über den Fort-
pflanzungsvorgang der sogen. Psorospermien, welchen er, sowie ihre Ent-
wieklungsgeschichte genauer darzustellen versprach; doch hat er meines
Wissens hierüber keine ausführlichere Mittheilung veröffentlicht, so dass
wir seine Ideen nur aus den kurzen, schwer verständlichen Andeutungen,
welche er in seiner Arbeit macht, kennen lernten. Aus diesen scheint nun
hervorzugehen, dass er die Sporen unsrer Myxosporidien nicht etwa für
Fortpflanzungskörper eines sarkodinenartigen Organismus, sondern für
voll-entwickelte, selbstständige Wesen pflanzlicher Natur hält. Nach ihm
sollen sich die Psorospermien durch einen Conjugationsact fortpflanzen,
und zwar seien zu dessen Einleitung die früher beschriebnen Filamente
der Schalenklappen-Ränder bestimmt. Mittels derselben sollen sich
nämlich zwei Psorospermien aneinanderbeften .und während des ge-
sammten Fortpflanzungsactes in Berührung verweilen. Andrerseits scheint
er jedoch den Fortpflanzungsprocess der Psorospermien sogar als einen
geschlechtlichen anzusprechen, da er die oben näher beschriebnen, aus-
schnellbaren Fäden der Polkapseln den Antherozoidien der Cryptogamen
zu vergleichen sucht.
So interessant num auch die Balbiani’schen Beohachtungen über die
Bauverhältnisse der Myxosporidiensporen sind, so wenig können wir uns da-
gegen entschliessen, seinen Angaben über soleh eigenthümliche Fortpflanzungs-
verhältnisse derselben ohne genauere Darstellungen Vertrauen zu schenken.
Andre Gründe finden wir aber bei Balbiani nicht, mitwelchen Sich die Be-
hauptung der pflanzlichen Natur der Psorospermien unterstützen liesse.
In neuester Zeit bat sich R. Gabriel, dessen Ansicht über die Fort-
pflanzung und die verwandtschaftlichen Beziehungen der Gregariniden
schon früher besprochen wurden, dahin geäussert, dass die erwachsenen
Myxosporidien „böhere Phasen der Entwicklung von Myxomycetenplas-
modien repräsentirten“. Es steht diese Anschauung natürlich ganz im
Einklang mit seiner allgemeinen Auffassung der Gregariniden. Auch Giard
kam schon früher (1876) auf Grund seiner Beobachtungen über die Litho-
eystis Schneideri zu einer ähnlichen Vermuthung und erkennt gleichfalls
die nächsten Verwandten der Psorospermien in den Myxomyceten und
den Chytrideen.
604 Darcosporidia.
III. Sarcosporidia.
(Balbiani 1882.) *)
(Miescher'sche oder Rainey’sche Schläuche [Sarcocystis]**) und die parasitischen Schläuche
der Süsswassercerustaceen [Amöbidium Cienkowsky)).
T. 38. Figg. 23—29.
Noch unsicherer in ihrer Stellung und ihren möglichen Beziehungen
zu den Gregarinida erscheinen die sogen. parasitischen Schläuche, welche
Miescher (106) im Jahre 1843 zuerst in den quergestreiften Muskeln der
Hausmaus (Mus museulus) entdeckte. In der Folge wurden sie bald als
sehr häufige Schmarotzer der Säugethiere und gelegentlich auch der Vögel
erkannt. Da eine sichere Bestimmung der Natur dieser Organismen,
sowie gewisser, in mancher Hinsicht ähnlicher schlauchartiger Schma-
rotzer auf der äusseren Körperoberfläche kleiner Süsswasserarthro-
poden bis jetzt noch fehlt und da ihre Eigenthümlichkeiten noch am
meisten für ihre Einreihung in die Abtheilung der Sporozoa zu sprechen
scheinen, müssen wir hier noch eine kurze Darstellung dieser Sarcospo-
ridia anreihen.
Die parasitischen Schläuche der quergestreiften Säugethiermuskeln
(Sareoeystis) schmarotzen in den Muskelzellen (den sogen. Primitivbündeln)
selbst, sind also umschlossen von dem Sarcolemma, häufig sogar noch
von einer dünnen Hülle quergestreifter eontractiler Substanz, welch letztere
Je nach Grösse und Ausdehnung des Schlauches mehr oder minder zer-
stört ist (Fig. 28). Die Schläuche besitzen eine ziemlich dieke Cutieula und
schliessen grosse Massen sporenartiger, kleiner Körperehen ein. "Bevor
wir den Bau der Schläuche etwas näher ins Auge fassen, wollen wir uns
über ihr Vorkommen und ihre Verbreitung eingehender unterrichten. Am
häufigsten und wohl auch massenhaftesten findet man sie beim Haus-
schwein (jedoch auch dem wilden Schwein [Cohnheim] und dem Masken-
schwein [Pagenstecher, 115]), ja sie werden hier geradezu, so z. B. von
Ripping (114), als constant vorhandne Schmarotzer bezeichnet. Sie finden
sich beim Schwein zuweilen so massenhaft, dass die von ihnen dicht
durebsetzten Muskeln weiss gestrichelt erscheinen, ja Virchow (120) be-
*) Der Name „Sarcosporidia“ wurde von Balbiani in einer allgemeinen Darstellung der
>porozoa, deren erste Abschnitte, während des Drucks unsrer Bearbeitung dieser Gruppe, im
Journal de Micrographie, herausgeg. von Pelletan T. VI. 1882, erschienen, aufgestellt.
Der Name „Sarcocystis‘* wird zuerst von R. Lankester (97) gebraucht.
x
> Erz
EEE U
Sarcocystis (Vorkommen und Verbreitung). 605
richtet: einmal solches Schweinefleisch gesehen zu haben, dessen Masse
fast zur Hälfte aus parasitischen Schläuchen bestand.
Wie gesagt, sind die Sarcosporidien unter den Säugethieren noch
sehr weit verbreitet, und zwar sowohl bei domestieirten wie freilebenden.
Wie schon erwähnt, kennt man sie von der Maus und ebenso von der Ratte,
wo sie zahlreiche Beobachter häufig gefunden haben*); bei den dome-
stieirten Wiederkäuern, wie dem Rindvieb, Schafen, Ziegen sind sie häufig,
fehlen jedoch auch dem Pferd nicht (Perroneito 110, Siedamgrotzky 123) **).
Mehrfach beobachtet wurden sie weiterhin auch beim Reh (Hesslivg
[107], Manz [122]) und bei einem Affen (Inuus) von Ratzel (123). Beim
Menschen wurden dagegen unsre Schmarotzer bis jetzt durchaus vermisst.
Kühn (116) fand sie auch bei Hühnern und Rivolta (76, 38) hat auf das
Vorkommen ähnlicher Parasiten in der Submucosa des Darmes mehrerer
Vögel (der Haushühner, Schwarzamsel [Turdus merula|, des Raben ete.)
aufmerksam gemacht und es scheint auch, dass dieselben mit Recht den
parasitischen Schläuchen der Säugethiere an die Seite gesetzt werden.
Sämmtliche quergestreifte Muskeln des Körpers scheinen unter Um-
ständen von den Schläuchen infieirt werden zu können, jedoch lässt sich
nicht verkennen, dass gewisse Muskelpartien mit Vorliebe heimgesucht
werden. Manz fand sie hauptsächlich im Zwerchfell und den muskulösen
Bauchwandungen, dem Psoas und den Adductores femoris, recht häufig
sind sie weiterhin in den Augenmuskeln, der Zunge und den 'Thorax-
wänden. Auch das Herz wird vielfach von ihnen heimgesucht. Zürn (74)
hebt noch hervor, dass auch die quergestreifte Muskulatur des Schlundes,
des Larynx und Pharynx mit Vorliebe von ihnen befallen wird und
dass sie namentlich an diesen Orten für den Parasitenträger gefährlich
werden können, indem nach den Beobachtungen von Leisering, Dammann
und Niederhäusern (119, 121, 126) durch reichliche Infieirung dieser Par-
tien Respirationsbeschwerden, ja Erstickungsanfälle hervorgerufen werden
können. Sonst scheinen sie ziemlich harmloser Natur zu sein und ihre
Wohnthiere nicht besonders zu belästigen ***).
Die Grösse, welche unsre Gebilde erreichen, ist häufig eine recht
beträchtliche, so dass sie gewöhnlich schon mit blossem Auge wahr-
genommen werden können. Es finden sich jedoch meist Schläuche
sehr verschiedner Grösse gleichzeitig vor, da sie in den Muskelzellen all-
mählich heranwachsen. Durchschnittlich beträgt ihre Länge etwa 1—2 Mm.,
was jedoch nicht ausschliesst, dass sie an gewissen Orten auch unter
*) Beim Hasen soll sie v. Hardenberg gefunden haben (nach Ripping).
#*) Auch Cobbold (127, 129) will ähnliche Parasiten in den Mitralklappen eines Pferde-
herzens beobachtet haben, jedoch scheint aus seiner Mittheilung die Sarcosporidiennatur dieser
Gebilde nicht mit hinreichender Sicherheit hervorzugehen.
###) Gobbold (129) hat beträchtliche Quantitäten inficirten Rindfleisches olıne Nachtheil
genossen und spricht sich daher auch für die Harmlosigkeit dieser Parasiten aus, jedoch gibt
er nicht an, in welcher Zubereitung oder Form das Fleisch gegessen wurde.
606 Sarcosporidia.
1 Mm. zurückbleiben. Andrerseits wird jedoch auch vielfach von einer
noch beträchtlicheren Länge berichtet, so messen die des Affenmuskels
nach Ratzel bis 3 Mm., Virchow berichtet sogar von '/, Zoll langen bei
der Ratte und Manz von zwei Zoll langen bei dem Reh.
Die Gestalt der Schläuche ist entweder eine sehr lang gestreckte mit
beiderseits zugespitzten Enden, wobei ihre Breite gewöhnlich so gering
bleibt, dass die sie einschliessenden Muskelzellen nicht aufgetrieben
erscheinen (Fig. 28); oder sie sind kürzer und dicker, von mehr
ovaler Gestalt (Fig. 25), und dann übertrifft ihre Breite gewöhn-
lich die der normalen Muskelfaseın, so dass letztere von den ein-
geschlossnen Schläuchen bauchig aufgetrieben erscheinen. Letztre Bildung
sollen nach Beobachtungen Hessling’s und Rainey’s namentlich die
Schläuche der Herzmuskulatur und der Zunge zeigen. Nach Leuckart
sollen auch die nicht aufgetriebnen Muskelzellen mit schlanken Schläuchen
bei der Lösung ihrer Insertionen bauchig zusammenschnurren, — Die
Hüllmembran (Cutieula? Cystenhülle?) der Schläuche zeigt eine Reihe
eigenthümlicher Verhältnisse. Bei den kleinsten Schläuchen vermissten
Hessling und Rainey eine solche Hüllmembran, Rainey will sogar beob-
achtet haben, dass sich die Hülle zuerst in der Mittelregion des jungen
Schlauches bilde und erst nachträglich über die zugespitzten Enden aus-
dehne. Die Beschaffenheit der Membran wird von den verschiednen
Beobachtern etwas verschieden dargestellt. Zum Theil wird sie als eine
ganz einfache, structurlose Haut beschrieben (speciell auch bei den eben-
erwähnten jugendlichsten Schläuchen), andre Beobachter, so Pagenstecher
(beim Maskenschwein), schildern eine gerippte Beschaffenheit der Hüll-
haut durch schräg verlaufende Linien hervorgerufen und eine deutliche
Zähnelung des Raımdes; gewöhnlich wird jedoch angegeben, dass die
Aussenfläche der Haut dicht mit feinen borsten- oder haarartigen Gebilden
besetzt sei, welche einen, wenigstens äusserst häufig vorhandnen, allseitigen
Ueberzug bilden. Nach den Beobachtungen von Manz scheint es, dass
namentlich jugendliche, kleinere Schläuche diesen Borstenbesatz aufweisen,
während er bei den völlig erwachsenen seltner zur Beobachtung kommt,
— sei es, dass er bei diesen thatsächlich verloren geht — oder dass er
nur leichter abgestreift wird. Nach Manz soll nämlich der Besatz leicht
abgestreift werden. Aus dieser Angabe geht gleichzeitig hervor, dass
Manz unterhalb des Borstenbesatzes noch eine besondre, continuirliche,
zarte Haut annimmt, was in seiner Schilderung auch direet erwähnt wird.
Zuweilen tritt eine besondre Anordnungsweise dieses Borstenbesatzes her-
vor, wenigstens wird eine solehe von Rainey, dem ersten Beobachter der
Borsten, mit grosser Bestimmtheit beschrieben. Wäbrend nämlich die
Börstehen der Mittelregion senkrecht auf der Oberfläche des Schlauches
stehen, nehmen sie nach den Schlauchenden zu mehr und mehr eine
schiefe, der Mittelregion zugewendete Stellung an und die der äussersten
Enden laufen schliesslich der Schlauchaxe nahezu parallel. Jedenfalls
findet sich aber eine solehe Anordnung nicht allgemein, wenigstens
ur. a“
_ ur
Sarcoecystis (Bau). 607
zeichnet Mauz die Borsten allseitig deutlich senkrecht zur Oberfläche des.
Sehlauchkörpers.
Ueber die Natur und die Bedeutung des Borstenbesatzes sind sehr
verschiedne Ansichten geäussert worden. Rainey, welcher sich über seine
Natur keine rechten Vorstellungen machen konnte, erblickt in ihm ein
Bewegungsorgan, das den Schläuchen einmal bei ihrem Längenwachs-
thum innerhalb der Muskelzelle von Vortheil sei, andrerseits jedoch auch
bei ihrem von ihm angenommenen Auswandern aus den Muskel-
zellen eine Hauptrolle spiele. Rivolta (72) erkannte darin sogar
die starrgewordnen Cilien eines bewimperten Infusors, aus weleben die
Schläuche ursprünglich hervorgegangen seien. Als verfehlt muss auch die
von Virchow vertretne Ansicht betrachtet werden, welche den Borsten-
oder Stäbehenbesatz auf Reste der zu Grunde gegangnen contraetilen
Substanz der Muskelzelle zurückzuführen suchte. Auch Kühn hat sich
dieser Auffassung angeschlossen. Gegen letztere Deutung sprachen sich
namentlich Kraus, Leuckart und Manz aus, und die von Leuckart ver-
suchte Erklärung dürfte augenblicklich wohl als die natürlichste erscheinen.
Nach ihm soll die ziemlich dieke Schlauchhaut von zahlreichen, dicht-
stehenden Porenkanälen durehbohrt sein; er will solche intacte, poröse
Häute zuweilen beobachtet haben. Sehr gewöhnlich zerfalle jedoch die
Haut dureh Rissbildungen zwischen den benachbarten Porenkanälchen —
ähnlich wie bei den bekannten Cutieularsäumen der Darmepithelzellen
der Säugethiere — in einen solchen Stäbehen- oder Borstenbesatz. Wie
gesagt, scheint mir diese Deutung, welcher sich auch Manz im Wesent-
lichen angeschlossen hat, sehr wahrscheinlich, nur möchte ich vermuthen,
dass sich unterhalb der porösen und gewöhnlich in den Borstenbesatz
zerfallenden Haut noch eine continuirliche zusammenhängende Membran
oder doch eine nicht zerfallende Hautschicht finde, da das von Manz be-
schriebne Abstreifen des Borstenbesatzes doch wohl nur bei einer solehen
Annahme erklärt werden kann.
Der Inhalt der Schläuche ist auf jeder Grössenstufe ihrer Entwick-
lung im Wesentlichen stets derselbe. Er besteht aus einer schleimigen,
z. Th. auch als gallertig beschriebnen, wahrscheinlich also protoplasma-
tischen Grundmasse, in welche eine ungemein grosse Zahl sehr kleiner
protoplasmatischer Körperchen eingebettet sind, die wir hier als Keime
bezeichnen wollen. In die protoplasmatische Grundmasse sind meist noch
zahlreiche stark lichtbrechende, fettähnliche Körnchen eingebettet. Bei den
kleinsten, jugendlichsten Schläuchen fand Hessling die Keime ohne be-
sondere Gruppirung der Grundsubstanz eingelagert. Bei den grösseren
Schläuchen dagegen beobachtet man stets, dass die Keime zu Ballen oder
Gruppen, welche von einer sehr zarten Haut umschlossen werden, zu-
sammengelagert sind (Fig. 25). Da diese Keimballen (vielleicht als Sporen
zu bezeichnen) dicht zusammengepresst, das Schlauchinnre meist völlig er-
füllen (nur die beiden äussersten Schlauchspitzen bleiben zuweilen frei), so
608 Sarcosporidia.
platten sie sich gegenseitig polygonal ab. Beim Hervortreten aus dem
zerrissnen Schlauch nehmen sie dagegen kuglige Gestalt an.
Ueber die Entstehung der Keime hat man bis jetzt nur Weniges er-
mittelt. Dass die Bildung der Ballen oder Sporen der Entwicklung der
eigentlichen Keime vorhergehe, wie Leuckart anzunehmen geneigt scheint,
ist wenigstens vorerst, nach der angeführten Beobachtung von Hessling,
nicht sehr wahrscheinlich; das Einzige, was hinsichtlich der Sporen.
bildungsgeschichte bis jetzt mit Sicherheit ermittelt zu sein scheint, ist,
dass die jugendlichen Schläuche neben den ausgebildeten Keimen meist
zahlreiche rundliche, plasmatische, schwach granulirte Körperchen (welche
nach Manz auch einen Kern enthalten sollen) einschliessen. Diese rund-
lichen Körpercheu sind ohne Zweifel die jugendlichen Keime, wenn sich
auch ihre Umbildung zu den entwickelten wahrscheinlich nicht in der Weise
vollzieht, welche Manz geschildert hat. Nach ihm besitzen diese Körper-
chen nämlich auch eine sehr zarte Membran, innerhalb welcher sich nun
der protoplasmatische Inhalt zu einem nierenförmig gekrümmten Körper-
chen zusammenzieht, das schliesslich aus der Hülle hervorbreche und den
eigentlichen Keim darstelle. Ich vermuthe, wie angedeutet, dass diese
Darstellung nicht dem thatsächlichen Vorgang entspricht, sondern dass
Manz wahrscheinlich durch Einwirkung quellender Zusatzflüssigkeiten,
speciell Wasser, irregeleitet wurde.
Es unterliegt nun keiner Frage, dass der Keimbildungsprocess ge-
wissermaassen ein continuirlicher sein muss, da ja schon diegkleiüsten
Schläuebe Keime einschliessen und sich deren Zahl mit dem Wachsthum
des Schlauches stetig vermehrt. Ueber diese Neubildung
sind die Beobachter gleichfalls wenig sicher; Rainey ve
die zugespitzten Schlauchenden der Sitz der K ildums
diese erfüllenden plasmatischen Grundsubstanz n zuerst fettähn
u ee En welche sich Eee in 7 nierenförmigen
welchen Vorgang wir weiter unten noch zurückkomme
auch die Zahl der Keimballen in den heranwachsenden
vermehrt, bedarf hier kaum noch eines besonderen Hinw!
gebildeln Keime sind hüllenlose, plasmatische, etwas dunkle Kör perchen,
deren Gestalt ziemlich verschieden, am häufigsten jedoch ejne nieren- bis
halbmondförmige ist (Fig. 27). Daneben finden sich jedoch ‚auch ovale bis
längliche, sogar mehr oder weniger unregelmässige Keime, zuweilen sollen
auch einzelne wie tortirt erscheinen (Pagenstecher). Ihr Leibesprotoplasma
ist ziemlich homogen, enthält nur einige dunkle Körnchen, welche meist
in die Enden eingebettet sind. Gewöhnlich beoba@htet ‚man : Jedoch ein
bis zwei vacuolenartige helle Stellen in ihnen, die"tkeils mehr in der
Mitte, theils den Enden genähert liegen und die von I meisteh Beob-
achtern als Flüssigkeitstropfen beansprucht werden, wogegen sie Manz,
Sarcocystis (Entstehung u. Bau der Keime). 609
jedoch wahrscheinlich irrthümlich, für Kerne erklärt. Leuckart hebt so-
gar bervor, dass diese Vaeuolen sich erst nachträglich bilden, in ganz
frischen Keimen dagegen fehlen. Die Vermuthung liegt nahe, dass diese
vacuolenartigen Gebilde der Sareoeystiskeime den lichtbrechenden Körpern
entsprecben, welche in den sichelförmigen Keimen gewisser Coceidien beob-
achtet wurden. In diesem Sinne sprach sich denn auch R. Lankester
neuerdings aus (97). -
Die meisten Beobachter konnten keine Bewegung der Keime wahr-
nehmen, nur Virchow will sich überzeugt haben, „dass sie sich anfänglich
in der Flüssigkeit bewegen und ihre Gestalt durch Bildung von Hervor-
ragungen und Ausstülpungen ändern“, später jedoch sollen sie ruhig und
etwas runzelig werden. Auch Pagenstecher will träge Formveränderungen
derselben beobachtet haben. Es scheint aber active Beweglichkeit der
Keime bis jetzt kaum sichergestellt zu sein, womit jedoch nicht aus-
geschlossen sein soll, dass dieselben sich auf gewissen Lebensstadien
doch activ bewegen.
Nur ein einziger Beobachter, Pagenstecher, will beim Maskenschwein
neben den geschilderten Inhaltsgebilden der Schläuche noch anderweitige,
sehr eigenthümliche Körperchen beobachtet haben. Dieselben zeigten
einen spermatozo@nartigen Bau mit Köpfchen und Schwanzfaden, von
welchen das erstere höchstens !/,, des Durehmessers der Keime maass.
Sie bewegten sich lebhaft spermatozo@nartig und klebten häufig haufen-
weise mit den Köpfen zusammen. Es schien Pagenstecher möglich, dass
sie aus Zellen, welche sich zwischen den Keimen zerstreut fanden, ihren
Ursprung nähmen. Da von keinem der ührigen Beobachter etwas Aehn-
liches berichtet wird, scheint mir die Natur dieser Gebilde und ihre Zu-
gehörigkeit zu den Schläuchen sehr zweifelhaft *).
Ueber das weitere Schicksal der Keime ist bis jetzt durchaus nichts
bekannt. Nur wird, wie angedeutet, von Hessling und Manz behauptet,
dass sie sich innerhalb der Schläuche durch Theilung vermehrten. Diese
Angabe gründet sich auf die Beobachtung von Körperchen, welche eine
mittlere Einschnürung aufwiesen (Hessling) oder auf das Vorkommen von
Keimen, die paarweise noch mit ihren Enden zusammenhingen und sich ihre
'coneaven Seiten zukehrten (Manz, Fig. 26). Auch Andeutung von Theilung
der vermeintlichen Kerne will Manz gesehen haben. Mir scheinen diese
Beobachtungen jedoch keineswegs hinreichend, um eine Theilung wirk-
lich ausser Zweifel zu stellen.
Versuche, welche hinsichtlich der Infection und Uebertragbarkeit der
parasitischen Schläuche durch Verfütterung infieirten Fleisches von Leuckart
*) Es sei jedoch hier noch bemerkt, dass Dammann (121) bei dem Schaf einzelne Keime
mit fadenartigen Anhängen beobachtet haben will. Auch möchte ich noch nachtragen, dass
nach den Erfahrungen von Leisering und Dammann die reifen Schläuche in der Schlundmus-
kulatur des Schafes gewöhnlich zu ansehnlichen, bis Haselnussgrösse erreichenden Knoten zn-
sammenzufliessen scheinen, in welchen sich neben Unmassen von Keimen nur zuweilen noch
eine grössere oder kleinere Zahl erhaltener Schläuche finden,
Bronn, Klassen des Thier-Reichs. Protozon. 39
610 Sarcosporidia.
und Manz angestellt wurden, haben ein fast durchaus negatives Resultat
ergeben *). Manz sah sogar die Schläuche unter dem Einfluss des Magen-
saftes der Zerstörung anheimfallen. Auch Virchow spricht sich gegen ihre
direete Uebertragbarkeit aus und hiermit harmonirt denn auch die That-
sache, dass sich das infieirte Fleisch für den Menschen ganz unschäd-
lich erweist.
Manz versuchte die Keime auch unter anderen Bedingungen (so in
feuchter Erde, Zuckerwasser ete.) einer weiteren Entwicklung entgegen-
zuführen, aber ohne jeden Erfolg. Wir sind demnach bis jetzt über die
eigentliche Entwicklungsgeschichte unsrer parasitischen Gebilde und die
Art der Infeetion gänzlich im Unklaren und es erscheint deshalb auch
erklärlich, dass nicht nur frühere Beobachter zu sehr irrthümlichen Vor-
stellungen über die Natur und die Bedeutung der Schläuche gelangen
konnten, sondern dass auch ihre verwandtschaftlichen Beziehungen bis
jetzt noch durchaus dunkel blieben. Miescher schwankte hinsichtlich
ihrer Auffassung als parasitische oder durch pathologische Umbildung
des Muskelgewebes entstandne Gebilde, während sich Hessling auf Grund
seiner Beobachtung über die allmähliche Entwicklung der Schläuche der
letzteren Ansicht zuneigte**). Siebold (bei Hessling, 107) sprach sich
gleichzeitig für ihre parasitische Natur aus und glaubt sie speciell den
schimmelartigen Endophyten zurechnen zu sollen. Ganz eigenthümlich
waren die irıthümlichen Vorstellungen, welche sich Rainey von der Be-
deutung unsrer Organismen bildete. Da er ihnen bei seinen Unter-
suchungen über die Entwieklung der Cysticerken im Schweinefleisch
häufig begegnete, glaubte er, wie dies in ähnlichen Fällen ja schon häufig
geschah, sie in den Entwieklungskreis der Finnen ziehen zu müssen.
Nach ihm sollten die Schläuche die ersten Entwicklungsstufen der Cysti-
cerken darstellen, welche später aus den Muskelzellen hervorbrächen und
sich zwischen denselben zu den Blasenwürmern weiterbildeten. Es ist
hauptsächlich das Verdienst Leuckart’s (113), diese falsche Auffassung
widerlegt zu haben. Mit mehr oder weniger Bestimmtheit haben sich für
die pflanzliche Natur der Sarcoeystis noch ausgesprochen: Virchow (117),
Pagenstecher (115), gelegentlich auch Leuckart***) und namentlich Kühn
(116). Letztrer Beobachter findet eine grosse Uebereinstimmung zwischen
ihnen und den Chytrideen, hauptsächlich der Gattung Synehytrium
(de Bary), und will sie daher als Synehytrium Miescherianum direet den
Chytrideen zurechnen. Auch Zürn (74) hat sich für ihre Chytrideenähn-
lichkeit ausgesprochen.
*) Ein angeblich gelungner Versuch der Uebertragung auf das Schwein, welchen Leuckart
(113) früher aufführte, kann, wie er auch jetzt (92) hervorhebt, wohl auf andrem Wege, schon
durch die ungemeine Häufigkeit der Schläuche beim Schwein, erklärt werden. y
*#*) Der eigenthümlichen Ansicht Rolofl’s, welcher die Schläuche als Ansammlungen aus-
gewanderter weisser Blutkörperchen betrachtet, die sich mit einer Hülle umkleidet hätten, soll
hier nur kurz gedacht werden.
'##) Jahresber. über niedere Thiere £. d. J. 1863, Arch. f. Naturgesch. 1865. Bd. II.
LU U 14 50 sul CE un ui
Sarcoeystis (Verwandschaftl. Beziehungen). Amöbidium, 611
Von den Vertheidigern ihrer thierischen Natur erwähnen wir hier zu-
nächst Rivolta (72), der sie früher, wie die Coceidien, von eingewanderten
eiliaten Infusorien ableitete, deren Keimkörner die geschilderten Keime
seien. Endlich haben wir die für uns wichtigste Auffassung derselben
als den Gregariniden verwandte Organismen kurz zu betrachten, Diese
Ansicht wurde wohl zuerst von Leuckart 1852 (21) ausgesprochen und
seither vielfach adoptirt; von den- speciellen Beobachtern der Schläuche
hat sich ihr namentlich Ripping (114) angeschlossen.
Es ist nicht zu leugnen, dass die Keime der Sarcocystis eine gewisse
Aehnlichkeit mit den sichel- oder stäbchenförmigen Keimen der Gregari-
nida besitzen, jedoch dürtte dies allein nicht ausreichen, eine nähere Be-
ziehung fest zu begründen und müssen wir daher einstweilen die Frage
nach dem systematischen Anschluss der besprochnen Organismen als eine
noch offne bezeichnen, welche nur auf Grund einer genaueren Bekanntschaft
mit ihren Entwicklungserscheinungen gelöst werden dürfte.
Durch die Besprechung der Sareoceystis an diesem Orte haben wir
übrigens schon genügend angedeutet, dass wir eine nähere Verwandtschaft
derselben mit den Sporozo@n nicht für unwahrscheinlich erachten.
Zum Schluss nun noch einige Worte über die sogen. parasitischen
Schläuche der Crustaceen. Es sind dies mikroskopische Gebilde, welche
sich auf kleinen Süsswassererustaceen (Gammarus, Asellus) und Insecten-
larven (Phryganeen, Mücken), jedoch auch wohl anderen Objeeten (so
z. B. Epistylisstöckchen nach Lieberkühn) befestigt finden *). Zuerst hat
sie Lieberkühn 1856 (105) genauer studirt**) und seine Angaben wurden
dann von Schenk (110) und Cienkowsky (112) z. Th. bestätigt, z. Th.
erweitert, so dass die Naturgeschichte dieser Organismen, welchen Cien-
kowsky den Namen Amoebidium parasiticum gab, jetzt ziemlich er-
mittelt scheint.
Die Amöbidien sind bis zu 0,05 Mm. lange, schlanke schlauchförmige
Gebilde, welche meist mit. einer etwas stielförmig abgesetzten, verschmä-
lerten Basis, die sich jedoch an der Anheftungsstelle wieder etwas scheiben-
förmig verbreitert, befestigt sind (29a—c). Ihre Gestalt bietet ziemliche Varia-
tionen dar, von rein schlauchförmiger, eylindrischer, mit abgerundetem freien
Ende bis zu mehr spindelförmiger, mit beiderseits zugespitzten Enden;
auch treten keulenförmige Gestalten auf, indem das basale Ende sich
verschmälert; das freie Ende dagegen ist zuweilen hakenförmig einge-
krümmt. Die Schlauchmembran ist sehr dünn und zart und zeigt nach
Schenk nicht die Reactionen der Cellulose. Der Inhalt besteht aus einem
*) Namentlich die Kiemen von Gammarus, Asellus und der Phryganidenlarven, andrer-
seits aber auch die Schwimmborsten der Beine von Gammarus sind von ihnen besetzt. Es
scheint daher, dass sie Orte regen Wasserwechsels vorzugsweise aufsuchen.
*#*, Öb die von Lachmann 1859 auf den Beinen von Gammarus gefundnen schlauchför-
migen Gebilde, welche er nur sehr flüchtig beschrieb, hierherzurechnen sind, scheint mir sehr
unsicher.
3)
612 Sarcosporidia.
ziemlich lichten Protoplasma, das feine, dunkle Körnchen in mässiger
Zahl einschliesst und wenigstens in den erwachsenen Schläuchen zahl-
reiche, in ziemlich regelmässigen Abständen aufeinanderfolgende, kleine
Zellkerne enthält (29a). Die Zahl dieser Kerne vermehrt sich mit dem all-
mählichen Wachsthum des Schlauches, wie schon daraus hervorgeht, dass
die jugendlichsten Amöbidien, deren Entwicklung gleich zu schildern sein
wird, gewöhnlich nur einen einzigen Kern enthalten. Grosse, erwachsene
Schläuche zeigen nach Cienkowsky meist auch eine reichliche Vaeuoli-
sirung, so dass ihr Plasma eine schaumige Beschaffenheit annimmt. Auf
sehr verschiednen Stufen des Wachsthums, wie es scheint, tritt ein Fort-
pflanzungsprocess in der Weise ein, dass der plasmatische Inbalt in
eine je nach der Grösse des Schlauches sehr verschiedne Zahl spindel-
bis schlauchförmiger Körper zerfällt (29b), welche aus den Mutterschläuchen
hervortreten und nun entweder direct wieder zu neuen Amöbidien aus-
wachsen oder eine Zertheilung ihres Plasmainhalts zu kleinen Amöben
erfahren, wie sie auch die Mutterschläuche zu andern Zeiten zeigen. Da
häufig nur ein Theil dieser jugendlichen Schläuche aus dem Amöbidium
völlig heraustritt, ein Theil derselben dagegen mit ihrem einen Ende
in dem zusammengeschrumpften Mutterschlauch sitzend zu reifen Amöbi-
dien auswächst, so trifft man auch zuweilen auf federbuschartige Gebilde,
welehe eben dadurch entstanden sind, dass aus einem entleerten Mutter-
schlauch eine ganze Anzahl Schläuche hervorwachsen.
Der angedeutete Zerfall des Plasmainhalts der spindelförmigen Jugend-
formen zu kleinen Amöben findet entweder erst nach dem Austritt aus
dem Mutterschlauch statt oder aber auch zuweilen schon vor der Ent-
leerung. Der Inhalt der Spindeln theilt sich, nachdem die Zahl der Kerne
sich entsprechend vermehrt hat, in zwei oder vier Portionen, welche
schliesslich in Form kleiner Amöben die Spindelhülle verlassen und im
Falle diese noch von dem Mutterschlauch umschlossen sein sollte, auch
diesen. Jedoch kann zuweilen auch der Inhalt einer Spindel ungetheilt
in Amöbengestalt hervortreten.
Zu gewissen Zeiten zeigen nun, wie erwähnt, auch die Mutterschläuche
direet einen Zerfall ihres Plasmas in zahlreiche ähnliche kleine Amöben
(Zoosporen, Cienkowsky) (29e). Ihrer Bildung geht nach Cienkowsky eine
Kernvermehrung voraus, worauf der Inhalt des Amöbidiums entweder
durch simultane Quertheilungen oder Theilungen nach allen Richtungen
des Raumes, in zahlreiche kleine Stücke zerfällt, von welchen jedes
einen Kern und einen Antheil der dunklen Körnehenpartien des Mutter-
plasmas umschliesst. Schon innerhalb des Mutterschlauches beginnen diese
kleinen Theilstücke ihre amöboiden Bewegungen und treten schliesslich
an beliebigen Stellen aus dessen Hülle hervor. Ihre Bewegungen ver-
laufen ziemlich einfach, mit Bildung eines oder weniger stumpfabgerundeter
Fortsätze (29d). Eine eontractile Vacuole fehlt ihnen, auch liessen sie sich
nicht zur Nahrungsaufnahme bewegen. Schon nach wenigen Stunden
sehen sie in Ruhezustände ber, die nach Cienkowsky’s Erfahrung zweier-
Amöbidium (Fortpflanzung u, verwandtschaftl. Beziehungen). 613
lei Art sein können. Entweder bilden sich rundliebe bis ovale, von einer
sehr zarten Hüllhaut umschlossne Cysten (29e), welche in wenigen Tagen einen
Zerfall ihres Protoplasma-Inhalts in eine ziemliche Zabl spindelförmiger Kör-
perchen aufweisen, welche ganz den früher beschriebnen, im Mutterschlauch
direct entwickelten, jugendlichen Amöbidien gleichen (29f—g), oder die beweg-
liche Zoospore kugelt sich unter Ausscheidung einer diekeren Hülle ein und
geht in einen längere Zeit ruhenden Zustand über (29h). Auch diese Ruhe-
zustände jedoch machen nach einiger Zeit gewöhnlich denselben Ent-
wieklungsprocess durch, wie die zuerst erwähnten, indem unter allmäblicher
Verdünnung und Ausdehnung der Hülle der Inhalt in zahlreiche jugendliche
Amöbidien zerfällt (291). Andrerseits kann aber auch der Inhalt zunächst
umschlossen von einer zarten Hülle, aus der dieken Üystenmembran aus-
treten und der Zerfall in jugendliche Amöbidien erst nachträglich statt-
finden. In der kurz geschilderten Entwicklungsgesehichte unsrer Schläuche
bleibt bis jetzt namentlich noch ein Punkt ziemlich unklar, nämlich die Art
und Weise, wie sich die jugendlichen, aus den sogen. Zoosporen (Amöben)
hervorgehenden Amöbidien (29k—]) wieder auf den Wohnthieren an-
siedeln. Es ist zwar wahrscheinlich, dass dies einfach durch Festheftung
und weiteres Wachsthum geschieht, was deshalb noch natürlicher er-
scheinen dürfte, weil die amöboid beweglichen sogen. Zoosporen sich
unter natürlichen Bedingungen wohl kaum von ihren Wohntbieren ent-
fernen — oder doch vor dem Uebergang in den Ruhezustand ein neues
Wohnthier aufsuchen werden.
Was schliesslich die allgemeine Bedeutung und Auffassung der Amö-
bidien betrifft, so betonte Lieberkühn, ihr Entdecker, ihre Beziehungen
zu den sogen. Psorospermien, indem er die im Mutterschlauch gebil-
deten Spindeln direet den Psorospermien (d. h. den Sporen der Coe-
cidien) verglich, womit denn nach seiner Auffassung auch das Hervor-
gehen von kleinen Amöben aus diesen Psorospermien aufs Beste harmo-
nirte. Gegen diese Auffassung der Schläuche sprach sich namentlich Cien-
kowsky aus, während Schenk über ihre Natur, speciell ob thierisch oder
pflanzlich, kein bestimmtes Urtheil zu fällen wagte. Cienkowsky dagegen
betont ihre pflanzliche Natur mit grosser Entschiedenheit und spricht sich
für ihre Zurechnung ‚zur Klasse der niederen Algen oder Pilze“ aus.
Wenn wir jedoch auch mit dem russischen Forscher darin völlig harmo-
niren, dass bewegliche Zustände im Entwicklungskreis eines Organismus
durchaus nicht seine thierische Natur zu erweisen vermögen, sondern auch
recht häufig bei pflanzlichen Organismen anzutreffen sind, so ist doch
durch dieses Zugeständniss noch nichts Bestimmtes über die specielle
Stellung der Amöbidien bei dem einen oder dem andern der beiden grossen
Reiche ermittelt und weitere Gründe vermissen wir bei Cienkowsky völlig.
Durch seinen unbestimmten Ausspruch, dass die Amöbidien der Klasse (!)
der niederen Algen oder Pilze zugerechnet werden missen, scheint er
uns zu verrathen, dass er nicht in der Lage ist, die Amöbidien nach Bau
und Entwicklung direet einer der bekannten pflanzlichen Formen näher
614 Sarcosporidia.
anzuschliessen und daher erscheint uns denn auch der sehr bestimmt ge-
haltene Ausspruch über die verwandtschaftlichen Beziehungen unsrer For-
men durchaus nicht so sehr überzeugend.
Unsrer Auffassung nach lässt sich, soweit die jetzigen Erfahrungen
reichen, eine gewisse Aehnlichkeit der Entwicklungserscheinungen der
Amöbidien mit den Gregariniden nicht wohl leugnen. In dieser Hinsicht
sind namentlich die sich entwickelnden eneystirten Zoosporen von Inter-
esse. Dieselben gleichen mit den in ihnen sich entwickelnden jugendlichen
Spindeln recht auffallend den Sporen der Gregariniden, in welchen sichel-
oder stäbchenförmige Keime zur Ausbildung gelangten. Auch ist die
Aehnlichkeit der jungen Amöbidienspindeln mit den sichelförmigen Keimen
der Gregariniden nicht gering, abgesehen von dem Mangel der Bewegungs-
erscheinungen bei ersteren, welche jedoch bis jetzt auch nur bei einem
Theil der sichelförmigen Keime constatirt werden konnten. Wenn daher
diese Vergleichung einigen Anspruch auf Richtigkeit besitzt, so hätten
wir die eneystirten Ruhezustände der Amöbidienzoosporen den Sporen der
Gregariniden zu vergleichen und die wesentlichste Abweichung der beiderlei
Organismen läge darin, dass die Sporoblasten der Gregariniden sich schon
innerhalb der Muttereyste encystiren und weiterentwickeln, während die
Amöbidiensporen zunächst im nackten, amöbenförmigen Zustand aus-
wandern und sich hierauf einzeln encystiren und weiter entwickeln. Es
darf jedoch andrerseits nicht verkannt werden, dass die Amöbidien in Bau
und Entwicklung auch nicht unwichtige Differenzen von den Gregariniden
aufweisen, ganz abgesehen von ihrer ectoparasitischen Lebensweise, die
eine Ernährung auf Kosten des Wohntbieres (welche übrigens Cienkowsky
anzunehmen scheint) sehr unwahrscheinlich “macht. Namentlich ist die
Vermehrung der Amöbidien durch einfache Theilung des Schlauchinhalts
eine Erscheinung, welche bis jetzt bei den Gregariniden kein Analogon
besitzt. Wir sehen uns daher für jetzt noch ausser Stand, eine sichere
Entscheidung über die wahre Stellung der Amöbidien in der Organismen-
welt zu fällen.
Anhang zu den Sarcosporidia.
Von einigen Forschern, namentlich Leydig und Balbiani, werden zu den Sporozo@n noch
gewisse parasitische Organismen gezogen, welche hauptsächlich bei den Arthropoden eine zu-
weilen sehr verheerende Entwicklung erlangen *).
*) Die Zahl der Schriften, welche sich indirect mit unseren Organismen, d.h. der ohne
Zweifel von ihnen erzeugten Krankheit der Seidenraupe, beschäftigt, ist eine sehr grosse. Ver-
hältnissmässig nur wenige behandeln jedoch die uns hier interessirenden Organismen selber.
Die wichtigsten derselben dürften folgende sein, in welchen man den Hinweis auf weitere
finden wird:
Lebert, H., Ueber die gegenwärtig herrschende Krankheit des Insects der Seide, in: Jahres-
bericht über die Wirksamk. des Vereins zur Beförderung des Seidenbaues f. die Pro-
vinz Brandenburg i. J. 1856—57 p. 16 ff.; zum grössten Theil abgedruckt in: Berliner
entomologische Zeitschrift 2. Jahrg. 1858. p. 148—186. 6 Taf. (darin auch die An-
up
In, VRRRDE,
n. TREE
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welche die Seidenkultur in erschreckendem Maasse heimgesucht hat. Balbiani stellt diese
Anhang. 615
Am bekanntesten sind dieselben von dem Seidenspinner (Bombyx Mori) und erzeugen
hier die unter dem Namen Gattine (Italien) oder P£prine (Frankreich) bekannte Krankheit,
Organismen unter dem Namen ‚‚Psorospermien der Articulaten“ oder „Peprinekörperchen“ zu
den Sporozoön. Die bis jetzt vorliegenden Ermittlungen über ihre Natur, scheinen mir abe,
keineswegs ausreichend zur Begründung ihrer Verwandtschaft mit den Sporozoön, vielmehr
halte ich es mit einer Reihe anderer Beobachter für wahrscheinlicher, dass sie pflanzlicher
Natur sind. Schon Nägeli erklärte sie seiner Zeit für Schizomyceten und nannte sie Nosema
Bombyeis; später stellte Lebert, welchem dieser Name nicht bezeichnend genug schien, den
neuen „Panhystophyton oyatum‘‘ auf. Nach den allgemeinen Regeln der Namengebung wäre
natürlich der Nägeli'sche Name festzuhalten. Es hat übrigens nicht an Beobachtern gefehlt,
welche den Peprinekörperchen die Organismennatur absprachen und sie für pathologische Er-
zeugnisse des kranken Thierkörpers erklärten. s
Wir wollen uns daher hier nur ganz kurz über ihre Natur orientiren. Die Pebrine-
körperchen sind sehr kleine*), gewöhnlich etwas ovale bis spindelförmige Gebilde, von meist
ganz homogenem Aussehen und ziemlich starker Lichtbrechung Der Nachweis einer beson-
deren Hülle ist den Beobachtern bis jetzt nicht hinreichend sicher gelungen, wiewohl einige,
so Leydig. bei den Körperchen der Seidenraupe eine Hülle gesehen haben wollen. Bei
diesen sieht man gewöhnlich eine zarte Längslinie zwischen den beiden Polen hinziehen. eine
Eigenthümlichkeit, welche Balbiani ohne Zweifel von der Anwesenheit einer zweiklappigen
Hülle, ähnlich der der Sporen der Myxosporidien, herzuleiten sucht. Gegen schwache
Säuren oder kaustische Alkalien erweisen sich die Körperchen recht widerstandsfähig; von
concentrirten Säuren werden sie dagegen zerstört. Ueber ihr Vorkommen können wir kurz
Folgendes berichten. Sie scheinen unter Umständen im gesammten Körper der befallnen
Thiere aufzutreten und ebenso auf jeder Altersstufe, so bei der Seidenraupe schon im Ei. —
Man findet sie entweder frei in der Leibeshöhlenflüssigkeit, im Darminhalt wie auch den
Lumina andrer Organe (Geschlechtsorgane, Drüsen etc.) oder aber in den Geweben und zwar
scheinen sie hier stets (oder doch vorwiegend) im Innern der Zellen ihren Sitz zu haben.
So begegnet man ihnen in den Epithelzellen des Darms, wie der Drüsen (Malpighi’sche
Gefässe, Spinndrüsen etc), in den Muskelzellen, Fettkörperzellen, im Bauchmark, den
Nerven etc. Ebenso ist ihre Verbreitung unter den Arthropoden eine sehr weite. Am
häufigsten studirt wurden sie, wie bemerkt, bei Bombyx, finden sich jedoch auch bei anderen
Schmetterlingen, resp. deren Raupen (so Gastropacha nach Balbiani, Zygaena nach Leydig
und es scheint, dass die Peprinekrankheit auch sonst unter den Raupen verbreitet ist). Bei
einem Käfer (Emus) beobachtete sie Lebert. Bei Tipula, Apis und Coccus fand sie Leydig.
Derselbe Forscher konnte sie weiterhin bei Araneinen und Daphniden häufig nachweisen,
welche Erfahrung Balbiani bestätigte. Leydig rechnet weiter die von Munk in den Ge-
schlechtsorganen von Ascaris mystax beobachteten Körperchen hierher.
sichten Nägeli’s); siehe auch Früheres von Frey und Lebert in: Vierteljahrsschrift der
naturforsch. Gesellsch. in Zürich. IV. Heft. 1856.
Leydig, Fr., Der Parasit in der neuen Krankheit der Seidenraupe noch einmal. Müller's
Arch. f. Anatomie u. Phys. 1863. p. 186—192.
Balbiani, Recherches sur les corpuscules de la p@brine. Journ. anat. et physiol. T. III. Paris
1866. p. 599—607 ; Etudes sur la maladie psorospermique des vers A soie. Ibid. T. IV.
1867. p. 263— 276. T. XII. und Note aditionelle au M&m. s la maladie psorospermique,
ibid. p. 329—336.
Pasteur, in: Gompt. rend. Acad, sc. Paris. T. 64. p. 835, 1109 u. 1113. 1867.
Die grossen Arbeiten von A de Quatrefages, Etudes sur les maladies actuelles du
ver & soie, M&m. Acad. sciences instit.-imper. d. France, T. XXX. 1860. p. 1—382. 6 Taf.
und Nouvelles recherches s. les maladies act, etc. ibid. p. 521—640 enthalten sehr wenig über
unsre Organismen.
*) Die Länge der Körperchen der Seidenraupe beträgt gewöhnlich 0,004 Mm., andere,
so z. B. die von Cocens, werden etwas grösser (bis 0,008, Leydig).
Fed)
616 Sarcosporidia.
Von besonderer Wichtigkeit für die Beurtheilung der Natur der Peprinekörperchen
natürlich ihre Fortpflanzungs- und Entwicklungsgeschichte erscheinen. Ueber diese haben
nun die verschiednen Beobachter nicht zu einigen vermocht. Während die einen, wie Le
und Frey, Nägeli und Pasteur, ihre Vermehrung durch Quertheilung ähnlich den Schizomye
beobachtet haben wollen, erklären dagegen die anderen theils, dass sie eine Thheilung hic
beobachten konnten, so Chavannes, Genzke, Balbiani, theils dass sich eine ganz besondere
Vermehrungsart finde. Letztere Ansicht hat Balbiani aus seinen Beobachtungen abgelckkt ;
nach ihm sollen die Körperchen einen Vermehrungsprocess darbieten, welcher sich dem ®er
Myxosporidien am nächsten anschliesse. Der Verlauf dieses Fortpflanzungsactes sei folge
Das Körperchen verliert sein starkes Lichtbrechungsvermögen, wächst und in se
Innern tritt ein vacuolenartiges Gebilde auf. Das Wachsthum dauert fort, so dass das Kör- |
perchen schliesslich zu einem aus homogener durchsichtiger Substanz bestehenden Kügelchen E
oder länglichen Klümpchen wird, in dessen Inneren zunächst feine Granulationen, hierauf
blasse runde, kernähnliche Körperchen in grosser Zahl auftreten, welche sich schliesslich zu
zu gewöhnlichen Pebrinekörperchen umgestalten. In dieser Weise sollen also bei diesem Fort-
pflanzungsprocess aus einem Körperchen eine sehr grosse Zahl neuer hervorgehen.
In den noch nicht ausgereiften Körperchen findet man gewöhnlich einen oder zwei
vacuolenartige, helle Flecken, über deren Kernnatur Balbiani zweifelhaft ist. Andre Forscher,
wie z. B. Pasteur, hielten sie für sichere Zellkerne. Auf diesem Stadium ihrer Entwicklung
bieten die Körperchen, wie ich glaube, eine gewisse Aehnlichkeit mit den Keimen der Sarco-
cystis dar, überhaupt scheinen mir viel eher Beziehungen zu den Sarcosporidien wie zu den
Myxosporidien möglich, wenn man an der Verwandtschaft der Pebrinekörperchen mit den
Sporozoa festhalten möchte.
Wie gesagt, scheinen mir jedoch die vorliegenden Beobachtungen keineswegs ausreichend
zur: Begründung einer solchen Verwandtschaft; ich halte es für wohl möglich, dass die
Nägeli'sche Ansicht, welche die Pebrinekörperchen zu den Schizomyceten verwies, das rich-
tige getroffen hat.
Erklärung von Tafel 1.
Protomyxa aurantiaca Häck.
Eine ausgewachsene Protomyxa im üppigsten Futterzustande, nach sehr reichlicher
Nahrungsaufnahme. Im Protoplasmaleib zahlreiche Vacuolen (v), die sich bis in
die grösseren Pseudopodien hinein erstrecken. Oben hat derselbe zwei Isthmien,
unten drei Kieselschalen von pelagischen Tintinnoiden (Dietyocysta Häck.) aufge-
nommen. Einige Pseudopodien haben ein Ceratium erfasst und umfliessen es. Vergr.
etwa 110.
Eine Cyste: der Protoplasmainhalt hat sich von der Innenseite der Gallerthülle
zurückgezogen und eine helle Flüssigkeit ausgeschieden. Er beginnt in zahlreiche
kleine Kugeln zu zerfallen. Vergr. 150.
Eine birnförmige Schwärmspore nach ihrem Austritt aus der Cyste. Vergr. 190.
Eine Schwärmspore, welche die Geissel eingezogen und statt deren eine Anzahl
spitze Pseudopodien hervorgestreckt hat. Vergr. 190.
Schematische Darstellung der Coccolithen von Coccosphaera Carterii Wall,
(nach Wallich).
Ein Coccolith im Längsschnitt zur Erläuterung des Bildes, das derselbe von der
Fläche betrachtet (2b) bietet. Das Bild der sogen. Centralkörner Häckel’s soll durch
grübchenförmige Einsenkungen (a) in der Mittelgegend hervorgerufen werden. Das
sogen. Markfeld Häckel’s ist der optische Ausdruck des Stieles (b) in der Flächen-
ansicht; der Markring Häckel’s ist der entsprechende Ausdruck der verbreiterten
Basis des Stiels (c) und der Körnerring Häckel’s die radiär-gestreifte Scheibe (d).
Discolithen und Cyatholithen nach Häckel.
3a—b. Optische Längsschnitte von Discolithen.
3c—d. Solche von Cyatholithen.
3e—g. Verschiedene Entwickelungszustände kreisrunder Discolithen von der Fläche gesehen,
Fig.
1a—.c.
1a.
1b.
die:
1d.
2a—h.
2a.
3a—i.
3h.
3i.
4a—d.
5a—l.
Da,
5b.
Elliptischer Discolith von der Fläche gesehen.
Elliptischer Discolith von der Fläche gesehen, mit theilweis erhaltenem Aussenring.
Verschiedene Ausbildungszustände von Rhabdolithen nach OÖ. Schmidt,
Verschiedene von Harting künstlich aus Lösungen von Kalksalzen unter Zusatz
organischer Stoffe erzeugte Kalkkörper, zum Vergleich mit den Coccolithen.
Kalkkörper aus Ochsengalle bei Zusatz von CaCl, und NaHO0,.
Kalkkörper aus zerriebenen Austerkörpern unter Zusatz von CaÜl, und NaHCO,.
5ec—d. Kalkkörper, erhalten aus einem Gemisch von Eiweiss und Kalkwasser.
6. Coccosphaera pelagica Wall. nach Wallich.
7. Rhabdosphaera nach Wyw. Thomson und Murray.
Sa—h.
sa.
sb.
Sc.
8d,
Labyrinthula nach Cienkowsky.
Labyrinthula vitellina Cienk. einen Algenfaden überziehend und zahlreiche Faden-
bahnen mit darauf hingleitenden Spindelzellen aussendend. Vergr. ca. 100.
Theil einer Fadenbahn von Labyrinthula vitellina mit darauf hingleitenden Spindel-
zellen. p scheinbare Protoplasmaplatte in der Fadenbahn, nach Cienkowsky hervor-
gegangen durch Zusammenlagerung zahlreicher Fäden; p! mehrere Spindeln mit ver-
schwommenen Contouren; s ruhende, eingekugelte Zellen. Vergr. ca. 180.
Spindelzelle von Labyrinthula macrocystis Cienk. mit einigen Fäden der Fadenbahn.
Vergr. ca. 200.
Haufen encystirter Zellen von L. macrocystis in die Rindensubstanz eingehüllt. Vergr.
ca. 180.
$8e—f. Cysten von L. macrocystis mit getheiltem Zellinhalt. Vergr. ca. 180.
$g—h. In Theilung begriffene Spindelzellen von L. macrocystis. Vergr. ca. 400.
5. Chlamydomyxa labyrinthuloides Arch. Vollständiges Exemplar mit reich
10.
11.
12.
entwickelter Fadenbahn und darauf hingleitenden Spindeln. In der Körpermasse treten
zahlreiche contractile Vacuolen deutlich hervor, ebenso wie in den lokalen Anhäufungen-
derselben an gewissen Stellen der Fadenbahn. Ausserdem enthält die Körpermasse noch
zahlreiche grünliche, röthliche und bläuliche Körner, sowie aufgenommene Nahrungs-
partikel. Als solche lassen sich hauptsächlich bei o ein Exemplar von Oocystis Naegelii
und bei o! ein Faden von Spirotaenia wahrnehmen. Bei c hat sich eine kleine Portion
der Körpermasse abgegliedert und encystirt. Vergr. ca. 100.
Dactylosphaeria (Amöba) radiosum Duj. Ein Exemplar mit 4 langen Pseudo-
podien, von welchen” eines am Ende schlingenförmig umgebogen und in drehender
(schwingender) Bewegung begriffen ist.
Dactylosphaeria vitreum Hertw. u. Less. Ein kleiner Theil des Randes eines
Exemplars der grünen Varietät, mit 2 Pseudopodien; die ganze Oberfläche ist mit
Protoplasmazöttchen besetzt.
Dactylosphaeria (Amöba) polypodia (M. Schultze) F. E. Sch. n. Kern, v. Vacuole.
Fig. 1 nach Häckel (Monograph. der Moneren); Fig. 2 nach Wallich (Ann. mg. n. h.
4. XIX); Fig. 3 nach Häckel (Monogr. der Moneren); Fig. 4 nach O. Schmidt (Sitzb. der
W. Akad. Bd. 52); Fig. 5 nach Harting (Naturk. Verh. d. K. Akad. Deel XIV); Fig. 6 nach
Wallich (Ann. m. n. h. 4. XIX); Fig. 7 nach W. Thomson und Murray (Proc. roy. soc.
Bd. 23); Fig. 8 nach Cienkowsky (Arch. f. mikr. Anat. Bd. II); Fig. 9 nach Archer (Qu.
journ. micr. sc. Bd. 15); Fig. 10 Original; Fig. 11 nach Hertwig u. Lesser (Arch. f. mikr.
Anat. Bd. X, Suppl.); Fig. 12 nach F. E. Schultze (Arch. f. mikr. Anat. Bd. XI).
ur
Rhizopoda.
Lith.Anst.Werner & Winter ‚Frankfurt 2
Fi
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or
a—e. Amöba Princeps Ehrbg.
1a. Ein kriechendes Exemplar, n Kern, v Vacuolen, x aufgenommene Nahrung.
1b. Isolirter kleiner Kern eines grossen vielkernigen Exemplars, nach Essigsäurebehandlung.
ic. Sehr grosser Kern eines einkernigen Exemplars, nach Essigsäurebehandlung.
. Amöba Limax Duj. Ein kriechendes Exemplar; n Nucleus, cy contractile Vacuole.
. Amöba Guttula Duj. Ein kriechendes Exemplar; n Nucleus, cv contractile Vacuole.
. Amöba Blattae Bütschli. Ein in Bewegung begriffenes, sehr deutlich faseriges Exem-
plar; n Nucleus, x und y die im Vorschreiten begriffenen Stellen, w und z ruhende
Stellen, u in Einziehung begriffene Stelle.
. Amöba terricola Greeff. Ein Exemplar mit Zottenbesatz (d) am Hinterende; n Nucleus,
cv contractile Vacuole, c eigenthümliche Körper mit haarförmig geschlängelten Fäden
(Greefl’s Spermatozoiden).
6a—g. Pelomyxa palustris Greeff.
6a. Eine in amöbenartiger Bewegung begriffene Pelomyxa mit zahlreichen Glanzkörpern,
jedoch wenig Nahrungsstoffen und Schlamm.
6b. Ein Glanzkörper von Stäbchen umhüllt.
6c. Ein grösserer Kern mit gruppenweise zusammenliegenden Körnchen.
6d. Ein Kern mit einer Anzahl grösserer Kernkörper.
6e. Ein Glanzkörper mit zwei Löchern oder Vertiefungen auf der Oberfläche.
6f. Ein bisquitförmiger, nach Greeff in der Theilung begriffener Glanzkörper.
6g. Randtheil einer lebenden Pelomyxa; a hyalines Ectosark, das sich zu kurzen pseudo-
podienartigen Fortsätzen c und d erhebt, in die etwas Endoplasma mit Vacuolen,
Stäbchen und Körnchen einströmt, b Vacuolen, e Kerne und f Glanzkörper des
Endosarks, dazwischen zahlreiche Stäbchen. Vergr. ca. 200.
. Amphizonella violacea Greeff. a die hyaline Hüllschicht, n Nucleus.
. Pseudochlamys Patella Clp. u. Lchm. Ansicht von unten mit zusammengefalteter
Schale und -ausgestrecktem fingerförmigem Pseudopodium. Vergr. 400.
9a—c. Arcella vulgaris Ehrbg.
9a. Ein Exemplar in seitlicher Ansicht; n Nucleus, cv contractile Vacuole.
9b. Ein kleines Stück der Schalenoberfläche einer Arcella vulgaris bei oberflächlicher
Einstellung des Tubus.
9c. Optischer Durchschnitt eines kleinen Theils der Schale.
10a—b. Hyalosphenia lata F. E. Sch. Vergr. etwa 350.
19:
12.
13.
14.
Abh
uUrY
10a. Ansicht von der flachen Seite.
10b. Ansicht von oben, im optischen Querschnitt; n Nucleus, cv contractile Vacuolen.
Cochliopodium pellucidum Hertw. u. Lesser.
Ansicht von der Seite mit weit geöffneter Schalenmündung und vielen ausgestreckten
Pseudopodien. Vergr. nahe 600.
Quadrula symmetrica Wallich sp. Ein von der breiten Seite gesebenes Exemplar;
n Nucleus, cy contractile Vacuole.
Petalopus diffluens Clp. u. Lchm. mit blattartig ausgebreiteten Pseudopodien.
Plakopus ruber F. E. Sch. Ein Exemplar mit zahlreichen plattenförmigen, kantig
zusammenstossenden Pseudopodien; n Kern. Vergr. ca. 330.
Figg. 1a, 2 u. 3 nach Auerbach in Z. f. w. Z. Bd. VII; Figg. Ib—c nach Bütschli
. der Senckenberg. Gesellsch. Bd. X; Fig. 4 nach Bütschli Z. f. w. Z. Bd. XXX; Fig. 5
nach Greeff A. f. m. A. Bd. II; Fig. 6a—g nach Greeff A. f. m. A. Bd. X; Figg. 8 u.
Yb—c nach Hertwig u. Lesser A. f. m. A. Bd. X Suppl.; Figg. 10—12 u. 14 nach F. E.
Schulze A. f. m. A. Bd. XI; Fig. 13 nach Claparede u. Lachm. Etudes s. 1. inf.
Rhizopoda
|
DR NND: Ya. 9.0.
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&
Lith.Anst v Werner & Winter Frankfurt #M
AR Difflugia globulosa Duj. Seitliche Ansicht der Schale.
2 u. 3. Difflugia marsupiformis Wall. Seitliche Ansichten der Schalen eines stachel-
losen und eines gestachelten Exemplars.
4. Difflugia (Echinopyxis Cl. u. L., Centropyxis St.) aculeata Ehrbg. Ansicht einer
Schale von der Mündungsseite.
5. Difflugia corona Wall. Ein vierstacheliges Exemplar in seitlicher Ansicht. Der
Mündungsrand ist bei dieser Form eigenthümlich ausgezackt.
6. Difflugia pyriformis Perty. Seitliche Ansicht der Schale.
7. Difflugia acuminata Ehrhg. Seitliche Ansicht der Schale.
8. Difflugia lageniformis Wall. (urceolata Cart.). Seitliche Ansicht der Schale, den
breiten, hyalinen, nach hinten zurückgebogenen Mündungsrand der Schale zeigend.
9. Lecqueureusia (Difflugia) spiralis Lecl. Seitliche Ansicht der Schale, die hier aus
unregelmässig zusammengruppirten, kleinen Chitin(?)eylindern aufgebaut ist.
10. Difflugia (Nebela Leidy?) bipes Cart. Thier mit Schale, von der breiten symmetrischen '
Seite gesehen; n Nucleus, cv contractile Vacuolen, N aufgenommene Nahrung. Vergr.
ca. 250.
11. Pseudodifflugia (?) Helix Entz. Thier mit seiner der Difflugia spiralis ähnlichen
Schale in seitlicher Ansicht; n Nucleus, Pseudopodien werden nicht allein aus der weiten
Schalenöffnung, sondern auch an andern Stellen hervorgestreckt.
12a—b. Euglypha alveolata Du).
12a. Lebendes Exemplar mit hervorgestreckten Pseudopodien.
12b. Encystirtes Exemplar mit Bildung einer doppelten Cystenhülle: a die aus hexagonalen
Plättchen (nach Hertwig und Lesser) bestehende, bei d durch verklebte Fremdkörper
geschlossene Schale, b die äussere, braune, eiförmige Cystenhülle, c die farblose,
innere, kugelrunde Cystenhülle, f der zwischen der innern und äussern Cystenhülle
sich ausspannende homogene, farblose Strang, n die hellere, wahrscheinlich dem
Kern entsprechende innere Partie des Cysteninhalts.
13. CGyphoderia margaritacea Schlmb. Thier mit Schale in seitlicher Ansicht; n Nucleus,
cv contractile Vacuolen. Vergr. ca. 400.
14. Pseudodifflugia amphitrematoides Arch. Vergr. ca. 500.
I5a—d. Mikrogromia socialis Arch.
15a. Eine Kolonie im gehäuften Zustand (Cystophrys Arch.). Vergr. ca. 350.
15b. Ein einzelnes Individuum einer Kolonie in seitlicher Ansicht; h Schalenhals, p Pseudo-
podienstiel, ce contractile Vacuole, n Kern.
15c. Individuum kurz nach der (Quertheilung des Thieres in seiner Schale; der eine
Sprössling (b) (nach Hertwig der hintere) ist in Auswanderung begriffen, um sich
später zum Schwärmer auszubilden.
15d. Der aus dem Theilstück b entstandene Schwärmer.
Figg. 15b—d Vergr. ca. 670.
16. Lieberkühnia (Gromia Cienk.) paludosa Cienk. Zwei durch Quertheilung entstandene,
noch durch einen schlauchförmig ausgezogenen Verbindungstheil ihrer dünnen Schale
zusammenhängende Individuen, kurz vor ihrer Trennung. Die Schale wird, wie aus
dieser Beschreibung hervorgeht, gleichfalls getheilt; p Pseudopodienstiel. Vergr. ca. 75.
17a—c. Platoum (Chlamydophrys Cienk.) stercoreum Cienk. Vergr. ca. 350.
17a. Ein Individuum mit vorgestreckten Pseudopodien; n Nucleus, cv contractile Vacuole,
N aufgenommene Nahrung.
17b. Eine durch Knospung aus der Pseudopodienplatte hervorgegangene Kolonie; pl Pseudo-
podienplatte, n Nuclei, x ein junger, noch schalenloser Sprössling, N aufgenommene
Nahrung.
17c. Eneystirung; die mit dicker, geschichteter Hülle versehene Cyste ist in die Mündung
der Schale eingeklemmt.
18. Gromia (Plagiophrys) scutiformis Hertw. u. Less. Ein von der breiten, abgeplatteten
Seite geschenes Individuum, n Nucleus. Vergr. ca. 400.
Figg. 1—9 nach Wallich (A. m. n. h. 3. XIII), Fig. 10 nach Carter (A. m. n. h. 4. V),
Fig. 11 nach Entz (Naturh. Hefte d. ung. Nat.-Mus. I), Figg. 12a u. 13 nach F. E. Schulze
(A. £. mikr. A. XT), Figg. 12b, I5a—d u. 18 nach Hertwig u. Lesser (Arch. f. mikr. A. X
Suppl.); Figg. 16 u. 17a--c nach Cienkowsky (Arch, £. mikr. A. XII).
Rhizopoda.
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Lith. Anst.v.Werner & Winter Frankfurt #/%
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Fig.
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Erklärung von "Tafel IV.
Diaphoropodon mobile Arch. Ein Exemplar mit weit hervorgestreckten Pseudo-
podien, in ihrer charakteristischen Verästelung; v contractile Vacuole, p Nucleus. Ueber
die gesammte Oberfläche der Schale hin treten zarte pseudopodienartige Fortsätze hervor.
2a—b. Diplophrys Archeri Bark.
6.
{pP
2a. Einzelnes Individuum in seitlicher Ansicht; a die gelbe fettglänzende Kugel, cv con-
tractile Vacuolen, n Nucleus.
2b. Eine durch Theilung entstandene Gruppe von 4 Individuen, wie sie in grösseren
Mengen zusammengruppirt vorkommen und dann die von Archer als Cystophrys
oculea beschriebene Form bilden.
. Amphitrema Wrightianum Arch. Ein Exemplar, das deutlich die beiden etwas
kragenartig vorspringenden Pseudopodienöffnungen zeigt, da dieselben hier weniger durch
die incrustirenden Fremdkörper verdeckt werden. -
. Orbulinella smaragdea Entz. Ein Exemplar mit vielen, aus den zahlreichen Oefl-
nungen der Schale hervortretenden Pseudopodien. Die Schale besitzt keine grössere
Oefinung; n Nucleus.
. Microcometes paludosus Cienk. Ein Individuum mit den aus den in mehrfacher
Anzahl vorhandenen Schalenöffnungen (0) ausgestreckten Pseudopodien (p); n Nucleus,
cy contractile Vacuolen. Vergr. ca. 370.
Gromia oviformis Duj. Einige der Pseudopodien haben eine Navicula ergriffen. Im
Innern des Thieres sieht man zahlreiche Naviculae liegen, sowie Kerne n. Der Raum-
ersparniss wegen ist die Länge der Pseudopodien relativ dreifach verkleinert dargestellt.
Vergr. der Schale ca. 200.
Squammulina laevis M. Sch. Vergr. ca. 40,
Sa—b. Cornuspira foliacea Phill. Schale.
8a. Seitliche Ansicht.
$b. Ansicht von der schmalen Seite.
9a—c. Nubecularia lucifuga Defr.
10.
11.
12.
13.
9a. Aeussere Ansicht eines Exemplars, das eine aceryuline Anhäufung von Kammern
um einen kleinen Zweig einer Isis hippuris bildet.
9b. Aeussere Ansicht eines auf der Oberfläche einer flachen Muschelschale aufgewach-
senen Exemplars, dessen Kammern sehr in die Breite ausgewachsen sind.
9c. Ansicht der aufgewachsenen Unterfläche eines Exemplars, bei welchem die anfäng-
lich regelmässig spiralige Anordnung der Kammern sehr frühzeitig einer ganz un-
regelmässigen Zusammenhäufung der jüngeren Kammern Platz gemacht hat.
Spiroloculina planulata Lmck, Seitliche Ansicht einer Schale von sehr regel-
mässigem Wachsthum.
Quinqueloculina secans d’Orb. Seitliche Ansicht der Schale.
Biloculina ringens Lam. Ansicht auf die vorletzte Kammer.
Dieselbe, Ansicht von vorn auf die Mündung, zeigt die in die Mündungsöffnung vor-
springende Zunge sehr deutlich.
Mi. u. 15. Biloculina. Mündungen von zwei grossen, philippinischen Exemplaren, mit
sehr entwickelter Zunge.
16. Junge Spiroloculina sp. mit 4 Kammern und 7 deutlichen Kernen.
17. Vertebralina striata d’Orb. Typisches Exemplar.
18. Vertebralina (Articulina d’Orb.). Tertiärsand von Baltjik.
19. Vertebralina (Renulina Lmk.).. Eocän von Hauteville.
20a—b. Hauerina d’Orb.
20a. Seitliche Ansicht der Schale,
20b. Die siebförmig durchlöcherte Mündungsplatte von vorn gesehen.
21. Fabularia d’Orb. Querschnitt der Schale, der das nach dem Typus der Biloculina
erfolgende Wachsthum gut zeigt. Die Kammern sind fast vollständig von solider Schalen-
masse ausgefüllt, durch welche anastomosirende Röhrchen ziehen (vergl. T. VIII, Fig. 2).
22. Spirolina (Untergenus von Peneroplis). Seitliche‘ Ansicht.
23. Spirolina. Eine der Kammerscheidewände von der Fläche gesehen. Sie zeigt ein
Uebergangsstadium zwischen den isolirten Poren von Peneroplis und den zusammen-
Hliessenden Spalten von Dendritina.
24. Dendritina. Letzte Kammerscheidewand eines Exemplars von der Fläche gesehen, zeigt
die eigenthümliche dendritische Gestaltung Septalöffnung und zugleich die '‘Abweichung
der Querschnittsgestalt der jüngeren Kammern von den entsprechenden Verhältnissen bei
Peneroplis.
. Triloculina (Cruciloculina) triangularis d’Orb. Recent. Küste von Südamerika.
hy
or
Figg. 1—3 nach Archer (Qu. journ. mier. sc. N. S. IX); Fig. 4 Entz (Naturh. Hefte d.
ungar. Nat.-Mus. I); Fig. 5 Cienkowsky (A. f. mikr. A. XII); Figg. 6 u. 7 M. Schultze (Org.
d. Polyth.); Figg. S, 10—13 nach Williamson (Rec. Foraminif.); Figg. 14, 15, 17—19 u.
21—24 nach Carpenter (Introduct.); Fig. 16 (Hertwig (Jen. Zeitschr. X); Figg. 20 u. 25
D’Orbigny (for. foss, d. Vienne).
Rhizopoda.
Lith Anst.v. Werner & Winter, Frankfurt &/A
Er
er
Fig.
1. Peneroplis. Ideale Darstellung des Schalenbaues dieser Gattung. Ein Theil der
Erklärung von Tafel V.
Kammern ist durch Wegnahme der Wandungen einer Seite offen gelegt. Man sieht die
Poren in den Scheidewänden zwischen den aufeinanderfolgenden Kammern und bemerkt
die Unterschiede in der Anordnung dieser Poren in den älteren und jüngeren Umgängen,
in Zusammenhang mit der Veränderung der Gestalt der Scheidewände.
2a u. b. Alveolina Quoyii d’Orb. Schale.
2a. Aeussere Ansicht der Schale. Man bemerkt äusserlich längs verlaufende Furchen
auf der Öberfläche der Schale, deren Zwischenräume von feineren, secundären
Furchen, in zu den ersteren senkrechter Richtung, durchzogen werden. Die lang-
gestreckte Mündungsplatte wird von zahlreichen Poren durchbrochen, von welchen
die am äussern Rand stehenden kleiner und dichter gestellt sind. An ihren beiden
Enden verbreitert sich die Mündungsplatte sehr und hier ist die Zahl ihrer Poren-
reihen sehr vermehrt, doch ihre Anordnung weniger regelmässig. Vergr. ca. 15.
2b. Querschnitt einer Schale dieser Art. Man erblickt die Unterabtheilung der spiralen
Umgänge in die Hauptkammern, angedeutet durch die Einbiegungen der äussersten
Lamelle bei a, a. Jede dieser Kammern wird durch die Lamellen d, d! und d? in
eine Reihe übereinandergestellter Kämmerchen getheilt, welche sich an ihren Enden
in die radial gestellten Räume f f öffnen. In jedem dieser Räume bemerkt man die
Oeffnungen (b, c) von zwei Kanälen, die sich in der ganzen Längenausdehnung der
Schale erstrecken und die gesammten, einer Primärkammer entsprechenden Räume
f mit einander in Communikation setzen, Vergr. ca. 20.
3. Orbitolites (complieirte Varietät) von den Samoa-Inseln. Der peripherische Theil der
4.
Scheibe erhebt sich nach der einen Seite zu zahlreichen radialen Falten, die z. Th. in
Lamellen auswachsen. Vergr. ca. 40.
Orbitolites (complicirte Varietät). Ideale Darstellung eines Theils der peripherischen
Region einer Scheibe. i’! die untere Lage der äusseren kleineren Kämmerchen, die ent-
sprechende obere Lage ist z. Th. entfernt. Zwischen diesen beiden Lagen der äusseren
kleineren Kämmerchen bemerkt man auf dem Radialschnitt (h?!) zwei geöllnete Kammern
der mittleren Lage, wogegen dieselben auf den in verschiedener Höhe ausgeführten
Querschnitten bei c und c! im Querschnitt geöffnet sind. Gleichzeitig bemerkt man auf
diesen Querschnitten noch die schiefen, in ihrer Richtung nach rechts und links ab-
wechselnden Röhrchen, welche die mittleren Kammern der aufeinanderfolgenden Oyklen
in Verbindung setzen und die auf dem peripherischen Rand in senkrecht übereinander
gestellten Porenreihen ausmünden (f). Bei h! h!, h!, h! sind die circulären Röhren auf
dem Radialschnitt geöffnet, welche die mittleren Kammern je eines Cyklus in directe Com-
munikation setzen; die in dieser Weise geöffneten Circularröhren alterniren mit den
zwei ÖOyklen, deren mittlere Kammern auf dem Radialschnitt geöffnet sind.
öa—b. Thurammina papillata Brady (recent). Vergr. ca. 25.
5a. Gewöhnliche, freie Form mit kurzem, die Hauptmündung tragenden Hälschen.
5b. Ein Theil der Schalenwandung weggebrochen; man erblickt eine in der grösseren
eingeschlossene kleinere Kammer (i).
. Psammosphaera fusca F. E. Sch. (recent). Ein über eine Schwammnadel gewach-
senes Exemplar; ein Theil der Schale ist weggebrochen, so dass man das Innere erblickt,
Vergr. ca. 25.
. Pelosina rotundata Brady (recent), Exemplar in seitlicher Ansicht. Vergr. ca. 7.
. Reophax difflugiformis Brady (recent.. Exemplar in seitlicher Ansicht. Vergr.
ca 3.
12.
" Marsipella granulosa Brady. Ein der Länge nach halbirtes Exemplar, zeigt den
Hohlraum und die Dicke und Textur der Schalenwandung. Vergr. ca. 10.
‚Rhabdammina linearis Brady (recent. Der Länge nach halbirtes Exemplar.
Vergr. ca. 10.
‚Astrorhiza limicola Sandahl (Haeckelina gigantea Bessels) recent. Ein Exemplar
in etwa 7maliger Vergr. a die röhrenförmigen Fortsätze der centralen Scheibe, b die
nicht contractilen Fortsätze, c die Pseudopodien.
Astrorhiza (?) arenaria Carp. (recent). Ein geweihartig verästeltes Exemplar.
13a—13b. Saccamina ÖGarteri Brady. Kohlenkalk.
14.
15.
16.
Te
13a. Eine einzelne Kammer, an beiden Enden geöffnet. Vergr. 2.
13b. Ein aus 3 aneinandergereihten Kammern bestehendes Exemplar, in nat. Grösse.
Reophax (Lituola) Soldanii d’Orb. (recent). In seitlicher Ansicht.
Hormosina ovicula Brady (recent). In seitlicher Ansicht. Vergr. ca. 8.
Sagenella frondescens Brady, auf ein Korallenstück aufgewachsen (recent).
Vergr ca. 5.
Haplophragmium (Lituola) canariensis d’Orb. (recent). In seitlicher Ansicht.
18a—b. Lituola nautiloidea d’Orb. (recent).
13;
20.
21.
22.
18a. Seitliche Ansicht eines Exemplars, an dessen jüngeren Kammern das Innere z. Th.
durch Abreibung blosgelegt ist.
18b. Eine Kammerscheidewand von zahlreichen Poren durchbrochen.
Placopsilina (Lituola) cenomana d’Orb. (fossil). Seitliche Ansicht eines Exemplars.
Ammodiscus (Trochammina P. u. J.) incerta d’Orb. (recent). Seitliche Ansicht.
Ammodiscus ? (Trochammina P. u. J.) charoides P. u. J. (recent).
Ammodiscus ? (Trochammina P. u. J.) gordialis P. u. J. (recent).
23a—b. Parkeria Carp. Oberer Grünsand von England.
23a. Ideale Darstellung der inneren Structur von Parkeria. Der obere horizontale
Querschnitt durch das Centrum der Kugel zeigt die allgemeine Anordnung der
voncentrischen Lagen um die kegelföürmigen Primordialkammern C'—C*; ferner die
Unterbrechung der regelmässigen Abwechselung solider Lamellen und Zwischen-
räume, die von den radialen Fortsätzen durchzogen werden, durch die 4 dicken
Lagen 1!, 2, PP und !*. Die vertikale Fläche A zeigt die innere Oberfläche einer
Lamelle, welche durch concentrische Abspaltung freigelegt wurde, und an welcher
die konischen Radialfortsätze hängen geblieben sind. B gibt das Bild einer ähn-
lichen Abspaltung, welche durch die Radialfortsätze gegangen ist, so dass deren
netzförmige Structur sichtbar geworden ist. © erläutert die netzförmige Structur
einer Lamelle, die an dieser Stelle concentrisch gespalten ist. D zeigt die äussere
Ansicht einer Lamelle, welche durch eine concentrische Abspaltung durch die
Radialfortsätze freigelegt worden ist. E schliesslich gibt das Bild eines radialen
Durchschnitts, die Lamellen und ihre Zwischenräume schneidend. Vergr. ca. 2.
23b. Theil der inneren Oberfläche einer Lamelle (stärker vergrössert), welche durch
concentrische Abspaltung, die die Radialfortsätze (rp) durchbrochen hat, freigelegt
wurde. Jeder Durchschnitt dieser Fortsätze zeigt mehrere grosse Oelfnungen, die
Radialröhren. fl ist die solide, undurchbrochene Schalensubstanz, welche die laby-
rinthische Substanz der Lamelle gegen den Zwischenraum, der sie von der vorher-
gehenden Lamelle scheidet, auskleidet.
Figg. 1, 2, 4, 14 und 17—22 nach Carpenter (Introduction); Fig. 12 nach Carpenter
(Quart. journ. mier. sc. Bd. 16); Fig. 3 Original; Fig. 5—6, 7—10, 15 und 16 nach Brady
(Quart. journ. mier. sc. 1879); Fig. 11 nach Bessels (Jen. Zeitschr. Bd. IX); Fig. 23 nach
Carpenter und Brady (Philos. Transact. roy. soc. 1869).
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Erklärung von Tafel VI.
Fig.
1. A—E. Orbitolites Lmk.
A.
Ideale Darstellung eines Individuums von einfachem Typus (Örbitolites complanata
Lmk.), so aufgeschnitten und durch Bruchflächen freigelegt, dass der innere Bau
deutlich bervortritt. Da, wo die natürliche Oberfläche erhalten ist, sieht man die
äusseren Andeutungen der concentrischen Ringe der querovalen Kämmerchen und
bemerkt auf dem schmalen Kreisrand der ganzen Schale die einfache äquatoriale
Reihe von Poren, durch welche allein die eingeschlossene Sarkode mit der Aussen-
welt communiecirt. Durch den angebrachten Medianschnitt ist im Centrum der Schale
die Embryonalkammer (a) und die dieselbe halbspiralig umfassende zweite Kammer
(b) blosgelegt, auf welche sogleich die concentrischen Ringe von Kämmerchen (ec)
folgen. Letztere stehen sowohl in jedem Ring durch concentrische Kanäle unter sich
in Verbindung, als auch durch radiale mit denen des folgenden Ringes. Bei ee sind
die Kämmerchen durch den radialen Schnitt in halber Höhe geöffnet, an der gegen-
überliegenden Seite, sind zwei in ihrer ganzen Höhe durchschnitten. Bei ff sind
die Kämmerchen durch eine concentrische Bruchfläche nur gestreift worden, jedoch
nicht völlig geöffnet, jedoch ist auf der Oberseite durch Wegnahme ihrer Decke ihre
Höhlung blosgelegt.
. Hälfte eines radialen Durchschnitts durch ein Exemplar vom einfachen Typus. Die
dunkeln centralen Kammerhöhlungen sind die getroffene Embryonal- und die zweite
halbspiralige Kammer. Hierauf folgen die concentrischen Ringkämmerchen (e) mit
ihren radialen und ihren concentrischen (c) Communikationskanälen (sehr schematisch).
. Achnlicher Durchschnitt durch ein anderes Exemplar, den Uebergang zum complexen
Typus zeigend, indem sich in den äusseren Ringen ein Zerfall der Kämmerchen in
drei Lagen, eine mediane und zwei oberflächliche bemerklich macht. °°),.
. Durchschnitt durch ein Exemplar vom complexen Typus. Die mittlere Kammerlage
(i) hat sich in den äusseren Zonen von den beiden oberflächlichen (i!) noch schärfer
abgesetzt und nimmt die grössere Dicke der Schale ein. Ihre Kammern communi-
ciren mit einander durch eine grosse Zahl von Porenkanälen (c), so dass nun auf
dem Scheibenrand zahlreiche Porenreihen sich finden. °°/,.
. Centraler Theil des Sarkodenkörpers von ÖOrbitolites, der erkennen lässt, wie der erste
Ring von Kämmerchen von der zweiten halbspiraligen Kammer (b) seinen Ursprung
nimınt. 1#0/,.
2. A—E. Orbiculina adunca F. u. M. sp.
A.
B.
Ein junges Individuum mit wenigen, noch nicht umfassenden Kaınmern.
Ein erwachsenes Individuum, bei welchem die späteren Kammern die früheren voll-
ständig concentrisch umgreifen. Die Kämmerchenbildung in den einzelnen Kammern
deutlich zu sehen.
©. Horizontaler Durchschnitt durch ein grosses spirales Exemplar, bei welchem ein voll-
EoO
ständiges, concentrisches Umschliessen der Kammern nicht eingetreten ist.
. Stück des Scheibenrandes des einfachen Typus mit nur einer Porenreihe.
. Scheibenrand der Schale des complieirteren Typus, statt der einen Porenreihe finden
sich 3—4 und entsprechend vermehrte Communikationen zwischen den Kämmerchen
der Ringe.
Fig.
3. A—D. Cycloclypeus Carp.
A. Die äussere Oberfläche eines halben Individuums.
B. Radialer senkrechter Durchschnitt durch eine Schale; zeigt die einfache mediane
Kammerschicht (a) und die dicken lamellösen und perforirten Wandungen der
Scheibenflächen; die dünneren Wände, welche die Kammern von einander scheiden
und die dieselben durchbrechenden schiefen, dicken Porenkanäle zur Communikation
der Kammern der aufeinanderfolgenden Ringe. Rechts ist ein horizontaler Schnitt
angelegt, auf welchem sich die cyklische Anordnung der Kammern erkennen lässt.
C. Schema einer einzelnen Kammer im Horizontalschnitt. a Kammerhöhle, b die benach-
barten Kammerhöhlen desselben Ringes, die von a durch je ein doppellamelliges
Septum getrennt werden; cc! und d d! Kammerhöhlen des nächst äusseren und
inneren Ringes, von a getrennt durch die cyklischen Kammerwände ee und ce! e!,
jedoch in Communication mit der Kammerhöhle a durch die schiefen Kanäle f£, f, £, £.
In den Septen zwischen a und b bemerkt man die Interseptalkanäle g, welche je
zwei Kanäle entspringen lassen, die die‘cyklischen Septen ee und e! e! schief durch-
setzen und mit den entsprechenden Interseptalkanälen in den Septen zwischen den
Kammern c c! und dd! sich verbinden. Von den Interseptalkanälen g scheinen directe
Communikationskanäle in die Kammerhöhlen zu führen, während bei g vertikale
Kanäle von ihnen ausgehen, die sich mit den benachbarten Interseptalkanälen desselben
Septums verbinden. hh und h! h' ist das Kanalsystem in den cyklischen Septen.
. Ideale Darstellung eines kleinen Theils einer Scheibe von Üycloclypeus, die in ver-
schiedener Weise geöffnet ist, um die innere Structur darzustellen. a, a die aus über-
einandergelagerten Lamellen aufgebaute obere Scheibenwand, b, b die entsprechende
untere Scheibenwand; c,c die Kegel aus solider, nicht perforirter Schalenmasse, die
jedoch zuweilen von Zweigen des Kanalsystems durchzogen werden; d, d, d die
äusseren Enden dieser Kegel, welche als Tuberkel auf der Scheibenfläche hervor-
ragen und von welchen Platten von ähnlicher, nichtperforirter Schalenmasse aus-
gehen (e), die als Fortsetzung der Septen die perforirte Schalensubstanz- durchsetzen.
ff Communikationskanäle zwischen den Kammern in den cirkulären Septen im Durch-
schnitt. gg ebensolche, im Hintergrund der Kammerhöhlen sich öffnend; hh Quer-
schnitte von Interseptalkanälen; i eine Kammer, in deren Wandungen das Interseptal-
kanalsystem in seiner ganzen Entwickelung dargestellt ist; kk Verlauf der Haupt-
kanäle längs der Verbindungslinie zwischen der Kammerdecke und den vertikalen
Septen. Vergr. 60.
Sämmtliche Figuren nach Carpenter (Philos. Transact. 1856).
Rhizopoda.
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Erklärung von Tafel VI.
Fig.
1. Loftusia persica Brady. Tertiär von Persien.
Ein wenig vergrössertes Exemplar in verschiedener Weise angeschnitten, um die innere
Structur zu zeigen. A ein Querschnitt, auf dem die spiraligen Umläufe der äusseren
Kammerwand und die. von ihr nach Innen den Kammerraum in flachen Lagen durch-
ziehende labyrinthische Schalensubstanz zu sehen ist. B ein horizontaler und Ö ein
vertikaler Längsschnitt, welche zeigen, dass die Umgänge sich allseitig umhüllen und
die labyrinthische Schalenmasse im Innenraum der Umgänge noch deutlicher erkennen
lassen.
2—22a. Eine Suite verschiedener Formen und Variationen von Lagena (einschliesslich Ento-
solenia), vorzüglich um die grosse Mannigfaltigkeit der Schalenskulptur und den grossen
Formenreichthum dieses Genus zu zeigen.
2. Lagena globosa Walk. sp. aus Crag von Antwerpen.
3. Lagena apiculata Reuss (Entosoleniaform). Septarienthon von Pietzpuhl.
4. Lagena vulgaris Will. Crag von Antwerpen.
5. Lagena tenuis Bornem. var. ornata aus dem Septarienthon von Pietzpuhl.
6. Lagena gracilis Will. recent.
7. L. striata d’Orb. aus dem Septarienthon von Pietzpuhl.
8. L. mucronata Rss. Septarienthon von Pietzpuhl.
9. L. acuticosta Rss. Kreidetuff von Mastricht.
10. L. reticulata Macgill. sp. Crag von Antwerpen.
11. L. catenulata Will. recent.
12. L. hystrix Reuss. Septarienthon von Pietzpuhl.
13. L. (Entosolenia).
14. L. (Entosolenia) marginata Montg. recent.
15. L. radiato-marginata P. u. J. recent. Australien.
16. L. crenata P. u. J. recent. Australien.
17. L. tubifero-squamosa P. u. J. fossil von Grignon. Der Schalenhals besitzt bei
dieser Form an seiner Basis meist 3 secundäre röhrenförmige Oeffnungen, die gewöhn-
lich rechtwinkelig von demselben entspringen.
18. L. (Entoselenia) squamosa Montg. Monströse Doppelbildung (recent).
19. L. pulchella Brady. Ansicht auf die Oeffnung (recent).
20. L. gracillima Seguenza sp. Eine doppelmündige Form (recent).
21. L. laevis Mont. Monströse Doppelbildung (fossil von Grignon).
22. Lagena, monströse Doppelbildung (recent).
22a. Ein Stück des seitlichen Kieles von Lagena (Entosolenia) marginata Montg., das
die eigenthümlichen in demselben befindlichen, kleinen, kämmerchenartigen Höhlen mit
nach Aussen mündendem Eingangskanal deutlich zeigt.
23a—b. Lingulina costata d’Orb. (Tertiär). a Ansicht von der schmalen Seite, b Ansicht
auf die Mündung.
24. Rimulina glabra d’Orb. (recent. Adriat. Meer). Ansicht von der breiten Seite.
25. Glandulina laevigata d’Orb. Tertiär. (Auch recent.)
26. Flabellina cordata Reuss. Fossil.
27. Cristellaria (Robulina) echinata Sold. sp. Tertiär. (Auch recent.)
38. Globigerina bulloides d’Orb. Ansicht eines Exemplars yon unten, o die Oeflnung
der jüngsten, grössten Kammer. Man sieht den Sarkodeinhalt der Kammern sp und den
Kern (n), der in der 7. und 8. Kammer liegt.
38b—c. Basis und Spitze eines Globigerinenstachels.
29a—c. Globigerina.
29a. Dünnschliff einer sehr dickschaligen, typischen Tiefseeglobigerina. i die ursprüng-
liche jüngste Schalenwand, a äussere sogen. exogene Schalensubstanz, die eine Anzahl
der schon bei Lagena dargestellten, birnförmigen, nach aussen sich öffnenden Höhlen
“ enthält (h).
29b. Konische oder wetzsteinförmige, krystallinische Kalkkörper, welche die exogene Schalen-
substanz einer solchen Globigerina zusammensetzen.
29c. Stark vergrössertes Fragment der Schale einer ausgewachsenen Globigerina von Innen
gesehen. i die ursprüngliche, innerste Schalenlage, a die äussere, exogene Schalen-
substanz, g die weiten und k die feinen Porengänge in der Schale.
30. Orbulina universa d’Orb. Ein pelagisch gefischtes Exemplar mit erhaltenen Stacheln
(dieselben sind auf der linken Seite nicht ausgezeichnet). In der Kammerhöhle bemerkt
man eine Anzahl gleichfalls bestachelter und globigerinenartig angeordneter, kleiner
Kammern (junge Globigerine nach Pourtales, Reuss etc.).
31. Uvigerina angulosa Will.
32. Bulimina Preslii Reuss. Fossil.
33. Cassidulina serrata. Fossil.
34. Valvulina. (Bulimina-artige Form.)
35. Valvulina triangularis d’Orb. Recent. Ansicht auf den Apex der Schale.
36. Valvulina. (Clavulina-artige Form.)
37. Polymorphina Orbignii Zborzew. (tubulosa d’Orb.) Recent.
38. Eine dreizehnkammerige Rotalina von unten gesehen. Die Schale ist durch Behandlung
mit Essigsäure entfernt und der aus 2 etwas verschiedenen Theilen zusammengesetzte
Kern (n) durch Behandlung mit Osmiumsäure und Karminfärbung deutlich gemacht.
Fig. 1 nach Carpenter und Brady (Philos. Transactions 1869): Figg. 2—5 u. 7—12 nach
Reuss (Monogr. d. Gatt. Lagena); Figg. 6, 13, 18, 31 u. 37 nach Williamson (Recent Forami-
nifera); Fig. 14 nach Rym. Jones (Transact. of Linn. soc. Bd. 30); Figg. 15—17 u. 21 nach
Parker u. Jones (Philos. Transact. 1865); Figg. 19—20 nach Brady (Ann. mag. nat. hist. 4. ser.
T. VD); Fig. 22 nach Alcock (Mem. of litt. a. phil. soc. of Manchester T. III); Figg. 23—25
u. 27 nach d’Orbigny (Foraminif. foss. de Vienne); Figg. 26, 32—36 nach Carpenter (Intro-
duction); Figg. 28 u. 38 nach R. Hertwig (Jen. Zeitschr. Bd. XD); Fig. 29a—c nach Wallich
(North atlantic sea-bed); Fig. 30 nach Murray (Proc. roy. soc. Bd, 23).
Khizopoda i are. * 3 Taf. VI,
Lith.Anst, Werner & Winter, Frankfurt ®M
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Erklärung von Tafel VIII
Fig.
1. Cornuspira foliacea Phil. Junge, noch nicht ausgewachsene Schale in seitlicher
Ansicht.
2a—d. Fabularia discolithes Defr. Eocän.
2a. Seitliche Ansicht in natürlicher Grösse.
2b. Ansicht von vorn, man erblickt die von zahlreichen feinen Oeffnungen gebildete
Mündung.
2c. Seitliche Ansicht.
2d. Medianer Durchschnitt eines Exemplars, zeigt die Biloculina-artige Anordnung der
Kammern und deren Ausfüllung durch solide Schalensubstanz, die nur feine, anasto-
mosirende Kanalräume zur Aufnahme der Sarkode offen lässt.
3a—c. Triloculina gibba d’Orb. Miocän (auch recent).
3a u. c. Seitliche Ansichten.
3b. Ansicht von vorn auf die Mündung; zeigt deutlich den zungenartigen Vorsprung in
letzterer.
4a—c. Polymorphina communis d’Orb. Miocän,
4a und c. Seitliche Ansichten.
4b. Ansicht von vorn auf die Mündung, die strahlenartige Zeichnung um letztere deutlich.
5a—c. Textularia Mariae d’Orb. Miocän.
5a. Ansicht von der schmalen Seite.
5b. Ansicht von vorn in der Richtung der Axe,
dc. Ansicht von der breiten Seite.
6a—b, Cassidulina crassa d’Orb. Recent.
6a. Seitliche Ansicht.
6b. Ansicht von vorn.
7. Zwei ganz junge Milioliden im lebenden Zustand mit hervorgestreckten Pseudopodien.
Das linke Exemplar mit der kugeligen Embryonalkammer und einer halben Windung,
das rechts mit der Embryonal- und einer vollständigen ersten Kammer.
8a—c. Anomalina variolata d’Orb. Tertiär (auch recent).
Sa. Von der apicalen Seite.
Sb. Von der schmalen Seite.
8c. Von der basalen Seite.
9a—c. Globigerina bulloides d’Orb. Tertiär (auch recent).
9a. Von der basalen Seite, zeigt nur die 4 jüngsten Kammern.
9b. Von der Schmalseite.
9c. Von der apicalen Seite, hier sind auch die jüngeren Kammern zu sehen.
10a—b. Cristellaria (Robulina) ariminensis d’Orb. Tertiär.
10a. Von der Schmalseite, o die Mündung.
10b. Von der Breitseite, hier der peripherische Kiel sehr deutlich.
Fig.
11a—b.
11a.
11b.
12a—h.
123;
12b.
13a—b.
13a.
13h.
14a—e,
Nummulites radiatus Ficht. u. M. Miocän (auch recent).
Ansicht von der Breitseite.
Von der Schmalseite.
Dendritina elegans d’Orb. Miocän.
Von der Breitseite.
Von der Schmalseite.
Pavonina flabelloides d’Orb. (recent).
Von der abgeplatteten Seite.
Ansicht der von zahlreichen Oeffnungen durchbrochenen Mündungsfläche.
Nodosaria Bacillum Defr.
14a—b. Zwei Exemplare in seitlicher Ansicht.
14c.
14d.
14e.
15a —c.
15a,
15b.
15C.
16a —c.
16a.
16h.
"16c.
17. Acervuline Planorbulina (Acervulina M. Sch.).
Anfangstheil eines Exemplars, stärker vergrössert.
Endtheil eines Exemplars, stärker vergrössert.
Letzte Kammer, von der Mündungsfläche betrachtet.
Frondicularia annularis d’Orh.
Von der abgeplatteten Seite.
Auf die Mündungsfläche, und
von der schmalen Seite gesehen.
Örbitolites (Cyclolina) cretacea d’Orb.
Von der Breitseite.
Von der Schmalseite.
Ein kleiner Theil des Scheibenrandes, stärker vergrössert. 16a und b ?)..
mässiger Weise auf einer Coralline aufgewachsen. Vergr. ca. 72,
Figg. 1, 7 und 17 nach M. Schultze (Org. d. Polyth.); die übrigen Abbildungen nach
d’Orbigny (Foraminif. foss. de Vienne) und 24—d nach d’Orbigny (Annales des sciences
natur. T.
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Ein Haufen Kammern in unregel-
Ikhizopoda. Taf. VII.
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Erklärung von Tafel IX.
Fig.
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. Globigerina (Hastigerina) Murrayi W. Thoms. Ein pelagisch gefischtes Exemplar
mit erhaltenen Stacheln und ausgestreckten Pseudopodien. s die Schale, a der dieselbe
ähnlich wie bei den Radiolarien umhüllende Alveolenmantel.
a—b. Carpenteria. (Recent.)
2a. Ein auf einer Pectenschale festgewachsenes Exemplar, bei welchem die Kammern
des letzten Umgangs so sehr divergiren, dass sie in hohem Grad von einander ge-
trennt erscheinen. a Oeffnung der Centralhöhle, in welche die einzelnen Kammern
einmünden.
2b. Querschnitt eines sehr flachgedrückten Exemplars, nahe unter der Mündungsöllnung.
a Durchschnitt der Centralhöhle, in welche die Kammerräume (k, k‘, k“) einzeln ein-
münden, wie bei b und c direct zu sehen ist. k‘ letzte und k“ vorletzte Kammer;
d—d? vollständige Septen, welche die Hauptkammern trennen, in diesen sieht man
bei g und g’ Theile des Kanalsystems.
a—b. Rotalia Schroeteriana P. u. J.
3a. Seitliche Ansicht der Schale.
3b. Schliff parallel der Windungsebene, stärker vergrössert; derselbe zeigt das Kanal-
system z. Th, sehr deutlich.
. Cymbalopora Poyei d’Orb. sp. in seitlicher Ansicht.
. Pulvinulina vermiculata d’Orb. von der oberen Seite gesehen.
. Discorbina vesicularis d’Orb. von der oberen Seite gesehen.
7. Calcarina Spengleri Gmel. Ideale Darstellung zur Erläuterung des inneren Baues.
Durch Anlegung von Schnittflächen in verschiedener Richtung und Abtragung eines
grossen Theils der secundär aufgelagerten Schalenmasse ist die Kammerspirale zum
grösseren Theil blosgelegt (b, b). Bei a?, a?, at sieht man die Kammerhöhlen der auf-
einanderfolgenden Umgänge im Durchschnitt und bemerkt, dass jede Kammer von einer
besonderen dünnen Wand umkleidet ist. Bei d sieht man das sogen. Zwischenskelet im
Durchschnitt und bemerkt dessen allmähliche Zunahme an Dicke an den jüngeren Um-
gängen. Bei d’ sind auf dem Durchschnitt die, die Kammern der aufeinanderfolgenden
Umgänge in Communikation setzenden Kanäle zu sehen, während ähnliche Kanäle
las gesammte Zwischenskelet durchsetzen und äusserlich frei ausmünden. f sind die
armartigen Auswüchse des Zwischenskelets, von einem dichten Kanalnetz durchzogen.
Bei e! nimmt man im Durchschnitt kegelförmige Partien von nichtkanalisirter, solider
Schalensubstanz in der äasseren Auflagerungsmasse der Schale wahr, die auf der Öber-
fläche in Gestalt von Tuberkeln sich erheben (e).
. Planorbulina mediterranensis d’Orb. Ansicht auf die untere Seite. Die bei
diesem Geschlecht sehr weiten punktförmigen Porenöllnungen sind deutlich bemerkbar
(recent).
Fig.
9a—b. Patellina corrugata Will. (recent).
9a. Ansicht der Oberseite; an der Spitze eine Centralkammer und eine diese umgreifende
zweite Kammer, ähnlich Örbitolites, darum ringförmig geordnete Reihen von
Kämmerchen.
9b. Ansicht der Unterseite. Man bemerkt die centripetalen Verlängerungen der Käm-
ınerchen und eine die Nabelhöhle ausfüllende secundäre Auflagerung von Schalen-
substanz.
10. Innere Cuticula eines Theils einer Kammer von Discorbina Turbo d’Orb. mit den
davon ausgehenden röhrenförmigen Cuticularhäutchen der Porenkanäle (b); c solche
Röhrchen von der Fläche gesehen (nach Entfernung des Kalks durch Säure). Vergr.
ca. 200.
11la—b. Polytrema miniaceum L.
11a. Schön entwickeltes, reich verästeltes Exemplar aus dem Mittelmeer. Vergr. ca. 12.
11b. Kleiner Theil des Randes eines Querschliffs des Stammes; man bemerkt eine Anzahl
übereinandergelagerter Lamellen mit ihren säulenförmigen, hohlen Einsenkungen (s),
die sich auf die unterliegende Lamelle aufstützen. Bei o Oeffnungen, die sich an
der Basis dieser Säulen häufig finden und in das Lumen derselben führen.
12. Involutina liasina Jon. sp. (Lias). Exemplar in seitlicher Ansicht. Vergr. ca. 10.
133—b. Archaeodiscus Karreri Brady. Kohlenformation.
13a. Seitliche Ansicht eines Exemplars. Vergr. ca. 16.
13b. Querschliff eines Exemplars, sowohl die feinen nummulitenartigen, als die gröberen
Porenkanäle zeigend, ebenso wie die Unregelmässigkeit der spiralen Aufrollung.
Vergr. ca. 38.
14. Pullenia bulloides d’Orb. Ansicht auf die Mündungsfläche. Tertiär.
15. Sphaeroidina austriaca d’Orb. Seitliche Ansicht. Tertiär.
16. Endothyra crassa Brady. Ansicht auf die Mündungsfläche. Kohlenformation.
17. Bradyina rotula Eichw. Ansicht auf die Mündungsfläche. Kohlenformation.
Fig. 1 nach Murray (Proc. roy. soc. Bd. 23); Figg. 2—7 und 9 nach Carpenter (Intro-
duction); Fig. $ nach Williamson (Rec. Foramin.); Fig. 10 nach Kölliker (Icones histiolog.);
Fig. 11 Original; Fig. 12 nach Bornemann (Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch. Bd. 26);
Fig. 13 nach Brady (Palaeontolog. soc. 1876); Figg. 14—15 nach d’Orbigny (Foram. foss. de
Vienne); Figg. 16 und 17 nach v. Möller (M&m, acad. St. Petersb. 7. s. T. 25).
Rhizopoda. a. - 7 RR Taf.IX.
se |
LitH.Anst. Werner & Winter, Frankfurt A,
Fig.
Be Amphistegina Quoyii d’Orb. (Recent.).
la. Ansicht der oberen Fläche.
1b. Ansicht der unteren Fläche.
1c. Seitliche Ansicht auf die Mündungsfläche.
2. Steinkern einer Amphistegina, an welchem man die fast vollständige Abtrennung der
seitlichen Kammerflügel von den Hauptkammern auf der Unterseite bemerkt. Mit den
letzteren stehen sie nur noch durch die schmalen Verbindungen (a) in Zusammenhang
und erscheinen als zwischengeschobene sogen. „Astrallappen“.
3. Vertikaler Schliff einer Amphistegina. Bei a a bemerkt man die Kammerflügel der Öber-
und bei at a! die der Unterseite. Bei b und b! tritt der obere und untere Knopf der
Nabelgegend, der aus solider, nichtperforirter Schalenmasse besteht, hervor, gleicher
Weise sind auch die peripherischen Randtheile der spiraligen Kammerwand bei c? und
c® gebildet. f Septalöffnung. i scheinbare Untertheilung der betreffenden Kammer, her-
rührend vom Durchschnitt eines Septums, da diese hier sehr schief zum Radius der
Umgänge verlaufen.
4a—e. Operculina.
4a. Radialer Durchschnitt durch eine kleine Operculina; derselbe zeigt die allgemeine
Anordnung des Kanalsystems und den grossen Unterschied in der Dicke der Kammer-
wände des letzten und vorletzten Umgangs.
4b. Ideale Darstellung einer Operculina, deren innerer Bau durch in verschiedener
Richtung gelegte Schnitte sichtbar gemacht ist. a, a, a der Dorsalstrang, der bei
a’ quer durchschnitten ist und hier die ihn durchziehenden Kanäle im Querschnitt
zeigt, während sie bei a®a? in der Fläche und bei a? a? im horizontalen Durch-
schnitt blosgelegt sind. b b die äussere Oberfläche der Kammern, welche durch die
hervortretenden Septalbänder auch äusserlich markirt werden. cc Kammerhöhlungen
des äusseren Umgangs, deren Flügel sich bei c!, c* über den vorhergehenden Um-
gang nach dem Oentrum der Schale ausdehnen. d.d die Septa, die von 2 Lamellen
zusammengesetzt werden, zwischen denen das Kanalsystem liegt, dessen Verlauf bei
g deutlich zu sehen ist. Die beiden Hauptstämme eines Septums entspringen aus
den beiden Spiralkanälen (h) und die feinen Endzweige der Septalkanäle münden
äusserlich zu beiden Seiten der Septalbänder aus. Auch die bei i im Durchschnitt
gesehenen Tuberkel nichtperforirter Schalensubstanz, welche die Septalbänder bilden,
sind häufig von Zweigen des Kanalsystems durchsetzt. e Septalöffnung, f secundäre
Öeffnungen in den Septen..
4c. Theil eines tangentialen Durchschnitts, der ein sehr schönes Bild des Kanalsystems
gibt. a! a! Dorsalstrang von zahlreichen, netzförmig zusammenhängenden Längs-
gefässen durchsetzt. h, h Spiralkanäle, von denen die in die Septen eingehenden
Gefässe g, g ihren Ursprung nehmen. ii Kegel von nichtperforirter Schalensubstanz,
da wo die Septen in die Kammerwände übergehen, während letztere sonst von fein-
perforirter Schalenmasse (k, k) gebildet werden.
4d u. e. Fragmente der perforirten Schalensubstanz einer Operculina bei starker Vergrösse-
rung (250), die Zusammensetzung derselben aus Säulchen, die von je einem Porenkanal
durchbohrt werden, zeigend.
5. Ausgewachsenes Exemplar von Heterostegina. a, b,c der verdickte peripherische
Rand des letzten Umfangs, d Gegend des Umfangs, wo die Scheidewände offen liegen.
Vergr. ca. 21],.
6a—c. Polystomella craticulata F. u. M. sp.
6a. Seitliche Ansicht eines Exemplars.
6b. Radialer Durchschnitt. a, a!, a® Durchschnitte von Kammerhöhlungen. 1,1, 1, 1!
exogene Schalenmasse, die hauptsächlich die Nabelhöhle völlig erfüllt, e, e, et, e!
Durchschnitte der Spiralkanäle.
6c. Steinkern. ee Spiralkanal der einen Seite in nahezu völligem Verlauf, d,d die
von ihm ausgehenden, am peripherischen Rand der Scheidewände verlaufenden
sogen. Meridionalkanäle; f die von- letzteren abgehenden zahlreichen Kanälchen,
durch welche die Meridionalkanäle mit den beiden sie überlagernden Kammern des
folgenden Umgangs in Communikation treten, wie dies bei c!, c! zu sehen ist.
s Stolonen, welche die Porenöflnungen der Septen durchsetzen ;*) k blindsackförmige,
peripherische Fortsätze der Kammerhöhlungen nach hinten zu.
Fig. 1a—c nach d’Orbigny (Ann. sc. nat. T. 7), die übrigen Figuren nach Carpenter
(Introduction).
*) Fälschlich gleichfalls blau angedeutet.
Rhizopoda. 2
BR SER SEN, DENT RE ET e Ben
Lich. Anst.Werker & Winter Frankfurt *M
Erklärung von Tafel XI.
Fig.
1 u. 2. Polystomella strigilata F. u. M. sp., nach M. Schultze (Organ. der Poly-
thalamien).
1. Stellt eine Schale in der Ansicht auf die Mündungsfläche dar; am inneren Rand der
letzten Kammerscheidewand (der Mündungsfläche) bemerkt man die Septalöffnungen (0)
zum Durchtritt der Sarkode. Die punktförmigen Gebilde auf der Mündungsfläche
sind keine Porenöffnungen, wie Schultze annahm, sondern nach Carpenter solide
Tuberkel. Vergr. 72.
2. Ein lebendes Thier mit zahlreichen hervorgestreckten Pseudopodien, welche jedoch
nur in der unteren Hälfte vollständig dargestellt und in Bezug auf die Vergrösserung
der Schale (72) um das 3—4fache verkürzt gezeichnet sind. Die Pseudopodien zeigen
lebhafte Körnchenströmung, hier und da eine Zusammenlegung zu kegelförmigen
Bündeln und an einigen Stellen Verschmelzung zu Sarkodeplatten. Auf der Schale
bemerkt man die centrale Ablagerung von solider Schalenmasse in der Nabelgegend;
die eigenthümlichen queren Rippen auf den Grenzen je zweier Kammern, in welche
blindsackförmige Verlängerungen von dem hinteren Rand der Kammern aus eintreten
und die zwischen diesen Rippen gelegenen spaltartigen Vertiefungen, die jedoch keine
in die Kammerhöhlungen führenden Spalten darstellen, wie M. Schultze fälschlich
annahm,
Tat. X.
Rhizopoda. '
AURUNE BIE vr
EVolk fee. Druck a dug Kärih, beinzig.
Fig.
Erklärung von Tafel XII.
1a—b. Nummulites distans Desh. Natürliche Grösse.
1a. Ansicht von der flachen Seite: die obere Hälfte ist in der Medianebene aufge-
schnitten, um die spiralen Umgänge der Kammern zu zeigen.
1b. Querschnitt der Schale.
2. Nummulites Meneghinii d’Arch. Querschnitt der Schale in 2facher Vergr., die
lichten Radialstriche sind die Säulchen von nichtperforirter Schalensubstanz.
3a—c. Nummulites Ramondi Defr.
3a u. b. Ansicht in natürlicher Grösse, a von der schmalen und b von der breiten Seite.
3c. Hälfte einer Schale vergrössert und das rechte Viertel in der Medianebene durch-
schnitten. Auf der linken Hälfte bemerkt man die für die Gruppe der Radiaten z. Th.
charakteristischen Radiärstreifen.
4a—b. Nummulites granulosa d’Arch. (Assilina d’Orb.). 4a Ansicht von der flachen
10.
und 4b von der schmalen Seite. Nat. Grösse,
. Nummulites mammillata d’Arch. (Assilina d’Orb.). Ansicht von der flachen Seite,
rechts oben z. Th. im medianen Durchschnitt; Vergr. 2.
. Nummulites Lucasanus (?) Defr. Sehr stark vergrössert und durch einen Quer- und
Medianschnitt so geöffnet, dass der innere Bau deutlich wird. a der Dorsalstrang mit
seinem Kanalsystem im Quer- und a! im Horizontalschnitt; b die Kammerscheidewände
mit ihrem Kanalsystem; c die geöffneten Kammerhöhlen; d feinperforirte Schalensubstanz ;
e Kegel von nichtperforirter Schalensubstanz. Exemplar von Kressenberg in Oberbaiern.
. Nummulites garansensis Leym. Ein Theil der Schale z. Th. so aufgebrochen,
dass die äussere Fläche eines inneren Umgangs freigelegt ist. Man sieht auf demselben
bei b! b! die seitlichen Flügelverlängerungen der Kammerscheidewände, die sich durch
zahlreiche secundäre Scheidewandbildungen so mit einander netzförmig verbinden, dass
eine grosse Anzahl secundärer Kämmerchen gebildet wird.
. Nummulites laevigata Lmk. Kleinerer Theil eines Radialschnitts, auf welchem die
Porenkanäle in den perforirten Theilen der Kammerwände (d') sehr deutlich hervor-
treten, im Gegensatz zu den dazwischengeschalteten Säulchen von solider Schalenmasse
(e) und dem, von dem Kanalsystem durchsetzten Dorsalstrang a. f sind die beiden
randlichen Hauptstränge des interseptalen Kanalsystems in dem hier erhaltenen Septum,
dessen Mündungsöffnung bei c zu bemerken ist.
. Nummulites laevigata Luk. Tangentialer Schnitt durch einen kleinen Theil der
Schale. Man bemerkt die medianen Hauptkammerhöhlungen b und in den dieselben
trennenden Septen die Durchschnitte der Interseptalkanäle f5 d perforirte Masse der
Kammerwände zwischen den mehrfachen Lagen secundärer Kämmerchen; e Säulchen
von nichtperforirter Schalensubstanz, die von den Septen der medianen Kammern ent-
springen und sich bis zur Oberfläche durch die gesammte Zahl der sich umfassenden
Kammerwände hindurch fortsetzen.
Nummulites laevigata Lmk. Kleiner Theil eines dünnen Medianschnitts, auf dem
der Dorsalstrang a mit seinem Kanalsysteın und die Scheidewände b mit ihrem Inter-
kanalsystem (f) deutlich hervortreten,
Fig.
11.
12.
13.
14.
15.
Fusulina longissima v. Möll. (Kohlenformation). Ansicht auf die Mündungsfläche,
die Mündung ist bei m deutlich zu sehen. Bei s ist die äussere Schalenwand abge-
rieben, so dass hier die wellenförmig verlaufenden Septen freigelegt sind.
Fusulina montipara Ehrbg. (Kohlenformation). Ansicht auf die Mündungsfläche.
Exemplar derselben Art, mit theilweis verloren gegangener Aussenwand der Schale, so
dass die Septen zu sehen sind, wie auch ein die Lage der Septalöffnungen bezeichnender
Mittelstreif.
Fusulina Bocki v. Möll. Aequatorialer Querschliff;, o die Embryonalkammer und s
die in die äussere Schalenwand eingekeilten Septen.
Theil eines Radialschliffes der Schale von Fusulina montipara Ehrbg. o die Em-
bryonalkammer und bei n die netzförmige Verzweigung und Verbindung der Septen
untereinander deutlich.
16a—b. Orbitoides (Discocyelina Gümb.) dispansa Sowb. (Tertiär). a Ansicht von der
Id:
18.
19.
20.
Flachseite, b von der Schmalseite. Natürl. Grösse.
Orbitoides (Asterocyelina Gümb.) priabonensis Gümb. Ansicht von der Flachseite.
Natürl. Grösse.
Orbitoides (Asterocyclina) stella Gümb. (Tertiär). Ansicht von der Flachseite.
Vergr. 5.
Orbitoides (Actinocyclina) variecostata Gümb. (Tertiär). Ansicht von der Flach-
seite. Natürl. Grösse.
Orbitoides papyracea Boubte sp. Ideale Darstellung eines kleinen Theils der
Scheibe bei stärkerer Vergrösserung. a a die Höhlen der Mediankammern mit ihren Com-
munikationsöffnungen (c); d die schiefen Communikationsgänge zwischen den secundären
Kämmerchen der Aussenlagen; ee Kegel von nichtperforirter Schalenmasse, mit dem
sie durchziehenden Kanalsystem; h Kanalsystem in den Wandungen der Mediankammern.
Vergr. ca. 45.
. Orbitoides papyracea Boubee sp. Ideale Darstellung eines Theils der Scheibe
eines Exemplars, das sowohl durch einen Quer- als durch einen horizontalen Durchschnitt
geöffnet worden ist. Man bemerkt die mediane Lage der Hauptkammern (a) und die
dieselben überdeckenden Lagen von Kämmerchen (b). Im Horizontalschnitt ist die An-
ordnung der medianen Kammern in der Fläche zu sehen. Vergr. nahe 20.
. Horizontaler Durchschnitt durch die Kammern der medianen Lage von Orbitoides
Mantelli Morton sp. Man sieht einige Kammern zweier Ringe in ihrer alternirenden
Stellung und bemerkt die schiefen Communikationsgänge (a b) zwischen den einzelnen
Kammern der verschiedenen Ringe, sowie eine Andeutung ähnlicher Communikationen
zwischen den Kammern desselben Ringes bei a’. h Kanalsystem. Vergr. ca. 30.
Figg. 1—5 u. 7 nach d’Archiac u. Haime (Descer. d. anim. foss. de I’Inde); Figg. sS—10
u. 20—22 nach Carpenter (Introduction); Fig. 6 nach Zittel (Handbuch der Palaeontologie) ;
Figg. 11—15 nach v. Möller (M&m. Acad. St. Petersb. 7. str. Bd. 25); Figg. 16—19 nach
Gümbel (Abh. d. bair. Akad. Bd. 10).
Rhizopoda.
>>
. &
222224
CL Sc a #55
EART ES
Lith.Anst.vWerner & Winter, Frankfurt 2M\
Fig.
!:
Erklärung von Tafel XII.
Orbitoides (Asterocyelina) stellata d’Archiac (Tertiär). Ansicht der abgeplatteten
Fläche. Vergr. 5.
2a—b, Tinoporus vesicularis P. u. J. (Recent),
3,
2a. Aeussere seitliche Ansicht eines konischen Exemplars. Vergr. ca. 10.
2b. Ideale Darstellung eines kleinen Theils des Inneren, um den inneren Bau zu zeigen.
Die kleinen, in grosser Zahl übereinandergelagerten Kammern stehen durch grössere
Oelfnungen (a) in ihren vertikalen Scheidewänden und durch zahlreiche feinere
Poren, welche die siebförmigen, horizontalen Scheidewände (b) durchlöchern, in
Verbindung.
Tinoporus baculatus Defr. (Recent). Ein langstrahliges Exemplar von der Breitseite
gesehen. Vergr. ca. 15.
4—7. Zur Örientirung über die Organisation der sogen. Dactyloporideen, bis vor
8.
Kurzem fast allgemein für Foraminifera in Anspruch genommen, jetzt hingegen als
Kalkalgen erkannt.
4. Dactylopora (Haploporella Gümbel) eruca P. u. J. (Recent). Ansicht von der
Flachseite;, man bemerkt am concaven Innenrand die Mündungen (0) der vermeint-
lichen Kämmerchen. (Wahrscheinlich nur aus dem Zusammenhang gelöstes Stück
eines Ringgliedes.) Vergr. 15.
5a u. b. Dactylopora (Haploporella Gümb.) annulus P. u. J. (Tertiär).
5a. Zwei zusammenhängende Ringglieder, Kalkhüllen der äusseren, ringförmig
geordneten Zellen der Alge (von der schmalen Seite gesehen).
5b. Ansicht eines solchen Ringes von der Breitseite. Vergr. ca. 25.
6. Dactylopora (Dactyloporella Gümb.) eylindracea Lmk. (Tertiär). Ein Exemplar
von einfachstem Bau, nahezu 10 Mal vergr.
7. Theil eines Längsdurchschnittes durch eine Dactylopora cylindracea Lmk. Der
weite röhrenförmige Hohlraum wird nach Munier-Chalmas im Leben von der Öentral-
zelle ausgefüllt, nach früherer Auffassung war derselbe von Sarkode erfüllt. Bei a, a,
sind die ringförmig geordneten sogen. Kammerhöhlungen Carpenter's im Durchschnitt
blossgelegt, nach M.-Ch. zur Einlagerung der Sporangien dienend. Die Kanäle d, d
dienten zur Einlagerung einer äusseren Lage langgestreckter Hüllzellen, wogegen die
von dem ringförmigen Hohlraum (b, b) in die Gentralhöhle führenden kurzen Kanäle
zur Einlagerung einer inneren Schicht solcher Hüllzellen dienten. Vergr. ca. 25.
Ideale Darstellung des Baues von Eoozoon canadense nach der Auffassung von Carpenter
und Dawson. Die Figur stellt ein kleines, durch die Anbringung mehrerer nach ver-
schiedenen Richtungen geführter Schnitte aus einer Eozoonmasse ausgeschnittnes Stück
dar. Dasselbe zeigt drei Kämmerchenlagen (k, k), die hier hohl dargestellt, im natür-
lichen Verhalten dagegen mit Serpentin erfüllt sind. Direct umkleidet werden diese
Kämmerchen von der sogen. feinporösen, eigentlichen Kammerwand (k‘), der feinfaserigen
Chrysotillage der Gegner. Zwischen die Kämmerchenlagen mit ihren Kammerwänden
eingeschoben findet sich das sogen. Zwischenskelet (sk) (die Kalkschichten), welches von
dem verästelten sogen. Zwischenkanalsystem (c) durchsetzt wird. Bei v finden sich weitere,
stolonenartige Communikationen zwischen benachbarten Kämmerchen und ebenso bei st
ähnlliche stolonenartige Kanalräume, die sich durch das Zwischenskelet von der einen bis
zu der gegenüberliegenden Kammerwand erstrecken.
Fig.
9. Stromatopora tuberculata Nich. (Corniferous limestone). Kleines Stück in ungefähr
natürlicher Grösse; zeigt deutlich die wellenförmig in Tuberkel sich erhebende Ober-
fläche, welche rauh und granulirt erscheint. Die verwitterte seitliche Bruchfläche dagegen
gibt eine Vorstellung von der lamellösen Zusammensetzung des Ganzen.
10. Theil eines Vertikalschliffs einer sogen. Stromatopora striatella d’Orb. Man bemerkt sehr
deutlich die ziemlich regelmässig geordneten Lamellen (l) und die sie trennenden Inter-
lamellarräume (il). Zwischen den aufeinanderfolgenden Lamellen sind die Pfeiler (pf)
ausgespannt. Vergr. ca. 18.
11a—e. Vampyrella lateritia Fres. sp. (spyrogyrae Cienk.).
a. Kriechendes Exemplar; v nichtcontraktile Vacuolen, N grünliche Nahrungskörper,
wahrscheinlich aufgenommenes Chlorophyll. Vergr. ca. 900,
b. Ein in Nahrungsaufnahme begriffenes Exemplar, saugt eine Spirogyrazelle aus,
f der Inhalt der Zelle, der im Begriff ist, in die Vampyrella überzutreten; N dem
Vampyrellakörper schon einverleibte” Chlorophylikörner. Vergr. ca. 180.
c. Eine Verdauungseyste mit viergetheiltem Inhalt (Zellzustand nach Cienkowsky); einer
der Sprösslinge im Heraustreten begriffen; z sogen. Zellhaut, N ausgeschiedne, unver-
daute Nahrungsreste. Vergr. ca. 270.
d. Aehnliche Cyste mit weiter herausgetretnem Sprössling. Vergr. ca. 270.
e. Ruhezustand (mehrhüllige Cyste); z sogen. Zellhaut, c warzige Cystenhaut, N aus-
geschiedne Nahrungsreste, Vergr. ca. 250.
12a—b. Vampyrella pendula Cienk.
a. Ruhezustand (mehrhüllige Cyste), s sogen. Schleier (gallertige Hüllschicht?), z Zellhaut,
st stielförmiger Fortsatz der Zellhaut, c Cystenhaut, N Nahrungsreste. Vergr. ca. 320.
b. Verdauungseyste (Zellzustand nach Cienkowsky), st der starre Fadenstiel, s Schleier,
N Nahrung. Vergr. ca. 320.
13a—b. Vampyrella gomphonematis Häck.
a. Zwei Gomphonemazellen von einer Vampyrella überzogen, die in das Innere derselben
einzudringen beginnt. Vergr. 350.
b. Encystirtes Exemplar, in 4 Sprösslinge (Tetrasporen) zerfallen; z Cystenhülle, o Stiel-
ende der Gomphonema, auf welchem die Cyste aufsitzt und das in die Cystenwand
eingebettet ist. Vergr. ca. 420.
14a—b. Myxastrum radians Häck.
a. Eine kieselschalige Specialeyste (Spore), durch radiale Zerklüftung und nachträgliche
Encystirung der Theilprodukte des Mutterorganismus hervorgegangen. Der Sarkode-
inhalt (k) im Begriff auszuschlüpfen. ce Specialcystenhülle (Sporenschale). Vergr. ca. 350.
b. Der aus einer Specialeyste ausgeschlüpfte Sprössling, welcher auf seiner ganzen Ober-
fläche zahlreiche Pseudopodien entwickelt und dadurch eine dem Mutterorganismus
sehr ähnliche Gestalt erlangt hat. Vergr. ca. 350.
Fig. 1 nach Gümbel, Abh. d. bair. Akad. X; Figg. 2—7 nach Carpenter, Introduction;
Fig. S nach Carpenter, Ann. m. n. h. IV. 13; Figg. 9 u. 10 nach Nicholson, Journ. Linnean
soc. Zoolog. Vol. XIV; Fig. 11a nach Hertwig u. Lesser, Arch. f. m. An. X, Supplem.;
Figg. 11b—e u. 12 nach Cienkowsky, A. f. mikr. An. I; Fige. 13—14 nach Häckel, Jenaische
Zeitschr. IV.
Lith.Anst r Werner 4 Winter Frankfet AN
Erklärune von Tafel XIV.
fee)
Fig.
1a—b. Nuclearia delicatula Cienk. (Heterophrys varians F. E. Schulze).
a. Ein nacktes, kriechendes Thier mit 4 sichtbaren Kernen (n) und einer Anzahl con-
tractiler Vacuolen (cv) in der Randpartie, nebst 2 als Nahrung aufgenommenen Dia-
tomeen (N). Vergr. 300.
b. Ein von einer Gallerthülle (g) umschlossnes Thier mit vielen dunklen Körnchen und
einigen Nahrungskörpern. Vergr. 200.
2a—b. Nuclearia simplex Cienk.
a. Eine Cyste mit doppelter Hülle, z äussere, c innere Cystenhülle.. N unverdaute
Nahrungsreste, die vor Bildung der innern Specialcyste ausgestossen wurden. _
b. Eine ähnliche Cyste, deren Inhalt sich jedoch vor der Bildung der Specialcyste vier-
getheilt hat.
3. Eine Kolonie der Monobia confluens Aim. Schneider. Vergr.?
4. Lithocolla globosa F. E. Schulze. Vergr. 400.
. Elaeorhanis cincta Greeff. Mit vorzüglich aus Diatomeenschalen aufgebauter loser
Hülle; o gelbe öltropfenartige Kugel. Vergr. ca. 520.
6a—h. Actinolophus pedunculatus F. E. Sch.
a. Gewöhnliches, nicht encystirtes Exemplar. n der excentrisch gelegene Kern; k das
Centralkorn der Markmasse; p der Stiel. Vergr. ca. 270.
b. In Encystirung begriffnes Exemplar; z die Lage von Kieselplättchen, die sich auf der
Gallerthülle bildet und die sich auch auf den Stiel fortsetzt. Kern (n) zu zweien
vermehrt; p Stiel, in dem die zarten Fäden bis zu dem Protoplasmakörper des Thieres
zu verfolgen sind. Vergr. ca. 480.
7a—d. Actinophrys sol. Ehrbg.
a. Ein Exemplar, das die vacuolisirte ansehnliche Rindenschicht (R, Ectosark) und das
feingranulirte Entosark (M) deutlich zeigt. Letztres umschliesst den central gelegnen
Kern (n), bis zu dessen Oberfläche die Axenfäden (ax) der Pseudopodien zu verfolgen
sind. cv die contractile Vacuole; N ein in einer ansehnlichen Nahrungsvacuole ein-
geschlossner Nahrungskörper. Vergr. ca. 800.
b. Eine Kolonie von 4 Individuen, nach Behandlung mit Essigsäure. R Ectosark, M Ento-
sark, n Nuclei; N grössere und kleinere von Vacuolen umschlossne Nalhrungskörper
in den Verbindungsbrücken zwischen den Individuen; v, v anschnliche Vacuolen.
c. Cyste von Actinophrys sol; z äussere Cystenhülle (sogen. Zellhaut Cienkowsky’s);
c innere Cystenhülle (sogen. Cystenhaut).
or
d. Eine aufgesprungne Cyste, aus der die junge Actinophrys hervortritt. Die sogen.
Cystenhaut (c) umschliesst dieselbe noch, obgleich schon Pseudopodien entwickelt
sind und auch die contractile Vacuole (cv) schon ihr Spiel begonnen hat.
$a—b. Zwei isolirte Kerne von Actinosphaerium Eichhorni Ehrbg. nach Behandlung
mit Essigsäure (1°/,).
Figg. 1, 4, 6 nach F. E. Schulze (Arch. f. mikr. A. X); Figg. 2 u. 8 Original; Fig. 3
nach Aim. Schneider (Arch. zoolog. exper. VII); Fig. 5 nach Greeff (A. f. m. A. XI); Fig. Ta
nach Grenacher (Verh. d. physik.-med. Ges. Würzburg N. F. L); Fig. 7b nach Stein (Die
Infusionsthiere etc.); Fig. Tc u. d nach Cienkowsky (A. f. m. A. I).
Lith Anatw Werner a Winden Frankfurt #
Erklärung von Tafel XV.
Fig-
1a--b. Actinosphaerium Eichhorni Ehrbg.
a. Ganzes Exemplar. M die Markmasse mit zahlreichen Kernen (n); R die Rinden-
schicht: ev die contractilen Vacuolen. Vergr. ca. 200.
b. Ein oberflächlicher Theil des Körpers im optischen Durchschnitt. R, die Rinden-
schicht mit ihren grösseren Vacuolen; M die äussere Region der Markschicht mit
kleineren Vacuolen. In letztre bei n Kerne und bei ch Chlorophylikörner eingelagert.
ax die Axenfäden der Pseudopodien, die bis in die äusserste Region der Markmasse
zu verfolgen sind.
c. Öyste mit zahlreichen kieselschaligen Keimmkugeln; z deren Kieselhülle, n ihr Nucleus;
g die Gallerthülle der Oyste.
2. Heterophrys marina H. u.L. Ganzes Thier mit der eigenthümlichen Hülle. M Mark-
schicht, R Rindenschicht, n Nucleus. Vergr. ca. 660.
3a—b. Sphaerastrum conglobatum Greeff,
a. Kolonie zahlreicher Thiere. Vergr. ca. 220.
b. Ein einzelnes Individuum, um die eigenthümliche Beschaffenheit der Hülle besser zu
zeigen. n Kern. Vergr. ca. 460.
4. Pompholyxophrys exigua H. u. L. Vergr. ca. 550.
1a—b, 2 u. 4 nach Hertw. u. Lesser (A. f. m. A. X, Suppl.); Fig. 3 nach Greeff
(A. eh m. Er XI); Fig. 1c nach F. F. Schulze (A. f. m. A. X).
i re N)
N AXIS
‚90
Taf. xy,
Lith.dnstw Werner & Winter Frankfart ih
Erklärung von Tafel XVI.
Fig.
‚ Astrodisculus ruber Greeff. Mit grosser rother centraler Pigmentkugel (p) und
or
zahlreichen rothen Pigmentkörnchen des Protoplasmas, die auch auf die Pseudopodien
hinauswandern. g die homogen erscheinende Hülle von zweifelhafter Beschalfenheit.
Vergr. 320.
. Raphidiophrys pallida F. E. Sch. Thier mit von der Nadelhülle etwas zurück-
gezognem Protoplasmakörper. n excentrisch gelagerter Kern. k das Centralkorn in dem
sich sämmtliche Axenfäden vereinigen; 4 contractile Vacuolen vorhanden (cv); N als
Nahrung aufgenommene Diatomee, auf der entgegengesetzten Seite findet sich noch eine
solche und ausserdem schliesst das peripherische Plasma zahlreiche Körner ein. Vergr.
ca. 430.
. Raphidiophrys elegans H. u. L. Kolonie von $ Individuen mit gemeinsamer
Skelethülle. n Nucleus. Die dunklen Körner im Protoplasma sind Chlorophylikörner.
Vergr. ca. 430.
. Pinacocystis rubicunda H. u. L. Ein Thier mit zahlreichen braunen Pigment-
körnern; sk die aus zahlreichen runden Plättchen aufgebaute Skelethülle. R die Rinden-,
M die Markschicht, n der Nucleus. Vergr. ca. 520.
. Pinaciophora fluviatilis Greeff, Kieselgebilde der Skelethülle. a. die Kiesel-
plättchen in ihrer natürlichen Zusammenlagerung am Rande der Schale, man bemerkt bei
dieser Ansicht die sie durchsetzenden Porenkanäle; b. isolirtes derartiges Plättchen im
optischen Durchschnitt, mit Porenkanälen (nach Greeff „von der Seite gesehen“). c, Einige
Plättehen in der Flächenansicht in natürlicher Zusammenlagerung. Vergr. 8S00—1000.
6a—b. Acanthocystis turfacea Cart. (nach Greeff).
a. Ganzes Thier, etwas comprimirt, der optische Durchschnitt gezeichnet. st lange und
kurzgegabelte Skeletstacheln. st! kurze und tiefgegabelte Skeletstacheln; h äusserste
feinkörnige Sarkodeschicht, die nach Greeff sich zwischen die Skelethülle und das
eigentliche Ectosark (R) einschiebt. Dies letztere ist erfüllt von zahlreichen blassen und
grünen Körnern, sowie Vaeuolen ünd durchzogen von den Axenfäden der Pseudo-
podien. M? wahrscheinlich die Markmasse- (das centralkapselartige Gebilde Greelff’s),
n wahrscheinlich der Nucleus, in dessen Centrum die Axenfäden nach Greelf sich
vereinigen sollen. Ueber die wahrscheinliche Deutung dieser Greeff’schen Darstellung
vergl. im Text das Nähere. Vergr. ca. 240.
b. Isolirter langer und kurzgegabelter Skeletstachel mit deutlichem Fussplättchen,
7a—c. Acanthocystis aculeata H. u. L. Vergr. ca. 760.
u. 4
Fig.
a. Exemplar nach Behandlung mit Osmiumsäure und Garmin; R die körnige Rinden-
schicht; M die feingranulirte Markmasse, excentrisch gelegen und bis an die Ober-
fläche des Thierkörpers heranragend. n der sehr excentrisch gelegene Nucleus. In
der Markmasse treten die Axenfäden deutlich hervor, und vereinigen sich im Gentrum
mit einem Üentralkorn.
b. Exemplar mit zwei Knospensprösslingen, von welchen der eine im Austreten aus der
Skelethülle begriffen ist. n Nuclei.
ce. Der Sprössling nach dem Austritt, hat durch Entwicklung zweier Geisseln eine
Flagellatengestalt angenommen (n der Nucleus).
Fig. 1 nach Greell (Arch. f. m. A. V): Fig. 2 nach Schulze (A. f. m. A. X); Figg. 3
nach Haytwig u. Lesser (A. f. m. A. X, Suppl.); Figg. 5 u. 6 nach Greell (A. f. m. A. XI);
-
7 nach R. Ilertwig (Jenaische Zeitschr. X1).
Lit,
Anst
v. Werner
4 Wintner
Frankiet
in
N
Erklärung von Tafel XVII.
Kig.
1a—f. Clathrulina elegans Cienk.
1a. Ein ganzes Thier. Vergr. ca. 150—200.
1b. Ein kleiner Theil der Wand der Gitterschale stärker vergrössert, um die Rinnen auf
der Aussenseite der Netzbalken zu zeigen. Vergr. ca. 300.
1c. Ein Exemplar mit zwei durch Theilung des Thierkörpers hervorgegangnen Üysten;
z, deren Üystenhülle.
1d. Ein Schwärmsprössling. n dessen Nucleus, cv contractile Vacuolen.
1e. Eine Üyste mit feingestachelter Kieselhülle. a
1f. Eine jugendliche, noch nackte Clathrulina. N in Vacuolen eingeschlossner Nahrungs-
körper; cv, contractile Vacuole.
2. Hedriocystis pellucida Hertw. Ein Exemplar mit der Schale sk, dem Nucleus n
und zwei contractilen Vacuolen cv.
3a—b. Thalassicolla (Thalassophysa Häck. 18S1) pelagieca Häck.
3a. Ein lebendes Exemplar. ck die Centralkapsel mit zahlreichen peripherischen Oel-
kugeln und dem grossen Nucleus n (Binnenbläschen). In der Gallerte massenhafte
Entwicklung von extrakapsulären Vacuolen alv (Alveolen), gz die gelben Zellen.
Vergr. ca. 25.
3b. Ein isolirter Nucleus (Binnenbläschen) mit blindsackförmigen Ausstülpungen bedeckt
und einem wurmförmig gewundnen Nucleolus nel.
4a—e. Thalassicolla nucleata Hal.
4a. Ein lebendes Exemplar bei schwacher Vergrösserung (ca. 3); ck die von schwarzem
Pigment dicht umhüllte Centralkapsel; aly die Vacuolen (Alveolen) in zwei Zonen
um die Centralkapsel gelagert, einer inneren, welche aus kleineren Vacuolen besteht
und einer äusseren mit sehr ansehnlichen Vacuolen.
4b. Ein reifer (links) und ein unreifer (rechts) Schwärmsprössling; n deren Zellkern.
4c. Ein Stück der Centralkapselmembran; zeigt auf der Fläche deutlich die punktförmigen
Poren, welche in polygonalen Feldern zusammengruppirt sind; an dem Umschlags-
rand treten die Porenkanäle sehr deutlich als eine feine Strichelung des optischen
Durchschnitts der Membran hervor.
4d. Kleines peripherisches Stück eines radialen Durchschnitts einer Öentralkapsel. Zeigt
deutlich die Radiärstreifung des peripherischen Plasmas der Centralkapsel, das an-
sehnliche Eiweisskugeln einschliesst (v); ckw die Gentralkapselwand mit den Poren-
kanälen.
4e, Stück eines Querschnittes durch die Centralkapsel eines in Vorbereitung zur Fort-
pflanzung begriffenen Thiers; im Protoplasma zahlreiche Haufen von Kernen (n)
und Eiweisskugeln, welche Concretionen einschliessen (ve).
Figg. la—b, le nach Greefl (Arch. f. mikr. Anat. V); Fig. ic nach Cienkowsky (Arch.
f. m. A. III); Figg. 1d. 1f und 2 nach Hertwig und Lesser (Arch. f. m. A. X, Suppl.); Figg. 3a,
4c nach Häckel (Radiolarien): Figg. 4a, 4b, 4d—e nach R. Hertwig (Zur Hist. d. Radiolarien).
Lirh. Ansı v. Werner alinter Pornkfeti
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Erklärung von Tafel XVIL.
Fig.
la—d. Von Thalassicolla nucleata Hx. (siehe auch vorhergehende Tafel).
la. Nucleus (Binnenbläschen) eines Exemplars, mit zahlreichen eigenthümlich beschaffenen
Nucleoli (nel). Kleine Kerne waren ausserdem im Centralkapselplasma enthalten.
ib. Radialer Schnitt durch eine Centralkapsel. n der grosse Nucleus (Binnenbläschen),
ncl dessen Nucleoli. Im Öentralkapselplasma innen Eiweisskugeln ohne Concremente,
nach aussen solche mit Concrementen (ve), hierauf die radiärstreifige peripherische
Plasmaschicht.
1c. Nucleus mit sehr zahlreichen kleinen Nucleoli, die wahrscheinlich durch successiven
Zerfall des ursprünglichen Nucleolus hervorgegangen sind.
Id. Inhalt der Centralkapsel einer Thalassicolla; darin zahlreiche Eiweisskugeln mit
Concretionen und Krystalliten (ve), ferner Oelkugeln (oe), sowie kleine kuglige bis
spindelförmige Bläschen (? Kerne). Vergr. ca. 300.
2. Thalassicolla sanguinolenta Hck. Ein durch Aufnahme von Coccolithen in die
Gallerte deformirtes Exemplar; sogen. Myxobrachia pluteus Häckel’s. ck die Gentral-
kapsel mit dem Nucleus n; gf die armartigen Gallertfortsätze, in deren Endknöpfchen
sich die Coceolithen angehäuft finden. Vergr. 6.
3. Kieselkörper von Thalassosphaera Morum J. M. sp. Vergr. ca. 400.
4. Eine Kieselnadel von Thalassosphacra (Thalassoxanthium Hck. 1581) bifurca Häck.
Vergr. 550.
5. Ein kleines Randstück des Physematium Mülleri Schnd. ck die Membran der
Centralkapsel, nach aussen davon die extrakapsuläre Sarkode mit gelben Zellen (gz) und
Pseudopodien. Unter der Centralkapselwand Gruppen von je vier sogen. centripetalen
Zellen (z), welche peripherisch je eine Oelkugel (oe) zwischen sich nehmen. Dazwischen
im Protoplasma grosse Vacuolen (v) und wahrscheinlich auch Kerne. Vergr. ca. 400.
6a—p. Collozoum inerme J. M. sp.
6a—c. Verschiedne Formen von Kolonien in natürlicher Grösse.
6d. Eine kleine Kolonie bei stärkerer Vergrösserung (ca. 25). ck die Gentralkapseln mit
der centralen Oelkugel: alv die Gallerte mit den extrakapsulären Vacuolen (Alveolen).
be. Eine junge Centralkapsel, n die Kerne.
6f. Eine Öentralkapsel mit grosser centraler Oelkugel (oe) und einem Kranz kleiner, um
welche die Kernhaufen n rosettenförmig gruppirt sind. An jedem Kernhaufen liegt
weiterhin ein Aggregat von Fettkörnchen.
65. Isolirte Kernhaufen dieses Stadiums.
6h. Die Kerne der Haufen haben sich mit einem Antheil des Protoplasmas der Öentral-
kapsel umhüllt und sind derart Zellhaufen entstanden, aus welchen die Schwärmer
hervorgehen. g2 gelbe Zellen.
bi. Ein derartiger Zellhaufen isolirt. n die Zellkerne.
6k. Gentralkapsel mit zahlreichen Kernen und in Bildung begriffnen krystallinischen
Stäbchen.
6]. Gentralkapsel, deren Plasma entsprechend der Kernzahl in Anlagen der Schwärm-
sprösslinge zerfallen ist, von welchen jede ein krystallinisches Stäbchen einschliesst.
In Figg. 6k und 1 die gelben Zellen gz angeblich in Zerfall (nach Hertwig).
bın. Zwei Schwärmsprösslinge ohne Krystalle. Aus Öentralkapseln wie Figg. 6f und Iı
hervorgegangen.
6n. Zwei Schwärmsprösslinge mit je einem krystallinischen Stäbchen k aus Gentralkapseln
wie Figg. 6k und | hervorgegangen.
bo. Eine Oentralkapsel mit sogen. extrakapsulären Körpern K in der extrakapsulären
Sarkode, den Anlagen neuer Centralkapseln nach Stuart und Gienkowsky.
6p. Ein solch extrakapsulärer Körper nach Behandlung mit Chromsäure. oe centraler
Haufen von Oelkugeln, darum Kerne n.
7. Verschiedne Entwicklungszustände von Kieselnadeln des Sphaerozoum punctatum J.M.
Figg. Ja—c, 6e—p nach R. Hertwig (Zur Hist. d. Radiol.); Figg. 1d, 2, 4, 5, 6a—d
nach Häckel (Monographie); Fig. 3 nach J. Müller (Abh. 1858); Fig. 6a oben und 6m rechts.
sowie 7 nach K. Brandt (Monatsber. Berl. Akad. 1881).
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Radiolaria. (Collida u. Sphaerozoida).
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Erklärung von Tafel XIX.
Fig.
I. Zwei Kieselspicula von Sphaerozoum italicum Heck. Vergr. ca. 400.
2. Ein Spieulum von Sphaerozoum spinulosum J. M. Vergr. 300.
3. Randliche Partie einer Kolonie von Sphaerozoum neapolitanum Brandt. ck Central-
kapseln, angeblich membranlos; alv extrakapsuläre Vacuolen; gz gelbe Zellen. Vergr. ca. 60.
4a—k. Kerne aus der Gentralkapsel von Sphaerozoidenarten. a. homogener Kern, gewöhn-
liches Vorkommen. b. Kern bei Beginn der Bildung von Makro- und Mikrosporen,
c—d. Theilungsstadien der homogenen Kerne von Sphaerozoum punctatum. e—k. diffe-
renzirte Kerne, wie sie sich im Verlaufe der Schwärmerentwicklung ausbilden. h—k. Thei-
lungszustände derartiger Kerne. Vergr. 1000.
5a—d. Collosphaera Huxleyi J. M.
>a. Die Hälfte einer kugligen, lebenden Kolonie. Im Centrum eine grosse Vacuole (alv,),
von einem Protoplasmanetz umgeben, hierauf folgen in der Grallerte zunächst kleine
jugendliche und nackte Centralkapseln, von welchen einige in Theilung begriffen
sind und nach aussen erwachsene, ältere, von Kieselschale umhüllt (ck). Zahlreiche
gelbe Zellen an den Pseudopodien. Vergr. ca. 50.
5b. Isolirte Centralkapsel von der Gitterschale umhüllt. Die Kapsel schliesst zahlreiche
Krystalle und eine grosse centrale Oelkugel ein. Vergr. ca. 250.
5c, Zwei Schwärmsprösslinge.
5d. Isolirte Krystalle aus der Üentralkapsel.
6a—i. Gelbe Zellen verschiedner Radiolarien; a--c, e—g von Sphaerozoiden; a normale
gelbe Zelle, b, e Theilungszustände solcher Zellen mit Bildung mittlerer Scheidewand,
d viergetheilte Zelle; e veränderte gelbe Zelle nach K. Brandt; 6f amöboide gelbe Zelle
aus der Gallerte abgestorbner Sphaerozoöen, der Körper ist von dicker Gallerthülle um-
geben, welche durch Umbildung der Cellulosemembran entstanden ist; 6g eine derartige
Zelle in Theilung; 6h und i zwei derartige Zellen, welche sich durch Ausschlüpfen aus
ihrer Gallerthülle häuten, bei i wiederholt sich dieser Vorgang zum zweiten Mal (nach
Öienkowsky). Vergr. ca. 4—500.
. Siphonosphaera sp. Einzelne Gentralkapsel ck mit der von geöffneten Röhrchen be-
setzten Schale sk.
S. Cenosphaera setosa Ehrb. Etwas zerbrochne Schale. (Philippinischer Ocean.)
Vergr. 100.
9. Acanthosphaera (Genosphaera) megapora Ehrb. (Barbados). Vergr. 100,
10. Magosphaera laevis Ehrb. Schale (Philipp. Ocean). Vergr. 100.
11. Trisolenia megalactis Ehrb. Schale (Philipp. Ocean). Vergr. 100.
12. Tetrasolenia quadrata Ehrb. Schale (Indischer Ocean). Vergr. 100.
13. Polysolenia setosa Ehrb. Schale (Philipp. Ocean). Vergr. 200.
14. Etmosphaera siphonosphaera H. Schale. Vergr. 300. (Mittelmeer.)
15. Cyrtidosphaera reticulata H. Schale. Vergr. 200. (Mittelmeer.)
16. Heliosphaera tenuissima H. Die Üentralkapsel ck enthält einen sehr ansehnlichen
Kern n mit zwei Nucleolen (ncl); das intrakapsuläre Plasma, in zahlreiche radiäre, keil-
förmige Partien gesondert, enthält Oelkügelchen.
—t
ligg. 1, 2, 5a—b, 6d, 14 und 15 nach Häckel (Monographie); Figg. 3. 4, 6a—c und
e—g nach K. Brandt (Monatsber. d. Berl. Akad. 1581); Figg. 5c links und 6h—i nach Cien-
kowsky (A. f. mikr. An. Bd. VID, Fig. 5d nach J. Müller (Abh. 1858); Fig. 7 nach Huxley
(Ann. mag. n. h. [IL] VIID:; Figg. 8, 10—13 nach Ehrenberg (Abh. 1872) und Fig. 9 (Abh.
1875); Figg. 5c rechts und 16 nach R. Hertwig (Der Organismus der Radiolarien).
Radiolaria. (Sphaerozoida u.Sphaeridea). Taf. AR.
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Erklärung von Tafel XX.
1. Heliosphaera (Phormosphaera Hek. 1881) inermis H. Lebendes ganzes Thier, sk die
Schale, ck die Centralkapsel und n der Nucleus (Binnenbläschen). Vergr. ca. 400.
(Mittelmeer.)
. Heliosphaera echinoides Hek. Schale, polare Ansicht. Vergr. ca. 400. (Mittelmeer.)
. Raphidococcus acufer Heck. Schale. Vergr. 300. (Mittelmeer.)
. Cladococeus cervicornis Hck. Etwas mehr wie die Hälfte eines lebenden Thiers
mit zahlreichen ausgestreckten Pseudopodien. Die ansehnliche Centralkapsel (ck) um-
schliesst die Kieselgitterschale (sk) gänzlich und die centralen Abschnitte der verzweigten
Radialstacheln zum Theil. Zahlreiche gelbe Zellen in der extrakapsulären Sarkode.
Vergr. 160. (Mittelmeer.)
5a—c. Diplosphaera Hck. (Mittelmeer.)
5a. Centralkapsel von Diplosphacra ? gracilis Häck. Dieselbe entwickelt zahl-
reiche blindsackartige Ausstülpungen, welche sich durch die Maschen der Gitter-
kugel hindurch drängen--und dieselbe verdecken, so dass nur die Basalenden der
Radiärstacheln sichtbar sind.
5b. Die isolirte Centralkapsel (ck) von Diplosphacra spinosa Hertw. mit ansehnlichem
Nucleus n, welcher zahlreiche Nucleo'en einschliesst. Das intrakapsuläre Protoplasma
radiär streifig differenzirt.
5c. Ganzes lebendes Thier von Diplosphaera spinosa Hertw., das Skelet jedoch nur
z. Th. sichtbar. ck die Centralkapsel mit dem ansehnlichen Nucleus K und gelben
Zellen in ihrem Umkreis. Sk die kuglige Gitterschale mit den radialen Stacheln,
deren Enden mit quirlartig gestellten Seitenästchen besetzt sind und durch zarte
Kieselfäden, welche sich zwischen den benachbarten Stacheln ausspannen, verbunden
werden.
6. Arachnosphaera myriacantha H. Die Gitterkugel mit drei Radialstacheln in
vollständiger Entwicklung. Die übrigen Stacheln dicht oberhalb ihrer Basis abgeschnitten.
Vergr. 200. (Mittelmeer.)
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Figg. 1-4. und 6 nach Häckel (Monographie); Figg. Ja—e nach Hertwig (Organ. der
Radiolarien).
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1. Haliomma Erinaceus Heck. Ganzes Thier mit der Rindenschale sk‘ und der damit durch
Radialstäbe verbundnen Markschale sk; letztere wird umschlossen von dem Kern (Binnen-
bläschen n) der Centralkapsel Ck. Im Plasma der letzteren einige Coneretionen c.
3. Isulirte Centralkapsel Ck einer Haliomma sp., dieselbe umschliesst den ansehnlichen
Kern n‘, daneben jedoch noch einige kleinere Kerne n; ersterer umhüllt die Mark-
schale sk mit davon abgehenden Radialstäben.
3a—b. Actinomma Asteracanthion Heck.
3a. Das Kieselskelet. Die Markschale sk ist durch theilweises Wegbrechen der ersten
(sk‘) und zweiten Rindenschale (sk) sichtbar gemacht. Sechs radiale Stäbe, welche
sich über die zweite Rindenschale in anschnliche Stacheln verlängern, stellen die
Verbindung zwischen den drei concentrischen Gitterschalen her. Vergr. 260.
3b. Ganzes Thier im optischen Durchschnitt in der Ebne von vier Stacheln. sk” die
äussere Rindenschale, sk‘ die innere, welche von der Gentralkapsel Ck umschlossen
wird; sk die in dem Kern n eingeschlossne Markschale.
4. Stylosphaera (Amphistylus Heck. 1881) sulcata Ehrbg. — Kieselskelet. sk die
Markschale, sk‘ die erste, sk“ die zweite Rindenschale. Barbados. Vergr. ca 250.
5. Actinomma (Rhodosphaera ? Hek. 1581) echinata Ehrbg. sp. sk die Markschale,
sk’ die erste, sk“ die zweite Rindenschale. Barbados. Vergr. ca. 130.
6. Actinomma (Stauracontium oder Hexadrymium Heck. 1881) Entactinia Ehrbg. sp.
Skelet. Die zweite Rindenschale sk“ ist in der unteren Hälfte aufgebrochen, so dass die
erste sk‘ sichtbar geworden ist und diese, auch z. Th. aufgebrochen, zeigt iu sich die
kleine Markschale sk. Barbados. Vergr. ca. 300.
7. Sogen. Haliomma ovatum Elrbg. Skelet. sk die kleinere innere kuglige Schale,
sk‘ die ungemein dicke äussere Schale. Zwischen beiden Schalen bleibt kaum ein
Zwischenraum. Barbados. Vergr. ca. 300.
S. Sogen. Rhabdolithis Pipa Ehrbg. Bau ähnlich dem von Haliomma ovatum. doch
Zwischenraum zwischen beiden Schalen grösser und deutlich von einer Anzalıl Radial--
stäben durchsetzt. Barbados. Vergr. ca. 300.
9. Dietyoplegma spongiosum J. M. sp. Kieselskelet. sk‘ die Rindenschale, welche
noch eine kleine Markschale einschliesst. Von der Oberfläche der Rindenschale ent-
springt eine spongiöse Umhüllungsmasse von Kieselfäden (sp). Vergr. ca. 150.
10. Rhizosphacra trigonacantha Hck. Lebendes Thier. sk‘ die Rindenschale, sk die
Markschale; von ersterer entspringen zahlreiche Stachelfortsätze, die unregelmässig ver-
zweigte Querästchen aussenden, welche sich zur Bildung einer schwammigen äussersten
‚Schale (sp) vereinigen. Ck die Centralkapsel, welche die beiden inneren Schalen ein-
schliesst und zahlreiche kleinere, sowie einen Rest des ursprünglichen Kernes enthält, eine
Anzahl der kleineren Kerne (n) sind auch in die extrakapsuläre Sarkode eingedrungen.
Figg. I, 2, 3b und 10 nach Hertwig (Der Organismus ete.); Fig. 3a nach Häckel
(Monographie); Fig. 9 nach J. Müller (Abhandlungen 1858); Figg. 4—S Originalia,
Ur).
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Lik.Anstu Werner & Wintor Pankrurf N.
Erklärung von Tafel XXIL
Fig.
1a—b. Spongosphaera streptacantha Hck.
1a. Kieselskelet (nicht ganz vollständig ausgezeichnet), sk‘ die Rindenschale, von der
sehr ansehnliche Radialstacheln entspringen (auf der Figur kurz abgebrochen dar-
gestellt) und welche eine kleine Markschale umschliesst. Die Basalabschnitte der
Stacheln sind durch ein spongiöses Maschenwerk von Kieselfäden, das demnach die
beiden inneren Kugelschalen völlig umhüllt, unter einander vereinigt. Vergr. ca. 200.
Junges ganzes Thier. Die Markschale sk ist im Kern n eingeschlossen, die Rinden-
schale sk‘ dagegen in der Centralkapsel Ck; das spongiöse Kieselwerk zwischen den
Radialstacheln ist erst in seinen Anfängen angelegt.
2a—b. Spongodictyum trigonizon Hck.
2a. Ganzes lebendes Thier. sk die kuglig abgerundete Oberfläche des spongiösen
Kieselwerks, welches die drei inneren Kugelschalen umhüllt; Ck die rothe Central-
kapsel, mit dem sie umhüllenden extrakapsulären Plasma, das zahlreiche gelbe
Zellen enthält. Vergr. ca. 40—50.
2b. Die drei concentrischen Kieselgitterkugeln des Centrums des Skeletes (sk—sk“), durch
Radialstäbe verbunden. Von der äusseren Schale entspringen zahlreiche Fortsätze,
welche in das spongiöse Netzwerk übergehen, das die inneren drei Schalen allseitig
umhüllt. Vergr. ca. 400.
3a—b. Heliodiscus Phacodiscus Heck. Kieselskelet.
3a. Ansicht der Schale von der Breitseite. sk“ die äussere abgeflachte Kieselschale,
deren äquatorialer Rand in zahlreiche ansehnliche Stacheln allseitig auswächst;
sk‘ die innere Gitterkugel.
3b. Ansicht von der Schmalseite auf den Aequator der äusseren abgeflachten Schale sk“,
welche im optischen Durchschnitt gezeichnet ist; sk‘ die innere Kugel, von welcher
sowohl in der Aequatorialebne, wie zu den abgeflachten Seitenflächen der äusseren
Schale zahlreiche Radialstäbe entspringen, die die Verbindung der zwei Schalen
herstellen. Mittelmeer. Vergr. ca. 240.
4. Heliodiscus Amphidiscus J. M. sp. Jugendzustand. Skelet. Die äussere linsen-
förmige Schale sk“ ist hier erst in Gestalt zweier unzusammenhängender Klappen an-
gelegt, zum Beweis, dass dieselbe erst nachträglich, von den Radialstacheln der inneren
Schale ausgehend, ihre Bildung nimmt. Mittelmeer.
5a—b. Heliodiscus (Astrosestrum Heck. 1881) contiguus Ehrbg. sp. Kieselskelet.
5a. Ansicht auf die Flachseite. sk die Markschale, sk‘ die innere und sk“ die äussere,
linsenförmige Schale, von deren äquatorialem Rand eine Anzahl ansehnlicher Kiesel-
stacheln entspringen.
5b. Ansicht auf den Aequatorialrand. Die äussere linsenförmige Rindenschale, im opti-
schen Durchschnitt dargestellt, zeigt, dass ihr Zusammenhang mit der inneren
Rindenschale nur durch eine Anzahl etwas verzweigter Stäbe die nach der mittleren
Region der Flachseiten der Linsenschale laufen, hergestellt wird. sk die Markschale.
Barbados. Vergr. ca. 300.
6a—b. Periphacna decora Ehrbg. Kieselskelet.
6a. Ein kleiner Theil des äquatorialen Randes in der Ansicht von der Flachseite, zeigt
den äquatorialen Saum Sa deutlich.
6b. Ein Stückchen des äquatorialen Randes im optischen Durchschnitt. Sa der Saum,
der sich zwischen zwei äquatorialen, ansehnlichen Porenreihen (p) erhebt. Barbados.
Vergr. ca. 200.
7. Didymocyrtis Ceratospyris Hck. Der centrale Theil des Skelets. Zeigt deutlich
die Markschale sk und die innere Rindenschale sk‘, während von der äusseren Rinden-
schale sk“ nur ein kleiner Theil im optischen Durchschnitt gezeichnet ist. Mittelmeer.
Vergr. ca. 300.
1b
Figg. 1a, 2a—b, 3 und 7 nach Häckel (Monographie); Fig. 1b nach Hertwig (Organis-
mus d,. Radiol.); Fig. 4 nach J. Müller (Abhandl. 1858); Figg. 5 und 6 Originalia.
Taf. XXU.
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Erklärung von Tafel XXI.
Fig.
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Didymocyrtis Oeratospyris Häck. Ganzes, lebendes Thier. Die äussere Riuden-
schale (sk‘) sowie die Gentralkapsel (Ck) sind deutlich sichtbar; zahlreiche gelbe Zellen
(gz) in der extrakapsulären Sarkode vorhanden. Mittelmeer. Vergr. ca. 350.
Ömmatospyris profunda Ehrbg. Kieselskelet. Eine iunere Kugelschale, wahrschein-
lich die erste Rindenschale sk‘ und die äussere Rindenschale sk“ sind zu erkennen.
Philipp. Ocean. Vergr. ca. 200.
3a—b. Echinosphaera Datura Hertw. Kieselskelet. 3a zeigt nur die Rindenschale sk‘,
in der sich zwei weite Löcher finden (l). 3b dasselbe Skelet um 90° gedreht, zeigt auch
die Markschale sk deutlich. Mittelmeer.
4da—b. Tetrapyle octacantha J.M. Skelet eines jungen Thiers, in zwei um 90° gegen
9
10,
einander verwendeten Ansichten. sk die Markschale; sk‘ die folgende Rindenschale,
welche jederseits ein Paar grosse Löcher (l) aufweist. Die äusseren Ränder dieser Löcher
erheben sich brückenartig (sk“) über den Löcherpaaren und verschmelzen bei erwachsenen
Formen zu einer, je ein Löcherpaar überspannenden Brücke. Hierdurch entstehen in der
Schale vier neue, jedoch um 90° gegen die früheren verlagerte Löcher, von deren peri-
pherischen Rändern derselbe Process der Brückenbildung sich wiederholen kann. Mittelmeer.
. Lithocycelia (Coccodiscus Hck.) Darwinii Hck. Etwas über die Hälfte eines Skelets
in der Flächenansicht dargestellt. sk—sk“ der innere dreischalige, heliodiscus-ähnliche
Kern, um welchen sich der aus den äquatorialen Abschnitten zahlreicher äusserer Kugel-
schalen bestehende Scheibentheil d herumlegt. Rechts ist die durchlöcherte Decke dieses
Scheibentheils gezeichnet, links dagegen der optische Medianschnitt der Scheibe, welcher
die Ringbalken und die sie verbindenden radiären Stäbe zeigt. Mittelmeer. Vergr. ca. 180.
;. Lithocyclia Ocellus Ehrbg. Skelet in der Ansicht auf den Scheibenrand; haupt-
sächlich der optische Durchschnitt gezeichnet, nur bei o ein kleines Stück der Oberfläche
des Scheibenrandes ausgeführt. sk—sk‘“ der heliodiscus-artige Kern; d der Scheiben-
theil, auf dessen optischem Durchschnitt die einzelnen nur äquatorial ausgebildeten Kugel-
schalen deutlich hervortreten. Barbados. Vergr. ca. 250.
. Lithocyclia Stella Ehrbkg. Ein Theil der äusseren Peripherie des Scheibentheils in
der Randansicht. Indem sich bei dieser Form die den beiden Scheibenflächen zugekehr-
ten Theile der den Scheibentheil zusammensetzenden Kugelschalenpartien in ein feines
Schwammwerk umbilden, finden sich nur zwei regelmässige Kämmerchenlagen (k) in der
Aequatorialebne der Scheibe, beiderseitig umhüllt von einer dicken Lage Schwammwerk.
Barbados.
. Stylocyclia (= Stylocyclia + Ampbieyclia Hck. 1881) dimidiata Ehrbg. Skelet
in Flächenansicht, etwas zerbrochen. sk‘ die innere, sk‘ die äussere Rindenschale des
heliodiscus-artigen Kernes, d die Scheibe, auf der Ehrenberg gar keine Poren zeichnet.
Barbados. Vergr. ca. 150.
Styloeyclia sp.? Der Heliodiscus-artige Kern im optischen Radialschnitt, zeigt deut-
lich die drei Gitterschalen sk, sk‘ und sk“, sowie die beiden ansehnlichen Aequatorial-
stacheln st, welche hier neben den zu den abgeplatteten Scheibenflächen tretenden Radial-
stäben noch entwickelt sind. Von dem Scheibentheil ist nur ein erster Ring entwickelt,
derselbe war daher jedenfalls erst sehr unvollständig ausgebildet. Barbados. Vergr. ca. 600.
Actinomma Aristotelis Ehrbg. sk‘, sk“ der heliodiscus-artige Kern, hierauf folgt
die Scheibe, welche jedoch hier nur unvollständig, in Gestalt von vier kreuzförmig ge-
stellten Armen entwickelt ist. Jedem derselben dient ein äquatorialer Stachel zur Stütze,
der sich über den Aussenrand des Armes noch eine Strecke frei fortsetzt. Einer der
Arıne ist abgebrochen. Barbados. Vergr. ca. 160.
. Hymeniastrum Pythagorae Ehrbg. Skelet in Flächenansicht. sk‘ und sk“ der
heliodiscus-artige Kern; die Scheibe ist nur in Gestalt dreier Arıne entwickelt, deren
Basen durch ein abweichend gebildetes Kammerwerk verbunden sind. Barbados. Vergr.'
ca. 140.
. ?Caryosphaera (Hck. 1881) polysphaerica Btschli n. sp. Ein aus vier concen-
trischen Gitterschalen (sk—sk“) zusammengesetztes Exemplar. Barbados. Vergr. ca. 350.
Figg. I und 5 nach Häckel (Monographie); Figg. 3 und 4 nach Hertwig (Organisınus);
Pig. 2 nach Ehrenberg (Abhandlungen 1872); Figg. 8, 10 und 11 nach Ehrenberg (Abhand-
lungen 1875); Figg. 6, 7, 9 und 12 Originalia.
Taf. XXI.
Radiolaria (Sphaeridea).
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Fig.
1. Spongosphaera pachystyla Ehrbg. (? — Spongostylium Hck. 1881). Skelet im
optischen Längsschnitt. sk, sk’ und sk“ der an Heliodiscus erinnernde Kern, der sich
äusserlich mit einer dichten Schwammbülle umkleidet (sp). Die Gestalt ist jedoch nicht
linsenförmig wie bei Heliodiscus, sondern etwa citronenförmig. Barbados. Vergr. ca. 15.
. Chilomma Saturnus Ehrbg. sk—sk“ die drei inneren concentrischen Gitterkugeln,
sk“ wahrscheinlich eine äusserste vierte Schale (pallium nach Ehrenberg), welche jedoch
nicht gegittert, sondern membranös, hyalin sein soll. Atlant. Ocean bei Grönland. Vergr.
ca. 150.
3. Trematodiscus orbiculatus H. Skelet. Flächenansicht der Scheibe. Bei x in der
natürlichen Verfassung; bei z ist die dem Beschauer zugewendete Scheibendecke weg-
genommen, so dass die concentrischen Ringbalken der Scheibe, sowie die abgewendete
Scheibendecke deutlich hervortreten. Bei y sind beide Scheibendecken entfernt, so dass
nur die Ringbalken mit den sie verbindenden Radialstäben erhalten sind. Mittelmeer.
Vergr. ca. 180.
4. Trematodiscus concentricus Ehrbg. Skelet, randliche Ansicht. Nur ein kleiner
Theil der Oberfläche des Randes ist bei x gezeichnet, sonst wesentlich der optische
Radialschnitt der Scheibe. Das Centrum derselben wird von zwei sich concentrisch um-
fassenden Gitterkugeln gebildet; hierauf folgen die nur in der äquatorialen Zone ausge-
bildeten, unvollständigen Kugeln, welche die Scheibenringe darstellen und bei dieser Form
nach der Scheibenperipherie kaum an Höhe zunehmen. Barbados. Vergr. ca. 380.
5a—b. Trematodiscus Häckelii n. sp. Btschli. Skelet. 5a ein kleiner Ausschnitt der
Scheibe in der Flächenansicht. 5b die Scheibe in der randlichen Ansicht; nur der
optische Radialschnitt ist genauer dargestellt und zeigt auch hier wahrscheinlich zwei
centrale sich umfassende vollständige Gitterkugeln, sowie die unvollständigen Kugeln der
Scheibe, welche nach der Peripherie an Höhe zunehmen, so dass die gesammte Scheibe
dadurch beiderseitig schr flach trichterförmig ausgehöhlt erscheint. Barbados. Vergr.
von 5b ca. 270.
6. Discospira Operculina Hck. Skelet in der Flächenansicht: zeigt den spiraligen Ver-
lauf der Ringbalken nach der Darstellung Häckel’s. Mittelmeer. Vergr. ca. 200.
. Perichlamydium spirale Ehrbg. Skelet. 7a, der innerste Theil der Scheibe in
der Fläche, zeigt die innerste Kugel sk, und die Umlagerung derselben von nicht mehr
vollständigen Ringen, sondern gegeneinander abgesetzten Ringtheilen. Der folgende Ring,
welcher noch eine umfassende Kugel repräsentirt, ist aus zwei Theilen (1 und 2) zu-
sammengesetzt; der hierauf folgende jedoch schon aus vier (3, 4, 5, 6) und ebenso die
folgenden. In den Ringtheilen 4 und 6 ist die poröse sogen. Deckplatte eingezeichnet,
die übrigen dagegen sind nur im opt. Durchschnitt dargestellt. Barbados. Vergr. ca. 300.
8. Stylodietya multispina Hck. Flächenansicht der Scheibe. Bei x sieht man die
poröse Deckplatte der Scheibe; bei z ist dieselbe weggenommen, doch sieht man noch
die untere Deckplatte, bei y ist auch diese entfernt, so dass nur die Ringbalken darge-
stellt sind. Mittelmeer. Vergr. ca. 200. .
9. Sogen. Stylodietya (? = Staurodietya Hck. 1881) ocellata Ehrbg. Etwas unvoll-
ständige Flächenansicht der Hälfte eines Exemplars. Zeigt eine innerste Kugel sk, welche
von einer zweiten, etwas unregelmässigen umschlossen wird; hierauf folgen die äquato-
rialen Kugeln, welche hier ungemein deutlich in je vier Abschnitte getheilt sind. Diese
Abschnitte sind so geordnet, dass ihre Berübrungszonen ein reguläres Kreuz bilden und
durch jede dieser Zonen tritt ein sehr ansehnlicher, über den Scheibenrand stark vor-
springender Stachel hindurch. Mit Ausnahme des Radius x ist nur der optisehe Durch-
schnitt mit der Anordnung der Ringbalken gezeichnet. Im Radius x ist die Deckplatte
eingezeichnet. Barbados. Vergr. ca. 220.
10. Stylodictya setigera Ehrbg. Skelet. Ansicht von der Fläche, zeigt deutlich die
deypelte Spirale, welche nach der Auffassung von Ehrenberg und Stöhr die Ringbalken
der Scheibe beschreiben sollen, welche Auffassung jedoch wohl sicher irrthümlich ist
und auf der Missdeutung einer der Fig. 9 entsprechenden Bauweise beruht. Barbados.
Vergr. ca. 150.
11. Theil einer Stylodietya arachniaJ.M. sp. mit den Weichtheilen; die Skelettheile sind
fast unsichtbar geworden durch Einlegung des Präparats in Glycerin. Die Centralkapsel Ck
reicht bis zum Rand der Skeletscheibe und schliesst diese daher fast völlig ein, sogar
der ansehnliche Nucleus (n) umschliesst ausser der centralen Kugelschale noch die zweite
und einen bedeutenden Theil der dritten. G die Gallerte, von zahlreichen Pseudopodien
und einem Skeletstachel st durchsetzt; die übrigen Stacheln sind nicht angedeütet, da,
wie gesagt, das Skelet grossentheils unsichtbar war. Mittelmeer.
15
Figg. 2 und 10 nach Ehrenberg (1872 und 1875 Abhandl.); Figg. 3, 6, $ nach Häckel
(Monographie); Figg. 1, 4, 5, 7 und 9 Öriginalia; Fig. 11 nach Hertwig (Organisınus).
—
Taf. XXIV.
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Erklärung von Tafel XXV.
Erklärung von Tafel XXV1.
Fig.
la—b. ?Spongotrochus (Hck.) Ehrenbergi n. sp. Skelet. 1a optischer Radialschnitt
senkrecht zur Aequatorialebne des etwa dick-linsenförmigen Schwammkörpers ; zeigt sehr
deutlich die concentrische Umlagerung der zahlreichen Schalenlagen. 1b Ansicht von
der Fläche; bei y die Oberfläche dargestellt; bei x der optische Durchschnitt in der
Acquatorialebne, der gleichfalls die concentrische Umfassung der Schalenlagen sehr deut-
lich zeigt. Barbados. Vergr. ca. 300.
. ?Spongotrochus oder Spongolonche (Hck.) (Spongosphaera Ehrbg.) rhabdostyla
Ehrbg. sp. Ansicht der Schmalseite des etwa dick-scheibenförmigen Schwammkörpers.
Auch hier schimmert die concentrische Umfassung der zahlreichen Schalenlagen im op-
tischen Schnitt schr deutlich durch. Barbados. Vergr. ca. 800.
3. Stylospongia (Stylospongidium Heck. 1881) Huxleyi Hck. Ganzes. lebendes Thier.
Man bemerkt sehr deutlich die trematodiscus-artige Scheibe und deren peripherische
spongiöse Fortsetzung (sp). Die Centralkapsel schliesst fast das gesammte Skelet ein.
Mittelmeer. Vergr. ca. 250.
4. Spongocycelia (Hck. 1861 = ? Perispongidium 1881) Charybdaeca Heck. Ganzes,
lebendes Thier mit sogen. Sarkodegeissel sg. Mittelmeer. Vergr. ca. 150.
5. Stylactis Zittelii Stöhr. Skelet in Flächenansicht. Tripel von Grotte in Sieilien.
Vergr. 180.
6. Spongasteriscus quadricornis Hck. Ganzes, lebendes Thier mit sogen. Sarkode-
geissel (sg) in Flächenansicht. Mittelmeer. Vergr. ca. 180.
7. Spongodiscus mediterraneus Hck. 7a Skeletscheibe in Flächenansicht. 7b die-
selbe in randlicher Ansicht, Mittelmeer. Vergr. ca. 400.
8. Spongurus cylindricus Heck. Ganzes, lebendes Thier. Mittelmeer. Vergr. ca. 220.
IN
Figg. 1 und 2 Originalia; Figg. 5. 4. 6—8 Häckel (Monographie); Fig. 5 nach Stöhr
(Palaeontographica 1880).
Ba 0
es Radiolaria Sphaeridea
Taf. XXVl.
Lith.Anstx Werwerschünter, Frankfurt 3.
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Erklärung von Tafel XXVII.
Fig.
1. Rhopalodietyum abyssorum Ehrbg. Skelet. Flächenansicht. Philippin. Ocean.
Vergr. ca. 200.
. Dietyocoryne profunda Ehrbg. Flächenansicht des Skeletes. Philippin. Ocean.
Vergr. ca. 100.
3. Ommatogramma (= ?Spongobrachium Hek. 1881) navicularis Ehrbg. Skelet.
Californischer Ocean. Vergr. ca. 200,
4. Acanthometra elastica Heck. Ganzes, lebendes Thier. g die Gallerte, Ck die Central-
kapsel. Man bemerkt die Axenfäden der Pseudopodien, welche bis zum Stachelkreuz im
Gentrum der Centralkapsel zu verfolgen sind. ge die Gallerteilien. Mittelmeer.
4a. Amphilonche belonoides Hck. Kern, dessen Nucleolus sich aus zwei dilferenten Sub-
stanzen zusammensetzt und an dem eine Einstülpung der Kernmembran hervortritt.
4b. Acanthometra serrata Hck. Achnlicher Kern, wie in vorhergehender Figur ab-
gebildet, jedoch ohne Zweifel weiter vorgeschrittnes Ausbildungsstadium.
4c. Acanthometra sp.? Kern. Wahrscheinlich hervorgegangen aus einem Zustand, wie
4b; Nucleolus verschwunden und die Einstülpung der Membran rückgebildet, dagegen
die Kernwände sehr verdickt und gelappt, sowie mit zahlreichen Einlagerungen ver-
sehen.
5a—b. Acanthometra Claparedei Hck.
5a. Centralkapsel mit den centralen Theilen der Stacheln, die im Centrum der Kapsel
zusammensfossen. 'n kleine -Zellkerne: 97 jntrakapsuläre »eigenthümliche gelbe Zellen.
5b. Centralkapsel mit umhüllender Gallerte (g), im Uebergang vom einkernigen in den
mehrkernigen Zustand begriffen; n’ grosse Kerne mit zahlreichen Nucleolen, n kleine
Kerne, je mit einem Nucleolus. Mittelmeer.
6. Acanthometra (Untergatt. Phyllostaurus Hck.) cuspidata Heck. Ein isolirter Stachel.
Vergr. ca. 250. Mittelmeer.
7. Amphilonche messanensis Hck. Ganzes, lebendes Thier. Mittelmeer. Vergr. ca. 200.
Sa. Acanthostaurus sp.? Jugendliche Centralkapsel mit einem Kern n. Skeletstacheln
abgebrochen. Mittelmeer.
Sb. Acanthostaurus hastatus Hck. Ganzes, lebendes Thier. Polare Ansicht, ae Aequa-
torialstacheln. t die vier dem Beschauer zugewendeten Tropenstacheln, p die vier ent-
sprechenden Polstacheln. Vergr. ca. 450. Mittelmeer.
9, Xiphacantha serrata Hck. Isolirter Stachel. Vergr. ca. 250.
10. Lithoptera Mülleri Hck. Ganzes, todtes Thier, mit den vier eigenthümlichen, gitter-
förmig geflügelten Aequatorialstacheln (ae). Ck die Centralkapsel. Mittelmeer. Vergr. ca. 150.
11. Diploconus Fasces Hck. Ganzes, lebendes Thier. Polare Ansicht. ae die Acqua-
torialstacheln, von welchen zwei sehr verlängert und von den durch Verwachsung der
Tropenstacheln entstandenen zwei kegelförmigen gestreiften Scheiden umgeben sind. p die
kurzen Polarstacheln. Mittelmeer. Vergr. ca. 300.
12a und b. Acanthochiasma rubescens Hck. Eine Stachelspitze mit der sich um sie
erhebenden contractilen Membran (entsprechend den Gallerteilien der übrigen Acantho-
metreen); a dieselbe im contrahirten, b im ausgedehnten Zustand.
iv
Figg. 1—3 nach Ehrenberg (Abhandl. 1872); Figg. 4, 5, Sa und 12 nach Hertwig
(Organismus); Figg. 6, 7, Sb, 9—11 nack Häckel (Monographie),
Radiolaria (S hasridea u.Acanthometrea).
Litk_Anst.x. kerner Alinter, Frankfurt/M,
a 2 2
FR,
u
= Erklärung von Tafel XXVIH.
Fig.
1. Litholophus Rhipidium Heck. Ganzes, todtes Thier. & Gallerte, Ok, Gentralkapsel.
Mittelmeer. Vergr. ca. 260.
3. Astrolithium dieopum H. Skelet isolirt; zeigt deutlich die Verschmelzung der
20 Stacheln im Centrum. Vergr. ca. 260.
3. Acanthochiasma rubescens Hck. Kleines Stück der Oberfläche der Gallerte; in
der Mitte tritt eine Stachelspitze st hervor; stf die feinen, in polygonalen Figuren ver-
laufenden Stützfasern der Gallerte, durch welche die Pseudopodien hindurchtreten. Man
bemerkt weiterhin das feine Protoplasmanetz der Gallertoberfläche.
4. Acanthochiasma fwsiforme Hek. Ganzes Thier, todt. Ck Centralkapsel; g Gallerte.
Mittelmeer. Vergr. ca. 200.
5a--b. Dorataspis loricata Hck.
5a. Ganzes, lebendes Thier.- Ck, Centralkapsel. Mittelmeer. Vergr. ca. 200.
5b. Ein isolirter Stachel. Vergr. ca. 300.
6. Haliommatidium (? Phatnaspis Hck. 15581) Mülleri Heck. Ganzes, todtes Thier.
Die 20 Gitterplatten der Schale sind noch nicht zusammengewachsen. 32 gelbe Zellen.
Mittelmeer. Vergr. ca. 150.
7. Aspidomma (= Tessaropelma Heck. 1551) Hystrix J. M. sp. Ein isolirter Stachel
mit den Fortsätzen, welche die innere und äussere Gitterkugel bilden. Mittelmeer.
Ss. Gystidium inerme Hertw. Lebendes hier. Nackte Centralkapsel Ck, mit Keru (n)
und ansehnlicher Anhäufung der extrakapsulären Sarkode vor dem Porenfeld. Zahlreiche
gelbe Zellen (gz) vorhanden. Mittelmeer.
9. Zygocircus (Btschli 1881) produetus Hertw. sp. Ganzes, todtes Thier. a die vor-
dere, b die hintere Hälfte des primären Skeletringes.
In allen Abbildungen von Monopylarienskeleten bezeichnet a die vordere, b die hin-
tere Hälfte des Primärrings, c dessen Basaltheil, welcher die hinteren Basallöcher I
scheidet, Die vorderen Basallöcher sind mit Il und der Stab zwischen vorderem und
hinteren Basalloch jeder Seite ist mit ce bezeichnet. Bezüglich der schwierigen systema-
tischen Benennung der Stephid- und Öyrtidformen habe ich mich zunächst an die von
ınir 1881 (Nr. 38) formirten Gruppen gehalten, jedoch stets den Gattungsnamen, unter
welchem die betrelfende Form ursprünglich aufgestellt wurde, beigefügt. Ebenso habe
ich, wo dies mir möglich schien, die Gattung, zu welcher die betreffeude Form im
Häckel’schen System von 1881 (Nr. 37) gehört, in Klammer beigefügt.
Ya. Lithoeircus annularis (? J. M.) Hertw. Lebendes 'Thier. pf das Porenfeld der
Centralkapsel Ck. Mittelmeer.
10. Stephanolithis (? Lithocoronis Hek. oder Dyostephaniscus Heck. 1851) spinescens
Ehrbg. Seitenansicht. a vordere Ringhälfte, b hintere, © Basaltheil des Ringes, e und e‘
seitliche Fortsätze, ce’ Medianfortsatz, welcher die Basallöcher I von einander scheidet.
Vergr. 200.
11. Stephanolithis Häckelii Btschli. Vorderansicht etwas nach vorn geneigt, Basis
oben. Durch Zutritt der Fortsätze ec? ist das zweite Paar der Basallöcher (II) gebildet.
Vergr. 200,
12. Acanthodesmia (? Zygostephaniscus Hck. 1881) Hertwigii Btschli. Basalansicht.
Der Sekundärring f ist zum Primärring abc zugetreten.
13. Dietyospyris (Ceratospyris Ehrbg.) pentagona Ehrhe. sp. Skelet. Indischer Ocean
(bei Afrika). Vergr. 150.
14. Dietyospyris Gigas Ehrbg. (sehr wahrscheinlich). Basalansicht. Vergr. 240.
Figg. 1, 2, 4, 5, 6 nach Häckel (Monographie); Fig. 7 nach J. Müller (Abhandl. 1853);
Figg. 3, 8, 9 und 9a nach Hertwig (Organismus); Figg. 10—12 und 14 Bütschli (Zeitschr.
f. wiss. Zool. 36); Fig. 13 nach Ehrenberg (Abhandl. 1872).
Taf. XXVI.
A
a a
ln u re
D
Erklärung von Tafel XXIX.
Fig.
1. Dietyospyris Gigas Ehrbg. (sehr wahrscheinlich). Optischer Durchschnitt in der
Sagittalebene, um den Primärring abe zu zeigen. Vergr. ca. 300. Barbados.
2a--b. Spiridobotrys trinacria Hck. Todtes Thier. a in Ansicht von der Breitseite ;
b Basalansicht mit den vier Basallöchern. Ck Centralkapsel, gz gelbe Zellen. Vergr. ca. 300.
3. Sogen. Geratospyris Fibula Ehrbg. Skelet. Vergr. ca. 200. Barbados.
4a—b. Ceratospyris (Petalospyris Hck. 1881) setigera Ehrbg. a Basalansicht. b Seiten-
ansicht. Vergr. 300. Barbados.
5 Geratospyris (Cladospyris Ehrbg., Acrospyris Hck. 1881) tribrachiata Ehrbg.
Skelet in Breitseitenansicht. Vergr. 200. Barbados.
6a—b. Petalospyris Argiscus Ehrbg. a Seitenansicht. b Basalansicht. Vergr. 200.
Barbados.
Ta—b. Petalospyris (Desmospyris Heck. 1881) anthocyrtoides Btschli. a Seitliche
Ansicht. b Basalansicht, um die Bildung der Köpfchenbasis zu zeigen. Vergr. 200.
Barbados.
S. Clathrocanium coarctatum Ehrbg. Skelet. Philippinischer Ocean. Vergr. 300.
9, Dietyophimus Tripus Hck. Ganzes lebendes Thier mit der Centralkapsel Ck. Vergr.
ca. 300. Mittelmeer.
10. Dietyophimus Craticula Ehrbg. Apicalansicht. Die Peripherie des 1. Glieds un-
vollständig. Vergr. 200. Barbados.
11. Eucecryphalus (Eucyrtomphalus Hck. 1881) Schultzei Hck. Ganzes, lebendes Thier,
etwas von unten gesehen; zeigt deutlich die vierlappige Centralkapsel. Mittelmeer.
Vergr. ca. 200, .
123—b. Eucecryphalus (Lamprodisculus Hck. 1881) laevis Hertw. a Ansicht des Apex
der Schale; vom Köpfchen ist nur die Basalfläche gezeichnet; das erste Glied nur un-
vollständig wiedergegeben. b die vierlappige Centralkapsel mit einem Kern [n]. Mittelmeer.
13a—b. Eucecryphalus Gegenbauri Hck. a Skelet in Hinteransicht. b der apicale
Theil des Skelets im optischen Durchschnitt mit der Centralkapsel Ck, an welcher vier
Lappen sichtbar sind, auch bemerkt man das Porenfeld pf und den Kern n. Mittelmeer.
14a—b. Arachnocorys circumtexta Hertw. a Ganzes Thier mit der vierlappigen
Gentralkapsel Ck. Das Skelet des Köpfchens im optischen Durchschnitt. b Junges Skelet
in Basalansicht, das erste Glied nur durch Stacheln repräsentirt. Mittelmeer.
Figg. 1, 4, 6, 7. 10 nach Bütschli (Zeitsch. f. wiss. Zaol. XXXVD; Figg. 2, 9, 11 nach
Häckel (Monographie); Figg. 3 und S nach Ehrenberg (Abh. 1870 und 1872); Figg. 12, 13
und 14 nach Hertwig (Organismus).
Ey Erklärung von Tafel XXX. ers
Fig.
la—b. Lithomelissa Hertwigii Btschli. a Nahezu Hinteransicht, Apicalstachel wahr-
I
EZ
scheinlich abgebrochen. b Apicalansicht, nur die Köpfchenbasis ausgeführt, von der auf-
steigenden vordern Hälfte des Primärrings a gehen drei seitliche Aeste (h) aus, welche
sich an die Köpfchenwand begeben. g Die stabartigen Ursprünge der drei Stachelu des
1. Gliedes, noch innerhalb dieses eingeschlossen. Vergr. 200. Barbados.
Lithomelissa (Sethopera Hck. 1881) mieroptera Elrbg. Halbseitliche halbvordre
Ansicht. Vergr. 200. Barbados. -
3a—c. Lithobotrys geminata Ehrbg. a Seitliche Ansicht. b Köpfchenbasis. c Hinter-
pe
12,
12:
13.
>.
6.
7
a—b. Lychnocanium tetrapodium Ehrbg. Skelet. a Ansicht von vorn. b Köpfchen-
ansicht. Vergr. 200. Barbados.
Botryocyrtis Caput serpentis Ehrbg. Skelet. Indischer Ocean (bei Afrika).
Vergr. 200.
Botryocampe hexathalamia Hck. Skelet. Mittelmeer. Vergr. 200.
Pterocanium Proserpinae Ehrbg. Skelet. Vergr. 150. Mittelmeer.
basis in Apicalansicht Barbados. Vergr. von 7a ca. 200.
. Lychnocanium (Lithomelissa Ehrbg., ?Tetraedrina Hck. 1881) ventricosum Ehrbg.
sp. Skelet. Barbados. Vergr. ca. 150.
. Lithornithium (Theopera Hck. 1881) Luscinia Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr.
ca. 130.
. Rhopalocanium (= Pterocanium Ehrbg. — ?Tetrapera Hck. 1881) Bombus Ehrbg.
sp. Skelet in nahezu Vorderansicht. Vergr. ca. 150. Barbados.
Podocyrtis (Thyrsocyrtis Ehrbg.) Rhizodon Ehrbg. sp. Skelet. Barbados. Vergr.
ca. 150.
Podocyrtis Eulophus Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr. 100.
Podocyrtis cothurnata Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr. 150.
14a—b. Podocyrtis Princeps Ehrbg. Köpfchen. a seitliche Ansicht, b Basis. Barbados.
15.
Ib.
-
le
18.
19.
Gycladophora spatiosa Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr. 150.
CGycladophora stiligera Ehrbg. (zu meiner Thyrsocyrtisgruppe, siehe Nr. 38, ge-
hörig). Skelet. Barbados. Vergr. ca. 130.
Eucyrtidium Alauda (?Axocorys Hck. 1881) Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr. 100.
Eucyrtidium (Dictyomitra Zitt) excellens Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr.
nahezu 150.
Eueyrtidium Galea Hck. Ganzes Thier. Skelet im optischen Durchschnitt. Von der
ansehnlichen Centralkapsel Ck sind zwei der drei sehr verlängerten Lappen zu sehen, mit
dem sehr ausgezognen Porenfeld (pf); n der Kern. Mittelmeer.
. Eueyrtidium (Lithocampium Hck. 1881) multiseriatum Ehrhbg. Skelet. Philip-
pinischer Ocean, Vergr. ca. 150.
. Eucyrtidium (Eucyrtis Heck. 1881) auritum Ehrbg. Skelet. Tripel von Grotte in
Sieilien. Vergr. ca. 200.
. Eueyrtidium (Lithocampe Ehrhg.) Glava Ehrbg. sp. Skelet. Barbados. Vergr. 150.
. Eucyrtidium (Lithocampe Stöhr, Stichocapsa Hck. 1881) subligatum Stöhr sp. Skelet.
Tripel von Sicilien. Vergr. ca. 120.
‚Lithostrobus Bütschli 1881 (Nr. 38) (Eueyrtidium Ehrbg., Eucyrtis Hck. 1881)
cuspidatum Bailey spec. Skelet. Davisstrasse. Vergr. ca. 100.
25. Litbomitra Bütschli 1881 (Nr. 38) (Eucyrtidium Ehrbg.) paupera Ehrbg. sp. Skelet
in seitlicher Ansicht. Barbados. Vergr. ca. 300.
.‚ Lithomitra (Eucyrtidium .Ehrhg) Pachyderma Ehrbg. sp. Skelet. Barbados.
Vergr. 150.
Figg. 1, 2, 3 u. 14 nach Bütschli (1881, Z. f. w. Zool. Bd. 36); Figg. 4, 6, 20, 24 nach
Ehrenberg (1872); Figg. 9, 11—13, 15—18, 22 und 26 nach Ehrenberg (Abhandl. 1875);
Fig.
5 nach Häckel (Monographie); Fig. 19 nach Hertwig (Organismus); Figg. 21 u. 23 nach
Stöhr (Palacontographica 1880); Figg. 7 und 10 Originalia,
>
Lit
Tal. XXX.
+ Anse.s Werner dhänrer,Fraackfur
Erklärung von Tafel XXXI1.
Fig.
1. Sogen. Eueyrtidium biauritum Elhrbg. Skelet in seitlicher Ansicht. Barbados.
Vergr. ca. 200.
2a—b. Pterocyrtidium Btschli (Pterocanium Ehrbg.) barbadense Ehrbg. sp. a Skelet
in Vorderansicht. b In Apicalansicht, um die Köpfchenbasis zu zeigen. st Apicalstachel.
Vergr. ca. 200. Barbados.
3. Lithopera (Eucyrtidium Ehrbg. = Theosyringium Hck. 1881) Sipho Ehrbg. sp.
Skelet. Barbados. Vergr. ca. 130.
4. Lithochytris Vespertilio Ehrbg. Skelet. Vergr. ca. 90.
5. Anthocyrtis hispida Ehrbg. Skelet in seitlicher Ansicht. Vergr. ca. 200. Barbados.
6. Anthocyrtis ophirensis Ehrbg. Skelet. Vergr. ca. 150. Indischer Ocean bei
Zanzibar.
7. Anthocyrtis ? (Eucyrtidium Ehrbg. = Sethocorys Hck. 1881) Ficus Ehrbg. sp.
Skelet. Barbados. Vergr. ca. 90.
8. Gryptoprora ornata Ehrbg. Skelet. Barbados. Vergr. ca. 200.
9. Calocyclas (? = Clathrocyelas Hck. 1881) Turris Ebrbg. Skelet. Barbados.
Vergr. ca. 75.
10a—b. Dietyocephalus ?obtusus Ehrbg. a Seitliche Ansicht, b Köpfchenbasis.
Vergr. ca. 200. Barbados.
11. Lophophaena (? = Conarachnium Hck. 1881) larvata Ehrbg. 'Skelet. Barbados.
Vergr. 150.
12. Gyrtocalpis Amphora Hck. Schale. Mittelmeer. Vergr. ca. 200.
13a—c. Carpocanium Diadema Hck. a Ganzes, lebendes Thier, mit dreilappiger Central-
kapsel Ck. Mittelmeer. Vergr. ca. 350. b Centralkapsel mit Nucleus n, Oelkugeln oc
und Porenfeld pf; das Skelet sk im optischen Durchschnitt. c Der Apicaltheil des Skelets
im optischen Sagittalschnitt, zeigt die beiden Hälften des Primärrings (a, b) des
Köpfchens.
14a—b. Geratocyrtis (Cornutella Ehrbg. —= Cornutellium Hck. 1881) cucullaris Ehrbg.
sp. a Hinteransicht. b Apicalansicht. h zwei seitliche Stäbe, welche von der Mitte
der Vorderhälfte des Primärrings a entspringen; g absteigende Fortsätze der Stäbe e, so-
wie der vorderen und hinteren Hälfte des Primärringes. Barbados. Vergr. ca. 180.
15. Litharachnium (? = Cinclopyramis Hck. 1881) Tentorium Hck. Skelet mit Gen-
tralkapsel (Ck). Mittelmeer. Vergr. 100.
16a—c. Litharachnium (Cornutella Ehrbg., ? = Bathropyramis Hck. 1851) quadra-
tellum Ehrbg. sp. Skelet. a Hinteransicht. b Köpfchenbasis. c Seitenansicht des Köpf-
chens. Barbados. Vergr. ca. 200.
17. Cornutella (= Cornutanna Hck. 1881) longiseta Ehrbg. Skelet. Barbados und
recent. Vergr. 150.
17a. Plagiacantha abietina Hertw. Lebendes Thier; Ck Centralkapsel mit Kern (n).
Mittelmeer.
18. Thalassoplancta Gavispicula Hck. Ganzes, lebendes Thier mit zwei Gentral-
kapseln (Ck) und viel schwarzbraunem Pigment der extrakapsulären Sarkode; gz gelbe
Zellen. Vergr. 200. Mittelmeer.
19. Aulacantha Scolymantha Hck. Hälfte eines lebenden Thieres. st Die grossen,
radial bis zur Centralkapsel gehenden Stacheln; st‘ die kleinen tangential gelagerten
Nadeln: alv die’ extrakapsulären, ansehnlichen Vacuolen (Alveolen Häckel’s). Vergr. 100.
Mittelmeer.
Figg. 1, 2, 10, 14, 16 nach Bütschli (Zeitschr. f. wiss. Zool, 36); Figg. 4, 5 und 17
Originalia; Figg. 3, 6—9, 11 nach Ehrenberg (Abhandl. 1872 und 1875); Figg. 12, 13a, 15,
18 und 19 nach Häckel (Monographie); Figg. 13b—c und 17a nach Hertwig (Organismus).
Lj4
Radiolaria(Monop
l.u.Phaeodaria).
Taf. XXXI.
Lirh Ansı.y. Werner Alinter, Frankfurt YM.
Erklärung von Tafel XXX.
Fig.
1. Mesocena triangula Ehrhg. Skeletelement. Tripel von Sicilien. Vergr. 150.
. Mesocena elliptica Ehrbg. Skeletelement. Mergel von Maryland (N. Am.).
Vergr. 150.
3. Dietyocha Pons Ehrhg. Skeletelement. Tripel von Oran. Vergr. 150.
4 u.5. Dietyocha Fibula Ehrbg. Skeletelemente. Tripel von Oran und Mittelmeer.
Vergr. 150.
6. Dietyocha Speculum Ehrbg. Skeletelement. Tripel von Sicilien. Vergr. 230.
7. Distephanus rotundus Stöhr. Skeletelement. Tripel von Sieilien. Vergr. 200.
Sa—d. Aulosphaera elegantissima Hck.
Sa. Hälfte einer Gitterkugel. Vergr. 26. Mittelmeer.
Sb. Flächenansicht eines der Knoteupunkte des Maschenweiıks der Skeletkugel, in
welchem sechs Hohlröhren zusammenstossen und sich ein radialer röhriger Stachel
nach Aussen erhebt, der als Kreischen erscheint. Man bemerkt, dass die Lumina
der sämmtlichen in diesem Knotenpunkt zusammenstossenden sieben Röhren durch
zarte Kieselscheidewände geschieden sind und dass durch das Lumen sämmtlicher
Röhren ein feiner axialer Kieselfaden hindurchzieht.
Sc. Ein soleher Knotenpunkt von der Seite betrachtet; man sieht den radialen Hohl-
stachel mit seinen in Wirteln gruppirten Seitenästchen und zwei mit ihm zusammen-
stossende Röhren der Kugeloberfläche.
$d. Eine der Nebenöflnungen der CGentralkapsel bei starker Vergrösserung.
9. Isolirte tripyle Centralkapsel einer unbestimmten Phaeodarie des Mittelmeers. Durch Be-
handlung mit Osmiumsäure und Carmin ist die äussere Centralkapselmembran (ck) von
der inneren (ck‘) abgehoben worden. 0’ die Haupt-, 0,0 die beiden Nebenöffnungen.
n der schr ansehnliche Kern.
9a. In Theiluug begriffne Centralkapsel einer unbestimmten Phaeodarie, mit zwei Kernen,
zwei Haupt- und zwei Nebenöffnungen.
10. Aulacantha Scolymantha Hck. Nebenöffnung der Centralkapsel nach Behandlung
mit Chromsäure und Carminfärbung.
11. Gentralkapsel einer tripylen Phaeodarie in Zweitheilung begriffen. Die Theilung noch
nicht soweit fortgeschritten, wie in Fig. 8d.
12. Coelodendrum gracillimum Hck. Ganzes, lebendes Thier. Die Centralkapsel (Ck)
ist nur z. Th. sichtbar, da sie von dem dunklen Pigment (pg) ziemlich verdeckt wird.
Die beiden Skeletklappen sind nicht sichtbar, dagegen die von ihnen entspringenden ver-
zweigten und hohlen Strahlen. Vergr. 50.
13. Goelodendrum ramosissimum Hck. Eine Skeletklappe in der Flächenansicht;
ek die halbkuglige Gitterklappe, a der dreiseitige Aufsatz mit den von seinen Ecken ent-
springenden Röhren, die kurz abgeschnitten sind. Mittelmeer. Vergr. 150.
14a—d, Cocelothamnus (?) Davidoffii Btschli.
14a. Ganzes, todtes Thier mit Galierte (g). Im Centrum bemerkt man die Schalenklappen
mit den von ihnen entspriugenden 16 Strahlen. Centralkapsel nicht bemerkbar.
Vergr. etwas über 4. Mittelmeer.
14b. Ende eines der Skeletstrahlen. Vergr. 80.
14c. Die eine Schalenklappe in der Flächenansicht. Vergr. ca. 25.
14d. Einige der Ankerfäden bei stärkerer Vergrösserung.
15. Cadium marinum Bailey. Kamtschatkameer. Vergr. 5'j;.
15a. Cadium caudatum Wall. Schale mit kuglig zusammengezognem Plasmakörper.
o Mündung. Nordatlant. Ocean. Vergr. ca. 100.
16. Protocystis auritum Wall. Schale. o Mündung. Nordatlantisch. Vergr. ca. 120.
17 —18. Zwei Vertreter der Familie der Challengeridae Murray (Hck.). o die einfache
Mündungsöflnung mit einem oder mehreren hohlen Fortsätzen ausgerüstet. Südsee,
19—20. Zwei Vertreter der Familie Circoporidae Hck. o die Mündungsöffnung; p die
Porenkränze um’die Basis der Stacheln. Südsee,
IV
Figg. 2—4 nach Ehrenberg (Mikrogeologie); Figg. 1, 6 u. 7 Stöhr (Palaeontographica
1850); Figg. 5, Sb-d, 9 -11, 13 nach Hertwig (Organismus); Figg. $ u. 12 nach Häckel
(Monographie); Figg. 14a—d nach Bütschli (Zeitschr. wiss. Zool. 36); Fig. 15 nach Bailey
(Amer. journ. sc. arts 1956); Figg. 15a—16 nach Wallich (Monthly mierose. journ, Bd. I);
Figg. 17—20 nach Murray (Proc. roy. Acad. Vol. 24).
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Taf. XXXL.
Radiolaria (Phaeodaria).
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Erklärung von Tafel XXXII.
Fig.
1. Monocystis magna A. Schmidt.
1a. Ein Stück der Trichtermembran des Hodens von Lumbricus terrestris mit zwei in
pokalförmigen Zellen (z) eingepflanzten Exemplaren der M. magna. Vergr. ca. 50.
1b. Vorderende einer grossen Monocystis magna, zeigt deutlich die Längsrippung der
Guticula am festgehefteten Vorderende, sowie die feine Längsstreifung der Cuticula.
2. Monocystis agilis St. a ein ruhendes Individuum; b ein Individuum in Bewegung;
eine den Leib ringförınig umgreifende Einschnürung zieht vom unteren nach dem oberen
Ende. Vergr. ca. 250.
3a--g. Zur Entwicklungsgeschichte der Monocystis agilis St. Vergr. 220.
3a. Ganz jugendliche Form (m) im Innern einer Spermatosphaere von Lumbricus ter-
Testris.
3b. Weiterentwickelte Form.
3c. Ziemlich herangewachsene Form, die Spermatoblasten haben begonnen auszuwachsen.
3d. Erwachsene Form mit einem dichten Ueberzug wenig ausgewachsener Spermato-
blasten.
3c. Erwachsene Form mit einem zum borstenartigen Besatz ausgewachsenen Ueberzug
von Sperimatoblasten.
3f. Das Thier hat die Hülle am einen Ende gesprengt und ist im Begriff hervorzutreten.
3g. Ein ähnliches Stadium; die Monocystis hat ihre haarige Hülle schon weiter ab-
gestreift.
4a—f. Zur Sporulation der Regenwurmmonocysten.
4a. Öyste mit zwei grossen Kugeln. Nach der gewöhnlichen Auffassung aus der Thei-
lung einer einfachen encystirten Monocystis hervorgegangen, vielleicht jedoch auch
durch Copulation entstanden. (Vergr. 300.)
4b. Aehnlicher Zustand; auf der Oberfläche der einen Kugel sind schon Sporoblasten
hervorgesprosst. (Vergr. 450.) :
4c. Aehnlicher Zustand; auf beiden Kugeln hat sich die Sporoblastenbildung vollzogen.
(Vergr. 160.)
4d. Die eine der Kugeln ist in mehrere kleine zerfallen (fraglich ob vor oder nach der
Sporoblastenbildung). (Vergr. 160.)
4e. Oyste mit unregelmässigen Zerfallsproducten, noch kugligen Sporoblasten und solchen,
welche schon die spindelförmige Gestalt der reifen Sporen angenommen haben.
(Vergr. 280.)
4f. Grosse Gyste mit einer dichten oberflächlichen Lage reifer Sporen; im Centrum
noch eine unregelmässige körnige Plasmamasse, von welcher verzweigte Plasmafäden
zur Sporenschicht laufen.
5. Verschiedene Ausbildungszustände grosser Sporen einer Regenwurmmonocystis. Vergr,
ca. 1400.
5a. Noch nackter Sporoblast, welcher sich spindelförmig gestreckt hat.
5b. Spore mit vollständig entwickelter Sporenschale; das Plasma hat sich etwas con-
densirt.
5c. Reife Spore mit entwickelten sichelförmigen Keimen und dem nucleus de reliquat (r).
dd. Eine ähnliche Spore in der Polansicht.
6—11. Verschiedene anormale Ausbildungszustände von Sporen der Regenwurmmonocysten ;
besonders eigenthümlich sind darunter die merkwürdigen Mehrfach- oder Verwachsungs-
bildungen Figg. 9—11.
‚Figg. Ja und 5 nach Bütschli (Zeitsch., f, wiss. Zool. XXV); Fig. 2 nach Stein (Arch.
f. Anat. u. Phys. 1848); Figg. 3a—c und 3f—g nach A, Schmidt (Abh. d. Senckenb, Ges. I);
Figg. 3d und 4da—e nach Lieberkühn (M&m, cour. Acad., Belgique XXVI); Figg. 6—10 naclı
Aimd Schneider (Arch. zool. exp. IV); Figg. Ib und 4f Originalia, _
Taf. XXXII.
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Erklärung von Tafel XXXIV.
Fig.
1. Zygocystis Cometa St. aus dem Hoden von Lumbricus communis Hofflm. Vergr.
ca. 250,
1a. Syzygie zweier, Ib solche dreier Individuen.
2. Gamocystis tenax Aim. Schnd. aus dem Darm von Blatta lapponica.
2a. Syzygie zweier Thiere. a die quere Fibrillenlage des Eetosarks im optischen
Durchschnitt. /
2b. Reife Cyste mit hervorgetretnen Sporoducten (sp), welche Haufen von Sporen (5)
entleert haben. c die eigentliche Cystenhülle, g die dicke Gallertumhüllung.
2c. Sporen.
3. Conorhynchus Eehiuri Greefl aus dem Darm von Echiurus Pallasii.
3a. Jugendliches, isolirt lebendes Individuum.
3b. Etwas weiter entwickeltes Individuum, das schon einige seitliche Fortsätze hervor-
getrieben hat.
3c. Syzygie zweier erwachsener Thiere; das Entoplasma ist durchaus vacuolär, v,v zwei
sehr grosse Vacuolen. Vergr. ca. 60.
4. Sogen. Monocystis pellucida Köll. aus dem Darm von Nereis pelagica. Erwach-
senes Individuum mit dickem Ectoplasma und einer fibrillären Streifung desselben im
Vorderende. Vergr. ca. 150.
5. sonospora Terebellae Köll. sp. aus dem Darm von Audouinia und Terebella.
‚„ 5a—b. Zwei reife Sporen mit sichelförmigen Keimen und einem Restkörper (r).
5c. Ein Individuum. \
ba—b. Urospora Nemertis Köll. sp. Zwei reife Sporen mit sichelförmigen Keimen
und einem Restkörper (r).
7. ? Urospora (Gregarina) Saenuridis Köll. sp. Syzygie zweier Individuen aus dem
Hoden von Tubifex rivulorum.
8. Zur Sporulation dieser Form.
Sa. Syzygie kurz vor der Encystirung.
8b. Nach vollzogener Encystirung.
Sc. Jedes der Individuen anscheinend vollständig in eine Anzahl Theilstücke zerfallen ;
es scheint sich noch eine speeielle Cystenhaut um jedes Individuum innerhalb der
gemeinsamen gebildet zu haben (sogen. Pseudoconjugation).
$Sd. Die Theilstücke haben sich noch weiter zu rundlichen Sporoblasten vermehrt.
Se. Die Sporoblasten sind zu Sporen umgebildet. Später scheint die Scheidewand,
welche beide Sporenhaufen trennt, zu vergehen, so dass die Cyste dann von einer
einheitlichen Sporenmasse erfüllt wird.
9a—c. Sogen. Monocystis Enchytraei Köll. aus dem Darm von Euchytraeus albidus.
Ya und c ältere Individuen; 9b ein solches wie Ic in Krümmungsbewegungen begriffen.
Vergr. ca. 350. :
10. Monocystide aus dem Darm einer Phyllodoce mit longitudinaler und circulärer Strei-
fung. Vergr. 60— 70.
11. Sogen. Monocystis sagittata Leuck, aus dem Darm von Capitella capitata. Vergr.
ca 120,
12. Monocystide aus Phyllodoce a ein Individuum, welches zahlreiche stäbchenartige
Gebilde (Sporen nach Claparede) in seinem Entoplasma einschliesst. Vergr. ca. 320.
b eine solche Spore stärker vergrössert.
Fig. 1 nach Stein (Arch. f. Anat. u. Phys. 1848); Figg. 2, 5 u. 6 nach Aim, Schneider
(Arch. zool. exp. IV); Fig. 4 nach R. Lankester (Quart. journ. ın. science n. s. VI); Figg. 7—V
nach Kölliker (Zeitschr. f. wiss. Zool. I); Figg. 10—12 nach Glaparede (Mem. soc. Phys. et
d’hist. nat, Geneve 1861).
.
Taf: KxXIV
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Fig.
1. Monocystis Aphroditac R. Lank. aus dem Darm von Aphrodite aculeata. Vergr.
ca. 5I—6bV.
. Zur Copulation und Eneystirung der Glepsidrina Blattarum Sieb sp.
2a. Beginn der Eneystirung; die Syzygie bewegt sich andauernd in der Richtung der
Pfeile im Kreise umher.
2b. ca. zehn Minuten später; die beiden Individuen haben sich mit ihren gleichnamigen
Seiten schon ziemlich innig zusammengelegt; die Bewegung dauert fort.
2c. ca. '/, Stunde später. Die Thiere haben sich der Länge nach völlig zusammen-
gelegt; die Abscheidung der Gallerthülle (gl) hat begonnen.
2d. ca. 45 Minuten später. Die eigentliche Cystenhülle (ch) hat sich schon angelegt ;
die Cyste hat ihre bleibende ovale Gestalt angenommen. Nur das Protomerit (pın)
des einen Thieres ist noch sichtbar.
3. Eine Öyste der Clepsidrina ovata Df. sp. Von der Oberfläche des einheitlichen
Cysteninhalts sprossen die Sporoblasten (spb) in einer eiuschichtigen Lage hervor.
4. Ausgereifte Cyste der Clepsidrina Blattarum Sieb. sp. mit dicker Gallerthülle (gb)
und hervorgestülpten Sporoducten (spd). Die Sporen zum grössten Theil entleert, ein
Häufchen derselben (ps) liegt noch im Centrum der Öyste. Durch Kalilauge sind die
Körnermassen des Cysteninhalts zerstört; man bemerkt nun schr deutlich das plasma-
tische Netzwerk, in dessen Maschen die Körner eingebettet sind, sowie die plasmatischen
Schläuche s, welche zur Leitung der Sporen nach den Sporoducten dienen. Die eigent-
liche Cystenhülle (ch) hat sich sehr contrabirt und verdickt, sie erscheint daher jetzt
schr deutlich geschichtet. sph die sogen. Sporoductenhaut. Vergr. ca. 100.
5. Eine reife Spore der Clepsidrina Blattarum, längere Zeit nach dem Austritt aus
der Cyste. Vergr. ca. 1600.
6. Basale Hälfte eines ausgestülpten Sporoducts der Olepsidrina Blattarum. w fein-
körniger Plasmawulst, S plasmatischer Schlauch, in dessen Innern der Sporoduct ent-
stand; b körnig-faserige Masse, welche gewöhnlich das Basalende der ausgestülpten Sporo-
ducte umgibt.
. Eine Syzygie der Clepsidrina Blattarum Sieb. aus dem Darm von Blatta orientalis.
Vergr. ca. 100.
8. Drei Epithelzellen des Mitteldarms der Blatta orientalis, in deren freien Enden je eine
jugendlichste Ölepsidrina Blattarum eingesenkt ist. Vergr. ca. 600—700.
). Weiteres Entwicklungsstadium der jungen Glepsidrinen; nur das Epimerit (ep) ist noch
in die Epithelzellen eingesenkt, der übrige Körper ragt frei hervor. Vergr. ca. 150.
10. Einzelthier von Clepsidrina Munieri Aim. Schn. aus dem Darm von Timarcha tene-
bricosa. Etwas schematisirt, um die netzförmig anastomosirende Fibrillenschicht des
Eetosarks zu zeigen.
il. Dufouria agilis Aim. Schn. aus dem Darm der Larve einer Hydrocantharide. a Sy-
zygie im Begriff sich zu eneystiren. b eine reife Spore mit drei sichelförmigen Keimen
und einem Restkörper (r).
12. Adelea ovata Aim. Schn. aus dem Darm des Lithobius forficatus. a Ein Individuum,
dem ein kleiner, seiner Natur nach zweifelhafter Körper (c) anhängt (wie dies nicht sel-
ten beobachtet wird). b Oyste von zahlreichen Sporen erfüllt. c eine Spore, n der
Nucleus, k zwei kleine Körperchen, welche sich zu beiden Seiten des Nucleus herab-
ziehen und deren Natur unsicher. Sehr stark vergrössert.
[5
|
ig. 1 nach R. Lankester (Qu. j. mier. sc. VII); Figg. 2, 4—6, $ u. 9 nach Bütschli
(Zeitsch. f. wiss, Zool. XXXV); Figg. 3, 7, 10—12 nach Aim. Schneider (Arch. zool. exp. IV).
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Fig.
1. Einige Sporen von Hyalospora roscoviana Aim. Schn.
2. Einige Sporen von Euspora fallax Aim. Schn. Zwei derselben in seitlicher Ansicht,
zwei andere in der Ansicht auf die pentagonale Endfläche.
3—9. Porospora gigantea E. van Bencden sp., aus dem Darm von Homarus vulgaris.
3. Ein erwachsenes Individuum. Vergr. ca. 150.
4. Encystirungszustände der Porospora gigantea.
4a. eine einfache Cyste mit einheitlichem Inhalt.
4b. Eine Oyste mit zweigetheiltem Inhalt (van Beneden).
4c. Eine solche, bei welcher die beiden Theilstücke sich unter Vergrösserung der Oyste
abgerundet haben.
4d. Durch Zerfall der Cystenhülle des vorhergehenden Stadiums, Auseinanderrücken der
beiden Theilstücke und Erzeugung einer besonderen Oystenhülle um jedes derselben,
haben sich zwei Cysten zweiter Generation gebildet. Deren Inhalt hat sich von
neuem getheilt, wodurch vier Cysten dritter Generation entstanden sind. (Nach E. van
Beneden’s Deutung.)
5. Zwei Sporen der Porospora mit der dicken porösen Sporenschale.
6a—n. Eine Reihe von Entwicklungsstadien der Porospora gigantea.
6a. Jugendlichstes beobachtetes Stadium, in Gestalt einer kleinen Amöbe (angeblich kernlos).
6b. Allmähliche Hervorbildung zweier Fortsätze.
6c—d. Die beiden Fortsätze oder Arme haben sich vergrössert, der eine (untere) ist
sehr beweglich, der andere stets rigid.
6e. Der untere. bewegliche Arın ist im Begriff sich als sogen. Pseudofilarie abzulösen.
6f—h. f, der rigide Arm mit dem Rest der Amöbe, nach Ablösung des beweglichen
Armes, verwandelt sich durch Vertheilung der Endanschwellung (68) allmählich in
das als Pscudofilarie bezeichnete Jugendstadium 6h, welche Form auch der beweg-
liche Arm nach seiner Lösung annimmt.
6i—l. Umbildungszustände der monoeystiden Pseudofilarie zur jungen, Polyeystide. Der
Kern angeblich nur durch Nucleolus repräsentirt.
6m. Das Protomerit (pın) schon ziemlich deutlich.
6n. Weiter herangewachsene Psorospora. Der Kern deutlich bläschenförmig. Bei der
weiteren Entwicklung wächst das Deutomerit immer anschnlicher aus.
7. Vordertheil einer erwachsenen Porospora stark vergrössert; zeigt deutlich die circuläre
Fibrillenschicht des sog. Myocyts m sowie die Bildung der Scheidewand durch das Myocyt;
Ectoplasına (Ec) und Entoplasma (En).
S. Drei Fibrillen des Myocyts, weiche eine deutliche Zusammensetzung aus kleinen Kör-
perchen zeigen.
Ja—f. Der Nucleus eines jugendlichen Exemplars von Porospora, um die fortdauernden
Veränderungen der Nucleoli während etwa 25 Minuten zu zeigen. Vergr. ca. 300.
10. Pileocephalus chinensis Aim. Schn. aus dem Darm von Mystacideslarven.
10a. Cephalon mit Epimerit ep.
10b. Einfache und y-förnige Spore, letztere ist vielleicht als Verwachsung zu deuten;
n Nucleus,
11. Bothriopsis Histrio Aim. Schn. aus dem Darmkanal verschiedner Wasserkäfer.
12a—b. Pyxinia rubecula Hammerschm., aus dem Darm der Dermesteslarve. a Sporon-
zustand. b vorderster Theil des Protomerits eines Cephalon mit Epimerit (ep).
133—f. Actinocephalus Dujardini Aim. Schn. aus dem Darm von Lithobius forficatus. °
a Cephalon mit Epimerit (ep); b dasselbe wirft gerade sein Epimerit ab und geht da-
durch in den Zustand des Sporon über. c-—e: drei aufeinanderfolgende Stadien der,
solitären Encystirung dieser Art. e die ausgebildete Cyste. f Zwei Sporen.
14a—c. Echinocephalus hispidus Aim. Schn. aus dem Darın von Lithobius forficatus.
14a. Cephalon mit dem Epimerit (ep) und seinen Anhängen.
14b. Sporen, kettenförmig zusammenhängend.
14 c. Eine Spore stärker vergrössert; nel angeblich Nucleolus.
Figg. 1, 2, 5, 10—14 nach Schneider (Arch. zool. exper. IV); Figg. 3—4, 6—9 nach
E. van Beneden (Bull, Acad. roy. Belgique 2. s., T.-28, 31 u. 33).
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MikanstxWeorterd Weonter Prkfet U
Erklärung von Tafel XXXVI.
Fig. 2
1. Cephalon von Actinocephalus stelliformis Aim. Schn. aus dem Darm von Käfern.
ep Epimeiit.
2. Stylorhynchus longicollis St. aus dem Darm von Blaps mortisaga.
2a. Cephalon mit Epimerit.
2b. Sporon, nach Verlust des Epimerits.
3a—e. Stylorhynchus oblongatus Hammerschm. sp. aus dem Darm von ÖOpatrum
sabulosum.
3a. Cyste vor Entwicklung der Sporoblasten.
3b. Eine solche während der Knospung der Sporoblasten (spb).
3c. Theil einer Cyste während des Stadiums der Beweglichkeit der herrorgeknospten
Sporoblasten (spb).
3d. Eine ausgereifte aufgesprungene Cyste; die Sporen (s) treten in zusammenhängenden
Ketten hervor; pc die sogen. Pseudocyste: ch die eigentliche Cystenhülle.
4. u. 5. Stücke der eigentlichen Cystenhülle von Stylorhynchus longicollis (4) und
St. oblongatus (5).
6. Ein kleiner Theil der Oberfläche des Cysteninhalts von Stylorhynchus longicollis,
mit hervorknospenden Sporoblasten.
7. Sporen von Stylorhynchus longicollis.
sSa—b. Geneiorhynchus Monnieri Aim. Schn. aus dem Darm von Libellennymphen.
8a. Öephalon mit vollständig ausgestreektem Epimerit ep.
Sb. Cephalon mit zum Theil in das Protomerit zurückgezognem Epimerit.
Ya—b. Actinocepbalus (Hoplorhynchus V. Car.) oligacanthus St. aus dem Darm
der Larye von Agrion.
9a. Cephalon mit Epimerit ep.
9b. Einige Sporen.
10a—h. Klossia helicina Aim. Schn. aus der Niere von Helix hortensis. Vergr. von
a—d und h — 300, von e—g —= 600.
]0 a. Monströs vergrösserte Nierenzelle, in welcher eine ziemlich erwachsene Klossia ein-
gebettet ist. Die Oberfläche der Zelle hat einen eigenthümlichen Borstenbesatz ent-
wickelt; n‘ der Kern der Nierenzelle, n der der Klossia.
10b. Encystirte Klossia in einer Nierenzelle; der Kern ist nicht mehr sichtbar.
10c. Cyste deren Inhalt in eine Anzahl, wie es scheint, noch unbeschalter Tbheilstücke
zerfallen ist.
10d. Cyste deren Inhalt in zahlreiche runde Sporen zerfallen ist, in welchen die sichel-
förmisen Keime in Bildung begriffen sind,
10c—f. Zwei Sporen mit sichelförmigen Keimen und einem Restkörper (tr).
l0g. Die aus einer Spore hervorgetretnen sichelförmigen Keime und der Restkörper (rt).
10h. Zwei der jugendlichsten Stadien der Klossia in ‘den Nierenzellen.
11. Coeeidium oviforme Leck. aus der Leber des Kaninchens.
l1a. Eben gebildete Cyste.
11 b. Die äussere Öystenhaut ist verloren gegangen, der Inhalt hat sich condensirt. n ? Nucleus.
Ilc. Der Cysteninhalt in vier Sporoblasten getheilt.
11d. Dieselben haben sich abgerundet und zeigen je eine helle kernartige Stelle im Innern.
11e—f. Die Sporoblasten haben sich zu Sporen entwickelt und je einen sichelförmigen
Keim erzeugt.
11g—h. Eine reife Spore stärker vergrössert. g der sichelförmige Keim von der Seite;
h von vorn, nur die kuglig verdickten Enden deutlich zu sehen.
12. Zwei weitere angebliche Entwicklungsstufen der Cysten des Coceidium oviforme nach
Waldenburg’s Darstellung.
12a. In den vier Theilstücken des Oysteninhalts sind je vier helle Kügelchen (Kerne nach
Waldenburg) aufgetreten.
12b. Diesen Kernen entsprechend ist jedes der vier Theilstücke in vier kleinere Kügelchen
zerfallen. Vergr. 300.
(Diese Entwicklungsstadien der Cysten wurden bei Aufbewahrung der inficirten Leber
in Chromsäure beobachtet.)
13. Aus der Spore ausgetretne sichelförmige Keime der Eimeria faleiformis Eim. sp. der
Maus: dieselben sind amöboid (?) beweglich und gestaltswechselnd.
Figg. 1—9 nach Aim. Schneider (Arch. zool. exper. IV); Fig. 10 nach Kloss (Abh. der
Senckenberg. Gesellsch. D; Figg. 1la—11f nach R. Leuckart (Die Parasiten des Menschenr
2. Aufl.); Figg. I1g—h nach Stieda (Arch. f. pathol. Anatomie 32); Fig. 12 nach Walden-
burg (Arch. f. pathol. Anatomie 24); Fig. 13 nach Eimer (Psorospermien der Wirbelthiere).
Sporozoa.
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Erklärung von Tafel XXXVIH. ee
Fig.
1. Klossia octopiana Aim. Schn. aus Uephalopoden. k
1a. Ein kleines Exemplar vor Beginn der Sporulation; n der Kern mit anschnlichem
Nucleolus, ct abgehobne Cuticula.
Ib. Cyste mit zahlreichen hellen Körpern (Kernen?) im Inhalt.
lc. Cyste mit unreifen Sporen (Sporoblasten ?).
1d—f. Reife Sporen mit sichelförmigen Keimen in verschiedner Lagerung und einem
Restkörper (r). Vergr. von a—c —= 200.
2. Eimeria falciformis Eim. sp.
2a. Ein erwachsenes, nicht encystirtes Individuum in einer Darmepithelzelle der Maus.
2b. Eneystirte Form; an beiden Polen der Öyste eine sogen. Mikropyle; im Inhalt der
Cyste drei nucleusartige Körper.
2c. Cyste mit stark condensirtem, kugligen Inhalt.
2d. Eine ähnliche Cyste, in deren Inhalt eine Anzahl heller Körperchen aufgetreten sind.
2e. Cyste, deren Inhalt sich zur Spore ausgebildet hat, in welcher eine Anzahl sichel-
förmiger Keime neben einem Restkörper (r) sich findet.
2f. Eine isolirte Spore mit einer Anzahl sichelförmiger Keime.
2g. Eine ähnliche Spore, deren sichelförmige Keime mit ihrem einen Ende einem Rest-
körper (r) aufsitzen.
Darmepithelzelle des Kaninchens mit einer (nach Waldenburg) angeblich in Viertheilung
begriffenen Coceidie. Vergr. 300.
4. Ein isolirter sichelförmiger Keim der Eimeria Schneideri n. sp. (aus dem Darm von
Lithobius forficatus); a gestreckt; b sich einkrümmend; c zu unregelmässig ovaler Ge-
stalt zusammengezogen. Vergr. ca. 700.
5. Freie amöbenförmig gestaltete Myxosporidie auf einem Kiemenblättchen von Leucis-
eus erythrophthalmus. Vergr. ca. 20.
6—10. Myxobolus Mülleri.n. g. et sp. von den Kiemen verschiedener Cyprinoiden.
6a. Zwei Kiemenblättchen einer Cyprinoide, von welchen das eine eine ansehnliche Myxo-
sporidie einschliesst (M); Kn das Knorpelstäbchen dcs Kiemenblättchens.
6b. Spore in der Ansicht von der Flachseite. p Polkörper (Nesse'kapsel), n Kern, k glän-
zendes Körperchen; o die Oeffnung.
7. Sporenschale von der Schmalseite (nach Behandl. mit concentrirter Schwefelsäure).
8. Die beiden Hälften einer solchen Sporenschale getrennt; von der Schmalseite.
9. Eine Spore mit ausgeschnellten Nesselfäden der Polkörper; in Flächenansicht.
10a—b. Zwei Entwicklungsstadien der Sporen; die drei rundlichen Körper in 10a sind wahr-
scheinlich Kerne; in b sieht man die jugendlichen Nesselkapseln, welche anscheinend in
den beiden vorderen Kernen liegen.
11. Zwei Sporen einer Myxosporidie der Hechtkiemen, paarweise in gemeinsamer Hülle ein-
geschlossen. Vergr. ca. 700.
12—15. Myxidium Lieberkühnii n. g. et sp. aus der Harnblase des Hechts.
12. Stark amöboid verzweigtes Exemplar. Vergr. ca. 60.
13. Exemplar, dessen Oberfläche dicht von queren faltenartigen Erhebungen beuleckt ist; an
einem Pole einige Pseudopodien. Vergr. 160.
14. Zur Bildungsgeschichte der Sporen.
14a. Eine sechskernige Keimkugel eines Myxidium Lieberkühnii.
14b. Eine ähnliche, mit einer zarten Hülle bekleidet.
14c. Weiteres Stadium; die Keimkugel hat sich in zwei dreikernige Sporoblasten getheilt.
14d. Die beiden Sporoblasten haben sich länglich gestreckt und nähern sich in ihrer
Gestalt der reifen Spore.
14c. Weiter gereifter Sporoblast. Die beiden endständigen Nuclei sind geschwunden,
und an deren Stelle haben sich zwei Nesselkapseln ausgebildet.
Fu
=>
15. Reife Spore; p die Nesselkapseln; n der Nucleus.
16. Geschwänzte Sporen einer Myxosporidie von den Kiemen der Perca fluviatilis. a ein-
fach geschwänzte Spore in Flächenansicht; b eine solche in der Seitenansicht ; ce doppelt-
geschwänzte Spore in Flächenansicht. Vergr. ca. 650.
17. Spore mit Myxosporidie (aus der Harnblase von Lota vulgaris) mit vier Polkapseln; polare
Ansicht. Vergr. 600.
18. Myxosporidie von den Kiemen des Gobio fluviatilis. Vergr. ca. 900.
1Sa. Spore in seitlicher Ansicht.
hrofiiamibeun Aufgesprungene Spore, mit austretendem Inhalt.
18c. Der ausgetretene Inhalt in amöboider Bewegung begriffen.
19. Spore einer Myxosporidie von der Kieme von Tinca vulsaris (in Flächenansicht).
20. Myxosporidie aus der Gallenblase von Lota vulgaris. Vergr. ca. 130.
21. Spore einer Myxosporidie aus der Niere von Lota vulgaris; mit gegabeltem Schwanz.
Vergr. ca. T00.
22. Spore einer Myxosporidie aus dem ÖOyarium von Lota vulgaris. Jede Spore in besonderer
heller Hülle. Vergr. ca. 600.
23. ER CHERE aus Nais proboscidea; a in Flächen-, b in seitlicher Ansicht. Vergr.
700.
24. RER von den Kiemen der Lota vulgaris; sehr dickes Ectoplasma vorhanden.
... ‚Vergr. ca. 130.
25. Sarcocystis aus dem Zwerchfell des Schweins; die mit dickem Borstenbesatz versehene
Hülle ist an einer Stelle eingerissen. Das Innere dicht mit Sporenkugeln erfüllt, welche
zahlreiche Keime enthalten.
26. Keime dieser Sarcocystis. a Keime der jugendlichsten Sarcocysten; b rundliche Keime,
an welchen eine Membran deutlich hervorgetreten sein soll und der Inhalt sich zu einem
nierenförmigen Körperchen zusammengezogen hat. c gewöhnliche nierenförmige Keime,
welche nach Manz aus der Form b durch Platzeu der Hülle frei werden sollen. d an-
gebliche Theilungszustände der Keime.
27. Drei Keime einer Sarcocystis nach Leuckart.
28. Eine Sarcocystis mit Borstenbesatz in einer quergestreiften Muskelzelle des Schweins ein-
geschlossen.
29. Amoebidium parasiticum Cienk.
29a. Ein ‚erwachsenes Exemplar; a die Befestigungsstelle, n einer der zahlreichen Nuclei.
29b. Ein Exemplar, dessen Plasma, der Zahl der Kerne entsprechend, in junge Amöbi-
fr} dien zerfallen ist.
29c. Amöbidium, dessen Inhalt in zahlreiche amöboid bewegliche Sporen zerfallen ist.
29d. Eine freigewordne sich amöbenartig bewegende Spore.
29e. Die Spore ist zur Ruhe gekommen und hat sich mit einer dünnen Hülle bekleidet-
29f—g. Der Sporeninhalt ist in eine grössere Zalıl von Amöbidienkeime zerfallen.
29h. Spore mit dicker Hülle (sogen. Ruhezustand Cienkowsky’s).
29i. Weiterer Entwicklungszustand einer derartigen Spore; die Hülle hat sich allmählich
sehr verdünnt und der Inhalt ist in eine Anzahl Amöbidienkeime zerfallen.
29k u. l. Junge Amöbidien aus einer Spore wie Fig. 29i hervorgegangen. k mit zwei,
l mit vier Vacuolen (oder Kernen?). Vergr. von 29a—c 190, e—l 285, 29d 380.
lieg. 1a—c nach Eberth (Zeitsch. f. wiss. Zool. XD: 1d—f nach Aim. Schneider (Arch.
zool. exp. IV); Fig. 2 nach Eimer (Psorospermien der Wirbelthiere); Fig. 3 nach Waldenburg
(Arch. f. pathol. Anat. 40); Figg. 4, 6—10, 14, 15 nach Bütschli (Zeitsch. f. wiss. Zool. XXXV);
Figg. 5, 11—13, 16—24 nach ÖOriginalzeichnungen, welche Herr Prof. Lieberkühn die Güte
hatte mir zur Benutzung zu überlassen; Figg. 25>—26 nach Manz (Arch. f. mikr. Anat. IID;
Fig. 27 nach Leuckart (Parasiten des Menschen); Fig. 28 nach Rainey (Transact. philos. soc.
Vol. 147); Fig. 29 nach Cienkowsky (Botan, Ztg. 1861).
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