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Full text of "Psychiatrisch-neurologische Wochenschrift 23.1921-22 - 24.1922-23"

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Psychiatrisch-N eurologische 


Wochenschrift © = 


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Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 


Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 


Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


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Th 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
(Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. Hberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Dreiundzwanzigster Jahrgang 1921/22. 


Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 


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Adalin, Vergiftung 233, 270 

Alkoholismus 77 

Alt, Konrad, 60. Geburtstag 11, 47 

Analphylaxie, beim epileptischen Anfall 13 

Angina pectoris 77, 125 

Angstzustände, nervöse 173 

Ansbach, Verpflegungssätze 242 

Anschauungsbilder, subjektive, optische 255. 

Anstaltsärzte, Behandlung der Anstaltsbeamten durch A. 
67; 70; Gehälter 112 

Argeochrom 14, 102 

Armenpfilege, Entscheidung des Bundesamts iür Heimat- 
wesen 87 

Arteriosklerose 77 

Arzneipflanzentaschenbuch, Gehes 90, 210 

Arzt, Lebensglaube eines A.es 125 

Arztlicher Stand, Sozialisierung 239 


- Assistenzärzte 70 


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Augenoperationen, Atlas und Grundriß 244 
‚Räderbehandlung in Irrenanstalten 202, 242, 256 
Bakteriologie, Einführung (Kruse) 62 
Beruisgeheimnis der Anstaltsärzte 307 
Besoldung 48, 89, 112, 259 
Besoldungsausschuß 67 
Betriebsrätegesetz, Entscheidung 
Krankenanstalten 95 


über Anwendung auf 


Bezuglehre (Relativitätstheorie) 90, 211 


Bilharz, Alfons, 85. Geburtstag 61 
Blut bei Geisteskrankheiten 316 
Bonn, med. Fakultät 1818 bis 1918 124 
Botanik, Lehrbuch für Mediziner 173 
Bromural 270 


Cadechol 125 ` 

Carbo animalis- 138 

Chinin bei Paralyse und Tabes 279 
Choleval 245, 246, 258 

Cymarin 258 

Cystinal 297 ` 


Dementia praecox, Frühentlassung 315; Moden und Eies- 
stöcke, mikroskopischer Befund 276; innere Sekr-- 
tion 48; s. a. Schizophrenie und Katatonie 

Desinfektion, Leitfaden 292 

Deutsche Nacht, Gedichte von Hoche 51 

Diagnostik, neurologische 257 

Dienstbeschädigung, Begriff 96 


Dionin 162 


Diphtherie, psychische Störungen 53 
Diphtheriebazillenträger, Diphthosan 63 


Edel, Karl, Nachruf 115 
Eherecht bei Geisteskranken und Nervösen 62 


Ehescheidung, § 1333 BGB., Hysterie 24; Anlage zu Qei- 


steskrankheit 29; 8 1569 BGB. 30, 44 
Eidetiker 235, 255 
Einstein 90, 211 


Sachregister. 


(Die Zahlen bedeuten die Seiten.) 


Eklampsie, Luminal 293 

Ekstase der alttestamentlichen Propheten 138 
Elarson 270 

Elektromedizin, Leitfaden 292 

Entmündigung, Kosten 46 

Entscheidungen, gerichtliche 9, ff. 

Enzephalitis 103 

Epilepsie, humorale Vorgänge 13: Kopfröntgenbildi 
Erinnerungsfälschungen 281 
Erlangen, Verpflegungssätze 242 
Erlasse, ministerielle 96 E- 
Ernährung des deutschen Volkes 91 | Be 
Erziehung und Seelenleben- 257 | , 
Eukodal 125, 186 


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Familienpflege 31, 121; 
Flüstersprache 279 
Fortbildungskurs 66, 123 
Fürsorgearzt, Milisbuch 244 


Fürsorgestellen 66: s. a. soziale Psychiatrie 


Geschichte in Sachseh 135 


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Peh T a a p e adta 
DNE O OEA TR F 


Gartenbibliothek 294 et. 
Geburtshilfe, Kompendium 125 u 
Gebührenordnung 15,., 48,.:63;::67,:::123,:18 32923 
(jefängnisbeamte 123 
Gefängnis, Unterricht in Seelenkunde 123 
Geflügelzucht in Anstalten 174 FE 
(ieisteskranke, Applikation von Arzneimitteln 19: Fri 
entlassung 265, 283, 310; soziale Fürsorge A: 
Testierfähigkeit 45; Vernichtung unwerten Lebens s 
Geisteskrankheit, Begriff, badisches Irrenfürsorgese 
Entscheidung 88: Blutbefunde 316; Organbefi 
316; Pathologie und Therapie 316; herapeutisal 
Vorschläge 291 E 
Geistesschwache, Testierfähigkeit 45 
Gemeingefährlichkeit, badisches Irrenfürsorgegeseta i 
scheidung 88; Begriff 132 
Geräusche, Belästigung d. G., Entscheidung des- Obe 
verw altungsgerichts 80 ur 
Gerichtliche Entscheidungen, wichtige 9 ff. B: 
Gesundheit und gewerbliche Arbeit 185 er 
Gewerbehygiene 185 
Gewohnheitsmäßigkeit, strafrechtlich 46 
Grippeimpfstoff 90, 113, 222 R 
Gutachtertätigkeit 291 > 


Haftpflicht 221, 314; s. a. Schadenersatzpiflicht TA 
Hang, strafrechtlich 46 RE 
Haustechnische Rundschau 294 = 
Hayner 135 | 
Herz und Psyche 63 Be 
Hilisschule, Einrichtung 233 | Sa 


Hilfsschulpädagogik 232, 233, 270 

Hilfsvereine 100, 137 

Hirn, Desinfektion 257; druckentlastende Operation 
257; H.rinde, das Weltbild ein Schwingungserze 
nis d. H. 308; H.schwellung 101; stammt 
H.tumor u. Schwangerschaft 237; H.verletzungen 1 13 


Hochschulführer 37, 198 


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SACHREGISTER II 


Hypnose und Hypnonarkose 124; Verbot öffentlicher 
Vorführung 96, 97 

Hypnotismus 186, 209 

Hypothyreose 237 


Hysterie, Verlauf 244 


Ikterus, hämolytischer -232 

Ilberg, Georg, 60. Geburtstag 309 

Influenza, s. Grippe 

Irrenanstalten, Bäder 202, 242, 256; Bau 27; Beaufsichti- 
gung 99; Beköstigung 1, 190; Beschäftigung, Blin- 
denschrift 120; Beschäftigung der Pfleglinge bei An- 
staltsangestellten 183, 267; Brieizensur 85; ‚Inter- 
nierung, widerrechtliche” 307; Sparsamkeit makak 
119, 187, 200; Stand der Krankenpflege in den baye- 
rischen Irrenanstalten 175, 193 

Irrenärzte, Erholungsurlaub 56, 307; fachärztliche Ver- 
tretung bei der Zentralbehörde 20, 25,68; I. aus den 
abgetretenen Gebieten 70; Verantwortlichkeit 124 

Irrengesetz, Reichs- 36, 68, 69 


Kakodylat 245 

Katatonie, Beziehung zu Medulla oblongata 70; Rinden- 
befund 269 

Kohlenoxydpsychosen 165 


"Kokain 97, 98, 99; Stuporlösung_ durch-K. 219. 


 Kommotionspsychose 13 
Konstitutionslehre 101 
Konstitutionstypen, psychophysische 235, 255 


Kopfschmerz, Anleitung zur Erkennung aller Formen des- 


K.es 244 
Krätzemittel, Mitigal 209 
Kreisarztexamen, Ablegung durch Irrenanstaltsärzte 67 
Kriegserkrankungen, Schizophrenie 231 
_ Kriegsverletzungen 13 
 Kriminalpsychologie 245 
- Krüppelfürsorgegesetz 106 


- Landesmedizinalrat, Rheinprovinz 11, 20 
Leber bei Geisteskrankheiten 316 
Lobelin 126 

- Lumbalpunktion in der Anstaltspraxis 79 
Luminal bei Eklampsie 293 
Lungentuberkulose, s. Tuberkulose 


 Magensaftabsonderung, psychische Einflüsse 162 

. Matusch, 25 jähr. Direktoriubiläum 37 

Medium, Verbot öffentlicher orng 96, 97 

Mitigal 209 | 

 Modenol 245° 

 Morphinismus 77, 97, 98, 99 

Mystische Heilbehandlung. Entscheidung 10, 86, 96, Di; 
137 


‚Nahrungsmitteltabelle 257 

Nerven, extrapyramidale Innervationsstörungen 
Messung der Leitungsgeschwindigkeit 62 

Nervenheilanstalt, der Irrenanstalt angegliedert 208 

Nervenkrankheiten, Lehrbuch (Bing) 102; Unfallbegut- 
achtung 221; periphere Nerven 51 

‚Nervenysphilis, Verlauf 243 

'Nervenverletzungen, Chirurgie 113 

Neurologische Diagnostik 257 

‚Neurosenlehre Freuds 77 

Neurosen, Therapie 308 

‚Nierenerkrankungen, Reststickstoff 51 

Nirvanol 101 

Notwehr gegenüber Geisteskranken u. -schwachen 127 

Novasurol- Silbersalvarsan 233 | 


122; 


Okkultismus 76, 96, 97, 143, 161, 197, 228, 230, 279; Archiv 
für wissenschaftlichen O. 148 

Opium 97, 98 

Ovarialoptone 138 


Paralyse, Behandlung 172, 183, 241, 279; erbliche Be- - 
lastung 149; Unfall 26; Verlauf 243 

Pflegepersonal, Auszeichnung 149; Unterricht und Prü- 
fung 163, 175, 193 

Präsklerose 7T 

Presseausschuß des Reichsverbands beamteter deutscher 
Irrenärzte 307 

Privatanstalten, Archive aufgelöster P., Aufbewahrung 
291; Umsatzsteuergesetz 72 

Promontanahrung 105 

Psyche und Herz 63 

Psychiatrie, Entscheidungen, gerichtliche 9ff.; Erlasse, 
ministerielle 96; Lehrbuch der speziellen P. (Pilcz) 
137; soziale P. 116, 220, 221 

Psychische Einflüsse auf Magensaftabsonderung 162; 
p. Störungen nach Diphtherie 53 | 

Psychoanalyse 123; Preisfrage 307; P. u. Psychiatrie 247 

Psychologie, Abriß (Ebbinghaus) 37; experimentelle 235; 
physiologische (Ziehen) 257; Wörterbuch 63 

Psychopathenfürsorge 66, 108; preuß. Min.-Erlaß 232 

Psychopathologie, Kriminalp. 245 

Psychopathologische Dokumente 13; p.es Schema 58 

Psychophysische Konstitutionstypen 235, 255 

Psychosen, Einteilung 19; Kohlenoxyd 165 

Psychotherapie 208, 209: Sorgenkind 232 


Reichshaitpflichtgesetz 75 

Reichsmedizinalkalender 197 

Reichsverband beamteter deutscher Denke 112.28 
61; 65 Bericht über die Jahresversammlung; 68 R. 
und Bund höherer Beamter; 100, 123, 137, 184, 197, 
221, 269, 291, 307 

Relativitätstheorie 90, 211 

Religiöse Überzeugung, militärischer Ungehorsam 231 

Rhythhmustheorie des Sehens 94 

Richtlinien des Reichsverbands 64, 137, 197 

Riickenmark, Krankheiten 51 

Ruhrnachkrankheiten 232 


Sachverständige, Gutachten, Bewertung durch das Ge- 
richt 86; s. a. Gebührenordnung 

Schädelasymmetrie bei Begabten 297 

Schadenersatz $ 823 BGB. 9, 10; bei ärztlicher Behand- 


lung 22, 23; irrtümliche Begutachtung; § 829 24; 
§ 839 87; Reichsgesetz v. 22. Mai 1910 87; 124, 134 


Schizophrenie 231; s. a. Dementia praecox 

Schlafkrankheit 103; Schlafstörungen 48 

Schmidt, Emil, Nachruf 39 

Schwächezustände, geistige, in der Hilfsschule 270 

Sedobrol 77 

Seele des Kindes 162 

Seelenleben und Erziehung 257 

Seelenschmied, Roman 125 

Seelische Krankenbehandlung 208° 

Sehen, Rhythmustheorie 94 

Selbstmord 92, 231 

Simulation 123 

Solarson 258 

Sorgenkind 232 

Sozialisierung des Heilberufis 239 

Sprachpflege in der Hilfsschule 233 

Standesfiragen, irrenärztliche 259 

Steinach, Verjüngung 231 

Steinhof, Anstalt 172 

Sterben, vom St. 90 

Stertz, Prof. in Marburg 114 

Striäres System, Erkrankungen 48 

Stuporlösung durch Kokain 219 

Suggestion 186, 208, 209 ù 

Syphilis des Zentralnervensystems ‘(Gennerich) 49; ve 
lauf der Nervensyphilis 243 

Syzygiologie 149, 197 


Tabes, Behandlung 183, 241, 279; Verlauf 243 
Telepathie 170, 228, 279 
Testierfähigkeit, $ 2229 BGB. 45 


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IV 


NAMENREGISTER 


Therapeutisches Vademekum 162 
Tiere, irrenärztliche Beobachtung 241 


Titel der Anstaltsärzte 260 
Traumdeutung 58, 133, 281 
Trunksucht, $ 6 BGB. 9 


Tuberkulose 89, 144, 173, 186, 209, 222, 258, 308 ` 
Typhus, Dauerausscheider - 295 


Umsatzsteuergesetz 71 
Unfall, 
221 


Reichsversicherungsordnung . 75; 


Begutachtung 


Universitätskalender, deutscher 232 ẹ 
Unterstützungswohnsitzgesetz, Entscheidung 87 


Ventrikel, 


Druckentlastung 232 


Verband der Ärzte Hessischer Anstalten 61 


Vererbungslehre 101 


Verein, deutscher, für Psychiatrie 12, 36; 


der Ärzte dei 


sächsischen. Landesanstalten 89 


Adler 19, 58, 70, 94, 122, 


183, 269, 279, 291, 297 
"Ahrens 204 

Aigner 76 

Albrecht 35 
Altmann-Gotheiner, E. 81 
Anton, G. 232, 242, 257 
Ascherson 232 

Ast 193 


Barnewitz 90 
Bauer 208 
Baumann 65, 102 
-Becker 219 
Berlit 101 

Beyer 185 
Binding 4 

Bing 102 
Birnbaum 13, 245 
Blachian 175 
Blancke 174 
Bleuler 204 
Boehm 125 


‘ Bonhöffer 207 


Bornträger 63 

Braun 63 

Bregmann 48 

Brennecke 4 

Bresler 1, 85, 119, 183, 187, 
211, 247 

Brun 13 

Buchner 34 


Cassierer 5l 
Chotzen 270 
Cornils 90 

Crinis, de 13 


Dammer 294 
Dannemann 58 
Dehio 135 
Delbrück 32, 204 
Deycke 89 
Dluhosch 34 


Vergiftungen 138 


Vernichtung unwerten Lebens 4 
Versicherungsgesetz für Angestellte § 25 75 
Reichsgewerbeordnung 76 

Vormundschaft, $ 1446 BGB. 30; 


Völlerei, 


Wahnsinn, Bedeutung des Wortes W. 62 


Wahrträume 281 


Warenumsatzstempelgesetz 5 
Wassermannsche Reaktion, minist. Verordnung 107 ` 
Weltbild, ein Schwingungserzeugnis der Hirnrinde 8 
Wien, Anstalt am Steinhof 172 ai 
sozialpsychiatrische Tätigkeit 220 
Wilhelm Il. als Krüppel und Psychopath 257 
Wünschelrute 76 


Wiesloch, 


Zeitschriften, 


Namenregister. 


(Die Zahlen bedeuten die Seiten.) 


Ebbinghaus 37 
Frich, A. (Hoche) 51 


Feldheim 125 
Finkelnburg 221 

Forel 209 
Frank:T.,:237 

Frenzel 232, 233 
Freud.77 

Friedländer, A., 124, 230 
Friedländer, E., 231 
Fuchs, W., 149, 172, 197 


Galli -14 
Gennerich 49 
Gerstenberg 49 
Giese, F., 63 
Groß 33 


Haab 244 
Hammer 127, 241 
Hannesk125 
Hegar 92 
fleisler 257 
Heischen 165 
Herfeldt 256 
Herting 122 


Heyer 162 


Hinrichs 34, 242 
Hirschlaff 186 

Hoche 4, 51, 90 

Holub 230 

Hoppe, A., 58, 109, 231 
Hössly 13 

Hübner 62, 204 
Hussels 65 


Jacobi, W., 53, 138, 237, 241 
Jaensch, W., 235 

Jaensch, E. R., 255 

Ilberg 208 

Jones 308 


Kahl 36 
Kalb 149 
Kauffmann 149 


Kellner 231 
Kispert 308 
Kleist 204 
Klemperer 138 
Klose 162 
Köhnen 37 
Kolb 207 
Kruse, W., 62 
Kühne 26 
Kürbitz 123 
Küster 173 


Lachmund 103 
Lang 283, 310 
Lange 32 
Langer 63 
Laqueur 292 
Lehmann 113 
Lessing 48 
Lobedank 244 
Lomer 135 


Maaß 79 
Marthen 35 
Mercklin 35 
Meyer 33 
Michalke 36 
Möckel 220 
Mosse 232 
Mott 276 
Müller, A., 221 
Müller, O., 292 


Neißer. 47 
Nixdorf 292 


Oetter 316 


Paetz 33 
Pilcz 137 
Pregowski 19, 27 


Quaet-Faslem 112, 239 


Raatz 232 
Raecke 116 


Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle (S.) 


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13 


unsere 109 
Zentralnervensystem, Syphilis 49 
Zurechnungsfähigkeit, $ 51 StGB. 46 


8 1797 45 


Reinhardt 101 
Rein, O., 15, en 
Röll 105 


Sand 231 
Schäffer, H., 62 
Schall 257 : 
Scherrer 206 Ei 
Schmelzeis 170, 228, 
Schmitt 295 Er 
Schmitz 120, 281 
Schmiz 124 
Schneider 125, 268 
Schulte- Tigges 149. 
Schultz, I. H., 208 a = 
Schultze, E., 34, 36 
Schulz 204 Ri 
Schwalbe 197 | 
Siemens 101- 
Siemerling 124 
Singer 257 
Snell 204 
Sobernheim 292 
Soyka 125 
Spät 244 
Steinach 231 
Stekel 173 
Strauß 232. 
Strümpell 243 


Uhlmann 51 


Veraguth 13 EE 
Vleuten, van, 121 2 
Vogt, C. und O, 48. SB 
Völcker 257 a 


Wachsmuth 32, 132 an. 
Wasielewski, V., 149 
Weber, L. W., 20 ~ 
Weygandt 205 
Wilm 257 


Ziehen 257 
Zinn 36 


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Wochenschrift. 


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Schriftleiter; Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
Verlag und Ausgabe: 


Psychiatrisch-Neurologische 


- Dreiundzwanzigster Jahrgang. 


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nichts Aufregendes und nichts 
Verlegendes. Sie vermeidet es, 
zu Darteikämpfen des Tages 
Stellung zu nehmen und bleibt 
immer dezent. Ihre Beiträge 
jtehen auf künjtlerijcher Pöhe. 
Mit ihren frohgemuten Scherzen, 
ihren heitren Erzählungen, den 
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mit ihrem prachtvollen Bild- 
Schmuck bringen die Meggen: 
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| Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


- Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh.’ San.-Rat Prof. Dr. K. Alt Uchtspringe (Altmark), Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat Dr. Beyer, 
en b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Med.- 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer. Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir, Dr. Herting, Galkhausen 
(Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Rat Proi. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Mauer-Öhling (N.-Ö.). Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
N Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdori, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresier, Kreuzburg (Oberschlesien). 


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| Milderung von Not und Elend ausgibt, 


Nr. 1/2. 


Bezugspreis: 

M 7,50 für das Vierteliahr, die 
Abonnementspreise für das Aus- 

- land werden nach der vom Deut- 
schen Buchhandel vorgeschrie- 
benen Verkaufisordnung für das” ` 
Ausland berechnet. Zu beziehen 
durch jed. Buchhandlung, d. Post 
u. unmittelbar vom Verlage. Er- 


Inhalt: 


nichtung lebensunwerten Lebens“. 


S. 11.) — Büchbesprechungen. 


9. April 


Verlag und Ausgabe: 
„Cart Marhold E 


Malle a. S., Mühlweg 26 
Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 


scheint bis auf weiteres vier- Postscheck: Leipzig 32070. 
| zehntägige in Doppelnummern. 
Zum neuen — dreiundzwanzigsten — Jahrgang. 
(S. 1.) — Kritische Bemerkungen zu der Forderung Bindings ‘und Hoches 
Von Dr. med. H. Brennecke, Hamburg. 
Er eunen und Verfügungen auf dem Gebiete des. Irrenwesens und Verwandtes. 
(S. 13.) — Therapeutisches. 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
li mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 
laß gewährt. 


Marhold Verlag Hallesaale 


Von J. Bresler. 
„Der Freigabe der Ver- 
Wichtige gerichtliche 
(S. 9.) — Mitteilungen. 
(S. 14) — Personalnachrichten. (S. 14.) 


Sparsamkeit in der Irrenanstalt. 


(S. 4.) — 


Zum neuen — dreiundzwanzigsten — Jahrgang. 
Sparsamkeit in der Irrenanstalt. 
Von J. Bresler. 


Sparen ist eine der wichtigsten Pflichten des An- 
staltsleiters.”. So begann ich das Kapitel: „Die 
Sparsamkeit: in de Anstalt” in meinem Buche: 
Ausgewählte Kapitel der Verwaltung öffentlicher 
Irrenanstalten (Halle 1910, Verlag Carl Marhold 
- Verlagsbuchhandlung). 

Ich führte jedoch in demselben Abschnitt aus: 

„für Sparexerzitien ist die Irrenanstalt 
allerdings nicht der Ort. Das Leid, der Schmerz, 
die in die Irrenanstalt kommen und dort gelindert 


werden sollen, die Entartung, die sich dort anhäuft, 
stammen nur 


zu einem sehr geringen Teil aus 
Be motwendigkeiten, die der Willkür der Mensch- 
heit entrückt sind wie etwa schwere Epidemien. 
| Sie stammen vorwiegend aus der Kultur, sind eine 


rk der Kultur, ihrer Verirrungen und . 


Verkehrtheiten. Darum mag die menschliche Ge- 
sellschaft für das, was sie verschuldet, recht reich- 
lich mit dem Geldbeutel büßen. Was sie hier zur 
ist ein 


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lächerlich geringer Bruchteil, vielleicht ein halbes 


Hundertstel, von dem, was sie sich an solchen Ge-' 
‚nußmitteln leistet, die zur Degeneration und Krank- 


heit führen.” 

= Ich führte weiterhin an, daß im Jahre 1907 die 
Ausgaben für Kopf und Jahr bei den Strafanstalts- 
insassen Preußens zwischen 400 und 550 Mark 
schwankten, also von denen für die Irrenanstalts- 
insassen gar nicht so sehr verschieden waren, und 
daß man sich. daher keine Sorge zu machen 
brauche, ob etwa die Irrenpflege zu große Opfer 
fordere.. 


Regierungsrat Dr, Starlinger, Direktor der 


niederösterreichischen ande sirananstal Mauer- 


Oehling, hatte damals eine sehr beachtenswerte 
Untersuchung angestellt darüber, in welchem Ver- 
hältnis beim Haushalt des Landes Niederösterreich 
in der Zeit-von 1882 bis 1906 die Ausgaben für die 


einzelnen Zweige der Verwaltung gestiegen sind. 
Mit dem Verhältnis von 1: 2,6 stand die öffentliche 


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Irrenpflege an vorletzter Stelle, nämlich vor Stra- 
Ben- und Wasserbau mit 1:25. Dabei ist zu be- 


denken, daß Niederösterreich gerade in den Jahren 


1900 bis 1906 ganz gewaltige Aufwendungen für die 
Irrenpflege durch umfangreiche Anstaltsbauten 
machen mußte. 


Solche Vergleiche sind lehrreich und sollten auch 
in anderen Ländern gezogen werden. 

Ich führte ferner (S. 31) aus, daß Zahlen und 
Tabellen an sich nicht genügend Anhalt geben zur 
richtigen Beurteilung, ob gespart worden ist; man 
müsse sich an Ort und Stelle davon überzeugen, 
was für das Geld geleistet ist und ob und welche 
Bedürfnisse unbefriedigt geblieben sind. 
wenn dabei gedarbt werden muß, ist keine beson- 
dere Kunst. Es ist nicht bloß begrifflich, sondern 
auch in Wirklichkeit möglich, daß gedarbt und da- 
bei doch nicht gespart, d. h. Geld unzweckmäßig 
ausgegeben wird. 


Unter den heutigen traurigen Verhältnissen be- 
gleitet uns die Mahnung, zu sparen, von früh bis 
abends. Wie vielen wird auch die Nachtruhe durch 
die Sorge gestört! Das Elend ist noch groß. 


Aber die alten Gegensätze mit ihren Übertrei- 
bungen — hier Verschwendung, dort Kargen — 
bestehen gleichwohl fort. 

man damit, daß Viele aus seinen Bedürfnissen ihren 
Erwerb ziehen. 


Auf der anderen Seite erwarte: man möglichstes 
Sparen da, wo große Lebenswerte nicht auf dem 
Spiele stehen. Geistige Werte werden heute nicht 
besonders hoch geschätzt; das sieht man an der 
Behandlung der Hochschulen und der wissenschaft- 
lichen Institute. Gefühlswerte stehen sehr hoch, 
sofern sie Genuß bedeuten; weniger hoch, wo. es 
sich ums Leiden handelt, und hier am niedrigsten, 
wo keine Hoffnung mehr winkt oder wenig. Fol- 
gender Widerspruch ist auffallend: In der Kunst 
herrscht jetzt das Streben, möglichst viel geistig 


Krankes oder Verzerrtes dem Volke zu bieten, ver- | 


mutlich weil dabei das beste Geschäft zu machen 
ist; die Menge hat entweder kein Verständnis da- 
für, daß es gemachte Verrücktheiten sind, womit 
ihr das Geld aus der Tasche gezogen werden soll, 
oder sie hat Gefallen an ihnen, und in diesem Gal- 
eenhumor liegt wohl ein Stück ebenso verhängnis- 
voller wie nutzloser Selbstspiegelung. Für die in 
Wirklichkeit vorhandenen Geisteskrankheiten be- 
steht auch Teilnahme und Wißbegier, aber nur 
wenn es sich um Aufregendes handelt, wie Morde 
durch Geisteskranke in der Freiheit, angebliche 
Freiheitsberaubung und ungerechte Entmündigung. 
Gegenüber dem Elend, das die Welt der Geistes- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Sparen, 


In den Jahresberichten — soweit sie bei der Pa- 
piernot und den hohen Druckkosten überhaupt noch 


Den Luxus rechtfertigt 


draußen in der Bevölkerung. Einige Besserung ist} 


INr. 1/2 


kranken durchdringt und umspannt, herro 
Gleichgültigkeit. A 

Es ist ein recht bedenkliches Zeichen, dab r neuer- 
dings die Frage erörtert wird, ob Menschen ohne 
Daseinswert aus dem Leben geschafft werden sol 
len. Denn wenn es als statthaft und vernünftig 
angesehen wird, diese Frage zu erörtern, darf man 
sich nicht wundern, wenn ein solcher Gedanke $ 
weitergesponnen wird und die naheliegende andere f 
Frage auftaucht: wie setzt man die Daseinsanfor-} 
derungen und -bedingungen der Menschen von ge-J 
ringerem Daseinswert möglichst diesem Werte ent- 
sprechend herab? Da solche Menschen einen gro- f 
ßen Teil der Irrenanstaltsinsassen ausmachen, so- 
muß beizeiten vorgebeugt werden, dab derärtie 
trübe Sonderströmung.in der Auffassung von Men-P 
schentum in den Gemeinsinn einbricht. Und diese 
Aufgabe fällt dem. Arzte zu, denn er weiß amp 
besten um das Leiden der Geisteskranken und gei h 
stig Gebrechlichen. 

Es besteht für die Irrenanstalten große Getahll 


gedruckt werden — liest man immer noch Klagen 
über Unzulänglichkeiten in notwendigen Dingen f 
Die Kriegszeit hat auch die Irrenanstalten -verelen- 
det; die Nachkriegszeit hat das Elend kaum wef 
sentlich verringert. Wenn auch manche Wünsche f 
noch zurückgestellt werden müssen und können, imf 
einem müssen die Irrenanstalten zunächst und mög-F 
lichst bald und ganz wieder auf die frühere Höhe? 
kommen, in der Ernährung der Pileg-F 
linge. Es ist bekannt, wie verheerend die Un-F 
terernährung während des Krieges durch Begün-f : 
stigung des Auftretens von Tuberkulose unter det f 
Pfleglingen gewütet hat, sehr viel verheerender als - 


rN E 


wohl allmählich eingetreten. | 

Die Ernährungsfrage ist seit Beginn des Krieges f 
nach allen erdenklichen Richtungen erforscht wor- 
den. Nicht zum mindesten hat in den Irrenanstal-f 
ten die. Ernährung Kopfzerbrechen und Sorge be- f 
reitet. Ich habe draußen an der Front im Unter-F 
stand, wo wir auch nicht viel zu essen hatten, die | 
Ernährungsschwierigkeiten der Heimat verfolgt 
und, soweit ich mir die Literatur ins Feld schicken f 
lassen konnte, eine längere Übersicht über die Er] 
nährung niedergeschrieben und in dieser Wochen-F 
schrift veröffentlicht (Jahrg. 1916-17 Nr. 43-44 bis] 
51-52). Das Regiment, bei dem ich stand, führte? 
damals ein Oberst, der strengstens darauf hielt, dab | 
wir beim Stabe nicht mehr bekamen als die Mant- f 
schaft der Kompagnien, und das war weit davolf 
entfernt, um zu dem Sattessen zu reichen, wie mat 


1921] 


= es vom Frieden her gewohnt war. 


Als ich später 


f ein Feldlazarett übernahm, habe ich -yon Februar 


= 1918 bis zur Heimkehr, 
< Mannschaftskost genossen, 


Weihnachten 
und : die war 


1918, nur 
damals 


- nicht zum Sattwerden und nicht zum Erhungern, 


- abgesehen von der 
- war in einer Gegend, wo man nicht durch Einkauf 


entsetzlichen Eintönirkeit. Es 


von. der Bevölkerung die Kost etwas verbessern 


- konnte; 


denn diese hatte für sich selbst nicht 


4 genig. 


Damals kam ich zu der Überzeugung, daß man 
die Ernährungsfrage am besten und sichersten stu- 
diert, wenn man sich selbst zum Versuch hergibt, 


und zwar im ganzen Umfang und für lange Zeit, 


i nicht bloß für einige Wochen, und selbstverständ- 


- lich, indem man ausschließlich die Kost der niedrig- 


[lese ich, 
| Tags „unerwartet eine Kostprobe” vornahmen, die 
übrigens zu ihrer Befriedigung ausfiel. 


sten Verpflegungsklasse genießt. Dann kann man 


“wirklich mitreden und miturteilen. Das Kosten von 
ein paar 


Löffeln Essen reicht nicht aus zur Be- 
urteilung, und die Berechnung des Nährwertes der 
Speisen und das Aufstellen und Revidieren von 
l.isten und Tabellen auch nicht. Für Viele, die über 
Ernährung geschrieben haben, ist der Hunger nur 
‘inte und Druckerschwärze gewesen. 

In: dem Bericht einer schweizerischen Anstalt 
daß zwei Kommissionsmitglieder eines 


Häufige Wägungen des Körpergewichts, wie sie 


in Irrenanstalten seit Jahrzehnten üblich sind, nüt- 


zen sehr viel zur Prüfung der Ernährung, wenn sie 


: mit Vorsicht gedeutet werden, aber nicht zur Be- 


 ruhigung des Pfleglings, wenn die Abnahme fort- 
schreitet, ohne daß sich dagegen etwas Durchgrei- 
fendes tun läßt. 

Durchaus notwendig und Sn ist es, dab 


in den staatlichen Anstalten an den Küchen und in 


net ist. 
` kranke und Geistesschwache den Inhalt einer sol- 


den Abteilungen Zettel ausgehängt werden, auf 
welchen täglich Speisenfolge und -menge verzeich- 
Nicht allein, daß nicht wenige Geistes- 


chen Bekanntgabe verstehen; die Rücksicht auf die 
Gienesenden und die nicht geisteskranken Insassen 
der Anstalt, die Nervenkranken, erfordert es. Ver- 
ständnis für Ernährung und Urteil über die Größe 


- der zuständigen Menge, wie man es früher in den 


| 
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Kasernen, wo solche Aushänge vorgeschrieben 
waren, jungen, noch nicht volljährigen Rekruten zu- 


_ traute, besitzen auch viele unserer Anstaltspfleg- 


a . 
P 
Ag 

E 


. gerliche Gesetzbuch! 


tinge. Daß ihrer viele den Inhalt eines solchen 
Speisezettels nicht erfassen, kann nicht in Betracht 
kommen. Wieviel Menschen außerhalb der An- 
stalt verstehen das Strafgesetzbuch und das Bür- 
‚ Wieviel wird verfügt und 


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BET Lee nn nn uni me en a N 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT ; 3 


angeordnet, was ungezählte Tausende draußen 
icht verstehen (Steuergesetze)! Und dann im 
obigen Falle des Speisezettels bleibt. doch auch 
der Wee der Aufklärung noch offen, wo Verständ- 
nis nicht vorhanden, aber erwünscht und erreich- 
bar ist. | 

Geisteskranke werden doch auch in der An- 


 staltsküche beschäftigt und manche geisteskranke 


Frau versteht sich aufs Kochen und selbst auf 
die feine Küche mindestens ebensögut, wenn 
nicht besser, als manche Anstaltsköchin. Oder 
bedarf es etwa hierfür des allgemeinen Hin- 
weises darauf, welche hervorragenden Leistun- 
gen auf den verschiedensten Gebieten des Lebens 
Geisteskranke trotz ihres Leidens vollbracht 
haben ? 

(Es stehen bekanntlich nicht alle Anstältspilee 
linge unter Pflegschaft nach $ 1910 BGB., und ver- 


„schwindend wenige unter Vormundschaft; und es 


hindert ferner bekanntlich Geisteskrankheit oder 
Gieistesschwäche an sich nicht die Beeidigung, son- 
dern nur solche Verstandesschwäche, bei der von 
Wesen und Bedeutung des Eides keine genügende 
Vorstellung vorhanden ist. $ 56 StPO.) 

Ein solcher, auf jeder Abteilung angebrachter 
Aushang erleichtert überdies dem Arzte, der den 
Ernährungszustand seiner Kranken täglich im Auge 
behalten muß, ganz wesentlich die Beurteilung, wie 
weit die Kost jeweilix nach Art und Menge aus- 
reichend ist. | 

Alles in allem: es ist dringend nötig, daß wir 
Anstaltsärzte namens der unserer Pflege Anver- 
trauten, die selbst nicht ihre Interessen so wie Gei- 
stesgesunde vertreten und durchsetzen können, 
alles tun, daß die Anstalten gerade in der Ernäh- 
rung um nichts zıurückbleiben hinter dem, was die 
Bevölkerung draußen für sich tun kann. 

Es gibt ein offenes und ein geschlossenes Elend; 


ersteres ist für Auge, Ohr und Herz des Mitleids 


zugänglich und es kann sich in die Öffentlichkeit 
flüchten. Der- Gesetzesparagraph, der die Fürsorge 


in geschlossenen Anstalten regelt, braucht nicht 


zum. Riegel zu werden. 

Im Jahre 1880 sagte der damalige Direktor der 
Provinzial-Irrenanstalt Merzig (Rheinprovinz), Dr. 
Noetel, in einem Vortrag: „Über die Bekösti- 


gung der Kranken in den öffentlichen Irrenanstal- 


a (Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie Bd. 37 
S. 530) zum Schluß: 
„Endlich aber werden wir uns bemühen müssen, 
auf die eine oder andere Weise festzustellen, wie 
die Leute in denjenigen Gegenden leben, aus denen 


die Kranken unseren Anstalten zufließen, sich be- 


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{ru De y - TI nn erg er gms Pe re 


BA | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


köstigen, nicht die armen Leute, auch nicht die 
besonders begüterten, sondern diejenigen, welche 
in mittleren, guten Verhältnissen leben und an 
deren Leistungsfähigkeit mindestens dieselben An- 
sprüche gestellt werden, wie sie der leistungsfähig- 
ste unserer arbeitenden Kranken erfüllt.” 

Daran müssen wir festhalten und das müssen 
wir durchzusetzen suchen, um so mehr, wenn wir 
sehen, wie außerhalb der Anstalten. sehr viele Men- 
schen trotz der Not der Zeit rücksichtslos alle 
Mittel und Wege benützen, möglichst viel von dem 
wenigen, was da ist, an sich zu bringen, wenn wir 
täglich aufs neue wahrnehmen, daß keine Zeit so 
arm an echtem sozialem Empfinden gewesen ist 


. wie die gegenwärtige. 


Wir müssen dagegen ankämpfen, daß die staat- 
lichen Irrenanstalten zu Armenkrankenhäusern 


INr. 112, | 


werden. Mit welchem Recht bezeichnet und be FR 
handelt man-dieienigen als arm, die ihrer Kr anka | 
heit wegen die Fürsorge der Allgemeinheit in An- 
spruch’ nehmen müssen? Spricht man doch so f 
zartfühlend von „Erwerbslosenunterstützung”! A 


* 


Aber woher das Geld nehmen zur alsbaldigen P 
Aufbesserung des traurigen Loses der armen Gei- P 
steskranken? $ 

Möchten doch diese Klagen, die wir im Namen I 
von Hunderttausenden solcher Unglücklicher laut f 
hinausrufen, recht kräftig und nachhaltig vor allem f 
in Ohr und Herz derjenigen Mächte dringen, die, f 
weil oder vielmehr obgleich zurzeit im Besitze der f 
Weltherrschaft, die ewigen und heiligen Gebote} 
der Menschlichkeit außer acht lassen zu dürfen f 
glauben. j 


k, 


Kritische Bemerkungen zu der Forderung Bindings und Hoches 
„Der Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“. 
Von Dr. med. H. Brennecke, Hamburg. i 


Motto: Auch der Papst und Konzile können irren. Luther. 


yo: wenigen Monaten erschien im Verlage von 
Felix Meiner in Leipzig eine Abhandlung der 
Professoren Dr. jur. Karl Binding und Dr. 
med. Alfred Hoche in Freiburg, die „die Frei- 


gabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens” 


forderten und gleichzeitig Maß und Form dieser 
Freigabe festzulegen versuchten. In einer Zeit, in 
der die vor Jahrzehnten gelegte Saat des krasse- 
sten Materialismus in allen Schichten und Klassen 
der Menschheit ihre üppigsten Blüten treibt, in der 
alles Denken und Tun in erster Linie vom unver- 
hülltesten Egoismus und Mammonismus beherrscht 
und gelenkt wird, in der ein rücksichtsloser Kampi 
aller gegen alle tobt und den Bau echter .Kultur 
und Zivilisation in seinen Grundfesten erschüttert 
und zu stürzen droht, ist es nicht zu verwundern, 


wenn ein solcher, von autoritativer Seite geäußer- 


ter, Vorschlag zur gesetzlich geschützten. Beseiti- 


gung hemmender und das Wohlleben der mensch- 


lichen Gesellschaft störender Mitgeschöpfe in wei- 
testen Kreisen mit rückhaltloser und begeisterter 
Zustimmung Aufnahme und Gehör findet. Ent- 
spricht doch der Vorschlag so ganz und gar dem 
„modernen Denken” und Empfinden der überwie- 
genden Mehrzahl unserer Zeitgenossen.. Und eben- 
so bin ich mir keinen Augenblick im Zweifel dar- 
über, daß meine ablehnende Kritik von eben dersel- 
ben überwiegenden Mehrzahl als „rückständig”, 


„unmodern”, „der neuen Zeit nicht Rechnung tra- 
gend” beiseite gelegt werden wird. Trotzdem ist 
es mir eine dringende Pflicht, mit allem Nachdruck f 
auf das Bedenkliche einer solchen Forderung, wie 
Binding und Hoche sie stellen, hinzuweisen, f 
ihre Vorschläge von einem anderen, als dem „mo-F 
dernen” materialistischen Standpunkte aus zu be- 
leuchten, in der gewissen Zuversicht, daß es doch f 
einige wenige geben wird, die, das trügerische Ge- 
webe der Maya durchdringend, Schein und Sein 
voneinander zu unterscheiden wissen und, im 
Lichte einer idealistischen Weltanschauung die f 
Fehler und Trugschlüsse erkennend, den Kampi f 
gegen die immer drohender werdenden Gefahren 
und Auswüchse des Materialismus mit aufnehmen. I 
Im streng wissenschaftlichen Gewande der Rechts- $ 


‚gelehrsamkeit und der Medizin treten die Vor- f 


schläge auf, denen ich zu begegnen beabsichtige. f 
Ebenso streng wissenschaftlich will ich mich be- § 
mühen, den Kampf zu führen mit Hilfe der klaren, 7 
ieden Zeitgeist verstehenden Philosophie eines def 1 
erößten Geister, die je der Menschheit angehörten, $ 
an der Hand des transzendentalen Idealismus At- 
thur Schopenhauers. 4 

Werfen wir jedoch zunächst einen Blick darauf, ° 
wie die beiden obengenannten Verfasser ihre For- f 
derungen begründen und Maß und Form derselben | 
bestimmen. Prof. Binding stellt einleitend die’ 
Frage auf: „Soll die unverbotene Lebensvernich-" 


1921] 


tung, wie nach heutigem Rechte — vom Notstand 
abgesehen. — auf die Selbsttötung des Menschen 
beschränkt bleiben oder soll sie eine gesetzliche 
f Erweiterung auf Tötungen von Nebenmenschen, er- 
fahren und in welchem Umfange?” 

Eoo Behandlung” sucht er sie zu beant- 


worten und stellt nach Erörterung „der heutigen 

rechtlichen Natur des Selbstmordes und der sog. 
Teilnahme daran” folgenden Satz auf: „Keiner be- 
-sonderen Freigabe bedarf die Erwirkung der 
Euthanasie”, „die Verdrängung der schmerzhaf- 
ten, vielleicht auch noch länger dauernden, in der 
"Krankheit wurzelnden Todesursache durch eine 
- schmerzlosere andere’. Dies sei „in Wahrheit eine 
reine Heilbehandlung” für den Kranken, dem ja 
durch die bestehende Krankheit ein quälendes, 
-schmerzvolles Ende sicher sei. „Die Handlung 
muß als unverboten betrachtet werden, auch wenn 
das Gesetz ihrer gar nicht im. Sinne-der-Anerken- 
nung Erwähnung tut.” Und zwar komme es dabei 
auf die Einwilligung des gequälten Kranken gar nicht 
“an. Unter den „Anlässen zu weiterer Freigabe” 
spricht Prof. B. den Gedanken aus, daß das Leben 
eines lodkranken oder tödlich Verwundeten den 
vollsten Strafschutz nicht mehr verdiene. 
‚iragt er dann: „Gibt es Menschenleben, die so stark 
‚die Eigenschaft des: Rechtsgutes eingebüßt haben, 
daß ihre Fortdauer für die Lebensträger, wie für 
die Gesellschaft dauernd allen Wert verloren hat?”, 
und antwortet bejahend. Es sei ohne Zweifel, daß 
€s lebende Menschen gäbe, deren Tod für sie eine 
Erlösung und zugleich für die Gesellschaft und den 
Staat eine Befreiung von einer Last sei, deren 
- Tragung außer dem einen, ein Vorbild größter 
-Selbstlosigkeit zu sein, nicht den kleinsten Nutzen 
| stifte. Zu solchen Menschen rechnet Prof. B. 1. „die 
We Krankheit oder Verwundung  unrettbar 


'Verlorenen, die in vollem Verständnis ihrer Lage 


den Wunsch nach Erlösung besitzen und in irgend 
‚einer Weise zu erkennen gegeben» haben.” Die 
Freigabe der Tötung dieser halte er einfach für 
eine Pflicht des menschlichen Mitleids und finde 


weder vom rechtlichen, noch sozialen, noch sitt- 
‚lichen, noch religiösen Gesichtspunkte einen Grund 


‚dagegen. 2. „Die unheilbar Blödsinnigen.” Diese 
‚hätten weder den Willen zu leben noch zu sterben. 
"Daß ein Menschenberuf daraus entstanden sei, der 
‚darin auigehe, „absolut lebensunwertes Leben für 
Jahre und Jahrzehnte zu fristen, sei eine furchtbare 
e Vidersinnigkeit, ein Mißbrauch der Lebenskraft 
zu ihrer- unwürdigen Zwecken.” Wieder finde er 
| weder vom rechtlichen noch religiösen Standpunkte 
einen Gegengrund gegen die Freigabe der Tötung 
‚dieser Menschen, ‚die das furchtbare Gegenbild 


In „strenger - 


Weiter 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 5 


echter Menschen bilden und fast in jedem, der ihnen 
begegnet, Entsetzen erwecken.’ 3. Endlich befür- 
wortet Prof. B. die Freigabe ‘der Tötung „solcher, 
geistig gesunder Personen, die durch eine sehr 


schwere, zweifellose tödliche Verwundung bewußt- 


los geworden sind und bei nochmaligem Erwachen 
zu einem namenlosen Elend erwachen würden. 
Prof. B. macht nunmehr folgende Vorschläge: die 
Initiative zur Freigabe solle in der Form eines An- 
trags auf Freigabe bestimmten Antragberechtigten 
überwiesen werden. Dieser Antrag gehe an eine 
Staatsbehörde, die zusammengesetzt sei aus einem 
Arzt für körperliche Krankheiten, einem Psychia- 
ter, einem Juristen und einem (nicht stimmberech- 
tigten) Vorsitzenden. Diese Kommission müsse die 
Voraussetzungen genau feststellen und dann bei 
Einstimmiskeit die Freigabe aussprechen. Ein sol- 
cher Beschluß dürfte aber nur dann erfolgen, 
„wenn nach vorgenommener Prüfung des Zustan- 
des des Kranken er nach den jetzigen Anschau- 
ungen der Wissenschaft unheilbar erscheine”. Dem 
Antragsteller solle dann anheim gegeben werden, 
die Erlösung des Kranken in die Wege zu leiten. 
Doch müsse „die Ausführungstat Ausfluß freien 


Mitleids’” sein, die Erlösung unbedingt schmerz- 


los erfolgen. ‚Nur ein Sachverständiger wäre zur 
Anwendung des Mittels berechtigt.” An den Frei- 
gabeausschuß solle dann über den Vollzugsakt ein 
sorgfältiges Protokoll gegeben werden. — Wie im 
Gefühl der unerschütterlichen Überzeugung von der 
Unfehlbarkeit und Richtigkeit seiner Forderungen 
beschließt Prof. B. seine Ausführungen folgender- 
maßen: „Mit Aufwand unendlicher Zeit und Ge- 
duld und Sorge bemühen wir uns um die Erhaltung 
von Leben negativen Wertes, auf dessen Erlöschen 
jeder Vernünftige hoffen muß. Unser Mitleid stei- 
gert sich über sein richtiges Maß hinaus bis zur 
Grausamkeit. Dem Unheilbaren, der den Tod er- 
sehnt, nicht die Erlösung durch sanften Tod zu 
gönnen, das ist. kein Mitleid mehr, sondern sein 
Gegenteil.” 

In seinen ärztlichen Bemerkungen zu den Aus- 
führungen Prof. B’s. ist Prof. Hoche entschie- 
den zurückhaltender. Er. weist zunächst auf die 


„ärztliche Sittenlehre” hin, erinnert an die Schwie- 


rigkeiten und inneren Konflikte, in die der Arzt 
häufig bei der Vornahme lebensgefährlicher Opera- 
tionen gerät, und erörtert dann die sehr variable 
Wertlosigkeit der „geistig Toten”. Ohne Zweifel 
lasteten die Vollidioten am schwersten auf der 
Allgemeinheit, 


ihre Angehörigen berücksichtigt werden. Weiter 
spricht Prof. H. sodann vom „Fremdkörpercharak- 


trotzdem müsse bei der Freigabe 
der Tötung auch dieser „der Affektionswert” für 


6 -© PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ter” der geistig Toten im Gefüge der menschlichen 
Gesellschaft”; die Belastung der letzteren weist er 
an der Hand, statistischer Erhebungen über die An- 
zahl der Idiotenanstalten und ihrer Pfleglinge in 
Deutschland nach. Übereinstimmend mit Prof. B. 
erklärt er die „geistig Toten” für außerstande „sub- 
iektiven Anspruch auf Leben zu erheben.” 


Prof. H. ist der Meinung: dem Mitleid mit dem 
lebensunwertem Leben liege „der wunausrottbare 
Denkfehler, oder besser Denkmangel, . zugrunde, 
vermöge dessen die Mehrzahl der Menschen in 
fremde lebende Gebilde hinein ihr eigenes Denken 
und Fühlen proiiziere.” 
den geistig Toten), ist auch kein Mitleid.” Betreffs 
der praktischen Durchführung hält Prof. H. unter 
Hinweis auf die Gefahr krimineller Mißbräuche 
„technische Sicherungen für notwendig”. In Har- 
monie mit Prof. B. schließt er: es werde eine Zeit 
kommen, „die vom Standpunkt einer höheren Sitt- 
lichkeit aus aufhören wird, die Forderungen eines 


überspannten Humanitätsbegriffes und eine Über- 


schätzung des Wertes der Existenz schlechthin mit 
schweren Opfern dauernd in die Tat umzusetzen”. 


Unter dem Deckmantel gesetzlichen Rechtes 
‚und naturwissenschaftlich unfehlbarer Begründung 
appellieren diese Forderungen an den gesunden 
Menschenverstand aller „vernünftig Denkenden. 
Und der Appell wird Widerhall finden, trotzdem, 
vielleicht aber auch gerade weil durch die dünnen 
Falten dieses gesetzlich geschützten, wissenschaft- 
lich begründeten Mantels ein wohlbekanntes, fast 
allgemein beliebtes Gesicht hervorlugt: das Ge- 
sicht des rücksichtslosen Egoismus, der durch. die 
verheerende Verseuchung mit materialistischer Le- 
bensauffassung gerade jetzt mit lautem. Getöse 
überall auf den Schild erhoben wird, um neben 
Gott Mammon unbeschränkt zu herrschen. Für 
den aber, der es gelernt hat, die tiefe Wirklichkeit 
und den Sinn des Lebens hinter den Erscheinungen 


zu erkennen, dem diese krause und jetzt so trost- 


- lose Welt nur Vorstellung, Objektivation der wah- 
ren Realität, des ‚„Willens” Schopenhauers, des 
„Dinges an sich” Kants, des „Brahma” der uralten 
philosophischen Erkenntnis des Vedanta ist, für den 


wird das Gesicht unter dem Mantel zur Fratze, 


zur Erscheinung des Geistes der Verneinung, der 
tiefsten Unmoral im Sinne des kränkelnden Über- 
menschen Nietzsches.. Die von den beiden Ver- 
fassern aufgestellten Forderungen sind nichts wei- 
ter, als die logischen Konsequenzen des Materialis- 
mus. Gegen diese richtet sich mein Kampf, gegen 
die Irrwege, auf denen der Materialismus die lei- 
dende Menschheit nicht einer höheren Sittlichkeit, 


| Forderungen darlege, zeihe ich Herrn Prof. B. zır 


„Wo kein Leiden ist, (bei 


"Wissensgebieten die Unantastbarkeit des Rechtes 


4 
INr. 1/2 
sondern immer rettungloserer Verwicklung und 
damit. immer qualvollerem Leiden zuführt. — 

Ehe ich im Einzelnen meine Gegengründe gegen 
die Richtigkeit‘ der Unfehlbarkeit der aufgestellten 


nächst noch einer Unvollständigkeit. Bei ‚dert 
Sicherheit mit der er den Lebensunwert der Men 
schen in den drei von ihm genannten Gruppen festi 
stellt, vermisse ich eine vierte Gruppe, nämlich 
die moralisch Minderwertigen, immer . wiedert 
rückfälligen, antisozialen Verbrecher, die Zeit ihresf 
Lebens der menschlichen Gesellschaft zur Last ial-# 
len, ja oft sogar eine Gefahr für diese bilden. Wa-f 
rum schließt Herr Prof. B. denn diese von dem 
kecht der Freigabe ihrer Tötung aus? Nach denf 
von ihm vertretenen sozialen, sittlichen und reli-f 
giösen Gesichtspunkten kann doch an ihrem Lef 
bensunwert kaum weniger Zweifel sein, als bei denf 
Angehörigen der drei anderen Gruppen. — 
Doch zur Sache selbst. Betrachten wir ni ] 
nächst einmal den Selbstmord und das Recht derf 
Straflosigkeit der Beihilfe, die ein Anderer einemf 
Selbstmörder leistet. — Wohl nirgends ist def 
Selbstmord als -eine entschuldbare Tat menschef 
lichen Irrens klarer dem Verständnis nahe zeric 
als in der Schopenhauerschen Philosophie. Keinesf 
wegs aber verteidigt sie den Selbstmord oderp 
empfiehlt ihn gar zur Abkürzung eines unbequef 
men Lebens, eine Auffassung, der man nur allzu 
häufig in Köpfen begegnet, denen weder die philo- 
sophiscHen Grundbegriffe, noch der Pessimismus l 
Schopenhauers klar geworden ist. Bei Schopenf 
hauer ist und bleibt der Selbstmord, trotz seineff 
Entschuldbarkeit, stets die stärkste Bejahung des 
Willens zum Leben. Ich muß, um mich nicht garf 
zu breit in Einzelheiten zu verlieren, bei meinelf 
Lesern voraussetzen, daß ihnen der Begriff „Wille f 
im Sinne des transzendentalen Idealismus Schopen-f | 
hauers geläufig und bekannt ist. Der Selbstmord] | 
als solcher entzieht sich jeder Verurteilung durdif 
menschliches Recht. Auch die Philosophie erf 
kennt, in Übereinstimmung mit allen andere} 


I 


des Einzelnen auf sein eigenes Leben an, auch] 
wenn der Selbstmord ihren ethischen und morali 
schen Forderungen zuwiderläuft, J 

Anders dagegen schon ist es mit der Straflosis4 
keit der Beihilfe zum Selbstmord. Diese steti 
m. E. auf der gleichen Stufe, wie die Freigabg 
des Rechts der Tötung anderer im Sinne der Aus 
führungen Bindings und Hoches. Um derel) 
ethische und moralische Unhaltbarkeit zu begrüll@ 
den, muß ich einige philosophische Erörterungel 
vorausschicken. | Ä 


E 
1921] 
| Leben ist Leiden, ein steter Kampf aller gegen 


f alle, ein ständiges Anhäufen von Schuld durch die 


dem Willen wesentliche stete Entzweiung mit sich 


- selbst, aus der neues Leiden entsteht. Die ganze 
Tragik des Lebens spricht Schopenhauer konzen- 
_ triert aus in dem wundervollen Satz: „Könnte man 
allen Jammer der Welt in eine Wagschale legen 
und alle Schuld der Welt in die andere, so würde 
gewiß die Zunge einstehen.” (Welt als Wille und 
Vorstellung I. § 63.) Erlösung. vom Leiden durch 
die stete Anhäufung neuer Schuld findet aber 
Schopenhauer, übereinstimmend mit den Lehren 
des Vedanta und des Buddha Gothama, nur in der 
Verneinung des Willens zum Leben. Dieser Zu- 
stand wird erreicht, sobald der Wille, der dem 
Individuum im Selbstbewußtsein erkennbar ist, 
nach restloser Durchschauung des Schleiers der 
Maja, des Truges der Welt der Vorstellung, sich 
selber als die hinter den Dingen der Erscheinungs- 
‚welt liegende Realität, den Urgrund alles Gesche- 
hens erkennt und nun in sich selbst Ruhe findet. 
- Die Vielheit und Mannigfaltigheit der Dinge, der 
- Objekte oder Vorstellungen, ist nur die Folge des 
Ä ‚dem vorstellenden Subjekt zugehörigen Intellektes 
` mit seinem ihm a priori gegebenen Anschauungs- 
- formen des Raumes, der Zeit und der Kausalität 
| {principium individuationis). Mit dem Willen 
"haben diese nichts gemein, er- ist frei von ihnen. 
| Die Erkenntnis des gleichen, raum-, zeit- und kau- 
| 
| 


A 2 E et a u A? mn RA T DU NT KO a 2 u 2 mio) Ep I = n2/ =k r 


ir nacia ti A i 


i salitätslosen Willens hinter allen Dingen führt zur 

Erlösung vom Leiden durch das Mitleiden. Im ‚tat 

twam asi” (das bist Du) der altindischen Weisheit 
liegt der Schlüssel zum wahren Mit-leid und damit 
zur Erlösung, zur Verneinung des Willens zum 
- Leben durch Ruhefinden in sich selbst und Auf- 
_ hebung aller Wünsche und Begierden. | 
Dies .Mit-leiden des transzendentalen Idealismus 


; 
E 
i 
E 


ist aber himmelweit verschieden von dem Mitleid, 


. besser Mitgefühl, wie. es in den Ausführungen B in- 
dings und Hoches zutage tritt. In dieser fal- 
‚schen Auffassung des Mitleids liegt der eine große 
. Fehler derselben. Vom Gesichtspunkt der auf idea- 
 listischer Erkenntnis und wahrem Mitleiden be- 
| ruhenden Ethik und Moral Schopenhauers ist und 
' bleibt auch die juristisch zugegebene Freigabe der 
| Tötung eines Mitmenschen unter allen Umständen 
ein verwerflicher Mord, der nicht zur Befreiung 
| und Erlösung führt, sondern nur Unbequemlichkei- 
ten rein materieller Art aus dem Wege räumt. 
"Diese Art von Freigabe der Tötung ist nichts als 
eine Nützlichkeitskrämerei. 
. zu lötenden-ändert an der moralischen und ethi- 
schen Verwerflichkeit der Handlung nicht das ge- 
‚Tingste. Hinter dem von mir als falsch verurteilten 


{ 


des geistig Toten, erbringen zu können. 


Auch der Wunsch des - 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 7 


Mitleid, das Prof. B. als Stütze der Berechtigung . 
seiner Forderungen heranzieht, steckt ebenso wie 
hinter der angeblichen Grausamkeit des Nichttötens 
unheilbar Kranker nichts weiter als die bekannte 
materialistische FHumanitätsduselei, die re vera in 
nichts anderem als im Egoismus wurzelt. Das 
eigene Ich projiziert infolge desselben Denkiehlers, 
den Prof. Hoche rügt, beim Anblick eines unheil- 
bar Kranken oder eines „geistige Toten” seine eige- 
nen Gefühle auf diese. Der Anblick fremden Lei- 
dens erweckt im Ich Unlustgefühle, stört sein Wohl- 
befinden. Das Nicht-mit-leiden-wollen ist die wahre 
Triebfeder, nie und nimmer aber echtes Mit-Leiden. 
Aus diesem Gefühl heraus wird, unter dem Deck- 
mantel wahrer Humanität des „vernünftig Denken- 
den” die Berechtigung der. Tötung solcher Mitge- 
schöpfe konstruiert, ohne doch einen. unfehlbar 
sicheren Beweis des Lebensunwertes, besonders 
Nach der 
rein gefühlsmäßigen Anschauung Prof. H.s sind die 
geistig Toten außerhalb des Rechtes zu leben und 
zu sterben, weil die Möglichkeit eines ‚Konnexes 
mit ihnen eine andere ist als mit den gewohnten 
geistig Normalen. Kann Prof. H. restlos in sie hin- 
einschauen und sich so ein unumstößliches Urteil 
über Wert. und Unwert eines solchen Lebens ver- . 
schaffen? Ich antworte im Sinne Schopenhauers 
mit einem entschiedenen ‚Nein”! Hier ruft das tat 
twam asi, die wahre Erfassung der Wirklichkeit 
und des Sinnes des Lebens ein gebieterisches Halt! 


‘ Und diesen Ruf bringt kein noch so schön bemän- 


telter Rechtspruch zum Schweigen. Der Arzt soll 


‚kraft seiner Wissenschaft und Kunst Schmerzen 


lindern und Leiden erträglich machen, aber -nicht 
töten. Ein Recht über das Leben anderer steht ihm 


| nicht zu. 


Noch viel verwerflicher ist die Forderung der 
Tötung „lebensunwerten Lebens” mit Rücksicht auf 


die Belastung der menschlichen Gesellschaft. Zwei- | 


fellos wäre eine solche Freigabe für die Bequemlich- 
keitsmoral der dem Mammonismus huldigenden ewig 
begehrlichen Masse sehr willkommen: Ich, wir 
Tüchtigen, Wertvollen können viel besser, viel be- 
quemer leben, wenn wir uns die wertlosen Leben 
vom Halse schaffen; das Geld, die Zeit und die 
Kraft, die für diese verwendet wird, kommt dann 
Goch uns zugute! Aber vom Gesichtspunkt wahrer 
Kultur, echter Moral und höherer Sittlichkeit ist 
die Forderung unhaltbar; das ist nicht Altruismus, 
sondern krasser Egoismus und ödeste Nützlich- 
keitskrämerei. Die Zeit zwischen Geburt und Tod, 
das Menschendasein, ist nur eine Episode im gro- 
ben Geschehen und Leben der Wirklichkeit. Recht 
und Rechtssprüche sind menschlich, geschehen nach 


& | “ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


. menschlichen Gesichtspunkten und haben nur Be- 
ziehung auf diese Episode, darüber hinaus reichen 
sie nicht; und Wertbestimmungen des Lebens an- 
derer durch die menschliche Vernunft und Wissen- 
schaft sind nicht nur höchst "zweifelhaft, sondern 
sogar unmöglich und darum absurd. Derselbe 
Wille, den wir in. unserem Bewußtsein als wahres 
Selbst erkennen, objektiviert sich uns als Vorstel- 
lung, Erscheinung im Nebenmenschen, auch im 
geistig Toten (nach dem Urteil des mensch- 
lichen Verstandes). Wir sehen die Welt nur durch 
die Brillengläser unseres Verstandes und der 
‚menschlichen Vernunft, wir sehen ihre Erscheinung, 
nicht aber ihr wahres Wesen. Das letztere erken- 
nen wir nur im eigenen Selbstbewußtsein. Wäh- 
rend unseres Menschendaseins werden wir niemals 
anders als durch die Brille unseres menschlichen 
Verstandes sehen können. Der Mitmensch ist und 
bleibt für das erkennende Subiekt immer nur Vor- 
stellung, Erscheinung. Keine Wissenschaft kann 
und wird je seine Realität unserem Verstande faß- 
bar ergründen. Und darum sind alle unsere Wert- 
urteile relativ und geben uns nie das Recht zur 
willkürlichen Abkürzung fremden Menschenlebens. 

Zur weiteren Entkräftung der Berechtigung der 
Forderung nach Freigabe lebensunwerten Lebens 
möchte ich- noch auf eine schon häufig beobachtete 
Tatsache hinweisen, daß Menschen, die durch ‘einen 
schweren Unglücksfall gelähmt wurden, erblinde- 
ten oder sonst einen schweren und dauernden kör- 
perlichen Fehler erlitten, gerade hierdurch zu einem 
viel schöneren und reicheren inneren Leben er- 
weckt wurden, daß ihr Recht an das Leben also be- 
trächtlich wuchs. Prof. B. aber fordert die Frei- 
gabe der Tötung solcher geistig gesunder Perso- 
nen, „die durch eine sehr schwere, zweifellos töd- 
liche Verwundung bewußtlos geworden sind und 
bei nochmaligem Erwachen zu einem namenlosen 
Elend erwachen würden.” Wieder ist es hier der 
` Denkfehler des gefühlsmäßigen Schließens von sich 
auf andere, der die Ursache einer solchen Forde- 
rung ist. Ich bestreite entschieden, daß irgendein 
Mensch, und wäre er der gelehrteste Arzt, im- 
stande ist, bei einem bewußtlos und schwer Ver- 
wundeten mit apodiktischer Gewißheit sagen zu 
können, „daß er bei nochmaligem Erwachen zu 
namenlosem Elend erwachen wird”. Mit ebenso 
großer Wahrscheinlichkeit kann auch die von mir 
erwähnte Tatsache eintreten. Solange aber ein un- 
fehlbar sicheres Urteil darüber aussteht, ist die 
Tötung eines solchen Bewußtlosen nie und nimmer 
berechtigt und durch nichts zu entschuldigen. — 

Endlich fordert Prof. Binding als technische 
Sicherung für die Freigabe der Tötung eines Kran- 


Worten auf die Gefahr 


- Miühelos würden sich, natürlich von denselben Gef 


INr. 4 


ken: daß „er nach den jetzigen Anschauungen den 
Wissenschaft als unheilbar erscheine.” Ein jeder 
aber, der wissenschaftliches Denken ` geübt hal 
weiß, daß, wie in jeder anderen Wissenschaft, so 
ganz besonders auch in der empirischen, vielfach 
mehr der Kunst verwandten Medizin in einemf 
Jahrzehnt oft schon Anschauungen als falsch erp 
kannt, durch neue ersetzt, und diese wieder durcdif 
andere abgelöst wurden. Es ist und bleibt nunt 
einmal so: „Unser Wissen ist Stückwerk.” Werf 
nach den Anschauungen der heutigen medizinischen | 
Wissenschaft unheilbar ist, kann binnen kurzen f 
schon heilbar sein. Und wie viele, auch von gro- f 
ßen Gelehrten mit dem Stempel der Unheilbarkeit 
und eines sicheren baldigen Todes entlassene Pa- 
tienten erfreuten sich noch eines langen, gesundenf 
Lebens, trotzdem die 'wissenschaftliche Diagnoseh 
der Krankheit gar nicht falsch war. Auch hierf 
wiederum fällt die Berechtigung der Forderung mit 
der Tatsache der Fehlbarkeit menschlichen Wist 
solsak 1 

< Prof. H. weist selbst, allerdings nur mit weniger 
kriminellen Mißbrauche | 
der Freigabe des Rechtes der Tötung hin. Meines 
Erachtens ist es über jeden Zweifel erhaben, dab f 
die Durchsetzung dieser Forderungen, und nouii 
dazu das Stellen der Freigabe der Tötung lebens 
unwerten Lebens unter rechtlichen und gesetzlichen 
Schutz, sofort der bestia humana Tür und Tor öf 
nen würde. Nur auf eine praktische Konsequenz 
will ich noch hinweisen. Ist es erst rechtlich er | 
laubt, sog. lebensunwerte Leben zu beseitigen, dam 
folet mit Sicherheit auch das Verlangen nach Freif 
gabe und Straffreiheit der Abtötung der Leibes-} 
frucht, wie es jetzt schon wiederholt, besonders} 
von sozialdemokratischer Seite, z. B. von Dif 
Knack, M. d. B. in Hamburg, gefordert wurde] 


al” RE TE a 


sichtspunkten wie bei der Freigabe des Rechtes def] 
Tötung unwerten Lebens, auch für diese Forde-f 
rung sog. soziale, humanitäre Berechtigungsgründdf 
konstruieren lassen, z. B. Bewahrung der gefall- 
sen Mädchen vor der Schande unehelicher Mutter] 
schaft, Ersparung von Lasten für den Staat und dief 
mienschliche Gesellschaft durch Fürsorge für dief 
unehelichen Mütter und Kinder usw. usw. Daß beil 
der schon jetzt geradezu erschreckend wachsen] 
den Unsittlichkeit der noch rapidere sittliche Ver 
fall und der völlige Ruin der Kraft unseres Volkes 
die unweigerliche Folge wäre, darüber kann keit 1 
ernst denkender Mensch im Zweifel sein. 

Möge nie die Zeit kommen, von der Prof. H. 
sagt: „die von dem Standpunkt einer höheren Sitt 
lichkeit aus aufhören werde, die Forderungen eines 


1921| 


übertriebenen Humanitätsbegriffes und einer Über- 
schätzung des Wertes der Existenz schlechthin mit 
‘schweren Opfern dauernd in die Tat umzu- 
setzen.” Sie führt uns nicht einer höheren 
‚Sittlichkeit, sondern gerausamster Barbarei und 
Unkultur, schrankenlosester Herrschaft egoisti- 
scher Instinkte entgegen und nimmt 
Menschheit den letzten sittlichen Halt. 


Genug 


A. Gerichtliche Entscheidungen. 


$ 6 BGB. 

Trunksucht kann erst dann-als geheilt ange- 
sehen werden, wenn der Kranke wieder. die-innere 
Kraft gewonnen hat, einem etwa sich bietenden An- 
reiz zum übermäßigen Genuß von Alkohol zu wi- 
‘derstehen. Es genügt nicht, wenn er sich längere 
Zeit hindurch des Genusses geistiger Getränke ent- 
halten hat, namentlich dann nicht, wenn diese Ent- 
haltsamkeit nur notgedrungen aus -Äußerlichen 
Gründen — weil er sich z. B. die von ihm bevor- 
zugten starken Getränke (Rum und Kognak) wegen 
Preissteigerung nicht mehr beschaffen konnte — 
geübt wurde. (Urteil des Reichsgerichts, IV. Z.-S,., 
‚vom 7.. April 12199 


Zeitschr. 


vr, 


e Mesa 1919 Nr. 18. 


8 823 BGB. 


- Allerdings kann die Feststellung einer Wahr- 
scheinlichkeit, auch einer hohen : Wahrscheinlich- 
‚keit für einen ursächlichen Zusammenhang ZWI- 
schen einer Handlung oder Unterlassung und einem 


eingetretenen: schädlichen Erfolge nicht die richter- fi 


liche Feststellung dieses Ursachenzusammenhbanges 
pebr darstellen oder ersetzen; sie kann nur die 
Grundlage für diese, d. i. für die Gewinnung der 
richterlichen Überzeugung, daß ein bestimmter Er- 
folg auf ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen 
zurückzuführen sei, abgeben. Diese Überzeugung 


selbst muß in dem Urteil des Richters zum Aus- 


druck gelangen. Soll eine Person für einen durch 
ihre Handlung einer anderen zugefügten Schaden 
verantwortlich. gemacht werden, so ist die Feststel- 
lung. unerläßlich, daß der Schaden auch wirklich 
durch diese Handlung verursacht worden sei; die 
bloße Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung 
ist kein zum Schadensersatz verpflichtender Tat- 
bestand. Ein sicheres Erkennen ist aber in vielen 


menschlichen Verhanoissen nicht zu erzielen, weil 


; 


i 


der. 


daß die Handlung des Bekl., 


für -dre 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 9 


jetzt mit dem Abwärtsgleiten im Fahrwasser 
seichtesten Materialismus.- Noch gibt es ein 
Aufwärts, aber nur mit Hilfe der idealistischen 
Weltauffassung im Sinne Arthur Schopenhauers 
und echten . Christentums, dureh rücksichtslosen 
Kampf gegen den Egoismus als den Urgrund und 
Schöpfer alles Leidens und aller Schuld. 


AN ERDE gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen auf dem Gebiete 
des Irrenwesens und Verwandtes. 


die menschlichen Erkenntnismittel versagen. Ein 
hoher Grad von Wahrscheinlichkeit muß dann bei 
Abwesenheit anderer gleich starker Möglichkeiten 
dem Richter genügen, seine Überzeugung zu bilden, 
da sie den schädlichen 
Erfolg herbeizuführen geeignet gewesen sei, den 
Schaden auch wirklich verursacht habe. Der Klä- 
ger hat seiner Beweispflicht genügt, wenn er eine 
solche Wahrscheinlichkeit dargetan hat, die die 
Entstehung des Schadens zu erklären geeignet ist. 
Sache des Gegners ist es dann, eine andere Ursache 
als tatsächlich wirksam geworden nachzuweisen. 
Niemals kann aber materiellrechtlich 
eine bloß wahrscheinliche Schadenszufügung eine 
Schadensersatzverpflichtung begründen; die Wahr- 
scheinlichkeit Kann nur das prozeßrecht- 
liche .Hilfsmittel sein, die tatsächliche 


'Schadenszufügung als erwiesen anzunehmen und 


festzustellen. In diesem Sinne sind aber auch die 
Ausführungen des Berufungsgerichts zu verstehen, 
das ausdrücklich sagt: ein zwingender Beweis für 
die Ursächlichkeit der zu geringen Entfernung der 
Lokomobile vom Scheunendach für die Entstehung. 
des Brandes könne bei der Beschränktheit der 
menschlichen Erkenntnis nicht verlangt werden; 
ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit genüge 
Feststellung dieser Verur- 
sachung. Damit ist die Feststellung selbst ge- 
troffen und die Überzeugung des Gerichts ausge- 
sprochen, daß dieser Umstand, der zur Erklärung 
der Entstehung des Feuers nach dem. natürlichen 
Laufe der Dinge geeignet sei, auch wirklich ursäch- 
lich geworden sei. (Sp. w. W., Urteil des Reichs- 
gerichts vom 10. April 1919, 31/19 V1.)?) 


Jurist. Wochenschr. 1919 S. 572. 


2) Es braucht woh! nicht besonders begründet zu 
werden, daß Kenntnis dieses Urteils wegen des psycho- 
logischen Interesses, das wir an der Art des Zu- 


standekommens richterlicher Urteile bei 


~ 


10 | _  PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


§ 823 BGB. 


Der praktische Arzt Dr. N. in Königsberg i.Pr. 
machte dem an Syphilis erkrankten Handlungsge- 
hilfen X. eine Einspritzung von 0,6 g Salvarsan. 
Etwa drei Wochen darauf litt der Kläger an hef- 
tigen Kopfschmerzen und nach weiteren zwei oder 
drei Wochen verlor er das Gehör. Mit seinem An- 
spruch auf Ersatz von Heilungskosten, auf-Schmer- 
zensgeld und Vergütung für Verminderung seiner 
Erwerbsfähirkeit für vier Jahre wurde er von dem 
Landgericht, Oberlandesgericht und Reichsgericht 
abgewiesen, von dem letzteren mit folgender Be- 
eründung: „Der Kläger hat seinen Anspruch/ zu- 


nächst auf die Behauptung gestützt, der Beklagte - 


habe seine vollständige Heilung durch die Salvar- 
saneinspritzung zugesichert. In dieser angeblichen 
Erklärung kann indessen eine vertragliche Zusiche- 
rung, ein Gewährsversprechen nicht gefunden 
werden. Die Feststellung, daß eine Gabe von 


0,6 g Salvarsan zu der fraglichen Zeit vielfach üb- 


lich war, rechtfertigt die Annahme in Verbindung 
mit der Äußerung der Sachverständigen, daß der Be- 
klagte nicht gegen die Vorschriften der ärztlichen 
Kunst verstoßen habe. Endlich ist dem Berufungs- 
gericht auch darin beizupflichten, wenn es eine Ver- 
pflichtung: des Beklagten verneint, den Kläger vor 
der Einspritzung auf die Möglichkeit ihrer schäd- 
lichen Folgen aufmerksam zu machen, obwohl es 
annimmt, der Beklagte könne nicht‘ übersehen 
haben, daß erhebliche Schädigungen der Kranken 
durch Salvarsaneinspritzungen möglich seien. Die 
Ausführungen, es sei dem Beklagten zu glauben, 
daß er nach dem Versagen der Quecksilberkur, der 
sich der Kläger vorher unterzogen hatte, die An- 
wendung von Salvarsan für unbedingt erforderlich 
gehalten habe, und es könne ihm kein Vorwurf dar- 
aus gemacht werden, wenn er nach den zu jener 
Zeit vielfach vertretenen Anschauungen die dem 
Kläger drohenden Gefahren nicht allzu hoch ein- 


geschätzt habe, rechtfertigen die Verneinung des 


Verschuldens auch in dieser Beziehung.” 

(Bei dem Behandelten hatten sich drei Wochen 
nach der Einspritzung Kopfschmerzen und nach 
weiteren drei Wochen Verlust des Gehörs einge- 
stellt.) (Urteil .des  Reichsgerichts, HHI. 7.-S., vom 


4. Mai 1920.) 


§§ 823, 846, 254 BOB. 
Der Beklagte, der sich als Heilkundiger be- 


den so wichtigen und schwierigen Entscheidungen iiber 
Ursache und Wirkung im Falle von Schadenser- 
satzpflicht wie überhaupt nehmen, auch für Ärzte von 


Wichtigkeit ist. 


- kennen muß, daß es sich um ein Leiden handelt 


auf den Anspruch der Kläger die Vorschrift desi 


INr. iR 


zeichnet und die Behandlung von Kranken gegen | 
Entgelt übernimmt, tritt als Sachverständiger auf 
wenn er auch nicht den Anspruch erhebt, die gleiche 

Sachkunde wie ein approbierter Arzt zu besitzen | 
vielmehr nur verneint und vorgibt, nach Maßgabe | 
seiner Fähigkeiten eine Heilbehandlung vornehmen 
zu können. Er haftet nicht-nur, wenn er auf dem ; 
Gebiete der Heilkunde überhaupt keine Sachkunde i 
besitzt, sondern auch dann, wenn seine Be- i 
handlung den Erfahrungen widerspricht, die man 
bei einem Sachkundigen seiner Art voraussetzen ; 
darf. Mit der Übernahme der Behandlung hat ef 
immer zugleich die rechtliche Verpflichtung auf sich j 
genommen, nach dem Maße seiner Kenntnisse und} | 
seiner Einsicht alles in seinen Kräften stehende 
tun, um den. Kranken zu heilen. (Vgl. RGB. Il 
41.) Insbesondere muß jeder Heilkundige, def 


3 
$ 
4 
E 


eine ärztliche Ausbildung nicht genossen hat, e 


verpflichtet angesehen werden, die Zuziehnug eines 
Arztes zu veranlassen, wenn er erkennt oder oi 
p. 


welches ärztliche Behandlung, namentlich einet 
operativen Eingriff erfordert, wenn es nicht. zum 
Tode oder zu dauernder Beschädigung des Krang í 
ken führen soll. Dies ändert sich auch dadurcif 
nicht, daß der Heilkundige etwa früher in solchen i 
Fällen Heilungen erzielt zu haben glaubt. Es De- ñ 
deutet eine Fahrlässigkeit, wenn er in solchen Fäl- f 
len die Behandlung des Kranken auf seine eigenel $ 
vermeintlichen Erfahrungen hin fortsetzt. E 

Die Pflicht des Heilkundigen, in geeigneten FAR 
len die Zuziehung eines Arztes zu veranlassen, sth i 
nicht dadurch erfüllt, daß er dem Kranken gelegen 
lich anheimstellt, sich an einen Arzt zu wendeg 
Er muß vielmehr unter Hinweis auf den Ernst de 
Lage die ärztliche Behandlung als notwendig- bê- ; 
zeichnen, und wenn diese nicht erfolgt, weiter 
Tätigkeit als zwecklos aufgeben. Nur dann hat eff 
die mit der Behandlung übernommene sachkundigtf ; 
Beratungspflicht erfüllt, deren Nichterfüllung gleich $ 
falls als Fahrlässigkeit anzusehen ist. ği 

Mit Recht macht aber der Beklagte geltend, aall 
bei dem Entstehen des Schadens, den die Kläger] 
erlitten haben, ein Verschulden des Verstorbenen 
mitgewirkt hat und daß daher gemäß § 846 BOB. 


$ 254 BGB. Anwendung findet. Es kann dahingef 
stellt bleiben, ob ein Mitverschulden des Erkrank 
ten stets dann vorliegt, wenn dieser sich, stal 
einen approbierten Arzt zuzuziehen, an einen Hei 
kundigen wie den Beklagten wendet. Jedentalbl 
ist es dem Verstorbenen zum Verschulden anz 
rechnen, daß er sich in die Behandlung des Beklag-f 
ten begab, nachdem ein Arzt sich ihm zegenibil 


21921] 


f für die Notwendigkeit einer sofortigen Operation 
f ausgesprochen hatte. 


~ Mit Unrecht machen die Kläger geltend, daß der 
T Beklagte sich ihnen gegenüber nicht auf $ 254 BGB. 
f berufen dürfe, weil er dem Verstorbenen gesagt 
@ habe, daß er seines Herzleidens wegen die Opera- 
“tion nicht überstehen würde. Dafür, daß der Be- 
“ klagte dabei arglistig gehandelt hätte, 
f haltspunkte nicht vor. 


Das Verschulden des Erblassers der Kläger, dab 
© bei der Entstehung des Schadens der Kläger mit- 
I gewirkt hat, ist indessen minderschwer als das des 
FE Beklagten, da er zunächst augenscheinlich von der 
F Furcht vor der mit der Operation verbundenen 


Du ~ Tab 


i } | M i 
E Hera heimen Rat Professor Dr. Alt, der 
| am 8. April den 60. Geburtstag ieierte, bringt 
Í Redaktion und Verlag die herzlichsten Glück- 
& wünsche dar. 

| = — Reichsverband. 

© — I. Die diesiährigen Versammlungen des Reichs- 
F verbandes finden am 27. April in Dresden-A. im Hotel 
T „zu den drei Raben“, Marienstr. 18/20, statt. (Tages- 
“ordnung in Nr. 51/52 der Wochenschrift.) Das Hotel 
"liegt in der Nähe des Postplatzes, der mit Linie 23 


‚vom Hauptbahnhof bequem zu erreichen ist. 
II. Aus einer Reihe von Anfragen geht hervor, daß 


schrift oft nicht gelesen werden. Der Portoersparnis 
"halber bitten wir dringend darum, diese Mitteilungen 
zu beachten. 

| il. Ein ne, Arzt der Anstalt Owinsk, ein 
“gewisser Herr Dr. Rehnke bewirbt sich dem Ver- 
schen Anstalten. Es wird vor diesem Herrn, dessen 
> Versorgungsansprüche vom Fürsorgeamt anerkannt 
sind, dringend gewarnt. Nähere Auskunft erteilt die 
‚ Geschäftsstelle des Reichsverbandes. 

I. A. Dr. Hussels. 


Rheinprovinz vom Februar 1921 betreffend Einsetzung 
‚der Stelle eines Landesmedizinalrates in den: Haushalts- 
"plan der Provinzial-Zentralverwaltung und Wahl’ eines 
_ Landesmedizinalrates. 
Das Dezernat für (die Pr ovinzial-Heil- und ee 
‚stalten bei der Zentralverwaltung hat nach dem: Kriege 
rotz der Abnahme der Zahl der Kranken an Umfang be- 
E ständig zugenommen; ıdenn die Verwaltung der großen 
3 Anstalten mit ihren hohen Verm ögenswerten, ihrem zahl- 
"reichen ‚Personal, ihren vielseitigen wirtschaftlichen, 
technischen und landwirtschaftlichen Betrieben ist wie 
lieder Verwaltungsbetrieb heute weit. schwieriger als 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT | 11 


liegen An- 


f die Mitteilungen des Reichsverbandes in der Wochen- 


“nehmen nach um eine Stelle als Anstaltsarzt in deut- 
bei der gesunkenen Krankenzahl die Anstalten 


gesehen werden können, 
— Bericht und Antrag des Provinzialausschusses der 


Lebensgefahr beeinflußt gewesen ist und später 
vom Beklagten durch die Erklärung, sein Leiden 
werde sich wieder geben, beruhigt worden ist.. Der 
Beklagte anderseits hat, obwohl er von Anfang an 
wußte, daß ein Arzt die Operation für erforderlich 
erklärt hatte, und obwohl er demnächst das Vor- 
liegen eines Krebsleidens erkannte, seine Pflicht, 
die Operation zu veranlassen und sich selbst der 
weiteren Behandlung zu enthalten, nicht erfüllt. 
Der Senat hat deshalb den Beklagten für ver- 
pflichtet angesehen, den Klägern drei Viertel des 
ihnen entstandenen Schadens zu ersetzen. (Ober- 
landesgericht Naumburg, Urteil von’ 7. Juni 1918, 
2 U 9./17.) Jurist. Wochenschr. 1919 S. 1002. 


(Fortsetzung folgt.) 


tteilungen. 


früher und viel häufiger ict heute ein Eingreifen und die 
Entscheidung der Zentralstelle nötig, als dies früher der 
Fall war. Auch (die 'rein medizinischen oder mit der 
Krankenbehandlung in Zusammenhang stehenden Fragen 
nehmen einen immer größeren Umfang an. Bei der sich 
hieraus ergebenden Notwendigkeit der Heranziehung 
weiterer Kräfte für die Bearbeitung dieser Angelegen- 
heiten bei der Zentralstelle Tiegt es nahe, einen in der 
Psychiatrie und in ter Anstaltsverwaltung vorgebildeten 
und erfahrenen Arzt heranzuziehen. Bisher war für die 
Erledigung rein ärztlicher Fragen ein Landespsychiater 
im Nebenamte, der frühere Direktor der Departemen:ial- 
Irrenanstalt, Geh. Sanitätsrat Dr. Neuhaus tätig. Für 
einen Arzt im Hauptamt kommt hier nur die Stellung 
eine“ Landesmedizinalrats in Frage. Dabei ist in erster 
Linie an einen Direktor oder Oberarzt einer Provinzial- 
Heil- und Pilegeanstalt zu denken, einmal, weil ein sol- 
cher außer den allgemeinen Erfahrungen auch über die 
dringend wünschenswerte persönliche und. örtliche 
Kenntnis seines Arbeitsgebiet: verfügt und sodann, weil . 
in der 
Lage sind, eine ärztliche Kraft abzugeben, ohne dah hier- 
für ein Ersatz erforderlich wäre. . Infolgedesten wird 
auch von einer öffentlichen Ausschreibung der Stelle ab- 
da der Kreis der in Betracht 
kommenden Bewerber von vornherein feststeht und bei 
der Zentralverwaltung bekannt ist. 
Seit Dezember 1919 ist nun schon bei, der Zentral- 
erwaltung in der Abteilung für die Verwaltung der 
Provinzial-Heil- und Pflegeanstalten als Hilfisarbeiter be- 
schäftigt der Erste Oberarzt der Provinzial-Heil- und 
Pilegeanstalt Grafenberg, Dr. Wiehl. Er hat sich: bei 
dieser Tätigkeit in jeder Wieise bewährt und erscheint 
auch nach seiner bisherigen Beschäftigung im Anstalts- 


dienste für die Stellung eines Lande:imedizinalrats durch- 
aus geeignet. 


Dr. Wiehl ist am 26. Januar 1872 in Schmitzingen 


12 | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


i B. geboren. Er erhielt die Approbation als Arzt am 
1. März 1897 und war zunächst als  Assictenzarzt am 
städt. Krankenhaus in Konstanz und an «der. psychiatri- 
schen Univ.-Klinik in Freiburg i. B. tätig, Im Jahre 1900 
bestand er die Prüfung für Staatsärzte in Baden, trat 
alsdann eine Assistenzarztstelle an der Heil- und Pflege- 
anstalt Schussenried in Württemberg an und machte im 
Jahre 1902 die staatsärztliche Prüfung in Württemberg. 
Nach vorübergehender Tätigkeit als Oberarzt an der 
Heilanstalt in Winnenthal in Württemberg war er von 
März 1905 ab wieder Oberarzt in Schussenried bis zu 
seiner am 15. Mai 1909 erfolgenden Übernahme a's An- 
staltsarzt in en Dienst der Rheinischen: Provinzialver- 
waltung. Als solcher war er zunächst an der Provinziäl- 
Heil- und Pflegeanstalt Bonn, sodann alv Erster Obberarzi 
an den Provinzial-Heil- und Pflegeanstalten Bedburg- 


Hau und Grafenberg beschäftigt. 

Der Provinzialausschuß beehrt sich daher zu bean- 
tragen: i 

„Der Provinziallandtag wolle «en Oberarzt Dr. 


Wiehl zum Landesmedizinalrat wählen und der Wah! 
folgende Bedingungen zugrunde legen: 

1. Die Wahl erfolgt auf 12 Jahre vom 1. April 1921 ab. 

2. Das Besioldungsdienstalter wird auf den 1. 
1911 festgesetzt. | 

3. Dar Gewählte hat die Bestimmungen der zurzeit be- 

stehenden und der etwa künftig noch zu erlassen- 
den Reglements über die dienstlichen Verhältni.se 
der Provinzialbeamten der Rheinprovinz als für sich 
verbindlich anzuerkennen. 

4. Er ist: verpflichtet, sich jederzeit, falls ‚der Landes- 
hauptmann es für zweckdienlich erachtet, unter Bei- 
behaltung seines Gehalts in die Stelle eines Ober- 
arztes oder eines Direktors an einer Heil- und 
Pflegieanstalt zurückversetzen zu lassen. 

Der Provinziallandtag hat dem Antrag entsprechen d 
beschlossen. Das Gehalt ist wie das der Landesräte in 
Gruppe XI und XII der Besoldungsordnung. 


— Deutscher Verein für Psychiatrie. Einladung zur 
Jahresversammlung in Dresden am 25. und 26. April 1921. 


Tagesordnung. 

Vorabend, Sonntag, 24. April, von 1/29 Uhr ab: 
Begrüßung im Hotel Bristol (Bismarckplatz 5, 7, 9, nahe 
dem Hauptbahnhof). 

Montag, 25. April, 9 Uhr: 1. Sitzung im großen 
Vortragsaal der Kunstgewerbeschule, Fliasstraße 34. — 
Eröffnung und Begrüßung. Bericht von Fr Schultze, 
Göttingen, und Kahl, Berlin: Schaffung eines neuen Irren- 
gesetzes. Alıssprache. Vorträge. — -8/41 Uhr: Frühstück 
im nahegelegenen Logenhause (Blumenstr. 3). Gedeck 
15 M (Suppe, Braten, Mischgemüse, Kartoffeln). — 
2 Uhr: 2. Sitzung. Geschäftliche Mitteilungen. Wahl 
zweier Vorstandsmitglieder. Zusammenlegung der Jahres- 
versammlung mit der Naturforscherversammlung in jedem 
2 Jahre: (s. Allg. Z. f. Ps. Bd. 71, S. 717). Kassenbericht 
und Festsetzung des Jahresbeitrags. Bericht über die 
Heinrich Laehr-Stiftung. Vorträge. — 27 Uhr: Gemein- 
sames Essen (Gedeck etwa 25 M) im Hotel Bristol. 


Apri; 


13. Maaß, Dösen: Gesichtspunkte für die Lumbalpunkti A 


Dienstag, 26. April, 9 Uhr: 3. Sitzung. Bericht 
von Jahnel, Frankfurt a. M., und Hauptmann, Freibun 
i. B.: Die Spirochäten im Zentralnervensystem bei pro 
gressiver Paralyse und multipler Sklerose. Aussprache 
Vorträge. — ®41 Uhr: Frühstück wie am Vortage, = 
2 Uhr: 4. Sitzung. Vorträge. = 


Folgende Vorträge sind angemeldet: 


1. Gregor, Dösen; Psychiatrische Tätigkeit in der Pir 
sorgeerziehung. | 

2. Kretschmer, Tübingen: Über biologische Beziehungen 
zwischen Schizophrenie, Eunuchoid, Homosexualiäl 
und moralischem Schwachsinn. 

3. Hübner, Bonn: Weitere Beobachtungen 
manisch-depressive Anlage. 

4. Weygandt und Kirschbaum, Hamburg: Mitteilung 
über Paralysebehandlung. F 

5. Göring, Gießen: Über den neuen Entwurf zu einem 
deutschen Strafgesetzbuch. h 


über af 


6. Krause, Dortmund: Die individualpsy chologischeBe 
trachtung des Neurosenproblems. | i 
7. Stertz, München: Zur Frage der präsenilen Demenif 
mit Herdsymptomen (Alzheimersche Krankheit), P 
8. Köster, Düren: Versuche über Sanierung der Irre 
anstalten bezüglich der Tuberkulose. | 
9, Schultz, Weißer - Hirsch: Sesundheilssch A MAE 
durch Hypnose. ; 
10. Klieneberger, Königsberg: Zur Frage der Simulatio b 
yon Geistesstörungen. E 
11. E. Meyer, Königsberg: Über Eifersuchtswahn, insi | 
sondere seine Beziehung zum manisch- depressivel A 
Irresein. | 
12. Igersheimer, Göttingen: Stenen an de 
Sehbahn bei Paralyse. 


in der Anstaltspraxis. 
14. Holzer, Suttrop: Über eine neue Gliafärbung. | 

Die Reihenfolge der Vorträge wird in einer Vor | 
standssitzung am Vorabend der Versammlung festgeset 
Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß ohne besonde # 
Zustimmung der VersammlungiBerichte nicht über 30 Mit 
Vorträge nicht über 20 Min. und Bemerkungen in dfi 
Aussprache nicht über 5. Min. dauern dürfen. Bestell‘ 
die Absicht, Vereinsbeschlüsse zu beantragen, so Wit 
dringend gebeten, deren Wortlaut dem Vorstande mitg 
destens 8 Tage vorher mitzuteilen. Anmeldungen Alf 
Benutzung von Demonstrationshülfsmitteln sind an G 
heimrat Dr. Ganser, Dresden-A., Lüttichaustr. 25a 
richten. 3 

Empfehlenswerte Gasthöfe: Hotel Bellevue, Theater i 
platz (Zimmer von 30 M an und 25 v. H. Bedienung 
Hansahotel am Bahnhof Dresden-Neustadt (Zimm 
15—20 M). Nahe dem Hauptbahnhof: Hotel Brist | 
(Zimmer mit Frühstück 25 M und 10 v. H. Bedief 
nung): Hotel Kontinental, Bismarckstr. 16/18 (Zimmer 4 
bis 30 M und 25 v. H. Bedienung, Fr. etwa 6 M uf 
10 v. H. Bedienung); Europäischer Hof, Pragerstr. I 
(Zimmer von 35 M an und 25 v. H. Bedienung, Fr. etf 
wa 5 M und 10 v. H. Bedienung); Familienhospiz, Anl 
monstr.6 (Zimmer 14M, Fr. 3M); Hotel Höritzsch, Bis 


#921) 


IE marckstr. 14 (Zimmer 20 M, Fr. etwa 5 M und 20v.H. 
WW Bedienung); Hotel’und Pension Ilm, Sidonienstr. 5/7 
@4Zimmer 20—22 M und 20 v. H. Bedienung, Fr. 350 M); 
2 Fotel Monopol, Wienerplatz 9 (Zimmer und Bedienung 
26,40 M, Fr. 4—6 M); Hotel Nord, Mosczinskystr. 3; 
@ Hotel Schiller, Sidonienstr. 10; Hotel Viktoria, Bismarck- 
@str. 12 (Zimmer 15—20 M und 20 v. H. Bedienung, Fr. 
E+ M); Hotel Westminster, Bernhardstr. 1—3 (Zimmer 
von 28 M an und 25 v. H. Bedienung, Fr. 4M und 10v.H. 
m Bedienung); Hotel Regina, Bismarckstr. (Zimmer 18—30 M 
und 20 v. H. Bedienung, Fr.8M und 10v. H. Bedienung); 
T Hotel Winzer, Pragerstr. 50 (Zimmer und Fr. 25 M und 
720 v. H. Bedienung); Schilds Hotel, Ecke Wiener Platz 
“undiKarolastr. (Z. mit Steuer, Fr. und Bedienung 23 M). 
© .. Brotmarken sind mitzubringen. Vorausbestellung in 
den Gasthöfen etwa 3—4 Tage vorher ist sehr zu emp- 
n3 fehlen. 
Der Vorstand. 
Bödeker. Bonhöffer. -Gaupp. Laehr. 

Vocke. Wagner v. Jauregg. Weygandt. 


Baumann. 
Mercklin. 


Be Buchbesprechungen. 


2 — de Crinis, Dr. Max, Assistent der Universi- 
If tätsnervenklinik in Graz: Die Beteiligung der humoralen 
Zlebensvorgänge des menschlichen Organismus am epi- 
nd eoo Anfall. 80 S.. Mit 28 Kurven im Text. Heft 22 
$ r „Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurol. 
E; Psych.”, Berlin 1920, Julius Springer. Preis 26,00 
l “Mark. -— Für die Abonnenten der „Zeitschr. f. d. ges. 
@Neur. u. Psych.” 22,00 M. | 
8 Wegen der ungemein zahlreichen Einzelheiten djeser 
‚hochbedeutsamen Studie muß auf das Original verwiesen 
| N 
© Es sei nur folgendes herausgegriffen: Im anaphylak- 
f tischen Zustande sind‘ bei dem mit einer Eiweißart sensi- 
bilisierten Tiere Fermente nachweisbar, die diese Ei- 
"weißart auch in vitro abzubauen imstande sind. In Ana- 
logie dürfen wir die bei Epilepsie vor, während und 
" nach dem Anfall auftretenden Fermente, die gegen ein- 


"dingung des Anfalls.. In dem Bestreben, die Ferment- 
‚ tätigkeit, die vor dem Anfall «durch Stoffwechselvor- 
-gänge eine Veränderung erfährt, niederzuhalten, ist (der 
"Organismus gezwungen zur Ausschüttung seines Chole- 
-sterindepots in die Blutbahn — ein Selbstschutz, der 
' manchmal ausreichen wird, den epileptischen Anfall zu 
verhindern. Die Gerinnungserscheinungen bei Epilepsie 
‚vor dem Anfall sind auf die Anreicherung des Blutes 
mit hochmolekularen Eiweißspaltprodukten („zirkulieren- 
des Eiweiß”) zu beziehen. 

i Auch die Abnahme der Gesamtzahl der. weißen Blut- 
zellen ist ein Symptom für die Überschwemmung des 
Organismus mit giftigen Eiweißspaltprodukten, genau 
wie beim anaphylaktischen Chok und bei der Pepton- 

Vergiftung. B. 


f zelne Körperorgane eingestellt sind, als Erscheinungen : 
l einer pathologisch vor sich gehenden Innersekretion und 
eines ebenso:chen Stoffwiechsels auffassen. Die Stick- 
-stoffretention -vor dem Anfall ist eine wesentliche Be-- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 13 


—  Brun;, 
gnose und Behandlung der Spätfolgeen von Kriegsyerlet- 
zungen. Mitteilungen aus der Armeesanitätsanstalt: für 
Internierte in Luzern. IV. Lieferung. Luzern 1919, Ver- 
lag Rascher & Co. | 

Das vorliegende Heft umfaßt fünf Arbeiten. — Un- 
ter Zuhilfenahme von 81 guten Abbildungen behandelt 
Brunschweiler, Lausanne, das Thema: Observa- 
tions Cliniques sur les troubles de la sensibilité 'aans 
12 cas de-blessures parietales de guerre. 


Daran schließt sich ein Artikel von Veraguth, 


Zürich, und Brunschweiler, Lausanne: „Zur Ex- 
perimenta'psychologie der Sensibilitätsstörungen Hirn- 
verletzter’. An der Hand von 12 Abbi'dungen wird das 
Auftreten resp. Fehlen des psychogalvanischen Reflexes 
bei den männigfachsten pathologischen Verhältnissen er- 


örtert und die Befunde an acht Hirnverletzten mit zwan- 
zig Versuchsreihen und‘etwa 600 Einzelversuchen mit- 
geteilt. 


Veraguth, Zürich, erörtert sodann die Motili- 


'tätsuntersuchung nach Verletzung peripherer Nerven und 


fügt ein Schema zur übersichtlichen EN derarti- 
ger Befunde: bei. 

Über Geschoßwirkungen auf idas Rückenmark äußert 
sich Reese, Bellevue-Kreuz!ingen, - unter Zugrunde- 
legung einiger diesbezüglicher Fälle. 

-Von Binswanger, Kreuzlingen, hören wir eini- 


ges „Über Kommotionspsychosen und Verwandtes”, wo- 


bei B. von mehreren Stirnhirnkranken ausgeht, die er 
selbst beobachten konnte; 
Wechsel im affektiven Verhalten derartiger Leute, oft 
entsprechend dem Zustand erschlaffter oder angespann- 
ter Aufmerksamkeit, und sodann die unberechenbare und 
regelose Art und Weise der traumatischen Demenz. 
„Über die elektrische Behandlung von Lähmungen 
nach peripherer Nervenwerletzung” äußert sich schließ- 
lich noch Veraguth, wobei er (die Faradotherapie 
mit dem Bergonieapparat empfiehlt. 
Kürbitz, Sonnenstein. 


— Birnbaum, Karl, Psychopathologische Doku- 
mente. 
dem seelischen Grenzlande. 322 S. Berlin 1920, Verlag 
von Julius Springer. 42 -M, geb. 49 M. . 

Der gelehrte Kollege an ‚der Berliner Städtischen 
Irrenanstalt Herzberge, dem wir schon so manche tief- 
schürfenden Studien auf dem -Gebiete der Psychopatho- 
logie verdanken — erinnert sei nur an seine „Psycho- 
sen mit Wahnbildung und wahnhafte Einbildungen. bei 


Degenerierten” (Halle 1908, Carl Marhold Verlagsbuch-: 


handlung) —, hat uns hier eine ausgezeichnet verarbei- 
tete Sammlung beschert. Auch der Facharzt wird sie 
immer wieder gern und mit Nutzen lesen. 


Gegenüber den in Schwung und Mode stehenden 


überschwänglichen Menschen -Verbesserungsbestrebun- 
gen, die sich auch auf Psychopathen erstrecken, kommt 


sein Ausspruch Seite 169 zur rechten Stunde: „daß es 


(nämlich das Pathologische) nicht nur vereinbar ist mit 
reichster geistiger Begabung und seelischer Größe, son- 


dern sogar den unmittelbarsten Ursprung, den Mutter- 


Veraguth und Hössly, Zur- Dia- 


auffallend war einmal der- 


Selbstbekenntnisse und Fremderzeugnisse aus. 


14 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT Nr. | 


boden für höchste Persönlichkeitswerte: verfieinerte In- - Temperatur meist Iytisch. Das Argochrom: kann nicht 
dividualisierungen und Differenzierungen des Charakters, alle Fälle beeinflussen. Bei schw ersten septischen I 
aufs höchste gesteigerte Nuancierungen und Bereiche- fektionen, die vom ersten Tag an hoffnungslosen Fir 
rungen des seelischen Innenlebens abgibt’. B. druck machen, vermag es nicht mehr die spezifisc k 
| Virulenz zu bekämpfen, die Penetrationskraft der vine 
| . lentesten Erreger nicht zu lähmen, da die Widerstands 
Therapeutisches. fähigkeit des Organismus schon gebrochen ist, Argo 

— Behandlung und Erfolge mit Argochrom.‘) Von Chrom muß möglichst früh angewandt werden. | 
Dr. J. Galli. - Dissertation. Würzburg 1919. 

Beschreibung meist günstiger Erfolge bei septi- 
schen Erkrankungen,. Malaria, periodi- | Personalnachrichten. 
schem Fieber. Die gute Wirkung auf Puls und All- — Bernburg. Oberarzt Dr. Heyse ist, wie € 
gemeinbefinden wird besonders hervorgehoben. Durch- unter Berichtigung der von uns einer » medizinische 
schnittlich wurden 0,1 & Argochrom injiziert, in einigen. Zeitschrift entnommenen Notiz in Nr. 51/52 vorigen 
Fällen 0,2 g. Bei den flebernden Kranken sank die Jahrgangs mitteilt, beim Abgang des bisherigen Direk 
Ta tere tors zum leitenden Arzt bestellt worden, die Direkto 


1 ERRE PAI 

) Merck. stelle ist vorläufig unbesetzt. 

Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis-auf weiteres 14tägig in Doppelnummern. 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 


Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S 


Snezifikum gegen alle Neurosen: des Zirkulations- u. Zentralnerven- 
systems besonders Hysterie, Chorea, Neurasihenie in Original-Flakons und in Tabletten. 


Proben und Gutachten von Autoritäten zur Verfügung. 


Positive Liste d. Arzneimittel-Kommission. 


Neskulap-Apotheke, Breslau 1. 


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MUYUTA 


‘ Dreiundzwanzigster Jahrgang. | „Nr. 3/4. 1921722. 3/4. 1921/22. 


| Psychiatrisch-Neurologische 

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| Wochenschriit. 

Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 

} Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 

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Arsenferratin 

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Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankiurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil: W. Weygandt, Hamburg. 
| Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler. Kreuzburg (Oberschlesien). 
Nr. 3/4. 23. April 1921/22. 
Bezugspreis: Be a Fi 
Zuschriften für die Schriftieitung 


M 7,50 für das Vierteljahr, die 
Abonnementspreise für das Aus- 
land werden nach der vom Deut- 
schen Buchhandel vorgeschrie- 
benen Verkaufsordnung tür das 
Ausland berechnet. Zu beziehen 
durch jed. Buchhandlung, d. Post 
u. unmittelbar vom Verlage. Er- 
scheint bis auf weiteres vier- 
in Doppelnummern. 


Oscar Rein. 


Von Dr. med. et phil. P. Pregowski. (S. 19.) 


setzung. (S. 23.) — Mitteilungen. 


 Psychiatrisch=Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 
Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von `’ 


Geh. Medizinal-Rat Prof. 
Roderbirken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir.’ Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin) Med.- 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Ur. Friedländer. Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Ualkhausen 
Geh. Med.-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lıhmann, 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


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Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale 
Postscheck: Leipzig 32070. 


Wie liquidiert der Psychiater und Neurologe nach der neuen preuß. Gebührenordnung. 
(S. 15.) — Die Applikation einiger Arzneimittel bei den Geisteskranken unter die Mund- 


Adler. (S. 19.) = Zur fachärztlichen Vertretung bei den Behörden. 
~ Wichtige gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen auf dem Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. 
(S. 25.) — Buchbesprechungen. 


a 


Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat Dr. Beyer, 


Reg.-Rat Dr. H. Scniöß, 
Reg.-Rat Dr. Starlinger, 


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et phil Sommer, 


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sind an San.-Rat Dr. Bresler in 

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Von Dr. Arthur 
(S. 20.) — 
Fort- 
(S. 26) — Personalnachrichten. (S. 26.) 


ber die Einteilung der Psychosen. 
Von Pror. Dr. L. W. Weber. 


Wie liquidiert der Psychiater und Neurologe nach der 
neuen preub. Gebührenordnung. 


Von Dr. Oscar Rein, Oberarzt der Landesirrenanstalt Landsberg a. W. 


Gebührenordnung vom 
1. September 1920 erfüllt ja durchaus nicht die 


- berechtigten Wünsche der Ärzteschaft; ganz be- 
£ sonders sind es die Mindestsätze, an deren Anwen- 


dung man sehr oft gebunden ist, die in ihrer Höhe 


durchaus nicht den heutigen Zeitverhältnissen ent- ` 
r sprechen. 
- durchliest, so sieht man, daß sie doch manche Än- 
- derungen gegenüber der früheren Geb.-O. hat, wo- 


Wenn man jedoch die Geb.-O. genau 


dürch es möglich ist, bei Liquidationen, wenn auch 
richt immer, so doch häufig selbst unter Anwen- 
dung der Mindestsätze zu einer Kostenaufstellung 


zu gelangen, die wenigstens einigermaßen besser 


f ist, als es zunächst den Anschein hat; das gilt ganz 
| besonders für die Kostenberechnung bei Begutach- 


tung en. 


Es sollen im folgenden diejenigen Para- 


- graphen und Nummern der Geb.-O. kurz bespro- 
- chen werden, die für psychiatrische und neurologi- 
i sche Untersuchungen, Behandlungen und Begutach- 
- tungen besonders in Betracht kommen. 


7 — y marg oo > War z 
Er Eys a iai ae Di y aa sa ia, 
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Anwendung findet die preußische Gebührenord- 
nung nicht, wenn besondere vertragliche Ver- 
einbarungen bestehen (so besonders mit Kassen). 
Bei gerichtlichen Begutachtungen sind be- 
amtete Ärzte in Preußen (wozu auch die Anstalts- 
ärzte der Provinzialanstalten gehören) an den Ta- 
rif der Kreisärzte für gerichtsärztliche Verrichtun- 
gen gebunden (Ges. v. 19. Juli 1909, preuß. Ges.- 
Sammlung S. 625 — erhöht auf das Vierfache durch 
Min.-Erl. v. 20. Dezember 1920, preuß. Ges.-Samm- 
lung S. 542); nichtbeamteten Ärzten steht es bei ge- 
richtlicher Inanspruchnahme frei, entweder in glei- 
cher Weise zu liquidieren oder nach der Reichsge- 
bührenordnung für Zeugen und Sachverständige 
vom 10. Juni 1914 (R.-Ges.-Bl. S. 214, Teuerungs- 
zuschläge nach der Verordnung vom 22. Mai 1920, 
R.-Ges.-Bl. S. 1068); in diesem Falle können sie wie- 
der wählen zwischen einer Liquidation nach Zeit- 
versäumnis($3) oder einer Liquidation nach 
dem üblichen Preis ($ 4), d. i. in Preußen 


16 PSYCHIATRISCH-NEUROLOUGISCHE WOCHENSCHRIFT 


nach der neuen preuß. Geb.-O. für Ärzte. Bei Un- 
tersuchungen und Begutachtungen für das Versor- 
gungswesen findet vorläufig die preuß. Geb.-O. 
Anwendung, bis der neue Reichstarif erlassen wird, 
der zurzeit noch im Reichsarbeitsministerium zwi- 
schen den Reichsbehörden und Ärztevertretern ver- 
einbart wird. 

Nach § 2 der Geb.-O. ist der Arzt bei seiner 
Liquidation an die Mindestsätze gebunden, wenn 
die Leistung erfolgt für Rechnung 1. eines nach- 
weisbar Unbemittelten, 2. eines Armenverbandes, 
3. des Staates (Preußen und Reich, nicht aber außer- 
preußische und außerdeutsche Länder), 4. einer mil- 
den Stiftung, 5. einer Krankenkasse im Sinne der 
88 225, 495, 503 RVO. Während in den Fällen zu 
I und 2 stets die Mindestsätze angesetzt werden 
müssen, ist in den Fällen zu 3 bis 5 deren 
Überschreitung möglich, wenn besondere Schwie- 
rigkeiten der ärztlichen Leistung oder das Maß des 
Zeitaufwandes einen höheren Satz rechtfertigen. In 
diesem Falle ist natürlich eine besondere Begrün- 
dung für die Überschreitung der Mindestsätze er- 
forderlich; bei psychiatrischen und neurologischen 
Begutachtungen z. B. wird sich wohl meist ein 
höherer Satz anwenden lassen. 

Bei Liquidationen für die Unfallversicherung 
(III. Buch RVO.), für die Invaliden- und Hinterblie- 
benenversicherung (IV, Buch RVO.) und die An- 
gestelltenversicherung (Ges. v. 20. Dezember 1911) 
besteht kein Mindestsatzwang, doch ist hierbei als 
Höchstsatz das Dreifache der Mindestsätze be- 
stimmt (§ 2 Abs. 3). 

Wir werden hier die anzuwendenden Mindest- 
sätze unseren Ausführungen zugrunde legen, bei 
deren Anwendung eine eingehende Spezifikation, 
wie im folgenden, erforderlich ist, während in der 
Privatpraxis, wo man nicht an die Mindestsätze 
gebunden ist, an Stelle der ins Einzelne gehenden 
Spezifikation doch gewöhnlich eine Summe für die 
Gesamtleistung gesetzt wird. 

Nicht näher hier zu erörtern sind die Gebühren- 
sätze für Beratung m der Wohnung des Arztes 
(Nr. 1), für Besuche beim Kranken (Nr. 2), für Kon- 
silien (Nr. 7), für Fuhrkosten und Zeitversäumnis 
bei Besuchen (Nr. 9 bis 15) und für Abwartung eines 
außergerichtlichen Termins (Nr. 29).. Nur sei be- 
merkt, daß unter Beratüng jede ärztliche 
Bemühung zu verstehen ist, also auch eine Un- 
tersuchung ohne direkte Beratung des Kranken, 
z.B. zum Zwecke der Begutachtung (s. u.). 

Von eroßer Bedeutung ist aber die Bestimmung 
unter Nr. 4: „bei Vergütung für ärztliche Dienst- 
leistungen kommen, abgesehen von Beratung oder 
Besuch noch in Betracht: die ärztliche Verrichtung, 


Beratung (Nr. 1) 


zu liquidieren ist. 


die andern Verrichtungen. 


[Nr. 3 


der Zeitaufwand, die Fuhrkosten und besondere 
Auslagen.” Ärztliche Verrichtung, Zeitaufwand 
usw. stehen also hier gleichwertig nebenein. 
ander, siekommen danach in gleicher Weise be 
Vergutine für ärztliche Dienstleistung in Betracht | 
(Nr.4Abs.1),d. h. sie können nebeneinander 
liquidiert werden, und zwar jede ‚Verrichtung ein f 
zeln. Man kann also z. B. berechnen bei einer psy- l 
chiatrisch-neurologischen ersten Untersuchung asf 
Mindestsatz: | 


Beratung (Nr. 1) 4 ME 

eingehende psychiatrisch-neurologische Un- P 

tersuchung (Nr. 20 a) 20 M,F 

Urinuntersuchung (Nr. 19c 1) 10 MẸ 

Zeitaufwand 1'/a Std. (nach Nr. 5 zu berech- 14 

nen zweimal 'J; Std. a6 M) 12 M, | 
Sa. 46 MẸ 


Sind die Mindestsätze für die vorgenommenen 
Verrichtungen über 30 M, so fällt für gewöhnlich 
die Gebühr für Beratung oder Besuch weg (Nr. 4F 
Abs. 3, Ausnahmen Abs. 4 und 5), also z.B. f 
nicht berechnef; 
Entnahme der Rückenmarkflüssickeit (Nr. Ä 

40 a) | 
Lokalanästhesie nach Schleich (Nr. 21d) ; 
Mikroskopische Untersuchung der Rücken- | 

20 ME 


40 M: 
10 ME 


markflüssigkeit mit Färbung (Nr. 19a, 2) 
Untersuchung der Rückenmarkflüssigkeit 
auf Eiweiß nach Nonne (Nr. 19c, 1) 10 
Untersuchung der Rückenmarkflüssigkeit 
quantitativ auf Eiweiß nach Nißl (Nr. 
19c, 2) 
serologische Untersuchung nach WASE 
mann (Nr. 19e) 


‘ # 

d 

M = 
u 
g 


s ~- 


15 M. i 
15 M. f 

Sa. 110 MẸ 
"Dazu kommen noch die Auslagen für Färbemitid 


und Reagentien. j 
Diese Beispiele zeigen wohl am deutlichsten, wit 


Im folgenden soll kurz hingewiesen werden aif 
die für Neurologen und Psychiater in Betracht kom 
menden Nummern der Geb.-O., die teilweise unter 
den wundärztlichen und spezialärztlichen Verrich-E 
tungen der Geb.-O. stehen (Abschnitt B, 1, 3 und 4f 
Gynäkologische Verrichtungen (B 2) werden ja mi N 
allgemeinen von Neurologen kaum vorgenommelf 
werden, wenn es der Fall ist, sind sie selbstver | 
ständlich ebenso anzuführen und zu berechnen wief 


Bei Untersuchungen zu diagnostischen Zwecke 
kommen folgende Verrichtungen der Geb.-O. vor 
Fingehende neurologische und psychiatrische Unf 
tersuchungen, elektrische Untersuchung (Nr. 20); 


1921] 


“© Untersuchung der Sehkraft, der Gesichtsfeldgren- 
© zen (Nr. 93) — hierher muß man wohl auch die 
* Untersuchung mit dem Augenspiegel zählen, die 
© nicht besonders aufgeführt ist, wenn man sie nicht 
= bei der neurologischen Untersuchung an sich mit 
* einrechnen will —, 


Ohr-, Nasen- und Kehlkopf- 


“W untersuchung, Prüfung des Gleichgewichtsappara- 


I tes (Nr. 115), Urinuntersuchung (Nr. 19), Blutent- 
© nahme und Blutuntersuchung (Nr. 27b und Nr. 19), 
= Lumbalpunktion und Untersuchung der Zerebrospi- 
F nalflüssiekeit (Nr. 40 c und Nr. 19), Gehirnpunktion 
~ mit folgender mikroskopischer Untersuchung (Nr. 
7 51a und Nr. 19). 


Als therapeutische Maßnahmen des Neurologen 


= und Psychiaters wären zu nennen: Psychothera- 
| peutische Sitzungen, Hypnose, Psychoanalyse, psy- 
= chotherapeutische Übungen (Nr. 21f), Anwendung 
- von elektrischem Strom und sonstigen Lichtquellen 
€ (Nr. 22) Hydrotherapie und medikomechanische - 
= Übungen (Nr. 23), Sprachübungen (Nr. 136), die ver- 


T schiedenen Arten von Injektionen (Nr. 24), Kathete- 


~ rismus (Nr. 64a). 


Die therapeutisch-operativen Eingriffe an Ner- 


{| ven, Rückenmark und Gehirn (Nr. 38, 51, 52) wird 
T der Neurologe wohl meist dem Chirurgen überlas- 
k sen, doch wird eine Liquidation dafür zweifellos 
< auch in Betracht kommen, wenn die Operation in 
T Gegenwart des Neurologen nach dessen Angaben 
> und Weisungen oder unter seiner ausdrücklichen 
T heratenden Teilnahme stattfindet. Ganz ähnlich ver- 
T hält es sich mit den orthopädisch-technischen Ver- 
> richtungen (Nr. 35), bei Stützapparaten für Lähmun- 
~ gen, die meist dem Orthopäden überlassen werden, 
; am ersten wird der Neurologe vielleicht noch das 
- Anmessen oder Anpassen der Apparate (Nr. 35 f) 
| selbst vornehmen. 


Einer einzehenderen Betrachtung scheint unse- 


4 res Erachtens die Liquidation für schriftliche Auße- | 
{ rungen des Arztes zu bedürfen. 


Als Gebühren für schriftliche Leistun- 


gen (Zeugnisse) kommen in Betracht: 


Nr. 16 der Geb.-O. 


< a) eine kurze Bescheinigung über Gesundheit oder 


Krankheit, eine kurze Mitteilung über einen 
Krankheitszustand: 2 bis 20 M; 


3 b) ein ausführlicher Krankheitsbericht: 6 bis 60 M; 
Ä c) ein Gutachten mit Angabe der Gründe: 18 bis 


400 M; 


fd) ein Brief im Interesse des Kranken: 5 bis 50 M; 
' e) ein schriftlicher Sektionsbericht: 20 bis 200 M. 


Portoauslagen u. dgl. sind dem Arzte stets, 


p  Schreibgebühren bei den Verrichtungen zu 16b,. 
2 œ und e ETAR zu vergüten, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 17 


Neben der Gebühr für die Zeugnisse sind be- 
sonders zu berechnen die Gebühren 
rut eine - Untersuchung; < dres zim 
Zwecke der Zeugnisausstellung er- 
folgt, bzw. für den zu diesemZwecke 
ausgeführten Besuch. 

Kurze Krankheitsbescheinigung, Krankheitsbe- 
richt und Brief im Interesse des Kranken werden 
wohl in den weitaus meisten Fällen ohne besondere 
Untersuchung ausgestellt werden, auf Grund der 
Kenntnis des Arztes vom Krankheitsfalle, wie er 
sie infolge der stattfindenden oder stattgehabten 
Behandlung hat. Auch Gutächten werden mitunter 
auf Grund der Kenntnis des Arztes ohne besondere 
Untersuchung abgegeben werden können, doch ist 
der Fall sehr häufig, daß von einem Arzte ein Gut- 


achten über eine Person verlangt wird, die er bis- 


her noch gar nicht kennt oder wenigstens bezüglich 
des zu begutachtenden Leidens oder Zustandes noch 
nicht untersucht hat. 

Daß in solchen Fällen die Untersuchungs- 
sebühren neben den Gebühren für 
Zeugnisse (Nr. 16) zu berechnen sind, geht aus 
dem Wortlaut der Nr. 16 hervor: durch die Unter- 
einteilung nach a, b, c, d, e sind diese verschiede- 
nen Verrichtungen einander gleichgestellt, es ist 
also anzunehmen, daß das, was für eine derselben 
gilt, auch für die andern Geltung hat. Es ergibt 
sich nun ohne weiteres, daß in der Mindestgebühr 
von 2 M für eine Krankheitsbescheinigung nicht 
die Gebühr für eine besondere Untersuchung, die 
der Gebühr für eine Beratung gleichzusetzen ist 
und mithin nach Nr. 3 mindestens 4 M (erste Be- 
ratung) oder 3 M (wiederholte Beratung) beträgt, 
in sich schließen kann. Ferner ist ja unter Nr. 16c 
der schriftliche Sektionsbericht mit mindestens 
20 M den anderen Zeugnissen: gleichgestellt und 
für die Sektion an sich unter Nr. 17b eine beson- 
dere Gebühr von mindestens 60 M angesetzt, und 
zwar für die Sektion ohne Bericht, sonst würde 
diese schriftliche Verrichtung hier entsprechend wie 
bei Nr. 17 a mit aufgeführt sein (die Besichtigung 
einer Leiche, auch mit Ausstellung einer kurzen Be- 
scheinigung: 10 bis 100 M”). 

In der Privatpraxis wird man wohl im allge- 
meinen Zeugnis und Untersuchung nicht gesondert 
berechnen, sondern die Höhe der Liquidation für das 
Zeugnis nach der für die Untersuchung usw. aufge- 
wandten Mühe und Zeit in einer runden Summe - 


bemessen; wichtig ist aber diese Sonderberechnung 


nach Untersuchungsgebühren und Zeugnis für alle 
Fälle, wo die Mindestsätze in Anwendung gebracht 
werden müssen. 

Nach den Kommentaren der alten Gebührenord- 


18 


nung von 1896 war die Untersuchungsgebühr nicht 
besonders zu berechnen neben den Zeugnisgebüh- 
ren, es betrug danach aber auch der Mindestsatz 
für eine Krankheitsbescheinigung 2 M, ein Betrag, 
worin sehr gut die Untersuchungszebühr (Mindest- 
satz 1 M für Beratung) enthalten sein konnte. Daß 
für Zeugnisausstellung notwendige Besuche 
neben der Zeugrnisgebühr besonders 
zu berechnen sind, nehmen auch die Kom- 
mentare der alten Gebührenordnung an. Auch der 
Kommentar von Dietrich zur neuen Gebühren- 
ordnung (Verlag von Rich. Schoetz, Berlin) steht 
auf dem hier vertretenen Standpunkte. 

In Betracht kommen für den Neurologen und 
Psychiater die oben angeführten, zur Untersuchung 
ev. nötig werdenden Verrichtungen. 

Die Ausstellung eines Zeugnisses ist eine der all- 
gemeinen ärztlichen Verrichtungen, es kommen da- 
her nach Nr. 4 neben den. Gebühren für das 
Zeugnis auch noch in Betracht die G ebühren 
für Zeitauiwand. 

Ist der Zeitaufwand für die Untersuchung oder 
. für Ausstellung des Zeugnisses größer als eine halbe 
Stunde, so stehen dem Arzte für jede angefangene 
weitere halbe Stunde bei Tage 6 bis 12 M zu (Nr. 
5a). Hiernach kann man auch das Aktenstudium 
berechnen, das für Abgabe eines Gutachtens ev. 
notwendig ist. 


Beispiel. 


1. (Untersuchung kommt nicht in Anrech- 
nung, da 2 bis 6 über 30 M betragen.) 
2. Einzehende neurologische Untersuchung 


(Nr. 20.) 20 M, 
3. Eingehende elektrische Ueroa 
(Nr. 20b) 20 M, 
5. Blutentnahme (Nr. 27 b) 10 M, 
6. Serologische Untersuchung nach Was- 
sermann (Nr. 19c) 15 M, 
7. Dauer der Untersuchung 1‘ Stunde, 
also zweimal */; Stunde (nach 5) 12 M, 
8. Gutachten 18 M, 
9. Zeitaufwand für Gutachten und Akten- 
studium 2 Stunden, also dreimal */» Stun- 
‚de (nach 5) 18 M, 
Sa. 113 M. 


Dazu ev. Auslagen für Abschrift und Porto. 


Bei schwierigen Fällen wird man die 
Mindestsätze der Gebühren für die Einzelverrich- 
tungen, besonders für schriftliche Gutachten nach 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


INr. aufi 


§ 2-überschreiten und dies kurz begründen. Manl 
kann ja nach § 2 die Überschreitung der Min- 
destsätze auch mit dem notwendigen Zeitaufwand 
begründen, m. E. ist es aber richtiger, den Zeit- 
aufwand besonders zu berechnen (nach 
Nr. 5 als durch die Beschaffenheit des Falles be 
dingt) und die Überschreitung der Mindestgebühr 


für die Verrichtung da anzuwenden, wo tatsächlich F. 
d. h. einef 
wissenschaftlich besonders hochwertige Leistung f 
denn es ist doch ein Unterschied, obf 
ich z: B. für ein an sich ganz leichtes Gutachten f 
infolge großen Aktenstudiums viel Zeit aufwendent 
muß, oder ob ich ein an sich kurzes Gutachten über i 
einen schwierig zu beurteilenden Fall abgebe; in 
ersterem Falle liquidiere ich Mindestsatz für Gut-f 
achten und Zeitaufwand, in letzterem Falle dagegen? 
überschreite ich die Mindestgebühr für das Gutach-f' 
. ten und begründe dies mit der Schwierigkeit derf 
Beurteilung, der wissenschaftlich hochwertigen Leif 
stung. Wesentlich ist die besondere Berechnung i 
von Zeitaufwand in den Fällen, wo man nach $2J 


eine schwierigere Leistung, 


stattfindet; 


Satz 1 unbedingt an die Mindestsätze gebunden ist, 


oder bei Liquidationen für Unfallversicherung usw f 
($ 2 Abs. 3), wo die Höchstsätze doch recht niedrig; 
sein können im Verhältnis zu der Leistung des Arz- $f 
Daß die staatlichen Behörden für sich die An- 
wendung der Mindestsätze in Anspruch nehmen f 
ist ja nichts Neues und dem forensisch tätigen Arzte f 
Woch $ 
1918-19 S. 84). Wenn auch im § 2 der Geb.-O. keine i 
Begründung im Falle der Mindestsatzüberschrei f 
tung verlangt wird, so ist deren Beifügung dochif 
dringend zu empfehlen, entsprechend den allgem. f 
Bestimmungen des Tarifs für die Gebühren derf 


tes. 
Psych.-Neurol. 


geläufig (s. a. Bresler, 


Kreisärzte Nr. 2 Abs. 2: „Wird mehr als der Mit- 


destsatz einer Gebühr beansprucht, so ist dies MẸ 
der Gebührenberechnung unter Angabe der beson- 


deren Umstände des einzelnen Falles näher zu be- 


gründen” (preuß. Ges. v. 14. Juli 1909 über die f 


Gebühren der Med.-Beamten Anhang D). 


Sollte in strittigen Fällen von einer Behörde die f 
Überschreitung der Mindestsätze beanstandet wer- f 
den, so würde es sich vielleicht empfehlen, die 
Entscheidung des Regierungspräsidenten herbeizi- F 
führen .nach Analogie des angeführten Gesetzes: f 
allgem. Bestimmungen Nr. 2 Abs. 1, wonach mit 
Zustimmung des Regierungspräsidenten sogar def 
Höchstgebühr des für gerichtsärztliche Verrichtun 
gen aufgestellten Tarifs überschritten werde 


kann. 


- k a A " TREG ae 
— 


Kr peee si 


41921] 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 19 


g Die Applikation einiger Arzneimittel bei den Geisteskranken 
u unter die Mundlippen. 


:B ei den Geisteskranken, welche die Arzneimittel 
nicht aufnehmen wollen, appliziere ich diesel- 
"ben oft sowohl in der Privat- wie auch in der An- 
„ staltspraxis auf folgende, in beistehender Abbildung 
"dargestellte Weise. 


- Eine hinter dem Kopfe des Kranken stehende 
| Person hält den Kopf des Kranken beiderhändig so, 
daß sie gleichzeitig die Unterkiefer an die Ober- 
kiefer drückt; infolgedessen kann der Kranke nicht 
f " ausspucken. 

© Die andere, auf der linken Seite des Kranken 
IS ehende oder an seinem Bette sitzende Person 
“nimmt mit linker Hand die untere Lippe des Kran- 
| ken, zieht diese vom Kiefer ab, drückt nach unten 
fso, daß die Berührung beider Lippen unmöglich 
und gießt mit rechter Hand die Arznei zwi- 


‚ schen Lippe und Unterkiefer, worauf sowohl der 


* Kopf wie die Unterkiefer und die untere Lippe des 
i Kranken in derselben Position einige Zeit hindurch 
gehalten werden. 

- Die unruhigen Kranken müssen vorher 
{ sprechend unbeweglich gemacht werden. Die Ab- 


; den Kranken dar. 
° Die angeführte Applikationsweise bezieht sich 
| hauptsächlich auf die flüssigen, in kleinen Mengen 
(tropfenweise) dosierten Arzneien. 

Diese Applikationsweise wird von mir benutzt 


|: Je möchte mir den Vorschlag erlauben, die Psy- 
{2 chosen im allgemeinen in solche mit klarem 
"und solche mit traumhaft benommenem 
"Bewußtsein einzuteilen. 

í Diejenige Psychose mit: klarem Bewaußt- 
sein, deren Grundsymptome Wahnideen und 
ES innestäuschungen auf den Gebieten der 
"Außenwelt, Körperlichkeit oder Persönlichkeit aus- 
machen, mag als Vesania; deren Hauptsym- 
-ptom aber nur Wahnideen (ohne Sinnes- 
-täuschungen) sind, als Paranoia bezeichnet 
“werden. 


ent- 


į bildung stellt einen in feuchter Einpackung liegen- 


i Nach einer am 22. Juni 1918 in der Neurol.-Psychiatr. Sektion der Warschauer med. Gesellschaft 
gehaltenen Demonstration. 

Von Dr. med. et phil. P. Pregowski, Oberarzt am psychiatrischen Krankenhause St. Johannes 

in Warschau. 


besonders, wenn aus irgendwelchen Gründen das 
Injizieren nicht angewendet werden kann. Sie ist 


weniger umständlich, als sowohl das Eingießen in 
die mit Gewalt eröffnete Mundhöhle wie auch die 
Magensondierung und Klysma. 


A Über die Einteilung der Psychosen. 
E | Von Dr. Arthur Adler. er 


Wir hätten dann folgende Psychosen zu aner 
scheiden: 


Me inenoie. Katatonie, 
Paranoia und Demenz. 


Manie, 
Vesanie, 


Bei allen diesen würden dem Verlaufe nach: 
akute, subakute, chronische und pe- 
riodische Formen anzunehmen sein; eine Un- 
terfiorm der letzteren: bei alternierendem Auftreten 
zweier oder mehrerer dieser Geisteskrankheiten, 
stellt de zirkuläre Psychose dar. 


Dem Lebensalter nach sind zu unterschei- 


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20 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


den: puerile, juvenile, virile, präse- 
nile und senile Formen; 

Der Ursache nach: degenerative, 
endokrine (durch Störungen in den endokrinen 
Drüsen), syphilitische, paralytische, 
arteriosklerotische, alkoholistische 
hysterische, epileptische usw. 

Dazu kommen die Imbezillität und die 
Idiotie. 


Zur fachärztlichen Vertretung bei den Behörden. 
Von Prof. Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf. 


er den Antaltskollegen mehren sich die Stim- 
men, welche eine Fachvertretung bei den Be- 
hörden durch einen vollbesoldeten psychiatrischen 
Dezernenten fordern. Ich habe über 18 Jahre an 
zwei großen preußischen Provinzen als Anstalts- 


arzt gearbeitet und bin jetzt als Leiter eines Groß- 


stadtasyls in städtischen Diensten; ich stehe also 
dieser Frage ziemlich neutral gegenüber. Denn 
in den einfacheren Verhältnissen einer mittleren 
Großstadt kann man im allgemeinen seine Angele- 
genheiten ziemlich persönlich vertreten und ein 
psychiatrischer Dezernent kommt da kaum in 
Frage, wo nur eine psychiatrische Anstalt neben 
mehreren anderen Krankenanstalten vorhanden ist. 

Eins läßt sich wohl nicht leugnen: die großen 
Verwaltungen, wie die preußischen Provinzen wer- 
den mit einem fachkundigen, vör allem auch prak- 
tisch erfahrenen psychiatrischen Dezernenten für 
ihre Anstalten im ganzen nicht schlecht fahren, 
wenigstens in finanzieller Beziehung. Er wird, 
wenn er gründlicher Kenner der Anstaltstätigkeit 
ist, die Maushaltpläne sehr kritisch sichten können, 
wird auch z. B. für die gemeinsame und einheitliche 
Beschaffung von Lebensmitteln und Bedarisarti- 
keln vermöge seiner Sachkenntnis Mittel ersparen 
können. 
Verwaltung vor manchem Mißgriff bewahren und 
in schwierigen Situationen leichter einen Ausweg 
finden als der Jurist. | 

Ob auch die Anstalten und die Kollegen so 
eroße Vorteile von der Einsetzung eines Fach- 
kollegen als Dezernenten haben, ist mir zweifelhaft. 
Ich habe es — in der Provinz Hannover wie in der 
Provinz Sachsen — immer als einen Vorteil für die 
Entwicklung der Irrenpilege empfunden, daß jede 
Anstalt in ihrer Entwicklung ziemlich frei von 
Fachaufsicht war, daß die Anstalten, wenigstens 
lange Zeit, direkt dem Landeshauptmann als De- 
zernenten unterstanden. Ich glaube, daß nur 


"haben. 
Auch seine Personalkenntnis wird die 


IN. a 


Die Grenzzustände gegen die Norm bilden afa 
Psychopathieen. | | 
Psychosen mittraumhaftbenommenen 
Bewußtsein sind: die Delirien, Dämf | 
merzustände und de Amentia. $ 
Dieselben können in allen Lebensaltern a kulfs 9 
bzw. periodisch auftreten und sind die Folge; ; 
toxischer, EN e oder exhaustif i 
ver Noxen. | 


J 


/ 4 
| 
dadurch sich besondere Perönlichkeiten, - wief 
Paetz, Alt, Cramer entwickeln und in dief. 

sem Maße für die Ausgestaltung der Psychiatri 

betätigen konnten. Denn — vielleicht stimmt af 
hierin der in der irrenärztlichen Psychologie erfat 
rene Kollege zu: der fachmännisch gebildete Def 
zernent wird immer das menschlich verständlich] 
Bestreben haben, das, was er in langer praktischef 
Arbeit für richtig erkannt hat, nun auch in seinen i 
erweiterten Wirkungskreis durchzuführen. Dies h 
Bestreben wird sich dann leicht in zahlreichen 
Dienstvorschriften und Zirkularverfügungen ve 
dichten, welche letzten Endes eine Egalisierung der 
Anstalten und ihres Betriebes wenigstens innerhall 
einer Provinzialverwaltung herbeiführen. Ich halt 
eine solche Egalisierung nicht für ersprießlich für 
eine günstige Weiterentwicklung der Irrenpfleg® 
Mir schien es immer ein großer Vorzug der. pret 
Bischen Provinzialverwaltungen, bei denen ich at- 
beitete, zu sein, daß sie ihren einzelnen Anstalten} 
das ihrer lokalen Lage, den örtlichen Bedürfnisse! 3 
der Bevölkerung und schließlich auch der besondef 
ren Begabung und Arbeitsrichtung des verantwork 
lichen Leiters entsprechende Sonderleben gestattei 
Gewiß ist dieses Sonderleben manchmal 
und an manchen Orten zu weit gegangen, well 
sich eine Anstalt völlig abschloß und auch def 
ärztlichen Nachwuchs selbst heranzog, ohne ihlf 
einmal durch Leute aus einer anderen Schule aut | 
zufrischen. Wahrscheinlich ist die-Behebung eima 
solchen „Autismus? in Personalfragen auch eine 
der Beweggründe für das Streben nach dem Lai 
despsychiater; man erhofft in den Kreisen der fü] 
geren Kollegen eine gleichmäßigere und gerechter 
Regelung der Versetzungs- und Beförderungsve®g 
hältnisse. Aber die kann doch auch auf anderem 
Wege geregelt werden, zumal die neue Besoldung l 
ordnung ohnehin schon viele Ungleichmäßigkeitelf 
beseitigt; auch das Bestreben, alle Ärztesteleif 


| 
| 


Bi 


4 


| 


F 19211 


unter dem Direktor möglichst gleichmäßig zu ge- 
=stalten, wirkt in dieser Richtung. Der psychiatri- 
# sche Dezernent wird manchen strebsamen jungen 
if Kollegen fördern können, wenn er ihn aus einer 
= seinen Neigungen und Begabungen nicht angemes- 
senen Stellung herauszieht und in einer anderen 
© Anstalt oder Tätigkeit unterbringt; dabei wird 
"sicher manche Ungerechtigkeit durch einen miß- 
günstigen Direktor vermieden: Aber man darf nicht 
vergessen: der Arzt wird dabei immer mehr zum 
= Beamten, der sich daran gewöhnt, seine weitere 
Laufbahn von einer entfernten Stelle geregelt zu 
= sehen, die ihm endlich — das liegt an der Unzu- 
" länglichkeit aller menschlichen Einrichtungen — 
“seine Lose nach dem üblichen Beamtenschematis- 
T mus zuteilt. 


Pr 


Mancher neue Weg in der Irrenfürsorge ist da- 
durch gangbar geworden, daß von-einer Anstalt 
< aus die ersten Versuche gemacht werden konnten, 
T weil der Direktor den juristischen Dezernenten 
"oder den Landeshauptmann selbst dafür zu inter- 
T essieren wußte. Ich bezweifle, ob Alt seine Fami- 
" lienpflege, Cramer sein Provinzialsanatorium 
„ und die vorbildlich gewordene psychiatrische Kon- 
T trolle der Fürsorgezöglinge durchgebracht hätten, 
"wenn damals in Merseburg und in Hannover ein 


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d erst einmal sachverständig kritisch gemustert hätte. 
T Und es wird auch auf diesem Gebiet nicht aus- 
” bleiben, daß menschliche Schwäche in einem jünge- 
< ren rührigen Anstaltsleiter einen späteren Rivalen 
d sieht und vielleicht die Kritik und Beschneidung 
"seiner Anträge zu scharf gestaltet. Im ganzen 
T glaube ich, daß der Landespsychiater der Heran- 
` ziehung selbständiger eigenartiger Persönlichkei- 
' ten in der Provinzialpsychiatrie nicht gerade för- 
- derlich sein wird. | 


r Wenn gesagt wird, daß bei den zahlreichen Auf- 
gaben der Irrenfürsorge über den Rahmen der An- 
- staltstätigkeit hinaus — etwa im Sinne der Vor- 
f schläge Kolbs — die Zentralisierung aller dieser 
" Probleme und Aufgaben in der Hand eines in der 
| Verwaltung sitzenden Fachmannes unerläßlich sei, 
© so ist das m. E. noch kein genügender Grund für 
- die Anstellung eines Landespsychiaters. Es gibt 


T Landespsychiater gesessen wäre, der diese Pläne 


‚ auch andere Wege, um die Notwendigkeiten fach- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 21 


licher oder technischer Forderungen den Verwal- 
tungsorganen begreiflich zu machen. Vielleicht 
wäre hierzu ein engeres Zusammenarbeiten der 
Fachkollegen einer Provinz gut, wie dies ja durch 
den Reichsverband allmählich in die Wege geleitet 
wird. Soweit ich die Verhältnisse kenne, gibt es 
bis jetzt hier nur Direktorenkonferenzen, die auf 
Wunsch der Zentralbehörde zusammentreten. 
Diese besitzen natürlich nicht Bewegungs- und 
Verhandlungsfreiheit genug, um gemeinsame Inter- 
essen zu vertreten. Ein ölteres Zusammenkommen 
in zwangloser unbefiangener Form würde aber 
zweifellos auch die oft so weit abgelegenen An- 
stalten miteinander verbinden und mancherlei An- 
regung bringen; es muß ja nicht immer in der Form 
eines wissenschaftlichen Kongresses sein. 


Man mag diese Äußerungen zu der jetzt aktuel- 
len Frage als die Meinung eines Außenseiters ab- 
tun. Aber ich habe doch gerade in meiner absei- 
tigen Stellung eine gewisse Distanz zu diesen Pro- 
blemen und ich weiß, daß während meiner Tätig- 
keit in Provinzialanstalten darüber oft verhandelt 
worden ist. So aktive und organisatorisch so her- 
vorragende Menschen wie Alt und. Cramer 
haben sich immer ablehnend gegen die Frage des 
Landespsychiaters im Hauptamt verhalten, wohl 
auch in der nicht ganz unberechtigten Befürchtung, 
daß gerade der Arzt, wenn er erst einmal aus sei- 
ner praktischen Tätigkeit ganz herausgerissen und 
lediglich in das Bureau verbannt ist, zu leicht der 
Gefahr des Bureaukratismus unterliegt. 


In meiner städtischen Stellung halte ich es für 
sehr wesentlich, daß ich die meisten mein Fach be- 
treffenden Fragen direkt.und persönlich mit dem 
juristischen Dezernenten und mit den anderen ent- 
scheidenden Stellen verhandeln kann. Für eine 
ungünstigere Lösung würde ich -— für die 
Verhältnisse einer mittleren Großstadt — die Schaf- 
fung eines Stadtmedizinalrates halten, der dann, in 
Rücksicht auf die allgemeinen Krankenanstalten, 
natürlich kein Psychiater sein würde. Denn wir 
müssen leider immer noch mit der Tatsache rech- 
nen, daß der Durchschnittsarzt für die Psychiatrie 
und ihre praktische Betätigung gewöhnlich recht 
wenig übrig hat. 


22 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Wichtige gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen auf dem 
Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. 
(Fortsetzung. 


§ 823 ff. BGB. 


Die Ehefrau R. aus K. erkrankte am 6. Juni 1912 
auf der Reise unter Zeichen einer geistigen Stö- 
rung. Auf Ersuchen ihres Ehemannes wurde sie 
vorläufig in das städtische Krankenhaus zu S. auf- 
genommen und sprang dort, während sie nur .mit 
einer hilfsweise zur Pflege verwendeten Kranken 
zusammen war, aus einem Fenster des zweiten 
Stockwerks, wodurch sie schwere Verletzungen 
erlitt. Die Verletzte verklagte infolgedessen die 
Stadtgemeinde als Eigentümerin des Krankenhauses 
auf Schadenersatz, und zwar aus dem- Gesichts- 
punkte vertragsrechtlicher Haftung, weil ein Ver- 
schulden der Oberschwester vorliege. 

Landgericht Mannheim und Oberlandesgericht 
Karlsruhe wiesen die Klage ab. Das Reichsge- 
richt hob diese Entscheidung auf und verwies die 
Sache an das Oberlandesgericht zurück. Dieses 
hat nach nochmaliger Verhandlung die Klage 
wiederum abgewiesen. Hiergegen legte die Klä- 
gerin abermals Revision ein, und zwar mit vollem 
-= Erfolge. Das Reichsgericht hob auch das zweite 
oberlandesgerichtliche Urteil auf und verurteilte die 
Beklagte zum Schadenersatz. In seinen Entschei- 
dungsbegründung führte der höchste Gerichtshof 
aus: Das Oberlandesgericht meint, die vorläufige 
Gewährung von Einlaß und Unterkunft im Kran- 
kenhause durch die Oberschwester habe nur einen 
tatsächlichen Zustand herbeigeführt, nicht ein Ver- 
tragsverhältnis, das gesetzlichen Vorschriften un- 
terliege. Das ist rechtsirrig. Die vorläufige Auf- 
nahme durch die Oberschwester, die auch in der 
Krankenhausordnung als zulässig vorausgesetzt 
wird, war keine bloße Gefälligkeitshandlung, diente 
vielmehr der Vorbereitung des von der Klägerin 
und ihrem Manne gewünschten endgültigen „Kran- 
kenpflege- und Abwartungsvertrags” und begrün- 


dete deshalb für die Dauer dieses vorläufigen Zu- 


standes vertragliche Beziehungen mit der Ver- 
pflichtung der Beklagten, die Kranke einstweilen in 
Obhut und Fürsorge zu nehmen und das dafür Er- 
forderliche zu tun. Wenn auf Grund des badischen 
Landrechtes die Klägerin als Geisteskranke nicht 
aufgenommen werden durfte, so mag dies unter 
Umständen für die der Oberschwester gegenüber 
der Beklagten obliegende Verantwortung von Be- 
deutung sein. Ihre Vollmacht gegenüber den die 
vorläufige Aufnahme begehrenden Personen wird 
dadurch nicht berührt. Eine vertragliche Haftung 
der Beklagten läßt sich auch nicht mit der Erwä- 


Zuges, aus dem er herausgesprungen ist, muß af 


Ereignisse der Fahrt gewesen sein, namentlich dei 


r N 

[Nr. BILL I} 
a oe 

H 2 


XVI. Folge. 


gung verneinen, daß die Oberschwester erkennbarff 
eine Geisteskranke nicht habe aufnehmen wollen 
Wie es sich mit dem Zustande der Klägerin vefa 
hielt und ob sie sich danach zur Aufnahme eignetafk 
mußte erst der Arzt feststellen. Bis zu seiner Entf 
scheidung aber bedurfte es einer vorläufigen Rege gi 
lung, deren Rechtsbestand nicht dadurch beeinde 
trächtigt wurde, daß das Aufnahmeverlangen sichfe 
nachträglich als unbegründet erwies. Die Beklagteft 
ist also zum Ersatz des durch das Verschulden defi 
Oberschwester verursachten Schadens vertragliciit 
verpflichtet. Ein solches Verschulden liegt von 
weil sie nicht für gehörige Beaufsichtigung def 
Klägerin gesorgt hat. (Entscheidung des Reichs a 
gerichts, III. Z.-S., vom 2. Nov. 1917.) fe 


Zeitschr. f. ärztl. Fortbildung 1918 Nr. 22. T 
Zeitschr. f. Medizinalbeamte 1918 Nr. 23. 


§ 823 BGB. 


Daß J. beim Betriebe der Eisenbahn zetl 
worden ist, unterliegt keinem rechtlichen Bedeng 
ken. Denn die Geschwindigkeit des fahrende 


die Ursache oder als eine der Ursachen, die seinelf 
Tod herbeigeführt haben, betrachtet werden. Dai 
Berufungsgericht hält für erwiesen, daß J. infolge 
eines Traumes vorübergehend unter der Wahnvor-F 
stellung stand, ein Eisenbahnunfall sei eingetreteif? 
oder stehe unmittelbar bevor und bringe die mg 
Zuge Bleibenden in höchste Lebensgefahr, aus wef 
cher er sich nur durch einen Sprung aus dem Ferf 
ster retten könne. Die hohe Wahrscheinlichkeil 
spreche dafür, daß die Einbildung des J. durdi 
einen Betriebsunfall in der vorhergegangenel 
Nacht ausgelöst worden sei. Der Zug, in dem aj 
sich befand, habe einen Achsenbruch erlitten, dief 
Puffer zweier Wagen seien übereinander geschobel 
und die Reisenden stark durcheinander geschüttelt 
worden. Höchstwahrscheinlich habe sich im Gef 
hirn des J. unter der Nachwirkung dieses Unfalsf 
und infolge ihrer eine besonders lebhafte und nadrf 
haltige Traumvorstellung der hier fraglichen Art] 
gebildet. Ursächlich könnten auch die sonstige 


lange Aufenthalt des J. in dem fahrenden Wageni 
die Geräusche des Betriebes und die Bewegungelf 
des Zuges. Jedenfalls habe sich die Einbildungf 
daß ein Betriebsunfall eingetreten sei oder drole] 
und daß allein ein schneller Sprung durch das Feır]| 
ster Rettung bringen könne, überhaupt nur bilden] 


Vorstellung sei dann notwendig eine Folge des 
Eisenbahnbetriebes gewesen und schließe höhere 
(Gewalt aus, weil das schadenbringende Ereignis 


] eit nicht ankomme. Die Auffassung des Beru- 
Mungsgerichts, daß höhere Gewalt nicht vorliege, 


Jeinstimmung. Danach ist als höhere Gewalt ein Er- 
ignis anzusehen, das von außerhalb des Betriebs 
joder seiner Einrichtungen wirkt, unvorhersehbar, 


es räumlich von außen in den Betrieb greift, 
‚sondern nur, daß es außer Zusammenhang mit dem 
‚Betrieb stehe, seinen Grund nicht in dem Betrieb 
‘Oder seinen Einrichtungen selbst habe. (Preuß. 
Eisenbahn- Fiskus :w. J., Urteil des Reichsgerichts 
‚vom 4. Nov. 1918, 149/18 VI.) 


Jurist. Wochenschr. 


§ 823 BGB. 
Zu ee beanstandet die Revision die An- 


1919 S. 38. 


ger in einem bürgerlichrechtlichen Vér trag s- 
verhältnis zur Beklagten gestanden habe. Die 
"von den Körperschaften des öffentlichen Rechts er- 
E.. und unterhaltenen Krankenhäuser dienen 


n einen Wohlfahrt und Gesundheit oikee Demge- 
‚mäß entsteht-auch ein öffentlichrechtliches Verhält- 


‚Vielfach beschränkt sich aber die Tätigkeit der 
Krankenhäuser nicht auf die Betätigung dieser 
öffentlichrechtlichen Fürsorgepflichten. Es finden 
vielmehr, auch ohne daß solche Gründe der öffent- 
lichen Wohlfahrt vorliegen, Kranke gegen Vergü- 
tung Aufnahme. Auch das Ortsstatut über die Ver- 
Waltung des städtischen Krankenhauses der Be- 
klagten vom 12. Mai. 1908 bestimmt in $ 19, daß 
1 ranke auf Grund einer zulässigen Einweisung 
öffentlicher Behörden (des Armenamts, Bezirks- 
amts oder Amtsgerichts) oder auf Grund des An- 
trags des Kranken sowie seines Vertreters Auf- 


' einer Geisteskrankheit keine Rede sein könne. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 23 


nahme finden sollen, und daß die auf Antrag eriol- 
senden Aufnahmen regelmäßig — abgesehen von 
den Fällen, wo Gefahr im Verzug obwaltet — nur 
bei Sicherstellung der Bezahlung der Verpflegungs- 
kosten durch den Kranken oder Dritten stattfinden 
solle. In den Fällen der auf Antrag erfolgenden Auf- 
nahme liegt lediglich ein bürgerlichrechtliches Ver- 
hältnis vor, weil die Aufnahme nicht der Ausübung 
allgemeiner öffentlicher Fürsorgepflicht dient, son- 
dern lediglich dem Wohl und den Interessen des 
einzelnen, dem die Benutzung freisteht, und weil 
es in solchen Fällen an den öffentlichrechtlichen Be- 
ziehungen vollständig gebricht. Nur ein privat- 
rechtlicher Tatbestand ist gegeben; Rechtsgrund 
der Aufnahme ist nicht die öffentliche Fürsorge, 
sondern der mit dem Kranken oder seinem Ver- 
treter geschlossene Dienstvertrag. (Stadtgemeinde 


K. w. D., Urteil des Reichsgerichts von er Nov. 
1917, 257/17 I.) 
Jurist. Wochenschr. 1918 S. 260. 


§ 823 BGB. 


Der Kaufmann F. in Hamburg veranlaßte im 
Herbst 1914 seine Frau, den Prof. Dr. N. aufzu- 
suchen, um sich von diesem auf ihren Gesund- 
heitszustand untersuchen zu lassen. Bei dieser Ge- 
legenheit drehte die Frau, die sich mit ihrem Mann 
total überworfen .hatte, den Spieß um und erzählte 
Dr. N. die tollsten Sachen, so daß dieser .den Ein- 
druck gewann, nicht Frau F., sondern F. selbst sei 
krank. Prof. N. begab sich gelegentlich in die F.- 
sche Wohnung, um den Ehemann zu untersuchen. 
Selbstverständlich war dieser hierüber nicht wenig 
aufgebracht und entzog sich der Untersuchung. 
Nach nochmaligem Besuch händigte Prof. N. Frau 
F. am 2. Juli 1915 ein Attest aus, worin er F. als 
geisteskrank — nicht ungefährlichen, chronischen 
Maniakus — und der Behandlung in einer. Anstalt 
bedürftig bezeichnete. F. begab sich, sobald ihm 
seine Frau hiervon Mitteilung machte, sofort zu 
einem anderen Arzt, Prof. Dr. R. der nach ge- 
nauer Untersuchung feststellte, daß von 
Nun 
verlangte F. von Prof.N., daß er sein Attest wider- 
rufe. Auf eine Anzeige bei der Ärztekammer ent- 
schied diese, daß es von N. nicht vorsichtig ge- 
wesen sei, die Angaben der Frau, deren Feindschaft 
gegen ihren Mann ihm bekannt war, ohne weiteres 
seinem Gutachten zugrunde zu legen; auch wäre 
es besser gewesen, den F. nicht zur Behandlung, 
sondern höchstens zur Beobachtung der Anstalt zu 
überweisen. Trotzdem weigerte sich N., das Attest 
zu widerrufen, so daß schließlich F. Klage erhob 


24 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


mit dem Antrag, den N. zum Widerruf zu verur- 
teilen. Die Gerichte kamen mit Einschluß des 
Reichsgerichts zu dem Ergebnis, daß das geltende 
Recht dem Kläger keine Handhabe biete, seinen An- 
spruch, über dessen Berechtigung an sich wohl nie- 
mand im Zweifel sein dürfte, durchzusetzen und 
wiesen die Klage ab. Das Oberlandesgericht Ham- 
burg begründete seine Entscheidung wie folgt: Die 
Klage ist begründet auf die Vorschriften über un- 
erlaubte Handlungen ($ 823 ff. BGB.). Es kommt zu- 
nächst $ 823 Abs. 1 in Frage, wo von der Verlet- 
zung der Freiheit die Rede ist. Indessen liegt eine 
solche gar nicht vor. Es kann als ausgeschlossen 
gelten, daß in Zukunft etwa eine Internierung des 
Klägers auf Grund des jahrealten Attestes des Be- 
klagten bewirkt werden könnte. Eine bloße Ge- 
fährdung der Freiheit erfüllt zudem nicht die Vor- 
aussetzungen des Gesetzes. Was sodann § 823 

Abs. 2 anbelangt, so behauptet F. eine Verletzung 
seiner Ehre durch den Beklagten. Die Anwendung 
von $ 823 Abs. 2 setzt indessen eine rechtswidrige 
und schuldhafte Ehrverletzung, d. h. eine Beleidi- 
‚gung voraus. Hiergegen ist zu bemerken, daß N. 
bei der Abfassung des Gutachtens in Ausübung 
seines Berufes, also in der Wahrnehmung berech- 
tieter Interessen handelte ($ 193 StGB.), was eine 
Beleidigung ausschließt. Hierzu kommt, daß der 
Beklagte, als er auf Veranlassung der nächsten An- 
gehörigen des Klägers das Attest ausstellte, nicht 
rechtswidrig gehandelt hat. Dieser Gesichtspunkt 
hindert auch eine Anwendung des $ 824BGB. Die 
Entscheidung wurde in der Revision vom Reichs- 
gericht bestätigt. (Urteil des Reichsgerichts, VI. 
Z-S., vom 12. Jan. 1920.) 


Zeitschr. f. Medizinalbeamte 1920 Nr. 4. 


§ 829 BGB. 


‚. Der: Anspruch aus $ 829 ist vielmehr 
ein Billigekeitsanspruch und unterscheidet sich von 
den auf §§ 823 bis 826 gestützten Ansprüchen in- 
bezug auf Grundlage. und Tragweite (BGZ. 74, 143, 
insbesondere S. 146). Er hat zur Voraussetzung u. 
a. auch die, daß die schädigende Handlung, die, 
bei Zurechnungsfähiskeit begangen, den Tatbestand 
einer unter die §§ 823 bis 826 fallenden unerlaubten 
Handlung darstellen würde, in einem Zustand der 
im $ 827 bezeichneten Art oder von einem Kinde 
vorgenommen ist. Solange der Geschädigte diesen 
Umstand noch nicht kennt, läßt sich nicht sagen, 
daß er von der Person des nach $ 829 „Ersatz- 
pflichtieen” Kenntnis erlangt hat, und erst von dem 
Zeitpunkt dieser Kenntnis — und der Kenntnis des 
Schadens — an läuft die dreijährige Verjährung 


-diese Feststellungen einwandfrei getroffen, so ef 


des sorgfältig und gründlich aufgenommenen Beiutf 


‚chung unter Billigung des RG. einerseits nicht nel 


INr. n - 


(§ 852). (C. w. G., Urteil des Reichsgerichts vom | 
9, Dez. 1918, 252/18 VI.) f! 


Jurist. Wochenschr. 


§ 1333 BGB. 


Die angefochtene Entscheidung hat ihre Grund : 
lagen in den drei Feststellungen, daß die Beklagte 
an schwerer Hysterie leidet, die schon bestandenf‘ 
hat als sie die Ehe einging, daß der Kläger das daf 
mals nicht gewußt, vielmehr erst durch das Guf’ 
achten des Dr. Q. erfahren hat, und daß er, wen 
er es gewußt hätte, die Ehe nicht geschlossen habent 
würde, dadurch zugleich eine verständige Würd 
gung des Wesens der Ehe an den Tag legend, Sinif 


1919 S, 185 f 


scheint im übrigen die Rechtsanwendung zutreif ; 
fend. Die erste Feststellung beruht auf dem ärzte 
lichen Gutachten, das zu der Frage ergangen ist i 
inwiefern. die Beklagte für ihr Handeln und Wesa 
die volle Verantwortung trifft, und das an der Hanif 


des zu demErgebnis gelangt, daß die Frau nicht etw 
nur an Nervosität im landläufigen Sinne des Work 
tes leide, daß vielmehr eine ausgesprochene Fystef 
rie vorliege, ein klar umschriebener Krankheitszi 3 
stand, der an der Grenze der geistigen Erkrankum J 
stehe, der eine besondere Abartung der geistigeif 
Persönlichkeit darstelle und zeitweise sich steigeref? 
zu wirklichen, wenn auch vorübergehenden Tu 
ständen von Geistesstörung und Bewußtlosigkeiß i 
Alle Dinge — so heißt es an einer anderen Stelle 
des Gutachtens — isoliert betrachtet, erscheindf 
als Charakterfehler: sie sind es aber nicht in eitf 
fach normalem Sinne, nachdem bei Frau S. ein 
der Nachweis der Hysterie in einer ganzen Reiltf p 
klarer Erscheinungen geführt worden ist, und we 
ter: es dürfte zutreffen, daß Frau S. durch ihre 
Natur gewissenmaßen zwangesmäßig zu Konflikteif 
mit der Umwelt gedrängt wird. Zu der Frage, df 
die Krankheit heilbar sei, hat Dr. G. erklärt, ei 
zelne Erscheinungsformen der Krankheit kön 
vorübergehend beseitigt werden, aber die hyster 
sche Konstitution selbst bleibe, und in soweit sei dief 
Krankheit als nicht heilbar zu bezeichnen. Gege 
diese Feststellung des Vorderrichters hat die Ref 
vision Angriffe nicht gerichtet. Es ist auch nicht 
gegen sie einzuwenden. Wenn die Rechtspi&] 


Geisteskrankheit, sondern unter bestimmten Vorf 
aussetzungen auch schon die. Anlage zu einer sof 
chen, andererseits schwere Charakterfehler als P47 
sönliche Eigenschaft im Sinne. des § 1333 BGB. 47 
erkannt hat (Warn. 1908 Nr. 323, 1912 Nr. 3% 
wenn ferner Epilepsie die Anfechtung der Ehe: unt 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


25 


1921] 


"Umständen begründen kann (Urt. d. RG. v. 26. Mai 
"1913, IV 46/13), so wird das gleiche auch von der 
Hysterie in der hier vorliegenden Gestalt ohne wei- 
“teres anzunehmen sein, von der der Sachverstän- 
"dige sagt, daß sie an der Grenze der geistigen Er- 
"krankung stehe und danach angetan sei, die ganze 
"Persönlichkeit der Erkrankten zu wandeln, was 
“denn auch bereits im Urt. v. 26. Jan. 1910 der. IV. 
"Senat (IV. 180/09) angenommen hat. Unanfecht- 
"bar ist weiter die Feststellung, daß dem Kläger 
diese Eigenschaft seiner Ehefrau erst durch das 
"Gutachten Q.s in dem Sinne bekannt geworden sei, 
p wie das Gesetz es erfordere, um den Lauf der An- 
i das beanstandet, geht hierbei schon von einer un- 
„richtigen Voraussetzung aus, wenn sie ausführt, 
Es komme nicht darauf an, ob der Kläger den 
Gr und der Krankheitserscheinungen oder gar 
die wissenschaftliiche Bezeichnung für sie er- 
3 cannt und gekannt habe; nicht dieser Grund, son- 
‚dern die Erscheinungen der Krankheit, der 

T Hang zur Verlogenheit, zu Streit und Zank seien 
l die persönlichen Eigenschaften, und diese habe der 
“Kläger gekannt, als er die Ehe geschlossen habe; 
es könne im Sinne des $ 1333 BGB. keinen Unter- 
schied machen, ob es sich dabei um angeborene 
T Charakterfehler, um Ausflüsse eines Nervenleidens 
oder um Erscheinungsfiormen von Hysterie handle. 
"Gerade das ist abzulehnen. Es mag Krankheiten 


"schaft sich in den störenden Symptomen erschöpft. 
Yon der ausgesprochenen Hysterie läßt sich das 
Ssicherlich nicht sagen. Schon für die — auch für 
“das innere Verhältnis der Gatten zueinander be- 
" deutsame — sittliche Bewertung des Menschen ist 
“der Unterschied gegenüber angeborenen Charak- 
-terfehlern und Nervenschwäche erheblich. Dazu 


| Fee 
| M i 

$ — Reichsverband. Gelegentlich der Pressenach- 
"richten, daß ein Irrenfürsorgegesetz fast völlig fertig- 


© gestellt sei, hat der gefichäftsführende Vorstand des 


f zur Beratung hinzugezogen würden, bevor der Entwuri 
fan die Volksvertretung zur Beschlußfassung (gelange; 
“zum mindesten aber müsse der Entwurf den Stande“ 
vereinen zwecks vorheriger Stellungnahme zugäng.ich 
- gemacht werden. 

; Auf dieses Ersuchen ging folgende Antwort ein: 
"An den Reichsverband beamteter deutscher Irrenärzte. 
{ Die Vorarbeiten für das Irrenfürsorgegesetz sind 


 fechtungsfr ist in Gang zu setzen. Die Revision, die- 


" Reichsverbandes beim Reichsminister des Inneren den. 
- Anspruch eshoben, daß Vertreter des Reichsverbande: 


kommt der praktische Gesichtspunkt, daß die inne- 
ren und äußeren Motive gegen das Unerlaubte und 
Schlechte in gesunden Menschen ganz anders wir- 
ken, wie im hysterischen, wie denn schließlich auch 
die Zwangsmittel des Rechts daran zu versagen 
drohen, daß die Verantwortlichkeit des Kranken 
für sein Tun in Frage gestellt erscheint. Unbe- 
eründet ist des ferneren aber auch die Behauptung 
der Revision, daß gerade die Vorkommnisse, auf 
welche der Sachverständige Gewicht lege, in die 
Zeit vor Eingehung der Ehe fielen... .. Die Frage 
endlich, ob der Kläger die Ehe auch dann geschlos- 
sen haben würde, wenn er gewußt hätte, daß das 
Wesen und Betragen der Frau auf Erkrankung an 
Hysterie zurückzuführen sei, ist eine jener Fragen, 
welche auf Grund des gesamten, ihm unmittelbar 
vorgeführten Prozeßstofies der Instanzrichter nach 
freiem Ermessen zu entscheiden hat. Hat er sich 
-entschieden, ohne daß dabei eine rechtsirrtümliche 
Auffassung des § 1333 BGB. in die Erscheinung tritt, 
so kann es der Revision nichts nützen, daß sie von 
neuem alle die Momente zusammenträgt und in das 
helle Licht stellt, die zu der gegenteiligen Entschei- 
dung drängen könnten. Dem Beweisantrag gegen- 
‚über, einen Sachverständigen darüber zu hören, ob 
der Kläger das Krankheitsbild der Beklagten schon 
vor der Eheschließung gekannt und als Hysterie er- 
kannt habe, hatte der Vorderrichter prozeßrecht- 
lich freie Hand. Schließlich ist auch angesichts 
der nicht zu beanstandenden Feststellung, daß der 
Kläger erst durch O.s Gutachten über die Krank- 
heit seiner Frau in der erforderlichen Weise aufge- 
klärt worden ist, die Rüge der Verletzung des 
81339 BGB. gegenstandslos. (S. w. S., Urteil des 
Reichsgerichts vom 10. Juni 1918, 68/18 VI.) 
Jurist. Wochenschr. 1919 S. 686. 
(Fortsetzung folgt.) 


tteilungegen. 


noch nicht zum Abschluß gelangt, da es sich insbeson- 
dere als (dringend erwünscht erwiesen hat, auch über 
die ausländiniche Gesetzgebung auf dem Gebiete des 
Irrenwesens unterrichtet zu sein. Das dieserhalb von 
(den ausländischen Staaten ıerbetene Material ist noch 
nicht vollständig. eingegangen; ‚soweit es vorliegt, wird 


es gegenwärtig im Reichs-Gesundheitsamt durchge- 
arbeitet. | Rn 
Es wird meinerseits mit Dank begrüßt, daß der 


Reichsverband beamteter deutscher Irrenärzte seine 
Mitarbeit bei dem Gesetzentwurf zur Verfügung stelt. 
Auch ich halte eine Beteiligung der psychiatrischen 
Wissenschaft bei den Vorberatungen des Gesetzent- 


26 =  PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT (Nr. A 


wuris für erwünscht und darf mir vorbehalten, die be- - Buchbesprechungen. 
rufenen Vertreter der fachärztlichen Wissenschaft zu -` 
einer mündlichen Besprechung des Gesetzentwuris ein- 
zuladen, sobald die diesbezüglichen Vorbereitungen 
genügend fortgeschritten sind. 

Der -Reichsminister des Innern 

Im Auftrage: gez. Baumann. 

1. A Dr Huss;els. 


— Kühne, Otto: Über die ursächlichen Bezieh 
gen zwischen progressiver Paralyse und Unfällen. na 
gural-Dissertation. Leipzig 1919. | 

Unter sorgfältiger Berücksichtigung der zahlreiche 
einschlägigen Literatur kommt K. zu dem Ergebnis, i 
exogene Schädlichkeiten die Disposition zur Paral 
ersetzen können und daß ein Unfall zu ienen gehör 

— Verein der Irrenärzte Niedersachsens und West- die zeitlichen Verhältnisse zwischen Trauma und Pang 
falens. 53. Versammlung am 7. Mai 1921, nachm. 2 Uhr, yse spielen nach ihm keine wesentliche Roli | 
in Hannover, Lavesstr. 26 part. betrifft der Unfall nicht das Gehirn, so ist er nuri 

Tagesordnung: 1. Bunnemann, Ballen- zufällig auftretendes Ereignis anzusehen. 
stedt: Über die Psychogenese gewisser körperlicher Kürbitz, Se 


Krankheitserscheinungen. 2. Richard, Göttingen: 
Fragestellung aus der klinischen Systematik 3 
i es 5 EZ / Personalnachrichten. 
Fischer, Göttingen: Pathologisch-anatomische Be- 
funde bei Geisteskranken. 4. Grütter, Langenhagen: — Lüneburg. Oberarzt Dr. Stüber von der Hd 


Über Encephalitis epidemica (mit Demonstrationen). und Pflegeanstalt Lüneburg ist in gleicher Eigenschdf 
5. Günther, Göttingen: Amyotrophische Lateralskle- am 21. Januar 1921 an die Anstalt in Hildesheim verset 

j ; 2 sr . . .. | 
rose und Unfall. 6. Rehm, Elen: Kolloide in den Kör- 


perilüssigkeiten Geistes- und Nervenkranker. 7. Bre- Dieser Nummer liegt ein Prospekt der Firma 
mer, Göttingen: Arbeitsversuche in der Neurologie. C. H. Boehringer Sohn, Chemische Fabrik, 
8$. Willige, Hannover-Iten: Über Wilsonsche Krank- in Nieder-Ingelheim a. Rh. | 
heit (mit . Demonstrationen). | 


über das bewährte Opium-Präparat „Laudanon-Ingef 


Der Vorsitzende: Snell, Lüneburg. heim“ bei. 
Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l14tägig in Doppelnummern. 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 


Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S 


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3 Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


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Geh. San.-Rat Prof. Dr. K. Ait Uchtspringe (Altmark), 
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Prof. Dr. Friedländer, 


Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 
Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med- 
Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. 
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3 - Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Proi. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 


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scheint bis auf weiteres vier- 
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Inhalt: 


KS. DI, Gegenwärtiger Stand der Familienpilege. 


Zum. psychiatrischen Bauwesen. 


komplizierter als in anderen medizinischen 
Diszipli inen. Wenn es sich dort nur darum handelt, 
daß die Baueinrichtungen an die allgemeinen Grund- 
Sätze der Hygiene sowie die besonderen therapeu- 
tischen Forderungen der medizinischen Disziplin 
angepaßt werden, handelt es sich in dem psychiatri- 
chen Bauwesen außerdem noch um andere und 
dabei schwierig zu vereinbarende Momente; 1. um 
‚das Bestreben zur Verminderung der Gefahr für 
die Umgebung seitens der aggressiven Kranken 
Sowie der Suizid- und Fluchtversuche der Kranken, 
=. um das Bestreben, daß sich die psychiatrischen 
A nstalten so wenig wie möglich von den gewöhn- 
lichen Baueinrichtungen für Normale unterschei- 
den und dadurch ihren abschreckenden Stempel 
verlieren, endlich 3. das psychiatrische Anstalts- 


Vocke, Eglfing b. München. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. 


Schriftleiter: 
E Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler. Kreuzburg Oache. 


7. Mai. 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Teleer.-Adr.: 
Postscheck: Leipzig 32070. 


Von*Dr. med. et phil. 
liche Entscheidungen und Verfügungen auf dem Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. Fortsetzung. 
(S. 31.) — Mitteilungen. 


T) as Anstaltsbauwesen ist in der Psychiatrie viel 


Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt. Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


W. Wey gangt Hamburg. 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
li mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. Bei | 
größeren Aufträgen wird Nach- 
’ laß gewährt. 


Marhold Verlag Hallesaale 


P. Pregowski. (S. 27.) — Wichtige gericht- 


(S. 36.) — Buchbesprechungen. (S. 37.) 


| Zum psychiatrischen Bauwesen. 
f "Nach einem am 22. Juni 1918 in der 'Neurol.-Psychiatr. Sektion der Warschauer med. Gesellschaft 
| gehaltenen Vortrage. 


Von Dr. med. et phil. P. Prezo wski, Oberarzt am psychiatrischen Krankenhause St. Johannes 
i | in Warschau. 


wesen wird gewissermaßen noch dadurch kompli- 


. ziert, daß die moderne, vor allem der Kraepe- 


linschen Schule. verdankte, rege Reformbewegung 
in der Psychiatrie mit sich bringt, daß es in dieser 
medizinischen ‚Disziplin, ihre Therapie und ihr 
Krankenhauswesen nicht ausgenommen, nicht viele 
allgemein anerkannten und festgesetzten stabilen 
Grundsätze und Postulate gibt. 

Ich. füge hierbei einige Bemerkungen und Vor- 
schläge bei, welche, wie ich glaube, einer besseren 
Lösung des Problems des psychiatrischen Bau- 
wesens dienen können. 

* X * 


\ 


In den Öffentlichen psychiatrischen Anstalten 


` unterscheiden wir gewöhnlich folgende Abteilun- 


gen: 1. eine oder zwei Abteilungen für Pensionäre, 


28 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


2. allgemeine Abteilungen für Unruhige sowie 
manchmal auch Abteilungen für sog. Halbruhige, 
3. allgemeine Infirmerieabteilungen, 4, allgemeine 
Abteilungen für Ruhige obwohl auch oft akute 
Kranke, endlich 5. kommen dazu noch die in den 
psychiatrischen Anstalten oft differenzierten Abtei- 
lungen, Fermen  (Arbeitskolonien, offene Land- 
häuser), Abteilungen für Rekonvaleszenten sowie 
sog. Aufnahme- und Wachabteilungen. 


In den Abteilungen für Pensionäre befinden sich 


Kranke mit allerlei psychotischen Zuständen. Diese 
Abteilungen sind so eingerichtet, daß die Behand- 
lung, Pflege, sowie Beobachtung der Kranken in 
ihren allen Krankheitszuständen ermöglicht und die 
Kranken nicht gezwungen werden, bei den in ihren 
krankhaften Zuständen auftretenden Veränderun- 
sen in eine andere Abteilung überzuzehen. Der 
in der Abteilung für Pensionäre ordinierende Arzt 


hat in der Regel mit den Kranken während der: 


ganzen Entwicklung ihres Leidens und aller in dem- 
selben auftretenden krankhaften Zustände zu tun. 
Das gibt einen Vorteil sowohl dem Arzte, welcher 


ununterbrochen beobachten und deswegen eine 


bessere Kenntnis der Kranken und der Krankheiten 
gewinnen kann, wie'auch dem Kranken, dessen Be- 
handlung und Pflege um so bessere Resultate geben 
können, je besser sein Zustand erkannt wird. End- 
lich gewinnt dabei auch die Wissenschaft, wenn der 
Arzt wissenschaftlich tätig ist. 

Anders seht es in den meisten allgemeinen Ab- 
teilungen. Hier muß der Kranke bei dem Wechsel 
seiner krankhaften Zustände aus einer Abteilung in 
eine andere, d. h. unter das andere Pflegepersonal, 
andere Verhältnisse, oft andere Art und Weise des 
Verkehrs mit den Kranken, nicht selten sogar an- 
dere therapeutische Prinzipe übergehen. Es 
braucht nicht besonders betont zu werden, daß 
dabei sowohl die Kranken wie auch die Vervoll- 
kommnung des ärztlichen Wissens und das Beför- 
dern der wissenschaftlichen aken in der Ab- 
teilung viel verlieren. 


Die schon oben erwähnte Differenzierung der 


allgemeinen Abteilungen in den psychiatrischen 
Anstalten entstand vor allem einerseits auf Grund 
der an sich richtigen Idee, daß ein anderer krank- 
hafter Zustand auch. eine andere Behandlung ver- 
langt, anderseits. auf Grund der kasernenartigen 
Einrichtung der psychiatrischen Anstalten sowie 
des Schablonenhaften in der Behandlung der Kran- 
ken, welches bis zur letzten Zeit stattfand: das 
Nichtanwenden der Mittel und Maßnahmen, welche 
uns jetzt zu Gebote stehen, begünstigte eine grö- 
Bere Intensität sowie längere Dauer sowohl der 
akuten,vor allem der Erregungszustände der Geistes- 


liche Kranke anders behandelt werden soll, zeigt” | 
sich meiner Ansicht nach auch z. B. in der Bestre- 


zu einer völlig neuen Umgebung übergehen, mif 


4 


[Nr. séf 


kranken wie auch ihrer somatischen Leiden nti 
meren Charakters. 

Der die Zahl der erregten und infirmeren Kral 
ken vermindernde Fortschritt in der psychiatri- 
schen Therapie sowie das Bestreben mit dem 
Schablon in der psychiatrischen Pflege und derf 
kasernenartigen Einrichtung der Anstalten zu bredi 
chen, tragen dazu bei, daß das Auseinanderlegen 
der ganzen Abteilungen für Unruhige, Infirmeref 
Ruhige immer weniger Grund hat. Die erwähntef 
richtige Idee, daß ein anderer krankhafter Be 
auch eine andere Behandlung verlangt, führt nicht 
notwendig dazu, daß die Kranken bei der eintref 
tenden Veränderung in ihren Zuständen auch dief 
Abteilung wechseln und in eine andere Abteilung) 
unter einen anderen Arzt und andere Verhältnisse 
übergehen müssen. Der Kranke, welcher z. BE 
in einen Erregungszustand geriet oder bei welchem 

. B. ein Decubitus entstand, kann ebensogut enti 
na: Behandlung von demselben Arzt, voii 
welchem er bisher gepflegt wurde, sowie. in der- 
selben, entsprechend eingerichteten Abteilung bef 
kommen so, wie es stets in den Abteilungen für| 
Pensionäre geschieht. | 

Die falsche Anwendung des richtigen Prinzips 
daß der in einem anderen Zustande sich befind 


bung, besondere Abteilungen für genesene psy- 
chisch Kranke einzurichten. Die Rekonvaleszentelf 
können entsprechend veränderte Verhältnisse so 
wie Behandlung in derselben Abteilung, in welcher 
sie bisher gewesen sind, finden, ohne den KontaktE 
mit dem ärztlichen Personal, an welches sie sich 
gewöhnt haben, zu verlieren und ohne, dab sief 


welcher sie erst die zahlreichen Fäden anknüpid 
müssen, mit denen der Mensch mit der Umgebutf 
verbunden ist. Vielleicht bildet Ausnahme eilt 
Gruppe von akuten Kranken, für welche dies] 
Übergehen zu einer ganz anderen Umgebung 
gleich nach dem Verschwinden der Störung, voii 
Bedeutung ist; aber auch dann braucht nicht arf 
ordinierende Arzt gewechselt zu werden. 

Das Auseinanderlegen der Abteilungen gemälf 
den Krankheitszuständen der Geisteskranken istf 
meiner Ansicht nach, nur inbezug auf Abteilung 
für arbeitsfähige Chroniker (Abteilungen — Fef 
men, Arbeitskolonien, offene Landhäuser) richtist 
es handelt sich hier um die jahrelang dauernde ; 
gewöhnlich unveränderten, weder Behandluisi | 
noch spezielle Pflege und Beobachtung beanspllf 
chenden Zustände; solche Kranke können oft sogal 
außerhalb der allgemeinen Irrenanstalten bleibelk 


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= Vielleicht können auch-noch die sog. Bewahrungs- 
4 abteilungen (Bewahrungshäuser) in eroßen Anstal- 
‚ten hierher gerechnet werden, angesichts der spe- 
a ziellen sich auf dieselben beziehenden Umstände.‘) 
- Die Einteilung der psychiatrischen Anstalten in 
f Abteilungen auf Grund der verschiedenen Krank- 
 heitszustände, in welchen sich die Geisteskranken 
befinden können, wird übrigens nicht völlig durch- 
“geführt. Es gibt doch z. B. keine besonderen Ab- 
q teilungen für Depressive, für Stuporöse, für De- 
T mente usw. Die gegen die Einrichtung der ganzen 
= Abteilungen für Unruhige, Infirmere usw. angeführ- 
M ten Argumente- sprechen offenbar um so mehr ge- 
= gen eine solche weitere, den Krankheitszuständen 
k angepaßte Einteilung der psychiatrischen Anstalten. 
T Man könnte auch die psychiatrischen Anstalten 
i aui Grund nicht der verschiedenen Krankheitszu- 


4 F heitseinheiten) acidi Aui disei Prinzip ent- 
© stehen auch z. B. Anstalten für Epileptiker, werden 
"die Anstalten für Alkoholiker postuliert. So kön- 
"nen besondere Abteilungen für Kranke mit Para- 
d lysis progressiva, mit Dementia praecox, für Ma- 
1 nisch-Depressive, Senile usw. eingerichtet werden. 
Bei einer solchen Einteilung, würden zwar die- 
M jenigen üblen Seiten des jetzigen Zustandes be- 
S seitigt sein, welche auf das Übergehen der Kran- 
T ken aus einer Abteilung auf die andere beruhen. 
4 Es würde aber andere bedeutende üble Fol- 
" - gen haben. Wenn z. B. eine Abteilung nur für 
í Paralytiker, eine andere nur für Kranke mit Demen- 
T tia praecox usw. bestimmt wären, so würden die 
die Abteilungen leitenden Ärzte zwar die Gelegen- 
" heit einer genaueren Kenntnis einer Psychose ha- 
i ben, aber es würde dabei die. Gesamtheit ihrer 
a psychiatrischen Kenntnisse. bedeutend leiden. Es 


E Wi rick en ‘Dasi Bewahrungshäus, Gaei -neurol. 
i o ciensohr. Jahrg. X Nr. 37. r 


$ 


8.1333 BGB. 
"Die im zweiten Rechtszuge an Stelle der ur- 


© Nichtigkeit der Ehe ist vom BG. ausgesprochen. 
| ‚Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Re- 
I vision hatte Erfolg. Aus den Gründen: Zwar stellt 
| das BG. auf Grund des Gutachtens fest, daß die 
í Beklagte schon bei Eingehung der Ehe mindestens 
A mit einer Anlage zur Geisteskrankheit behaftet war, 


© sprünglich erhobenen Scheidungsklage begehrte 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT a. 


ist doch schon für die Differential-Diagnose eines 
Falles z. B. von Paralysis progressiva oder Demen- 
tia praecox wichtig, genaue Kenntnis anderer mit 
ähnlichen Symptomen oder Zuständen verlaufender 
Psychosen zu haben. — Für die wissenschaftliche 
Tätigkeit in den Abteilungen würde eine solche 


Einteilung der Abteilung von großem Nachteil sein, 


sogar, wenn die Abteilungsärzte von Zeit zu Zeit 
ihre Abteilungen wechselten. Wenn sich der Ab- 
teilungsarzt mit Symptomen, Zuständen, Behand- 
lungsmethoden usw. beschäftigte, welche sich auf 
verschiedene Psychosen beziehen, oder wenn. er 
in einem Zeitraume Ideen oder das theoretische 
Interesse inbezuz auf die Psychosen hätte, welche 
in seiner Abteilung nicht repräsentiert werden, so 
würde er nicht imstande sein, solche Untersuchun- 
gen zu führen. | 

Die Einteilung der Anstalten in die Abteilungen 
nach verschiedenen Psychosen, welche für die so- 
wohl praktische wie theoretische Tätigkeit der Ab- 


teilungsärzte von großen Nachteilen wäre, würde 


für die Kranken: selbst unmittelbar keine Bedeu- 
tung haben, außerdem, daß sie nicht gezwungen 
sein würden, wie es heute geschieht, beim Wech- 
sel ihrer Krankheitszustände die Abteilung zu wech- 
seln. Nur die Einrichtung besonderer Abteilungen 
für chronische Alkoholiker und Epileptiker ist ge- 
wissermaßen berechtigt: für erstere, welche eigent- 
lich nicht Irre sind, ist eigentlich kein Platz unter 
den Geisteskranken; die anderen, besonders wenn 
sie keine Dämmerzustände haben, können mit gro- 
Bem Vorteile aus gewöhnlichen psychiatrischen Ab- 
teilungen eliminiert werden, sowohl angesichts 
ihrer qualitativ von der Norm nur wenig abwei- 
chenden intellektuellen Sphäre wie auch; angesichts 
ihrer auf andere Kranke schlecht einwirkenden 
Krampianfälle. 
(Fortsetzung folgt.) 


Wichtige gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen auf dem 
Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. 
(Fortsetzung.) 


XVI. Folge. 


die nach der gewöhnlichen Entwicklung der Dinge 
zur Geisteskrankheit führen mußte. Es ist auch 


rechtlich nicht zu bezweifeln, daß auch eine Krank- 


heitsanlage eine solche persönliche Eigenschaft 
eines Ehegatten darstellen kann, die i. S. des $ 1333 
BGB. zur Anfechtung der Ehe zureicht. Aber ob 


eine bloße Krankheitsanlage wirklich als Anfech- 


tungsgrund bewertet werden kann, hängt stets von 
den näher darzulegenden tatsächlichen Verhältnis- 


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sen ab. Denn nicht jedwede Geistesanlage, die in 
der ärztlichen Wissenschaft nach pathologischen 
Begriffen als anormaler, sogar krankhafter Zustand 
bezeichnet wird, darf kritiklos ohne weiteres auch 
als Grund zur Anfechtung einer Ehe zugelassen 
werden. Rechtlich kommt es in dieser Beziehung 
"wesentlich auf die besondere Eigenart der Geistes- 
anlage und auf die Art und Schwere ihrer späteren 
Entwicklung an, namentlich auch darauf, ob ein sol- 
cher ärztlich als krankhaft erklärter Geisteszustand 
an sich sowohl wie in seiner Erscheinungsweise 
tatsächlich nach der Lebensauffassung und der all- 
gemeinen Erfahrung überhaupt und von vornherein 
mit dem Wesen der Ehe unverträglich erscheint. 
Nach dieser Richtung hat aber das BG., das sich 
lediglich auf eine allgemeine Feststellung einer nicht 
näher erörterten krankhaften Geistesanlage der 
Beklagten beschränkt hat, es an jeder weiteren 
Darlegung fehlen lassen. (U. w. N., Urteil des 
Reichsgerichts vom 5. Febr. 1920, 390/19 VI.) 

Jurist. Wochenschr. 1920 S. 555. (In der Kritik 
dazu in der Jurist. Wochenschr. wird die Außer- 
achtlassung wahrscheinlicher Folgen hinsichtlich 
erblicher Belastung für die Nachkommen 
bemängelt.) 


Ş 1446, 1519, 1909, 1915 BGB. 


Der zwischen dem Käufer und dem Ehemann M. 
über die Kaufpreisforderung angeblich geschlossene 
Erlaßvertrag würde aus güterrechtlichen Gründen 
nichtig sein. Gehörte die Kaufpreisforderung zum 
(jesamtgut der Errungenschaftsgemeinschaft und 
stand die Ehefrau M. unter Vormundschaft, so war 
ihre nach §§ 1446, 1519 BGB. unentbehrliche Ein- 
willigung überhaupt nicht, auch nicht durch einen 
Pfleger zu beschaffen. Wenn nach $ 1804 BGB. der 
Vormund nicht in Vertretung des Mündels Schen- 
kungen machen kann, so bezieht sich das auch auf 
die Einwilligung der Frau in eine Schenkung aus 
dem Gesamtgut. Da das Gesamtgut gemeinschaft- 
liches Vermögen beider Ehegatten ist, stellt sich die 
Einwilligung selber als Schenkung dar. Sie kann 
daher durch einen Vormund, mithin auch ‘durch 
einen Pfleger (S$ 1919, 1915 BGB.) nicht erklärt 
werden. Sieht man von Pflicht- und Anstands- 
schenkungen ab (vgl. $ 1446 Abs. 2), so ist der Ehe- 
mann einer entmündigten Frau schlechthin verhin- 
dert, Schenkungen aus dem Gesamtgut vorzuneh- 
men. (M. w. M., Urteil des Reichsgerichts vom 
2. Nov. 1917, 168/17 Il.) 

Jurist. Wochenschr. 1918 S. 39. 


§ -1569 BGB. 
Das Landgericht hat in dem Rechtsstreit über 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‘ Di 


INr. 56 


die auf $ 1569 BGB. gestützte Ehescheidungsklage 
beschlossen, einen Sachverständigen über den Gej- 
steszustand des beklagten Ehemannes zu verneh- 
men, nachdem dieser dem Sachverständigen zur 
Untersuchung zugeführt worden sei. „Zu ie 
Zweck — heißt es in dem Beschluß — wird die 
Vorführung des Beklagten zum Ver nehmun gsi 


angeordnet.” Um Ausführung des Beschlusses hat 
das LG. das im Bezirk des LG. liegende AG, 
ersucht. Das Amtsgericht hat die Erledigung des’ 


Ersuchens abgelehnt, weil es darin die Vornahme 
einer gesetzlich unzulässigen Handlung erblickt. 
Das nach $ 160 GVG. von der Klägerin zur Ent 
scheidung angerufene Oberlandesgericht hat durch 
Beschluß vom 17. Dezember 1917 die Ablehnung Fi 
des Ersuchens für gerechtfertigt erachtet mit der l 
Begründung, daß das persönliche Erscheinen der Feim 
Parteien im Ehescheidungsprozeß, von den Zwek- 
ken der Sühne abgesehen, nur gemäß 619 ZPO. 
angeordnet werden könne, dab aber die Vorausset- 
zungen dieser Gesetzesbestimmung nicht gegeben® 
seien. Die hiergegen gerichtete, nach $ 160 GVG. Fr 
zulässige Beschwerde kann keinen Erfolg haben. f 
Nach dem Inhalt des von dem Landgericht an ds $ 
Amtsgericht gerichteten Ersuchens sollte die Vor- 
führung des Beklagten lediglich zu dem Zwecke 
seiner Untersuchung und Vernehmung durch deni 
Sachverständigen erfolgen, um damit dessen Ver- 
nehmung über den Geisteszustand ‚vorzubereiten $1 
Ein solches Verlangen kann auf $ 619 ZPO. nicht $f úi 
gestützt werden. Nach $ 619 Abs. 1 kann das Ge- $% 
richt das persönliche Erscheinen einer Partei an- g% 
ordnen und dieselbe über die von ihr, von dem EX 
Gegner oder von der Staatsanwaltschaft behaup- Pk 
teten Tatsachen vernehmen. Nach Abs. 2 der Be- 
stimmung kann die Vernehmuneg der Partei 
unter den dort angegebenen Voraussetzungen einem 
ersuchten oder beauftragten Richter übertragen 
werden. Endlich kann nach Abs. 3 das persönliche sen 
Erscheinen der Partei nach näherer Maßgabe‘ der [lit 
SS 380 ff. ZPO. erzwungen werden. Aus dem kA El 
Wortlaut des Abs. 1 folgt, wie das OLG. zutrefiind gi 
ausführt, daß die hier dem Gericht eingeräum:e Be- FM 
fugnis zur förmlichen Vernehmung der rartei sich Į! 
nur in den Grenzen bestimmter, von den Prozeb- | al 
beteiligten aufgestellten Behauptungen bewegen pi 
darf. Ob nach $ 619 Abs. 1, 2, 3 das persönliche? AR 
Erscheinen der Partei auch zu anderen Zwecken Bit 
angeordnet und erzwungen werden kann, ob dies? wd 
insbesondere — wie die Beschwerde geltend macht? t 
— geschehen kann, um durch Beobachtung und Ver P s 
nehmung der Partei Beweismaterial für die Be- 
urteilung ihres Geisteszustandes zu 
eventuell unter Zuhilfenahme eines Sachverständ- 


gewinnen, $ 


1921] 


l gen, bedarf hier keiner Erörterung. Denn wenn 
Fauch eine so weitgehende Befugnis zur Aufklärung 
Ides Sachverhältnisses dm erkennenden Ge- 
"richt, namentlich im Hinblick auf die Natur und das 
Wesen des Ehescheidungsprozesses, zuzusprechen 
I wäre, so würde daraus doch noch nicht folgen, daß 
ka uch dem ersuchten oder beauftragten Richter eine 
solche Befugnis zustände oder ihm. vom erkennen- 
den Gericht übertragen werden könnte. Aus dem 
"Grundsatz, daß die mündliche Verhandlung und die 
hierzu erforderliche Aufklärung des Sachverhält- 
linisses vor dem erkennenden Gericht stattzufinden 
ihat, folgt vielmehr, daß eine solche Übertragung nur 
lin den vom Gesetz ausdrücklich zugelassenen Fällen 
i statthaît ist... Vorliegend geht aber aus der dem Ab- 
satz 1 des § 619 nachfolgenden ausdrücklichen Be- 
[stimmung des Absatzes 2 We dug her vor, 


zu verneinen. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 31 


den darf. Das hier in Frage kommende Ersuchen 
ist aber nicht nur nicht auf eine Vernehmung der 
Partei in diesen Grenzen, sondern überhaupt nicht 
auf eine richterliche Vernehmung der Partei selbst 
gerichtet. Es kann sich demnach nur noch fragen, 
ob das Recht und die Pflicht des ersuchten Rich- 
ters, dem Verlangen, das persönliche ‚Erscheinen 
der Partei zu erzwingen, stattzugeben, aus sonsti- 
gen Bestimmungen des Prozeß- oder bürgerlichen 
Rechtsabgeleitetwerdenkann. Auch diese Frageist 
Wie das RG. wiederholt anerkannt 
hat, kann eine Prozeßpartei, insbesondere auch 
nicht nach den Vorschriften der $S 144, 375, 402, 
371 ff. ZPO. gezwungen werden, ihre Person selbst 
als Gegenstand einer Beweisaufnahme zu Gebote 
zu stellen. Die Ausnahmevorschrift des $ 654 ZPO. 
ist einer analogen Anwendung nicht zugänglich. 
L. w. L., Beschluß vom 7. Febr. 1918, 1/18 IV B.) 


nd enobengenannten iG renzen einem er- Jurist. Wochenschr. 1918 S. 434. 
oder beauftragten Richter übertragen wer- (Fortsetzung folgt.) 
È Gegenwärtiger Stand der Familienpflege. 


JB en Herren Einsendern der nachfolgenden Mit- 
4 teilungen wird an dieser Stelle bestens ge- 
dankt. 

r Einige nl Bemerkungen seien gestattet. 
N ne Re Geisteskranke, die nicht mehr 


i N nicht ve darf. 

Daß eine gesetzliche Verpflichtung zur Einfüh- 
fung und Weiterführung der Familienpflege nicht 
vorliegt, kann nicht in Betracht kommen. 

‚ Finanzielle Rücksichte dürfen nicht ausschlag- 
igebend sein. | | 
E Es läßt sich sogar der Fall denken, wo Anstalts- 
Dilege nicht mehr nötig und zulässig, Unterbringung 
> der Heimat unmöglich ist, der an LO von 


Q der sialtspflege Dann müßte die eat. 
|meinde zur Iragung des Mehrs der Kosten heran- 
{gezogen werden dürfen. 

Verlust von Arbeitskraft, die etwa der Anstalt 


mit Herausgabe. eines arbeitsfähigen und -willigen 
Pfleglings in eine Familie, also in die Freiheit, 
entsteht, darf von der Herausgabe nicht abhalten. 
Dem finanziellen Gesichtspunkt muß dann bei Fest- 
setzung der Pflegekosten Rechnung getragen 
werden. . Ersparnis im ganzen wird sich immer 
erzielen lassen, besonders wenn Unterbringung der 
Pfleglinge bei kleinen Landwirten geschieht. 


Februar 1921. | Bresler. 


Die Familienpfilege in Bremen. 


Nachdem die neue Anstalt in Ellen 1904 eröffnet 
war, übernahm sie im Jahre 1905 auch die schon 
seit über 100 Jahren in dem Ellener Gebiet beste- 
hende Familienpflege, Infolgedessen stieg der Be- 
stand schon nach einem Jahre von etwa 90 bis 100 
auf 150 bis 160 und hielt sich auf dieser Höhe bis 
zum. Jahre 1915, stieg die folgenden vier Jahre auf 
170, um dann von 1919 auf 1920 auf 83 zu sinken. 
Die Frequenz auf der rasch erreichten Höhe zu 
halten, gelang zum Teil deshalb ziemlich leicht, weil 
verschiedene industrielle Gebiete der Stadt der An- 
stalt näher gerückt waren und in dem in Betracht 
kommenden Gebiete sich mehr Arbeiter ohne grö- 
Beren Landbesitz ansiedelten. Dadurch bekamen 
wir mehr und in gewisser Beziehung 
bessere Quartiere. Gerade in diesen neuen Quar- 


tieren aber wurde es mit den sehr schwierigen Er- 


32 _PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE. WOCHENSCHRIFT 


nährungsverhältnissen im Jahre 1920 sehr schwer, 
noch Pfleger zu finden, die willig waren, Patienten 
aufzunehmen. Dazu kommt, daß die Pfleger bei 
der großen Wohnungsnot ihre Schlafplätze leicht 
an gesunde Einlogierer vermieten können. 


Mit der Übernahme der Familienpflege bemüh- 
ten wir uns, die Quartiere zu verbessern; das 
nötigte uns aber, den minimalen Pflegesatz von 
26 Pf. in den ersten Jahren allmählich bis zu 
65 Pf. am Ende der Kriegszeit zu steigern. Bis 
dahin hielt sich der maximale Pflegesatz im wesent- 
lichen auf der gleichen Höhe von 1,20 M. Seit März 
1919. haben wir dann die Pflegesätze rasch auf 1 
bis 6 M steigern müssen. Die Sätze für Selbst- 
zahler, die in den vorstehend erwähnten Zahlen 
nicht mit erwähnt sind, schwankten anfänglich zwi- 
schen 70 Pf. und 1,40 M und sind neuerdings auf 
2 bis 6,65 M gestiegen. Das Steigen der Pflege- 
sätze ist annähernd dem Pflegesatz in der Anstalt 
gefolgt, der jetzt von 3,50 M auf 12 M erhöht 
wurde und nun wieder ‚weiter erhöht werden soll. 

Unterernährung und dadurch bedingte größere 
Sterblichkeit hat auf das Sinken der Frequenz in 
der Familienpflege meines Erachtens keinen Ein- 
fluß gehabt, wie das in der Anstalt natürlich der 
Fall gewesen ist. Ob es sich bei den oben ange- 
deuteten Schwierigkeiten ermöglichen läßt, die Fre- 
quenz der Familienpflege wieder zu steigern, ist 
mir zweifelhaft. Dr. Delbrück. 


Landesheilanstalt Jerichow. 


Von der Landesheilanstalt Jerichow waren am 
31. Dezember 1914 223 Kranke in Pflege gegeben, 
am 31. Dezember 1920 98. Der Rückgang der 
Familienpflege macht sich weniger bemerkbar in 
den Dörfern, in denen meistens arbeitende Kranke 
untergebracht sind (um 30 v. H.) als in der Stadt 
Jerichow mit ihren vielfach nicht arbeitenden Fa- 
milienpfleglingen (um 70 v. H.). Als Grund für den 
Rückgang ist einmal die Wohnungsknappheit an- 
zusehen, besonders in der Stadt Jerichow, weniger 
in den Dörfern, sodann das ungenügende Pflege- 
geld, obwohl dieses im Laufe der Jahre einigemal 
erhöht worden ist. Am 31. Dezember 1914 beweg- 
ten sich die Pfilegesätze zwischen 70 und 100 Pf. 
täglich, am 31: Dezember 1920 zwischen 0 bis 
120 Pf. Eine weitere Erhöhung auf durchschnitt- 
lich 3,00 M täglich (jetzt 1,60 M) ist beantragt und 
soll nach Genehmigung durch den Provinzialland- 
tag am 1. April d. J. in Kraft treten. Es würde dann 
das Pflegegeld bis zu 4,00 M gehen können, viel- 
leicht auch noch höher, da beabsichtigt ist, das 
Pflegegeld für die arbeitenden männlichen Kranken 


| stalt. 


- stimmend gewesen für den.Rückgang der Fami- 


keine Rolle gespielt. 


‚[Nr. 5/6 


auf dem jetzigen Stand zu belassen oder noch her- 
abzusetzen. Nach männlichen arbeitenden Kran- 
ken besteht immer noch Nachfrage, nach nicht ar- 
beitenden oder gar siechen Kranken keine. Wenn 
das Pflegegeld angemessen erhöht wird, ist es wohl 
möglich, die Familienpflege vorläufig auf ihrem 
jetzigen Stande zu erhalten. Dr. Lange 


Landes-Heil- und Pilegeanstalt Eichberg. 


In der Familienpflege der Anstalt Eichberg fi 
waren untergebracht im Jahre 1912: 39 Männer, 
68 Frauen, insgesamt 107, im Jahre 1921: 4 Män- 
ner, 7 Frauen, insgesamt 11. UA 

Im Jahre 1912 wurden als Vergütung für denf y 
Kopf und Tag 1,00 M bezahlt, im Jahre 1921 3,00 MẸ i 

Der Rückgang der Familienpflege hängt mit dem i 
Rückgang der Belegungszahl der Anstalt zusam} 
men, jetzt füllt sich die Anstalt wieder und das Be- 
dürfnis nach Unterbringung in Familienpflege is 
dadurch im Wachsen, zumal die Kosten der Fami 
lienpflege bedeutend geringer sind wie die der Auf“ 


Die Ernährung der AEAN in der Familien- 
pflege ist im allgemeinen besser wie in der Anstalt, 
da unsere Kranken in ländlichen Bezirken unters 
gebracht sind. E lin 

Im Rheingaukreis ist die Wohnungsnot mit 


lienpflege, im Untertaunuskreis hat dieses Moment J g 


Solange- die Wohnungsnot nicht behoben ist 
wird es im Rheingaukreis mit Schwierigkeiten ver > 
bunden sein, die Familienpflege auf die alte Höhe 
zu bringen, eine Erweiterung der  Familienpfleg® 
in der Zukunft ist trotzdem zu erhoffen und zu er- 
streben. Dr. Wachsmuth. #2 


Landes-Heilanstalt Schussenried. 


Die seit 1904 hier eingeführte Familienpflegef dn 
hat sich im allgemeinen gut bewährt. Durch 
schnittlich befinden sich bei einem Krankenstandf 
von 470 Kranken 15 Pfleglinge in Familienpflege® 2 
und zwar weniger in Schussenried selbst als in den ds 
umliegenden Ortschaften. bis zu einer Entfernung 
von 12 km. Die Kranken sind sämtlich arbeits 
fähig und beinahe ausschließlich bei der bäuer-m 
lichen Bevölkerung untergebracht. Die Nachfragen 
ist eine außerordentlich lebhafte und kann im Hit A 
blick auf den eigenen Bedarf an arbeitenden Kran 
ken für beide Kolonien nur etwa zur Hälfte beirie 
digt werden. Die Pflegestellen sind durchweg gun 
dank dem Umstand, daß wir infolge der lebhaftel? dr 
Nachfrage in der Lage waren, allmählich emegi 


I 


T bessere Auswahl zu treffen. Die Verpflegung war 
“während der beiden letzten Kriegsjahre . gegen- 
"über der auf Rationen gesetzten Anstalt bei den als 
Selbstversorgern geltenden Pflegefamilien besser 
"und zog die Kranken gelegentlich besonders an. 
A Im Hinblick auf die Entwertung des Geldes wurden 
die Verpflegungsgelder erhöht; sie betragen jetzt 
durchschnittlich 1,00 M auf den Tag. Plätze für 
 Familienpfleglinge werden hier nicht frei gehalten. 
ik Rückfällige Kranke konnten bisher stets wieder in 
i die Anstalt zurückgenommen werden. 
| E Die Aussichten für Familienpflege sind bei der 
© ländlichen Umgebung und der lebhaften Nachfrage 
© sehr günstig. Hauptgrund der Nachfrage ist frei- 
N lich fast stets der Wunsch, billige Arbeitskräfte zu 
i bekommen bei den hohen Löhnen der bäuerlichen 
í Dienstboten. 
I Der gegenwärtige Stand. der Binilienniiegz be- 
trägt 14 Männer und 1 Frau. - Drs GTOB. = 


í Landes-Heil- und Pilegeanstalt Königslutter 
P (Braunschweig). 


= Die Zahl der in Familienpflege untergebrachten 
T Kranken ist im Laufe der letzten Jahre wesentlich 
vermindert, wie nachfolgende Zahlen zeigen. 

= In Familienpflege befanden sich am 1. April 1916 
721 von 668, am 1. April 1917 19 von 546, am 1. April 
1918 16 von 442, am 1. April 1919 12 von 376, am 
1. April 1920 7 von 374 und am 1. Januar 1921 
- 7 von 388 Kranken. 

< „Die Gründe dieser Verminderung waren man- 
< :cherlei Art. Vereinzelte Kranke mußten in die An- 
stalt zurückgenommen werden, weil die a 
| macherwerkstatt, Waxehlküche) He durite: Andere 
_ Pflegestellen gingen ein, weil ‚die Pfleger von hier 
Eo Ein Pflegling starb bei seinem. Pileger, 
"wo er 17 Jahre untergebracht war. 
i ‚deren Fällen mußten die Pfleglinge ihres Zustan- 
0 des wegen in Anstaltsbehandlung zurückgenommen 
f werden. Diese Stellen’ durch andere Kranke zu 
besetzen, hielt die Anstaltsdirektion in Anbetracht 
des in der Anstalt verfügbaren Platzes nicht für 
{ angemessen. Sie stellte sich auf den Standpunkt, 
f daß die Anstaltsräume besser für die Kranken zu 
verwerten seien, als zu Zwangswohnungen für Ge- 
| sunde aus dem Orte, zumal schon durch Einrich- 
| tung einer verfügbaren Arztiamilienwohnung für 
"zwei Anstaltsbeamte und zur Verfügungstellung 


| lung von acht weiblichen Kranken gedient hatte, 
der Wohnungsnot Rechnung getragen war. 
Die Ernährung unsrer Familienpfleglinge ist 


dauernd zufriedenstellend gewesen. 


In wieder an- 


. gegend in Familienpflege untergebracht. 


~ eines kleinen Hauses, das früher zur freien Behand- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT | 33 


Die Kosten 
betragen immer noch, wie 1900 festgesetzt, 75 Pf. 
für den Tag. Niemand von. den Pilegern hat mehr 
verlangt und die Nachfrage nach Familienpfleglin- 
gen ist immer noch rege. 

In Fällen, wo die Anstaltsdirektion es in Rück- 
sicht auf die Behandlung für wünschenswert hält, 


werden auch fernerhin Kranke in Familienpflege 


untergebracht werden. Dr. Meyer. 


| Landes-Heilanstalt Alt-Scherbitz.: 


Familienpflege ist hier noch nicht vorhanden, 
weil nach Einrichtung der Familienpflege in Jeri- 
chow die Möglichkeit bestand, dafür geeignete 
Kranke dorthin abzugeben, wovon mehrfach Ge- 
brauch gemacht worden ist. Trotzdem ist aui 
meinen Antrag von dem Landtage der Provinz 
Sachsen im Februar 1916 die Genehmigung zur 


Herstellung eines Pflegerdorfes mit einzurichtender 


Familienpflege erteilt und mit der Siedlungsgesell- 
schaft Sachsenland, deren etwa 800 Morgen großes 
Areal unmittelbar an das Anstaltsgebiet angrenzt, 
ein Vertrag auf Errichtung von etwa 45 Pfleger- 


häusern mit einem Areal von je '/s bis 1 Morgen 


abgeschlossen worden mit der Maßgabe, daß die 
Ansiedlung der Familien im Rentengutsverfahren 
erfolgen solle. Der Bau der Wohnhäuser konnte 
infolge des Krieges und der unterdes eingetfetenen 
beträchtlichen Erhöhung aller Löhne und Baumate- 


rialien bis jetzt nicht in Angriff genommen wer- - 


den, das Areal des Pflegerdorfes ist indes zunächst 
aufgeteilt und an diejenigen, welche sich dort nie- 


-.derzulassen beabsichtigen, zur einstweiligen Be- 


nutzung als Gartenland vergeben worden. 
Dr. Pıaetz. 


Provinzial-Heil- und Pilegeanstalt bei Neustadt 
(Holstein). 


Die hiesige Familienpflege ist zurzeit ver- 
mindert wegen Rückganges des Krankenbe- 
bestandes in der hiesigen Anstalt und Er- 
nährungsschwierigkeiten im Kriege. Die Kran- 
ken waren in Familien in der Stadt und der Um- 
Die Zim- 
mer der Pileglinge werden von den bisherigen 
Pflegeeltern im Interesse der eigenen Familie an- 
derweit verwendet, durch Abvermieten o. dgl. 
Es befinden sich augenblicklich nur noch wenige 


‚Kranke, 5 Männer und 12 Frauen, in Familienpflege, 


und zwar ausschließlich in der Stadt, von diesen 
sind die weitaus meisten bei verheirateten An- 


staltsangestellten untergebracht. An Kostgeld wird 


zurzeit an die Pflegeeltern für den Kopf und Mo- 


MRA 


nat 50 M bezahlt. Die Familienpflege bleibt einst- 
weilen im gleichen Umfange bestehen, sie wird erst 
später wieder voraussichtlich weiter ausgebaut 
werden. Dr Hinrichs; 


Landes-Heilanstalt Hildburghausen. 

Die Unterbringung von Kranken in Familien- 
pflege ist hier in den neunziger Jahren des vorigen 
Jahrhunderts eingeführt worden. Genauere Auf- 
zeichnungen darüber besitzen wir seit 1898. Da- 
mals waren es 20 Kranke (10 Männer, 10 Frauen). 
Ihre Zahl stieg bis 1902 auf 36 Kranke (17 Männer, 
19 Frauen), um dann aus Gründen, die hier nicht 
erörtert werden können, bis auf 24 Kranke (16 
Männer, 8 Frauen) im Jahre 1910 zurückzugehen. 
Seitdem bestrebten wir uns, die Zahl der Familien- 
pfleglinge wieder möglichst hoch zu bringen, und 
Ende 1911 befanden sich 50 Kranke (25 Männer, 25 
Frauen) in Familienpflege, 1914 waren es 64 (32 


Männer, 32 Frauen) = etwa 8 v. H. des damaligen 


Krankenbestandes. Seitdem ist ein stetiger Abfall 
zu vermerken, so daß es zurzeit nur 17 (8 Männer, 
9 Frauen) = etwa 4 v. H. des Krankenbestandes. 
sind. Der Rückgang ist weniger darauf zurück- 
zuführen, daß die Pfleger die Kranken mit Rück- 
sicht auf Ernährungsschwierigkeiten zurückgaben, 
als neben den aus dem Zustande der Kranken sich 
ergebenden Gründen — eintretender Erregung, zu- 
nehmender Unsauberkeit, körperlichen Erkran- 
kungen — auf Abwanderung in die eigene Familie, 
in Armenhäuser und, durch Ausscheiden eines Ge- 
bietsteils aus dem Aufnahmebezirk, auch in andere 
Anstalten, vor allen Dingen aber darauf, daß sich 
bei der Verminderung der Krankenzahl auf die 
Hälfte nicht mehr zur Ausfüllung der Lücken ge- 


 eignete Leute fanden, wollten wir der Anstalt nicht 


die für sie selbst dringend notwendigen. arbeiten- 
den Pfleglinge in unzulässiger Weise entziehen. 
Gerade dieser Grund dürfte ein Anwachsen der 
Familienpflege auch für unabsehbare Zeit verhin- 
dern, falls nicht etwa durch besondere Umstände 
der Krankenbestand der Anstalt wieder: erheblich 
anwachsen sollte. Bei den guten Erfahrungen, die 
wir mit der Familienpflege gemacht haben, und den 
zahlreichen geeigneten Stellen für solche, ist dies 
sehr zu bedauern. Die Verpflegungskosten konn- 
ten auf etwa der Hälite der der Anstaltsverpfle- 
gung gehalten‘ werden, Klagen über ungeeignete 
Behandlung und daraus sich ergebende Entziehun- 
gen von Kranken waren selten gewesen, da wir 
bei genügenden Bewerbungen von vornherein sie- 
ben konnten, und auch bei den Schwierigkeiten der 
letzten Jahre waren wir zu besonderen Maßnah- 
men nicht genötigt. Dr. Buchner. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


dere die Ausgaben für Heizung, Beleuchtung die- 


TA 
í 


[Nr. 5/ 5 


Landes-Heil- und Pilegeanstalt Obraw alde. 


Die ‘Familienpflege der hiesigen Irrenanstalt 
wurde am 31. Oktober 1919 aufgehoben. Bestim- 
mend dafür waren Ernährungsschwierigkeiten der 
Pflegehalter, Überzahl an Pflegepersonal bei Ent- 
völkerung der Anstalt und die Notwendigkeit für 
Flüchtlinge aus dem von den Polen besetzten Ge-' 
biet Notwöhnungen zu schaffen. En 

Die Familienpflege hat seit dem 1. August 1907 ER 
bestanden. Die Pfleglinge waren bis zur Höchst- 
zahl von 72 im Januar 1914 in Pilegerfamilien un- 
tergebracht, deren Wohnungen bestimmungsge-' 
mäß Räume für Familienpfleglinge enthielten. Die‘ 
Krankheitsfiorm der Pfleglinge war bei den Män- 
nern fast durchweg Idiotie, bei den Frauen 
Schwachsinn und Verblödung. Es wurden vonf 
weiblichen: Personen nur solche im vorgerückten 
Lebensalter in Pflege gegeben. | 

Die Ersparung der Unkosten durch die Fami- 
lienpflege betrug bei den Obrawalder Verhält- 
nissen etwa 25 v. H. Nicht gerechnet ist die Ver- $i 
zinsung der baulichen Anlagen. Es muß indessen Fr 
bemerkt werden, daß eine tatsächliche Ersparnis Bin 
im wesentlichen nur dann eintritt, wenn die Anstalt Pt 
nahezu völlig besetzt ist. Solange noch soviel’ 
Plätze in der Anstalt zur Verfügung stehen, dab 
die Familienpfleglinge leicht in diesen untergebracht git 
werden können, liegt nur eine Ersparnis an Pflege- m 
personal vor, da die Verwaltungskosten, insbeson- $~ 


selben bleiben. Unter den jetzigen Verhältnissen Bi) 
fällt allerdings die Ersparnis an Pflegepersonal 7 
ganz erheblich ins Gewicht. Dr. Dluhosch | 


Prov.-Heil- und Pilegeanstalt Göttingen. 


Die Zahl der hiesigen Familienpfleglinge ist in- 
folge der Verhältnisse, wie sie der Krieg mit sich i 
gebracht hat, um ein Drittel bis die Hälfte zurück- Pit 
gegangen. $ 

Das Massensterben der alten Anstaltskranken 
bei der schlechten Kriegsernährung, die Notwen- 
digkeit, arbeitsfähige Kranke im Anstaltsbetrieb uf” 
behalten und die geringe Zahl der Aufnahmen sind M 
die wesentlichen Gründe. T 

Die Pfleglinge sind fast alle in den umliegenden fii 
Dörfern untergebracht. Die Kleidung wird vorige 
der Anstalt gestellt, die Ernährung macht den Pfle- $ 
gern bei den ländlichen Verhältnissen keine Schwie- 
rigkeiten. 

Die Anstalt zahlt für den Kranken 0,60 bis 1,20 
Mark zu. 

Die Aussichten für die Zukunft sind nicht er- 
mutigend. Dr. Schultze. 


1921) 


Brandenburgische Landes-Irrenanstalt 
- Landsberg (Warthe)... 


© An der Landesirrenanstalt Landsberg a. W. war 
“der Stand der Familienpflege am 1. Januar 1914: 
147 Männer, 46 Frauen; am 1. Januar 1921: 21 Män- 
I ner, 15 Frauen. Gezahlt wurde 1914 täglich 0,90 M; 
“ietzt wird gezahlt 1,25 bis 2,50 M, je nach der Lei- 
" stungsfähigkeit der Kranken und je nachdem sie auf 
[dem Lande oder in der Stadt untergebracht sind. 
© Die in der Stadt untergebrachten Pfleglinge 
: urden während des Krieges fast alle wieder in die 
{Anstalt zurückgenommen, da ihre Ernährung und 
"Unterbringung immer weniger den notwendigsten 
| Anforderungen entsprach. .In letzter Zeit wurden 
"keine neuen Kranken mehr ausgegeben, da pflege- 
I bedürftige und nichtarbeitende nicht gewünscht 
Iwerden, arbeitsfähige die Anstalt selbst wegen 
"ihres stark ausgestorbenen Bestandes richt mehr 
De ntbehren kann. Vor einigen Tagen kam eine Ver- 
[fügung des Landesdirektors der Provinz Branden- 
et urg, nach der die Familienpflegre künftig auf solche 
í Kranke beschränkt bleiben soll, die in der Anstalt 
durchaus nicht arbeiten wollen, wohl aber voraus- 


Ssungstähigkeit Es ist daher anzunehmen, daß die 


i ee hier noch weiter einschrumpfen 
Dr. Marthen. 
Provinzial-Heilanstalt Treptow a. Rega. 


= Die  Familienpfilege der hiesigen Anstalt = 
‚ud En 46 an — wurde in letzter ch 


Dr. Mer kl 


1 Provinzial-Heilanstalt Ückermünde. 

i Die Familienpflege der hiesigen Anstalt hat 
den tigen Zeitverhältnisse leider einen dauernden 
yot ickgang erfahren. Sie betrug im Jahre 1912: 
Kr Männer, 72 Frauen = 119 Kranke, zugeführt sind 
"9 Männer, 22 Frauen aus Kückenmühle; im Jahre 
Mie 42 Männer, 82 Frauen — 124 Kranke, dar- 
| ter 13 Männer aus Kückenmühle; im Jahre 1915: 
af Männer, 83 Frauen — 129 Kranke, darunter 12 
‚änner, 12 Frauen aus Kückenmühle; im Jahre 


"besonders in den Anstalten bekannt ist. 
somit bei der Entleerung der Anstalten an geeig- 


'urch die infolge des Krieges geschaffenen ungün- 


__PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 35 


1916: 46 Männer, 87 Frauen = 133 Kranke, dar- 
unter 9 Frauen aus Kückenmühle:; im Jahre 1917: 
33 Männer, 78 Frauen = 119 Kranke, keine Zufüh- 
rungen aus Kückenmühle; im Jahre 1918: 25 Män- 
ner, 69 Frauen = 94 Kranke; im Jahre 1919: 21 
Männer, 60 Frauen = 81 Kranke; zurzeit beträgt 
sie 10 Männer, 26 Frauen = 36 Kranke. 


Während die Familienpflege vor und während 
der ersten Zeit des Krieges ein willkommenes Not- 
ventil für die reichlich gefüllte Anstalt war, dem- 
gemäß im Jahre 1916 noch einen Bestand von 133 
Kranken aufwies, ist sie seitdem fortlaufend und 
zumal in den letzten zwei Jahren gesunken. Schuld 
an diesen Verhältnissen trägt in erster Linie die 
große Sterblichkeit unter den Anstalts- und zum 
Teil auch unter den Familienpilegekranken, die als 
Folge der Hungerblockade im Krieg allgemein und 
Es fehlte 


netem Ersatz, seit 1916 sind auch aus Kückenmühle, 
das unter denselben Verhältnissen leidet, keine 
Kranken mehr für die Familienpflege zugeführt. 
Ebenso bedeutsam für den Rückgang derselben ist 
die allgemeine Teuerung, unter der Norddeutsch- 
land ganz besonders leidet. Trotz des allmählich 
auf 42 v. H. erhöhten monatlichen Pilegegeldes 
kommen die Pflegefamilien, auch wenn sie im 
wesentlichen aus ihrer kleinen Wirtschaft leben, 
nicht auf ihre Kosten und bringen daher die Kran- 
ken in die Anstalt zurück. Daß die Wohnungsnot 
daneben eine große Rolle spielt, ist kaum anzu- 
nehmen, da die Pfleglinge nur einzelne Zimmer 
innehatten, die für Familien kaum in Betracht kom- 
men. Eine Wiederherstellung der alten Verhältnisse 
ist erst zu erwarten bei stärkerer Füllung der An- 
stalten und DEHONENE des Pflegegeldsatzes. 
| „Dr. Albrecht. 


‚Landes-Heilanstalt Leipzig-Dösen. 


Bestand 13 Pfleglinge. Die Zahl hat sich in den 
letzten Jahren infolge der Ernährungsschwierig- | 
keiten stark vermindert. Pilegesatz zurzeit 6,00 M, 
muß vielleicht noch erhöht werden. 


Brandenburgische Landes-Irrenanstalt 
zu Eberswalde. 


Die Familienpflege hat sich in Eberswalde in 
den letzten Jahren vor dem Kriege mächtig ent- 
wickelt, sie hatte im Jahre 1913 den Höhepunkt er- 
reicht insofern, als damals 126 Kranke in Familien 
von Eberswalde und Umgegend, die dafür geeignet 
erschienen, untergebracht waren. Diese Zahl ver- 
minderte sich aber vom Jahre 1916 an bis jetzt 


ziemlich rapide und mit einer gewissen Stetigkeit. 
Es betrug die Zahl der untergebrachten Kranken 
im Jahre 1916: 111, 1917: 84, 1918: 75, 1919: 72 und 
fiel im Jahre 1920 auf 57, den jetzigen Ziffernstand. 
Die Gründe für diesen Rückgang dürften jedem 
ohne weiteres verständlich sein: Die von 1916 ein- 
setzende sehr mangelhafte Ernährung, die mit 
Krankheiten und vermehrter Morbidität einher- 
ging, und die dann später einsetzende Teuerung, 
die es den Familien vielfach unmöglich raachte, die 
mittellosen Kranken zu dem Pilegesatz von 1,00 M 
täglich (seit 1920 2,00 M täglich) zu ernähren und 
zu versorgen, so daß besonders solche Kranke, die 
keinerlei Äquivalente durch irgendwelche Arbeits- 
leistung ‘bieten konnten, wieder in die Anstaltsbe- 
handlung zurückkehren mußten. Die dadurch frei- 
gewordenen Räume fanden bei der herrschenden 


Wohnungsnot sofort reißenden und einträglicheren ~ 


Absatz. Auch für die Pensionäre der besseren 
Klassen fanden sich trotz täglicher Vergütung bis 


Mitteilungen. 


Jahresver- 


— Deutscher Verein für Psychiatrie. 
sammlung, Dresden 1921. Leitsätze für den 
Bericht: Schaffung eines neuen Irren- 


gesetzedg von Schultze und Kahl. 


A. Allgem eines. 


L Art der Regelung. Vor der bisher in der 
Mehrzahl der Länder üblichen Regelung dier Fürsorge für 
Geisteskranke und ihrer Beaufsichtigung innerhalb und 
außerhalb der Anstalten, insbesondere vor der Feststel- 
lung der allgemeinen rechtlichen Bedingungen, unter 
denen Geisteskranke in Anstalten verwahrt werden. kön- 
nen oder müssen, auf dem Wege der Verordnungen 
verdient die gesetzliche Regelung den Vorzug 
(Reichsfüräorgegesetz für Geisteskranke). 

Zu fondern ist, daß unter entscheidender Mitwirkung 
der Irrenärzte berechtigte ärztliche Rücksichten auf den 
Kranken und auf seine Umgebung nicht hinter rein recht- 
lichen Gesichtspunkten zurücktreten. 

H. Umfang der Regelung Es empfiehlt 
sich nicht, alle zu den verschiedensten Rechtsgebieten, 
wie StGB. StPO, BGB. ZPO. Gewerberecht usw. ge- 
hönrenden Rechtsfragen, die den Geisteskranken angehen, 
in einem Irrengesetz zu vereinigen. 

ll. Reichs- oder Landesgesetz. Die 
Schaffung eines Reichsfürsorgegesetzes erscheint 
dringend wünschenswert, um eime einheitliche Auffias- 
sung der Aufgaben der Irrenfürsorge, besonders hinsicht- 
lich der Verwahrung wgesellächaftsfeinilicher kranker 
Personen, zu sichern; sie erscheint trotz der großen ört- 
lichen Verschiedenheiten dann nicht bedenklich, wenn 
das ReichsfürsorgegeJetz sich auf wesentlich nonmative 


- PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


% 


. auch besser genährt wurden, als in der Stadt, fasi 


_. 


INr. 51 | 


zu 10,00 M keine Unterkunftsstellen mehr, jedodı 
sind von diesen wenigstens die altuntergebrachten 
in ihren Pflegestellen verblieben. Auch war de 
Abbau bei den auf dem Land untergebrachtet 
Kranken, die meist etwas arbeiten konnten und 


Null. 


Auf Grund der neuerlichen Verordnung def 
Landesdirektors, die durch die bedingte Finanz! 
lage der Provinz und durch den Mangel an Ar. 
beitskräften in der Anstalt bedingt ist, können zu- 
dem von jetzt ab arbeitende Kranke nur noch it 
besonderen Ausnahmefällen in Pflege gegeben wer 
den, so daß allgemein genommen die Aussichten 
für die nächste Zukunft recht trübe sind und if 
weiterer Rückgang der Familienpflege unvermeid- 
lich erscheint. 


Dr. Zinn, Direktor und Chefarzt. | 
Dr. Michalke, Oberarzt. 


Regelung der Grundlagen des Irrenrechts beschränkt 
dagegen die Einzelgestaltung und Ausführung der reichs“ 
gesetzlichen Bestimmungen nach wie vor der Zuständig‘ 
keit der Länder oder Provinzen verbleibt. a 

IV. Träger der Irrenfürsorge. Die Er, Sic 
richtung und Verwaltung der öffentlichen Irrenansta s 
ten soll nach wie vor den einzelnen Ländern oder Prog 
vinzen zufallen. fx 

V. Zentrałbehö rqe. -Die en einer Zen su 
tralbehörde für das Irrenwesen, die von einem in Anfi 
Anstaltspflege erfahrenen Irrenarzte geleitet wird, fs 
den Geltungsbereich des Reiches oder der einzenerfg 
Länder bezugsweise Provinzen ist dringend geboten. & 

VI. Kriminelle Geisteskranke. Die Am 
staltsverwahrung von kriminellen Geinteskranken (Zi TR 
rechnungsunfähigen, vermindert  Zurechnungsfähigen] y 
auch der Trunksüchtigen) ist ausschließlich der Regelung 
durch das "künftige Strafgesetzbuch und Strafvollzug 
gesetz zu überlassen. 


B. Besonderes. 


I. Kranke inmerhalb der Anstalten. E 

l. Aufnahme in die Anstalt. Die völ ML 
formlose Aufnahme einzuführen, er4cheint nicht ra 
sam. Das Aufnahmeverfahren ist aber möglichst zu veri * 
einfachen und zu erleichtern, sowie von der Sicherun | 
der Koitenfrage zu lösen, um die sofortige Unterbringung 
eines anstaltspflegebedürftigen Kranken zu ermöglichen 
Es ist zu unterscheiden die regelrechte, die dringlich@P > 


. die freiwillige Aufnahme und die Aufnahme zum Zwee $ E 


der Beobachtung. Für die dringliche Aufnahme 
genügt das Attest des den Kranken aufnehmenden Ans 


” 
— mt ze 
u o~ Te 2 EA m ah o > 
s mi F s Š F. 
re FE srpu ean 
el, wre a aa x 


f 192 I] 


| staltsarztes unter der Bedingung der «pfortigen Ver- 
T vollständigung der Aufnahmevorschriften. Die Polizei- 
T behörde soll das Recht haben, auch ohne Gerichtsbe- 
= schluß auf Antrag eine: beamteten Arztes eine sich auf- 
; fallend gebärdende, störende oder gefährliche Person 
" zum Zwecke der Beobachtung für einen bestimmten 
f Zeitraum einer Anstalt zu überweisen, auch wenn Gei- 
© steskrankheit noch nicht festgestellt ist. 

| Das Attest eines Arztes genügt für die end- 
gültige Aufnahme. | 
E Für die Frage der Anstaltspflegebedürf- 
tigkeit eines Kranken sollen vor allem rein Ärzt- 
Fl iche Gesichtspunkte maßgebend sein, nicht nur seine 
"Gefährlichkeit oder gar Gemeingefährlichkeit. Die An- 
f staltspflegebedürftigkeit, eine Frage des Verwaltungs- 
T recht4, darf unter keinen. Umständen mit der Entmündi- 
t gungsreife, einer Frage des Zivilrechts, order mit der Fest- 
© stellung des Grades der Geschäftsfähigkeit verquickt 
werden. 


a“ Ne 
N Aa A A 


Jede Aufnahme ist der Sicherungsbehörde 
hung überwacht. 


E 2. a) Rechtsschutz während 


a des An- 
"staltsaufenthalts. Jeder Anstaltsinsasse -hat 
$ ohne Unterschied des Debensalters und des: Grades 
= seiner (Gieschäftsfähigkeit jederzeit das Recht, bei der 


"Sicherungsbehörde gegen seine Anstaltsunter- 
{ bringung und die mit ihr zusammenhängenden Maßnah- 
men der Anstalt Einspruch zu erheben. Dieses 
is l Recht kann auch von gesetzlichen Vertretern oder An- 
" verwandten ausgeübt werden. Das dann einzuleitende 
ls icherungsverfahren ist dem Entmündigungs- 


“hat, hinsichtlich der Form nachzubilden und, wiewohl 
A es Fragen des öffentlichen Rechts zu entscheiden hat, 
"aus praktischen Erwägungen den ordentlichen 
“Gerichten zu übertragen, nicht den Verwaltungs- 
F geriċhten. Die erste Instanz ist das Amtsgericht 
' (Abteilung für Vormundschaftssachen), in dessen Bezirk 
die Anstalt. liegt. Grundsätze für das. Verfahren sind: 
[nicht öffentliche, mündliche Verhandlung; Anhörung des 
| Beschwendeführers, von der nur ausnahmsweise vor der 
{ersten gerichtlichen Entscheidung abgesehen werden 
E arf; une: von Se EN des 


Fin ohne erh: imitative Miegirkaie der 
A Staat. anwaltsohaft. 

a 2. b) Bestellung von Fire ur 
"Anstaltskranke. Dem gesetzlich nicht  vertre- 


er auch nur sch ke En Die Einrichtung 
Avon Berufsfürsor germ verdient ernstliche Be- 
l achtung., 

B. Paass ung aus der Anstalt. Für die 
"En tlassung. sollen in erster Linie ärztliche Gesichts 
punkte (Heilung oder so erhebliche Besserung des Auf- 


anzuzeigen, die, die Anstalt in irrenrechtlicher Bezie- 


© verfahren, wenngleich es materiell mit ihm nichts gemein, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 37 


genommenen, daß er nicht mehr anstaltpflegebedürftig 
ist) maßgebend sein. Verlangt der freiwillig Eingetretene 
seine Entlassung oder ist die Beobachtungszeit (vergl. 
B I. 1) abgelaufen, so erfordert seine weitere Anstalts- 
verwahrung das regelrechte Aufnahmeverfahren. 

I. Kranke außerhalb der Anstalt. 

Die Fürsorge für Geisteskranke, die nicht oder nicht 
mehr in einer Irrenanstalt untergebracht sind, muß einer 
Fürsorgebehörsde (vergl. B I. 2b) übertragen 
werden, die für den Bezirk einer Anstalt gebildet und 
unter deren Leitung gestellt wind. 


— Sachsenberg. Am 30. April 1921 konnte Herr 
Obermedizinalrat Dr. Matusch auf eine 25jiährige 
Tätigkeit als Direktor der hiesigen Anstalt zurück- 
blicken. Er hat sich während dieser Zeit große Ver- 
dienste erworben um die Einrichtung und den Ausbau 


‘der Anstalt im Sinne der neueren Anschauungen über 


Irrenbehandlung. 


Buchbesprechungen. 


— Koenen, Magistratsassessor in Münster i. W.: 
Hochschulführer, Lebens- und Studienverhältnisse in den 
deutschen Hochschulstädten. Im Auftrage des Vorstan- 
(des der Deutschen Studentenschaft herausgegeben. 
Dritte Ausgabe, 1. März 1921. Münster 1921, Selbstver- 
lag der Deutschen Studentenschaft. 1,00 M. Zu. bezie- 
hen gegen Einsendung des Betrages an das Wohnungs- 
amt der Deutschen Studentenschaft, Münster i. W., Uni- 
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Lyzeen und Akademien und sonstige Hochschulen, éin- 
schließlich derer Deutsch-Österreichs und des Sudeten- 
tandes, hinsichtlich Wiohnungs-, Verpflagungs- und Vor- 


{ lesungispreise, Semesterbeginn USW. 


— Ebbinghaus, Hermann, weiland Professor 
der Philosophie an der Universität Halle, Abriß der Psy- 
chologie. 7. Auflage, durchgesehen von Prof. Karl B üh- 
ler in Dresden. Mit 14 Fig. 206 S. Berlin und Leipzig 
1920, Verlag wissenschaftl. Verleger, Walter de Gruyter 
& Co. Geh. 10 M, geb. 13,50 M. 


Für uns Psychiater und Neurologen hat das Lesen 


dieses bekannten Buches insofern Wert, als wir darin 


die immer noch philosophisch orientierte Psychologie 


kennenlernen, was auch wichtig ist; denn alles, was phi- 


losophisch orientiert ist, beruht mehr auf eigenem, per- 


sönlichem Empfinden und Erfassen der Mit- und Umwelt 
und auf Selbstempiinden, als auf Wissenschaft. 


Darüber 
kann auch (der Umstand keinen Zweifel lassen, daß die 
Darstellung mit einem kurzen Abriß über den Bau des 
Nervensystems beginnt. Trotz alledem 'steht Ebbing- 
haus’ Psychologie der medizinischen am nächsten. Ihr 


38 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Studium muß ‚daher -bestens empfohlen werden, -schon 
wegen der meisterhaften Art exakter Darstellung und 
Beweisführung. Besonders sei aufmerksam gemacht auf 
die trefflichen Kapitel: Übel. der Voraussicht (S. 166 .bis 
170), die Religion (S. 170 bis 179), die Kunst (S. 179 
bis 192), die Sittlichkeit (S. 192 bis 199, hier Stellung- 
nahme zu Kants kategorischem Imperativ). 

Die Schlußbemerkungen legen ganz besonders be- 
redtes Zeugnis ab von der tieigründigen, geistreichen 
Art, mit welcher Ebbinghaus die Seelenkunde erfaßt hat. 


Jedes Ding hat sechs Seiten, das lehrt die höhere 
Mathematik ihre ausgewählten Anhänger. Jedes Ding 
hat aber unter allen Umständen eine heitere Seite! Das 
lehren die Meggendorfer-Blätter alle und alle 
Seite für Seite mit jeder neuen Nummer! Diese Wis- 
senschaft als Allgemeingut aller Mühseligen und Bela- 


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Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S 


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f Dreiundzwanzigster Jahrgang. Nr. 7/8. 1921/22. 


Psychiatrisch- Neurologische 
Wochenschriit. 


Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
. Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 


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Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


at Prof. Dr. Alt Uchtspringe (Altmark), Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat Dr. Beyer, Roder- 
en Prof. RIOT, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San. -Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
(Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Mauer-Öhling (N.-Ö.). Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München. Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 

Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Profi. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: | 
Sanitätsrat Direktor Dr, Johannes Bresler. Kreuzburg (Oberschlesien). 


Nr. 7/8. 


Bezugspreis: 
M 7,50 für das Vierteljahr, die 
Abonnementspreise für das Aus- 
land werden nach der vom Deut- 
schen Buchhandel vorgeschrie- 
benen Verkaufisordnung für das 
Ausland berechnet. Zu beziehen 
durch jed. Buchhandlung, d. Post 
p> u. unmittelbar vom Verlage. Er- 
ll scheint bis auf weiteres vier- 


| zehntägig in Doppelnummern. 
3 Lereni mm mn eer mm nenn en m e a rar nor 


21. Mai 1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
li mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 
laß gewährt. 4 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


- Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale 
Postscheck: Leipzig 32070. 


"Inhalt: Emil Schmidt t. (S. 39.) — Zum psychiatrischen Bauwesen. Von Dr. med. et phil. P. Pregowski. 
Ik Schluß. (S. 40.) — Wichtige gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen auf dem Gebiete des Irren- 
Wesens und Verwandtes. Fortsetzung. (S. 44.) — Zu Prof. Weber’s Dankworten an Konrad Alt. (S. 47.) — 
il. | Mitteilungen. (S. 48.) — Buchbesprechungen. (S. 48.) — Personalnachrichten. (S; 51.) 

E EMIL SCHMIDT r 
j ° 


m 22. März 1921: ist der Direktor des 
Provinzial-Landarmenhauses Wunstorf, 
Sanitätsrat Dr. Emil Schmidt im 55. Lebens- 


freute er sich infolge seines stets opferberei- 
ten Wesens allgemeiner Wertschätzung. 


Am 1. 


PEA IYE IANI AE a PA 
a U ANZ Hpi 


jahre verstorben. 

Nach Abschluß seines medizinischen Staats- 
examens widmete er sich nach vorübergehend 
übernommenen ärztlichen Vertretungen der 
Psychiatrie und trat als Assistenzarzt am 1. 
August 1895 in den Hannoverschen Provinzial- 
dienst ein. Am 1. Juli 1897 wurde er an der 
Heil- und Pilegeanstalt zu Hildesheim als An- 
staltsarzt fest angestellt und erhielt am 15. 
Dezember 1899 die Stelle des Arztes der da- 
maligen Provinzial-Korrektions- und Land- 
armenanstalt zu Wunstorf. 


Während seiner über 20jährigen Tätigkeit 


hat er hier sehr segensreich gewirkt und es 
verstanden, für die Anstalterhebliche Verbesse- 
rungen zu erreichen. Auch über den Rahmen 
seines eigentlichen Tätigkeitsfeldes hinaus er- 


Oktober 1908 vollzog. sich die für 


die Anstalt einschneidend wirkende, vom psy- 


chiatrischen Gesichtspunkte sehr zu begrü- 
ßende Trennung der Korrektions- und Land- 
armenanstalten der Provinz Hannover. Ge- 
legentlich der Auflösung der in Himmelsthür 
vor Hildesheim bestehenden Schwesteranstalt, 
welche bis dahin weibliche Korrisenden und 
Landarme beherbergt hatte, wurden sämtliche 
Korrigenden beiderlei Geschlechtsin dem Werk- 
hause zu Moringen (Solling) vereinigt und 
die männlichen sowie weiblichen Landarmen 
nach Wunstorf verlegt. 


Unter der veränderten Bezeichnung „Land- 
armenhaus der Provinz Hannover“ war somit 


eine ausschließlich Wohlfahrtszwecken die- 
nende Anstalt geschaffen, die 160 chronisch 


40 _ _________. PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


# 


Geisteskranken auf den beiden Irrenabteilungen 
"Unterkunft gewährte, sowie. 415 verfügbare 
Betten für männliche und 190 für weibliche 
‚Insassen der allgemeinen Landarmenabtei- 
' Jungen, darunter 195 Lazarettbetten aufwies. 
Es ergab sich dadurch eine Gesamtbelegungs- 
fähigkeit von 765 Plätzen, die zur Aufnahme 
solcher Elemente bestimmt waren, welche in- 
folge körperlicher oder geistiger Gebrechen 
ihren Lebensunterhalt nicht erwerben konnten. 


Unter den damit erheblich gegen früher 
veränderten Anstaltverhältnissen wurde es 
. notwendig, auch dem ärztlichen Einfluß eine 
führendere Rolle zuzuweisen, die verwaltungs- 
technisch zunächst dadurch zum Ausdruck 
kam, daß Schmidt als „leitender Arzt“ mit 
dem von Himmelsthür übernommenen Direk- 
tor gemeinsam die Direktion der Anstalt 
übernahm. 


Als am 1. Januar 1920 infolee seiner Pen- 
sionierung der Major a. D. Thiermann aus der 
Direktion ausschied, wurde Schmidt durch die 


d 


vorgesetzte Behörde zum alleinigen Direktor 
der’ Anstalt berufen. 
Schon vor dem Kriege war es sein Be- 


streben gewesen, durch Vergrößerung des land- ` 


wirtschaftlichen Areals für die Kranken neue 
Beschäftigungsmöglichkeiten zu erschließen; 
im Jahre 1913 gelang ihm analog den Irren- 
anstalten auch für geeignete landarme Insassen 
die Einführung der Familienpilege in den um- 
liegenden hiesigen Dörfern. Besonders wert- 
voll gestaltete sich aber für die Anstalt die 
im Februar 1920 auf sein Verdienst zurück- 
zuführende Pachtung des in der Stadt 


Wunstorf gelegenen „Küster'schen“ Hofes, wo- ` 


durch das allein durch Kranke zu bewirt- 
schaftende Ackerland auf IHSESSENE! 300 Morgen 
vergrößert wurde. 

Leider hat ihn ein trauriges Geschick sich 
nur kurze Zeit dieses Erfolges erfreuen lassen, 
am 30. April warf ihn eine tückische Akti- 
nomykose der Lunge auf das Krankenlager, der 
selbst seine sonst so robuste Natur allmählich 
erliegen mußte. Gerstenberg, Wunstori. 


Zum psychiatrischen Bauwesen. 


Nach einem am 22. Juni 1918 in der Neurol.-Psychiatr. Sektion der Warschauer med. Gesellschaft a 


gehaltenen Vortrage. 


Von Dr. med. et phil. 


P. Pregowski, Oberarzt am psychiatrischen Krankenhause St. Johannes 


in Warschau. 


(Schluß.) 


Bei der Einteilung der öffentlichen psychiatri- 
schen Anstalten in die Abteilungen soll es vor allerni 
maßgebend sein, daß eine solche Einteilung den 
Aufgaben dieser Anstalten, d. h. sowohl der Be- 
handlung und der Pflege der Kranken wie auch der 
Vervollkommnung der Ärzte und der medizinischen 
Wissenschaft, was mittelbar auch zum Guten der 
Kranken ausfällt, entspricht und diese Aufgabe för- 
dert. Diesen Aufgaben der öffentlichen psychiatri- 
schen Anstalten entsprechen die oben erörterten 
zwei Einteilungsarten. der psychiatrischen Anstalten 
nicht genug: die erste Einteilung, auf Grund der 
verschiedenen Krankheitszustände, ist wie gesagt 
sowohl für Kranke wie auch für Ärzte nachteilig: 
die zweite Einteilung, gemäß den verschiedenen 
Krankheitsformen, verdient vor allem aus letztem 
Grunde nicht eingeführt zu werden. 


Am meisten entspricht, wie ich glaube, den Auf“ p 


[Nr Ai 


e a a LET 


EEE TUT TOT POA AE TEES PEAN ERICH ETE EON, 
- ba . r 


gaben der öffentlichen psychiatrischen Anstalten g 
ihre Einteilung in selbständige Abteilungen, welche gti 
abgesonderte Einheiten bilden und so eingerichtet 


sind, daß die Geisteskranken während aller Krank % 
in welchen sich ihre Geisteskran f% 
in denselben verbleiben 
Bei diesem Einteilungsprinzipe brauchen gi 
die Kranken nicht die Abteilung, den Arzt und di A 
Umgebung, an welche sie sich gewöhnt haben, vô f% 
lig zu verlassen und können leichter und gründi pa 
cher kennengelernt werden, was nicht nur für diegi 


heitszustände, 
heit manifestieren kann, 
können. 


Kranken selbst, sondern auch für die praktisches 


und theoretische Einübung der Ärzte und ihr 


e wisg s 


senschaftliche Tätigkeit von großer Bedeutung ist f" 


Die Behauptung, daß eine solche Einteilung def}! 
öffentlichen psychiatrischen Anstalten ihren weseiht- pe 


© 1921] 


"= am besten entspricht, findet eine Bestätigung in 
T realen Verhältnissen. Die Abteilungsärzte, beson- 
T ders diejenigen von ihnen, welche sich mit wissen- 
” schaftlichem Interesse zu ihren Abteilungen und 
~ Kranken verhalten, sind unzufrieden, wenn ihre 
T Kranken bei dem Wechsel ihrer Krankheitszustände 
T an eine andere Abteilung übergeführt werden. Ge- 
p wöhnlich sind auch dieKrankendarüberunwillig. In 
4 den jetzigen psychiatrischen Abteilungen, deren 
3 leitende Ärzte auf die Verteilung der Kranken einen 
; gewissen Einfluß haben, befinden sich auch oft ver- 
A schiedenartige Kranke, nicht nur diejenigen, für 
. welche die Abteilung gemäß ihrem Namen bestimmt 
5 Fist. — 

p Die oben erwähnte richtige Idee, daß die K 
ken nach ihren Symptomen und Zuständen behan- 
delt sein sollen, kann im Bereiche derselben Ab- 
teilung verwirklicht werden, wenn entsprechende 
“ Badeeinrichtungen, entsprechend einserichtete be- 
- ‚Sondere Räume für lärmende Kranke und überhaupt 
F eine größere Anzahl verhältnismäßig kleiner Kran- 
_ kensäle eingeführt werden, wodurch die erwünsch- 
“ te Absonderung verschiedener Kranken ermöglicht 


> auch das unerwünschte kasernenartige Aussehen 
I der Anstalten beseitigt sein, und man könnte die 
| ! Kranken nicht nur nach Art ihrer Leiden, sondern 
" auch ev. nach ihren individuellen Eigenschaften 
a oder ihren gegenseitigen persönlichen Beziehungen 
unterbringen. 
= Das angeführte Prinzip der Einteilung der An- 
stalten in die Abteilungen ermöglicht den Anstal- 
Y ten die unbegrenzte Entwicklung: bei der Vermeh- 
A pos der Krankenzahl in der ean können neue 


a Pucar welcher sich während eines Zeitratiihk 
für eine Krankheitsform oder einen Krankheitszu- 
- stand besonders interessiert, immer eine größere 
“Anzahl der ihn interessierenden Fälle sammeln 
i könnte. 


Pmtchunee. ZB; ea 
| gemeinsam sein, was die Kosten des Baues und des 


tung ben, wenn es ch um die Vervollkommnunx 
F des psychiatrischen Anstaltswesens, um den Fort- 


E schritt in der psychiatrischen Pflege und Behand- 


| lung sowie in Oer, ganzen POE SEE ee 
í handelt. 


I lichen Aufgaben- und den wirklichen Bedürfnissen = 


Wenn ‚sich zwei ee: in einem Pavillon | 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 41 


Die-Einteilung der -öffentlichen psychiatrischen 
Anstalten in gesonderte, einheitliche, für verschie 
denartige Kranke angepaßte Abteilungen schließt 
das Beibehalten der jetzigen Abteilungen Tür Pen- 
sionäre nicht aus. Ich will dabei darauf: nicht ein- 
gehen, ob diese Abteilungen nur für bemittelte 
Kranke bestimmt sein sollen. Es muß jedenfalls 
ärztlicherseits betont werden, daß die Kranken mit 
höherer Bildung und Kultur von anderen abgeson- 
dert werden sollen, und zwar ist das von Bedeu- 
tung sowohl für diejenigen Kranken, deren Geistes- 
leben einem allzugroßen Verfalle nicht unterlegen 
ist, wie auch angesichts der Beziehungen der intelfi- 


genten Gesellschaftskreise überhaupt zu den Irren- 


anstalten. 

Mit diesem Prinzipe der Einteilung der öffentlichen 
psychiatrischen Anstalten stimmt auch die in den 
größeren Anstalten oft jetzt postulierte Einrichtung 
der Abteilungen für geisteskranke Kinder sowie der 
Abteilungen für Geisteskranke mit Infektionskrank- 
heiten überein. S 

Auf Grund der zwei anderen, oben besprochenen 
Finteilungsprinzipe können nur, wie erwähnt, 
einerseits besondere Abteilungen, wenn: nicht An- 


stalten, für Epileptiker wie auch für ‚chronische 


Alkoholiker, andererseits Abteilungen, Fermen (Ar- 
beitskolonien, offene Landhäuser) und möglicher- 
weise die sog. Bewahrungshäuser abgesondert exi- 
stieren. | 

Das hier postulierte Prinzip der Einteilung der 
psychiatrischen Anstalten hat einen besondefen 
Wert für diejenigen Anstalten, in welchen, wie dies 
z. B. bei uns in Polen meistens der Fall ist, die 
von einem Abteilungsarzte — Oberarzte — und ev. 
einem oder zwei Assistenten geleiteten Abteilun- 
gen nicht allzu groß sind (sie haben bei uns 80 . 
bis 120 Kranke, die Arbeitshäuser mehr) und die 
Ärzte imstande sind, die Kranken genügend ken- 
nenzulernen sowie die Veränderungen in ihren gel- 
stigen Zuständen sorgfältig genug zu verfolgen. 

Max Fischer, Wiesloch,?’) der zu dem:hier 
erörterten Prinzip der Einteilung der psychiatri- 
schen Anstalten zu neigen scheint, gibt die Art 
und Weise an, in welcher dieses Prinzip reali- 
siert werden kann. -So empfiehlt er in der zweiten 
seiner angeführten Arbeiten („Die Entwicklung 
usw.” S. 510), daß in einem Hause (Pavillon): be- 
sondere Räume (Unterabteilungen) für je ungefähr 
20 bis 30 Kranke folgender Kategorien eingerichtet 


?) „Neue Aufgaben ‘der Psychiatrie in Banene 
Allg. Zeitschr. für Psychiatrie 1912 Bd. 69 S. 34u: a. — 
„Die Entwicklung: des Bauwesensi der Trenans REN. 
Allg. Zeitschr. f.-Psychiatrie 1913 Bd. 70. 


“ 


42 


werden: 
Halbruhige, 3. sog. Ruhige, 4. klinische Aufnahme- 
und Wachstation, 5. Lazarettkranke, 6. Rekonva- 
leszenten. „Bei der Zusammenfassung — schreibt 


Fischer — mehrerer solcher Gruppen in einem - 


Hause kann man innerhalb des Hauses trennen ent- 
weder horizontal oder vertikal oder beides zusam- 


$9 


men.” — 

Bei dem Bau und bei der Anpassung der An- 
staltsabteilungen soll auch ein weiterer Umstand 
berücksichtigt werden. Es ist nämlich nicht rich- 
tig, wenn z. B. die Katatoniker, Hebephrenen, deli- 


rierende Paralytiker, Maniakalische höheren Gra- 


des usw. mit den Depressiven geringen und mittle- 
ren Grades, mit den an. Arteriosclerosis cerebri 
Leidenden, imit Paranoikern, chronischen Alkoholi- 
kern, Hypomanen, nicht im Dämmerzustande be- 
findlichen Epileptikern und ähnlichen Kranken, 
welche sich ihrer Lage und Umgebung mehr oder 
weniger bewußt sind, zusammengebracht werden. 
Die Kranken der ersten Gruppe geben den psychia- 
trischen Anstalten das die Abneigung erzeugende 
Merkmal eines „Tollhauses”, und ihre Gesellschaft 
wirkt negativ auf die anderen Kranken. Es ist 
daher ratsam, daß die Abteilung so eingerichtet 


wird und die beiden Kategorien der Kranken so in. 


der Abteilung verteilt werden, daß sie nicht zu- 
sammen verbleiben. Dieses Postulat. scheint sich 
mit dem Verlangen von Neißer, M. Fischer, 


Würth, daß die „antisozialen” Kranken von den 


übrigen geschieden werden sollen, gewissermaßen 
zu decken. Solche Kranke mit Unruhigen zusam- 
men zu halten, wie es von Fischer empfohlen 
wird, würde ein zu schonunesloses Vorgehen in 
bezug auf viele ruhige „Antisoziale” sein. — 


Die dritte Bemerkung, welche ich in bezug auf 
die psychiatrische Architektonik machen möchte, 
bezieht sich hauptsächlich, auf die psychiatrischen 
Privatanstalten. 


Für diese Anstalten ist es bekanntlich wichtig, 
eine größere Anzahl von Einzelzimmern zu besit- 
zen. Die Ausgänge dieser Einzelzimmer führen ge- 
wöhnlich in einen gemeinsamen Korridor oder Saal. 
Das hat diejenigen üblen Folgen, welche aus dem 
allzu nahen Kontakte zwischen dem sich in diesen 
gemeinsamen Räumen vereinigenden Gemeinleben 
der Anstalt und den Einzelzimmern der Kranken 


> Dr. Würth, „Welche Einrichtungen erfordert 
bei dem heutigen Stande unserer therapeutischen Bestre- 
bungen die Irrenanstalt.” Allg, Zeitschr. f. Psychiatrie 
1905 Bd. 62. 


-PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


l. sog. Unruhige und Antisoziale, 2. Sog. 
systems nicht berühren. 


‚eines Stockwerkes meiner 


INr. 7 


resultieren. Ich will hier die Frage des Korridor 


Die genannte üble Seite wird durch die z. B 
in meiner Privatanstalt befindliche Einrichtung ge 
wissermaßen beseitigt. Sie besteht wesentlich da- 
rin, daß ie zwei bis drei Einzelkrankenzimmer elt 
gemeinsames, von der übrigen Anstalt durch Tür 
abgeschlossenes Vestibül haben. Die Anstalt wird 
demnach in Gruppen von Einzelzimmern, ie zwe 
bis drei Einzelzimmer in jeder Gruppe, eingeteilt, 
Die erwähnten Vestibüle bilden sozusagen Zwi- 
schenglieder zwischen den Krankeneinzelzimmern 
und der übrigen Anstalt. Bei dem System des all- 
gemeinen Korridors oder Saales werden dieselben 
durch die genannten Vestibüle und ihre Tür einer 
seits von den Einzelzimmern abgeschlossen, ande- 
rerseits mit ihnen verbunden. SH 


Durch diese Einrichtung wird das Vereinigen 
einiger Kranken und das bessere Entfernen dersek 
ben von anderen ermöglicht. | 


Die beigefügte (Abb. 1) schematische Zeichnung 
Privatanstalt stellt daf f 
Gesagte dar: mit 1, 2, 3, 4, 5 werdeñ die genannte f 
Zwischenräume (Vestibüle) bezeichnet. Ich füge 
noch hinzu, daß, wenn einige Gruppen von Einzel 
zimmern durch Tür weiter abgeschlossen sein wü 
den — an der Zeichnung würden z. B. die neuen 
Türen an Stelle der Kreuze (X) fallen —, so würde 
dann eine weitere Einteilung der Anstalt in die 
durch die Türen und Zwischenvestibüle kommuni< 
zierenden Gruppen von Einzelzimmern entstehen 


* * 
* 


Andere Einzelheiten des psychiatrischen Bat- 
wesens, auf welche ich aufmerksam machen möcht) ki 
te, beziehen sich hauptsächlich auf die anfangs erfi 
wähnte Bestrebung, daß die psychiatrischen An 
stalten einerseits sich möglichst wenig von depiw 
Bauten für Normale unterscheiden, andererseits zur & 
Verminderung der Gefahr der Suizid- und Flucht 
versuche seitens der Geisteskranken beitragen gai 
Eine andere Konstruktion der Fenster oder def 
Gitters in denselben, die Löcher in den Türen, hohe ftr 
Zäune um die Anstalten herum verhindern diè fats 
Flucht- und ev. Suizidversuche in gewissem Mabe Pl 
machen aber sowohl auf die Kranken wie auch au 
die Umgebung einen peinlichen Eindruck und ver 
größern bedeutend die Abneigung gegen die psy- FM 
chiatrischen Anstalten. f’ 

Die im Laufe von vielen Jahren in den von mil ~ 
geleiteten Anstalten gemachten Erfahrungen und F | 
Beobachtungen haben mich zur Überzeugung se- p i 
bracht, daß die Fenster mit geringfügigen Aus=} M 


nahmen ohne irgendwelche Veränderungen und Ab- 
$ eichungen von dem Normalen belassen werden 
1 können, d. h. sowohl ohne Gitter wie auch ohne 
besondere Konstruktion, unter folgenden Bedingun- 
gen: Die auf Flucht- und Suizidabsichten nicht ver- 
i dächtigen Kranken mit seniler Demenz, Hirnarterio- 
Isklerose, post laesionem cerebri, Amentia, Epilep- 
fa iker ohne Dämmerzustände, weiter Kranke, wel- 
Iche sich nicht bewegen können usw., befinden sich 
{in höheren Stockwerken. Die gleich nach der Auf- 
nahme unter spezieller Beobachtung befindlichen 
„sowie die zu Suizid- und Fluchtversuchen neigenden 
Kranken werden im niedrig gebauten Parterre be- 
[hal ten. Die Fenster besonders in den Parterreräu- 
men sollen mit starken, gut befestigten inneren und 
2‘ auch äußeren Fensterläden versehen werden, 
A velche beim Sonnenuntergange geschlossen und 


a 7 AbD A 


macht werden sollen. Was die tägliche Bewachung 
I betrifft, insofern sie besonders in den große’ offene 
F äume besitzenden Anstalten den Fluchtversuchen 
i der Kranken vorbeugen soll, hob ich bei einer ande- 


(i 


{ren Gelegenheit) hervor, daß sich die Bewachung 
„während des Spazierganges der Kranken nicht so 
viel auf einzelne Kranke wie vor allem auf. die 
“Grenzlinien des Spazierraumes beziehen und 
das Überschreiten dieser Grenzlinien kontrolliert 


die Badeeinrichtungen sowie eventuell auch 
"entsprechend eingerichtete Räume für Unruhige be- 
finden; nur müßten in den letzteren Räumen die 


‘) Die Diskussion in der Warschauer medizinischen 
esellschaft am 16. April 1912. „Pamietnik Towarzyst- 
a Lekarskiego Warszawskiego 1912 S. 143. 


z ö s 


[F 
# 
7 


HOEN 


beim beginnenden täglichen Wachdienste aufge- 


Am höheren Stockwerke Können sich auch“ 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT SF 


Fenster verändert sein. Sie würden aber infolge 
ihrer geringen Anzahl und besonders, wenn sie der 
weniger sichtbaren Seite des Gebäudes zugekehrt 
wären, keine größere Bedeutung für das allgemeine 
Aussehen der Anstalt haben. Die Anpassung eini- 
ger Fenster an die übertragbaren Gitter oder dich- 
ten Drahtnetze kann im Falle einer Überfüllung der 
Abteilung mit eine besondere Wachsamkeit brau- 
chenden Kranken nützlich sein; sie ermöglicht das 


A 

: 

A 

i 

a 
i 
4 


Behalten dieser Kranken in solchen Räumen, deren 
Fenster stets nicht verändert sind. 

Abb. 2 stellt ein solches in meiner Anstalt be- 
findliches übertragbares Fensterdrahtnetz dar, des- 
sen linke Hälfte zwischen zwei eisernen, gut be- 
festigten Winkeln eingelegt wird (1 = hinterer lan- 
ger, 2 = vorderer kurzer Winkel am oberen Fen- 
sterkopfe), die rechte Hälfte mit Stiften (3), Schrau- 
ben (4) unde Verschluß (5) befestigt wird. 


Die speziellen Löcher sowie die besonderen Ver- 
schlüsse in den Türen der Räume, in welchen 
sich Geisteskranke befinden, sind unnötig. In den 
für die von mir geleiteten Anstalten eingerichteten 
Gebäuden ließ ich in allen Türen gewöhnliche Ver- 
schlüsse bleiben. Wenn sich im Zimmer ein Kran- 
ker befindet, .welchem die ‚gewöhnlichen Ver- 
schlüsse nicht gelassen werden dürfen, und welcher 
besonders bewacht und beobachtet werden soll, so 


44 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT. 


wird die Türklinke weggenommen und:das geblie- 
bene Loch spielt die Rolle eines künstlich gemach- 
ten Loches. Wenn’ aber im Zimmer ein Kranker 
ist, von welchem ich weiß, daß er keine besondere 
Bewachung benötigt und von dem Türverschlusse 
keinen schlechten Gebrauch machen wird, so wird 
die Türklinke gelassen, und. die Tür unterscheidet 
sich dann von den Türen der normalen .Wohnge- 
bäude gar nicht. Die entsprechend konstruierten 
kleinen. Periskope, deren Modell anzugeben ich 


Abb. 3. 


wahrscheinlich Gelegenheit haben werde, können 
eine genügende Übersicht des Innern der bewach- 
ten Zimmer gewähren. — Die entfernten Türklin- 
ken können zum Aufmachen der Türe dienen,.wenn 
man nicht einen besonderen Schlüssel benützen 
will, wie ihn Abb. 3, in welcher 1 den Handgriff, 


LEN x 
-nE 
Er. 
| 


X. 
ra 


INA 


2 den vierkantigen Griff bezeichnet, in natürlich 
Größe darstellt. 


Die Zäune in den psychiatrischen Anstalte 
wirken bekanntlich auch entiremdend. Es ist ® 
doch oft notwendig, daß entweder der ganze Raum 
der Anstalt oder ein gewisser Raum einer od 
einiger Abteilungen in einer undurchsichtigen un 
für das Beschreiten schwierigen Weise abgesonden 
werden. Diesem Zwecke entsprechen in gewissen 
Maße zwei Reihen von Gewächsen mit dazwische 
aufgerichtetem Zaun aus Drahtnetz. In den Gärt 
nerbüchern werden für lebendige Zäune vor allen 
folgende Bäume und Gewächse empfohlen: vor 
Blätterbäumen Crataegus, Rhamnus, Robinia car 
gana, Fagus, Carpinus, Morus, Tilia, Ulmus, Aca 
Picea. | 


u. a.; von Nadelholz Thuya, Abies, 


Fe * 


Abb. 4 stellt meine mit Carpinus umgebene Pf 
vatanstalt dar. Ich füge hinzu, daß die lebendige 
Zäune aus Thuya das ganze Jahr hindurch unvet 


änderlich und gut undurchsichtig sind sowie schong tr 


au ssehen. 


Wichtige gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen auf dem 


Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. 


XVI. Folge. 


(Fortsetzung.) 


S 1569 BGB. 

Kläger hat Scheidungsklage aus $ 1569 BGB. er- 
hoben. Die Beklagte ist wegen Geisteskrankheit 
entmündigt. Sie hat im Zustande krankhafter Stö- 
rung der Geistestätigkeit, durch den ihre freie Wil- 


lensbestimmung gerade in bezug auf geschlechtlicht w 
Betätigung ausgeschlossen war, mehrfach EhebrudP” 
Die Vorinstanzen haben die Klage Au 
gewiesen, weil der Tatbestand des $ 1569 BGB. in 
sofern nicht erfüllt sei, als nach den Umständen dë A 


begangen. 


l 6: 


E 
s 
' 


b 


1921] - 
lies die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehe- 
deuten nicht als aufgehoben gelten könne. Die Re- 
“vision hatte keinen Erfolg. Aus den Gründen: 
"Der Gutachter, dem das BG. folgte, spricht sich da- 
i hin aus, Beklagte sei geisteskrank, weil sie nicht 


nur nach der Seite des Intellekts schwachsinnig 


į 


Bei, sondern auch darin ein hochgradiger Schwach- 
nn zum Ausdruck komme, daß ihr jede Willens- 
kraft zu einer geordneten Lebensführung fehle, 


i 


lebenso wie die Einsicht in das Verwerfliche ihrer 
Lebensführung. Das BG. meint mit dem ersten 
"Richter, der Kläger habe das geringe Maß der gei- 

tigen Gemeinschaft, das ihm hiernach die Beklagte 
zu bieten vermochte und jetzt noch zu bieten ver- 
Imag, bei der Eheschließung gekannt und sich damit 
wie auch in der Folgezeit begnügt. Es kann der 
Revision nicht zugegeben werden, daß der BR. 
hiermit den Begriff der geistigen Gemeinschaft 
A wischen Ehegatten, wie ihn $ 1569 BGB. im Sinne 
hat, verkannt habe. Diese äußert sich in der gegen- 
Beitigen Anteilnahme an dem, was das Leben der 
Eheleute erfüllt, namentlich an dem körperlichen 
Fund geistigen Wohle des anderen Gatten .und der 
etwa vorhandenen Kinder und an den sonstigen ge- 
1 einsamen Familienangelegenheiten, und hat sich 
‚durch Handlungen, die sich als Ausfluß des ge- 
7 einsamen Denkens und Fühlens der Ehegatten 
darstellen, praktisch zu betätigen. Da aus der 
I he der Parteien Kinder nicht hervorgegangen sind, 
und es bei den kurzen Zeiträumen ihres Zusammien- 


Noch kaum gekommen ist, beschränken sich hier die 
Angelegenheiten, auf die sich das gemeinsame Den- 
sen und Fühlen erstrecken kann, naturgemäß auf 
einen engen Kreis. Innerhalb dieses ist aber be- 
rifflich nicht ausgeschlossen, daß der Kläger die 
eistige Gemeinschaft mit seiner Frau pflegen 
könnte. 
iten gehört vielmehr eine weitgehende Nachsicht 
gegenüber dem anderen Gatten, und nur dann ist 
“anzunehmen, daß dessen geistige Erkrankung eine 
völlig innere Entfremdung herbeigeführt habe, wenn 
sich dem redlichen Willen des gesunden Ehegatten, 
gr as Eheleben mit gebührender Rücksichtnahme auf 
“das Leiden des anderen zu gestalten und fortzu- 


‘stigen enci schlechthin A TE sei. 
In anderen Fällen wird immer die Möglichkeit be- 
‚stehen, daß sich der gesunde Ehegatte im Wege der 
“Anpassung zu einer geistigen Gemeinschaft be- 


seins zur Errichtung eines ehelichen Hausstandes 


Zu den durch die Ehe begründeten Pflich- 


führen, in dessen Geisteszustande ein unüberwind- 


__PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE. WOCHENSCHRIFT _ 45 


fähigt. Mit dem allgemein: gültigen, in: den $$ 617 
Abs. 2, -622 Abs. 1 ZPO. zu besonderem Ausdruck 
gelangten Grundsatze, daß der Richter die Aufrecht- 
erhaltung der Ehen zu- fördern hat, würde es auch 
unverträglich sein, wenn er einem Bestreben des 


gesunden Teils, sich die geistige Gemeinschaft mit 


seinem: geisteskranken Ehegatten zu bewahren, 
irgendwie entzgegentreten würde. (R. w. R., Urteil 


des Reichsgerichts vom 8. Jan. 1920, 329/19 VI.) 


Jurist. WO Set 1920 S. 438. 


§ 1797 Abs. 1 Satz 2 BGB. 


Das: Vormundschaftsgericht des BGB. wird von 
dem Grundsatz der Selbständigkeit des Vormunds 
beherrscht. Der Vormund ist es, der unter eigener 
Verantwortung und ohne Mitwirkung des Vor- 


-~ mundschaftsgerichts den Mündel vertritt und für 


ihn handelt; dem Vormundschaftsgericht steht nur 
das Recht und die Pflicht zur Beaufsichtigung des 
Vormunds zu, und es kann kraft dieses seines 
Rechts wohl gegen Pflichtwidrigkeiten des Vor- 
munds durch geeignete Gebote und Verbote éin- 
schreiten, nicht jedoch ihm bindende Anordnungen 
für die Geschäftsführung erteilen. Dementspre- 
chend ist das Vormundschaftsgericht, bei der ihm 
nach $ 1797 Abs. 1 Satz 2 BGB zugewiesenen Ent- 
scheidung über einer Meinungsverschiedenheit der 
Vormünder. darauf beschränkt, der einen oder der 
anderen Meinung beizutreten, nicht aber kann es 
hinsichtlich dessen, was geschehen soll, Abänderun- 
gen treffen und so eine neue Ansicht aufstellen. 
(Oberlandesgericht Dresden, VI. Senat, 9. Nov. 
1918, 6 Reg. 116/18. — Sächs. Annal. 40, 39.) 


Jurist. Wochenschr. 1919 S. 1000. 


§ 2229 Abs. 2 BGB. 


. Aber jene Ausnahmevorschrift, die die im 
einen mit der Geschäftsfähigkeit zusammen- 
fallende Testierfähigkeit beschränkt, bezieht sich 
nach ihrem unzweideutigen Wortlaute nur auf ent- 
mündigte Geistesschwache, Verschwender, Trunk- 
süchtige und bestimmt, daß deren Unfähigkeit, ein 
Testament zu errichten, schon mit der Stellung des 
Antrags eintreten. soll, auf Grund dessen: die Ent- 
mündigung erfolgt. Sie kann aber auch nicht aus 
inneren Gründen entsprechend auf entmündigte 
Geisteskranke ausgedehnt werden. Denn indem 
die Vorschrift die an sich testierfähigen, aberwenig 
widerstandsfähigen Geistesschwachen .usw. 
gegen ungehörige Beeinflussung schützen will 
(Denkschrift zum BGB. S. 292), kann dieser Ge- 
sichtspunkt bei Geisteskranken um.  deswillen 
nicht ausschlaggebend sein, weil für diese die 


46 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Testierunfähigkeit nicht erst durch. die Entmündi- 
gung, sondern schon durch den allerdings oft schwie- 
rig. zu beweisenden Eintritt der mit Geschäftsun- 
fähigkeit verbundenen Krankheit begründet wird. 
(Stadtgemeinde E. w. D. u. Gen., Urteil des Reichs- 
gerichts v. 8. Mai 1919, 17/19 IV.) 

Jurist. Wochenschr. 1919 S. 724. 


$ 677 ZPO. 


Daraus, daß der Begriff „Kosten” im Sinne von 
§ 677 sich bestimmt nach dem allgemeinen von 
ZPO. Tit. 5 Abschn. 2 Buch 1, folgt weiter, daß zu 
den Kosten, die der Entmündigte im Fall der Wie- 
deraufhebung der Entmündigung zu tragen hat, ge- 
hören nicht nur die Kosten des sachlichen Wieder- 
aufhebungsverfahrens, sondern auch die Kosten des 
Verfahrens solcher prozessualen Akte, die lediglich 
der Vorbereitung des Verfahrens dienten oder nur 
‚nebenher stattgefunden haben, wie z. B. die Zu- 
 ständigkeitsbestimmung, auch der Beschwerde, so- 
fern es sich nicht um ein selbständiges vom Haupt- 
‚verfahren unabhängiges Verfahren handelt und in 
diesem über die Kosten der Beschwerde entschie- 
den ist. 

Nicht richtig ist, daß auch die Kosten der staats- 
anwaltschaftlichen Beschwerden, die weil zurück- 
genommen als eriolglose zu beurteilen sind, auch 
den Entmündigten treffen. Diese Kosten treffen 
vielmehr gemäß ZPO. $ 97 die Staatskasse. . .. 


(Oberlandesgericht Cassel, 17. Mai 1918, 1 W. 7/18.) 


Jurist. Wochenschr. 1919 S. 688. 


$ 51, 259 StGB. 


Dagegen geben die Feststellungen des angefoch- 
tenen Urteils, soweit sie sich auf den strafbaren Er- 
werb des Vortäters an den Sachen beziehen, die 
der Beschwerdeführer von seinem Logiswirt W. 
gekauft hat, zu rechtlichen Bedenken Anlaß. Es 
findet sich zwar auch hier eine ausdrückliche An- 
gabe in dem Urteil darüber, daß W. alle diese Wa- 
ren.... seinem Arbeitgeber G. in A, gestohlen 
hatte; eine vorgängige Verurteilung des Haupttä- 
ters setzt $ 259 StGB. auch nicht voraus, immerhin 
muß außer Zweifel gestellt sein, daß der Vortäter 
die Sachen mittels einer strafbaren Handlung 
erlangt hatte. In Anbetracht des sonstigen Urteils- 
inhalts ist dies aus den vorliegenden Feststellungen 
jedoch hier nicht mit Sicherheit zu entnehmen. In 
dem Urteil wird nämlich erwähnt, daß der Markt- 
helier W., gegen den die Untersuchung in dieser 
Angelegenheit wegen Rückfalldiebstahls bei dem 
Landgericht A. noch schwebt, sich zur Zeit zur 
Beobachtung seines Geisteszustandes in der Irren- 
anstält R. befinde. Danach scheint dem dortigen 


INr. 7 


Gericht die Zurechnungsfähigkeit des W. zweifel 
haft gewesen zu sein, und es mußte mit der Mög 
lichkeit gerechnet werden, daß W. bereits zu de 
noch nicht lange zurückliegenden Zeit der Weg 
nahme der Sachen sich in einem die freie Willens 
bestimmung ausschließenden Zustande krankhafte 
Störung der Geistestätigkeit befunden hat. Ba 
dieser Sachlage bedurfte es aber auch in dem Ver 
fahren gegen den Beschwerdeführer wegen Hehle 
rei einer ausdrücklichen Stellungnahme der Straf 
kammer zu der Frage, ob W. für den seinem Ar 
beitgeber gegenüber verübten Diebstahl verant 
wortlich gemacht werden kann, oder ob sein 
Schuld auf Grund des $ 51 StGB. zu verneinen ist 
Denn im letzteren Falle war eine strafbare Handlung 
überhaupt nicht vorhanden (RGSt. 11,56); die dem 
G. weggenommenen Spirituosen waren alsdann vol 
W. nicht mittels einer strafbaren Handlung er 
langt; es fehlte dann an einem wesentlichen Tat 
bestandsmerkmal der Hehlerei. Die einverständ 
liche Aufrechterhaltung des verbrecherischen Er- 
folges, die hauptsächlich von der Strafandrohung® 
des $ 259 getroffen werden soll, ist auch nicht denk.” 
bar, wenn der Haupttäter unzurechnungsfähig st 
RGSt. 35, 73.... Auch die Annahme der Ge 
wohnheitsmäßigkeit der Hehlerei ist nicht ausre- 
chend begründet. Die Strafkammer leitet aus dem 
in der Abnahme des gestohlenen Guts zutage ge- 
tretenen Bestreben des Angeklagten, sich auf solche 
Weise Vorräte anzusammeln, einen ihm innewols 
nenden Hang zur Hehlerei her. Zur Annahme der 
Gewohnheitsmäßigkeit genügt aber nicht ieder 
vielleicht nur vorübergehende Hang, nicht ein® 
bloße Geneigtheit, welche der Täter vermöge def 
Veranlagung seines Charakters oder unter dem 
Einflusse äußerer Verhältnisse der sich darbi 
tenden Gelegenheit oder dem sonstigell 
im Einzelfall wirksamen Anreize entgegenbringtp 
vielmehr ist ein durch Übung ausgebilfg 
deter, selbsttätig fortwir kenden 
Hang erforderlich, ein Hang, dessen Befriedi i 
gung dem Täter bewußt oder unbewußt zur Ge Ko 
wohnheit geworden ist. RGSt. 32, 394 (397) .. -fú 
Urteil vom- 15. Juni 1917. IV. 327/17. Jurist 
Wochenschr. 1918 S. 444. (Vgl. hierzu die Entschei 
dung des Reichsgerichts vom 18. Juli 1909. Psy- t 
chiatr.-neurolog. Wochenschr. XIII, 3.) {k 


$ 266 Abs. 2 StPO. E 

Einer besonderen Darlegung, daß die im StGB- a 

Ş 51 erwähnten Schuldausschließungsgründe nicht A 
vorliegen, bedarf es allerdings in der Regel nicht) k 
sie ist im allgemeinen in der Feststellung des Vo- 
Satzes schon begrifflich mit enthalten. Wenn abeng 


1921) 


in der Hauptverhandlung die Unzurechnungs- 
Fähigkeit als Umstand, der die Strafbarkeit 
= usschließt, besonders behauptet worden ist, 
Benügt diese einfache Feststellung nach dem Wil- 
den des Gesetzes nicht, es muß ‚vielmehr nach 
"StPO. § 266 Abs. 2 in den Urteilsgründen noch be- 
SSonders ausgeführt und festgestellt werden, daß der 
"Angeklagte nicht unzurechnungsfähig ist. Das Sit- 
Eunzsprotokoll läßt nun erkennen, daß der Verteidi- 
er eine dahingehende Behauptung aufgestellt, das 
ericht daraufhin sogar einen Sachverständigen 
iber die Zurechnungsfähigkeit des. Angeklagten 
’ernommen a Dann war es aber nach der zwin- 


E nmestänekeit noch Besondeis nicht nur mit- 
telbar und stillschweigend in der Feststellung des 
“Strafbaren Vorsatzes, auszusprechen. Nur dann 
ätte es einer derartigen besonderen Feststellung 


Daß dies aber geschehen sei, ist aus 


; = 


Essen: hätten. 


s ist erfreulich, daß der Abschied Alts aus 
seiner schönen Schöpfung Uchtspringe Herrn 


in entlich auch der wissenschaftlichen Bestrebungen 
in den Irrenanstalten erworben hat. Dem cor Auf- 


ln erster Linie ziköthmetn; und deshalb Wolle Herr 
Kollege Weber mir es nicht verübeln, wenn ich 


Springe zuerst die Bettbehandlung in Wachsälen . 
in weitem Umfange durchgeführt” worden sei. Das 
entspricht nicht den Tatsachen. Ich darf in dieser 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE. WOCHENSCHRIFT 


Dies mußte zur Aufhebung des Urteils führen. 


(Diese Zeitschrift Jahrg. 


(den Satz nicht gelten lassen kann, daß „in Ucht- 


4/ 


dem Protokoll und namentlich auch aus den Schluß- 
anträgen nicht mit Sicherheit zu entnehmen. So- 
nach ist StPO. § 266 Abs. 2 verletzt. Obwohl diese 
Vorschrift nicht ausdrücklich in der Revisionsbe- 
geründungsschriit angezogen ist und die sonstige 
allgemeine Bezugnahme auf StPO. $ 266 erkennbar 
nur dessen Abs. 1 ins Auge faßt, muß doch auch 
dieser Abs. 2 des § 266 als gerügt und die Rüge als 
ausreichend nach StPO. § 384 Abs. 2 begründet 
angesehen werden, da der Verteidiger- zwar auch 
hier in erster. Linie Verletzung des St.GB. 8 51 gel- 
tend macht, daneben aber doch darüber Be- 
schwerde führt, daß die Zurechnungsfähigkeit nicht 
ausdrücklich begründet worden sei. Es kann end- 
lich auch nicht für ausgeschlossen erachtet wer- 
den, daß das Urteil auf diesem Verstoße beruht, 
StPO. § 376, weil anderweit nicht erhellt, daß sich 
das Gericht über das Vorliegen der Zurechnungs- 
fähigkeit des Angeklagten schlüssig gemacht habe. 
(Ur- 
Reichsgerichts vom 13. Dez. ‚1918, : IV 
Jurist. Wochenschr. 1919 S. 192.. 
(Fortsetzung folgt.) 


teil des 
1121/18.) 


Zu Prof. Weber’s Dankworten an Konrad Alt. 


XXIL: Nr. 51-52 S. 385.) 


nationalen medizinischen Kongreß zu Berlin (Berl. 
klin. Wochenschr. 1890 Nr. 38) hinweisen, in wel- 
chem ich, entsprechend den von uns in Leubus ge- 
troffenen Einrichtungen, bereits für je 100 Kranke 
drei klinische Abteilungen zu etwa 20 Plätzen, in 
deren einer permanente Überwachung zu halten 
ist, als durchschnittliche Norm gefordert hatte. Das 
bedeutete die Durchführung der Bettbehandlung für 
60 v. H. des Bestandes und bei beispielsweise 400 
Kranken die Einrichtung von vier getrennten Wach- 
stationen. Das war einige Jahre vor Fertigstellung 
von Uchtspringe. Und in meiner dritten Arbeit über 
die Bettbehandlung im 50. Bande derLaehrschenZeit- 
schrift habe ich eine Zusammenstellung des bis da- 
hin auf diesem Gebiete anderwärts Geleisteten bzw.. 
Veröffentlichten gegeben, aus welcher Weber er- 
sehen kann, daß ihm in diesem Punkte ein Erinne- 
rungsiehler unterlaufen ist. 
Dr. Clemens Neisser- Kai. 


48 
M 


Mit Rücksicht darauf, daß es manchem nicht 
möglich ist, kostspielige Zeitschriften zu halten, 
wird die Psychiatrisch-neurologische Wochen- 
schrift von jetzt ab mehr als bisher auf schnelle 
und möglichst vollständige Berichterstattung über 
die Fachliteratur bedacht sein. Es wird daher 
gebeten, von Vorträgen und Aufsätzen immer 
recht bald einen kurzen Eigenbericht an die 
Schriitleitung zu senden. Dr. Bresler. 


— Gesellschaft Deutscher Nervenärzte. Die dies- 
jährige (XI.) Jahresversammlung der Gesellschaft Deut- 
scher Nervenärzte wird am 16. und 17. September in 
Braunschweig abgehalten werden. Das Referatthema 

„Der amyostatische Symptomenkomplex und ver- 
wandte Zustände‘. Referenten: Pollak, Wien, und 
Jakob, Hamburg, für den anatomischen, Bostroem, 
Leipzig für den klinischen Teil. — Anmeldungen von 
Vorträgen für diese Versammlung sowie von etwaigen 
der Versammlung zu unterbreitenden Anträgen werden 
bis zum 1. Juli anden 1. Schriftführer, Dr.K. Mendel, 
Berlin W,, Augsburger Straße 43, erbeten. EDER 


= — Provinz Brandenburg. Nach Neuregelung der Be- 
soldungsverhältnisse für die Brandenburgischen Provin- 
zialbeamten gehören die Assistenz- und Anstaltsärzte 
zur Gruppe X, die Oberärzte zur Gruppe XI des Be- 
soldungsplans, der dem für die unmittelbaren Staats- 
beamten entspricht. ` | 

Durch die Bildung der neuen Stadtgemeinde Groß- 
Berlin werden die aus den Vororten Berlins stammenden 
Geisteskranken usw. seit dem 1. Oktober 1920 den An- 
stalten der Stadt Berlin zugeführt, wodurch seitdem der 
Zugang an Kranken in den Brandenburgischen Landes- 
irrenanstalten erheblich zurückgegangen ist. 


— Berichtigung. In dem Artikel „Wie liquidiert 
der Psychiater und Neurologe nach der neuen preußischen 
Gebührenordnung“ (ds. Wochenschrift 3/4) muß bei dem 
1. Beispiel auf Seite 16 oben rechts auch die Gebühr 
für Beratung wegfallen. Im folgenden Abschnitt ist 
hinter „Verrichtungen” (Zeile 2) einzusetzen: „oder für 
mehrere Verrichtungen oder für Verrichtung und Zeit- 
versäumnis zusammen“. — Im Beispiel S.18 unter Nr. 1 
muß es heißen „da 2 bis 7 über 30 M betragen“. 

Dr. Rein. 


Buchbesprechungen. 


— Bregmann, Dr. L. E, Primararzt am städti- 
schen Krankenhaus Czyste-Warschau: Die Schlaistörun- 
gen und ihre Behandlung. 136 Seiten. Berlin 1920, S. 
Karger. 12 M. 

Eine sehr instruktive Darstellung. 
ist ein großer Raum gewidmet. 
hier 


Der Behandlung 
Auf Einzelheiten brauch: 
nicht eingegangen zu werden, 
— Lessing, Dr. med. et Berlin: 


phil. Oscar, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


U CeALLU.N er 


engeren Sinne vereinigt. 


[Nr. 7 


Innere Sekretion und Dementia präcox. 
63 Seiten. Berlin 1921, S: Karger. 4 M. 4 
Eine Übersicht über unsere bisherigen Kenntnis 
auf diesem Gebiet mit Schlußfolgerungen, Deutungs 
und Ausblicken, die aber über allgemeine Bemerkung 
(Störung des innersekretorischen Gleichgewichts) nich 
hinausgelangen. 
— Vogt, Cécile und Oskar: Zur Lehre der Erkrat: 
kungen des striären Systems. 220 S. Mit 9 Abb. im 
Text und 78 Doppeltaieln. Ergänzungsheft 3 zum Jour.f 
Psych. u. Neurol., Organ des Kaiser-Wilhelm-Instituts j 
Hirnforschung und des neuro-biologischen Instituts de 
Universität Berlin, Bd. 25, herausgegeben von A. Fort 
und O. Vogt. Leipzig 1920, Joh. Amir. Barth. Beson 
ders berechnet mit 180,00 M und Teuerungszuschläge $ 
Es werden 33 Gehirne beschrieben, welche bei patho 
logischen Veränderungen des striären Neuronet 
systems im engeren Sinne durch keine Ah 
deren Hirnerkrankungen verdeckte striäre oder pallidän 
Symptome dargeboten hatten. Diejenigen Neuronek 
gruppen, deren Erkrankung verwandte Symptom 
hervorruft, wurden zum striären System im 


Eine St dig 


Die Symptomatologie der einzelnen Fälle war aba w 
doch eine sehr verschiedene (Athetose — vollständig 
Versteifung), weil das engere striäre System Grisea val 
verschieden hoher Funktion umfaßt. Der Ausfall dé 
feineren Striatumfunktion führt zu fertgesetzten unwil 
kürlichen Bewegungen, derjenige der gröberen Pallidun 
iunktion zu von größter Bewegungsarmut begleitete 
Versteifung. Der engere Zusammenhang dieser beidel 
äußerlich sehr ungleichen Krankheitsbilder bekundet sid 
dadurch, daß im ‚Verlauf der einzelnen Erkrankung det 
Ausfall der Pallidumfunktion zu demjenigen der Str 
tumfunktion hinzutreten und so allmählich das. Kraúk 
heitsbild ganz beherrschen kann. Einseitige Erkrankun 
dieses Neuronensystems an irgend einer Stelle hat immer 
nur einen Ausfall der Striatumiunktion der betreffende 
Seite zur Folge. | 

Das Striatumausfallsyndrom (bei Status marmoralläfiss 
fibrosus, desintegrationis und großen alten Herden) SE 
durch folgende Symptome charakterisiert: I 

I. Striäre Akinesen, welche wenigstens eine Koni | 
ponente in der Armut des Mienenspiels sowie der Mii hl 
bewegungen, Positionsänderungen, Orientierungsbew en 
gungen, Schutz- und Abwehrreflexe darstellen und SO 
ferner vielleicht in einer gewissen Asthenie der im Ei 
zeliall betroffenen Muskeln äußern. 

Il. Inkoordinationen, besonders 
latur und im Gehen und Stehen. Lt 

II. Substriäre (pallidäre) Hyperkinesen, und zwan & 

a) unwilikürliche Bewegungen (choreatische Zacka x 
gen), eine ev. nur als Pseudobabinski auftretende Alk 
tose, Spasmus mobilis, Tremor; größtenteils steige x 
Ausdrucksbewegungen darstellende Mitbewegungie ioni 
Zwangslachen und Zwangsweinen, welche A 


in der Bulbärmustt e 


= 1. wohl immer willkürlich für den Augenblick unter- 
R drückt werden können, und 
= 2. durch periphere Reize und vor 
= gänge gemütlicher Natur hervorgerufen 
~ steigert werden, 

© b) hypertonische Zustände, 

“ 1. deren Dauer und Intensität noch nicht genügend ge- 
- klärt ist, weil wir über ganz reine Striatumerkran- 
; kungen nicht verfügen, 

T 2. die durch periphere und vor allem psychische, bei 
| feinerer Analyse wohl immer auf Emotionen zurück- 
zuführende Reize verstärkt, durch Dehnungsreize 
nicht ‚gesteigert,..durch nicht reizend wirkende pas- 
sive oder aktive Bewegungen aber sogar gemildert 
©. werden, 

= 3. entweder in spezifischer Form besondere Muskel- 
T — gruppen bevorzugen oder Agonisten und Antagoni- 
sten gleichmäßig befallen und 

"4. eine gewisse Abnahme der Muskelkraft oder 
=. wegungsverlangsamungen veranlassen. 

- IV. Vielleicht gelegentlich eine aikoreibloeisch 
noch ganz unklare Hypotonie und 

| V. das Fehlen anderer Störingen. 

Der Befund bestätigte durchaus die Auffassung der 
Autoren von einem Parallelismus zwischen architekto- 


‚allem seelische Vor- 
oder ge- 


‚Ein um denienigen der Striatumleistung vermehrter 
2 usfall der Palidumtfunktion oder wenigstens eine sehr 


Totalnekrose und des Status (dysmyelinisatus vor. 
ine Annäherung an diesen Zustand bilden schwere Des- 
integrationen des Pallidum. Alle diese Fälle zeitigten 
bei beiderseitiger Erkrankung eine dauernde schwere 
Versteifung. | 

i Es wurde in der Literatur kein Nachweis dafür ge- 
unden, daß eine auch nur‘ relativ reine Striatumerkran- 
kung derartig schwere Versteifung zur Folge hat. 


Í zwischen architektonischer und funktioneller Differenz. 


= Das Pallidum übt unter normalen Verhältnissen eine 
hemmende Wirkung auf subpallidäre Grisea aus. Es 


© Dièse. primitiven Kinesen des Pallidum erfahren 
ae das Striatum vor allem auf en De 


Eci ea Ep bebt. eine E eine i 
mär automatische. -Das Striatum ist beim Erwachsenen 
emn dem Palidum- übergeordnetes Zentrum für unser un- 


 willkürliches Mienen- und Gestenspiel, für automatische 


Hirnschnitten und Mikrophotographien) verraten, 


schung -der 
BE 


Auch im Pallıdum zeigt sich die Proportionalität 
Aus En weiteren er der vai über. 


‘SiOn. 
tenzschädigung der Erreger und Abnahme der Allergie 


einen mehr oder weniger akuten Verlauf nehmen. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT aD 


Mitbewegungen und Positionsänderungen, für Abwehr- 


und Schutzreflexe. 


Ein Teil dieser primären Automatismen wird -als 


eıementare Teilbewegungen in die höher koordinierten, 


kortikalen Willkürbewegungen aufgenommen. 

Striatum und Pallidum des Menschen haben durch- 
aus einen Cercopithecinencharakter - bewahrt. 

Der Raummangel gestattet leider nicht, hier weitere 
Einzelheiten wiederzugeben. Dies monumentale Werk, 
in dem die reichen Ergebnisse jahrelanger mühevoller 


Arbeit und Forschung geborgen sind, muß eben Seite für 


Seite und Bild für Bild sorgfältig studiert werden. Möch- 
ten sich recht viele diesem Studium widmen. 

Die 78 gewiß außerordentlich kostspieligen Doppel- 
tafeln (vergrößerte photographische Wiedergabe ‚von 
was 
auch nicht anders zu erwarten, vollkommenste Beherr- 
anatomischen und histologischen sowie re- 
produktiven : Technik. 

Cécile und Oskar Vogt haben sich mit die- 
sem Werk aufs neue den Dank aller sich für das schwie- 
rige Gebiet Interessierenden erworben und die: Gehirn- 
forschung um ein beträchtliches Stück vorwärts ge- 
bracht. B. 

— Gennerich,: Prof... Dr. Wilhelm, Kiel: Die 
Syphilis des- Zentralnervensystems, ihre Ursachen und 


ihre Behandlung. Mit .4 Textfiguren. ‚265 Seiten. Berlin, 
1921, J. Springer. 56 M. | 
Gennerich hat sich zur Aufgabe gesetzt, die Ent- 


wicklungsursache der meningealen Syphilis darzulegen 
und entsprechend den sich ergebenden Erfahrungen und 
Feststellungen die jieweilig geeignetste Behandlung an 
die Hand zu geben. 

Der erste Teil des Buches gibt Aufschluß über das 
Zustandekommen der- meningealen Infektion, seine Pro- 
vokation unter der Wirkung der verschiedenartigen Be- 
handlung und der Immunvorgänge. Die Einschränkung 
der Allgemeindurchseuchung‘ durch Therapie und Ab- 


wehrvorgänge betrifft nur in unzulänglichem Maße die 


schwer zugängliche meningeale Infektion: und lenkt daher 
die "Rückfallbildung vornehmlich in die meningeale Re- 
Die spezifische. Behandlung bewirkt ferner Viru- 
des Organismus, die naturgemäß der Giftigskeit und 
Quantität ‘der Erreger parallel geht. Der sich hieraus 
ergebende Fortbestand des Sekundarismus beschränkt 
einmal die Spontanheilungsvorgänge und wird letzten 
Endes zur Ursache der. Metalues, weil die Pia durch 


die chronische sekundärsyphilitische Infiltration allmäh- 


lich. zerstört wird und nicht in der Lage ist, dem an- 
drängenden Liquor ausreichenden Widerstand entgegen- 
zusetzen. Hierzu würde nur eine gummös verdickte Pia 
imstande sein; ein gummöser Prozeß würde indessen 
Gen- 
nerich schließt den ersten Abschnitt mit der Feststellung, 
daß die Abnahme des. Tertiarismus und die Zunahme der 
Metalues mit der spezifischen Behandlung zusammen- 


hängt, 


Der zweite Teil bringt (die Ursachen der verschiede- 


u į 
FA NIN > 
sted by > Q 25 | C 


nen Lokalisationen der einzelnen meningealen Prozesse. 
Bei der Anlage der meningealen Infektion und in den 
ersten Krankheitsstadien überwiegt die basale Lokali- 


= sation, ı Hier kann das Virus auch späterhin verankert 
bleiben bei .tertiärem Charakter der Infektion. Bei se- 
3% Ne kundärem Charakter kommt es jedoch durch die Liquor- 
IR erschütterung zur. allmählichen Dislokation des Virus an 
PL der Peripherie des Lumbalsacks (vorzugsweise Vorhirn 
zn und hintere Wurzein). 

a, Seren In dem ‚dritten Teil werden die pathologisch-anato- 
Dr mischen Veränderungen besprochen. Neu ist Gennerichs 
er Erklärung der metalwetischen Veränderungen durch den 
= Eintritt des Liquors in die chronisch entzündlich ver- 
pen änderte Pia und das: Nervengewebe. Im letzteren wird 


der. Gewebssaft derart verwässert, daß die Nerven- 
zellen ausgelaugt werden und degenerieren, die entzünd- 
liche Exsudation ausgewaschen wird, und schließlich die 
| Spirochäten in das degenerierte Parenchym eindringen 
= umd hier einen geeigneten Nährboden finden (Menin- 
Ke gitis serosa infectiosa). Der Einbruch des Liquors wird 
2 2 durch geringe Druckunterschiede zwischen Liquor und 
A dem Gewebedruck der Rindenpartien gefördert. Bei der 
Tabes spielen sich die meningitischen- Ver ae a 
an den hinteren Wurzeln (Bresowski) ab, hie 
kommt es auch schli eßlich zum Einbruch ‚des T 
der den angelegten Lymphbahnen folgend im Strange 
hochsteigt und hier die gleichen Gewebsschädigungen 
und Einschwemmung der Spirochäten hervorruit, wie 
bei Meningoencephalitis serosa infectiosa, die der Para- 
iyse zugrunde liegt. 

Der vierte Teil ist der Klinik der meningealen Sy- 
philis gewidmet. Besonders ausgiebig wird hier die 
Myelitis behandelt, und zwar ihre Lokalisation, biologi- 
schen Verhältnisse und WäEntwicklungsvorgänge Die 
degenerativen Formen sind der Metalues zuzurechnen, 
weil es auch hier analog den Beobachtungen bei der 
Tabes zum Eindringen des Liquors in das Rückenmark 
und entsprechend seiner Ausbreitung zur’ auf- und ab- 
steigenden Faserdegeneration kommt. 

Im Anschluß an den klinischen Teil wind ‚die Liquor- 
| diagnostik ausführlich behandelt, die Untersuchungsme- 

thoden beschrieben, und die Beurteilung der Liquorbe- 

funde im Rahmen des klinischen Bildes ausführlich be- 

sprochen. 
Im fünften Teil wird die Behandlung der Syphilis 
des C. N. unter Zugrunđelegung zahlreicher Krank- 
heitsgeschichten beschrieben. Technik und Aufbau der 
. AllgemeinbehandJung ‚mit Hg und Salvarsan werden Kurz 
besprochen. Das Amwendungsbereich der Allgemeinbe- 
handlung betrifft vorwiegend die frischen Stadien der 
meningealen Syphilis, soweit sich hier bei genügend 
hoher Dosierung und ausreichender Kurdauer ein gün- 
stiger Konzentrationsausgleich zwischen dem Salvarsan- 
spiegel des Blutes und der meningealen Oberfläche er- 
zielen läßt. Die nur einseitige Blutzufuhr zur menin- 
gealłen Oberfläche und ihre Berührung mit dem Liquor 
sind für eine ausreichende . Salvarsanwirkung auf die 
meningeale Oberflächeninfektion sehr hinderlich. In 
einzelnen Fällen läßt sich bereits im ersten Infektions- 


| _PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


` Jassen sich 


| Allgemeinbehandlung. nicht mehr zu assanieren, weil si 


 endolumbale Salvarsanbehandlung am Krankheitsht 


bie, 
jahr durch gute Salvarsanbehandlung ‚die Entstehung u l 
Fortentwicklung meningealer Prozesse nicht verhis der 

Bei den älteren Stadien der latenten meninge 
Entzündung führt die Allgemembehandlung nur- p 
dann zum Ziel, wenn die Liquorveränderungen nicht h 
sonders hochgradig sind. Das gleiche ist auch oftb 
Lues cerebri der Fall, besonders wenn gummöse Pr 
zese vorliegen. 3 

Alle hartnäckigen und aketen meningealen Prozess 
bedürfen gleichzeitiger endolumbaler Salvarsanbehan 
lung, deren Technik und allmählicher Ausbau ausführlid ; 
geschildert werden. Bei planmäßiger Durchführur 
dieser Methode lassen sich sämt)iche latenten mens 
gealen Prozesse definitiv beseitigen, so daß sie zur Pro 
phylaxe der Spätsyphilis des C. N. S. von größter Be 
deutung ist. Auch die klinischen Ausfälle jeglicher An 
soweit sie auf meningealen Entzündungsvorgängen be 
ruhen und noch nicht der Metalues zuzurechnen sin 
in allen Stadien des Prozesses am schnel 
sten durch gleichzeitige endolumbale Salvaranbehan 
lung- zur Rückbildung bringen. $. 

Die chronische syphilitische Meningitis und Meni g 
enzephalitis (inkl. ihrer*latenten Vorstadien) mit hohe 
Eiweiß- und Wassermannwerten sind durch ale ng f 


hier bereits Diffusionsvorgänge in der Pia abspielen, i ii: 
das auf dem Blutwege dorthin gelangende Salvarsai 
bereits verwässern. 4 

Bei der Behandlung der Metalues kommt der intra 
venösen Salvarsanbehandlung nur eine beschränkte Wir 
kung zu, weil das in den Krankheitsherd gelangend 
Salvarsan fortlaufend durch den eindringenden Liqu 
um ein Vielfaches verwässert wird, und zwar um% 
mehr, je näher der meningealen Oberfläche. Auch dé 
endolumbalen SalvarsanbehandJung kommt bei der Metas 
lues nur eine bestimmte Tiefenwirkung zu, so daß $ 
weiter fortgeschrittene, tiefer gelegene Herde nicht mei 
zu erfassen vermag. Sowohl bei Paralyse, wie W 
Rückenmarksaffektion müssen sich intravenöse um 


begegnen. Bei der Paralyse lohnt sich nur die Beha d 
lung der inzipienten Fälle; über die Zweckmäßigkeit dë D 
spezifischen Behandlung entscheidet aber häufig nur def ik 
therapeutische Versuch. Am dankbarsten ist die endogas 
lumbale Behandlung bei der Tabes, doch gilt auch ie 
die Einschränkung, daß sie nicht mehr in alien Fällen f ü 
wendbar ist. Einzelheiten über Indikation und Dosieruspat 
müssen im Original nachgelesen werden. $ 

Von allergrößter Bedeutung sind die Beobachtung®% 
welche bei der endolumbalen Behandlung der Paraly® 
gemacht worden sind. Durch Hineinpressen groben 
Liquormengen (150 bis 200 ccm) vermag man ganz akut 
Verschlimmerungen und eine Vertiefung des Krankheit 
bildes zu erzeugen, die schlagartig nach jeder derartige 
Maßnahme zutage tritt. Solche Exazerbationen lasse a 
sich aber wieder zurückbilden, wenn man ein Drittel bisi ii 
die Hälfte der entnommenen Liquormenge fortgießt u % 
den Rest nur unter geringem Druck einfließen jäht. f 
Außerdem ist es gelungen, bei Tabikern mit sohwerei 


ein der Paralyse ähnliches 


ER grebriacht ee) en es Fall nahm 
Diese Beobachtungen 


k 
Völlig den Verlauf der Paraiyse). 


geten Beweiskette für die ursächliche Bedeutung der 
Kiquordiffusio on ins Nervengewebe bei.der Metalues. — 


© Das Krankenmaterial, welches den ‚Untersuchungen 
"Zugrunde liegt, umfaßt annähernd 8000 Fälle und wurde 
ET. bis zu 12 Jahren beobachtet und gründlich nachun- 
A ersucht. Verf. hat auf diesem dunklen Gebiet mit seinen 


ahlreichen, ebenso mühe- wie verdienstvollen Unter- 


[Suci chungen bereits vielfach Aufklärung geschaffen und neue 
IWege gezeigt, und es muß sehr willkommen geheißen wer- 
=» daß er unsin.: diesem Werk mitıden a en im Zu- 


sorgfältig studiert hat, wd man wird sich ‚dann dessen 
bewußt, daß die richtige Durchführung der syphilitischen 
handlung viel schwieriger ist als es bisher schien. 
(Einer besonderen Empfehlung bedarf daher dieses epoche- 
SMachende Werk nicht. 

= Cassirer, Prof. Dr. R. Berlin, Krankheiten 
les Rückenmarks und der peripherischen Nerven. Mit 
iner Abbildung. ‚157 S. 11. Heft von: Diagnostische 
ind therapeutische Irrtümer und deren Verhütung; 
‚innere Medizin; herausgeg. von Prof. Dr. J. Schwalbe, 
Ae Seh. Sanitätsrat in Berlin. 
1 eorg Thieme. Geh. 17,60 M. 

ii Das behandelte Gebiet ist, wohl: dasjenige der Medi- 
jzin, auf dem die meisten Irrtümer möglich sind, aber 


Ye 

icht allein, wie Verf. in der Einleitung bemerkt, wegen 
mangelhafter Untersuchungstechnik und wegen fehler- 
hafter Bewertung der an und für sich richtig erkannten 


ee: Krankheitszeichen , i: sondern icht; minder 


Jafür bürgt schon seine Autorität und Erfahrung. 

Sehr nützlich ist auch das ausführliche Sachregister. 
” Man hat eingewendet, daß eine solche gesonderte 
; Darstellung der „diagnostischen und therapeutischen 
Irrtümer” überhaupt nicht zweckmäßig sei. Ich kann 
“dem nicht beipflichten. EEE 
L — Erich, Alfred, Deutsche Nacht. Gedichte. 34 
Seiten. Freiburg i. Br. 1920, J. Bielefelds Verlag. 

= Es ist die schmerzvolle Klage eines Fachkollegen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Leipzig 1920, Verlag von. 


“Prof: Dr. Hoche in Freiburg i. B.) um den Sohn, der den 


5l 


Heldentod fürs Vaterland gestorben ist und in fremder 
Erde ruht. 
„Dir ward kein Stein MR fremden Land; 
nichts konnte dir die Liebe schenken, 
kein schmales Kreuz, kein Blumenband; 
so tragen wir in leerer Hand 
dies Gedenken.’ 

— Uhlmann, Dr. R, Fürth i. B.: Die semiotische 
Bedeutung des Reststickstoffs für die Beurteilung der 
Nierenerkriankungen und der Urämie.. Würzburger Ab- 
handlungen a. d. Gesamtgebiet der Praktischen Medizin 
Bd. 20 Heft 1-3. 66 S. 1920. Einzelpreis 450 M. 

Eine bereits 1914 zum Abschluß gebrachte Studie 
aus ider inneren Abteilung des Jüdischen Krankenhauses, 
die sich an Strauß’, Volhards und andere Arbel- 
ten 'anreiht und sehr übersichtlich ist. Bezüglich der 
Frage, welches Moment der Stauung es ist, das: bei 
Arteriosklerotischen Delirien hervorruft, ob schlechte 
Zirkulationsverhältnisse im Gehirn oder Vergiftung auf 
dem Umweg der Niere, bemerkt U., daß der Reststick- 
stoff der Patienten mit diffuser Arteriosklerose zwar an 
der oberen Grenze des Normalen steht, daß er aber — 
auch im Zustand (der Herzdekompensation und zur Zeit 
ser Verwirrtheitszustände — sich nicht genügend über 
die Norm erhebt, um Niereninsuffizienz als Ursache der 
Zerebralstörungen annehmen zu Jassen. 

Andererseits kann Niereninsuffizienz — ohne Arte- 
riosklerose — zu dem gleichen kinischen Bild führen. — 
Auf die Unterscheidung der Labilitätsurämie (ohne Nie- 
reninsuffizienz) und der eigentlichen Urämie (infolge Nie- 
reninsuffizienz) wird näher eingegangen. Bei letzterer 
verrät die Größe (des Reststickstofis die Größe der 
Gefahr einer Intoxikation, während sie über die Form 
derselben nichts aussagt, die von der individuellen 
Toleranz und von der Zusammensetzung dies 
Restistickstoifs abhängt. 


Personalnachrichten. 


— Provinz Brandenburg. Unter dem ärztlichen 


_ Personal der Brandenburgischen Provinzialanstalten sind 
y in der letzten Zeit folgende Veränderungen eingetreten: 


' Ausgeschieden sind die Assistenzärzte: Dr. Stephan 
von der Landesirrenanstalt Landsberg, Dr. Bilke von der 
Heilanstalt Schweizerhof in Zehlendorf. - age 

Neu eingetreten sind aus den abgetretenen Ge- 
bieten die Oberärzte: Dr. Birnbaum bei der Landes- 


'irrenanstalt Landsberg, Dr. Joachim bei der Landesirren- 


anstalt Teupitz, Dr. von Domarus bei der Landesirren- 
anstalt Sorau und Dr. Floegg bei der Landesirrenanstalt 
Neuruppin. 

Befördert wurden zu Oberärzten die Anstaltsärzte: 
Dr. Hallervorden an der Landesirrenanstalt Landsberg, 
Dr. Sitzler an der Landesirrenanstalt Eberswalde und 
Dr. Zimdars an der Idiotenanstalt Lübben. 


Versetzt worden sind: Die Oberärzte Dr. Schott 
von der Landesirrenanstalt Sorau an die Heilanstalt 
Schweizerhof in Zehlendorf, Dr. Hagemeister von der 
Landesirrenanstait Neuruppin an das Wanderarbeitsheim 


52 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT Ne 


und die Pilegeanstalt Treuenbrietzen, Dr. Heise von der frühere Direktor der westpreußischen Heil- ui 
letzterer Anstalt an die Landesirrenanstalt Teupitz und Pilegeanstalt Schwetz a. O., Sanitätsrat Dr. He 
Dr. Petzsch von letzterer Anstalt an die Landesirren- vertretungsweise beschäftigt. 
anstalt Neuruppin; ferner der Anstaltsarzt Dr. Dorner ` Den Oberärzten Dr. Hans Schulze an der Lang 
von der Schul- und Erziehungsanstalt Strausberg an die irrenanstalt Sorau und Dr. Schmidt an der Provini 
Idiotenanstalt Lübben. anstalt für Epileptische in Potsdam ist das Verdien 

In der bisherigen Stelle des Dr. Dorner wird kreuz für Kriegshilfe verliehen worden. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnummern. 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 
Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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Dreiundzwanzigster Jahrgang. | | a Nr. 9/10. 1921/22. 


Psychiatrisch-Neurologische 
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Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 


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Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rät Dir. Dr. 


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9/10. 


Bezugspreis: 
M 7,50 für das Vierteljahr, die 
Abonnementspreise für das Aus- 
lañd werden nach der vom Deut- 
schen Buchhandel vorgeschrie- 
{f benen Verkaufsordnung für das 
i| Ausland berechnet. Zu beziehen 
i durch jed. Buchhandlung, d. Post 
u. unmittelbar vom Verlage. Er- 
scheint bis auf weiteres vier- 


(GE in Doppelnummern. 


cobi, Jena.‘ (S. 53.) 
Schema. Von Dr. Arthur Adler. 
- Mitteilungen. (S. 61.) 


Referate. 


4 Von Dr. Walter Jacobi, Assistenzarzt 


Z A m2. Februar 1920 wurde ein zartes, schwäch- 
> N PERS Mädchen Sue ‚dem 


Die Mutter der Patientin berichtete, daß sie nur 
dies eine lebende Kind besitze, und daß sie zwei 
Fehlgeburten durchgemacht habe. Ihr Mann sei 
39 Jahre alt an einer Geisteskrankheit gestorben. 
Ponst sei die Familiengeschichte ohne Belang. 
Die Geburt der Patientin sei normal gewesen. 
Sie habe da: Kiné sechs Wochen lang gestillt, dann 
habe sie es von der Brust abgesetzt, weil sie zu 
sSchwächlich zum Stillen gewesen sei und der Arzt 
ar geraten habe das Kind künstlich zu ernähren. 
Die weitere Kindheitsentwicklung verlieft normal: 
Keine Säuglingskrankheiten; rechtzeitige erste 
Dentition; keine Rachitis; rechtzeitiges Erlernen 
von Gehen und Sprechen; keine kindlichen Schlaf- 
Störungen; kein Pavor nocturnus, kein Somnam- 


É. 
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Dr. v. Olah, Budapest, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E: Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Vocke, Eglfing b. München. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: | 
Johannes Bresler. Kreuzburg (Oberschlesien). 


4. Juni 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 
Postscheck: Leipzig 32070. 


Inhalt: Psychische Störungen bei marantischer Sinusthrombose im Anschluß an Diphtherie. 
w Ja — Irrenärztlicher Erholungsurlaub. (S. 
(S. 58.) — Medizinische Traumdeuterei. 
(S: 62.) — Buchbesprechungen. 


(Direktor: Prof. 


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Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzie. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat Dr. Beyer, Roder- 


Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir, Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 


San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. 
Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. 


Lehmann, _ 
H. Schlöß, 


Prof. Dr. H. Vogt. Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
I mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 
laß gewährt. 


Von Dr. Walter 
56.) — Ein psycho-pathologisches 
Von Dr. Adolf Hoppe, Rinteln. (S. 58.) 
(S. 62.) — Therapeutisches. (S. 63.) 


Marhold Verlag Hallesaale 


Psychische Störungen bei marantischer Sinusthrombose 

im Anschluß an Diphtherie. 
der Psychiatrischen Universitätsklinik Jena 
Dr. Berger). 


Lulismus; keine Enuresis nocturna; keine Kinder- 
nervenkrankheiten; kein Trauma. Mit fünf Jah- 
ren machte sie eine schwere Grippe durch, die sie 


. glücklich überstand. Seit dem vierzehnten Jahre 


Menses; seitdem aa E Dauer vier bis fünf 
Tage. 

Vor dem 24. Januar 1920 bot die Kranke nie- 
mals ein: auffälliges Benehmen, einge immer ihrer 
Arbeit nach und lebte glücklich und harmonisch 
mit ihrer Mutter und ihren Bekannten. Am 24. Ja- 
nuar 1920 bekam sie starkes Fieber, legte sich 
aber nicht zu Bett, sondern hielt sich nur in der 
warmen Stube auf. Sie war etwas aufgeregt, 
weinte und behauptete, nicht schlafen zu können. 
Am 29, Januar 1920 wurde der Zustand ernster, 
so daß sich die Kranke zu Bett legte. Sie fing 

„dauernd dummes Zeug zu reden”, warf sich 
im Bett umher und sagte: „Wenn ich nur schlafen 
könnte”. Sie weinte laut und ‚sprach durchein- 


54 _________PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT. IN. 9 


ander”. Auch nahm sie nur noch etwas Milch 
und Apfelmus zu sich. Am 30. Januar 1920 wurde. 
der Arzt gerufen, der Schlafmittel verordnete, die 
aber keinen Schlaf brachten. | 


Untersuchungsbefund (3. Februar 1920). 


Es handelte sich um ein 147 cm großes, 53 Pfund 
schweres, graziles, schwächliches Mädchen in 
mäbigem Ernährungszustand mit fieberhaft gerö- 
teten Gesichtszügen und grazilem Knochenbau. 

Die Lippen waren rissig, mit Borken belegt, 
Gaumen und Halsorgane, die eine geringe entzünd- 
liche Rötung aufwiesen, waren mit grau-schmutzig, 
eitrigem Schleim belegt. Über sämtlichen Lun- 
genabschnitten, besonders über den Spitzen war 
heller Klopfschall und hauchendes Atmen, über den 
abhängigen Partien waren vereinzelte bronchiti- 
sche Geräusche zu hören. Die Herzdämpfung war 
gehörig, die Töne waren mittellaut, rein. Der Puls 
war sehr beschleunigt, kaum zu zählen, weich, 
fadenförmig und unregelmäßig. Der Leib war 
leicht kahnförmig eingezogen, aber frei von druck- 


empfindlichen Stellen oder abnormen  Resisten- 


zen. Die Temperatur betrug, in der Achselhöhle 
gemessen, 38,5°, der Blutdruck 116. Der Urin war 


frei von Eiweiß und Zucker, sowie krankhaften 


Formbestandteilen. Die Leistendrüsen und die 
übrigen fühlbaren Körperdrüsen waren nicht ver- 
härtet oder vergrößert. Sonst war der körperliche 
Befund ohne Besonderheit. 

Eine Untersuchung am Nervensystem konnte 
bei der motorischen Unruhe der Patientin nur teil- 
weise durchgeführt werden: Hautnachröten war 
deutlich vorhanden, die mechanische Muskelerreg- 
barkeit war gesteigert. Ellbogen-, Knie-, Achilles- 
phänomen waren beiderseits lebhaft, gleich. Der 
Plantarreflex war links wie rechts lebhaft. Patel- 
lar- und Dorsalklonus bestanden nicht. Der Bauch- 
deckenreflex war in sämtlichen Segmenten auslös- 
bar. Das Babinskische Phänomen bestand nicht, 
ebenso fanden sich keine anderen Zeichen, die auf 
eine Erkrankung der Pyramidenbahn hindeuteten. 
Beide Sehlöcher waren übermittel weit, gleich; 
reagierten prompt und ausgiebig auf Lichteinfall 
und Nahesehen. Gesicht und Gaumen wurden sym- 
metrisch innerviert, der Würgreilex war auslös- 
bar. Ein weiterer neurologischer Befund war nicht 
zu erheben. 

Bei der Aufnahme mußte die motorisch äußerst 
erregte Patientin auf die Abteilung getragen wer- 
den. Sie mächte einen fieberhaft verwirrten Ein- 
druck. Das Mienenspiel war wohl unter dem Ein- 
fluß lebhafter Sinnestäuschungen äußerst bewegt. 
Bei ängstlicher Stimmungslage sprach die Kranke 


bar war, an Fülle und Kraft. Überhaupt trat ei P 


‘auf Schlafmittel, mit denen nicht gespart wurd 


8. Februar einige äußerst Di-verdächtige Membri 


> 
W 


in heiserem Tonfall bruchstückweise unverstäni 
liche Worte vor sich hin. Allen passiven Bew 
sungen wurde in den Gelenken ein leicht Spas 
scher Widerstand entgegengesetzt. | 

Sie war sauber mit Kot und Urin, Verweigg 
aber jede Nahrungsaufnahme. 

Ein Bild über die intellektuellen Fähigkeiten? 
gewinnen, war bei dem Zustand der Patient 
natürlich ganz unmöglich. f 

Wir glaubten zunächst, daß wir es mit ein u 
schwer Grippekranken zu tun hätten. Auffallenpia 
jedoch war ein merkwürdig stridoröses, pfeifend 
Atmungsgeräusch, das auf eine Kehlkopfstena 
hinwies und an eine tiefsitzende Diphtherie de 
ken ließ. Aus dieser Erwägung heraus injiziert 
wir der Patientin 3000 J. E. Di.-Heilserum in 
venös, nachdem sie sofort nach ihrer Aufnahme 
zweistündlich Koffein und Kampier erhalten hatt 
Nach der Seruminjektion fiel das Fieber staiid 
förmig zur Norm ab; auch gewann der Puls, úi 
anfangs sehr weich, beschleunigt und kaum fl 


Besserung des anfangs bedrohlichen Zustandes eif gn 
' Am 5. Februar stellte sich unter Ansteigen dE7 
Temperatur eine neue Woge motorischer Er 
gung ein. Die Kranke war vollkommen verwi, 
zeitlich und örtlich desorientiert und motorise 
äußerst unruhig. Sie stieg aus ihrem Bett, im 
planlos im Krankenzimmer umher und reagie” 


kaum. Die Nahrungsaufnahme war auch weit 
hin sehr schlecht. E 

Inzwischen war vom bakteriologischen Inst 
der Bescheid eingetroffen, daß im Tonsillenabstriäe 
der Kranken, die wir vorsichtshalber isoliert hat 
ten, keine Di.-Bazillen nachgewiesen seien. | 

In der Folgezeit nahm der spastische Wide 
stand‘ in den Gelenken zu, die Benommenlitife 
wurde zusehends tiefer, die Kranke lag oft mei 
würdig steif zu Bett, streckte beide Beine st 
in die Luft, machte merkwürdig kataton anmuten& 
Bewegungen und stammelte leise flüchtige, schw” 
zusammenreimbare Worte vor sich hin. Aufl p 
lend blieb bei der Kranken auch weiterhin Gap 
merkwürdig pfeifende Atmungsgeräusch und ZU 
weilen ein kurzes, hart klingendes Hüsteln, A 
versuche sie bei schwachen Körperkräften ein d 
Atmung erschwerendes Hindernis zu beseitigoigi 
So blieb klinisch der Verdacht auf eine tiefsitzend X 
Diphtherie, etwa eine solche der Bronchien DE 
bestehen und tatsächlich hustete die Kranke f 


nen aus. In diesen konnten nunmehr spärlici@ 
Di.-Bazillen nachgewiesen werden. Daraufhin I 


druck einer Hebung des Allgemeinbefindens, ohne 
daß die Temperatur beeinflußt wurde. Der Puls, 
dder zuvor förmlich unter den Händen entglitten 
war, wurde wieder zählbar, wurde auch etwas 
uhiger, voller und gleichmäßiger., Die Apathie, 
idie auf die motorische Agitation gefolgt war, hielt 
aber an. Die Kranke lag meist stuporös zu Bett, 
‚wurde nur zeitweise unruhig und lallte dann ein 
ii jaar unverständliche Worte vor sich. hin. 


j K Vom 7. Februar ab hatten wir die Patientin 
izweimal täglich mit der Sonde gefüttert, uns voll- 
‚kommen bewußt, daß hierdurch unter Umständen 
eine Verschleppung der Diphtherie hervorgerufen 
werden könnte. Doch schien uns bei dem herun- 
ikergekommenen Kräftezustand des Mädchens eine 
E Indikation zur Sondenfütterung vorzuliegen. 


W Unter-agonaler Temperaturerhöhung auf 40,1" 
trat am 12. Februar der Tod ein. Wir befürchte- 
iten, bei dem schwer benommenen Zustand der 
Patientin eine Aspirationspneumonie hervorgeru- 
Wen zu haben. 
jun Klinisch wurde die Diagnose: Descendierende 
"Kehlkopfdiphtherie mit Fieberdelir gestellt. 
Es ergab sich folgender Sektionsbefund, 
Mer vom pathologischen Institut Jena (Prof. Dr. 
ik össle) erhoben wurde: Postdiphtherischer Zu- 
Stand. Geringe rezidivierende Membranbildung in 
inem Hauptbronchus. Thrombose des Sinus lon- 
Bitudinalis und der anschließenden pialen Venen 
mit Fortsetzung des Thrombus bis in die linke 
ugularis. Thrombose in rechter Unterlappenar- 
terie. Geringe Lungenblähung. Zeichen von Läh- 
aungs- oder Erstickungstod: Fast flüssiges Blut; 
kchymosen der Pleura; Hyperämie der Nieren 
"ind der Milz. Toxische Nebennierenschwellung. 
“Eben beginnende terminale hypostatische Verdich- 
“ung der Unterlappen. Geringes Lungen- und 
Merzödem. Obliteration des Wurmfortsatzes. 
Agonale Invagination im oberen Dünndarm. 
‚ Schädel: Äußere Bedeckungen ‘ergeben nichts 
"Besonderes. 
d Diploe ist überall erhalten. 


Duta: <0. 2; 


Die Gefäße der Pia sind mit Blutgerinnseln außer- 


fen be ee und en Gefäßen Blut- 
Diröpfe mit teilweise deutlicher Schichtung. 
Pia sieht man, besonders über dem rechten Schei- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Der Schädel sägt sich leicht, ist recht 


In der 


tellappen und über dem linken Scheitel- und Hin- 
terhauptlappen, flächenhafte dunkelrote Blutaus- 
tritte. Im übrigen ist an den Hirnhäuten nichts 
Besonderes. An Nerven und Gefäßen der Basis 
ebenfalls nichts Krankhaftes zu bemerken. Bei 
Herausnahme des Gehirns entleert sich reichlich 
Liquor, der mit Blut vermischt ist. 

Rückenmark in seiner Konsistenz sehr weich, 
auf der Schnittfläche stark feucht, die Zeichnung 
wie gewöhnlich. Blutgehalt mäßig. Gehirnge- 
wicht 1180 g. 

Die in unserem hirnanatomischen Laboratorium 
(Herr Schuchardt) vorgenommene weitere 
Untersuchung des Gehirns ergab, daß es bei dem 
jungen Mädchen infolge der hochgradigen, durch 
die umfangreiche Sinusthrombose hervorgerufenen 
Stauung zu ausgedehnten Blutungen in den Sub- 
arachnoidealraum, in die Rinden- und  Marksub- 
stanz, besonders in deren periphere Teile gekom- 
men war. Aber auch in den Zentralganglien fan- 
cen sich einzelne Blutpunkte; ausgedehntere Blut- 
herde wurden dagegen nirgends im Gehirn aufge- 
tiunden. Ebenso wurden keine Bilder angetroffen, 
die auf enzephalitische Prozesse hinwiesen. 


Man hat sich also wohl vorzustellen, daß es bei 
dem körperlich schwächlichen Mädchen im An- 
schluß an die Diphtherie und die dadurch bedingte 
Herzschwäche zu ausgedehnten marantischen 
Thrombosen der großen Hirnblutleiter gekommen 


ist, die nun wiederum ihrerseits zu Stauung, Ödem 


und Blutung im Gehirn und schließlich infolge der 
hochgradigen serösen Stauung zu einer Erschwe- 
rung und Verminderung des arteriellen Zuflusses 
geführt haben. 


Daß die großen Hirnblutleiter mit ihren en 
wechselnden Blutmengen wenig anpassungsfähigen 
Wänden, mit ihren Trabekeln und einhängenden 
Pacchionischen Granulationen, besonders wenn es 
wie im vorliegenden Falle infolge des infektiösen 
Moments wohl zu Veränderungen der Innenfläche 
der Sinus im Sinne einer. fettigen Degeneration 
gekommen ist, bei Verlangsamung der an und für 
sich ungünstigen Zirkulation infolge von Herz- 
schwäche zu Thrombosenbildung prädisponter gi 
liegt ja auf der Hand. 

Körperliche Symptome, wie Ödem hinter den 
Ohren, starke Füllung der Venen in Schläfen- und 
Scheitelgegend oder Nasenbluten, die ja beiThrom- 
bose des Sinus longitudinalis und der Sinus trans- 
versi angetroffen werden, wurden bei der Kran- 
ken nicht beobachtet. 

Was den Beginn der psychischen Störungen be- 
trifft, so könnten diese durchaus mit dem Beginn 


56 ea nn e o a  WOCHENSCHRIFT N. 9 


der thrombotischen Sinusveränderungen zusam- 
menfallen. Diese sind also bestimmt für jene von 
kausaler Bedeutung. Doch hat sicher die Hirn- 


Irrenärztlicher Erholungsurlaub. 
Ein zeitgemäßer Vorschlag. 


Miom in Friedensjahren der Mai erschien, wurde 
in den Anstalten ein Thema mit besonderer 


Vorliebe diskutiert: die Festsetzung der Urlaubs- 


zeiten. Dem im oft so monotonen Anstaltsleben 
seiner Tätigkeit nachgehenden Psychiater war’s so 
wenig wie dem Praktiker zu verdenken, wenn er 
den Tag herbeisehnte, an dem er einmal etwas 
Neues schauen, frei von der Kette des Alltags, sei’s 
im Hochgebirge, sei’s an der See, sei’s an Kunst- 
stätten des In- oder Auslandes Anregung und neuen 
Lebensmut gewinnen konnte. Wie wenigen ge- 
stattete die ländliche Abgeschiedenheit ihrer An- 
stalten, Beziehungen zur Stadt zu unterhalten, ab 
und zu gute Musik zu hören, Theater und Museen 
zu besuchen. Einmal im Jahre aber durfte so man- 
cher sich schadlos halten und in mehr oder weniger 


bescheidenem Umfange auch etwas vom großen ' 


Leben genießen, konnte es auch um so freudiger, 
weil er nicht wie der praktizierende Arzt einen 
teuren Vertreter heranzuziehen und die Erholung 
mit pekuniärer Einbuße zu erkaufen brauchte. Glück- 
liche Tage! Tempi passati! — Wer von den Fach- 
kollegen, der auf ein Einkommen aus Arbeit ange- 
wiesen ist, reist noch in diesem Sommer? Allenfalls 
der Junggeselle. - Aber wer für Weib und Kind zu sor- 
gen hat, und wenn ihm auch die Teilhaberschaft zur 
Gruppe XII beschieden wurde, der reist nicht mehr, 
nicht einmal zu kurzem Aufenthalt in der Stadt 
reicht's mehr, denn die Eisenbahn- und Hotelier- 
forderungen haben längst schwindelnde Höhen er- 
klettert, die nur den nicht schrecken, der auf den 
Konsumenten abladen kann. Was bleibt da übrig, 
als den Urlaub daheim zu verbringen, angesichts 
aller jener Dinge, denen man gern einmal entfliehen 
möchte, um wieder die für den Beruf wünschens- 
werte Frische zu gewinnen, die in ständiger Dienst- 
bereitschaft ganz anders gefährdet ist, wie bei den 
nach achtstündiger Arbeitszeit sich zurückziehen- 
den Vertretern anderer Beamtenkategorien! 
Hausurlaub! Ein mäßiges Surrogat, denn her- 
metische Abschließung gegen das Milieu ist doch 
nicht möglich. Der Lärm des vor meinen Zeiten 
an falscher Stelle etablierten Dauerbades tönt auch 
in den Schlaf des Beurlaubten. Die geschwätzige 


anämie und die diphtherische Toxinwirkung z N 
Zustandekommen des schweren Krankheitsbild 
mit beigetragen. 


Anstaltsfama verschont mich nicht. Lohnstreiti: 
keiten und allerlei zeitgemäße Schwierigkeit 
hängen drohend wie Gewitterwolken am Himm% 
meiner Urlaubsfreude, so lange man mich im Hau 

weiß. Und ‚der Kleinkram des häuslichen Lebai 
tut sein übriges, um innere Sammlung unmögiidf ka 
zu machen. Nein, ein Hausurlaub kann uns nieu 

nimmer die richtige Erholung und Ablenkung vw 
schäffen. Wir müssen vor allen Dingen einmal) 
eine ganz andere Umgebung, um auf andere G 
danken kommen zu können. — Aber wohin? Wifi 
hin?! Schon der Kostenvoranschlag entmutigt, il 
so mehr, als der Posten „Unvorhergesehensf g g 
nicht entfernt zutreffend mehr bemessen werdufgi 
kann, als alle Preise in der Luft schweben. Eha 
dem waren Übernachtungsunkosten, Pensionspre 

alles und jedes im voraus annähernd bekannt. Jet 

bei enorm gesteigerten Preisen lastet die Unben | 
chenbarkeit der Reisekosten um so schwerer 4 
uns. Wer weiß, wessen Habgier mich schon 
ersten Nachtquartier ausbeutet, wenn ich reik 
müde unter allen Umständen ein schützendes Da 
erstreben muß. Und Gasthäuser der mäßigst 
Klasse mag der daheim trotz der Ungunst der Z 
noch an etwas Komfort Gewöhnte doch auch nic 
gerade aufsuchen! Ist es unter solchen Umstän 
nicht angezeigt, einmal die Frage aufzuwerfen, d 
in den Kreisen der an psychiatrischen Anstalt 
tätigen Ärzte (auch die Verwaltungsbeamten kön s 
ten einbezogen werden), insbesondere natürlich & “ 
Verheirateten, sich nicht eine größere Anzahl i 
den ließe, die gewillt sind, ihre Türe gastlich ein 
Fachgenossen zu öffnen und als Gegenleistung A 
dann gleiche Gastfreundschaft zu genießen? 3 p 
würde allerdings auf den ersten Blick wieder % % 
wisse Ähnlichkeiten mit dem oben abfällig kritisi& k 
ten Hausurlaub haben, insofern das Milieu, aus f 
der Gast kommt, das gleiche wäre, wie das, in dh h 
er Aufenthalt nimmt. Aber diese Ähnlichkeit Ms 
doch nur eine oberflächliche. Tatsächlich erötm 
die zeitweilige Unterkunft in einer anderen Ans 4 
doch dem Gaste erfreuliche Perspektiven und bi i 
tet bei richtiger Wahl des Platzes ihm reiche ko A 
lichkeiten der Ablenkung und der Aufnahme nel 


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. 


J 


1921] 


Eindrücke. — Der Kollege aus abgelegener Anstalt 
"könnte die Nähe einer größeren Stadt anstreben 
und dahin seine Ausflüge machen, der sonst in der 
- Ebene amtierende würde sich bestreben, in einer 
oberländischen Anstalt seinen Urlaub zu verbrin- 
gen, wer Wasser- und Schwimmsport liebt, würde 
den Blick auf die in dieser Hinsicht günstig gelege- 
nen richten (auf nach Teupitz, Konstanz, Schles- 
wig, Neustadt, Rostock, Stralsund, Greifswald!). 
Der zwischen Bergen Hausende würde zur Ebene 
streben usw. Der Möglichkeiten sind ia so unend- 
lich viele vorhanden, daß jeder Wunsch und jede 
- Sonderneigung wohl leicht sich befriedigen lassen 
würden, vorausgesetzt, daß bereitwillige Förderer 
meines Vorschlags in genügender Anzahl sich- fin- 
Bien würden. 

Und welch großen Vorteil könnte eine solche 
Eihngnahme unsrem Spezialfach überhaupt brin- 
gen! Ehedem in guten Zeiten, zumal damals 
Fa unsere Schar bei wesentlich geringerer Zahl der 
" Anstalten noch: eine kleinere war, lernten wir uns 
"in wesentlich erheblicherem Umfange kennen und 
gewannen auf den Jahresversammlungen Fühlun- 
-gen miteinander, aus denen oft Freundschaften von 
- dauerndem Bestande. hervorgingen. Wer kann 
= noch zu den Fachversammlungen reisen, es 


‘sei denn, daß eine Regierung die Kosten trägt, in 
- welcher Hinsicht nicht überall die wünschenswerte 
"Munifizenz besteht. Wie ganz anders könnte ein 
Verfahren nach meinem Vorschlage Fühlungen 
zwischen den Fachgenossen anbahnen und schon 
vorhandene Beziehungen vertiefen. Wie manche 
- Anregung würde der Gast aus einem fremden Be- 
‚triebe mit sich hinaus nehmen in den eigenen. Wie 
‚manche Details, die er während einiger Wochen 
des Zusammenlebens unter gleichem Dache mit 
‚seinem Wirt und anderen Kollegen zu sehen Ge- 


geben. Bibliothek und Laboratorium würden ihm 
‚selbstverständlich offen stehen. Und von.der An- 
= aus als Standquartier würde er Land und 
Leute: anderer Art, wie sie daheim sind, kennen 
lernen und studieren können. Und den am Be- 
; suchsort lebenden Kollegen würde der Gast auch 


ihre Geselligkeit bringen. Wer würde nicht gern 
auf einige Wochen einen musikalischen Hausge- 
nossen bei sich sehen. Das eigene Nest, seine Um- 
gebung, gegen deren Reize man so oft abstumpft, 
würden dem Wirt in demonstrando wieder schät- 
zenswert vorkommen. 
‚ ziehungen allen Beteiligten erwachsenden Vorteile 


| und Annehmlichkeiten sind recht mannigfaltiger 
"Art! 


bester Wille auf beiden Seiten! 


. setzen? 


legenheit hat, könnten ihm Stoff zum Nachdenken 


‚seinerseits Anregung geben und Abwechslung in - 


Kurz, die aus solchen Be- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 57 


Eines ist natürlich grundlegende Voraussetzung: 
Zufriedenheit des 
Gastes mit dem, was ihm unter obwaltenden Ver- 
hältnissen geboten werden kann, Selbsthülie, wo 
es nötig ist, anspruchslose Anpassung an die Haus- 
ordnung des Wirtes, zeitweiliger Verzicht auf Ge- 
wohnheiten, die nicht von iedermann geschätzt 
werden (wie z. B. das Pieiferauchen, die Zigarette 
in Salon und Eßzimmer). Schließlich ist ja das Zu- 
sammensein ein begrenztes und daheim kann der 
Heimgekehrte seinen Neigungen hernach wieder 
um so ungezügelter fröhnen. 

Es erübrigt noch, zu fragen, ob nicht in manchen 
Anstalten sich auch Ferienunterkunft schaffen ließe 
in der Form, daß der Gast ein Anstaltszimmer be- 
zieht (viele Anstalten haben gewiß ein Fremden- 
zimmer für gelegentliche Gäste) und im Anstalts- 


kasino nach dem geltenden Speisentarif seine Kost 


erhält oder ganz in die Bezüge eines beurlaubten 
Assistenzarztes eintritt, der inzwischen das gleiche 
Benefizium in einer anderen Anstalt genießt. Wo 
ein Wille ist, da ist auch ein Weg! 

Wie nun ‚diesen Vorschlag in die Praxis um- 
Es kommt zunächst wohl einmal darauf 
an, die Adressen der zum Experiment geneigten 
Kollegen zu erfahren und eine Korrespondenz zwi- 
schen denen, die es unternehmen möchten, zu ver- 
mitteln. Wer gewillt ist zum Wagnis, müßte sich 
(nach Rücksprache: mit seiner Gattin natürlich!) 
einmal niedersetzen und Personalien, Approba- 
tionsjahr und Ort, häusliche Verhältnisse, die Zeit 
seines Urlaubs bzw. die Zeit, in welcher er einen 
(jast aufnehmen möchte, besondere Wünsche usw. 
angeben und. diese Aufzeichnungen mir einsenden. 
Er wird verstehen, wenn für Schreibmaterialien, 
Porti ein Beitrag in Höhe von etwa 5 M erbeten 


wird, denn es wird immerhin mancher Brief zu 


schreiben sein, ehe zwei Kontrahenten unter einen 


Hut gebracht sind (Restbeträge mögen am Ende 


der Saison in die Witwenkasse des L. W. V. flie- 
ßen). Sobald ich über eine Anzahl von Adressen, 
Angeboten und Nachfragen, verfüge, würde ich sie 
zur Auswahl den Reflektanten zugehen lassen, 
deren Sache es dann wäre, weiteres unter sich zu 
verabreden. Natürlich kann ich ebensowenig den 
Erfolg und die Zufriedenheit der Gastfreunde ge- 
währleisten, wie ein Ehevermittler das Gelingen 
des vermittelten Paktes, und muß Enttäuschte bit- 
ten, die Schale etwaigen Zornes nicht über mich 
auszugieben. Immerhin dürfte mancher Kollege auf 


diesem Wege finden, was ihn in dieser trüben Zeit 


einmal vorübergehend von der Misere des Tages 
ablenkt, der eine oder andere vielleicht sogar einen 
neuen Freund für alle Zeiten! Hier und da könnte 


58 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT (Nr. o 


aus solcher Anknüpfung vielleicht auch für die bereit sein, mit gegenseitigem Einverständnis den 
Familien der Beteiligten Ersprießliches resultieren. Beispiel der Väter zu folgen. 
Gatten, Söhne und Töchter würden vielleicht gern Direktor Dannemann, Heppenheim (Hesse 


Ein psycho-pathologisches Schema. 
Von Dr. Arthur Adler. i ; 
o 
We" man eine schichtenweise Anordnung der siert; dergestalt, daß die primären hauptsächlid a 
psychischen Gebilde in der Hirnrinde an- in den beiden untersten, die sekundären in dep. 
nimmt, empfiehlt es sich, in jeder einzelnen Klasse mittleren und die tertiären in den oberste 
derselben eine Dreiteilung vorzunehmen. Man Rindenschichten zu finden sind. 
könnte als primäre Psychismen die Emp- Da nun die psychischen Störungen in einer 
findungen, Gefühle und Bewegungen, als sekun- Untererregbarkeit, Übererre gbar 
däre die sinnlichen Vorstellungen, Stimmungen keit oder a bnormen Beschaffenheit a 
und Bewegungsbilder, und als tertiäre die Ge- dieser Gebilde bestehen können, würde sich folgen 
danken, Affekte und Handlungen bezeichnen. Mög- des übersichtliche psychopathologisché 
licherweise nämlich sind diese verschiedenen Arten Schema ergeben: i 
auch innerhalb der Hirnrinde verschieden lokali- 


Day 
A 
+ 


I. Empfindungen Sinnliche Vorstellungen Gedanken 


Erschwerte Auffassung Gedächtnisschwund Giedankenlosigkeit 
Hallucinationen Phantasmen Gedankenijagen 
Illusionen Erinnerungstäuschungen Wahnideen 
II. Gefühle Stimmungen | Aifekte 
Zu schwache — Apathie Zu schwache — 
Zu starke — Gemütliche Erregung Zu Starke — 
Falsche Gefühlsbetonung Verstimmungen Konträre Affekte 
IH. Bewegungen Bewegungsbilder Handlungen 
Regungslosigkeit Ausfall bestimmter Bewegungs- Untätigkeit 
arten 
Bewegungsdrang Stereotypien Betätigungsdrang 
Negativismus | Entgleisungen Unsinnige Handlungen. 


Medizinische Traumdeuterei. 
Von Dr. Adolf Hoppe, Rinteln. 


D$ ist nicht zu leugnen, daß die große Wendung - von Träumen und Halluzinationen aber war nai 4 

zur exakten, experimentellen Biologie und Psy- mehr die Rede, Hellsehen und Telepathie war Aberig h 
chologie, die für die Naturforschung des vergange- glaube. Was im Traume zutage trat, war nur df |X 
nen Jahrhunderts so bezeichnend ist, auch für die Spiel der Assoziationen, hervorgerufen durch iube 
Psychopathologie und die Lehre von den dunkeln re, in der Benommenheit des Schlafes falsch aufge i 
Zuständen des Seeleniebens eine erhebliche Er- faßte Eindrücke oder innere Vorgänge; höchste ~ 
nüchterung gebracht hat. Man studierte, beschrieb. daß man zugab, es könnte sich einmal etwas f " 
und zergliederte diese Zustände und suchte die Be- artiges, vor allem eine entstehende Krankheit, MW 
dingungen zu ermitteln, unter denen sie auftreten: Traume unter günstigen Umständen eher bemerk- 4 
von einem geheimnisvollen Inhalt, einer Deutung bar machen als im Wachen. 


f 
H 
E 
u 

| 


1921] -  PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 59 


Der Rückschlag gegen diese, vielleicht: gar zu 
"nüchterne Psychologie ist nicht ausgeblieben. Der 
-Spiritismus ist heute verbreiteter denn ie, Wahr- 
sagerinnen machen glänzende Geschäfte und längst 
vergessene Formen wissenschaftlichen Aberglau- 
bens, wie die Astrologie, wagen sich wieder hervor. 
e sehr dieser Zug gerade durch die seelische Ein- 
‘stellung der Massen im Kriege verstärkt worden 
ist, bedarf keines Hinweises. Aber selbst die ernst 
‚zu nehmende Wissenschaft wendet sich mehr und 
mehr den okkulten Erscheinungen zu, und For- 
cie wie Oesterreich und Bärwald glau- 
"ben ohne die Annahme einer Telepathie, einer seeli- 
schen Wirkung in die Ferne, nicht auskommen zu 
"können. 

Für den Traum beginnt die neue Art, ihn zu wür- 
‚digen, mit Freu ds bekannten Büchern. Er 
wagt es wieder, den Traum zu deuten, hinter dem 
"scheinbaren Unsinn einen Sinn, nicht nur assozia- 
"tive Zusammenhänge zu ermitteln. Nur die Rich- 
tung des Forschens ist eine andere geworden. Nicht 
"mehr die Zukunft zeigt sich in rätselvollen Bildern 
an, sondern die psychische Vergangenheit des Träu- 
mers; die unerledigten Erlebnisse, die „Komplexe” 
drängen sich, von der „Traumzensur’” entstellt und 
"verschleiert, ins Bewußtsein, und die Kunst des 
analysierenden Arztes besteht darin, die Gedanken 
"des anderen so zu leiten, daß sie bis zum eigent- 
‚lichen Iraummateriale vor- oder besser zurück- 
“dringen. Wie diese Ansichten sich bei Freud, 
“seinen Anhängern und Schülern ausgestaltet haben, 
"gehört nicht hierher; nur darauf möchte ich auf- 
"merksam machen, wie der ganze Zug der Traum- 
“analyse vom Individuellen aufs Typische ging; 
Stekel $ bekanntes Werk über „Die Sprache des 
T raumes’ "ist beinahe schon wieder. eine Art Traum- 
“buch ‚im alten Stil: der Traum von diesen und jenen 
Dingen hat seine bestimmte Bedeutung, wie schon 
beim alten Artemidorus; die von Freud ange- 
ebene Richtung aber ist geblieben: die Geheim- 
Misse, die der Traum enthüllt, liegen hinter uns, 
Richt vor uns. 

~ Aber warum soll nicht wieder einmal die Linie 
ün sich selbst zurückkehren, ein Gedanke, der ja 
jetzt durch die Einsteinsche Relativitätstheorie 
uns so nahe gelegt ist? Ich möchte hier die Auf- 
(merksamkeit der Kollegen auf zwei Bücher von 
Georg Lomer lenken, der zurzeit als Nerven- 
(arzt in Hannover tätig ist‘) Wenn diese Schrift- 


K 


© 9) Der Traumspiegel. Bilder und Wahrheiten. 153 S. 
München o. J. (1919), J. M. Müller. (Zit. Tr.) — Die 
Welt der Wahrträume. Bekenntnisse eines Bekehrten. 
428 S. Leipzig 1920, Altmann. (Zit. W.) 


chen auch ersichtlich für einen weiteren Kreis be- 
stimmt sind, so halte ich es doch für nötig, zu ihnen 
Stellung zu nehmen, zumal sich das erste ausdrück- 


lich „ein Traumbuch auf wissenschaftlicher 


Grundlage” nennt, beide aber geeignet sind, die. 
wissenschaftliche Traumforschung aufs schwerste 
in Verruf zu bringen. 


Lomer geht offenbar von Freud aus. Der 
Traum ist ihm ein Vorgang mit „einer mehr oder 
weniger deutlichen Zweckbestimmung”, er hat die 
Aufgabe, seelische Spannungen zu lösen und da- 
durch die Seele zu entlasten (Tr. 7), er dient der 
„Selbstrettung , Selbstbefreiung , Selbsterhaltung” 
(Tr. 8), ist eine Lebensnotwendigkeit, auf die ohne 
Schaden nicht verzichtet werden kann (W.4). Auch 
wenn es heißt, der Körper erscheine zumeist als 
Haus, die Glieder bedeuteten Familienglieder, der 


Vater trete zumeist als Kaiser oder sonstwie als 


Respektsperson auf, während die Mutter, wenn sie 
im Traum von Frauen erscheine, meist als Gebär- 
mutter aufzufassen sei, so sind das alles Sätze, 
die wir aus den Büchern der Freudschen Schule, 
insbesondere Stekels, kennen. Andere Aus- 
legungen entstammen der populären Traumdeute- 
kunst: Zahnverlust bedeutet in der Regel den Tod 


. eines Angehörigen, Geld wird oft durch Läuse, 


Flöhe, Wanzen, zuweilen auch durch Kot angedeu- 
tet, freudige Ereignisse finden ein beliebtes Aus- 
drucksmittel im Feuer (Tr. 16). Über alles dieses 
rechte ich mit Lomer gar nicht; gibt man einmal 
die symbolische Bedeutung des Traumes zu, so mag 
man auch versuchen, die einzelnen Symbole auf- 
zuklären,.einerlei mit welchen Mitteln. Meine Be- 
denken gehen nur darauf, daß er den Blick wieder 
gänzlich in die Zukunft: richtet; der Wahrtraum, 
der telepathische und prophetische Traum stehen 
ihm gleichberechtigt neben dem Sinnesreiz- und ge- 
wöhnlichen Wunschtraum, ihnen die wissenschaft- 
liche Anerkennung zu verschaffen, ist wohl die 
Hauptabsicht beider Bücher, insbesondere des zwei- 
ten. | " 


Ich selbst verfüge über keine Erfahrungen auf 
dem Gebiete der Telepathie, und den meisten kri- 


tisch veranlagten Menschen wird es ähnlich er- 


gehen, wie ja auch Wunder und Gebetserhörunsen 
nur der Gläubige erlebt. Stekelhat unter seinem 
Material von über 10000 Träumen ganze 9, die er 
als telepathische auffaßt, und auch davon sind 
einige, wie er selbst zugibt, nicht in allen Stücken 
einwändsirei. Wahrträume gelten als seltene, be- 
achtenswerte Ereignisse, und Flournoy hat uns 
sehr schön die ‘Geschichte eines solchen erzählt, 
nebst dem, was in der Erinnerung der Träumerin 


j 


60 | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT (Nr. 9/ 


allmählich aus ihm geworden ist?) Bei Lomer 
aber treten die Wahrträume massenhaft auf. Ein 
Kollege aus Mecklenburg-Strelitz sieht sein gan- 


zes Schicksal, seine dienstlichen Enttäuschungen. 
-und den Disziplinarprozeß, den Tod des Großher- 


zogs bis auf Nebenumstände im Traume voraus, 
und ist auf Grund eines Traumes sicher, daß seine 


Rehabilitierung nicht ausbleiben wird. Zum Ver- | 


lauf des Weltkrieges bis zu seinem traurigen Aus- 
gang liegen eine Reihe von Träumen vor, wobei 
man sich an Kleinigkeiten nicht stoßen darf: Fran- 
zosen in altertümlichen (nicht französischen) Uni- 
formen ziehen von Beuel nach Bonn über den Rhein 
(W. 65), obwohl die feindliche Besatzung selbstver- 
ständlich von Westen kam und von den Englän- 
dern gestellt wurde; wo ein Friedenssymbol auf- 
tritt, erscheint der Friede wie etwas Befreiendes, 
Beglückendes (s. z. B. W. 56), was er doch, außer 
vielleicht für ein paar verbohrte Pazifisten, in ganz 
Deutschland für niemanden war. Träumen, die er 
mitteilt, glaubt Lomer aber auch entnehmen zu 


dürfen, daß sich auch im neuen Deutschland wird 


leben lassen und das Reich erneut und idealer, wenn 
auch nicht als Kriegsmacht, auferstehen wird. 
Man sieht, wie hier schon die Träume in das 
Leben eingreifen, Hoffnungen und Pläne bestimmen. 
Lomer selbst spricht von einer Kette von Traum- 
erlebnissen, „die sich seit einer Reihe von Jahren 
durch mein und meiner Frau Dasein zieht. Fine 
psychische Begleitmusik eigener Art zu den Reali- 
täten des Tages. Keineswegs immer willkommen, 
sondern oft genug Gegenstand nachdenklichen 
Zweifels und auch heimlicher Sorge” (W. 34). An 
anderer Stelle heißt es (W. 47): „Warnträume wol- 
len verstanden und befolgt sein. Sonst äng- 
stigen sie die Seele, ohne ihr zu nützen.” Und 
Lomer handelt danach. Eine wichtige Reise zur 
Vertretung eines Kollegen wird eines unverständ- 
lichen Traumes halber um einen Tag verschoben; 
um so angenehmer ist die Lösung, daß es nämlich 
in der Landpraxis gelingt, reichlich Äpfel und Eier 
zu hamstern, ein Ereignis, das bei den damaligen 
Ernährungsverhältnissen (September 1918) schon 
einen prophetischen Traum wert war (W. 73). 


Ich meine, die bloße Tatsache, daß derartige Träu- . 


me seit einiger Zeit bei Lomer und seiner Frau, 
also zwei in enger Lebens- und Gedankengemein- 
schaft stehenden Personen, sich häufen, hätte ihn 
stutzig machen und zu der Frage führen müssen, ob 
sich nicht anstatt der Welt vielmehr seine psycho- 
logische Einstellung geändert habe. Und auch sei- 


?) Archives de Psychologie IV. Bespr. von R. Hen- 
nig. Naturw. Wochenschr. 1905 S. 229. 


nem Material gegenüber wäre Kritik vonnöten gar 
wesen. Alle die Anekdoten, die ihm von nah u 
fern zugetragen wurden, sind trotz der subjektive 
Ehrlichkeit der Berichterstatter wertlos, wenn d 
Traum erst nachträglich aus dem „ach so trüg 
rischen Gedächtnis” (Stekel) wieder aufgebal 
wird. Aber wie viele der angeführten Träume habe 


sachen ableugnen, nur weil sie sie nicht begreift 
können, einstweilen aber halte ich es mit Havel 
Ellis: „Wenn man darauf geachtet hat, wied 
flüchtiger Verbrecher nach seinem Porträt an dp 
verschiedensten Stellen der Welt zugleich ‚wieder 
erkannt” wird, wird man sich denken können, d ii 
es leicht ist, Menschen auf Grund eines gepe 
träum ten Porträts wiederzuerkennen, das so 
vager ist als die Reproduktion einer Photog 
phie.” °) | 
Lomer versucht es nun, diese wunderbar 
Erscheinungen zu erklären. Soweit er sich dab h 
in den gewohnten okkultistischen Geleisen beweg" 
den Astralleib und allerlei geheimnisvolle Fluit 
heranzieht (Tr. 35), brauchen wir uns mit ind 
nicht zu beschäftigen. Bemerkt sei nur, d si 
Lomer, in dem Bestreben, die „substantiell 
Seele zu retten, ganz unversehens eine materielt 
wenn. auch noch so ätherische Seele unterschiäß” 
und letzten Endes nicht über Demokrit hinau 
kommt, der ia auch dem Wesen der Seele gered 
zu werden glaubte, wenn er ihr die feinsten, MEET 
desten und beweglichsten Atome zuteilte. Die 
Fluidum haftet sogar an körperlichen Gegensäs 
den: ein wichtiger Geschäftsbrief meldet sich voi 
aus, nicht als der andere ihn schreibt, sondern agiti 
er dem Träumer zeitlich und räumlich nähergeris 
ist, und hierin wird eine wichtige Vorbedingung i 
derartige telepathische Erscheinungen erblickt MM 
12, 14, 75). I 
Neu sind wohl eher einige Beziehungen zur Ra | 
lativitätstheorie. Ganz wie dort wird die Zeit% 
eine vierte Dimension des Raumes eingeführt i 
151), dann aber wird sie verdinglicht und es Wii 
angenommen, daß sie für verschiedene Wesen vegies 
schieden schnell verlaufe und schließlich für MM 
„kosmisches Bewußtsein” zu einer Gleichzeitig 
aller Dinge, einem einheitlichen, nur gegenwärtisak a 
Bilde führe (W. 40). Dasselbe soll im prophetis 
Traume der Fall sein, der ja die Wirkungsmögldg 
keit eines noch nicht Seienden voraussetzt, var 
rend wiederum für ein übergeordnetes kosmista; 


®) Die Welt der Träume. Deutsch von Kure ni 
S. 94. Würzburg 1911, Kabitzsch. I 


Bewußtsein Raum und Zeit nichts als „Wahngebilde 
des sinnengebundenen und  sinnenbeschränkten 
Wachzustandes” sind, und das wird als die eigent- 
E. Wirklichkeit angesprochen (W. 113). Damit 
st denn alle Erkenntnistheorie gründlich auf den 
Kopf gestellt. Was wird Einstein, was würde 
der verstorbene Minkowski zu dieser Anwen- 
fung ihrer Lehren sagen? 


ii 


| Aber es kommt noch besser. In dem politischen 
Traume eines Oberlehrers vom August 1918 (W. 
52) kommt neben dem jüngst gefallenen Sohne ein 
Sranzose vor und verkündet u. a., daß Deutschland 
3ine Republik, ein Max Diktator werde. Hier fragt 
Zomer: „Wußte man in Frankreich, was uns be- 
Vorstand, noch ehe es dem deutschen Volke selbst 
Sekannt war?... Und war der ins Jenseits gegan- 
zene Sohn Eni Arne Vermittler dieser über- 
Saschenden Wissenschaft?” Ja, selbst einer der ur- 
iltesten Bestandteile vorweltlichen Animismus, das 
Be 


Eimer sich ganz anders als AoA sonst und 


— Am 2. ‚Mai feierte in Sigmaringen. wo er in 
stiller E E E E aber noch geistig rüstig und 
tig seinen Lebensabend genießt, Herr Geh. San.-Rat 
Dr. Alfons Bilharz, Direktor a. D. des Fürst-Karl-Lan- 
deshospitals, den 85. Geburtstag. Da mit diesem Kran- 
Xenhaus eine Irrenabteilung verbunden ist, hat er mehr- 
lach auch enge Fühlung mit der psychiatrischen Wissen- 


Ansichten in Aufsätzen niedergelegt, so in dieser Zeit- 
schrift Jahrgang IV S. 13 und X S. 401. Seine ünver- 
Zängliche Geistesarbeit liegt auf dem Gebiet der Philo- 
sophie; mehrere seiner Werke wurden im Lauf der 
fahre in dieser Zeitschrift besprochen. Anläßlich seines 
Wiährigen Doktorjubiläums brachte unsere Zeitschrift 
ge Rückblick auf sein Lebenswerk (Jahrgang XI 
5. 213.) Im „Stuttgarter Neuen Tageblatt“ Nr. 200, 
Abendausgabe, würdigt Dr. R. Metz in eingehender 
Weise die Verdienste dieses leider von der Katheder- 


standenen?) Philosophen. 

© Wir sprechen dem Herrn Jubilar unsere herzlich- 
sten Glückwünsche aus. Bresler. 
© Reichsverband. Der diesjährige Mitgliedsbeitrag 
deträgt 20 M für jede Person und ist laut Beschluß in 
der Jahresversammlung bis zum 1. Juli 1921, von den 
Einzelverbänden gesammelt, an den Schatzmeister, 
Herrn Maaß, Postscheckkonto Leipzig Nr. 58055 einzu- 
senden. Es wird dringend darum gebeten, daß nicht 


wird wieder lebendig; ein kabes, 


schaft genommen und seine. ‚philosophisch tieigründigen , wendig: 


‘ den einstimmig wiedergewählt; 


öhilosophie viel zu wenig beachteten (oder nicht ver- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 61 


verschwinden, sobald sie bemerkt werden (W. 119 
bis 121). Nur noch ein Schritt weiter, und das 
Märchen ‘vom Machandelbaum erzählt einen sehr 
wohl möglichen, vielleicht sogar einen historischen 
Vorgang. 

Über den Glauben läßt sich bekanntlich sowenig 
wie über 'den Geschmack mit Vernunftgründen 
streiten. Die Wissenschaft aber lebt vom Streite. 
Geben sich Meinungen, wie die oben skizzierten, 
als Wissenschaft, so gestatte man mir auch, daß 
ich sie als krassen Aberglauben bezeichne. Lomer 
beklagt sich, daß sein erstes, in der Hauptsache 
doch noch einigermaßen gemäßigtes Buch von der 
Wissenschaft totgeschwiegen worden ist; ich er- 
innere ihn an die Verse, die (ioethe am Ende seines 
Lebens schrieb: 

„Vom Aberglauben früh und spat umgarnt, 

Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt, 

Und so verschüchtert, stehen wir allein.. 
und einige Zeilen weiter: 

Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm. 

Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen; 

Was er erkennt, läßt sich ergreifen! 


Mitteilungen. 


einzelne. Kollegien oder Mitglieder Einzahlungen von 
Mitgliedsbeiträgen machen, l. A.: Dr. Hussels. 


— Verband der Ärzte Hessischer Heil- nnd Pilege- 
anstalten. Der Verband hielt am 7. Mai 1921 in der 
Anstalt Goddelau seine dritte, von 17 Mitgliedern be- 
suchte Hauptversammlung ab. Die Mitgliederzahl be- 
trägt z. Zt. 27. Eine Änderung der Satzungen war not- 
ein vom Vorstand ausgearbeiteter Entwurf 
wurde mit 2 Zusatzanträgen angenommen. Der Jahres- 


‚beitrag wurde auf 10 M festgesetzt; die Beiträge zum 
R. V. und den Beamtenorganisationen des Landes wer- 


den gesondert erhoben. Der Gesamtbeitrag wird sich 
auf ‚etwa 40 M belaufen. Der Vorort Goddelau und 
der geschäftsführende Vorstand (Dir. Schneider, O. A. 
Dannenberger, Anst.-Arzt Roese, alle in Goddelau) wer- 
als Beisitzer sind ge- 
wählt: Dir. Dietz-Alzey, OÖ. A. Frank-Gießen, O. A. 
Schmeel-Feppenheim. 

Aus der sehr reichhaltigen Tagesordnung ist im 

übrigen zu erwähnen: 

1. Reges Zusammenarbeiten mit dem R. V. und den 
örtlichen Beamtenorganisationen. vor allem den 
akademischen, hat sich dem Verband als sehr 
vorteilhaft erwiesen. 

2. Zur Prüfung der Frage, in welcher Weise am 
zweckmäßigsten eine psychiatrische Beteiligung 
in der Gesundheitsabteilung des Ministeriums und 
eine Standesvertretung bei der Ministerialab- 


4 
< f 
tarer 


62 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT [Nr. 9] 


teilung eingerichtet werden, wird eine Kommission 
bestellt. (Dannenberger, Oßwald, Werner.) 

3. In den Besoldungfragen besteht für den Verband 
leider kaum Aussicht die Forderungen des R. V. 
durchzusetzen. 

4. An der Forderung der Anstellung der Ass.-Ärzte 
nach 3iähriger Anstaltsdienstzeit wird festge- 
halten; entsprechende Schritte werden baldigst 
unternommen. 

5. Unter geeigneter Motivierung soll in Rücksicht 

auf die besonderen dienstlichen und Lebensver- 

hältnisse der Anstaltsärzte Vermehrung des Z. Zt. 

4 wöchentl. Jahresurlaubes beantragt werden. 

Ein Gesuch auf 500prozentige Erhöhung, der 

übrigens noch nach Friedens-Geldwert festge- 

setzten Gebühren für beamtete Ärzte wurde von 
der Regierung abgelehnt; nach Erledigung der 

Besoldungs- Ordnung soll erneut vorgegangen 

werden. | 

Im übrigen wurde über Personalausbildung, MiBß- 
stände im Anstaltsbetrieb, zeitgemäße Aufgaben des 

Irrenwesens (Ausbau der Hilfsvereinstätigkeit, Bildung 

von Beratungsstellen, die von den Anstalten ärztlich 

versorgt werden, usw.) gesprochen. Es wurde weiter 
angeregt vierteljährlich, abwechselnd in den 4 Anstalten 


à 


Zusammenküníte zur Besprechung von Standes-, An- 


stalts-, Personal- und wissenschaftlichen Fragen einzu- 
richten. Wegen der Teilnahme an dem in Marburg ge- 
planten Fortbildungskurs wird Direktor Oßwald-Gießen 
bei der Regierung, die sich in der Bewilligung von 
Geldmitteln zur wissenschaftlichen Weiterbildung jetzt 
auch zurückhaltend zeigt, vorstellig werden. | 

— Es empfiehlt sich sehr, bei Originalien wie bei 


Referaten über diese, bei Berichten über Vorträge und 


bei Buchbesprechungen auch Vorname, Wohnort und ge- 
naue Adresse (Klinik, Anstalt usw.) des Verfassers bzw. 
Redners beim Titel mitzuveröffentlichen. Beim derzei- 
tigen Fehlen eines genauen Ärzteverzeichnisses, wie 
z. B. Teil II des Börnerschen Medizinalkalenders, wird 
es dadurch erleichtert, mit Kollegen in Gedanken- und 
Meinungsaustausch zu treten. Bresler. 
— Berichtigung zu ider Notiz: „Die ursprüngliche 
Bedeutung des Wortes ‚Wahnsinn’" Jahrg. 22. Nr. 43-44. 
Wie ich mich nachträglich überzeugen: konnte, hat 
bereits Rieger, Würzburg, in seiner Festschrift für 
Werneck auf die Bedeutung des Wortes „wahnsinnig” 
= „des Sinnes enmangelnd” hingewiesen. 
Dr. Deutsch. 


Reierate. 


— Die Messung der Leitungsgeschwindigkeit im 
sensiblen und motorischen Nerven beim Menschen. Von 
Harry Schäffer, Med. Univ.-Klin. Breslau. Berl. 
klin. Wochenschr. 1921 Jahrg. 58 Nr. 16 S. 380 bis 382. 

Verf. gibt eine neue Methode an, um die Geschwin- 
digkeit der Erregungsleitung im sensiblen Nerven 
beim Menschen exakt zu imessen. Das einzige bisher be- 
kannte, später vielfach modifizierte Verfahren (Helm -. 


- sensiblen und motorischen Nerven annähernd über 


 Parteipolitischer und kirchlicher Art, die einer Reif” 


. und auf einer Tafel. 397 Seiten. Berlin und E 


holtz 1850) beruhte auf ider Feststellung der Differ 
zweier Reaktionszeiten bei Reizung zweier verschie 
weit vom Gehirn entfernter Hautstellen und ist we 
seiner Fehlerquellen (Einfluß psychischer Faktoren us 
längst verlassen. Reizt man den N. tibialis in der Kr 
kehle durch Einzelinduktionsschlag und verzeich 
gleichzeitig das Elekitromyogramm der Wiadenmusk 
mittels Saitengalvanometers, so erhält man, wie‘ 
Hoffmann fand, zwei «iaphasische Schwankung 
deren erste der indirekten Muskelzuckung entspr 
(Reizung motorischer Fasern im Tibialis), während 
zweite eine Reflexzacke ist (Reizung sensibler Fasen 
Zur Bestimmung der Leitungsgeschwindigkeit wird ı 
(der Tibialis einmal in der Kniekehle, (dann am- Ob 
schenkel nahe dem Becken gereizt und jedesmal 
Aktionsstromkurve bei großer Geschwindigkeit 
Films (etwa 2 m ie Sekunde) registriert. Im letzter 
Fall tritt die Refilexzacke früher auf, die motorische 
gegen später als im ersteren. Kennt man die Entferm 
der beiden Reizpunkte am Tibiälis, so gestattet (die W 
schiebung der Reflexzacke in beiden Kurven die U 
tungsgeschwindigkeit im sensiblen Nerven zu bered 
Nebenbei ergibt die Lage der ersten Zacken beider 

ven die Geschwindigkeit im motorischen Nerven WE 
dies. für den N. medianus bereits von anderen Aut 
untersucht ist. Die erhaltenen Werte stimmen für egt 


und betragen 55 bis 60 m pro Sekunde. (Eigenberich" 


Buchbesprechungen. 


— Hübner, Prof. Dr. A. H.: Das Eherecht «gpi 
Geisteskranken und Nervösen. Aus der Klinik für DE 4 
chisch und Nervenkranke der Universität Bonn (@ 
Rat Westphal). 87 S. Bonn: 1921, A. Marcus & Webi 
Verlag, Dr. jur. Albert Ahn. Preis einschl. Teuerung 
schlag 14,30 M. Bü 

"Behandelt werden unter  fachärztlichen Gesicht 
punkten sehr eingehend folgende Paragraphen des DM ki 
gerlichen Gesetzbuchs: $$ 1298, 1300, 1304, 1325, Mil 
1333, 1334, 1353, 1564, 1565, 1566, 1567, 1568, 1569, 15 
1571, 1572, 1573, 1574, 1575, 1576. Auf die Errung@ 
schaften, aber auch die Mängel der Gesetzgebung IM 
Rechtsprechung wird hingewiesen, besonders auf die i 
zu lange Dauer der Prozesse, wo geistige Abweichung 
eine Rolle spielen, aber auch auf die Schwierigkeit 


im Wege stehen würden. Die Studie ist gründlich W$ 
reich an Kasuistik. | | E 

— Kruse, Prof. Dr. Walter, Direktor des Hy: 
nischen Instituts der Universität Leipzig, Geh. Medi AN 
nalrat: Einführung in die Bakteriologie. Zum Gebra 
bei Vorlesungen und Übungen sowie zum Selbstunkäe 
richt für Ärzte und Tierärzte, Mit 80 Figuren im W 


1920, Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter SM 
Gruyter & Co. Geh. 45 M. Ho 

Zum Inhalt selbst dieses auf Grund von dreißig i 
riger Vorlesungstätigkeit in Verbindung mit bakteriol k 


11921] 


4 gischen Übungen herausgegebenen Buches des bekann- 
Sen Bakteriologen und Hygienikers braucht nichts Be- 
SSonderes bemerkt zu werden; 
hier vorliegt. Da es ausdrücklich auch zum Selbstunter- 
ich bestimmt ist, | 
MStoffs besondere Vorzüge aufzuweisen. Die naturwis- 
$ USenschaftlichen Zusammenhänge und die Grundlagen der 
' ones, Seuchen- und Immunitätslehre sind klar- 
elegt. Verf. betont im Vorwort auch, daß er alles 
Eberflüssi IZE, 
i, wird, in den Lehrbüchern mitgeschleppt werde oder sich 
in neuen Veröffentlichungen anhäufe, fortgelassen habe. 
Auf Verdeutschungen ist Bedacht genommen, Z. B. Juft- 
IScheue Bakterien statt Anaerobier, unsichtbare Erreger 
s l Stati Aphanozoen. Das Buch sei wärmstens empfohlen. 
y — Borntraeger, Dr. J, Regierungs- und M 
izinalrat: Preußische Gebühren-Ordnung für Ärzte und 
> ahnärzte vom 1. September 1920 mit eingehenden. Er- 
É äut erungen und den für das Erwerbsleben der Medizi- 
i 1 alpersonen gültigen: Bestimmungen. 5. verb. Auflage. 
"89 Seiten. Leipzig 1921, Verlag von Curt Kabitzsch. 
BroschhoM. o ooo i 

T Die. neue Ausgabe ist angesichts der neuen Gebüh- 
p me sehr willkommen; die Erläuterungen fußen 
i - bekannten Sach- und Fachkenntnis des Verfas- 
p fers. Die Gebühren für amts- und gerichtsärztliche 


iR 


E Aüigkeit (auch der nichtbeamteten Ärzte) sind berück- 


I Br Prof. Dr. Ludwig: Merz und Psyché in 
ihren Wirkungen aufeinander. 153 Seiten. Leipzig und 
„Wien 1920, Franz Deuticke. 15 M. 

Eine ganz ausgezeichnete Studie. 

-Die Angstempfindung ist eine spezifische Empiin- 
dung, der spezifische Sinn des Herzens; sie entsteht 
Ji eicht in den sensiblen Endapparaten des. Herzens. 
Auf welchen Bahnen ‚das Gehirn diese ihm vom Herzen 
E escnden Reize zu Angstvorstellungen ver- 
‚arbeitet und warum. ‚dies. aeae. heit meitene Pos Or- 
Schung. vorbealtet SE E E 
“ Man kann von einer Kerze ren N 
| eine Bee 
Erronischen 


AE, ; 


Herzinsuffizienz. 

WE Unter obigem Gesichtspunkt wird auch die manisch- 

Wdepressive Seelenstörung erörtert und ais Herzpsy- 

Mchose bezeichnet. 
Sehr gut bearbeitet und ZESCLUNEN| ist auch die 

’syche des MNypertonikers. 


=- — Giese, Dr. Fritz, Dozent an der Handelshoch- 
‚Schule des Polytechnikums Cöthen, Fachleiter des Pro- 
ir nzialinstituts für praktische Psychologie Halle a. S.: 
E Ei; logisches Wörterbuch. Mit 60 Figuren im Text. 
4 Nr, 7 von ‚„Teubners kleine Fachwörterbücher”.) 170 
$ Seiten. Leipzig und ‚Berlin 1921, dig von B. G. Teub- 
„er. Geb. 7 M. 


wE 

| ; Dieses einer sehr glücklichen 1dee und einem drin- 
T ig jenden Bedürfnis entsprungene Wörterbuch wird nach 
jis Siner ganzen ee einen sehr großen Interessenten- 


es ist reife Frucht, was 


hat Anordnung und Darstellung des 


von dem mehr, als man sich meist bewußt 


inträchtigunespsychose der 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT _ 63 


kreis finden. Die Erläuterung der Stichworte ist sehr 
geschickt und leicht verständlich abgefaßt; sehr instruk- 
tiv ist die Art, wie durch Abbildungen die psychologi- 
schen Untersuchungs- und Meßinstrumente veranschau- 
licht werden: in Grundrissen, die das Wesentliche geben, 


nicht mit den zahlreichen kleinen: RE a Ein- 


zeldingen. 

Das’ Wörterbuch berücksichtigt aber nicht nur die 
messende und beobachtende Seelenkunde, einschließlich 
Sinne, sondern auch die selbstbeobachtende und erklä- 
rende, und dies alles auch bezüglich Anwendung auf 
Erziehung, Unterricht, Recht und Industrie. Wir können 
den Fiachleiter des Provinzialinstituts für praktische Psy- 


chologie zur Herausgabe (dieses nützlichen Buches 
bestens beenlückwünschen. B. 
| Fa RESET, 

Therapeutisches. 


— Die Behandlung der Diphtheriebazillenträger mit 
Diphtkosan. Aus (dem Kaiserin-Auguste-Victoria-Haus, 
Reichsanstalt zur Bekämpfung der Säuglines- und Klein- 
kindersterblichkeit (Direktor: Prof. Langstein). Von 
Dr. H. Langer, Abteilungsvorsteher. © Therap. Halb- 
monatshefte Heft 20 vom 15. Oktober 1920. 

Eine ausreichende Desinfektion des gesamten Nasen- 
rachenraums kann ausschließlich (durch PREISEN er- 
reicht werden. 


Bei seinen Untersuchungen an Gliedern der Acri- 
diniumfarbstoffreihe hat L. im Flavicid ein hochwirk- 
sames Desinfektionsmittel für Diphtheriebazillen gefun- 
den. Flavicid tötet Diphtheriebazillen noch in: Verdün- 
nungen von 1 : 1000000 ab und übertrifft damit erheb- 


‚lich die Wirkung anderer bekannter chemo-therapeutisch 


verwencbbarer Desinfekitionsmittel. Hinzu kommt aber, 
daß neben der absoluten Wirkung auch in bezug auf 
die Schnelligkeit Flavicid überlegene‘ Eigenschaften 
besitzt, denn: noch: in Verdünnung von 1:5000. tötet es 
-bereits nach wenigen Minuten Diphtheriebazillen sicher 
ab. Dabei zeichnet sich Flavicid durch völlige lokale 
‚ Reizlosigkeit. und eine sehr geringe allgemeine Giftig- 
keit aus, ‚die eine breite Varkerung in (der. Verwendung 
des Mittels. ‚erlaubt. Erst Lösungen von 1:10 machen 
an der Augenschleimhaut des IKaninchens. geringe Reiz- 
erscheinungen, und ebenso verträgt der Kaninchenm agen 
reaktionslos Flavicidkonzentrationen von 1 : 200. Da 
Flavicid ferner in Gegenwart von gelösten Fiweißstofien 
in. seiner ‘Wirksamkeit nicht beeinträchtigt wirid,- so 
waren alle Bedingungen erfüllt, die an ein zu Schleim- 
hautspülungen benutzbares Desinfektionsmittel zu stel- 
len sind. Flavicid hat einen bitteren Geschmack, dês- 
wegen wurde ein Präparat in Pastillenform unter dem 
Namen Diphthosan hergestellt, bei dem der bittere Ge- 
schmack durch Süßstoffzusatz ausgeglichen ist. | 

Bei leicht zurückgebogenem Kopf wird abwechselnd 
in die rechte und in die linke Nasenöffnung Diphthosan- 
lösung in der Verdünnung 1:5000 eingeflößt; 
dient sich am einfachsten einer Pipette oder einer Nasen- 
dusche. Die Lösung fließt ohne Druck durch die Nase 


RL 0( IQ le 


toste D 


man be- \ 


li 


h. a bai 


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1 


64 PSYCHIATRISCH-NEUROL 


in den hinteren Nasenrachenraum wnd  berieselt ' die 
Rachenschleimhaut ausgiebig. Bei Erwachsenen: läßt L. 
bei jeder Spülung mindestens 10 com (durch iede Nasen- 
öfinung einfließen, bei Kindern entsprechend weniger, 
bei Säuglingen bis zu 10 com. Der Erfolg der Behand- 


lung hängt nicht nur von der Sorgfalt ab, mit der die 


einzelne Nasenspülung vorgenommen wird, sondern da- 
von, daß sie in kurzen Abständen wiederholt wird, min- 
destens einmal stündlich. Die Patienten lernen schnell, 
die kleine Prozedur selbst auszuführen. Man kann die 
Spülflüssigkeit ausspeien lassen, doch ist es völlig un- 
bedenklich, wenn, was bei Säuglingen z. B. nicht zu 
vermeiden ist, selbst größere Mengen verschluckt wer- 
den. Ingendwelche Störungen im Verdauungsablauf wer- 
den nicht beobachtet. Die Spülungen sind- sinngemäß 
durch Gurgeln mit Diphthosan zu ergänzen. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnummern. 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 


Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Hal 


Gastoreum Bromid 


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Spezifikum gegen alle Neurosen des Zirkulations- u. Zentralnerven- 
systems besonders- Hysterie, Chorea, Neurasthenie in Original-Flakons und in Tabletten. 


Proben. und Gutachten von Autoritäten zur Verfügung. 


Positive Liste d. Arzneimittel-Kommission. 


SINN A 


SERIE NNN 1.0 


TREE 


OGISCHE WOCHENSCHRIFT (Nr. 9 


Das Berieselungsverfahren stellt aber auch inso 
einen erheblichen Fortschritt: dar, als es eine großzig 
Durchführung (der Bazillenträgerbehandlung ohne 
liche Hilfe ermöglicht und so 2. B. zu Epidiemiezeite 
Zentralstellen (Schulen) ausgeführt, an der Bekämp 
der Diphtherie wesentlich Anteil gewinnen kann, 3 

Die Diphthosanbehandlung kommt natürlich auch 
allen anderen bakteriellen Infektionen der Nasenrad 
schleimhaut in Betracht und wird speziell auch be 
Bekämpfung der Meningokokkenbazillenträger verm 
Wet werden können. ! 

Die -Diphthosånpastillen werden von der Aktien 
sellschaft für Anilin-Fabrikation hergestellt. Die 
löslichen Pastillen enthalten 0,1 g Flavicid (versüßt). J 
Pastille in 500 com Wasser gelöst liefert die Gebrai 
lösung in der Verdünnung von 1 : 5000. 


lea. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


Weigert ` 


Neskulan-Anotheke, Breslau |. 


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GEBRÙDER DEMMER. 


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ADDIR APPA A 
A ORRAL LAA EHE 


f Jreiundzw anzigster Jahrgang. Nr. 11/12. 1921/ 22. . 


Psychiatrisch-Neurologische 
Wochenschrift. 


Schriitleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Mälle a. S. 


Ais billigere Verschreihweise 


1 | BE 
T rsenferratin 
G 


A = der wirksame Bestandteil des bekannten Kräftigungsmittels Arsenferratose in 


Tabletten 


) $ Originalglas mit 50 Tabletten (entspr. einer Originalilasche Arsenferratose) 


Auen C. F. BOEHRINGER & SOEHNE, MANNHEIM-WALDHOF 


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mit organ. gebundenem Phosphat 


Lecintabletten 


Gegen Neuralgfen: Ischias etc. . 
Proben und Literatur vom Lecinwerk Hannover. | 
Morlinpräparat zur | | = m 
-umecon wis es EOF BERRESFTILUUS 


7 Literatur frei. | | | Kordia-Werk G. m. D. H., Beuel-Rh. 


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{B r om O C er Pulver Schachteln à 25 g bis 1 Kilo. el Dosis t—5 g mehrmals täglich. 
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Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. 
(Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. 
Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 
Mauer-Öhling (N.-Ö.). 


K. Alt Uchtspringe (Altmark), Geh. 


Friedländer, 


Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. 


Nr. 11/12. 


Bezugspreis: 

M 7,50 für das Vierteljahr, die 
Abonnementspreise für das Aus- 
land werden nach der vom Deut- 
schen Buchhandel vorgeschrie- 
benen Verkaufsordnung für das 
Ausland berechnet. Zu beziehen 
durch ied. Buchhandlung, d. Post 
u. unmittelbar vom Verlage. Er- 
scheint bis auf weiteres vier- 


4 zehntägig in Doppelnummern. 


A T einiger katatoner Symptome zur Medulla oblongata. 


a 
1 As. 71.) — Mitteilungen. (S. 76.) — Referate. 


Von Dr. 


D: Tagung des deutschen Vereins für Psychia- 
4 trieam 25. und 26. April 1921 in Dresden gab 
die erwünschte Gelegenheit, auch in diesem Jahre 
die Versammlung des Reichsverbandes an dieselbe 
"anzuschließen. 
die Auswahl der Tage. Wir mußten uns entschlie- 
Ben, die Ausschußsitzung und Hauptversammlung 
"erst am 27. abzuhalten, da der 24. ein Sonntag 
war, der für größere Versammlungen nicht: ge- 
eignet erschien. Trotz der Ermüdung durch die 
E eilnahme an den- vorausgegangenen Sitzungen 
T des Vereins für Psychiatrie war eine wesentliche 
| Finbuße an Beteiligung und Arbeitsfähigkeit bei 
unserer Tagung nicht festzustellen. Weitere Er- 
"fahrungen in künftigen Jahren müssen uns dar- 
$ über belehren, an welchem Tage, ob vor oder 


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{nach der Tagung des deutschen Vereins für Psy- 


chiatrie, wir besser tun, unsere a zu er- 
‚iedigen. 


/ 7 vormittags 10 Uhr im Hotel „Drei Raben, wo er 


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Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 
Verbandsorgan des Reichsverbands beamiteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Med.-Rat Prof. Dr. 
Proi. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. 
liberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
Dr. v. Olah, Budapest, 
E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Vocke, Eglfing b. München. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. 
Schriftleiter: 


Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzhurd (Oberschlesien). 
18. Juni 
Verlag und Ausgabe: 


Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr. 
Postscheck: Leipzig 32070. 


Baumann und Dr. 


Schwierigkeiten machte dabei nur 


Í Am 24. April versammelte sich der Vorstand. 


1 


G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat Dr. Beyer, Roder- 
Herting, Galkhausen 
San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Prof. Dr. 


H. Vogt, Nervenarzt. Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


W. Weygandt, Hamburg. 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 

beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
i mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- | 
laß gewährt. c 


:.Marhold Verlag Hallesaale 


Inhalt: Bericht über die diesjährige Jahresversammlung des Reichsverbandes beamteter deutscher Irrenärzte. 
oA Von Dr. Baumann: und Dr. Hussels, Landsberg a. W. 
Von Dr. 
Entscheidungen und Verfügungen auf dem Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. 
(S.76.) — Buchbesprechungen. 
ai — Personalnachrichten. 


(S. 65.) — Über die mutmaßlichen Beziehungen 
Arthur Adler. (S. 70.) — Wichtige gerichtliche 
XVI. Folge. Fortsetzung. 


(S. 77.) — Therapeutisches. (S. 77.) 
SENDER 


Bericht über die diesjährige Jahresversammlung des Reichsverbandes 
beamteter deutscher Irrenärzte. 
Hussels, Landsberg a. W. 


in praktischer Weise durch die dankenswerten Be- 
mühungen unserer Dresdener ‚Kollegen unterge- 
bracht war, zu vorbereitender . Arbeit, die bis 
3*2 Uhr nachmittags dauerte, und am 26. April 
nachmittags in etwa dreistündiger Beratung fort- 
gesetzt und vollendet wurde. Es hat sich trotz 
ausgiebiger schriftlicher Verständigung doch als 
unumgänglich notwendig und sehr ersprießlich er- 
wiesen, die Einzelheiten der Tagesordnung in dem 
Vorstande eingehend in solchen Vorberatungen 
durchzusprechen; die vorläufig wohl auch für die 
nächsten Jahre sehr umfangreichen Tagesordnun- 
gen erfordern das, weil sonst die Ausschußsitzun- 
gen unmöglich an einem Tag erledigt werden kön- 
nen oder mehrere Ausschußsitzungen im Jahre er- 
forderlich wären, was natürlich möglichst zu ver- 
meiden ist. 

Wir konnten uns in den or an en 
leicht verständigen und so mit festen Vorschlägen 
an die Vertreterversammlung herantreten. Das 
erwies sich besonders bei den Beratungen etwai- 


ee PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ger Änderungen an den Richtlinien außerordentlich 
nützlich. Freilich, Arbeit kostete es. Auch sonst 
wurde durch mündliche Fühlungnahme mit den 
Einzelverbänden während der Tagung des Deut- 
schen Vereins für Psychiatrie manche Nebenarbeit 
erledigt; das gegenseitige Sichkennenlernen ist ja 
dabei auch so wichtig, daß kein Wort darüber ver- 
loren zu werden braucht. 

Am 27. April vormittags 9 Uhr eranen 
sich die Ausschußmitglieder im großen 
Saal der „Drei Raben”. Da manche Herren, denen 
daran lag, nachmittags wieder abzureisen, und die 
deshalb die zweifellos ungünstig angesetzte Haupt- 
=- versammlung nicht mitmachen konnten, aber doch 
zum Wort oder- wenigstens zum Hören kommen 
wollten, der Sitzung beiwohnen wollten, wurde 
einer Reihe von Einzelmitgliedern, die nicht offi- 
zielle Vertreter waren, die Teilnahme an den Be- 
ratungen ohne Stimmrecht gestattet. Es waren 
17 Einzelverbände vertreten. Keine Vertreter hat- 
ten, soweit wir sehen konnten, Westfalen, Meck- 
lenburg und Thüringen gesandt. 
konnte zunächst in dem umfangreichen Geschäfts- 


bericht feststellen, daß die Zahl der Verbände sich 


in den letzten Wochen um einen vermehrt hatte, 
der bis dahin trotz guten Willens aus äußeren 
Gründen nicht zustande kommen konnte: Hessen- 
‚Kassel. Abseits steht somit von deutschen Lan- 
desanstalten nur noch Neustadt in Holstein. Von 
einer anderen kleinen Ansalt ist der endgültige An- 
schluß noch zweifelhaft. 

Es mußte bei der Besprechung des äußeren 
Aufbaues der Organisation betont werden, daß die 
Veröffentlichungen des Vorstandes im Verbands- 
organ leider nicht genügend beachtet und befolgt 
werden. Es wurde außerdem als mindesterforder- 
lich eine regelmäßige Nachricht über besondere 
Ereignisse, Mitgliederzahl, Anschriften usw. in den 
Einzelverbänden zweimal im Jahr, und zwar zum 
l. April und 1. Oktober an die Geschäftsstelle in 
Landsberg a. W. verlangt. 

Von den im vorigen Jahr eingesetzten Son- 
derausschüssen wurde im allgemeinen bis- 
her gute Arbeit geleistet. Der Presseausschuß will 
sich in Zukunft ganz besonders der Aufklärungsar- 
beit annehmen. Es wurde beschlossen, diese Aus- 
schüsse unverändert weiter bestehen zu lassen, 
solange das Arbeitsmaterial das erfordert. Die 
neulich bereits ‚veröffentlichte Erleichterung des 
Jahresbeitrags für den Leipziger 
Verband (50 M statt 100 M) für solche Anstalts- 
ärzte, die nicht nennenswerte Privatpraxis treiben, 
wurde mit Freuden begrüßt. Betont muß dabei 
nochmals werden, daß die Anträge zu dieser Her- 


stellte sich aber in der Aussprache heraus, daß di 


Der Vorsitzende 


[Nr. 14i 


absetzung für jeden einzelnen Fall bei den lokaler 
(Staats-oderfProvinz-) Organisationen des Leipzig 
Verbandes gestellt werden müssen. Anregungen 
den Ärztekammerbeitrag in Preußen, d 
jetzt immer mehr ins Gewicht fallen wird, allge 
mein für uns herabzusetzen oder zu beseitigen 
konnte der Vorstand bisher nicht befolgen, da da 
zu eine Gesetzänderung notwendig wäre BR 


einzelnen Ärztekammerbezirke sehr wohl bei ihre 
Mitgliedern, die nicht allgemeine Praxis treibe 
den Beitrag herabsetzen können, wie das berei 
in der Provinz Sachsen geschehen ist. Dieses Ba 
spiel wird zur Nachahmung empfohlen. E 

Sodann wurde die Aufmerksamkeit der Mifi 
glieder auf Bestrebungen gerichtet, die dal” 
gehen, Fürsorgestellen besonders in gm 
Ben Städten auch für Psychopathen, entlassei 
(jeisteskranke usw. einzurichten, ohne als die da 
berufenen- Vertreter die Anstaltsärzte heranzuzie 
hen (siehe den in der Deutschen med. Wochensc 5 
vom 3. Februar 1921 besprochenen Erlaß ait 
dem preußischen Ministerium für Volkswohlfahrtf y 
Im Gegensatz hierzu scheint man in der Rheinpf 
vinz und in Westfalen auf dem richtigen Wege Apr 
sein, indem man Anstaltsärzte offiziell an dies 
Arbeiten beteiligt oder doch an besonderen Fit 
sorgestellen mit anderen Kollegen zusammenard 
ten läßt. i 

Dann mußte festgestellt werden, daß sich add 
vom Geheimrat Tuczek geplanten Fortbil 
dungskursus in Marburg bisher nur 9 Herr 
gemeldet haben. Weitere Meldungen sind dil 
gend erbeten, und zwar sowohl an Herrn Geheil 
rat Tuczek wie auch an uns. In der Aussprall 
stellte sich heraus, daß bei vielen Einzelverbänd 
die pekuniären Leistungen für die Fortbildung & 
Ärzte sehr zurückgegangen sind. In wohl ange; 
messener Höhe hat die Rheinprovinz 2500 M Mfp 
Jahr und Anstalt für diesen Zweck ausge world 3 

Weiter wurde Bericht erstattet über eine grogi 
Reihe von Eingaben usw., die der Reichsverbag7 
meist auf Ersuchen von Einzelverbänden bei x = 
hörden, Körperschaften usw. gemacht hat, teils WB 
gutem Erfolg, teils ohne daß wir etwas weittiäip 
darüber erfuhren. Wir bitten hiermit die Ein 
verbände, in jedem einzelnen Falle uns auch WER 
dem Ergebnis solcher Schritte de 
gehenden Bericht zu geben. Ta 

Den Kassenbericht erstattete der Sch atzmeist#g 
Maaß, Dösen. Er stellte fest, daß wir mit emph 
gen Hundert Mark Bestand ins neue Jahr gegans iiig 
sind, trotzdem mußte in der Erwartung a 
Unkosten der Mitgliedsbeitrag für 199 


" 1921] 


seine baldige Übersendung IHLCHdIe 
FEinzelverbände (bis zum 1. Juli 1921) 
Ban Herrn Maab, Postscheck-Konto 
leipzig Nr. 58055 erbeten werden, 
d der Beitrag für den Bund höherer Beamter, vor- 
T aussichtlich 4 M für das Mitglied, ist hierin ent- 


4 halten. Also für die heutige Zeit eine sicherlich 
} sehr bescheidene Anforderung an unsere Mit- 


glieder. 

E Zuletzt wurde vom Vorsitzenden entsprechend 
T der neulich vollzogenen Gründung einer A r b ei t s- 
m=semeinsc haft der süddeutschen Einzelver- 
T bände eine gleiche für Preußen angeregt. Es 
& hat sich herausgestellt, daß gewisse Dinge — man 
l denke dabei nur an Einzelheiten der Besoldung, 
“ die Frage der Fachvertretungen bei den Behörden, 
1 an die obligatorische Kreisarztprüfung, die Ver- 
T tretung der Ärzte in der Gewerkschaft preußischer 
„ Provinzialbeamter, an die Unterbringung der aus 
f den annektierten Gebieten vertriebenen Ärzte — 
S Preußen mehr oder minder allein angehen und den 
| ganzen Reichsverband nicht zu beschäftigen brau- 
f chen. Die Arbeitsgemeinschaft soll nur eine lose 
14 verbundene Unterabteilung im Reichsverband sein, 
p ohne besondere Organisation, nicht etwa eine se- 
il paratistische Bewegung. Gegen diese Gründung 
- wurde kein Widerspruch erhoben. 

Hierauf erstattete Rein, Landsberg, den Be- 
Ericht des Besoldungsausschusses. Er 
T führte aus: Die Regelung der Gehälter ist in fast 
fallen Landesteilen noch nicht endgültig erfogt. Es 
M wird auf die verschiedenen diesbezüglichen Ver- 
4 öffentlichungen unter „Mitteilungen” in der Psychia- 
[© trisch-Neurologischen ` Wochenschrift verwiesen. 


rungen des Reichsverbandes. 
il die bisher frei gewährten Bezüge (Wohnung, Licht, 
W Beheizung, Apotheke, Hilfe im Hause und Garten 
W durch Kranke, Gartenpacht usw.) sind in den ver- 
I schiedenen Landesteilen sehr verschieden geregelt 
us und entbehren in ihrer Höhe vielfach jeglicher Be- 
I" rücksichtigung der besonderen Verhältnisse der 
Sf Beamten an den meist abgelegenen Anstalten. Die 
U Regelung dieser Angelegenheit muß den. Einzelver- 
I bänden in Verbindung mit den dadurch ja auch be- 
IT troffenen übrigen Anstaltsbeamten überlassen wer- 
; Berührt wurde in der Aussprache die über- 


den. 
i “all noch nicht geklärte Frage betr. Anwendung des 
n ‚Sperrgesetzes, Anstellung der Assistenzärzte und 
g ne der Medizinalpraktikanten. Der Be- 
É richterstatter will bezüglich dieser Fragen mög- 
Mlichst noch Erkundigungen bei den in Betracht 


N auf 20 Mark festzesetzt werden tnd- 


u In den meisten Fällen entspricht die Regelung 
I mehr oder weniger den früher aufgestellten Forde- 
Die Bezahlung für 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 67 


kommenden Stellen einziehen. Beschlossen wurde 
die früheren Forderungen betr. Einreihung der 
Direktoren und Ärzte aufrecht zu erhalten und be- 
sonders darauf zu achten, daß überall eine Gleich- 
stellung der Ärzte und der übrigen akademisch 
gebildeten Beamten (Verwaltungsiuristen, Baube- 
amte) erfolgt. 

Auch über die Tätigkeit ds Gebührenaus- 
schusses berichtete Rein, Landsberg. Er 
verwies auf die diesbezüglichen Veröffentlichungen 
in der Psychiatrisch-Neurologischen Wochenschrift 
Nr. 19-20 und 49-50, 22. Jahrg. Ferner betr. der 
preußischen Gebührenordnung auf den Artikel in 
Nr. 3-4 der Wochenschrift, 23. Jahrg.; betr. der 
preußischen Gerichtsgebühren und Schreibgebüh- 
ren auf die Mitteilungen in Nr. 51-52, 22. Jahrg.; 
betr. Gebühren für das Versorgungswesen auf den 
neuen Reichstarif. Die Forderungen des Gebüh- 
renausschusses sind den Landesbehörden zuge- 
sandt worden. Württemberg hatte bereits kurz 
vorher eine neue gerichtliche Gebührenordnung 
herausgegeben, Preußen sagte Berücksichtigung 
zu, Hessen verhielt sich ablehnend. In der Be- 
sprechung wurden die einzelnen Fragen noch ein- 
gehend erörtert. Berichterstatter bat dringend um 
Zusendung aller Entscheidungen über einzelne 


Fälle in Gebührensachen. 


Er berichtete dann noch kurz über das Ergeb- 
nis der Rundfrage bezüglich dr Beamtenbe- 
handlung durch Anstaltsärzte. Auf Einzelhei- 
ten, z. B. auf den Vergleich mit der Lösung dieser . 
Frage in allgemeinen Krankenhäusern, konnte nur 
flüchtig eingegangen werden. Sie sind einer be- 
sonderen Veröffentlichung vorbehalten. Es wurde 
beschlossen, die Regelung dieser Angelegenheit den 
Einzelverbäuden. zu überlassen, wobei vor allem 
besonders auch auf die Frage der Haftpflicht der 
Ärzte Rücksicht genommen werden muß. 

Der Vorsitzende berichtete dann über Bestre- 


` bungen, in Preußen die Ablegung des Kreis- 


arztexamens als Vorbedingung für die end- 
gültige Anstellung der Anstaltsärzte zu verlangen. 
Sie gehen aus von einigen Landeshauptleuten und 
werden gestützt durch eine Reihe von Anstalts- 
ärzten, die in der Einführung einer solchen Vor- 
bedingsung eine Hebung des Standes sehen. Der 
Vorsitzende begründete seinen ablehnenden Stand- 
punkt, der noch verstärkt worden ist durch die 
neuerdings veröffentlichte wesentliche Umsgestal- 
tung des Kreisarztexamens in Preußen. Es stellte 
sich heraus, daß bei Besprechungen in den Einzel- 
verbänden in Preußen überall mit Ausnahme eines 
Einzelverbandes die Mehrzahl der Anstaltsärzte 
diesen ablehnenden Standpunkt teilte. Es wurde 


die Schaffung eines Rei 


H at aa di ins 


ak» 


Tr ET UNE 


me... 


empfohlen, daß neue, eingehend begründete Be- 
schlüsse herbeigeführt und von der preußischen 
Arbeitsgemeinschaft bearbeitet werden sollen.. Es 
wurde ausdrücklich betont, daß dadurch die be- 
sonderen Verhältnisse anderer deutscher Staaten 


‚nicht betroffen werden sollen. 


Über unser Verhältnis zum Bund höherer 
Beamter berichtete kurz der Vorsitzende, da 
der eigentliche Referent, unser Vertreter beim 
Bund höherer Beamter, Ehlers, Potsdam, in 
letzter Stunde durch gerichtliche Inanspruchnahme 
verhindert wurde zu erscheinen. Der Bund höhe- 
rer-Beamter hat sich durch Vereinigung mit ande- 
ren Organisationen höherer Beamter in einem 
Zentralausschuß auf eine breitere Grundlage ge- 
stellt, die mit Recht die Behauptung zuläßt, daß 
nunmehr der Zusammenschluß aller höheren Be- 
amten in Deutschland gewährleistet ist, womit 
sein Gewicht gegenüber dem Deutschen Beamten- 
bund erheblich gewachsen ist. Das Nähere enthal- 


ten die letzten Nummern der Zeitschrift des Bun- 


des höherer Beamter. Das. gleiche gilt für den 


Stand der Verhandlungen zwischen dem Bund 


höherer Beamter und dem Deutschen Beamten- 
bund. Bezüglich unserer Haltung gilt noch immer 
das im vorigen Jahre Beschlossene, ergänzt durch 
die weiteren Veröffentlichungen des. Vorstandes. 
Empfohlen wird auf Anregung des Bundes höherer 
Beamter die Bildung von Ortsgruppen. Näheres 
hierüber enthält die Zeitschrift des Bundes höhe- 
rer Beamter. Ehlers, Potsdam, wurde mit 
unserer weiteren Vertretung beauftragt. 

Hierauf ergriff Kroemer, Schleswig, das 
Wort zu Ausführungen über unsere Fachver- 
tretung bei den Behörden. Sie hielten 
sich im wesentlichen im Rahmen seiner Veröffent- 
lichung in Nr. 39-40 22. Jahrg. der Psychiatrisch- 
Neurologischen Wochenschrift. Es wurde ihnen 
im ganzen zugestimmt und beschlossen, daß die 
preußische Arbeitsgemeinschaft, da diese Frage ia 
hauptsächlich Preußen angehe, sich weiter mit ihr 
beschäftige. Den beteiligten Behörden mögen die 
Einzelverbände, falls sie es für nützlich halten, 
jetzt schon mitteilen, daß in den demnächst er- 
scheinenden „Richtlinien” als Forderung unseres 
Standes ausgedrückt sein werde, daß künftig die 
Fachvertretung in irgendeiner Form gewährleistet 
sein müsse. 

Hierauf berichtet Roemer, Konstanz, über 
chsirrenge- 
setzesunter dem Gesichtspunkt des 
Standesinteresses Der Anspruch des 
Reichsverbandes auf rechtzeitige Beteiligung an 
der Vorbereitung eines Reichsirrengesetzes ist von 


ri ee WOCHENSCHRIFT Nr. N 


Irrengesetz im wesentlichen durch Irrtümer um 


der Reichsbehörde anerkannt worden (vgl. die fri 
here Mitteilung unserer Eingabe und die Antwe 
des Reichsministeriums). Wir müssen uns de 
halb über unsere Stellungnahme klar werden. M 
auch das Verlangen der Öffentlichkeit, der Volk 
vertretungen und der Regierungen nach eine 


Vorurteile gegen den irrenärztlichen Stand, ins 
besondere durch die unbegründete Angst w 
widerrechtlicher Zurückhaltung Geistesgesu de 
hinter Anstaltsmauern verursacht sein, so ist dod 
dem Grundsatz zuzustimmen, die persönliche Fre 
heit des Staatsbürgers sei ein so hohes Rechtsgu 
daß zu ihrer Beschränkung nur eine gesetz 
liche Regelung ausreiche. Auf Grund dieser Er 
wägung ist 1910 das badische Irrenfürsorgegese 
geschaffen worden, das sich durchaus bewährt ! 
Die von den Psychiatern befürchteten Nachtel 
für Kranke und Ärzteschaft sind nicht eingetrete 
Dagegen ist die Klärung der Rechtslage dem öffent 
lichen Bewußtsein und den Kranken, insbesonden | 
dem Verhältnis des Arztes zum Kranken und & I 
mit. überhaupt dem irrenärztlichen Stande ohn 
Zweifel zugute gekommen. Diese Erfahrung IB 
weist, daß ein Irrenfürsorgegesetz den Kranke 
nicht zu schaden braucht, bei richtiger Gestaltung 
ihnen vielmehr wesentlich nützen kann. Wir hab 
somit vom Gesichtspunkt des Standesinteress 
aus keinerlei Anlaß, uns gegen die Einführung ein 
solchen Gesetzes zu sträuben. Wir können il 
vielmehr der Zustimmung des Deutschen Verei 
für Psychiatrie zu der von Schultze und Kal 
vertretenen Forderung einer gesetzlichen Regelui 
durchaus anschließen. Ja, wir haben sogar ein ul 
mittelbares taktisches Interesse daran, dd 
wir nicht durch einen manchem Irrenarzt gefühl 
mäßig naheliegenden (zudem völlig aussichtslosel 
Widerstand gegen dies öffentliche Verlangen & j 
ja allerdings unbegründeten Verdacht auf uipa 
laden, als sperrten wir uns aus persönlichen Orig 
den gegen die Schaffung einer klareren Rechtslage 
Mag auch die Forderung eines Irrengesetzes 4i 
gestandenermaßen gegen den irrenärztlichen Stan a 
gerichtet sein: nachdem die Unschädlichkeit, ja ogm 
Nützlichkeit eines sachgemäßen Irrenfürsorgeg@get 
setzes praktisch erwiesen ist, hat der irrel® 
ärztliche Stand ein ganz erh eb lichi 
Interesse daran, dem begründel@ m 
Wunschder Allgemeinheit nach eino 
gesetzlichen Regelung der Re 
lage nicht entgegenzuwirken, somn 
dern vielmehr durch pos Mit 
arbeit eine sachgemäße Gestaltul A 
des Irrengesetzes zu gewährle cistig T 


| 
| 
N 
Ä 


a 
[1921] 
HENE” 


E Was zunächst die Frage: Reic hsgesetz 
ti oder Landesgesetz angeht, so kann die von 
dden Berichterstattern geforderte einheitliche Rege- 
‚lung für das Reich unserem Stande nur förderlich 
Fsein. Es wird seiner Entwicklung. und seinem 
ei öffentlichen Ansehen nur nützen können, wenn die 
Fr bisherige Buntscheckigkeit der verwaltungsrecht- 
lichen Bestimmungen durch ein Reichsmantelge- 
setz, das die allgemeinen Grundlinien enthält und 
i die Regelung besonderer Bedürfnisse bei der Aus- 
4 führung den Verordnungen der Länder überläßt, 
"ersetzt wird. Durch die geforderte Schaffung einer 
FReichsbehörde für das. Irrenwesen 
wird eine einheitliche Ordnung des Anstaltswesens 
rin den wichtigsten Punkten angebahnt und dadurch 
w wiederum die Stellung unseres Standes gestärkt 
ti werden. Dabei müssen wir die Forderung, daß 
E. Zentralbehörde von einem erfahrenen 


ainara der Anstalt 
dem Verwahrungshaus- 


j von den Berichterstattern aufgestellten Leitsätze 
„ berührt werden und ihre Vorschläge sogut wie 


„ men. Dies gilt namentlich hinsichtlich der tunlich- 
„sten Erleichterung der Aufnahme, der Einführung 


ER ‚ polizeilichen Aufnahme zur Beobachtung eines ver- 
| dächtigen Gieisteszustandes; ferner bez. der ee 
"rung der Anstaltspflegebedürfticgke 
"als des für die Aufnahme und Zurückhaltung a 

= “ maßgcbenden Giesichtspunktes, der von der Frage 
"der Gemeingefährlichkeit und Entmündigungsreife 
f grundsätzlich zu trennen ist. Auch die weiteren 
Vorschläge bezüglich der regelmäßigen Verneh- 

l mung des behandelnden Arztes im Sicherungsver- 

i fahren sowie seiner Benachrichtigung von der Ent- 

i Scheidung der Behörde, ferner bezüglich der Heran- 

Hi ziehung von Berufsfürsorgern, Schaffung einer ge- 
-setzlichen Grundlage der Fürsorge für die frei- 
"lebenden Geisteskranken und endlich Ablehnung 

ac Laienkommission liegen durchaus in der Rich- 


i 
fi 


el 
two 


-gibt sich, 


er Dringlichkeitsaufnahme auf Grund des Zeug- 
isses eines Arztes der Anstalt, der Einführung der 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 69 


tung unserer Standesinteressen. Aus alledem er- 
daß bei der wichtigen Frage 
der Schaffung -eines Reichsirrenge- 
setzes die Interessen unserer Kran- 
ken und:.‘°die unseres. Standes un- 
trennbar miteinander verbunden 
sn Ende durchaus’ Inder serHen 
Richtung gehen. Es ist deshalb dringend 
erforderlich, daß neben dem deutschen Verein für 
Psychiatrie auch dem Reichsverband noch recht- 
zeitig der nötige Einfluß auf die Gestaltung des 
Gesetzes. gesichert wird, damit er sich in der Ab- 
wehr alt eingewurzelter Vorurteile für seine eigene 
Zukunft und damit nicht zuletzt für die Zukunft des 
deutschen Irrenwesens einsetzen kann. 

Der Vorsitzende gab im Anschluß daran noch- 
mals den in Nr. 3-4 Jahrg. 23 der Psychiatrisch- 
neurologischen Wochenschrift veröffentlichten 
Schriftwechsel bekannt; es wurde beschlossen, 


- „darauf dem Reichsminister des Innern zu erwidern, 


daß die Heranziehung von Vertretern der pSychia- 
trischen Wissenschaft zu den Vorberatungen 
für selbstverständlich gehalten werde, -daß außer- 
dem aber die Zuziehung von Vertretern der Stan- 
desorganisation zur Geltendmachung ihres 
Standpunktes notwendig erscheine. 

Der letzte, umfangreichste und vielleicht wich- 
tigste Punkt der Tagesordnung, die Aussprache 
über die Richtlinien, konnte sich dank ein- 
gehender Vorarbeit der Kommission und des Vor- 
standes glatt in verhältnismäßig kurzer Zeit er- 
ledigen. Es wurde vorgeschlagen und gebilligt, 
daß der Sonderausschuß zu ihrer Bearbeitung un- 
ter der Führung von Roemer, Konstanz, dem 
wir für seine vorzügliche Arbeitsleistung nicht 
dankbar genug sein können, weiter bestehen blei- 
ben und die notwendigen Änderungen und den 


‘Neudruck in den nächsten Monaten durchführen 


solle. Es wurde nach dem Vorschlag Roemers, 
der die auf schriftlichem Wege gemachten Vor- 
schläge .der Einzelverbände und einiger Einzel- 
mitglieder zusammengestellt hatte, die Umarbei- 
tung rein stilistischer Änderungen dem Aus- 
schuß überlassen. Über sachlich wesent- 
liche Änderungen einigte man sich bald. 
Grundsätzlich wichtige, der Klärung 
bedürftige Fragen erregten zuletzt eine lebhafte 
Aussprache. Nach deren Ergebnis soll es den Ein- 
zelverbänden überlassen bleiben, sich zur Frage 
der gehobenen Stellen, namentlich bei der Stell- 
vertretung des Direktors, so zu verhalten, wie sie 
selbst für richtig halten. Die Ziffer 7 soll dement- 
sprechend aus den Richtlinien verschwinden, 
Ziffer 5 nach unwesentlichen Änderungen im ganzen 


70 Ae PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


bestehen bleiben, Bezüglich der sehr wichtigen 
Gestaltung der Ziffern 4 und 6 (Selbständigkeit der 
Anstaltsärzte, Befugnisse des Direktors und sein 
Verhältnis zu den Ärzten) kam eine Einigung zu- 
stande. Die Ziffern werden im großen und ganzen 
bleiben wie im Entwurf. | 

Zum Schluß mußte die Frage erörtert werden, 
ob die „Richtlinien” bleiben sollen, als was sie ur- 
sprünglich gedacht waren, nämlich bloße Richt- 
linien, die nur die allgemeinen Gesichtspunkte be- 
tonen und. in Einzeldingen möglichst auf genau 
festgelegte, unumstößlich zu befolgende Grundsätze 
verzichten sollen. Oder ob sie unweigerlich zu 
befolgende Grundgebote aufstellen sollen als Mini- 

um, dessen, was aus Standesgründen zu verlan- 
gen und demgemäß auch in seiner Befolgung von 
der Standesvertretung zu kontrollieren sei; neben 
diesen Grundgeboten würden dann noch im Klein- 
gedruckten Dinge aufgeführt werden können, die 
nur Wünschenswertes enthalten. Man entschloß 
sich zu der ersteren Auffassung und daß die Richt- 
linien in ihrer äußeren Form so: bleiben möchten, 
wie sie uns zurzeit vorliegen. 
nur Richtlinien, die jedem Einzelverband je nach 
seinen besonderen regionären Verhältnissen wei- 
ten Spielraum in seiner Eigenart und Durchführung 
eigener Anschauung lassen sollen. Aber es 
wird die Erwartung ausgesprochen, 
daß.in allen Einzelverbänden der 
Ersatz der alten Dienstanweisun- 
gen durch solche, die dem Geist der 
Richtlinien entsprechen, energisch 
betrieben und durchgeführt werde. 
Der Reichsverband muß sich das Recht vorbe- 
halten, sich davon zu überzeugen, ob und wie dies 
geschieht. 

In der nachmittags 5 Uhr abgehaltenen Haupt- 
versammlung erstattete zunächst der Vor- 
sitzende Bericht über die Ergebnisse der Ausschuß- 
Sitzung; Roemer, Konstanz, darauf noch beson- 
ders über seine Ausführungen zum Irrenfürsorge- 
gesetz und zu den Richtlinien. Im Anschluß an die 
Besprechung der letzteren entwickelte sich eine 
kurze Aussprache. 

Herr Braune, früher Direktor von Konrad- 


Über die mutmaßlichen Beziehungen einiger katatoner Symptome 
zur Medulla oblongata. 
Von Dr. Arthur Adler. 


I. Kataleptische Anfälle: Plötzliche 
Erstarrung der gesamten Körpermuskulatur, maxi- 
male Erweiterung der Pupillen, sehr erhebliche 


Sie seien wirklich 


den, Assistenz- und Anstaltsärzte ewig in ihr 


(Nr. 1 
stein (Westpreußen), schilderte dann im Name 
der aus den abgetretenen Gebiets 
teilen vertriebenen Ärzte deren No 
lage und die mangelnde Bereitwilligkeit der Pr 
vinzen und Städte, diese Ärzte anzustellen, | 
richtete im Namen der „Vereinigung der ausd 
Ostmark vertriebenen Irrenärzte” an den Reid 
verband das Ersuchen, zu beschließen: „daß di. 
Provinzialverbände des Reichsverbandes an d 
betreffenden Provinzialverwaltungen und die emf" 
sprechende Berliner Vertretung an die Stadt Berl 
herantreten möge mit dem Antrag, daß die unte 
zubringenden Irrenärzte von den Provinziave® 
waltungen bzw. der Stadt Berlin freiwillig übe i 
nommen würden.” Hierbei müßten bei dem jetz J 
gen Stand ein Arzt, ausnahmsweise zwei a 
ieden Verwaltungsbezirk entfallen. Es erhob sW 
über diese Frage eine lebhafte Auseinandersetzuf 
die zu dem Beschluß führte, die Angelegenheit & 
preußischen Arbeitsgemeinschaft zur Bearbeitui 
im beantragten Sinne zu überweisen, jedoch mg 
dem Zusatz: „daß bei der Einreihung der vertrieb A 
nen Ärzte auf Lebens- und Dienstalter der in df 
betreffenden Verwaltungsbezirken schon angesti 
ten Ärzte Rücksicht genommen werden solle.” J% 

Zum Schlusse stelte Rautenberg, Hat A 
burg, den Antrag, die Versammlung möge duu 
einen Beschluß dazu beitragen, daß der neuerdng® 
wieder zutage tretenden Neigung mancher Behöfpf 


Stellen zu belassen und von weiterem Aufrücke 
auszuschließen, ein Riegel vorgeschoben werk 4 
Ein entsprechender Beschluß wurde gefaßt. mgm 
lautet: p 

„Der Reichsverband beamteter deutscher Irre 
ärzte hat in seiner Hauptversammlung am 27. Ani 
1921 erneut die Forderung aufgestellt, daß die Hip 


ärzte an den öffentlichen Irrenanstalten DS 
Eignung nach . dreijähriger größtenteils "ze 
ärztlicher Tätigkeit als beamtete Ärzte IP" 


angestellt werden, und zwar in derjenigen Besi 
dungsgruppe, in die alle Beamte mit akademische F: 
Vorbildung bei ihrer Anstellung eingereiht werdet 
auch muß ihnen ebenso wie diesen die weitere Ad i 
stiegsmöglichkeit gewährleistet sein.” 


Pulsverlangsamung bis 50—40 je Minute. 
mehrere Minuten. 


paf | 
Das Syndrom entspricht einem perakuten Reif ? 


undVaguskerne inder Medulla oblon- 
sata. 

- 2. Im Gegenatz dazu ist die in den Endzustän- 
"den der Katatonie häufig vorhandene Hypoto- 
nie der Nacken-, Rumpf- und Glied- 
maßenmuskulatur durch eine herabgesetzte 
OR unktion 


i der Ves tibulariskerne zu .er- 

i ‘klär en. 

2 3. Wenn man -schließlich annimmt, daß die 

Be 
Katatonie 


kinetischen Zustände der 
a 


: 3 EN Umsatzsteuergesetz. 
1 Abs. 1. 


. Die Berufstätigkeit des Arztes) ist nach 

‚dem Gasasten somit keine gewerbliche Tätigkeit 

4 Sinne des § 1 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes. 
H 


mi 


II. 


Wie sich aus der Entstehungsveschichte des Um- 
1 satzsteuergesetzes (Kommissionsbericht S. 4, 431.) 
į ergibt, hat die Vertauschung der im Regierungsent- 
i wurf in § 1 gebrauchten Worte „geschäftliche Tä- 
u tigkeit” mit „gewerblicher Tätigkeit” keinen ande- 
ren Zweck verfolgt, als die freien Berufe von der 
Steuerpflicht auszuscheiden. Mit dieser Maßgabe 
n Sollten die Worte „gewerbliche: Tätigkeit” also 
k keinen anderen Sinn haben als die ursprünglich ge- 
; brauchten Worte „geschäftliche Tätigkeit”. Ins- 
"besondere sollte mit ihnen für die steuerpflichtige 
"3 Person nicht die Absicht, aus der Tätigkeit dauernd 
k Gewinn zu erzielen, gefordert werden. Daß eine 
6 gewerbliche Tätigkeit im Sinne des Gesetzes auch 
N ohne die Absicht der Gewinnerzielung anzunehmen 
„ ist, ergibt sich auch unmittelbar aus dem Gesetz, 


 ternehmungen Steuerbefreiung auszusprechen, wie 
T dies-in $ 3 Nr. 2 des Gesetzes geschehen ist... .. 
= Um die Umsatzsteuerpflicht gegen eine Person zu 
begründen, ist daher im wesentlichen nichts weiter 
erfordert, als eine selbständige, nicht der Ausübung 
"eines freien Berufes dienende, in entgeltlichen 
M Lieferungen und Leistungen bestehende Tätigkeit, 


1) D. h. die ärztliche Berufstätigkeit an sich. 


der ärztlichen Tätigkeit durch 
Arzt keine Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 71 


(einschließlich des echten Mutazismus) 
auf einem Mangel des Bewegungstriebs, also 
der Gefühlskomponente des Bewegungsmotivs, 
beruhen, welcher unter” Umständen durch sehr 
starke Affekterregung beseitigt werden kann, so 
würde man auch für diese, bald von Hypo-, bald 
Hypertonie begleiteten Symptome als primäre Ur- 
sache Störungen im Bereich der Medulla ob- 
longata, und zwar der Vasomotoren- 
Kerne verantwortlich machen können. 


Wichtige gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen auf dem 
Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. 


(Fortsetzung.) 


XVI. Folge. 


die, wie das Wort „ausüben” in § 1 Abs. 1 erkennen 
läßt, auf die Dauer berechnet sein muß. Daß sich 
die Person auf eine fortgesetzte Geschäftstätigkeit 
eingerichtet hat, genügte, um ihr die Steuerpflicht 
für die im Geschäftsbetrieb bewirkten entgeltlichen 
Lieferungen und Leistungen, vorbehaltlich der Ab- 
wälzung der Steuer auf den Empfänger der Liefe- 


rung und Leistung, aufzuerlegen. 


Hiernach steht zunächst fest, daß-Privatkran- 
kenanstalten, soweit nicht die Befreiung nach 83 
Nr. 2 des Gesetzes Platz greift, mit ihren in der 
Beherbergung, Beköstigung, Bedienung, Wartung 
und der von den angestellten Ärzten gelei- 
steten ärztlichen Hilfe bestehenden entgeltlichen 
Anstaltsleistungen umsatzsteuerpflichtig sind. Hin- 
sichtlich der von den angestellten Ärzten geleiste- 
ten ärztlichen Hilfe folgt dies für nicht von Ärzten 
betriebene Anstalten daraus, daß die Ausübung 
den angestellten 


den Anstaltsinhaber ist. 


An der bezeichneten Steuerpflicht wird nichts 
dadurch geändert, daß die Anstalt von einem Arzt 
betrieben wird, selbst dann nicht, wenn der An- 
staltsbetrieb lediglich Mittel zur Ausübung der ärzt- 
lichen Wissenschaft ist. Die rechtliche Lage ist 
hier wesentlich anders wie auf den unter I er- 
wähnten übrigen Rechtsgebieten, insbesondere 


dem Gebiet des preußischen Gewerbesteuerrechts. 


Da hier die Beantwortung der Frage, ob ein Ge- 
werbebetrieb vorliegt, von dem Vorhandensein 
einer Erwerbsabsicht abhängt, wird von Recht- 
sprechung und seitens Schrifttums die Gewerblich- 
lichkeit eines Unternehmens als eines besonderen 
Gewerbebetriebs nur bejaht, wenn nach Absicht 


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N Aral: = N AT N a Er a J 
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des Unternehmers dessen Betrieb ein selbständiges 


Mittel zur Erzielung dauernder Einnahmen bildet, 
nicht aber dann, wenn das Unternehmen anderen 
Zwecken dient, insbesondere wenn es nur Mittel 
für die Erzielung von Gewinn aus einer anderen 
Erwerbstätigkeit ist oder wenn die Gewinnerzie- 
lung nicht den Hauptzweck der Tätigkeit bildet, 
sondern nur beiläufig und nebensächlich bezweckt 


wird. Daher hat das Preußische Oberverwaltungs- 


gericht in ständiger Rechtsprechung (Entschei- 
dungen in Steuersachen Bd. 7 S. 418ff.; Bd. 12 
S. 426) die Gewerbesteuerpflicht für solche Privat- 
krankenanstalten verneint, die von Ärzten ledig- 
lich zum Zweck der Ausübung ihres ärztlichen Be- 
rufes ohne die Absicht, aus dem Betrieb einen be- 
sonderen Gewinn zu erzielen, unterhalten werden. 
Dieser Auffassung hat sich das Reichsgericht bei 
Beurteilung der Frage, inwieweit der Betrieb einer 
Privatkrankenanstalt als Gewerbe anzusehen und 
die in der Anstalt beschäftigten Ärzte nach dem 
Krankenversicherungsgesetz versicherungspflichtig 


sind, in dem obenerwähnten Urteil vom 17. ‚Mai 


1907 angeschlossen. 


Für das Umsatzsteuergesetz ist es im Gegen- 


satz hierzu nach dem Zweck des Gesetzes durch- 
aus gleichgültig, ob die planmäßige Tätigkeit aus- 
geübt wird als selbständiges Mittel für die Erzie- 
lung dauernder Einnahmen oder nur als Mittel für 
die Erzielung von Gewinn aus einer anderen Er- 
werbstätigkeit, ob sie sich mithin vom Standpunkt 
des die Tätigkeit Ausübenden als berufliche Haupt- 
tätigkeit darstellt oder nicht. Eine Tätigkeit hört 
daher im Sinne des Umsatzsteuergesetzes nicht 
dadurch auf, eine gewerbliche Tätigkeit zu sein, 
daß sie nach dem vom Ausübenden verfolgten Er- 
werbszweck nur eine nebensächliche oder Hilfs- 
tätigkeit ist, wofern sie nur als Ausfluß der Ab- 
sicht einer dauernden Betätigung anzusehen ist. 
Die gleiche Stellungnahme ergibt sich übrigens 
auch für die Frage, ob die von einem Arzt betrie- 
bene Privatkrankenanstalt als Betrieb eines ste- 
henden Gewerbes im Sinne von $ 76 Reichsstem- 
pelgesetz in der Fassung des Gesetzes über einen 
Warenumsatzstempel vom 25. Juni 1916 (Reichs- 
gesetzblatt S. 639) anzusehen ist. Auf eine Würdi- 
gung des hierzu ergangenen Urteils des VII. Se- 
nats des Reichsgerichts vom 8. Nov. 1918 (Ent- 
scheidungen in Zivilsachen Bd. 94 S. 109) braucht 
hier nicht näher eingegangen zu werden, nachdem 
das Urteil selbst die Frage offen gelassen hat, ob 
nach § 76 Reichsstempelgesetz der Begriff des Ge- 
werbebetriebs weitergreift als nach der Gewerbe- 
ordnung, ob nämlich auch nach $ 76 die Absicht der 
CGiewinnerzielung erfordert wird. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIF' (Nr. u 


 abwerfie und danach als Gewerbebetrieb anzusch 


HI. 


Das Preußische Oberverwaltungsgericht hati 
Urteil seines VI. Senats vom 5. Mai 1898 (Entsche 
dungen in Staatssteuersachen Bd. 7 S. 418 ff.) au 
gesprochen, daß zwar für die Prüfung der Frag 
ob eine Privatkrankenanstalt „als solche” Gewi 


sei, außer den Verpilegungsgeldern nicht auch & 
aus der Anstalt fließenden ärztlichen Honorare i 
Berechnung gezogen werden dürften, daß ab 
wenn auch bei Ausscheidung der Flonorare si 
die Absicht, aus dem Anstaltsbetrieb Gewinn zug 
zielen, ergebe und die Anstalt des Arztes sich & 
mit als Gewerbebetrieb darstelle, dann auch 4 
aus ihr fließenden Honorare einen Teil des steugn 
pflichtigen Gesamtbetrags bildeten. Denn, weni a 
so hat das Oberverwaltungsgericht geschlosse 
die Privatkrankenanstalt hauptsächlich zu de 
Zweck betrieben wird, um aus der (Gewähr 
von Aufenthalt und Unterhalt gegen Entgelt & 
winn zu erzielen, der Anstaltsbetrieb für den Ari op 
also Selbstzweck ist, dann unterordnet sich aufn 
die Ausübung der eigenen ärztlichen Tätigkeit def 
sem Zweck des gewerblichen Anstaltsbetriesg, 
Damit erscheint die gesamte Erwerbstätigkeit dif. 
ärztlichen Unternehmens als Gewerbebetrieb wi 
demgemäß der ganze Gewinn aus dieser Tätigke 
als gewerbesteuerpflichtiger Ertrag. 


Man mag diese Schlußfolgerung aus der Bë 
grifisbestimmung des Gewerbebetriebs für ja 
preußische Gewerbesteuerrecht als folgericht 
gutheißen. Für das Umsatzsteuergesetz ist 9 
es nicht. Das preußische Gewerbesteuergesetz ié 
steuert den Gewerbebetrieb als solchen nach del 
Ertrage, den das Unternehmen im ganzen abwil 
Was die Tätigkeit der Person im steuerlicht 
Sinne als Einheit zusammenfaßt, ist die Absid 
der Gewinnerzielung, und unter diesem Gesichts 
punkt läßt sich auch eine an sich steuerfreie Täie 
keit unter die Steuerpflicht bringen, wenn sie nie 
hauptsächlich aus Gründen, die die Steuerfreiheg ; 
bedingen, sondern zur Förderung der Gewinnerz&f® N 
lung aus einer anderen Tätigkeit ausgeübt WIE 
Das Umsatzsteuergesetz aber besteuert im Gesu 
satz zur Gewerbesteuer nur die einzelnen Lieti ; 
rungen und Leistungen und legt dem Leistend 1 
die Verpflichtung, aus diesen Lieferungen WE 
Leistungen, vorbehaltlich seines Rechts zur AR 
wälzung der Steuer, die Umsatzsteuer zu zahl 
nur aus‘ Zweckmäßigkeitseründen auf, weil 
steuerpflichtigen Lieferungen und Leistungen wel 
gen der planmäßigen Tätigkeit in dieser Perso" | 
ihren einheitlichen Ausgangspunkt haben. Im Beil 


| 
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921] 


"griff der gewerblichen. Tätigkeit nach dem Um- 
"satzsteuergesetz ist daher kein Merkmal vorhan- 
(den, unter dem auch an sich steuerfreie Leistungen 
in diesen Begriff einbezogen werden könnten. Um 
"eine solche Einbeziehung auszuschließen, sind bei 
"Beratung des Gesetzes in der Kommission (Kom- 
Smissionsbericht Seite 66) noch ausdrücklich die 
Worte eingefügt worden „soweit die Lieferungen 
fund Leistungen innerhalb der gewerblichen Tätig- 
"keit liegen”. Denn, so bemerkt die Begründung 
"des Antrags, die jetzige Fassung des Gesetzes lasse 
“immerhin die Auslegung zu, daß für die Steuer- 
pilicht genüge, daß eine Person überhaupt eine 
"gewerbliche Tätigkeit entwickle, und daß, wenn 
[dies der Fall, auch ihre nicht gewerbliche Tätig- 
i [keit von der Steuer ergriffen werde. Dieser mög- 
“liche Zweifel soll durch den Zusatz ausgeschaltet 
“werden. 
Hiernach fällt der Betrieb einer Pearke 
anstalt unter den Begriff der „gewerblichen Tätig- 
f teit” im Sinne des $ 1 Abs. 1 Umsatzsteuerge- 
Eo nicht auch insoweit, als er in der persön- 
[lichen Ausübung des ärztlichen Berufs durch den 
© Anstaltsunternehmer besteht. 
© Für die Veranlagung zur Umsatzsteuer sind da- 
"her die Lieferungen und Leistungen, die in der 
E ewährung von Unterkunft, Beköstigung, Bedie- 
nung und Pflege bestehen, von der Gewährung der 
"ärztlichen Behandlung zu scheiden. Dies wird im 
“Einzelnen auf Schwierigkeiten stoßen können. 
"Diese Schwierigkeiten aber bestehen, wie in dem 
zuletzt angeführten Urteil dargelegt ist, auch für 


aus dem Antaa bE 7 erstrebt 
ge eine getrennte Verrechnung der Vergütung 
‚ für die ärztliche Tätigkeit einerseits und für die 
i ewährung des Unterhalts in der Anstalt anderer- 


T seits regelmäßig gleichfalls notwendig wird. Un- 


j 


möglich ist die Scheidung jedenfalls nicht, da der 
u: wissen muß, was er für den Fall der ambula- 
“torischen Ausübung seiner Berufstätigkeit zu for- 
"dern berechtigt sein würde. Nötigenfalls ist nach 
TS 22 des Gesetzes im Wege der Schätzung zu 
3 elfen. (Gutachten des Reichsfinanzhofes, II. Se- 
nats vom 7. Februar 1919.) 

E Jurist. Woch. 1919, S. 520. 


t In der Anmerkung zu diesem Gutachten weist 
"Rechtsanwalt Dr. Kaufmann darauf hin, daß 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT | 283 


fern die Vergütung so hoch bemessen ist, daß sie 
der Anstalt einen Überschuß zuführen würde, wenn 
sie allgemein Entgelte in dieser Höhe nehmen 
würde, und daß nicht nur das Honorar des Chef- 
arztes steuerfrei ist, sondern auch das des Assisten- 
ten, sofern es ihm unverkürzt zufließt, also nur für 
ihn eingezogen wird, z. B. nach Operationen. Die 
Tätigkeit der angestellten Ärzte sei nicht für diese, 
sondern für die Anstalt umsatzsteuerpflichtig. Eine 
Steuerpflicht bestehe jedoch nicht, wenn das Hono- 
rar des Arztes reine Auslage, also nur Durchgangs- 
posten in der Rechnung der Anstalt ist. (Jurist. 
Wochenschr. 1919 S. 521) ` | 


: Warenumsatzstempelgesetz 
vom 26. Juni 1916. 


Der Kläger ist der Unternehmer einer Privat- 
krankenanstalt. In dieser wird den Kranken ärzt- 
liche Behandlung, Unterkunft und Verpflegung 
gegen einheitliches Entgelt gewährt; außerdem er- 
halten sie gegen besondere Bezahlung Wein, Bier 
und Zigarren. Die zuständige Steuerbehörde hat 
den Kläger nach Maßgabe des Warenumsatzstem- 
pelgesetzes vom 26. Juni 1916 — Tarifstelle 10 des 
RStG. — zunächst zur Anmeldung über bezahlte 
Warenlieferungen, die im Betriebe der Krankenan- 
stalt stattgefunden hatten, für das Jahr 1916 auf- 
geiordert und später 180,50 M von ihm eingezogen; 
die Zahlung ist unter Vorbehalt erfolgt. Mit der 
Klage begehrt Kläger Feststellung, daß er nicht 
verpflichtet sei, für die im Betriebe seiner Heilan- 
stalt den Kranken gewährten Leistungen, insbe- 
sondere die DBeköstigung, einen Warenumsatz- 
stempel zu entrichten, und Rückzahlung der ge- 
zahlten 180,50 M. Beide Vorinstanzen haben die 
Klage abgewiesen. Die Revision blieb erfolglos. 
Aus den Gründen: Das Berufungsgericht hat ange- 
nommen, daß die Tarifstelle 10 RStG. in der Fas- 
sung des Gesetzes über einen Warenumsatzstem- 
pel vom 26. Juni 1916, wonach Anmeldungen Ge- 
werbetreibender über bezahlte Warenlieferungen 
einem Stempel von 1 v. T. unterliegen, auf die 
Verabfolgung von Nahrungs- und Genußmitteln im 
Anstaltsbetriebe des Klägers Anwendung findet. 
Die Revision rügt Verkennung des Begriffs des 
Gewerbebetriebs. Der Vorderrichter habe nicht be- 
rücksichtigt, daß nach dem Vorbringen des Klägers‘ 
die Absicht fernliege, aus der Beköstigung der 
Kranken Gewinn zu erzielen. Die Gewinnabsicht 
sei aber, ebenso wie nach der Gewerbeordnung, 
auch nach § 76 des Gesetzes vom 26. Juni 1916 
wesentliches Erfordernis des ‚„Gewerbebetriebes”. 


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F 1 


74 | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Ferner sei der Betrieb der Anstalt für den Kläger 
nicht Selbstzweck, sondern nur ein unselbständiges 
Mittel zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Die 
Beköstigung der Kranken bilde nur eine Neben- 
leistung gegenüber der ärztlichen Leistung des 
Klägers als der Hauptleistung und sei deshalb 
‚steuerfrei. DerRevision war der Erfolg zu versagen. 


Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 


finden in der Anstalt des Klägers Kranke gegen 
Entgelt für eine gewisse Dauer Aufenthalt, Ver- 
pflegung und ärztliche Behandlung. Das Unter- 
nehmen ist ein einheitliches. Die ärztliche Behand- 
lung und die Verpflegung bilden die Mittel zu seiner 
Durchführung und zur Erreichung des Zwecks, der 
Erzielung von Gewinn. Der Gewinn soll das Er- 
gebnis des ganzen Unternehmens sein und ist es 
auch. Die Lieferung ‘der Nahrungsmittel ist nach 
der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nur 
eine Nebenleistung. Nun ist es anerkannten Rech- 
tens, daß der Betrieb einer Privatkrankenanstalt 
einen Gewerbebetrieb im Sinne der Gewerbeord- 
nung ($ 30) darstellt, und daß auch ein Arzt, wenn 
er Unternehmer einer solchen Anstalt ist, als Ge- 


werbetreibender anzusehen ist (folgt Quellenan- 


gabe). Allerdings ist es erforderlich, wie der er- 
kennende Senat im Urteil vom 17. Mai 1907, VII. 
310/06 (Jurist. Wochenschr. 1907, 401, 34), bereits 
ausgesprochen hat, daß_die Anstalt vom Arzt als 
einselbständiges Mittel zur Erzielung einer 
dauernden Einnahmequelle gehalten wird. Er 
wird nicht schon dadurch Gewerbetreibender, daß 
die auf Gewinnerzielung gerichtete ärztliche Tätig- 
keit, die an sich keinen Gewerbebetrieb im Sinne 
der Gewerbeordnung bildet ($ 6 daselbst), die Un- 
terhaltung der Anstalt erforderlich macht, wie z.B. 
der Klinik eines Chirurgen, in welche die Kranken 
lediglich zum Zwecke der Durchführung operativer 
Eingriffe für eine gewisse Zeit aufgenommen 
werden. Aber hier liegt die Sache nach der‘ Fest- 
stellung des Berufungsgerichts so, daß das’ Unter- 
nehmen des- Sanatoriums des Klägers ein selbstän- 
diges Mittel zur Erzielung einer dauernden Ein- 
nahmequelle bildet, daß die Anstalt nicht nur der 
Ausübung des ärztlichen Berufs des Klägers dient, 
sondern Selbstzweck zur Gewinnerzielung ist.. Die 
einzelnen Leistungen des Klägers: ärztliche Be- 
handlung, Gewährung von Unterkunft, Beköstigung 
nebst Lieferung von Getränken und Zigarren, sind 
gleichwertige Leistungen innerhalb des auf Ge- 
winnerzielung . gerichteten Gesamtunternehmens. 
Es braucht daher hier nicht zu der Frage Stellung 
genommen zu werden, ob nach $ 76 des Waren- 
umsatzsteuergesetzes der Begriff des Gewerbebe- 
triebes weitergreift als nach der Gewerbeordnung, 


‚ Nr. 284 u. a.); in beiden Fällen bedarf es eines 


< C 
A 


ob nämlich auch nach § 76 die Absicht der Gewim 
erzielung erfordert wird. Da die einzelnen le 
stungen des Klägers gleichwertig nebeneinand 
stehen und die Beköstigung der Kranken zu d 
anderen Leistungen, insbesondere zur ärztli h 
Behandlung, nicht im Verhältnis der Nebenleisty 
zur Hauptleistung steht, so kann auch keine Re 
davon sein, daß gemäß Nr. V der Grundsätze 7 
Auslegung des Warenumsatzsteuergesetzes —B 
kanntmachung des Reichskanzlers vom 23. Oki 
ber 1916 — die Beköstigung als Nebenleistu 
steuerfrei wäre. Eine Verletzung des $ 79 Ware 
umsatzsteuergesetz seitens des Berufungsgerid 
ist nicht zu erkennen. (E. w. Preuß. Staat, Uri 
des Reichsgerichts vom 9. Nov. 1918, 223/18 VIEz 

Jurist. Wochenschr. 1919 S. (8% 


Reichshaitpflichtgesetz. 
SN 


Daß ein Unfall im Eisenbahnbetriebe i. S. agiti 
$ 1 Reichshaftpflichtgesetzes vorliegt, begegn il 
keinem Bedenken. War der Zug, aus dem der Mir 
herausstürzte, noch in Bewegung, handelt es siii 
also um die eigentliche Beförderungstätigkeit 
Eisenbahn, so ist der innere und äußere Zusamme 
hang des Unfalles mit dem Eisenbahnbetriebe I 
selbst gegeben (RG. 75, 285; J. W. 1911, 332; I.N į 
1917, 661, Nr. 16). Aber auch das Aussteigen aif 
dem zum Halten gebrachten Zuge gehört nochi 
den Betriebsvorgängen im engeren Sinne; el 
der Schlußvorgang der Beförderung (Warn. ME 


sonderen Nachweises des inneren Zusammenldr 
ges mit einer besonderen Gefahr des Eisenbahn 
triebes nicht. Der Tatbestand der höheren Gew 
ist nicht gegeben. Er erfordert ein von außen 
den Betrieb einwirkendes und außerordentlic 
Ereignis, das der Eisenbahnunternehmer auch im 
äußerster Sorgfalt ohne Gefährdung des ga 
Betriebs nicht abwenden konnte (RG. 93, 66; J. WE 
1919, 689 und 305; 95, 64; J. W. 1919, 38). Dii 
Revision will das letztere Moment allein als T 
bestandserfordernis der höheren Gewalt angesti 
wissen; das ist rechtsirrig: alle drei Umstäl@en 
müssen zusammen vorhanden sein. Es braus 
nicht erörtert zu werden, ob die Schlaftriß r 
kenheit eines Fahrgastes und das Handeln # i 
diesem Zustande als ein von außerhalb des Bay 
triebes auf diesen einwirkendes Ereignis angesell t 
werden könnte; höhere Gewalt liegt schon desha 
nicht vor, weil es sich hierbei um ein zwar np 
alltägliches, aber auch nicht außergewöhnlich x 


13 ER 
Aison . „ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT Z5 


Í Vorkommnis handelt. Daß ein Reisender schlaf- 
T trunken wird und in der Schlaftrunkenheit sich ein- 
"bildet, er sei an Ort und Stelle angekommen und 

[müsse aussteigen, und danach in einem Zustande 
“der Bewußtlosigkeit handelt, ist eine Erscheinung, 

A "die der Bahnbetrieb mit sich bringt und mit der 
"der. Unternehmer rechnen muß. Ob die Eisenbahn- 

“verwaltung solche Vorkommnisse verhindern 

T könnte, ist ein Gesichtspunkt, der demgegenüber 

“nicht in Betracht kommt. Noch weniger trifft es 

"zu, daß diese Unfallsursache den Tatbestand des 

"Betriebsunfalles überhaupt ausschaltete; ein sol- 

"cher ist, wie eingangs dargelegt wurde, schon 

| Be den äußeren wie inneren Zusammenhang 


N 


(Preuß, Eisenbahn w. T, Urteil des 
FReichsgerichts vom 4. März 1920, 434/19 IV.) 
Jurist. Wochenschr. 1920 S. 710. 


$ In der Kritik dazu wird es für bedenklich er- 
achtet, daß das Reichsgericht höhere Gewalt als 
; nicht vorliegend erachtet. Die Eisenbahn müsse 
ni “nicht damit rechnen, daß ein Reisender schlaf- 
trunken wird und infolgedessen verunglückt, 
Be es auch nicht verhüten. 


i Reichsversicherungsordnung. 

E 88 555, 586. 

Wie das Reichsversicherungsamt wiederholt 
© ausgesprochen hat, ist ein unsächlicher Zusammen- 


© hang zwischen Betriebsunfall und Tod des Verletz- 
"ten auch dann gegeben, wenn der Tod nur eine 
í mittelbare Folge desUnfalls ist, seies, daß er seinen 
l Grund hat-in einer an sich vom Unfall unabhängi- 
I gen neuen Krankheit, deren Entstehung aber bei 
" dem Verletzten durch die natürlichen Folgen des 
I Unfalls in besonderem Maße begünstigt worden ist, 
I sei es, daß er durch besondere, äußerlich betrach- 
I tet, von dem Unfall und dessen unmittelbaren Fol- 
"gen zunächst unabhängige Umstände herbeige- 
" führt wird, deren schädlichen Einwirkungen der 
T Verletzte aber erst durch den Unfall und seine 
"Folgen in einem das Ergebnis wesentlich mitbe- 
“.stimmenden Maße ausgesetzt ist. Der verstor- 
# bene W. war in M. zur Zeit des Unfalls beschäftigt. 
I Weder dort, noch in seinem Wohnort herrschte da- 
" mals die Ruhr. Es unterliegt auch keinem Zweifel, 
l daß die Erkrankung W.s an Ruhr auf eine Anstek- 
T kung erst während seines Aufenthaltes im Kran- 
í kenhause in R. zurückzuführen ist. Zu damaliger 
I Zeit wurden nicht nur im Krankenhause selbst 
I Ruhrkranke behandelt und verpflegt, sondern es 
ji war auch in R. und seiner Umgebung die Ruhr 


verbreitet. Der Unterbringung in das Kranken- 
haus, die behufs Heilung seiner Unfallsfolgen er- 
folgte, konnte der Verletzte sich ohne Gefahr eines 
Rechtsnachteils nicht entziehen. Sie stand also- in- 
sofern mit dem Betriebsunfall in Zusammenhang 
und bildete für die Erkrankung an Ruhr daher eine 
wesentlich mitwirkende Bedingung. Die Gefahr, 
durch Ruhrbazillen angesteckt zu werden, war für 
W. während seines Aufenthalts im Krankenhause 
eine über die Gefahr des gewöhnlichen Lebens 
weit hinausgehende. Ob die Ruhr durch Ange- 
hörige des Krankenhausperonals oder durch dritte 
Besucher übertragen worden ist, ist dabei gleich- 
gültig. (Rek. -Senat. vom 23. Jan. 1919, I a 930/18.) 
Jurist. Wochenschr. 1920 S. 96. 


§- 1650. 


Der Kläger, der in Ansehung der Geschäftsfähig- 
keit einem Minderjährigen gleichsteht, der das 
siebente Lebensiahr vollendet hat, würde nach 
dem BGB. — eine Ermächtigung in Dienst oder 
Arbeit zu treten vorausgesetzt — unbeschränkt ge- 
schäftsfähig sein für alle Rechtsgeschäfte, welche 


‚die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder 


Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder die 
Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis 
ergebenden Verpflichtungen betreffen. Insoweit 
würde auch Prozeßfähigkeit nach der ZPO. be- 
stehen. Insbesondere gilt dies auch für die etwa- 
igen Ansprüche des Klägers 'aus einem derartigen 
Dienstverhältnisse, mithin auch für einen etwaigen 
Ersatzanspruch wegen Gesundheitsbeschädirung 
durch den Dienst ($ 618 BGB.). Hierbei kommen 
aber nur Ansprüche aus dem Vertrage in Frage. 
Um einen solchen handelt es sich im Verfahren 
nach der RVO. nicht. Der Anspruch aus den 
Vorschriften :der Unfallversicherungszesetzgebung 
hat vielmehr eine öffentlich-rechtliche Grundlage, 
mag er sich auch aus dem Haftpflichtgesetz ent- 
wickelt haben und zum. Teil an die Stelle vertrag- 
licher Ansprüche getreten sein. Der Kläger ist 
mithin als ein wegen Geistesschwäche Entmün- 
digter nach der RVO. nicht prozeßfähig. (Rek.- 
Senat vom 20. September 1918, Ta. 150/18.) 
Jurist. Wochenschr. 1920, S. 313. 


Versicherungsgesetz für el: 


S 25. 

Die Frage des Beginns der dauernden Berufsun- 
fähigkeit ist dann besonders zweifelhaft, wenn sich 
erst im Verlaufe der Krankheit herausgestellt hat, 
daß sie keine Aussicht auf Heilung bietet. In sol- 
chem Falle ist zu prüfen, ob dieser ungünstige 


RRE ESE 


en durch den Hinzutritt A nicht 
-voraussehbarer Umstände veranlaßt worden ist. 
 Bejahendenfalls ist bis zum Eintritt dieser Umstände 


-vorübergehende und von.da ab dauernde Berufs- 


unfähigkeit anzunehmen. Der Vorgang, welcher 
die Unterscheidung dieser beiden Krankheits- 
phasen notwendig macht, kann äußerlich er- 
kennbar sein. Es kann sich aber auch um einen 
Vorgang handeln, der sich latent vollzieht, auf 
dessen Eintritt aber hinterher „nach dem ganzen, 
der sachverständigen Voraussage nicht entspre- 
chenden und- anormalen Verlaufe der Krankheit 
mit ausreichender Sicherheit zu schließen ist”. 
Sollte die künftige Beweiserhebung ergeben, 
daß. die Voraussicht der Heilung von vornherein 
auf unrichtiger Prognose bestand, so wäre vom 
Beginn der Krankheit. an dauernde Berufsunfähig- 
keit anzunehmen. Auch bei unrichtiger Prognose 
oder Diagnose können nach dem Eintritt der dau- 


ernden Berufsunfähirkeit die tatsächlich geleiste- 


— Reichsverband. Es wird an die Zahlung der 
Mitgliedsbeiträge für das Jahr 1921 bis zum 1. Juli er- 
innert. I. A.: Dr. Hussels. 


— Die Berchölogische Geselischait zu Berlin beab- 
sichtigt, einen Teil der .sogenannten okkulten Tatsachen 
einer exakten Prüfung zu unterwerfen, Eine solche 
Prüfung hält sie für nötig, da einerseits der Wissen- 
schaft vorgeworfen wird — ob zu Recht oder nicht, 
bleibe dahingestellt —, daß sie die ihr obliegende Pflicht 
zur Feststellung und Erklärung von Tatsachen nicht hin- 
länglich erfüllt habe. Die Gesellschaft will- zunächst 
denjenigen sich in Berlin aufhaltenden Personen, die im 
Besitze „okkulter” Fähigkeiten zu sein glauben, Ge- 
legenheit: zu einer Untersuchung durch Gelehrte geben, 
ie mit dem Gebiet, den Methoden und den Fehlerquellen 
vertraut sind. Zu diesem Zweck hat sie einen Ausschuß 
gewählt, dem Dr. R. Baerwald, Prof. Dessoir 
und- Geh. Rat Albert Moll angehören. Als Hauptpro- 
bleme für die Arbeit des Ausschusses gelten folgende 
Fragen: 1. Gibt es ein (räumliches oder zeitliches) Hell- 
sehen? . 2. Gibt es eine Telepathie, d. h. eine Gedanken- 
übertragung ohne Vermittlung der allgemein anerkann- 
ten Wahrnehmungsmöglichkeiten? 3. Gibt! es eine Tele- 
kKinesie, d. h. gibt es Personen, die fähig sind, Gegen- 
stände ohne «die bekannten mechanischen Kräfte 
in Bewegung zu setzen? 4 Gibt es Materia- 
lısation von Verstorbenen oder andere Materialisationen, 
gibt es Personen, aus deren Fingern oder aus deren 
Mund sich rühlbare oder sichtbare Stoffe entwickeln, die 
te Form von Körperteilen oder sogar von ganzen Kör- 
pern annehmen und schließlich wieder spurlos ver- 
schwinden können? — Jeder, der überzeugt ist, daß 


_ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT | (Nr. u 


Mitteilungen. 


ten Beiträge nicht mehr angerechnet werd 
Der Grundsatz der Unzulässigkeit der Anrechn 
von Beiträgen nach Eintritt des Versichern 
falls beherrscht das Gebiet der Sozialversichen 
wie jede andere Versicherung und erleidet ing 
sondere durch § 170-Abs. 2 VG. f. A. keine A 
nahme. (Oberschiedsgericht für Angestellten 
sicherung, 28. Mai 1919.) 

Jurist. Wochenschr. 1919 S. o 


Reichsgewerbeordnung. 


8 33 Abs. 2 Ziff. 1. 


Unter Völlerei ist gewohnheitsmäßige Unmält 
keit im Trinken oder im Essen zu verstehen. Wi 
derholte Polizeistundenübertretung ist als Förk 
rung der Völlerei anzusehen, da die Polizeistun 
die Beschränkung einer übermäßigen Ausdeh 
des Wirtshauslebens und damit der Völlereii 
zweckt. (Fortsetzung folgt) 


eine dieser Fragen bejaht werden muß, und daß er‘ f 
für einen unbedingt zwingenden experimentellen Bew 
vor dem Ausschuß erbringen kann, wird gebeten, N 
bei Geh. Rat Albert Moll, Berlin W. 15, Kurfürst p 
damm 45, schriftlich zu melden. — 


Referate. 


— Die Wünschelrute. Schriftleiter Dr. E. Aigne i ) 
Leipzig, Verlag „Das Wasser”. l ; 

Die elfte Numimer de“ neunten Jahrganges vom MERET 
vember 1920 ist der Wünschelrutenfrage gewidmet. $ m 

Aigner behandelt den gegenwärtigen Stand i 
Grund der wissenschaftlichen Erfahrungen. Er W 
sucht diese vorsichtig und kritisch abzuwägen | 
kommt zu dem Ergebnis, daß ein menschlicher Sim 1 
genommen werden kann, welcher unter „ge eign 
ten Voraussetzungen” Wasser zu empiinidg 
vermag. 

Er weist auf die merkwündigen Feststellungen ME -m 
welche ihm geglückt sind (Handstrahlen einer W k 
suchsperson hatten eine photographische Platte beai E 
flußt — näheres hierüber in der Münch. med. Woch@ a 
schr. 1921 S. 408) und verlangt mit Recht eine vo iapa 
urteilslose Nachprüfung der „okkulten” Phänomene. Pa 

Rei. hat vor kurzem angeregt, daß es Sache GES 
wissenschaftlichen Kreise wäre, sich mit der Prise 
jener Fragen zu befassen, welche zurzeit eine eben 
gefährliche, wie unkritische Atmosphäre von Mass! 
suggestion geschaffen haben (Spiritismus, Telepati 
Hellsehen usw.). Es wäre nur zum Besten des M 
kes, wenn beispielsweise die Gesellschaft Deuts | 


Hi 


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I {l AYAY IC 
I : en ER Ta E | RN‘ =. 
| cte Y | by N J I J J T, & E: 


1921 


Nervenärzte eine Kommission einsetzen würde, 
T welche sich mit der Erforschung der „behaupteten” 
- Tatsachen befaßt. Wenn sich der Mann (der Wissen- 
© ‚schaft hierzu für zu „gut” hält, dann soll er sich auch 
T nicht über die Zunahme der Kurpfuscher und Mysta- 
= gogen beklagen. Der Verführung kann nur 
Ed rch Führung begegnet werden — nicht 
E dur ch vornehme Ablehnung. 
W endler, Erlangen, bespricht die Radioaktivität 
und Wünschelrute.. Über die Literatur, welche einen 
groben Umfang angenommen hat, berichtet 
” v. Klinekowstroem, München. 
Reg.- und Bergrat Dr. P. Range, Berlin, teilt die 
T Ergebnisse des Wassersuchens mit der Wünschelrute in 
= Südwestafrika und. im Orient: mit. -Der Rutengänger 
Herr v. Graeve hat „neue, für die Wasserversor- 
- gung wichtige Wasserstellen durch die Wünschelrute 
- nicht erschlossen”. 
1.3 1918 wurde durch die Armeeoberleitung in Palä- 
© stina der Rutengänger Liersch beschäftigt. Wasser 
= wurde niemals gefunden. 
ji Mehr Erfolg sollen (die Uslarschen Bohrungen 
f gehabt haben. Doch auch für sie läßt Range nur 
>76 v. H. wasserfündig und 34 v. H. praktisch verwert- 
© bar gelten. 
ik Das Reichskolonialamt — dem hoffentlich eine Auf- 
| erstehung ‚beschieden sein wird — hat, wie uns scheint, 
a ‚der Frage gegenüber eine sehr. verständige Haltung ein- 
genommen. Es ließ die Rute neben den geologischen 
© Hilfsmitteln zu. 

Range gibt seiner Ansicht dahin Ausdruck, daß 
‚die Wünschelrute wohl immer ein unsicheres Hilfsmittel 
- bleiben wird. 


Re 


4 geschlagen werden soll. | 

e (Für diejenigen, welche sich für die psychiatrische 
T Seite der Frage interessieren, sei auf die eingehende 
- Analyse von Ewald in der ‚Münch. med, Wochenschr. 
f. 1921 S 103 nachdrücklich verwiesen.) 


| une: zu beobachten. 
© Hunderten von Kranken belegten Lazaretis bereitete 
jr ihm der Wiassermangel, unter welchem die Kranken bei 
T .drückender Hitze schwer litten, große Sorge. Ein ihm 
7 von der Armeeleitung gesandter Rutengänger erwies 
T sich als hochgradig nervöser, suggestiv wirkender Mann. 
K Die Rute zeigte dreimal starken Ausschlag. Als Refe- 
f rent nach den Angaben des Rutengängers die Rute hal- 
N tend idie betreffenden Stellen abging, konnte er keinen 
- Ausschlag feststellen. Den stärksten Ausschlag erhielt 
E der Rutengänger an zwei Stellen, an denen Brun- 
"nen vorhanden waren, welche aber nicht geni- 
[ gend Wasser gegeben hatten. / 

F Der Rutengänger gab ‘an einer dieser beiden Stel- 
[ len an, daß in geringer Tiefe viel Wasser sein müsse. 
k Die von mir angeordnete Bohrung hatte aber erst in 
f der dreifachen Tiefe Eriolg. 

| Das Ergebnis ist somit in keiner Weise eindeutig 


Grai Gs 


Er sieht aber darin, daß sie die Bohr- 
‚tätigkeit anregt, einen Nutzen, der nicht zu gering an- . 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Referent hatte im Felde einmal Gereka einen. bei 
Als; Chefarzt eines mit 


in 


auch (die Abhandlung von Breuer und Freud 


77 


gewesen. Es liegt mir aber ferne, aus einem Ver- 
suche Folgerungen ziehen zu wollen. 
Der von mir beobachtete Rutengzänger versuchte 


mich, hinter ihm zu gehen; ihn durch keine Frage zu 
stören, da er sich in heftiger Nervenspannung (Konzen- 
tration?) befände. Als wir das. Gelände abgegangen 
hatten, wurde er ruhig und gab auf meine Fragen bereit- 
willig Auskunft. Unter anderem erklärte er, daß er bei 
Begehen einer wasserhaltigen Stelle ein Ziehen in den 
Armen verspüre und die Rute so gewaltsam ausschlüg®, 
daß er ihren Bewegungen nachgeben müsse. 

Die weiteren Forschungen werden zu entscheiden 
haben, ob wir eine bei wenigen Menschen vorhandene 
besondere Begabung oder nur suggestive Vorgänge an- 
zunehmen haben. 

Die Frage ist praktisch wichtig genug, um ihr Auf- 
merksamkeit zu widmen. Durch theoretische Streitig- 
keiten wird sie nicht gefördert werden. Sache der 
Rutengänger aber wäre es,. sich von ihren zahllosen 
unkritischen und psychopathologischen Mitläufern frei 
zu machen. Denn diese sind es (wie auch die „Mystiker” 
auf anderen Gebieten), welche es der ernsten Wissen- 
schaft so schwer machen, sich mit ihnen zu beschäftigen 
(siehe Ewald). Prof. Friedländer, Freiburg i. Br: 


Buchbesprechungen. 


Freud, Prof. ‘Dr. Sigm.: Sammlung kleiner 
Schriften zur Neurosenlehre aus den Jahren: 1893 bis 
1906. 3. Auflage. 229 Seiten. Leipzig und Wien: 1920, 
Franz Deuticke. 15 M. 

Wer sich für die Entwicklung (der Feinden Lehre 
interessiert, wird sie nach dieser Sammlung gut‘ ver- 
folgen und studieren können. Insbesondere ist darin 
| über 
den psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene 
(1893) enthalten. 


Therapeutisches. 


— Beitrag zur Brombehandlung der Melancholie, des 
Alkoholismus, Morphinismus und psychogener Spasmen 
bei Präsklerose, Angina pectoris, Tremor usw. Von 
J. A. Hirschfeld. -Schw. Rundschau f. Med. 1919 
NT: DSCMZE: 

Die durch Sedobrol hervorgerufene Kohe schä- 


digt im Gegensatz zur Morphium- und Alkoholeuphorie 


weder die Körperkrait noch das sittliche Gefühl und die 
Arbeitsfähigkeit, Einige Patienten gebrauchen seit mehr 
als sieben Jahren täglich ein bis zwei Sedobroltabletten 
und können sich dadurch im seelischen Gleichgewicht 
halten. In den Fällen, in welchen es nicht gelingt, das 
Morphium ganz abzugewöhnen, ist es doch möglich, die 


Menge zu verringern und durch eine regelmäßige, jedes 
Jahr wiederholte Sedobrolkur die finale Leistungsfähig- 


keit lange hinauszuschieben. 


IR 
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rI Kur, tg -J Bi og] 
C) 


78° 2° © PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT Na 


ist als Direktor an die Idiotenanstalt Niedenmarsberg 


K 
ET TITTEN 


Personalnachrichten. Verlag G. Thieme in Leipzig) werden umgehel® 
erbeten an Dr. Bresler, Kreuzburg, Ob 


— Suttrop, Westfalen. Oberarzt Dr. Franz Maurer | 
schlesien. 


von hier versetzt. E 
EINEN REN Mit ‚Rücksicht darauf, daß es manchem nicht m. 

Änderungen und Berichtigungen für die bevorste- lich ist, kostspielige Zeitschriften zu halten, wird di 
hende Neubearbeitung des Verzeichnisses: „Heill- und Psychiatrisch-Neurologische. Wochenschrift von jetzt aii 
Pilegeanstalten für Nerven- und Psychisch-Kranke, mehr als bisher auf: schnelle und möglichst vollständg $ 
Trunk- und Morphiumsüchtige usw., jugendliche Schwach- Berichterstattung über, die Fachliteratur bedacht se a 
sinnige, Epileptische, sowie Heilerziehungsanstalten und Es wird daher gebeten, von Vorträgen und Auf 
Anstalten für Sprachleidende” (Beiheft II des. Reichs- “immer recht bald einen kurzen Eigenbericht an #r 
medizinalkalenders, begründet von Dr. Paul Börner, Schriftleitung zu senden. | 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnummern. 1 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S: — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe, A 
Verlag: Cart Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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enthält unter anderen wichtigen Mineralsalzen (Natriumchlo- 
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hergestellt aus dem reinen natürlichen Quellsalz sind infolge ihres Gehaltes an leicht 
resorbirbarem kalziumchloridhaltigen Quellsalz (50/0) besonders geeignet, die Blutbil- 
dung zu fördern sowie die Oxydationsfähigkeit des Blutes zu erhöhen und leisten 
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Erkrankungen des Gefäßsystems, Arteriosclerose. Herzkrankheiten, Blutungen und 
Blutarmut gute Dienste. Bei katarrhalischen Erkrankungen der Schleimhäute, chron. 
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-Dreiundzwanzigster Jahrgang. | ER Nr. 13/14. 1921/22. 


Psychiatrisch= Neurologische 
Wochenschrift. 


Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Malle a. S. 


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Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift : 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des. Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamiteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh. San. -Rat Prof. Dr. K. Alt Uchtspringe (Altmark), Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat Dr. Beyer, Roder- 
birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer. Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
(Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. y. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schiöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Proi. Dr.. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 


`- M: 7,50 für das Vierteljahr, die 
Abonnementspreise für das Aus-- 
land werden nach der vom Deut- 
schen Buchhandel vorgeschrie- 

-benen Verkaufsordnung für das 


scheint bis auf weiteres vier- 


£ Postscheck: 
El | zeimtägig in Doppelnummern. 


3 
Altmann- Gottheimer, Mannheim. 


’ (S. 86.) — Mitteilungen. 


DE : grundsätzliche Bedeutung der Lumbalpunk- 
k tion .als diagnostisches und therapeutisches 
Hilfsmittel der Psychiatrie ist zu bekannt, als daß 
- Erörterungen hierüber notwendig wären. Ihrer 
Wichtigkeit entspricht aber noch bei weitem nicht 
die praktische Anwendung. Besonders dürfte dies 
für die Anstaltspraxis zutreffen. Die Anwesenheit 
“zahlreicher Vertreter aus ihr gibt daher Veranlas- 
sung kurz zu prüfen, ob die geübte Zurückhaltung 
"auf besondere in den Anstalten begründete Verhält- 
- zurückzuführen und ob sie berechtigt ist oder 


3 Zamachst sind die äußeren Voraussetzungen zu 
| berücksichtigen: ‚das Einverständnis zu ihrer Vor- 
nahme, die technische Ausführungsmöglichkeit und 
die Gefährlichkeit. 

| Das Einverständis ist für Geschäftsunfähige er- 
"jahrungsgemäß durch schriftliche Anfrage oft 
schwerer zu erlangen als durch mündliche Erläute- 


3 !) Vor dem Deutschen Verein für Peychaiie. am 
26. April d. Js. gehaltener Vortrag. 


Mauer-Öhling (N.-Ö.). Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Egliing b. München. Prof. Dr. H. Vogt. Nervenarzt. Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof: Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 
Schriftleiter: 
j Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
i 
| Nr. 13/14. 2. Juli 1921/22. 
E | Bezugspreis: 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold NE 
‚ Mühlweg 6 ` 


; Ausland berechnet. Zu beziehen Hallė a. 
~. durchjed. Buchhandlung, d. Post = n, 
u. unmittelbar vom Verte Fr- Fernsprecher 6823.— Telegr.-Adr.: 


Leipzig 32070. 


Inhalt: Gesichtspunkte für die Lumbalpunktion in der Anstaltspraxis. 

(S. 79.) — Die soziale Fürsorge für Geisteskranke in Amerika und Deutschland. Von Dr. Elisabeth 
(S. 81.) — Briefzensur in Irrenanstalten. 
-scheidungen und Verfügungen auf dem Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. 
(S.- 89.) — Buchbesprechungen. 


gnostischen Verwendung. 


Zuschriiten für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: | 
. I? mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 
laß gewährt. 


Marhold Verlag Hallesaale 


Von Dr. S. Maaß, Leipzig-Dösen. 
(S. 85.) — Wichtige gerichtliche Ent- 
XVI. Folge. Fortsetzung. 


(S. 89.) — Therapeutisches. (S. 90.) 


Gesichtspunkte für die Lumbalpunktion in der Anstaltspraxis.') 
Von Dr. S. Maaß, Landesanstalt Leipzig-Dösen:. 


rung. Daher sichere man sich ersteres bei der Auf- 
nahme oder dem ersten Besuch in der Anstalt auf 
alle Fälle. Ist die umständlichere schriftliche An- 
frage nicht zu vermeiden, so bediene man sich 
eines entsprechend abgefaßten Formulars. 


Für die technische Ausführbarkeit und den Ge- 
brauch. von Narkotizis hierbei sind dieselben 
Grundsätze maßgebend, wie sie von Nißl, EB- 
kuchen, Popper und Löwy u.a. im allge- 
meinen angegeben sind. 


Die Hauptschwierigkeit ist zweifellos in der 
noch vielfach bestehenden Überschätzung ihrer Ge- 
fährlichkeit zu erblicken und diese der wesentliche 
Grund für die von einzelnen Anstaltsleitungen und 
-ärzten bisher geübte Zurückhaltung in ihrer dia- 
Die praktische Erfah- 
rung berechtigt zu diesem Vorurteil keineswegs, 
sowohl nicht in bezug auf Todesfälle wie bleibende 
Gesundheitsschädigungen. Auf Einzelheiten kann 
hierbei nicht eingegangen werden, es muß auf die 
spezielle Literatur verwiesen werden (Nißl, 


80 A PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Schönbeck, Kafka, Monar, Eßkuchen, 
Nonne). Jedenfalls spielen bei Beachtung aller 
technischen Gesichtspunkte wie der in dem psy- 
cho-somatischen Zustand des zu Punktierenden be- 
gründeten, auch die als „Meningismus” bekannten 
und in ihrer Bedeutung meist überschätzten vor- 
übergehenden (Gresundheitsstörungen keine gegen 
die Punktion sprechende Rolle. Andererseits ist 


es gerade für die Anstaltspraxis notwendig, in ihrer ` 


Ausführung korrekt zu verfahren, um bei entste- 
henden Schwierigkeiten dem Erlaß von die Punk- 
tionsmöglichkeit erschwerenden Verfügungen sei- 
tens der vorgesetzten Verwaltungsbehörde vor- 
zubeugen. Es sei hierbei an die Stellungnahme 
einzelner Militärbehörden während der Kriegszeit 
erinnert, die teilweise zu einem Verbot der Punk- 
tion und ähnlichen sie praktisch lähmenden Be- 
stimmungen führte. Deswegen- empfiehlt sich so- 
wohl Aktennachweis über das Einverständnis wie 
Hilfeleistung durch speziell geschultes Personal, in 
‚diesem Sinne auch Vornahme der Punktion und 
Verweilen nachher auf hierfür bestimmten Abtei- 
lungen. RI. = 
Gewöhnlich wird in der Anstalt ja die Lumbal- 
punktion zur ätiologischen Klärung auf Lues des 
Zentralnervensystems in Frage kommen. Hierfür 
begnügt man sich noch viel zu häufig nur mit der 
Blutuntersuchung. Aus ihr allein ist — besonders 
in klinisch zweifelhaften Fällen — kein sicheres 
Urteil zu erwarten. Die Serumreaktion hat unter 
den vier klassischen Reaktionen Nonnes nur eine 
das Gesamtbild vervollständigende Bedeutung, die 
über den Zustand des Zentralnervensystems keinen 
Aufschluß gibt. Dies weiß man für die Lues 
cerebri und Tabes seit langem. Für die Paralyse 
ist die bisherige Annahme von rund 100 v. H posi- 
tiver Serumreaktionen durch die Behauptung 
Kafkas ins Wanken gekommen, daß er neuer- 
dings 20 v. H. negativer Serumreaktionen gefunden 
habe, was P la ut allerdings für typische Paralyse 
nicht gelten lassen will.”) Besonders eindringlich 
geht die Unabhängigkeit der Serumreaktion -von 
der des Liquors aber aus den Untersuchungen her- 
vor, die Neurologen an frischestem und frischem 
Luesmaterial vorgenommen haben. Fleisch- 
mann stellt in seiner erst kürzlich erschienenen 
Arbeit fest, daß die Dispersion des luetischen Virus 
bei der frühesten Lues oft früher im Liquor als im 
Blut nachweisbar ist; ferner, daß es sichere Fälle 
von Lues lI mit negativem Wassermann im Blut. 


— -- 2... 


2) Negative Serumreaktion bei klinisch. sonst ty- 
pischer Paralyse ist auch bei uns jetzt häufiger beob- 
achtet worden, als man dies früher gewohnt war. 
Ausführliche Mitteilung bleibt vorbehalten. 


daß die Liquorreaktionen mangels entsprechend® 


jedoch nur für wenige, wenn auch die spezitisig 


[Nr. 13709 


aber. sehr oft -stark verändertem Liquor gii @ 
Hauptmann betont aus einer gleichen Beh Ki 
achtung, daß man sich auch im Frühstadium & a 
Lues nicht mit der Untersuchung des Blutes bi 
gnügen dürfe. Zu ähnlichen Schlüssen komme \ 
Gennerich. Die Liquoruntersuchung ist al a 
hiernach für alle Stadien der Lues gleich unit 
behrlich; besonders aber, wenn eine manifeste ib 
krankung des Zentralnervensystems in Fa 
kommt. Diese läßt sich durch eine negative Serme 
reaktion ebensowenig ausschließen wie durch ei 
positive beweisen. Eine Tatsache, auf die zwei® 
Vermeidung allgemein-klinischer, forensischer wi 
sozialer Irrtümer nicht nachdrücklich genug 
gewiesen werden kann. Es ist daher, mit Katk 
und Holzmann, Geißler beizupflichten, 4f & 
die Unterlassung der Lumbalpunktion unter Ung wWi 
ständen als Kunstfehler betrachtet werden Kami- L 


Als die ausgedehnte Anwendung der Lumbi 
punktion hindernd, wird häufig auch angeln” 


Laboratoriumseinrichtungen in den Anstalten s% 
ber nicht ausgeführt werden können. Dies tif 


wichtigsten Untersuchungen, zu. . Ihre größE, 
Zahl kann überall mit recht einfachen Mitteln sf 
ber angestellt werden.) Zunächst die Zellzähluff 
dann die Gesamteiweißbestimmung — falls ee 
geeignete Zentrifuge nicht zur Verfügung steht 
statt nach der Methode von Nißl, nach a 
von Brandberg-Zaloziecki, welche nug 
übereinstimmenden Angaben von Gennerid® 
Eßkuchen und Grahe der ersteren unge, 
gleichwertig ist. Ebenso die gebräuchlichen O Be 
bulinreaktionen nach Ross-Jones, Nonn 
Pandy und Weichbrodt; und schliebli i 
von den Kolloidreaktionen die Mastixreaktiogi 
Durch diese Reaktionen kann man immerhin bei 
teilen, ob der Liquor pathologisch verändert IE 
oder nicht, was in vielen Fällen schon eine west I 
liche diagnostische Hilfe bedeutet. Aus weil L 
Untersuchungen, wie der nach Braun-NH u sle re 
und durch die fraktionierte Ammoniumsultatsilf Ki 
gung, die ebenfalls überall ausführbar sein Wps 
ten, sind auch gewisse ätiologische Schlüsse "E w 
Sinne der Lues möglich. Dagegen müßten “E y 
Wassermannreaktion und die ihr als feines LT 
reagens praktisch noch überlegene Goldsolreakil | 


3) Vgl. Eßkuchen: Die Lumbalpunktion. UM B 
und Schwarzenberg. Kafka: Taschenbuch der praf di 
tischen Untersuchungsmethoden usw. Springer. SG 
stige nähere Literaturangabe im Rahmen dieses WẸ y 
trages nicht möglich. 


1921] 
(ev. auch die Hämolysinreaktion nach Weil- 
Kafka) in speziell eingerichteten Laboratorien 


angestellt werden. 

Liquor und Serum pflegen die Anstalten im 
wesentlichen an öffentliche Untersuchungsämter 
einzusenden. Diese werden sich aber gewöhnlich 
nur mit den eigentlichen Luesreaktionen (Wasser- 
mann-, und Flockungsmethoden) befassen, teils 
durch Überlastung mit anderen Arbeiten, . teils 
weil ihnen die spezielle Liquordiagnostik fachlich 
zu fern liegt. So fehlt dann die Übersicht über die 
vorliegenden Liquorverhältnisse im Sinne des 
„Reaktionsspektrums” von Eßkuchen. Auch 
bedarf es gewisser 
urteilen zu können, auf welche. Reaktionen es im 
einzelnen Fall ankommt. Daher ist es empfehlens- 
wert, wenn alle oder die spezifisch wichtigen 
 Liquoruntersuchungen aus allen Anstalten dessel- 
ben Verwaltungsbezirks je nach Bedarf bei einer 
‘oder mehreren derselben in technisch hierfür ein- 
gerichteten Laboratorien vereinigt werden. In 
"manchen Verwaltungsbezirken wird sich dies ohne 
weiteres durchführen lassen, wenn derartige Labo- 
torien schon bestehen; in anderen werden die tech- 
nischen Voraussetzungen sich auch trotz der 
‚gegenwärtigen Zeit wohl mit Kosten vervollstän- 
digen lassen, welche durch die Sache voll gerecht- 
fertigt sind. Der Vorteil ist ein mehrfacher. Ein 
wirtschaftlicher, indem bisher durch spärlichen 
-Arbeitsstoff oder die — übrigens geringen — 
Betriebsunkosten unrentable Laboratorien ihre 
"Daseinsberechtigung erweisen und ihrem Etat die 
‚Mittel zuführen können, welche für die Unter- 
‚suchungen nach außerhalb bisher ausgegeben wur- 


spezieller Erfahrung, um be-- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 81 


den. Ferner ein praktisch-klinischer, der beson- 
ders hoch zu bewerten ist: einmal Ärzte anderer 
Anstalten des Bezirks in die Liquordiagnostik 
praktisch einführen zu können; dann die durch die 
ganzen Verhältnisse gegebene größere Möglichkeit 
zu persönlicher Fühlungnahme auf dem ganzen Ge- 
biet. Schließlich ein wissenschaftlicher: durch Er- 
fassung eines großen, auf die vorgeschlagene Art 
gesammelten und klinisch wie pathologisch-ana- 
tomisch durchgearbeiteten Materials kann in ganz 
anderer Weise mitgearbeitet werden an den vielen 
noch ungeklärten und jetzt besonders lebhaft unter- 
suchten Fragen über die luetischen Geistesstörun- 
gen als solche und ihre Entstehung aus der syphili- 
tischen Infektion überhaupt. Daß in beider Hin- 
sicht die Lumbalpunktion nur Hilfsmittel und daß 
sie nicht so vollkommen ist, um den klinischen Un- 
tersuchungsbefund von seiner schließlich ausschlag- 
gebenden Stellung zu verdrängen, tut ihrer Bedeu- 


tung keineswegs Abbruch. 


Es wäre zu begrüßen, wenn diese Ausführungen 
dazu beitragen würden, der Lumbalpunktion auch 
in der Anstaltspraxis die Stellung zu verschaffen, 
die ihr zukommt. Durch ihre praktische Wichtig- 
keit und die Fülle der mit ihr zusammenhängenden 
Probleme entschädigt sie reichlich, so daß sie ge- 
rade in der Anstaltstätiekeit einen Ersatz für man- 
cherlei sonstige Einförmizkeit bieten kann. 

‘Der Vorschlag in bezug auf Zentralisierung der 
ganzen oder an bestimmte Einrichtungen gebun- 
denen Liquoruntersuchungen in Laboratorien des 
eigenen Verwaltungsbezirks ist besonders zu emp- 
fehlen und hat sich in unserer Erfahrung gut be- 
währt. 


Die soziale Fürsorge für Geisteskranke in Amerika und Deutschland. 
Von Dr. Elisabeth Altmann-Gottheiner, Mannheim. 


| D: Vereinigten Staaten von Nordamerika blik- 
E ken heute auf ungefähr vierzehn Jahre erfolg- 
reicher sozialer Arbeit im Dienste der öffentlichen 
Krankenanstalten zurück. In einem vor kurzem er- 
‚schienenen zusammenfassenden Bericht über dies 
verhältnismäßig junge Arbeitsfeld wird der Auf- 
‚gabenkreis der sozialen. Krankenfürsorge zum 
‚ersten Mal genau zu umreißen versucht. 

Die Grundlage der sozialen Krankenfürsorge, 
heißt es darin, ist ihr Verhältnis zu der ärztlichen 
Behandlung der Patienten. In vielen Fällen hängt 
die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der 
Gesundheit nicht nur von einer genauen Diagnose 
‚und der en: medizinischen Behandlung des 


kranken Körpers ab, sondern daneben auch von 
dem rechten Umgangston ‘mit der. Persönlichkeit 
des Patienten, sowie von einer Veränderung seiner 
häuslichen Verhältnisse, seines Berufs oder seiner 
Gewohnheiten. Der weise Arzt kernt die nahe 
Verbindung zwischen medizinischen und sozialen 
Tatsachen und versucht beide genau zu erforschen, 
ehe er sich endgültig für eine bestimmte Form der 
Behandlung entscheidet. 

Aufgabe der für die Krankenanstalt arbeitenden 
Sozialbeamtin soll es sein, eine Grundlage für den 


Behandlungsplan dadurch zu schaffen, daß sie 


li. aus persönlicher Anschauung heraus für die 
Arzte einen genauen Bericht über die Persön- 


82 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


lichkeit und.die häusliche Umwelt des Patien- 

ten erstattet, soweit diese Kenntnis für die 

Behandlung von Wert sein kann, 

. Hindernisse für eine erfolgreiche ärztliche Be- 
handlung, die in der Natur des Heims oder Be- 
rufs des Patienten liegen, aus dem Wege zu 
räumen versucht, 

3. auf Wunsch der Ärzte weitergehende Pflege 
oder Fürsorge für den Patienten beschafft 
oder übernimmt, 

4. den Patienten dahin beeinflußt, daß er nach 

- bestem Wissen den ärztlichen Rat in bezug 
auf die Wiederherstellung seiner Gesundheit 
befolgt. 

Dazu kommt in vielen Fällen Hoch Hilfe in der 

Verwaltung der Krankenanstalt selbst. 


wW 


Im allgemeinen ist die soziale Krankenfürsorge 
in Amerika als besonderes Ressort der betreffen- 
den Krankenanstalt organisiert. Dies wird auch 
in dem erwähnten Bericht als der wünschenswer- 
teste Zustand bezeichnet, da die Fühlung mit 
außerhalb stehenden sozial arbeitenden Organisa- 
tionen niemals so innig sein kann, als wenn die 
Arbeit unmittelbar von einer dem Krankenhaus zu- 
gehörigen Instanz geleistet wird. Nur bei dieser 
Organisationsform ist es auch möglich, daß die lei- 
tende Sozialbeamtin dem Leiter der Anstalt gegen- 
über-die volle Verantwortung für die von ihr oder 
ihrem‘ Stabe geleistete Arbeit trägt. | 

Wie es in jedem sich erweiternden Arbeits- 
zweig zu gehen pflegt, fängt auch die soziale Kran- 
kenfürsorge in Amerika an sich zu spezialisieren. 
Die Fürsorge für Geisteskranke erforderte, 
wie man im Laufe der Zeit immer mehr begriff, 
nicht nur besonders dafür geeignete, sondern 
bis zu einem gewissen Grade auch besonders dafür 
geschulte Kräfte, und so entwickelte sich all- 

mählich ein ganz neuer Zweig sozialer Arbeit und 
eine neue Gruppe sozial Arbeitender, die sich aus- 
schließlich in den Dienst der Irrenpflege stellte. 

Dieser Entwicklung hat de „New Yorker 
Schulefür soziale Arbeit” dadurch Rech- 
nung getragen, daß sie ihren Lehrplan durch die 
Einfügung eines Kursus über „Hygiene des Gei- 
stes” und „Soziale Arbeit im Dienste der Irren- 
pflege” erweiterte. Die besondere Aufgabe dieses 
Studienzweiges liegt dem Schulprospekt nach 
darin, „die Schülerinnen für den praktischen Dienst 
an allen solchen Stellen zu befähigen, wo eine aus 
psychopathologischen Gründen entstandene Stö- 
rung des Verhältnisses zwischen dem Individuum 
und der Gesellschaft vorliegt.” Als Hauptarbeits- 
felder werden genannt einmal die Arbeit in den 


handlung außerordentlich wichtig ist, ein zuvei 


(Nr. 13 1 


Irrenanstalten selbst, zweitens die Fürsorge ji 
entlassene Geisteskranke. ; 

Der Leiter dieser- besonderen Schulabteily l 
Dr. med. Bernhard Glueck, hat im Juni I f 
über die Schulung zur sozialen Fürsorge für & g 
steskranke einen Vortrag +) gehalten, in dem er : 
Fragen zu beantworten sucht, was denn eigai 
lich die. genau umschriebenen Aufgaben seai 
deren Lösung man von der sozialen Arbeit 
Dienste der Irrenpflege erhoffe, und auf weti 
Weise man die Schülerinnen zu ihrer Friülwe 
am geeignetsten erziehen könne. | 


- 


Da es für jede psychiatrische Diagnose und BÉ 


sig treues Bild des Milieus zu erhalten, aus di 
der Patient zum Psychiater kommt, so kommt 
nach Glueck, in erster Linie darauf an, dab | 
Schülerinnen lernen, die Erhebungen über die Bf] 
zelfälle so zu machen, daß sie die Stellung W 
Diagnose erleichtern. Es kommt darauf an, W% 
sie. die so gesammelten Tatsachen in ihrem WE 
für einen genauen Einblick in den biologischen, ki 
turellen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergrif 
des Patienten erkennen lernen. Sie sollen aut 
dem den rechten Verkehrston mit Geisteskra® 
oder Geistesschwachen und deren Familien pri 
tisch erlernen, was nur durch enge Zusammen 
beit mit dem Psychiater erreicht werden kat 
Sie sollen zum- Verständnis des einzelnen Krai 
heitsbildes so weit erzogen werden, daß sie erii 
reich am Wiederaufbau ider sozialen Existenz W 
Patienten mitarbeiten können. Sie sollen die Ñ 
higkeit erlangen, sich in die Eigenart des einzei® 
Patienten so stark einzufühlen, daß sie ihm b 
Auffinden der für ihn notwendigen künftigen M 
bensführung mit Erfolg behilflich sein können. 
sollen die in den verschiedenen Gemeinden WE 
handenen Hilfsquellen kennen, “durch deren MẸ ; 
schließung das Leben des einzelnen Patienten vif « 
leicht reicher und schöner gemacht werden könn 
ferner müssen ihnen die Berufsmöglichkeiten m] 
leistungsschwache Individuen in der betreffen&f 
Gegend bekannt sein. $ 

Selbstverständlich müßte der Schülerin t 
Gelegenheit gegeben werden, die wichtigsten SE) 
ptome der geistigen Erkrankungen kennen ZU kp! 
nen, damit sie einige Sicherheit im Umgang MP 
Geisteskranken gewinnt und unter Umständen ! 
stande ist, rechtzeitig die richtigen Maßregeln 4 
ergreifen. Glueck hat sich noch nicht zu emë 

1) „Special Preparation of the Psychiatrie S0 

Worker”, erschienen in der Zeitschrift „Mental Hygien 
Vol. III, Nr. 3 S. 409—419. 


L A O p ao ll wir 


ER». 


er ~A TS 


1921] 


festen Standpunkt darüber durchgerungen, ob. man 
"von der Sozialarbeiterin auch, die Aufnahme von 
Lebensgeschichten der Patienten verlangen sollte. 
"Er meint, daß für den Psychiater die Versuchung 
[groß sei, diese Aufgabe an jemand anders abzu- 


I 
f 
E 


darin besteht, daß man einem Laien das Ausfragen 
des Patienten in bezug auf sein Leben und dessen 
‚Irrungen und Wirrungen überläßt. Jedenfalls 
"kommt dies.wohl erst nach jahrelanger Erfahrung 
"und nur bei ganz besonderer Eignung der betr. 
Sozialbeamtin in Betracht, auch dann immer nur in 
fengster Fühlungnahme mit dem Arzt. 


Hier taucht .überhaupt die Frage auf, wieweit 
E die soziale Arbeiterin teilnehmen soll an dem Ver- 
"trauensverhältnis, das zwischen Arzt und Patien- 
ten bestehen muß. Glueck meint, daß diese 
‚Frage in jedem Einzelfall neu entschieden werden 
"müsse, und daß es hierbei sehr auf die Persönlich- 
‚keit der Sozialbeamtin ankomme. Die Lösung die- 
"ser Frage ist zweifellos für den Psychiater und die 
 Sozialbeamtin gleich wichtig, denn im konkreten 
Einzelfall sehen die Formen ärztlicher Einwirkung 
‘auf den Patienten oft ganz anders -aus als in der 
theoretischen :Vorlesung. 


Wenn nun auch der Sozialbeamtin besonders im 
Anfang ihrer Tätigkeit nicht allzu weit gehende 


Aufgaben gestellt werden sollten — schon um die 


 Grenzlinien zwischen medizinischer und sozialer 
Arbeit nicht zu verwischen —, so sollte doch die 
Schulung für die besonderen Aufgaben der sozialen 
Arbeit im Dienste der Psychiatrie unbedingt so 
weit gehen, daß die Schülerin befähigt wird, die 
Bedeutung bestimmter Ereignisse im Leben des 
Patienten in ihrem Verhältnis zu. seiner. Krankheit 
zu verstehen. Sie sollte auf die Gefahren hinge- 
wiesen werden, die in unglücklichen Beziehungen 
zwischen Eltern und Kindern begründet liegen, auf 
die falsche Einstellung vieler Menschen zu ihrem 
 Iriebleben, auf die gewissen Menschen eigentüm- 
liche Lebensfremdheit und die damit in Verbindung 
stehende Unfähigkeit zur Erledigung alltäglicher 
Geschäfte, u. a. m. Sie sollte erkennen lernen, wel- 


‚chen Einfluß auf das geistig-seelische -Gleichge- 


wicht eine unglückliche Ehe oder die zu große Ab- 
 hängigkeit von der Befriedigung gewisser Bedürf- 
MSs zu gewinnen vermögen. 


An ‚dieser Stelle näher darzulegen, wie sich 
Glueck diese Schulung im einzelnen vorstellt, 
würde zu weit führen. Wichtig ist, daß er die 
Schulung ganz auf medizinisch unerfahrene Hörer 
einstellen will und daher dringend davon abrät, 
etwa Lehrbücher zu benützen; die für Studenten 


dern „Pfuscher’ 


schieben, aber er ist sich der Gefahr bewußt, die. 


für entlassene Geisteskranke. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 83 


der Medizin bestimmt sind, da seiner Ansicht nach 
sonst die Gefahr besteht; daß nicht „Helfer”, son- 
' herangebildet werden. 


Von 350 im Dienste der Krankenfürsorge sté- 
henden Sozialbeamtinnen waren in Amerika 193 
geprüfte Krankenpflegerinnen, etwa 50 hatten so- 
ziale Ausbildungsanstalten besucht, andere waren 
früher im Lehrberuf oder praktisch sozial tätig 
gewesen. 


Leider geht aus den verschiedenen amerikani- 
schen Berichten nicht mit voller Deutlichkeit her- 
vor, wie sich denn in der Praxis die Arbeit 
der Sozialbeamtin im Dienste der Irrenpfilege aus- 
nimmt. Es scheint, als ob sie*sich im wesentlichen 
in zwei Gruppen gliedert, in die Arbeit für die noch 
in der Heilanstalt befindlichen Kranken und die 
Die erstere -geht 
überall von der Anstalt selber aus, da es sich wohl 
nirgends empfiehlt, Außenstehende mit deren Be- 
trieb und Arbeitsmethoden irgendwie enger zu 
verknüpfen, die zweite wird vielfach von sozialen 
Organisationen geleistet, die mit der Irrenanstalt 
nur in loser Verbindung stehen. Dies ist schon da- 
durch bedingt, daß die Anstalten in der Regel über- 
lokale Bedeutung haben, und es unmöglich ist, von 
der Anstalt aus in entfernter liegenden Orten zu 
arbeiten. In der Fürsorge für Entlassene, die 
vor allem darin zu bestehen hat, die Gesundenden 


wieder einen Platz im Leben finden zu lassen, ist 


die Anstalt daher durchaus auf lokale Organisatio- 
nen angewiesen, die durch ihre Ortskenntnis oft 
weit mehr leisten können, als es eine ortsiremde 
Persönlichkeit vermöchte. 


Was ist nun die Nutzanwendung dieser. ameri- 
kanischen Erfahrungen für unsere deuts schen 
Verhältnisse ? 


Auch in Deutschland wird von einer Reihe von 
Anstaltsleitern bereits das dringende Bedürfnis 
empfunden, sich auf eine unter sozial geschulter 
Leitung stehende Organisation stützen zu können, 
wenn es gilt, geeignete Fürsorgemaßnahmen zu 
treffen, um etwa für Kinder zu sorgen, deren Mut- 
ter sich in einer Irrenanstalt befindet, oder um den 
neu ins Leben zurückkehrenden entlassenen Gei- 
steskranken das Wiedereinleben in Familie und 
Beruf zu erleichtern. Es gibt fast in jeder größe- 
ren deutschen Stadt Fürsorgeorganisationen, denen 
man die Obhut über die verlassenen Kinder bzw. 
deren vorübergehende Unterbringung an geeigne- 
ter Stelle anvertrauen kann (Jugendämter, Kinder- 
schutzvereine,  Jugendfürsorgestellen usw.). .Mit 
ihnen stehen die Irrenanstalten des betreffenden 


84 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Bezirks meist auch schon in engerer Fühlung.') 
Dagegen fehlt es noch fast überall an straff organi- 
sierten Fürsorgestellen für entlassene - Geistes- 
kranke, denen die Anstalt die aus ihrer Obhut 
Scheidenden mit der Gewißheit anvertrauen 
könnte, daß man sie von dort aus noch so lange 
im Auge behalten und liebevoll betreuen wird, bis 
sie wieder imstande sind, auf eigenen Füßen zu 
stehen. Solche Organisationen könnten verhält- 
nismäßig leicht geschaffen werden, da sie sich 
auber in den Großstädten aus sozial erfahrenen 
ehrenamtlich arbeitenden Kräften rekrutie- 
‚ren könnten, auch käme unter Umständen die Ver- 
einigung mit einer bereits bestehenden, auf einem 
anderen Gebiet der Sozialhygiene arbeitenden 
Stelle, etwa der Tuberkulosefürsorge, in Betracht, 
die vielfach ia heute schon geschulte Sozialbeam- 
tinnen. beschäftigt. Die Anregung zur Schaffung 
dieses neuen Zweiges sozialer Fürsorge müßte 
selbstverständlich in allen Fällen von den An- 
stalten ausgehen, denn die Arbeit muß natur- 
gemäß an die Fälle anknüpfen, die der Fürsorge- 


organisation von sachverständiger Seite mit der- 


nötigen Information zum Verständnis gewisser Ein- 
zelheiten übergeben werden. Auch sollte die Füh- 
lung mit der Anstalt während der ganzen Dauer 
der Fürsorge durch Erstattung monatlicher Be- 
richte aufrecht erhalten und in schwierigen Fällen 
auch gelegentlich der sachverständige Rat des 
Psychiaters eingeholt werden. 
Berichte an die Anstalt könnten eine wertvolle Er- 
gänzung der Krankengeschichten werden und bei 
rückfällig werdenden Patienten dem Arzt nach der 
Neueinlieferung in die Anstalt manchen -wertvollen 
Hinweis liefern. 

Schwerer als zu dieser Art der Heranziehung 
der sozialen Arbeit im Dienste der Geisteskranken 
wird sich die Mehrzahl der deutschen Anstalts- 
leiter vermutlich zu der in Amerika häufigeren 
Form entschließen können, welche die. soziale Ar- 
beit in die Anstalt selbst hineinverlegt. 
Und doch sollten sie es m. E. nicht von vornherein 
von der Hand weisen, auch über die Möglichkeit 
der Einführung dieser Form der sozialen Arbeit 
ernstlich nachzudenken. | 

Das Pflegepersonal der Irrenanstalten und psy- 
chiatrischen Kliniken läßt heute auch nach Ansicht 
der Anstaltsleiter meist sehr viel zu wünschen 
übrig. Verschiedene Anstalten haben sich daher 
mit Erfolg dazu entschlossen, die Wärterinnen 
durch Ordensschwestern zu ersetzen. Wo dies 


!}) Die psychiatrische Universitätsklinik in Heidel- 
berg beispielsweise nimmt diese Behörden seit Jahren 
in starkem Maße in Anspruch. . 


Die monatlichen: 


nicht geschehen ist, herrschen oft schlimme WE 
stände, unter denen die Anstaltsinsassen in ma. 
chen Fällen mehr zu leiden haben, als selbst « 
Ärzte ahnen. Das Personal rekrutiert sich 
großen Teil aus ganz ungebildeten Bevölkerun 
schichten; es sieht in erster Linie seine Aug 
darin, seine Pfleglinge „ruhig zu halten”, hatak 
gar kein Verständnis für irgendwelche weite 
Ziele. Die Bewegung für den achtstündigen 4 
beitstag hat unter ihm lebhaften Anklang ¢ 
funden. Sie versuchen ihn durchzusetzen ga 
ohne Rücksicht auf die Natur ihres Dient$ | 
innerhalb dessen eine so genaue Zeit- und Arbli » 
einteilung ein Unding ist. Dabei werden die Lo 
forderungen dieses Personals von Monat zu Mor 
höher. 
Angesichts alles dieses könnte wohl der 
danke in Betracht gezogen werden, dem Stabel 
großen Irrenanstalten eine oder zwei Sozialb& 
tinnen einzugliedern, die, aus gebildeten Krei 
stammend und mit der notwendigen Schulung i 
ihre Aufgabe ausgerüstet, an die Arbeit in g% 
anderem Geiste herantreten würden als das übif 
Personal. Ihre Arbeit könnte ähnlich sein, wie! 
sie für Amerika geschildert habe. Vor allem mif 
ten sie sich mit den heilbaren Kranken i 
schäftigen und die Fäden zwischen ihnen und GET 
Leben in der Außenwelt, die bei langem Anstaifi L 
aufenthalt so leicht zerreißen, weiterspinnen hei 
Ihre Aufgabe müßte es auch sein, die Verbind: 
zu den außerhalb der Anstalt stehenden Fürs 
stellen an allen Orten des betreffenden Bezi 
oder Landes aufrecht zu erhalten, die Berichte \ 
dort entgegenzunehmen, bei Entlassung der Kug 
ken ihrerseits dorthin zu berichten, endlich & 
Gründung neuer Fürsorgestellen anzuregen UF 
a. m. Mit zunehmender Erfahrung werden og 
solchen Beamtin immer mehr Aufgaben ganz VE 
selbst zuwachsen. 
Eine starke finanzielle Belastung wi 
die Anstellung der Sozialbeamtin für die An 
nicht bedeuten, denn vermutlich wäre es If 
lich, bei ihrer Annahme eine Wärterin zu entas 
Wenn die Sozialbeamtin ein reifer, taktvoller "f 
die in Betracht kommende Arbeit geeigneter WEN 
dazu richtig vorgeschulter Mensch ist, so wird 6 
E. die Anstalt, die sich zu ihrer Anstellung “FA 
schließt, den Segen ihrer Tätigkeit bald pe 
spüren. Sie wird ganz von selbst zu einem Mil T. 
punkt werden, der nach allen Seiten hin Wi ( 
ausstrahlt, an dem die Kranken Rückhalt ind 
und der unter Umständen auch einen günsi#f N 
Einfluß auf die Gestaltung der Personalverhält] 


auszuüben vermag. 


1921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 85 


Es mag angezweifelt werden, ob es solche Men- 
schen in genügender Zahl gibt. Aus meiner mehr- 
jährigen Erfahrung an einer sozialen Frauenschule 
möchte ich dies -unbedingt bejiahen. In jedem 
Jahrgang meiner Schülerinnen waren mindestens 
zwei bis drei, die die notwendigen Eigenschaften 
für derartige Posten besessen haben würden. 

Die neuen Prüfungsordnungen für soziale Frauen- 
schulen, wie sie in Preußen und Baden einge- 
führt sind, sehen vor, daß die Schülerinnen sich ent- 
weder für -Gesundheitsfürsorge, für 
Jugendwohlfahrtspflege oder für all- 
oe meite mund .-wirtschafttliche:-..Für- 
sorge spezialisieren. © Die Schülerinnen, wel- 
che Gesundheitsfürsorge als Hauptfach 
wählen, müssen den Nachweis erbringen, daß 
sie die staatliche Prüfung als Kranken- oder 
Säuglingspflegerin abgelegt haben. Aus ihnen 
würden sich naturgemäß die Sozialbeamtinnen im 
Dienste der Irrenpflege zu rekrutieren haben. Den 
sozialen Frauenschulen wäre es ein leichtes, 


ihrem Lehrplan für die Gruppe „Gesundheitsfür- 
sorge” noch Kurse über Geisteskrankheiten und 
Irrenpflege einzugliedern, falls dies von den Lei- 
tern der anstellenden Anstalten gewünscht werden 
sollte. Es wäre (dies nur ein Schritt weiter auf 
dem Wege, der von den Sozialen Frauenschulen 
bereits beschritten wird, denn in ihren Lehrplänen 
finden sich heute schon Vorlesungen und Kurse 
über: „Tuberkulose und Tuberkulosenfürsorge”, 
„Alkoholismus und seine Bekämpfung”, „Schul- 
hygiene”, „Gewerbehygiene”, „das anormale Kind” 
iam: | 

Wenn der Versuch zur Einstellung einer 
Sozialbeamtin nur erst einmal von einer Anstalt 
gewagt wird, so bin ich überzeugt, daß die Erfah- 
rungen so günstig sein werden, 'daß ein neuer 
sozialer Frauenberuf entstehen kann, der der ihn 
Ausübenden hohe Befriedigung gewährt, die An- 
staltsärzte entlastet und den Kranken zum Seren 
gereicht. | 


Briefzensur in Irrenanstalten. 


De Preußischen Landesversammlung ist die 
Bittschrift eines Anstaltsinsassen um Beseiti- 
gung der Briefzensur zugegangen. Sie ist der 
Staatsregierung als „Material” überwiesen wor- 
den. | 

Die Frage würde am gründlichsten durch einen 
Versuch entschieden, der sich auf die Dauer von 
zunächst einem Jahr und auf alle Irrenanstalten 
des Reichs erstrecken und für dessen Kosten das 
Reich eintreten müßte. Geld gibt es genug, zumal 
für eine solche Lebensfrage des Reichs. Auf die 
Dauer des Versuchs müßten die Irrenanstalten jeg- 
licher Verantwortung. hinsichtlich der Wirkung ein- 
und ausgehenden Schrift-, Paket- und Frachtver- 
kehrs gesetzlich enthoben werden; dafür 
kommt das Reich auf, auch hinsichtlich der Nach- 
teile, die den Kranken selbst durch solchen Ver- 
kehr erwachsen. ‘Befürchtungen ängstlicher Ge- 
müter, daß etwa ein verrückter Staatsmann sich 
Gold schicken läßt und dafür Geheimnisse aus sei- 
ner Amtszeit an Landesfeinde - verrät, oder daß 
einem geisteskranken Verbrecher auf Bestellung 


ein Frachtstück mit Inhalt: Revolverkanone oder 


Gasgranate oder was Kulturfortschritt und be- 
schleunigte Weltverbesserung in Zukunft sonst 
noch an solchen Dingen bringt, zugesandt wird, — 


solche müßigen Bedenken fallen nicht ins Gewicht 
gegenüber dem. edlen, hohen Ziel: Gedankenfrei- 
heit. | 


Zu Selbstmord neigenden Geisteskranken darf 


es unbenommen sein, sich bequem und unauffäl- 
lig Dolch, Gift, Strick u. dgl. zu beschaffen. 

Durchaus folgerichtig muß in gleicher Weise 
Fernsprecher und Fernschrift mit und ohne Draht 
zur Verfügung stehen. | 

Von dem Ergebnis des Versuchs wird es ab- 
hängen, ob auch weitere Bewegungsfreiheit den 
Geisteskranken in den Irrenanstalten eingeräumt 
wird und ob geprüft wird, wieweit Irrenanstalten 
überhaupt noch nötig sind. Auch gibt es in den 
Irrenanstalten zahlreiche Geisteskranke, und noch 
mehr draußen, die solche Häuser für vollständig 
überflüssig, sogar schädlich halten; es wäre gut, 
diese Ansichten zu hören und zu sammeln; .das 
Material würde erdrückend, aber auch überzeu- 
gend sein, letzteres durch die Meinung der Betei- 
ligten, daß es nichts ausmacht, wenn zu dem gro- 
Ben Wahn draußen in der Welt noch der so sehr 
kleine und harmlose aus .den Anstalten hirfzukäme. 


Freie Bahn dem Wahn! 


J. Bres le En 


— > + a 


D F TMN A ep 


86 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Wichtige gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen auf dem 
Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. XVI. Folge. 


(Fortsetzung.) 


Preußisches Oberverwaltungsgericht. 
Entscheidung vom 22. März 1917. 

... . Soweit es sich bei der Schallwirkung der 
Musik, die über den Orchestrionraum hinausdringt, 
um bloße _„Belästigungen” der Nachbarschaft, 
nicht um Gesundheitsgefahren handelt, muß sie 
ebenso ertragen werden wie sonstige Geräusche 
aus der klägerischen Wirtschaft und wie alle übri- 
gen Geräusche aus Nachbarwohnungen ertragen 
werden müssen, vorausgesetzt, daß sie das übliche 
Maß nicht überschreiten und nicht etwa auf Schi- 
kane beruhen. Der Gerichtshof hat es in stän- 
diger Rechtsprechung für ein Einschreiten der 
Polizei aus $ 10 Titel 17 Teil IH Allgem. Landrecht 
nicht als genügend erklärt, daß bei Tage Annehm- 
lichkeiten wie Mittagsruhe, Mittagsschlaf, unge- 
störte Erholung nach der Arbeit, ja selbst das Un- 
gestörtsein bei geistiger Arbeit durch Musik oder 
Geräusche aus Nachbarhäusern usw. beeinträchtigt 
werden, zumal im Mittelpunkt einer enggebauten, 
betriebsamen Stadt, wie er es überhaupt abge- 
lehnt hat, ein erhöhtes Schutzbedürfnis für die Zeit 
vor 10 Uhr abends anzuerkennen, sondern grund- 
sätzlich daran festgehalten hat, daß zur Erholung 
des Körpers und Geistes durch Schlaf die Nachtzeit 
gegeben ist und ein Schutz des Schlafbedürfnisses 
und der Erholung.in anderen Stunden nicht aus der 
allgemeinen . Interessen dienenden Vorschrift des 
8 10 a. a. O. hergeleitet werden kann. Die Zeit 
der Nachtruhe, in deren fortgesetzter Störung 
ohne weiteres eine „Gefahr” im Sinne der ange- 
führten Bestimmung zw finden ist, beginnt nach 
der Auffassung weiter Volkskreise, der sich der 
Gerichtshof in mehrfachen Entscheidungen ange- 
schlossen hat, erst um 10 Uhr abends. 

Zeitschr. f. Medizinalbeamte 1919 Nr. 15. 


Beim Fehlen besonderer Vorschriften darüber, 
auf welche Weise der Verwaltungsrichter den 
streitigen gemeinen Wert festzustellen hat, ist es 
seinem freien pflichtmäßigen Ermessen überlassen, 
welcher Beweismittel er sich bedienen will. Hat 
er über den streitigen Wert verschiedene Sachver- 
"ständige gehört, so liegt die Würdigung der einge- 
holten Gutachten ebenfalls innerhalb des Rahmens 
seines freien Ermessens. Nur dann würde sein 
Verfahren an einem wesentlichen Mangel leiden, 
wenn ein zur Begründung seiner Entscheidung her- 
angezogenes Gutachten ersichtlich auf rechtsirri- 
gen Erwägungen aufgebaut oder ungenügend be- 


‚sionsrichter. 


[Nr. 131 K 


eründet wäre, weil die Bezugnahme eines Und 
auf ein ungenügend begründetes Gutachten d; 
eine ungenügende Begründung des Urteils seki , 


‚ einen wesentlichen Mangel des Verfahrens bildu f; 


Bei dem auffallend abweichenden Ergebnis 4 
Bewertung durch die Sachverständigen mußte dfg 
Bezirksausschuß die Gutachten einer vergleich 
den Würdigung unterziehen. Dabei war er bid®, 
ihm. zustehenden freien Beweiswürdigung GE 
LVG.) nicht genötigt, einem oder mehreren 0M 
achtern zu folgen, sondern er konnte, wie erg 
tan, die von mehreren Gutachtern vorgetragen 
Gründe gegeneinander abwägen, sich aus img 
ein selbständiges Urteil bilden und eines der 0f 
achten zum Ausgangspunkt seiner FEntschlietig 
nehmen, ohne ihm im ganzen Umfang 
zu folgen. Das Ergebnis dieser von dem Bezig 
ausschuß sachlich begründeten Entschließung el 
zieht sich bei der beschränkten Natur des Redif 
mittels der Revision der Prüfung durch den Re 
(Urteil vom 8. Juni 1917 in S. KIPS 
Oberbürgermeister Köln, VII. Senat, VII C. 2 
Bezirksausschuß Köln.) 

ee Jurist. Wochenschr. 1918 S. 6 


Preußisches Kammergericht. 

Urteil vom 30. August 1918. 

... Es kann sich daher nur fragen, ob das 4 
rufungsgericht die von der Angeklagten ausge 
Krankenbehandlung mit Recht als eine Behand 
mittels mystischen Verfahrens im Sinne der W 
ordnung (NB. Verordnung des stellvertretenogi 
Generalkommandos IX. Armeekorps vom 28. N 
1916) angesehen hat. Hierbei ist davon af 
gehen, daß als mystisch in diesem Sinne ME 
geheimnisvolle Verfahren gelten muß, über das! i 
Wissenschaft keine Auskunft geben kann. "g 
den Feststellungen des Berufungsgerichts übt! | 
Angeklagte die Behandlung in der Weise aus E 
sie ihre Hände einige Minuten auf die betreie 
Körperstelle des Kranken legt. Nach ihrer $ 
hauptung wohnt ihr eine Ireilende Naturkrait W 
die sie durch das Händeauflegen wirken K 
Wenn das Berufungsgericht diese Behanduf 
weise nach der Art des Verfahrens und der Erf 
rung, die die Angeklagte der Heilkraft ihres vel 
fahrens gibt, als mystisch im Sinne der Verord 
ansieht, so ist darin ein Rechtsirrtum nicht E. 
Nde eo a f 


Unterstützungswohnsitzgesetz. 
I 24. 

> Wie das Bundesamt f. d. Heimatwesen wieder- 
"holt ausgeführt hat, gilt die freie Selbstbestimmung 
"nicht schon deshalb als ausgeschlossen, weil die 
"Furcht vor drohenden Gefahren oder andere äubere 
"Umstände zu dem Entschluß geführt haben, den 
"bisherigen Aufenthaltsort zu meiden. Vorliegend 
"war es aber lediglich die Furcht vor den aus dem 
"Einfall der Russen drohenden Gefahren, die die G. 
und deren Dienstherrin zur Vollziehung des Äuf- 
Fenthaltswechsels bestimmt hat. Die vertragliche 
Verpflichtung der G. schließlich, ihre Dienstherr- 
{schaft auf einer Reise zu begleiten, nahm ihr gleich- 
falls nicht die physische Möglichkeit, an dem bis- 
herigen Aufenthaltsorte zu bleiben. 


Bundesamt für Heimatwesen. 


| § 28. 

Das Bundesamt für das Heimatwesen hat in 

‚ständiger Rechtsprechung daran festgehalten, dab 
Feine armenrechtliche Verpflichtung eines (preußi- 
schen) Landarmenverbandes, für Geisteskranke auf 
“Grund der Novelle zum Pr. AG. vom 11. Juli 1891 
2 sorgen, nicht besteht, wenn die Bewahrung 

‚nicht im eigenen Interesse des Geisteskranken, son- 
‚dern ausschließlich im Interesse der öffentlichen 
Sicherheit erforderlich ist. Denn durch das er- 
“ wähnte Gesetz sind den Landarmenverbänden 


"allgemeinen Grundsätzen des preußischen Armen- 
rechts hinausgehenden Aufgaben zugewiesen wor- 
den. Die Verpflichtung der Landarmenverbände 
3 zur Gewährung von Anstaltspflege tritt aber nur 
ein, wenn der Geisteskranke dieser Pflege zu seiner 
u. oder Erholung, zu seinem Schutze 
gegen ihm außerhalb der Anstalt drohende Gefah- 
‚ren bedarf, nicht aber, wenn der Schutz anderer 
Personen gegen Ausschreitungen des Geisteskran- 
ken, wenn die öffentliche Sicherheit ‘die Unterbrin- 
gung des Kranken in einer Anstalt erfordert. Bei 
; einem Geisteskranken, der durch seine Krankheit 
a icht gehindert war, außerhalb der Anstalt seinen 
“Unterhalt zu erwerben und nur im Interesse der 
öffentlichen Sicherheit in einer Anstalt unterge- 
bracht wird, liegt daher kein Akt der Armenpflege, 
sondern eine im sicherheitspolizeilichen Interesse 
-zebotene Maßnahme vor. (Vgl. Krech-Baath, 
UWG. Anm. 32 zu $ 28, Anm. 8 zu $ 32a UWG,, 
über die abweichende Auffassung des preußischen 
‚Überverwaltungsgerichts vergl. Krech-Baath 
Ta. a. O. Fußnote ** auf S. 129 zu Anm. 32 8 28; 


"keine über die öffentliche Armenpflege nach den 


Betätigung staatlichen Schutzes, staatlicher 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 87 


ferner ausführlich die Schrift von Dr. Hoffiarth, 

Die gemeingefährlichen Geisteskranken, im Ver- 

lage von Berger, Staßfurt.) | 
(Bundesamt für das Heimatwesen vom 20. Sep- 


tember 1919, in Sachen des Landarmenverbandes 
des Regierungsbezirkes Wiesbaden wider den 
Landarmenverband des Kreises Mannheim.) 
Reichsgesetz vom 22. Mai 1910. 
_(RGBI. S. 798.) 
Die Klägerin, deren Mann als eingezogener 


Landsturmmann verstorben ist, verlangt von dem 
beklagten Reichsmilitärfiskus über die ihr auf 
Grund des Militärhinterbliebenengesetzes vom 
17. Mai 1907 gewährte Hinterbliebenenrente hin- 
aus Schadenersatz für das Recht auf den Unter- 
halt, das ihr durch den Tod ihres Mannes entzogen 
worden ist. Ihr Mann, der am 8. März 1916 als 
typhusverdächtig vom Reservelazarett III in das 
Reservelazarett II übergeführt worden ist, hat sich 
in der folgenden Nacht im Hemde, nur mit einer 
Decke versehen, aus dem Lazarett entfernt und ist 
am 8. März 1916 im Walde tot aufgefunden wor- 
den; die Klägerin macht es der Militärverwaltung 
zum Vorwurf, daß ihr Mann nicht gehörig über- 
wacht worden sei. 

Das Oberlandesgericht Dresden hat den gegen 
den Reichsmilitärfiskus erhobenen Anspruch dem 
Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, weil bei 
der Aufnahme des Verstorbenen in das Reserve- 
lazarett I die bestehenden Dienstvorschriften nicht 
beobachtet worden sind... . Wenn man die An- 
wendung des $ 278 BGB. hier ablehnt, weil es 
sich bei der Aufnahme (des Verstorbenen in die 
Lazarettbehandlung um die Erfüllung einer öffent- 
lich-rechtlichen Pflicht gehandelt hat (R.G. 59, 197; 
74, 167; 91, 139), so hat der verklagte Reichsfiskus 
für den Schaden, den die Klägerin aus der Hand- 
lungsweise des Dr. B. erlitten hat, doch jedenfalls 
auf Grund von $1 des Reichsgesetzes vom 22. Mai 
1910 (RGBl. S. 798) in Verbindung mit $ 839 BGB. 
einzustehen. Als zum Dienst in einem Militärlaza- 
rett einberufener Oberstabsarzt d. L. gehörte Dr. 
B. zu den Personen des Soldatenstandes. Soweit 
er dort an ‘den in das Lazarett eingewiesenen 
Militärpersonen den ärztlichen Dienst versah, han- 
delte er in Ausübung der ihm anvertrauten öffent- 
lichen Gewalt. Denn hierunter: versteht man jede 
Für- 
sorge, nicht nur die einen Zwangscharakter tra- 
gende obrigkeitliche Gewalt (RG. 91, 279). Da er 
an dem Tage der Ankunft des Verstorbenen in 
dem Reservelazarett I als Arzt vom Dienst tätig 


88 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


war, lag ihm nach der angeführten Vorschrift der 
Friedenssanitätsordnung die Amtspflicht ob, ihn zu 
untersuchen. Diese Pflicht hatte in erster Linie 
‚den Zweck, das Interesse der in das Lazarett auf- 
zunehmenden Kranken wahrzunehmen. Sie lag 
ihm also hier dem Verstorbenen gegenüber ob 
(RG. 78, 243). Dr. B. hat diese Pflicht fahrlässig 
verletzt und würde daher für den Schaden aufzu- 
kommen haben, der entstanden wäre, wenn der 
Verstorbene am Leben geblieben wäre. Da der 
Klägerin. durch den Tod ihres Mannes das Recht 
auf den Unterhalt entzogen worden ist, hat Dr. B. 
ihr nach $ 839, 844 Abs. 2 BGB. Schadenersatz zu 
leisten. An seiner Stelle hat auf Grund des. § 1 
des angeführten Gesetzes vom 22. Mai 1910 der 
verklagte Reichsfiskus einzutreten. 

Der verklagte Reichsfiskus meint, daß der von 
der Klägerin verfolgte Anspruch durch § 6 des 
Reichsgesetzes vom 22. Mai 1910 ausgeschlossen 
sei. Danach sollten die Vorschriften der Reichsge- 
setze unberührt bleiben, soweit sie für bestimmte 
Fälle die Haftung des Reiches über einen gewissen 
Umfang hinaus äusschließen. : Nach $ 41 Mann- 
schaftsversorgungsgesetz vom 31. Mai 1906 (RGBl. 
604) hätten nun die nach Maßgabe dieses Geset- 
zes versorgungsberechtigten Personen aus dem 
Grunde einer Dienstbeschädigung gegen die Mili- 
tärverwaltung nur die auf diesem Gesetz beruhen- 
den Ansprüche. In dem Militärhinterbliebenenge- 
setz vom 17. Mai 1907 (RGBl. S. 214 ff.) fehle zwar 
eine entsprechende Bestimmung. Da es aber un- 
billige Sein würde, 
gestorbener Militärpersonen günstiger gestellt sein 
würden, als die Hinterbliebenen nur körperlich 
verletzter, sei anzunehmen, daß- die Bestimmung 
in § 41 Mannschafts-Versorgungsgesetz auch für 
die Hinterbliebenen gelte. Ob dieser Folgerung, 
die vom Landgericht abgelehnt worden ist, beizu- 
treten ist, braucht für die Zwecke der Entscheidung 
nicht festgestellt zu werden. Der 
sagt nur, daß die Militärpersonen lediglich die auf 
diesem Gesetze beruhenden Ansprüche haben 
nicht aber, daß dadurch ihre Ansprüche ausge- 
schlossen werden sollen, die ihnen unabhängig von 
einer Dienstbeschädigung zustehen. Um einen An- 
spruch der letzteren Art handelt es sich aber hier. 
Denn die Klägerin macht geltend, daß eine Person 
des Soldatenstandes, für die das Reich einzustehen 
habe, ihre Amtspflicht verletzt habe, was insofern 
anerkannt worden ist, als Dr. B. ihren Mann bei 
der Aufnahme in das Lazarett nicht untersucht hat. 
(Oberlandesgericht Dresden, 9. Januar 1919, 7. O. 
28/18.) Jurist. Wochenschr. 1919 S. 197. 


wenn die Hinterbliebenen sofort ` 


angeführte $ 41 


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Nr. 13 

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Badischer Verwaltungsgerichtshof. 
SS I und 5 des Badischen Irrenfürsorgegeset 
Beerrifi dei Geisteskrankheiti Bi 
Sinne dës $ I des: Irrenfürsorgeri 
setzes. Die über .den Geisteszustand des K 
gers abgegebenen Äußerungen stimmen in da 
einem Punkte im wesentlichen überein, dal # 
ein konstitutionell und dauernd geistig abnome 
Mensch sei, während sie in der wissenschaftlich 
Klassifizierung des Zustandes, in ihrer Schäta 
der Wirkung auf die freie Willensbestimmung # - 
Sinne des $ 51 des StrGB. und auf die Geschitt 


fähigkeit voneinander abweichen; auf diese Unti sti 
scheidung kommt es aber für den Begriff der GE fa 
steskrankheit nicht an; auch ein Geisteskruke “ 
kann geschäftsfähig und für eine bestimmte Straf Ay 
strafrechtlich verantwortlich sein. | E 

2. Gefährlichkeit im Sinne ds 
des Irrenfürsorgegesetzes Dem @ i 


steskranken, der für sich selbst gefährlich ist ok 
gegen Leib und Leben seiner Mitmenschen Angrig di 


unternimmt, wird in-§ 5 IFG. derjenige Geist pl 
kranke gleichgestellt, der für das Eigentum gefäll D 
lich ist, also. auf Grund krankhafter Seelenzustän Bal 


das Vermögen und den Besitz seiner Mitmenschi ER 
schädigt. Auch liegt Gefährlichkeit im Sinne SH 
genannten Gesetzesbestimmung nicht nur dann w$ 7m 
wenn der Geisteskranke für das Leben andeng ric 
sondern auch dann, wenn er für die sonstigen Puff san 
sönlichkeitsgüter, die rechtliche Unversehrtheitäg tes 


Ehre, den Frieden seiner Mitmenschen gefähr R 
ist. Nach den gemachten Erhebungen kann $ is 
keinem Zweifel unterliegen, daß der Kläger 5 
einer krankhaften Neigung zu betrügerischen Hat Pr 
lungen behaftet und als für das Eigentum der M tl 


menschen gefährlich anzusehen ist, sobald er Mn 
auf Gebiete begibt, die der Entwicklung dieser ME Bi 
gung förderlich sind. In diese Lage hat sich Uf ge 
Kläger durch die während seines Aufenthalts WE Sa 
begangenen Handlungen versetzt, für die er nf w 
eingeleiteten Strafverfahren nach $ 51 StrOB. nid N 


k "T 
verantwortlich gemacht werden konnte. Alf i 
diese Handlungen zeigen, daß der Kläger ® 


äußerst dehnbares Rechtsgefühl besitzt, seine A F 
felhaften geschäftlichen Unternehmungen als" 
seinem Standpunkt aus erlaubt darzustellen k a 
sucht und alle Schuld an den sich daraus erg 4 
den rechtlichen Zusammenstößen auf seine op A 
schiebt, die durch ihre unbegründeten vorzet 
Einsprüche und Beanstandungen selbst die Schi vr 
an der Nichterfüllung seiner Verbindlichkeiten ' j! i 
gen. Wenn das Bezirksamt bei Beurteilung IF 
Vorgänge in ihrem Zusammenhalt zu der Aufl 


£ 
i 


K 
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i; 


ur 


1921] 


stalten (Freistaat). 


 staltsegeruppen waren vertreten. 


TRV. mit 50 M unverändert. 
tigen Bemühungen um Einordnung in den Besoldungs- 
Entwurf möglichst gemäß den Richtpunkten des RV. 
- waren bisher vergeblich und versprechen nach Ansicht 
des Regierungsvertreters rücksichtlich der für Sachsen 


# nisse auch kaum Erfole. 


- Sachsens, 
* zuschließen beginnen. 
"Sachsen des D. B. B. (der 
- Tungsantrag zum Regierungsvorschlag die  stellvertre- 
{tenden Direktoren nach Klasse 12 — in welcher die 
‚ Direktoren stehen — eingesetzt mit der Begründung: 

„Die gleiche Besoldung der Direktoren und ihrer Stell- 
Vertreter ist im Hinblick auf das schlechte Beförde- 
j rungsverhältnis und unter Hinweis auf die Einstufung 
‚anderer akademischer Beamtengruppen notwendig. Die 
 Aufstiegsmöglichkeit dieser Beamtenkategorie erreicht 
| toch nicht einmal das Verhältnis 3:2:1.” 
ungeklärt ist noch die endgültige Einreihung der An- 
| stalten in das Ortsklassenverzeichnis, wobei die grund- 


E eaen liegen sollen. 


sung kam, daß dem gefährlichen Treiben des gei-. 
 steskranken Klägers durch seine Unterbringung in 
einer Öffentlichen Irrenanstalt ein Ziel gesetzt wer- 
den müsse, und hiernach gegen den Kläger die An- 
- srdnung nach § 5 IFG. traf, so kann in diesem Vor- 
sehen eine Verletzung des Gesetzes nicht erblickt 
werden. (10. 


Juli 1918 Nr. 1390, A. W. in S. 


gegen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE  WOCHENSCHRIFT ` | 89 


Staatsverwaltungsbehörde — Bezirksamt K. — Un- 
terbringung in einer Irrenanstalt.) 
Aus Zeitschr. f. bad. ee ian u. Ver- 
waltungsrechtspflege Nr. .21 u. 22, Heidel- 
berg, 22. Oktober 1919. 
(Fortsetzung folgt.) 


Mitteilungen. 


— Verein der Ärzte an den sächsischen Landesan- 
Die diesiährige Jahresversammlung 
fand am 12. Mai in Dresden statt. Sämtliche elf An- 
Seitens der IV. Abtei- 


lung des Min. d. I. wohnten die Herren Min. Dir. v. 


 Pîflugk und Oberreg.-Rat Bruust dem Hauptteil der Sit- 
zung bei. 


Aus ihr sei im einzelnen’ erwähnt: 


Die Mitgliedszahl beträgt 63. In allen den RV. 


"betreffenden Angelegenheiten sind dem Verein außer- 
dem angeschlossen: 
Edie Leiter der 
- Plauen. 


die Ortsgruppe Dresden (10) und 
städt. 
Zwecks näherer Fühlungnahme der 
stalten und -mitglieder untereinander 


BEinzelan- 


einem 
ihrer 
Ent- 
sollen 
Oktober ieden Jahres Halbiahrsbe- 


die wegen 


April und 1. 


gesetzt, bleibt aber durch die Erhöhung desienigen zum 
Die dauernden und vielsei- 


geltenden Bestimmungen und wirtschaftlichen Verhält- 


akademischen Beamten 
die sich erst jetzt einheitlicher zusammen- 
Immerhin hatte die Landesgruppe 
S, S.) in ihrem Abände- 


Solidarität unter den 


Ebenfalls 


sätzlichen Widerstände bei den zuständigen Stellen. der 
Bemühungen einzelner 


Fachanstalten in Chemnitz und’ 


sind etwa viertel- 
jährliche Zusammenkünfte in einer Anstalt oder 
- Bahnknotenpunkt eingeführt worden, 
 Zweckmäßigkeit sehr empfohlen werden können. 
sprechend den gleichsinnigen Terminen.beim RV. 
"zum 1. 
richte der einzelnen Anstalten an den Vorstand einge- 
sandt werden. Der Jahresbeitrag wurde auf 30 M fest- 


sen Zweck vor. 
‚die Liquidationen für Personalbehandlung nicht entspre- 


Erschwert wird außerdem die 
k Bemühung einzelner Fachgruppen durch die bisher man- 
" gelnde 


in Lübeck: 


Beamtenausschüsse waren bisher vergeblich. Jedenfalls 
scheint es für die Dauer undenkbar, daß die ländlichen 
Anstalten in Ortsklasse E verbleiben; dies bedeutet 
segen Klasse A einen Spannungsunterschied von etwa 
7000 M, während die wesentlichen Einkäufe in diesen 
Städten (zuzüglich Bahnfahrt und sonstige Spesen!) 
gemacht werden müssen und die wirtschaftlichen Ver- 
kältnisse auf dem Lande nur in weniger Hinsicht etwas 
günstiger sind. 

Auf das Erscheinen der Richtlinien bis Herbst d.J. 
wurde hingewiesen und der Ministerialdirektor gebeten, 
dann in eine Aussprache über dieselben mit .dem Ver- 
ein einzutreten. Besonders aufmerksam gemacht wurde 
auf die notwendige Änderung der bisherigen gesetz- 
lichen Regelung der Gutachtenerstattung nur durch den 
Anstaltsbezirksarzt oder dessen Stellvertreter, im Sinne 
des Referats der hierfür im- vorigen Jahre gewählten 
eigenen Kommission und der Richtlinien. Der Ministe- 
rialdirektor erklärte volles Verständnis für diese wie 
alle Bestrebungen zur Hebung des Berufsstandes und 
schlug die vorbereitende Zusammenarbeit von Vertre- 
tern der Ministerialabteilung und des Vereins für die- 
— Dem Standpunkt des Vereins, daß 


chend der Min.-Verordnung in die allgemeine „Studien- 
kasse” abgeführt werden sollten, konnten sich die Re- 
gierungsvertreter nicht anschließen. Nach. längerer 
iruchtloser Debatte wurde der Beschluß gefaßt, das 
Ministerium um Aufhebung dieser Verordnung zu bitten. 

Der bisherige Vorsitzende Med.-Rat Geist hatte ge- 
beten, wegen anderweitiger Inanspruchnahme von sei- 
ner Wiederwahl als Vorsitzender abzusehen. Für das 
Geschäftsjahr 1921-22 bilden den Vorstand: Reg.-Med.- 
Rat Stemmler, Arnsdorf (Vorsitzender), Reg.-Med.-Rat 
Maaß, Dösen (Kassenwart), Reg.-Med.-Rat Wicksel, 
Groß-Schweidnitz (Schriftführer). 


Buchbesprechungen. 


— Deycke, Prof. Dr. G, Hauptarzt der Inneren 
Abteilung und Direktor des Allgemeinen Krankenhauses 
Praktisches Lehrbuch «der Tuberkulose. 
Bd. V der „Fachbücher für. Ärzte”. .298 S. Mit zwei 
Textabbildungen. Berlin 1920, Julius Springer. 


Das Buch des um die Kenntnis der Tuberkulose hoch- ` 


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PIENI E NE JENE EN 2. 
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verdienten Forschers wird auch in unseren Anstalten 
größte Beachtung und Verwendung finden müssen. . Denn 
infolge der Unterernährung, durch welche die Insassen 
der Anstalten während des Krieges und noch nachher 
heimgesucht waren und es zum Teit jetzt noch sind, hat 
“sich die Tuberkulose bei uns in ganz besonders trauriger 
Weise ausgebreitet, zumal Zustand und Verhalten an 
sich bei manchen Geisteskranken einen für den Tuberkel- 
bazillus geeigneten Nährboden schaffen. 

Das Buch ist ungemein kiar und, was man sonst bei 
wissenschaftlichen Büchern nicht oft sagen kann, fast 
fesselnd geschrieben, und wenn es zum Teil ein persön- 
‚liches Gepräge trägt, so ist das bei der Autorität des Ver- 
iassers auf diesem Gebiet nur willkommen. 

Der wesentliche Teit ist der Lungentuberkulose ge- 
widmet als dem schwierigsten und wichtigsten Gebiet 
oder Tuberkelbazilleninfektion (S. 48 bis 212, wobei die 
Behandlung ailein 60 Seiten umfaßt). Dann folgt ein Ab- 
riB der übrigen Organtuberkulose, die akute allgemeine 
Miliartuberkulose und die Beziehungen der Tuberku:ose 
zum Kindesalter. Ä 

Die Erkennung und Behandlung der Tuberkulose ge- 
hört, wie Verf. im Vorwort sagt, nicht zu den leichten, 


wohl aber zu den ıdankbaren Aufgaben des ärztlichen ` 


Berufs. er B.: 

— Hoche, Prof. Dr. A. Freiburg i. Br.: Vom 
Sterben. Kriegsvortrag, gehalten in der Universität am 
6. November 1918. 31 Seiten. Jena, Verlag von Gustav 
Fischer. 1,50 M. x | 

Eine nicht nur geistreiche, sondern für Viele, die 
sich mit dem Gedanken an.das eigene Sterben beschäf- 
tigen, tröst.iche, heilsame Betrachtung. „Der mensch- 


liche Körper mit seinem unausgesetzten Sterben und Er- 


neuertwerden steht somit in völliger. Analogie zur Ge- 
samtmenschheit, die auch, von außen gesehen, im we- 
sentlichen gleichbleibt, während doch in ihrem Bestande 
in größtem Maßstabe Tod und Geburt einen ewigen 
Wechsel herbeiführen” (S: 5). Und mit feiner Ironie: 
„... . Es stört Niemanden, daß er vor seiner Geburt 
nicht a war; aber daß er nach seinem Tode in den 
Zustand zurückkehren soll, in dem er sich vor seiner 
Geburt befand, dagegen lehnt das Gefühl sich auf” 
(S. 22). „Es ist der alte Denkfehler, sich selber in der 
Vorstellung aufzufassen als gestorben und dabei als noch 
genügend mit Bewußtsein begabt, um zu bemerken, wie 
unangenehm es ist, tot zu sein.” 

— Barnewitz, Dr. F.: A. Einsteins Relativitäts- 
theorie. Versuch einer volkstümlichen Zusammenias- 
sung. 3. Aufl. 16 S: Rostock 1920, G. B. Leopolds 
Universitätsbuchhandlung 

Diese Theorie wird hier in gemeinverständlicher 
Weise dargestellt. Bemerkenswert ist, daß sie sich auf 
die Lorentzschen Transformationen und die Behaup- 
tung Riemanns vom Vorhandensein nichteuklidischer 
. Geometrie im Raum und andere frühere Ergebnisse 
stützt, und daß die- Theorie hinsichtlich Raum und Zeit 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle 
Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Hall 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


nur im physikalischen Sinne, nicht im philosophi , 
gilt (soll wohl heißen logischen). | 


—. -——— 


Therapeutisches. 


— Über Grippebekandlung mit „Grippeimpis 
Kalle”. Von Dr. Cornils, Abteilungsarzt. Ausg 
medizinischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhaus 
Lübeck (Dir.: Prof. Deycke). Münch. med. Wod 
schr. 1920 Nr. 50 S. 1438 und 1439. | 

Zusammenfassung. Soweit sich aus dem Erfolg 
serer sieben mit GIK. behandelten Grippepnew on 
fälle Schlüsse ziehen lassen, ist anzunehmen, daß? 
intravenöse Injektion von 0,2 „Grippe-Impistofi Ká 
bei Grippe und Grippepneumonie rasch und sicher a 
Ziel führt. Dabei mag dahingestellt bleiben, ‚ob die W 
kung eine spezifische ist, ob also die Pfeifferschenl 
iluenzabazillen als Erreger der epidemischen Grippe 
zusehen sind. Jedenfalls übt GIK. auf andere akutel 
generkrankungen anscheinend keinen heilencen Ei 
aus. Zur Vermeidung des lästigen Schüttelfrosteg? 
sich bei Beginn desselben das Aufsetzen eines Schi 
kastens durchaus bewährt, desgleichen vor und wähi = 
des Fieberanstiegs und -abfalls ie reichliche Ver — 
gung von Exzitantien. 2N 


— Das kürzlich im Verlage Gehe & Co., A.-G., U 
mische Fabriken, Dresken-Neustadt, erschienene „Oe 
Arzneipflanzen-Taschenbuch” bildet eine wertvoll‘ 
gänzung der Sammlung von Gehes Arzneipil 1 
karten. In handlicher Form enthält das Büchlein üg 
kurz gefaßte Beschreibung der zur Abbildung gebt 
ten Arzneipflanzen, und darüber hinaus aller wich 
heimischen Arzneipflanzen. Das kleine, reichhal 
Werk wird allen denen, welche sich beruflich einge 
mit unseren sowohl medizinisch wie als Hausmittel W 
wendung findenden Pflanzen beschäftigen müssen, % 
die es aus Liebhaberei mit (der heimischen Pflanze 
tun, ein willkommenes Taschenbuch sein. i 

Auch der wenig geübte Botaniker kann sich ind 
nach (dem natünlichen Pflanzensystem angeord 
Taschenbuch schnell und zuverlässig über Stan 
Vorkommen, Blüte und Sammelzeit unterrichten. MS 
sonderer Wert ist gelegt auf die Beschreibung dera x 
neiliche Verwendung findenden Pflanzenteile, deren 
standteile und Wirkung. — Von den Arzneipflanzenkaf ? 
sind bisher 15 Folgen mit 90 Abbildungen erschtE: 
Es sind echt künstlerische farbige Naturaufnahmel® | 
in der charakteristischen landschaftlichen Umgebuns tf 
macht sind. i $ 


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a. 5. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 
e a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


peunozwande nii Jahrgang. _ | | Nr. 15/16. 1921/22. 


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Inhalt: An die Deutsche Ärzteschaft. 


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Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat Dr. Beyer, Roder- 
Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 


San.-Rat Dir. Dr. 
Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 


Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 


Mauer-Öhling (N. Sh Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 
Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
15/16. 16. Juli 1921/22. 
Bezugspreis: 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
il mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. - Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 
laß gewährt. 


Marhold Verlag Hallesaale 


(S. 91.) — Ein eigenartiger Fall von Selbstmord durch Ersticken. Von 
(S. 92.) — Eine Rhythmustheorie des Sehens. 


Von Dr. Arthur Adler. (S. 94.) — 


Wichtige gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen auf dem Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. 


XVI. Folge. Fortsetzung. (S. 95.) — Mitteilungen. (S. 100.) 
— Therapeutisches. (S; 102.) — Personalnachrichten. 


er Vertrag von Versailles und die Annahme 
des Londoner Ultimatums legt Deutschland 
Eriöhenere Lasten auf, die, wenn überhaupt, nur 
von einem körperlich und. geistig gesunden, wil- 
lenskräftigen und wirtschaftlich erstarkten Volke 
in langer harter Arbeit getragen werden können. 
Die Freiheit und das Leben unserer Kinder hängt 
‚davon ab, wann und wie wir diese riesenhafte Auf- 
Fr in Angriff nehmen und wie wir sie bewältigen 
‚werden, An die deutschen Ärzte tritt die verant- 
wortungsvolle Pflicht heran, ihrem Volke den Weg 
zur Stärkung seiner körperlichen . und sittlichen 
Kräfte zu zeigen. Der deutsche Boden vermag 
das deutsche Volk noch nicht zu ernähren, sondern 
zwingt es, um hohen Preis im Ausland Brot, 
Fleisch und Fett zu kaufen. Das Geld hierzu muß 

durch angestrengte und verlängerte Arbeit der 
RRE Industrie gewonnen werden. Viele Mil- 
liarden gehen heute noch ins Ausland für den An- 
kauf von (Genußmitteln, die ein falscher Glaube 
dem Volke als unentbehrlich erscheinen läßt, und 


auf die ein willensschwaches Geschlecht meint 


k 


ti 


(S. 101.) — Buchbesprechungen. 


(S. 101.) 
(S. 102.) 


— Referate. 


An die Deutsche Ärzteschaft. 


nicht verzichten zu können. Die deutschen Ärzte 
haben diesen falschen Glauben geduldet, ja nicht 
selten unterstützt. Das Märchen von der blutbil- 
denden Kraft des französischen Rotweins und von 
der Heilkraft des Kognaks wird noch immer gerne 
geglaubt. Es ist an der Zeit, diese Irrlehre aus 
den Köpfen der Menschen zu vertreiben. 

Etwa 15 Milliarden gibt Deutschland noch im- 
mer jährlich für geistige Getränke aus. Ein großer 
Teil des deutschen Getreides, der Kartoffeln und 
des Zuckers wird noch immer zur Herstellung gei- 
stiger Getränke verwandt; unsere Kinder und 
unsere Studenten werden von den Quäkern aus 
dem Lande unserer Gegner ernährt, und schon hö- 
ren wir aus dem Munde dieser Quäker den Vor- 
wurf, daß, während sie selbst aus reiner Nächsten- 


liebe jede Entbehrung willig auf sich nehmen, um : : 


uns helfen zu können, wir Deutschen solche Un- 


massen von Alkohol und Tabak verbrauchen, daß 


mit dem zehnten Teile der Ausgaben für diesen 
Luxus das deutsche Kinderelend behoben werden 
könnte. Verträgt sich dieser Zustand mit -der 


02 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Würde Deutschlands und geht es an, daß die be- 
rufenen Sachverständigen in den Fragen der Er- 
nährung unseres gequälten Volkes gleichgültig zu- 
sehen, wie dieses Volk in gedankenlosem Leicht- 
sinn seine Zukunft zerstört und seine Würde preis- 
gibt? Alkohol und Tabak sind entbehrlich, sie 
sind für sehr viele schädlich, sie belasten den Haus- 
halt des -Deutschen Reiches aufs schwerste, sie 
- hindern den Aufstieg unserer Kinder und Enkel 
zur Freiheit, zur Erlösung vom Joch drückendster 
Knechtschaft.e. Was wir brauchen, ist stahlharter 
Wille, unermüdliche Arbeitskraft, nüchterner Sinn 
und ‚bei sparsamem Haushalt gute krafitspendende 
‚Nahrung. | 


Aus der Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch (Direktor Dr. Max Fisch er). 
Ein eigenartiger Fall von Selbstmord durch Ersticken. 
| Von Dr. August Hegar. 


pë nachfolgende Zeitungsbericht machte durch 
eine Reihe deutscher Blätter die Runde: 
„Wiesloch, den 11. August. Auf schreckliche 
Weise Selbstmord verübt hat eine Patientin der 
hiesigen Landesheil- und Pflegeanstalt. Sie stellte 
die eiserne Bettstelle hoch, nahm einen der Bett- 
pfosten in den Mund und ließ sich dann 
mit samt dem Bett niederfallen. Sie wurde direkt 
auf den Erdboden aufgespießt. Die Kranke war 
sogleich tot.” 

Wenn man auch keine Neigung hat, derartig 
ausgeschmückte Beschreibungen auszubessern, 


‚darf man doch nicht an einem Ereignis vorüberge- 


hen, das entschieden in die Chronik der bemer- 
kenswerten Fälle von Tötung durch eigene Hand 
gehört. | 

Frau K., 49 Jahre alt, befand sich bereits. vom 
5. September 1908 bis 5. Mai 1909 wegen eines 
schweren manischen Erregungszustandes in unse- 
rer: Anstalt. Am 8. Dezember 1917 wurde sie 
wieder aufgenommen. Sie war eine große, kno- 
chige und muskelkräftige Person mit auffallend 
breitem Munde. Auch diesmal bestand eine hoch- 
gradige Manie, die fast ohne Schwankungen die 
zweieinhalb Jahre hindurch andauerte. Die Stim- 
mung war heiter, zu Gewalttätigkeiten und aus- 
gelassenen Scherzen neigend, besonders solchen, 
die einen starken Lärm verursachten: ihr lautes 
Johlen und Singen begleitete die Kranke mit kräf- 
tigen Schlägen gegen die Heizkörperverkleidungen, 
die Badewannen oder sonstigen Wiederhall ge- 
bende Einrichtungsgegenstände. Sie liebte es, 


[Nr. 13 g; 

Wir wenden uns an alle Ärzte unseres dam 
schen Volkes mit der Bitte: kämpfet mit uns#p, 
die Erreichung dieses Zieles, tretet dem Irtam 
von der kraftspendenden Bedeutung des Alkowien: 
der Unentbehrlichkeit des Tabaks sowie dem tier 
gen und frivolen Leichtsinn der ‘breiten Mae 
unseres Volkes entgegen, damit uns Ärzten iiie 
einst der Vorwurf erspart bleibe, daß wir iné m 
schwersten Jahren unseres Volkes unsere Pii@:, 
gröblich verletzt haben! Ä 


E. Kraepelin 
München. 


R. Gaupp 
Tübingen. 


Emil Abderhaldag 
Halle a, S. $ 
A. Strümpell, Leipzig. 


auch mitten in der Nacht, die Betten samt den 
rin liegenden Kranken in die Höhe zu heben en 
dann dröhnend niederfallen zu lassen. Anfang ich 
gust ds. Js. wurde die Kranke ohne Über 
ruhig und klar, sie schrieb zwei schöne Briefe $i 
ihre Angehörigen, in denen sie die Hoffnung 8 
sprach in vierzehn Tagen nach Hause zu könne, 
Am 8. August äußerte sie einer Wärterin und 
einer Kranken gegenüber, es wäre besser, Wies 
sie gestorben wäre, ihr Mann habe das bei M in 
bruch ihres letzten Anfalles auch gesagt. Allee, 
August abends fiel der Nachtwache auf, d® 
Kranke erregt war und verwirrt sprach. nk 
Oberwärterin traf die Kranke um 9 */ Uhr | 
an. Bald darauf wurde Frau K. wieder unien 
ging außer Bett und legte sich auf den BE” 
Die Nachtwache wußte nicht, wie sie sich V 
halten sollte und ging in den unteren Stock $y 
die dort wachende ältere Wärterin zu holen. ! 4 
mit ihrer Vertretung beauftragte Beiwache bë fie 
sich am anderen Ende des großen Saales, as Zei 
in der gegenüberliegenden Ecke, in der Fral ia 
schlief, zweimal die Bettstelle „rücken“ I 
Sie ging gleich hin und sah Frau K. unter & 
Bett liegen, den Bettfuß im Munde. Zusalfe 
mit den gerade eintretenden Wärterinnen bei” 
ten sie die Kranke, die atmete, aber bewill 
war. Aus dem Bericht des sofort gerufenen dien? 
tuenden Arztes teile ich mit einigen Kürzl I: 
folgendes mit: er sah die Kranke gegen 9" 7 i 
Die Augen waren geschlossen, das Gesicht M Š 
zyanotisch, die Atmung war etwas angestrengt “4 i 


921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT er 


onst frei und von normaler Frequenz, ebenso der 
uls kräftig und regelmäßig. -Mäßige Schwellung der 
Zunge. Kein Blut aus Nase, Mund oder Ohren. 
Jie Austastung der Mund- und Rachenhöhle ergab 
inen hinter dem Kehldeckel liegenden Zahn, der 
ntiernt wurde. Auch eine nochmalige Austastung 
ler Mund- und Rachenhöhle ergab nichts Abnor- 
nes. Im besonderen war der Kehlkopfeingang 
‚ollständig frei. Atmung und Puls blieben wäh- 
end der halbstündigen Anwesenheit des Arztes 
ingestört. Die Bewußtlosigkeit dauerte unverän- 


lert fort. Die Kranke wurde darauf in einem Zim- 


ner allein unter ständige Aufsicht gelegt. Die 
)berwärterin sah später die Kranke noch einmal, 
jemerkte, daß dieselbe Atemnot hatte, hatte aber 
einen Anlaß, den Arzt nochmals zu rufen. Die 
Wache gab an, daß Frau K. Atemnot hatte, sie habe 
ufrecht sitzen müssen, habe sich zuweilen aus 


löhe gehoben, einmal habe sie auch auf Aufforde- 
ung den Mund aufgemacht. Später hatte sie eine 
ehn Minuten dauernde starke Atemnot. Es sei 
labei keine, Verfärbung eingetreten, auch kein pfei- 
ender Atem. Um 2° Uhr habe sie sich aber plötz- 
ich verfärbt und sei gestorben. 


Die gerichtliche Sektion ergab neben Erstik- 
tungsmerkmalen, die ich, um abzukürzen, nicht er- 
vähne, folgenden überraschenden Befund: Im 
Schlund, dem Kehldeckel und dem Zungenrande 
est anliegend, fand »sich ein eigroßer und eiförmig 
est zusammengeballter Wollappen von 13 cm 
n Länge und Breite. In der Pharynxwand zahl- 


eiche kleine Sugillationen, rechts neben der Uvula. 


in oberflächlicher Schleimhautdefekt. An Stelle des 
inken unteren zweiten Prämolarzahn eine frische 
Nunde. Stimmbänder leicht ödematös zeschwol- 
en. Todesursache: Tod durch Ersticken. 


Der Wollappen war aus einer Bettdecke aus- 
serissen worden, und zwar nicht aus der von der 
ranken benutzten, sondern das Stück stammte 
us der Decke einer Frau K. schräg gegenüber- 
egenden Kranken; Frau K. mußte das Stück einige 
-eit besessen haben, da die Decke bereits einen 


lag vor ihrem Tode aus der Abteilung entfernt 
vorden war. 


-Es handelt sich hier wohl um einen Selbstmord, 
in Unglücksfall bei einer demonstrativen Spiele- 
‘ei, wie sie ia bei manischen Kranken vorkommt, 
st nicht wahrscheinlich. Die Kranke befand sich 
n der Übergangszeit von einer schweren Manie in 
Be Depression oder in ein freies Intervall, eine 
thase, die erfahrungsgemäß durch Selbstmordver- 
uche sehr gefährlich wird. Für die Wahl des 


lem Bette schaffen wollen und die Hände in die. 


srausigen Verfahrens gibt vielleicht der gewalt- 
tätige, fast wilde Charakter ihrer manischen Er- 
regung einen Hinweis. Frau K. handelte dabei 
überlegt, sie verschaffte sich das Stück der Woll- 
decke, verbarg dasselbe, bereitete es im Munde 
zum Verschlucken vor, legte sich dann unter das 
Bett, hob die Bettstelle empor, nahm den 5,5 cm 
breiten mit einem Stollen versehenen Bettfuß in 
den Mund und ließ dann die Bettstelle fallen. Das 


grobe- Gewicht derselben überwand rasch den 


Widerstand der Schlund- und Zungenmuskulatur 
und trieb den Lappen hinunter. Die oft bewiesene 
Kraft der Patientin und iħre große Mundhöhle er- 
möglichten die rasche Ausführung. Nach der Lage 
des Lappens bei der Obduktion hätte nun sofortiger 
Erstickungstod eintreten müssen, in Wirklichkeit 
lebte die Kranke jedoch noch über fünf Stunden; 
auch wäre bei der sorgfältigen Untersuchung durch 
den Arzt der Lappen, wenn er sicht- oder tastbar 
gewesen wäre, sicher gefunden worden. Daß die 
Kranke denselben erst: später in den Mund ge- 
steckt hätte, ist bei der genauen Aufsicht auszu- 
schließen. Zu einem Verbergen in (der Nasen- 
rachenhöhle über dem weichen Gaumen war der 
Lappen zu groß. Ich versuchte an der Leiche den 
Vorgang, soweit solches möglich ist, nachzu- 
ahmen, es ergab sich, daß der Lappen schon bei 


nicht sehr starkem Drucke ohne weiteres in die 


Speiseröhre hinabglitt und genau in der Form dort 
herausgeholt wurde, die er bei: der. Obduktion 
zeigte. Wir haben uns daher den Tod so zu den- 
ken, daß der Klumpen allmählich: wieder nach oben 
sewürgt wurde, sich auf den Kehlkopf legte und 
die vollständige Erstickung herbeiführte; die Be- 
nommenheit der Kranken machte eine kräftige Re- 


aktion unmöglich. 


Daß Kranke sehr umfangreiche und verschieden 


geformte Gegenstände herunterschlucken können, 


ist jedem Anstaltsarzte bekannt. Der Arzt und 
Dichter Justinus Kerner berichtet, daß er zuge- 
sehen habe, wie ein Kranker in der Irrenanstalt 
Ludwigsburg einen lebendigen Kanarienvogel mit 
einem Schluck herunterbeförderte; es geschah das 


so schnell, daß der Wärter, der sein Ohr auf den 


Leib legte, behauptete, er höre den Vogel noch im 
Magen flattern. Folgende Mitteilungen über Aus- 


führung von Selbstmorden in ähnlicher Weise wie 


der oben beschriebene, verdanke ich meinem Kol- 
legen Dr. Möckel: 

Handiside (Edinburgh med. and surg. Jour- 
nal 1842) fand in der Mundhöhle einer angeblich an 
Apoplexie gestorbenen Frau einen aus Baumwolle 
mit Flanellstreifen umwickelten Pfropf von koni- 
scher Form, der offenbar den Tod durch Ersticken 


94 _ - PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


hervorgerufen hatte. In Berlin benützte ein Selbst- 
mörder 1833 ein Stück Tuch, 2 Ellen lang und 
th Elle breit. Handiside beobachtete ferner 


Du Mn -o 


5. = 


[N r, 15i ” 


einen Fall in Edinburgh, wo ein Mann ein Ha a 
tuch zur Erstickung sich in den Mund zwä re 
(Isensee, Geschichte der Medizin 1840, Bei pi 


Eine Rhythmustheorie des Sehens. 
Von Dr. Arthur Adler. 


q=” die chemische Natur des retinalen Seh- 
prozesses spricht die optische Inaktivität der 
chemisch sehr wirksamen ultravioletten Strahlen. 


Da von den die Lichtschwingung zusammen- 
setzenden elektrischen und magnetischen Zustands- 
änderungen im Äther die elektrischen die chemisch 
wirksamen sind, so bleiben für die optische Aktivi- 
tät. nur die magnetischen übrig,“ während die 
elektrischen, bevor sie żu den retinalen Sehelemen- 
ten gelangen, resorbiert werden müssen. 

Es sind also die magnetischen Ätherschwingun- 
gen, welche die Netzhaut erregen. Sie müssen die 
ungeheure Schnelligkeit von etwa 400 Billionen in 
der Sekunde erreichen, um die Zellen des psycho- 
optischen Feldes zu einer Empfindung zu veran- 
lassen. Da die Fortleitung der Erregung im Ner- 
ven ein elektrischer Vorgang zu sein scheint, ist es 
wahrscheinlich, daß die magnetischen Schwingun- 
gen in der Retina (durch die Körner?) in elek- 
trische verwandelt werden. 

Aus der „purpurnen Finsternis” nun dringt das 
Licht in den beiden, das Purpur zusammensetzen- 
den Nuancen: Rot und Violett, zur Empfindung. 

Die Zahl der Schwingungen bzw. der die psy- 
cho-optischen Zellen treffenden Reize i. e. ihr 
Rhythmus bedingt die Qualität der Empfin- 
dung. Diese ist also ein Produkt der Reaktion der 
psycho-optischen Zellen auf den Reizrhythmus. 
Man muß sich vorstellen, daß diese Zellen sich in 
irgendeiner, zurzeit unbekannten Art und Weise 
proportional der Anzahl der sie treffenden elektri- 
schen Impulse einzustellen vermögen. 


Wegen der, im Vergleich zu der ungeheuren 
Schnelligkeit der Äthervibrationen, geringfügigen 
Differenz der innerhalb der sichtbaren Oktave ge- 
legenen Schwingungszahlen entspricht nicht jeder 
einzelnen eine besondere Farbenempfindung, son- 
dern es gibt innerhalb der Farbenskala nur zwei 
toto coelo verschiedene Nuancen: Gelb und Blau. 
Der kontinuierliche Übergang aller Farben inein- 
ander ist auch der Grund, weshalb es keine Misch- 
farben im Sinne von Tonklängen gibt, sondern jede 
Farbenmischung wiederum eine reine, d.h. 


Tuse Einstellung der 


bereits im Spektrum enthaltene Farbenempfnif - 
zur Folge hat. Doch erzeugt jede Farbenmisc@ 
als Ausdruck für die gleichzeitige Entsti@ 
aperiodischer und unregelmäßiger Schwing 

eine Weißnuance, welche, je zahlreicher diesa 

werden, immer mehr zunimmt, bis schließlich‘ 
Rhythmen vollkommen verwischt sind. Es istá 
keine distinkte, sondern nur noch eine de 
psycho-optischen A 
möglich; und die Sehempfindung wird weiße 
farblos. Auch eine gewisse mittlere Stärk@ 
Reizes ist zur distinkten Einstellung notweng 
Ist er zu schwach oder zu stark, so ist diese i p 
stellung unmöglich, und es resultiert ebenials@ F 
weiße bzw. farblose Empfindung. di 


Reagieren die psycho-optischen Zellen aui gita 
zelne oder alle Farbentöne nur diffus, so enti L 
partielle oder totale Farbenblindheit,® It 
denn das bei total Farbenblinden vorhandene 2 
trale Skotom auf eine im allgemeinen verring de 
Funktionsfähigkeit der Sehzellen hinweist. 4 


Im Spektrum ist jede einzelne Farbe du B 


‘wie spektrales Weiß, weil sie weniger Stragi 


enthält als dieses. Entsprechend seiner, iní B 
Mitte zwischen den beiden Enden des sichtog st 
Spektrums liegenden Schwingungszahl hat \ g 
die stärkste Leuchtkraft, was aber nur bei DWE $ 
adaption hervortritt; im Hellen erscheint s$ 4 
heller, weil es von dem, aus einer gröberen E 
hell- wie dunkelfarbiger Strahlen zusammeng y 
ten Weiß mehr helle wie dunkle reflektiert Ẹ 


Für gewöhnlich kommen die Sehzellen mit@ 
Aufhören des farbigen oder farblosen Licht 
sofort zur Ruhe; bei länger dauernder EinwiP$ 
besonders starker Lichter aber schwingel $ 
wenn der Reiz aufgehört hat, nach. So ents 
durch Perseveration des Einstellungsmodis $ 
gleichfarbigen Nachbilder; ist le 
aber infolge allzulanger und starker Einw™4 
der ursprünglichen Farbe erschöpft, so fällt & 
Schwingungsrhythmus aus, und das-Nachbild a 
da die übrigen Rhythmen einander verwischel 
komplementäre Farbe. 


et EI I De ie 


mn i = 


1921] - _ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT '95 


Schwingen die Zellen, nach Aufhören des Licht- 
'reizes,in gleicher Intensität fort, so entstehen die 
p ositiven, vermehrt oder verringert sich beim 


Übergang auf eine andere Helligkeit die Stärke der 
Schwingungen, die negativen Nachbilder. 


Wichtige gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen auf dem 


Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. 


XVI. Folge. 


(Fortsetzung.) 


Betriebsrätegesetz. 
$ 66, 1 und 2. 

Im Namen des Volks! 
In der Verwaltungsstreitsache des Gemeinde- 
und Staatsarbeiterverbandes, Verwaltung E., Klä- 
 gers, gegen die Verwaltung der städtischen Kran- 
 kenanstalten zu E., Beklagten, Streitliste II. A. von 
1920 Nr. 418, hat der Bezirksausschuß zu Düssel- 
- dorf, II. Abteilung, in der öffentlichen Sitzung vom 
14. Januar 1921,-an welcher teilgenommen haben 
„ dahin entschieden: Zur Zuständigkeit des 
Betriebsrates der städtischen Krankenanstalten zu 
E. einschließlich ihrer Nebenbetriebe gehören nicht 
die Aufgaben nach $ 66 Ziffer 1 und 2 des Betriebs- 
 rätegesetzes. Die Kosten fallen dem Kläger zur 


Last. Der Wert des Streitgegenstandes: wird auf. 


1000 M festgesetzt. | 
Gründe: Kläger hat der Beklagten: gegenüber 
den Anspruch erhoben, daß zur Zuständigkeit des 
Betriebsrats der städtischen Krankenanstalten zu 
-E. auch die Aufgaben gemäß $ 66 Ziffer 1 und 2 des 
Betriebsrätegesetzes gehören. 

Nach Ablehnung dieses Standpunkts durch die 
Beklagte hat der Kläger die entsprechende Fest- 
- stellungsklage erhoben und seine Klage damit be- 
- gründet, daß auch die städtischen Krankenanstalten 
wirtschaftlichen Zwecken dienten; dies treffe schon 
auf den Hauptzweck der Krankenanstalten zu, da 
sie den Kranken ein den wirtschaftlichen Gütern 
- gleichzustellendes Gut, die Gesundheit vermitteln 
sollten. Vor allem aber seien die Nebenbetriebe 
der städtischen Krankenanstalten, wie eigene 
Landwirtschaft, Mühlen, Schlosserei, Polsterei, 
- Bäckerei, Fleischerei usw. als ausgesprochene Be- 
 triebe mit wirtschaftlichen Zwecken anzusehen. 
Es werde deshalb, falls die Zuständigkeit des Be- 
 triebsrats gemäß $ 66 Ziffer 1 und 2 a. a. O. für 
den Hauptbetrieb der städtischen Krankenanstalten 
- verneint werde, hilfsweise der Antrag gestellt, 
' wenigstens die Zuständigkeit des Betriebsrats für 
. diese gewerblichen Nebenbetriebe festzustellen. 
= Beklagte stellt den Antrag, festzustellen, daß 
3.66 Ziffer 1 und 2 a. a. O. auf die städtischen Kran- 


kenanstalten einschließlich ihrer Nebenbetriebe 
keine . Anwendung finde. Zur Begründung ihres 
Antrags führt die Beklagte aus, daß die städtischen 
Krankenanstalten nicht zu den Betrieben mit wirt- 
schaftlichen Zwecken gehören, sondern lediglich 
gemeinnützigen Aufgaben dienten. Soweit die ge- 
werblichen Nebenbetriebe in Frage kämen, wären 
sie, für sich und selbständig genommen, zwar als 
Betriebe mit wirtschaftlichen Zwecken anzusehen; 
in ihrer Eingliederung in die geschlossene Haus- 
wirtschaft der Krankenanstalten dienten sie jedoch 
nicht dem Selbstzweck, sondern sie wären nur 
vorhanden, um den Krankenbetrieb überhaupt 
möglich zu machen. 

Im übrigen wird auf den Inhalt der Schriftsätže 
Bezug genommen. 

Es war, wie geschehen, zu erkennen. S 66 
Ziffer 1 und 2 lautet: | 

„Der Betriebsrat hat die Aufgabe: 

1. in Betrieben mit wirtschaftlichen Zwecken 
die Betriebsleitung möglichst durch Rat zu unter- 
stützen, um dadurch mit ihr für einen möglichst 
hohen Stand und für möglichste Wirtschaftlichkeit 
der Betriebsleistungen zu sorgen; 

2. in Betrieben mit wirtschaftlichen Zwecken 
an der Einführung neuer Arbeitsmethoden fördernd 
mitzuarbeiten.” 

Es handelt sich daher bei der erhobenen Fest- 
stellungsklage um die Beurteilung der Frage, ob 
ein städtisches Krankenhaus als Betrieb‘ mit wirt- 
schaftlichen Zwecken anzusehen ist oder nicht. 

Zu der Begründung zum Entwurf des Betriebs- 
rätegesetzes § 19ff. ist angeführt, daß diejenigen 
Aufgaben der Betriebsräte, welche die Förderung 
der Betriebsleistungen zum Ziel haben, sich der 
Natur der Sache nach auf die. Betriebe mit wirt- 
schaftlichen Zwecken beschränken müssen.- In 
Übereinstimmung mit dem Reichsarbeitsminister 


(Erlaß vom 25 Nov. 1920, I. A. 3784/20) muß der 


Zweck dieser Einschränkung darin gesehen wer- 
den, einen Einfluß der Betriebsvertretung auf die 
reine Verwaltungstätiskeit eines Ministeriums, 
einer städtischen Verwaltung usw. zu verhindern, 
dagegen nicht die Betriebsräte in öffentlichen Be- 


96 | -~ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


trieben, die in gleicher Art arbeiten, wie auch ein 
privater Betrieb arbeitet oder arbeiten könnte, 
lediglich der verschiedenen Rechtsform wegen in 
ihren Befugnissen zu schmälern. 

Der Bezirksausschuß glaubte, ebenfalls in Über- 
einstimmung mit dem Reichsarbeitsminister, bei 
einem städtischen Krankenhaus- die Eigenschaft 
eines Betriebes. mit wirtschaftlichen Zwecken ver- 
neinen zu müssen. 

Wenn zunächst die Gesundheit zweifellos nicht 
als ein wirtschaftliches oder den wirtschaftlichen 
Gütern gleichzustellendes Gut anzusehen ist, so ist 
auch das Unternehmen einer städtischen Kranken- 
anstalt nach seiner ganzen Art als ein solches der 
Wohlfahrtspflege zu betrachten. Soweit mit dem 
Krankenhaus gewerbliche Nebenbetriebe verbun- 
den sind, besteht deren Aufgabe in erster Linie 
nicht in der Erreichung möglichster Wirtschaft- 
lichkeit. Bei sparsamen Haushalten ist ihr Haupt- 
ziel vielmehr, sich dem Gesamtbetrieb und dessen 
in der Wiederbeschaffung-des idealen Guts der Ge- 
sundheit bestehenden Aufgaben einzufügen und 
unterzuordnen. EN 

Dies ergibt sich nicht nur aus der ganzen Art 
eines Krankenhausbetriebs, sondern auch aus dem 
= Wortlaut des $ 9 a. a. O., wonach Nebenbetriebe 
nicht als besondere Betriebe. gelten, sofern sie 
sich innerhalb der gleichen Gemeinde oder wirt- 
schaftlich zusammenhängender, nahe beieinander- 
liegender Gemeinden befinden. 

Die Zuständigkeit des Betriebsrats der städti- 
schen Krankenanstalten gemäß $ 66 Ziffer 1 und 2 
a. a. O. war daher für den Gesamtbetrieb ein- 
schließlich der gewerblichen Nebenbetriebe zu ver- 
neinen. 

Die Entscheidung über den Kostenpunkt folgt 
aus den Vorschriften in den §§ 102 ff. des Gesetzes 
über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. 
Juli 1883 (GS. S 19). 


Der Bezirksausschuß zu Düsseldorf, Il. Abtlg. 


Reichs-Militärversorgungsgericht. 


Begriff der Dienstbeschädigung. Ein 
bei klarem Verstande und auf Grund freier Willens- 
entschließung verübter Selbstmord wird, auch 
wenn dienstliche Verhältnisse dabei nicht ohne 
Einfluß gewesen sein sollten, kaum ie als Dienst- 
beschädigung angesehen werden können, weil der 
ursächliche Zusammenhang mit den dienstlichen 
Verhältnissen durch die vorsätzliche Ausführung 
des Selbstmords gelöst ist. Der Annahme einer 
Dienstbeschädigung würde in derartigen Fällen 
außerdem die ausdrückliche Vorschrift des $ 3 


Ist der Selbstmord jedoch in dem Zustande N 


(Nr. 15 


Abs. 2 Mannschaftsversorgungsgesetzes, daß ei ] 
vorsätzlich  herbeigeführte Gesundheitsstörwg 
nicht als Dienstbeschädigung gilt, entgegenstehab 


Zt ie m: 


Unzurechnungsfähigkeit (Geisteskrankheit, GE 
stesgestörtheit) begangen, so liegt Dienstbeschii 
gung vor, wenn die sich in Unzurechnungsfähigk®® 
äußernde Gesundheitsstörung auf eine der dd 
im § 3 Abs. 1 erwähnten Tatbestände zurückz 
führen ist. Dann bildet der krankhafte Gemütsm 
stand die als Dienstbeschädigung aufzufassen 
Gesundheitsstörung, als deren Folge die Seb 
verletzung und der Tod erscheinen. Der Senf 
hat aber eine zur Versorgung berechtigen 
Dienstbeschädigung auch für den Fall angenor 
men, daß die Tat zwar nicht im Zustande der Ú$ 
zurechungsfähigkeit begangen worden ist, sii 
aber infolge der dem Militärdienst eigentümlich 
Verhältnisse bei einer Person des Soldatenstand 
ein derartiger krankhafter Gemütszustand e 
wickelt hat, daß hierdurch die natürlichen Heng 
mungsvorstellungen gegen die Selbsttötung 
rückgedrängt wurden. Auch in diesem Falle i 
der durch krankhafte Vorstellungen beeinflilk 
Gemütszustand die als Dienstbeschädigung au 
sehende Gesundheitsstörung und der Tod img 
zwangsmäßige Folge. (I. Senat, 13. April 1920, 0 
14/19.) Jurist. Wochenschr. 1920 S. WE 


B. Verfügungen. 


Erlaß des sächsischen Ministeriums des Inner 
vom 10. November 1919. 


Im Anschluß an die Verordung vom 17. Wi 
1919 — 1040 IV. M — wird bestimmt, daß die Veg 
ordnungen, die sich auf die öffentlichen Vorstelli | 
gen beziehen, in denen mit Hypnose, Suggestlf 
Magnetismus und ähnlichen Methoden auf Mel 
schen eingewirkt wird, auf die Vorführungen anf 
wenden sind, die von den Artisten Lo Kit 
Cumberland, Otto Otto, Larsen, Paulsen Kara M 
Bellini, Leo Erichsen, Labero, Müller-Rushay sei 
Bellachini, Krause, Mielke, Conradi Leitner, Fein! 
Cagliostro u. a. veranstaltet werden. Dabel !f 
gleichgültig, ob die Veranstalter behaupten, iu 
sich ihre Versuchspersonen im Wachzustande bef 
finden, oder ob es sich um mitgeführte bezahlt 
Personen handelte. 

In verschiedenen Städten wurden geistige b 
krankungen der Versuchspersonen als Folt 
erscheinungen der vorgenommenen Experimel‘] 
festgestellt und haben zu Anklageerhebungen & 
Angehörigen durch die Staatsanwaltschaft gefüh 


1921] 


Nachdem die Ausführung aller derartigen Vorfüh- 
rungen verboten ist, hat natürlich. auch jede An- 
kündigung zu .unterbleiben; denn es liegt im öffent- 
lichen Interesse, daß das Publikum nicht durch 
Täuschung zu Vorführungen gelockt wird, deren 
-Ausfall von dem Veranstalter mit dem polizeilichen 
‚Verbot begründet werden könnte. 

Die Veranstalter sind auch vielfach Konzert- 
direktionen, welche ihrerseits Musikalienhandlun- 
gen mit dem Kartenverkauf beauftragen. Es dürfte 
sich empfehlen, diese Vermittler derartiger. Veran- 
_staltungen von dem Verbot in Kenntnis zu setzen 


und ihnen jede Ankündigung solcher Veranstaltun- 


gen zu: untersagen. Es sei noch darauf hingewie- 
sen, daß Personen, welche bei derartigen Vorfüh- 
rungen Gesundheitsschädigungen erleiden, Ent- 
_ schädigungsansprüche sowohl gegen idie Veran- 
-stalter als auch die Behörden. stellen können, wel- 
che derartige Vorführungen zulassen. 

° Dieselben sind auch vielfach unter anderen 
Titeln (als Zaubervorstellungen, Fakirkünste, spi- 
ritistiische oder santispiritistische, telepathische 
Phänomene) angekündigt worden; das ist ebenso 
unzulässig wie andere auf Täuschung des Publi- 
kums berechnete unwahre Ankündigungen. 


‘ Runderlaß des preuß. Ministers des Innern und 
| für Volkswohliahrt vom 6. Oktober 1919. 


3 M. d. I. Ilc, 4440, M. f. V. M. 6852. 


Zeitungsanzeigen zufolge finden in neuerer 
pe wieder hypnotische und dergleichen öffent- 
di iche Schaustellungen statt, die wegen der Schädi- 
l gungsgefahr für die dabei als Medien benutzten Zu- 
Í schauer nach den bestehenden en nicht 
- zugelassen werden sollen. 

i Wir bringen deshalb den Runderlaß vom 2. Juli 
1917 — M. d. g. A. 6869, M. d. I. II b 2567 — in Er- 
 innerung und ersuchen, die Polizeibehörden er- 
heut anzuweisen, daß sie die Veranstaltung öffent- 
licher Vorstellungen von Einwirkungen auf den 
- Menschen mittels Hypnose, Suggestion, Magnetis- 
‚ mus und ähnlicher Methoden nicht gestatten dürfen. 
- An sämtliche Herren Regierungspräsidenten. 


| Erlaß des Württembereischen Ministeriums des 
Inneren vom 10. Mai 1919. 


- Auf Grund von Art. 32 Ziff. 5 des Polizeistraf- 
 gesetzes vom 27; Dezember 1871 wird den Per- 
‚sonen, die sich gewerbsmäßig mit der Behandlung 
‚ von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden an 
- Menschen befassen, ohne die entsprechende staat- 


angeblich unschädlichen Ersatzmittel 


Er EIROLUNISERE WOCHENSCHRIFT 97 


liche Anerkennung (Approbation) zu besitzen, ver- 
boten: 

1. eine Behandlung, die nicht auf rund: eigener 
Wahrnehmungen an den zu Behandelnden er- 
folgt (Fernbehandlung); 

2. die Behandlung mittels mystischer. Verfah- 
ren; | 


6. die Behandlung mittels Hypnose. 


Erlab des hessischen Ministerium des Inneren 
(Abteilung für öffentliche Gesundheitspflege) 
vom 5. September 1918, betr. Bekämpfung des Miß- 
brauchs von Opium, Morphium und Kokain. 


- Es ist einwandfrei festgestellt worden, daß der 
Verbrauch von Opium, Morphium und Kokain im 
Inland im Verlauf des Krieges andauernd gestiegen 
ist und eine besorgniserrerende Höhe erreicht hat. 
Das Reichsamt des Innern hat deshalb ersucht, die 
Ärzte für die möglichste Einschränkung des Ver- 
brauchs dieser Mittel zu gewinnen. Opium, Mor- 
phium und Kokain und deren Ersatzpräparate und 
Abkömmlinge sollten nur in den unbedingt erfor- 
derlichen Fällen und nur in der durch die Erkran- 
kung gebotenen Menge und nur für den unumgäng- 
lich notwendigen Zeitraum verordnet werden. Um 
der Entstehung der Morphiumsucht vorzubeugen, 
darf ‚dem Krankenpflegepersonal: Morphiumlösung 
und Morphiumspritze nur für die Ausführung der 
für den Einzelfall gegebenen ärztlichen Verordnung 
überlassen werden; dem Kranken. selbst dari 
Spritze oder Morphiumlösung nur ganz ausnahms- 
weise und nach strengster Prüfung. der Verhält- 
nisse zum eigenen Gebrauche in die Hand gegeben 
werden.. Besonders ist vor der Anwendung der 
des Mor- 
phiums und des Kokains zu warnen, auch wenn sie 
als Mittel zur Bekämpfung des Morphinismus oder 
Kokainismus angepriesen werden. So enthält bei- 
spielsweise das von der Firma Th. Teichgräber 
in Berlin hergestellte und angepriesene. „Irivalin”, 
Morphium, Kokain und Koffein; bis jetzt sind elf 
Fälle bekannt geworden, in denen Trivalin zur 
chronischen Morphium- und Kokainvergiftung ge- 
führt hat. Das „Eumekon” des chemischen Werks 
Concordia in Beuel a. Rh. enthält 15 v. H. salz- 
saures Morphin. Den Kreisgesundheitsämtern emp- 
fehlen wir, die Ärzte in jeder geeigneten Weise 
von Vorstehendem zu verständigen und sie um 
ihre Unterstützung in. der Bekämpfung des Miß- 
brauchs von Opium, Morphium und Kokain zu bit- 
ten, insbesondere auch um Mitteilung von verbots- 
widriger Abgabe dieser Mittel oder sie enthalten- 


98 |  PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT [Nr. 15/1 l 


der Zubereitungen durch Apotheker oder Drogi- 
sten. Sie selbst wollen den Verkehr mit diesen 
Mitteln innerhalb und außerhalb der Apotheken 
scharf überwachen. 

Die Apotheker weisen wir wiederholt auf die 
strengste Beachtung der Bestimmungen über die 
Abgabe stark wirkender Arzneimittel vom 5. Juni 
1896 hin. Wir machen ihnen zur Pflicht, sich auch 
bei den Ersatzmitteln für Morphium und Kokain 
und bei den Mitteln, die gegen Morphinismus und 
Kokainismus als Heilmittel angepriesen werden, zu 
vergewissern, ob sie Morphium, Kokain oder son- 
stige stark wirkende Stoffe enthalten. Im gegebe- 
nen Falle dürfen sie nur auf jedesmal erneuerte, 
mit Datum und Unterschrift versehene Verordnung 
eines im Inland approbierten Arztes abgegeben 
werden. 


Runderlaß des Preußischen Ministeriums des 
Innern vom 18. November 1918 


macht auf die Gefahr der Verwendung der inlän- 
dischen Mohnpflanze als Tabakersatz aufmerksam, 
auch, der Blätter und Stengel. Es gehen kleine 
Morphinmengen in den Rauch über wie beim 
Opiumrauchen. 


Verordnung des Reichsministeriums des Innern 
vom 20. Juli 1920, betr. Verkehr mit Opium 
und anderen Betäubungsmitteln. 

$ 1. Der Handel mit Opium, Morphin und an- 
deren Opiumalkaloiden, Kokain und analog zusam- 
mengesetzten Ecgoninverbindungen, sowie mit den 
Verbindungen und Zubereitungen, die solche Stoffe 
enthalten oder daraus hergestellt sind (z. B. Tink- 
turen, Extrakte, Gemische, Pulver, Tabletten und 
Lösungen: Dionin, Äthylmorphin, Apomorphin, 
Pantopon, Laudanon usw. Trivalin, Eumecon 
usw.), sowie der Erwerb und die Veräußerung der 
bezeichneten Gegenstände ist nur denjenigen Per- 
sonen gestattet, denen eine Erlaubnis von der Lan- 
deszentralbehörde oder von der durch diese be- 
stimmten Behörde erteilt wird; die bisher erteilten 
Genehmigungen behalten ihre Gültigkeit. Die Er- 
laubnis kann versagt werden, wenn Bedenken 
wirtschaftlicher Art oder persönliche oder sonstige 
Gründe entgegenstehen. 

Die Erlaubnis kann von der für ihre Erteilung 
zuständigen Stelle zurückgenommen werden, wenn 
sich nachträglich Umstände ergeben, welche die 
Versagung der Erlaubnis gemäß Abs. 1 Satz 2 
rechtfertigen würden. 

S 2. Wer eine Erlaubnis gemäß $ 1 erhalten 
hat, darf die dort bezeichneten Gegenstände nur 


Maßgabe des $ 4 veräußern. 


an solche Personen, denen der Erwerb besoni 
gestattet ist, sowie an Großhändler, Großherstelk 
Apotheken und wissenschaftliche Institute mg 


In den. Apotheken dürfen diese Gegensti 
ohne die im $ 1 Abs. 1 bezeichnete Erlaubnis; 
doch nur als Heilmittel veräußert und ETWORE 
werden. 3 

§ 3. Wer die im § 1 Abs. 1 bezeichneten 0 
genstände auf Grund einer ihm erteilten Erlaubi 
im Besitze hat, ist verpflichtet, ein Lagerbuch 4 
führen, in dem der Bestand sowie der Eingang ug 
Ausgang für jeden Stoff einzeln und nach Tag ui 
Menge gesondert zu vermerken sind. Aus den DiE 
tragungen über Eingang oder Ausgang mix 
auch die Namen, Stand und Wohnort der Liefer 
oder Empfänger ersichtlich sein. | 

§ 4. Die Abgabe der im $ 1 Abs. 1 bezei. 
neten Gegenstände an Personen, denen der Erwi@ 
besonders gestattet ist, sowie an Großhänd 
Großhersteller, Apotheken oder wissenschaftlit 
Institute ist nur zulässig auf Grund eines über Af 
und Menge lautenden Bezugsscheins, der von & 
Opiumverteilungsstelle bei der Reichsarbeitsg® 
meinschaft Chemie, Berlin W 10, Lützowuler# 
auf Antrag ausgestellt wird. In dem Antrag i 
auch der vorhandene Bestand und der Liefer i 
von dem die Gegenstände bezogen werden solk 
anzugeben. 

Narcein, Narcotin, Thebain und Papaverin, & 
daraus hergestellten Zubereitungen, die Abkö | 
linge und deren Zubereitungen (z. B. Cotan 
Stypticin, Styptol, Eukodal und andere) sowie Pag 
topon-Skopolamin, Morphin-Scopolamin und LẸ 
danon-Scopolamin dürfen bezugscheinfrei abg@f 
ben werden. f 

$ 5. Das Reichsgesundheitsamt führt die M 
sicht über die Opiumverteilungsstelle auf Or 
besonderer, mit der Reichsarbeitsgemeinstlf 
Chemie vereinbarter Richtlinien. | 

Das Reichsgesundheitsamt ist berechtigt, \E 
einzelnen Personen, welche die im $ 1 AbẸ 
erwähnten Gegenstände herstellen, in Gewalr® | 
haben oder aus dem Auslande einführen, jeden 
über-deren Art, Menge und AufbewahrungsortSf 
wie über den Umfang des Handels Auskunft 
verlangen. Auch ist ihm über die erteilten 
fuhrbewilligungen Mitteilung zu machen und #9 
Anfordern Einsicht in die geschäftlichen Autze 
nungen und Bücher zu gewähren. | 

$ 6. Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten I} 
mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark ode! "i 
einer dieser Strafen wird bestraft, wer den } 
stimmtüngen des $ 1 Abs. 1, § 2,8 3, $ 4 Abs E 


mm O ÅD ei m ww Wu 


a 


we Be aa o VEN P p EEE 


1921) _______PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIET 99 


§ 5 Abs. 2 
den, der zwecks Erlangung des im $ 4 bezeichneten 
Bezugsscheins tatsächlich unrichtige Angaben 
‚gemacht hat. 

Neben der Strafe kann auf Einziehung der Ge- 
‚genstände erkannt werden, auf die sich die straf- 
bare Handlung bezieht, ohne Unterschied, ob sie 
‚dem Täter gehören oder nicht. 
| 8 7. Diese Verordnung tritt mit dem Tage 
ihrer Verkündigung in Kraft. 

Gleichzeitig treten alle entgegengesetzten Be- 


L 
i 
mungen außer Kraft. 


je undyerlüzung des Staatskommissars für Volks- 

‚ernährung vom 10. März 1920 — I Lpa 88 Allg. 20 —- 

ran die Wucherstellen bei den preußischen Polizei- 

Prerwaltungen, betr. Maßnahmen gegen die Kokain- 
seuche. 


In den Großstädten greift die Kokainseuche 
‚immer weiter um sich. Dieser volksgefährlichen 
Erscheinung muß mit allem Nachdruck entgegen- 
getreten werden. Denn häufiger Genuß dieses 
‚Mittels führt einen äußerst schnellen körperlichen 
| und geistigen Verfall herbei und kann zum Tode 
‚führen. Insbesondere die Jugend unterliegt die- 
‘sem Laster sehr leicht. 

Große Mengen dieses Mittels kommen vom 
Westen her auf unerlaubte Weise in idas Inland. 
"Kokain darf im Kleinhandel nur in den Apotheken 
abgegeben werden (Verordnung betr. den Verkehr 
mit Arzneimitteln -vom 22. Oktober 1901, Reichs- 
gesetzblatt S. 380). Gleichwohl wird es in Ver- 
| gnügungsstätten der Lebewelt von den Angestell- 
ten (Kellnern, Hausmeistern usw.) vertrieben. 
Auch sollen Drogengeschäfte dieses Mittel ver- 


äußern. Es wirkt berauschend ynd aufreibend. Die 


Abgabe von Kokain ist nach $ 367 Nr. 3 des Straf- 
 gesetzbuches strafbar. 


den, daß die Drogerien und die Schankwirtschaften 
| in den Großstädten streng überwacht werden. Bei 


- dem Umfang des Handels wird es in der Regel dem 


- Schankwirt nicht verborgen bleiben können, wenn 
seine Angestellten dieses Mittel umsetzen. Jeden- 
falls wird ein Schankwirt, der nicht willens oder in 
der Lage ist, die Abgabe von Kokain durch seine 
Angestellten zu unterbinden, als unzuverlässig an- 
fies sein. Gegen ihn wird daher auf Grund 


E 


des-§ 1 der Bekanntmachung zur Fernhaltung un- 
zuverlässiger Personen vom Handel vom 23. Sep- 
tember 1915 (RGBI. S. 603) die Handelsuntersagung 
auszusprechen sein. 


dapetang- cts aae ar a 


zuwiderhandelt. Die gleiche Strafe trifft 


Dieser Seuche kann nur dadurch gesteuert wer- 


Runderlaß des preußischen Ministers für Volks- 

wohlfahrt vom 27. Januar 1920 — I.M.II 226 — 

betr. amtsärztliche Besichtigung der preußischen 
Provinzialkrankenanstalten. 


Durch den Erlaß vom 12. Mai 1987 (GS. S. 227) 
sowie durch den Erlaß des Ministers der geistli- 
chen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten 
— M 6900 II. U. HI. A — und des Ministers des 
Innern — I. B. 11621 — vom 15. November. 1897 
war den Provinzialkrankenanstalten insofern eine 
Vorzugsstellung eingeräumt worden, als diese An- 
stalten lediglich nach dem Ermessen der Herren 
Oberpräsidenten durch die Regierungs- und Me- 
dizinalräte gesundheitspolizeilich beaufsichtigt wer- 
den sollten. Dies hat in der Praxis dazu geführt, 
daß seit jenem Erlaß die Provinzialkrankenanstal- 
ten nur in besonderen Ausnahmefällen oder über- 
haupt nicht von den zuständigen Medizinalbeamten 
besichtigt worden sind. Dieser Zustand kann bei 
aller Anerkennung der fast durchweg guten Be- 
schaffenheit und Leitung der Provinzialkrankenan- 
stalten aus grundsätzlichen Bedenken nicht mehr 
aufrechterhalten werden. Denn abgesehen davon, 
daß sehr leicht in der Öffentlichkeit unliebsame 
Einwendungen gegen eine derartige Ausnahmestel- 
lung der Provinzialkrankenanstalten. entstehen 
können und gelegentlich auch bereits erhoben wor- 
den. sind, ist namentlich darauf hinzuweisen, dab 
auch alle kommunalen Krankenhäuser, unter denen 
sich bekanntlich eine erhebliche Zahl sehr um- 
fangreicher, mit den modernsten Einrichtungen 


ausgestatteter und von hervorragenden Fachärz- 


ten geleiteter Krankenanstalten befindet, der regel- 
mäßigen Beaufsichtigung durch die Kreisärzte un- 
terworfen sind. Auch will ich. nicht unerwähnt 
lassen, daß nach einer zwischen dem Herrn Mi- 
nister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung 
und mir getroffenen Vereinbarung künftig auch die 


Universitätskliniken in gewissen Abständen von 


dem Referenten der Unterrichtsverwaltung und 
dem Fachreferenten der mir unterstehenden Medi- 
zinalabteilung besichtigt werden sollen. 


Ich ersuche daher die*Herren Oberpräsidenten, 
dafür Sorge zu tragen, daß nunmehr sämtliche der 
Provinzialverwaltung unterstehenden Krankenan- 
stalten (Provinzialirrenanstalten, Provinzialhebam- 
menlehranstalten usw.) von den zuständigen Re- 
sierungs- und Medizinalräten mindestens einmal 


iährlich sowie aus besonders dringenden Anlässen 


unvermutet und nach denselben Grundsätzen be- 


- sichtigt werden, wie sie im $.100 der Dienstanwei- 


sung der Kreisärzte hinsichtlich der Besichtigung 
der übrigen Krankenanstalten vorgesehen sind. 


100° | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE ee si 


Die Kosten dieser Besichtigung sind auf die Staats- 
kasse zu übernehmen. 

Zu den Besichtigungen der Provinzialirrenan- 
stalten ist tunlichst in allen Fällen neben dem Re- 
gierungs- und Medizinalrat ein angesehener Irren- 
arzt als besonderer Sachverständiger hinzuzu- 
ziehen. Die Auswahl dieser psychiatrischen Sach- 
verständigen, die am besten im Einvernehmen mit 
dem zuständigen Regierungspräsidenten und nach 
Anhörung der Ärztekammer geschieht, will ich bis 
auf weiteres dem Herrn OÖberpräsidenten über- 
lassen; doch bemerke ich, daß die Heranziehung 
von Irrenärzten, die im Dienste der betreffenden 
Provinzialverwaltung stehen, zu diesen Besichti- 
gungen aus naheliegenden Gründen nicht wün- 
schenswert ist, daß aber gegen die etwaige Be- 
teiligung ärztlicher Leiter von Irrenanstalten einer 
benachbarten Provinzialverwaltung nichts einzu- 
wenden sein würde. 

Mit Rücksicht darauf, daß nicht selten in mir 
zugehenden Eingaben sowie gelegentlich in der 
Öffentlichkeit lebhafte, in den meisten Fällen offen- 
bar unberechtigte Vorwürfe gegen die Verwaltung 
einzelner öffentlicher Irrenanstalten sowie gegen 
‚die ärztliche Behandlung der Geisteskranken in 
solchen Anstalten erhoben werden, sollen sich die 
Sachverständigen bei den Besichtigungen unter 
entsprechender Anpassung an die besonderen Ver- 
hältnisse der öffentlichen Irrenanstalten im allge- 


. meinen an die Grundsätze anlehnen, die in. dem 


Mittei 

— Reichsverband. Nach einer Mitteilung des Herrn 
Geheimrat Tuczek ist das Zustandekommen des Kurses 
in Marburg an die Beteiligung von mindestens 20 Teil- 


nehmern geknüpft. Da sich bisher erst 8 Herren ge- 
meldet haben, bitten wir um baldigste weitere Mel- 


dungen sowohl an Herrn Geheimrat Tuczek wie an uns. : 


Im Auftrage: Dr. Hussels. 

Der Schriftführer im Vorstande, Herr Dr. Hussels, 
ist vom 1. Juli ab auf ein halbes Jahr infolge dienst- 
lichen Auftrages von hier abwesend. Auf Ersuchen des 
Vorstandes hat sich Herr Dr. Rein, Landsberg, bereit 
erklärt, ihn in dieser Zeit zu vertreten. | 

Es wird wiederholt gebeten, Anfragen usw. ohne 
persönliche Anschrift an den Vorsitzenden des Reichs- 
verbandes zu Landsberg-Warthe (Landesirrenanstalt) 
zu richten. Baumann. 

— Verein bayer. Psychiater. Die heurige Jahres- 
versammlung findet am 30. und 31. Juli in München, 
Psychiatrische Klinik, statt. Gäste willkommen. 

—  Standesverein bayer. Anstaltsärzte. Zweite 
Hauptversammlung am 1. August 1921 in München, 
Psychiatrische Klinik. Gäste willkommen. 


lungen. 


"y 


[Nr. 151 t 


Ministerialerlaß vom 26. März 1901, betr. Un 
bringung von Geisteskranken in Privatanstale- 
und zwar in den besonderen Vorschriften übers : 
Vorschriften über die Ausführung der Besichtigs 
gen der dort genannten Anstalten (Min.-Bl. t Mẹ 
Ang. 1901 S. 104 bis 109) enthalten sind. 

Zum 1. März jeden Jahres ist mir eine Üb 
sicht über sämtliche im abgelaufenen Jahre & 
folgten Besichtigungen der Provinzialkranken 
stalten vorzulegen, aus denen die Namen der4 
stalten, Zeitpunkt jeder Besichtigung, Namen & 
beteiligten Medizinalbeamten und sonstigen SE 
verständigen sowie die Ergebnisse der einzel 
Besichtigungen zu entnehmen sind. Soweit! 
einem Fall besonders schwere Mängel in ei 
Provinzialkrankenanstalt festgestellt werden sl 
ten, ist mir hierüber umgehend zu berichten $! 

Hinsichtlich der bei dem Auftreten übertraf 
barer Krankheiten in Provinzialanstalten vom 
nehmenden besonderen amtsärztlichen Ermittelsf® 
gen verweise ich auf den Runderlaß der Minis 
des Innern — Ila 5968 — und der geistlichif 
Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten — E 
12897 — vom 19. Juli 1906 (Min.-Bl. f. Med-Auf, 
52319). 

Wegen des künftigen Verfahrens der.amtsänf, 
lichen Besichtigungen der Johanniterkrankenhäsg, 
ergeht demnächst besonderer Erlaß. 


fı 
(Schluß folgt) fu 


) 
, 


— Die diesjährige Versammlung der norddeutsci® j 
Psychiater und Neurologen findet am 5. und 6. ME 
vember in Bremen und Ellen statt. Anmeldungen WẸ 
Vorträgen bis zum 1. Oktobet an die Direktion des 
Jürgen-Asyls Ellen; Post Hemelingen. 

— Besprechung der Interessenten der Hilisvereif | 
für entlassene Geisteskranke. Unter dem Vorsitz WẸ 
Geheimrat Ackermann, Großschweidnitz, nahmen darig 
14 Herren aus verschiedenen Gebieten Deutschatg 
teil. Nach einem Bericht von Fischer, Wiesloch, U 
den Stand der Hilfsvereinstätigkeit in den verschie 
nen Provinzen und Bundesstaaten, der sich auf &RE 
Rundifrage von 1914 stützte, wurde der Zusammekf 
schluß der deutschen Hilfsvereine zum Zwecke df 
Austausches der Erfahrungen vereinbart. Im Anschli 
an die Jahresversammlung des „Deutschen Vereins i 
Psychiatrie” soll künftig regelmäßig eine Ausspračii 
der Interessenten stattfinden. Aus den Berichten vo 
Peretti, Grafenberg, und Schneider, Goddelau, ergäf 
sich, daß die erneute Werbetätigkeit für die gene 
nützige Sache trotz der Ungunst der Zeit aussichtsv® 
ist. Weiterhin wurde die Frage der Einrichtung vo 


1921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 101 


Fürsorgestellen für Geisteskranke eingehend erörtert. 
Nach den Mitteilungen, namentlich von Hermkes, Eickel- 
born, kam man überein, daß die Einrichtung der Für- 
sorgestellen Sache der Wohlfahrtsämter zu werden 
habe, und die Unterstützung der Hilfsvereine ausschließ- 
lich der unmittelbaren Fürsorge für die Entlassenen 
vorzubehalten sei. Auch wurde. es als wünschenswert 
bezeichnet, daß die fachärztliche Leitung der Fürsorge- 
stellen tunlichst in die Hand der Anstaltsärzte zu legen 
sei, während die Fürsorgeschwestern, die für die übrige 
Sozial- hygienische Fürsorge hauptamtlich angestellt 
Sind; zweckmäßigerweise auch mit der Fürsorge für die 
Geisteskranken ihres Bezirks, natürlich nach entspre- 
chender fachlicher Vorbildung, betraut würden. Über 
die weitere Entwicklung dieser noch in Fluß befind- 
lichen Verhältnisse und überhaupt über alle Angelegen- 
heiten der Irrenhilfsvereine soll künftig in einer geeig- 
neten Fachzeitung, voraussichtlich der „Psychiatrisch- 
neurologischen Wochenschrift” oder in der „Irrenpflege'’ 
periodisch berichtet werden. Die Hilfvereinsvorsitzen- 
den werden gebeten, ihre Anschriften -an den Unter- 
Zeichneten möglichst bald gelangen zu lassen. 
Römer, Konstanz. 


z 


OT EEA EN E AEN 


Referate. 


.— Über Erfahrungen mit Nirvanol. Von Berlit. 
Zeitschr. ij. Neur. u. Psych. Bd. 61. 

B. erprobte Nirvanol aus der chemischen Fabrik 
Heyden in Radebeul an 38 weiblichen Kranken der 
Landesanstalt Sonnenstein: im allgemeinen mit sehr be- 
iriedigender Wirkung, irgendwelche wesentliche Nach- 
teile sah er nie. Ein Fall von Epilepsie reagierte sehr 
gut auf das Medikament, deshalb rät Verf. zu weiterer 
Prüfung bei diesen Kranken. Zum Schluß empfiehlt B., 
Nirvanol unter Rezepturzwang zu stellen und die Maxi- 
maldosis auf 0,5 pro dosi und 1,5 pro die festzusetzen. 
3 Kürbitz, Sonnenstein. 


Würzburg. Zeitschr. f.-Psych. Bd. 75. 


= Aus der berufenen Feder Reichardts stammt diese 
‚erschöpfende und klare Zusammenfassung über die 
Hirnschwellung, Verf. legt überzeugend dar, wie zur 
| ichtigen Beurteilung des Hirngewichts auch der: Um- 
i ang des Schädelinnern gehört; er erwähnt den Gegen- 
‚S satz zum Hirnödem, die Befunde’ des spezifischen Ge- 
f vichtes, die Liquorvermehrung oder auch -armut; die 
ist für keine besondere: Krankheit cha- 
fakteristisch, vom Hirndruck grundsätzlich zu trennen; 

‚der echte Chok kann ev. mit Hirnschwellungsvorgängen 
n Beziehung stehen; die Größe des Schädelinnenraumes 


Fonders bei der Mikrozephalie zu beachten. Bei Kin- 
ern ist das Hirn dauernd im Zustand relativer 


je }hologischen Verhältnissen. Die Methodik der physi- 
| talischen Hirnuntersuchung wird besprochen, die Rie- 
® zerschen Tabellen gewürdigt u. dgl. mehr. Die Arbeit 


— Hirnschwellung. Von Prof. M. Reichardt, 


muß man vergleichen mit der Körpergröße, dies ist be-- 


ESchweilung”, bei Erwachsenen - dagegen nur unter 


Abt. den: hohen Wert der Erforschung der Hirnmaterie 


erkennen und zeigt die bisherigen Ergebnisse, die durch 
Reichardts Fleiß wesentlich mit bedingt sind. 
Kürbitz, Sonnenstein, 


. Buchbesprechungen. 


— Siemens, Dr. med. Hermann Werner, Bres- 


lau: Einführung in die allgemeine Konstitutions- und Ver- 


erbungspathologie. Ein Lehrbuch für Studierende und 

Ärzte mit 80 Abbildungen und Stammbäumen im Text. 

229 Seiten. Berlin 1921, Jul. Springer. Preis 64 M. 
Die streng-wissenschaftliche Vererbungslehre hat in 


den letzten Jahrzehnten riesenhafte Fortschritte ge- 
macht; sie ist zur Hilfswissenschaft vieler Fächer der 


Heilkunde geworden; namentlich Psychiatrie und Neuro- 
logie können ihrer nicht wohl entraten. Dem lernenden 
oder forschenden Arzt, der es unternimmt, sich: mit die- 
sem schwierigen Gebiet vertraut zu machen, stehen 
umfangreiche Einführungen reichlich zu Gebote, an deren 
Hand er die umgeheuere Fülle der Tatsachen abschätzen 
und. sich (durch die unabsehbare Reihe der Pflanzen- und 
Tierversuche hindurcharbeiten kann. Ein handliches 
Buch aber, das als allgemeine Einführung besonders: für 
den Mediziner dienen konnte, fehlte bislang. Das Sie- 
menssche Buch füllt diese Lücke aus. Es führt den Me- 
diziner, unter Vermeidung aller verwirrenden Einzel- 
heiten, umfassend in die allgemeine Vererbungs- 
lehre ein, es macht: ihn mit allen notwendigen Begriffs- 
bestimmungen bekannt, es ‚zeigt ihm) alle wichtigen Ge- 
setze, Fragestellungen und Ausblicke, sodann unterrichtet 
es ihn erschöpfend über die für ihn besondiens wichtigen 
Fragen der Konstitutionsanomalien, der Krankheitsbereit- 
schaft, der Entartung, der Mißbildungen und der Verer- 
bungspathologie, d. h. der Lehre von den’ Ursachen, den 
Erscheinungen und (der Beseitigung (Verhütung) erb- 
licher Krankheiten, 

Das Siemenssche Buch ist in Wirklichkeit die erste 
bisher erschienene Vererbungspathologie des Menschen. 


Es zerfällt in einen theoretischen und einen praktischen ` 


Teil. Der theoretische Teil behandelt; die Grundb egrifie 
und die Grundlagen (theoretische, zytologische, experi- 
mientelle) der Vererbungslehre. Im praktischen Teil sind 


der Diagnostik, der Ätiologie und der Therapie erblicher 


Krankheiten besondere größere Abschnitte ‚gewidmet. 
Der „Anhang” enthält einen Überblick über die spe- 
zielle Vererbungspathologie (in-Nr.- 4 werden 38 ver- 
schiedene Formen von Nerven- und Geisteskrankheilten 


vererbungspathologisch kurz gekennzeichnet), ferner: 


einen Überblick über die. vererbungsbiologische Termi- 
nologie, schließlich einen’ solchen über ‚die vererbungs- 
pathologische Literatur. Den Schluß bildet ein Namen- 
register und ein sehr ausführliches Sachregister. | 
‚Die Einteilung des Ganzen und die Darstellung im 
Einzelnen sind sehr originell. 
durch Bildung kleiner Abschnitte mit vorangesetzten 
kennzeichnenden Stichworten ungemein erleichtert. Die 
Darstellung ist von einer bei diesen teilweise recht ver- 


wickelten Dingen bisher unerreichtien Klarheit. Kurz: ein 
höchst willkommenes Buch; der Arzt (und namentlich 


auch der Psychiater und: der Nervenarzt) muß es mit 


Die Orientierung wird 


o E SF GE EEE TEN u ER EEE EEE pa 


102 


Freuden begrüßen, endlich eine knappe und klar ge- 
schriebene Einführung in die Vererbungspathologie aus 
der Feder eines durch seine zahlreichen vererbungs- 
theoretischen Arbeiten schon bekannten und auf diesem 
Gebiet anerkannten Verfassers zu besitzen. 
Bufe, Uchtspringe. 

— Bing, Robert, Prof. an der Universität Basel: 
Lehrbuch der Nervenkrankheiten für Studierende urıd 
praktische Ärzte, in 30 Vorlesungen. 
vollständig neubearbeitete Auflage. 672 S. Mit 162, 
zum Teil mehrfarbigen Abbildungen. Berlin, Wien 1921, 
Urban & Schwarzenberg. Geh. 72,00 M, geb. 90,00 M 

Auch dieses schätzenswerte Buch holt die durch 
Krieg und Umsturz bewirkte Verzögerung des Wieder- 
erscheinens jetzt nach, und zwar unter gründlicher Um- 
arbeitung des Stoffs, wie sie eben (durch die Kriegsierfah- 
rungen geboten ist, aber auch (durch die Ergebnisse neue- 
sier. Forschung, z. B. in dem Kapitel „dysglanduläre 
Symptome”. Trotz des beträchtlichen Umfanges ides 
Buches und seines Spezialcharakters ist es doch unter 
beonderer Berücksich\igung (der Praxis geschrieben -und 
große Sorgfalt der sog. „kleinen” Neurologie der Sprech- 
stunde gewidmet, ein wichtiges und ıdankbares Gebiet 
zur Entfaltung und Übung ärztlichen Wissens und 
Könnens. 

Der Psychoanalyse in Freuds - Auffassung und 
Umiassung steht Bing im ganzen ablehnend gegenüber. 


Therapeutisches. 
— Beitrag zur Therapie des Milzbrands. Von Dr. 
Baumann. Schweiz. med. Wochenschr. 1920. 


Da die Salvarsanbehandlung ebenso wie Milzbrand- 
serum bei schwerer Allgemeininfektion keine sichere 
Heilwirkung entfalten, wandte Verf. in einem schweren 
und hoffnungslosen Fall von Milzbrandsepsis, ausgehend 
von einer Verletzung ider. linken Hand, das Methylen- 
blausilber (Argochrom) Patient war vollkommen 
somnolent und unruhig und nahm nichts mehr zu sich. 
Es bestanden Diarrhöen und septischer Allgemeinbeiund. 
Temperatur 40,6°, weiter steigend. Cheyne-Stokes. 
Puls sinkend, schwach, unregelmäßig, kalter Schweiß. 
Exitus letalis schien bevorzustehen. ‘Während der In- 


l 


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Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummert. 
Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 
Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S 


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Pharm. Chem. Institut, Frankfurt a. M. 
PSSSSSSSSSOSSSSSSISSISOSIOSOSOSOSSOSOIS 


Für den Anzeigenteil verantwortlich: 


m 


Dr. E. Ritsert, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


2., vermehrte und 


(Nr. l J 


iektion von 0,2 g Argochrom tiefblau-zyanotische F 
bung von Haut und Schleimhäuten, die nach etwa m 
Stunden wieder verschwand. Patient wurde bald r 
ger; nach drei Stunden Ausscheidung von tieiblauy # 
färbiem Urin. Vier Stunden nach der Einspritzung w 
der Kranke vollständige ruhig, nicht mehr somnok 
fühlte sich bedeutend besser und verlangte Essen 
Trinken. Auch am nächsten Tage anhaltende Bessen 
(des subjektiven und Allgemeinbefindens. Patient fif 
sich „seit der Einspritzung wie umgewandelt”, I 
Diarrhöen hörten auf. Temperatur und Puls sam 
staffelförmig. Tags darauf Wiederholen der Eins 
zung. Darauf weiteres Sinken von Temperatur und A 
Diese waren am folgenden Tag normal. Subjektiv 
standen keine Beschwerden wiehr. Urin 45 Stw 
nach der Einspritzung nicht mehr gefärbt, ohne Eiw 
ohne Nierenbestandteile. Die bis über die Schulter 
chende Schwellung des Arms war nach und nach 
ständige verschwunden, der Kranke wurde geheilt 
lassen. B. bezeichnet das Argochrom als ein Mittel) 
eine einfache und wirksame Waffe gegen die Allgem 
infektion mit Milzbrandbazillen sei. | 


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Personalnachrichten. 


— Lüneburg. Oberarzt Dr. Gerstenberg vol 
Provinzial-Heil- und Piflegeanstalt Lüneburg. ist 
14. Juni zum Direktor des Landarmenhauses in Wi 
torf ernannt. 

— Landesheil- und Erziehungsanstalt Hadamar \ 
sau). Oberarzt Dr. Henkel wurde vom 1. April 
ab zum Direktor der Landesheil- und Erziehungsaß 
Hadamar ernannt. Oberarzt Dr. Pöllmann wurde Í 
Weilmünster nach Hadamar versetzt. 


Mit Rücksicht darauf, daß es manchem nicht m 
lich ist, kostspielige Zeitschriften zu halten, wird! 
Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift von jetzt 
mehr als bisher auf schnelle und möglichst vollstán 
Berichterstattune über die Fachliteratur bedacht $ 
Es wird daher gebeten, von Vorträgen und Aufsit 
immer recht bald einen kurzen Eigenbericht a 
Schriftleitung zu senden. | 


Be ur Wi - en Sn ee he UAN a Y a 
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Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamiteter deutscher Irrenärzte. 


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Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat Dr. Beyer, Roder- 


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Pe Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 


Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes 


Nr. 17/18. 


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durch jed. Buchhandlung, d. Post 
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scheint bis auf weiteres vier- 
zehntägig in Doppelnummern. 


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Postscheck: 


Zum Kapitel der Schlafkrankheit. 


Unsere Zeitschriften. 


S. 106.) — 
sprechungen. (S. 113.) 


ab auch Hirntumoren unter dem Bilde der 
= Schlaikrankheit verlaufen können, derart, daß 
yder Differentialdiagnose die größten Schwierigkei- 
ten entgegenstehen, zeigt folgender, in unserer An- 
S Stalt beobachteter Krankheitsfall. 


; chaffner M., 40 Jahre alt, eingeliefert, weil er 
ür seine Umgebung zu störend wurde. Keine erb- 
tiche Belastung, kein Potus, keine Lues, keine 
Schweren Krankheiten. Er bot folgenden Befund: 
Patient zeigte von Anfang an,eine gewisse Müdig- 
i keit und Schlafsucht; er gähnte viel und war aus 
dem Schlafe nicht leicht zu wecken. Im wachen 
7? ustande war er ziemlich klar, gab zutreffende 
4 ntworten, mußte sich aber oft länger besinnen, 
versagte bei der Intelligenzprüfung oft auch bei 
einfachen Fragen. Gedächtnis und Merkfähigkeit 
waren herabgesetzt. Körperlich zeigte er einen 
ziemlich guten Ernährungszustand; die inneren 


30. Juli 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 
Halle a. Sy 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 


Von Dr. 
h und Erfahrungen mit Promonta-Nervennahrung. Von Dr. A. Röll. 
Entscheidungen und Verfügungen auf dem Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. 
Von Dr. A. Hoppe, Rinteln. 


EN Am 18. Februar 1920 wurde hier ein Fisenbahn- 


|| (Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 

S Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 

Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 

Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München. Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 


Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg (Cb.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
li mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 
laß gewährt. 


Mühlwege 26 


Marhold Verlag MHallesaale 
Leipzig 32070. 


Lachmund, Münster i.. W. (S. 103.) — Neue Versuche 


Zum Kapitel der Schlafkrankheit. 
2. Encephalitis epid. 
Von Dr. Lachmund, Oberarzt an der Prov.-Heilanstalt zu Münster i. W. 


(S. 105.) — Wichtige .gerichtliche 
XVI. Folge. Schluß. 
(S. 109.) — Mitteilungen. (S. 112.) Buchbe- 
— Therapeutisches. (S. 114.) — Personalnachrichten. (S. 114.) 
— Hirnstammtumor. 
‚nicht klopfempfindlich, ohne Narben. Pupillen 


gleich, die rechte ist auf Lichteinfall reaktionslos, 
die linke reagiert wenig ausgiebig. Beiderseits 
Ptosis. Augenbewerungen frei. Hirnnerven sonst 
0. B. Patient vermag alle Glieder spontan zu be- 
wegen, keine auffallenden Paresen, doch Tremor 
der Finger, Ataxie der oberen und unteren Extre- 
mitäten. Beim Gang durchgebogene Wirbelsäule, 
drohte nach hinten zu fallen, taumelte öfters nach 
rechts. Bauchdeckenreflexe nicht auslösbar, eben- 
so Kremasterreilex. Kniesehnenreflexe lebhaft, 


beiderseits gleich. Links Fußklonus, rechts nur an- 


gedeutet, kein Babinski, kein Oppenheim. Anschei- 
nend Hyperästhesie für Schmerz und Wärme am 
sanzen Körper. 

Es wurde zunächst die Diagnose Hirntumor ge- 
stellt. Zur Anamnese wurde nachträglich festge- 
stellt: 

1907 schlug Patient gelegentlich eines Zugzu- 
sammenstoßbes heftig mit dem Kopie gegen die 


Ta A Th 


104 


Wand des Bremserhauses und erlitt eine Nerven- 
erschütterung; dasselbe passierte ihm noch einmal 
später und im Juni 1916 zum dritten Male. Im 
November 1916 fiel er beim Überschreiten der 
Gleise mit dem Kopfe auf die Schienen mit Ver- 
letzung von Stirn und Nasenbein. Im Januar 1919, 
also nach gut zwei Jahren, wird Ptosis, im Okto- 
ber 1919 beiderseits Ptosis, träge Pupillenreaktion, 
weißliche Verfärbung des Sehnerven festgestellt 
und im Dezember 1919 von einem Nervenfacharzte 
ein „beginnendes organisches Hirnleiden” konsta- 
tiert. 

In der Folgezeit beherrschten die immer mehr 
zunehmende Schlafsucht, dann die beiderseitige 
Ptosis, die links mit Lagophthalmus vergesellschaf- 
tet war, Augenmuskelstörungen in der Weise, dab 
der linke Bulbus zeitweise nach außen oben ab- 
wich, eine linksseitig sich einstellende Parese des 
Mundfazialis, Hypotonie und Ataxie der oberen 
und unteren Gliedmaßen lange Zeit das Krankheits- 
bild, das somit früher bereits veröffentlichten Fäl- 
len ausgesprochener Encephalitis lethargica glich. 
Der Augenhintergrund zeigte zwar stark gefüllte 
Venen und ein der Neuritis optica Ähnliches Bild, 
sonst kamen aber Hirndruckerscheinungen nie zur 
Beobachtung. Blut und Liquor zeigten negativen 
Wassermann, der Liquor war hell, klar, der Druck 
mit 470 mm erhöht, Nonne, Pandy waren nega- 
tiv, die Mastixreaktion positiv. Zeitweilig konnte 
auch Nackensteifigkeit und leichter Opistotonus 
konstatiert werden. Die Reflexe zeigten ein wech- 
selndes Verhalten, Bauchdecken- und Kremaster- 
reflexe waren zeitweise beiderseits nicht auszu- 
lösen, die Sehnenreflexe an den Beinen waren 
wechselnd, bald lebhaft, bald schwer auszulösen, 
einige Male wurde auch positiver Babinski und 
Fußklonus beobachtet. Unfreiwilliger Stuhl- und 
Harnabgang. Psychisch zeitweise Unruhe und deli- 
rantes Verhalten. Nach diesem Befunde konnte es 
sich bei M. nur um Hirntumor, und zwar um einen 
auf die Hirnnerven drückenden Stirnhirntumor 
oder wahrscheinlicher um einen über die Mittel- 
linie hinausgehenden Tumor der Vierhügel-Brük- 
kengegend handeln, oder aber um Encephalitis 
lethargica. 

Für die Diagnose Hirntumor sprach zunächst 
der verhältnismäßig langsame Beginn der FErkran- 
kung. Nach der später erhobenen Anamnese be- 
gann das Leiden anfangs 1919 mit Ptosis und Pu- 
pillenstörungen, so daß Ende 1919 ein beeinnendes 
organisches Hirnleiden. von fachärztlicher Seite 
angenommen wurde. Dieser Zustand aber wurde 
von uns noch nicht beobachtet, auch ist in letzter 
Zeit verschiedentlich über Encephalitisfälle mit 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


INr, iz 


sehr protrahiertem Verlauf berichtet worden, ($ 
im Anfang der Erkrankung Fieber bestanden WE 
ist nicht bekannt, hier zeigte sich erst im weit 
Verlaufe erhöhte Temperatur; ein fieberfreier BE 
ginn würde sehr für Tumor ins Gewicht falii 
Weiter sprach für Hirntumor während der hie® 
gen Beobachtung das Neuritis optica ähnliche BE 
des Augenhintergrundes und die Erhöhung des I 
quordruckes auf 470 mm. Dabei ist aber ul 
denken, daß auch bei Encephalitis in einzelnen R 
len (z. B. von Economo, Löhlein, Greif 
wald) beginnende Neuritis optica, selbst Stauung 
papille beobachtet wurde, und Economo i 
merkt in seiner Arbeit „Die Encephalitis letharg@® 
bezüglich der Lumbalpunktion, daß in 5 von 
Fällen der Liquordruck erhöht war. | 

Auch einzelne Züge im neurologischen Bein 
konnten für die Diagnose Hirntumor verwe 
werden, und zwar war dies das Hervortrei 
von teils Py. Seitenstrangerscheinungen (A 
klonus links, Babinski, fehlende Bauchdeckem 
flexe), teils Hinterstrangerscheinungen (Hyp 
nie und Ataxie der oberen und unteren Extrem 
ten), die bei dem im großen ganzen auf die gui 
Substanz im Hirn und Rückenmark beschränkt! 
Krankheitsprozeß der Enc. epid. doch in del 
Ausprägung offenbar nur seltener beobachtet smg 
auch fehlte die Muskelrigidität und alle Zee 
eines amyostatischen Symptomenkomplexes & 
für die Enc. epid. häufig ein hervorstechei | 
Symptom bilden. — Dagegen war und blieb 
mit häufigem Gähnen verbundene ausgesprod 
Schlummersucht, die sich erst terminal zu WE 
gem Sopor vertiefte, auffallend. Sie zusam 
mit den Hirnnervenstörungen, beiderseitiger I 
sis, Pupillenstörungen, Fazialisschwäche und W 
Tremor der Finger ließen immer wieder an “g 
pontine Form der Encephalitis epid. denken. % 
denfalls war soviel klar, daß, wenn es sich 
einen Tumor handelte, er etwa dort seinell 4 
haben mußte oder die Hirnpartien besonders WE 
digen mußte, die häufig bei Encephalitis Sit 4 
Krankheitsprozesses sind, besonders das ze 
Höhlengrau, Gegend der Vierhügel und des Qu 
motoriuskerns. . i 

Nachdem schließlich infolge  eintret 
Schluckbeschwerden und fieberhafter Lung™i f 
scheinungen im September 1920 im Zustand VE 
ger Benommenheit der Exitus eingetreten Y 
ergab die Sektion, daß es sich bei M. um ein I f 
rativ wachsendes Gliom im proximalen Teile 4 
Brückenhaube handelte, das nach vorn bis M ; 
vordere Vierhügelregion reichte, das übrige oat 
aber freiließ. Die Art und der Sitz der Neubildi | 


erklärte nun ungezwungen die Ähnlichkeit des 
Krankheitsbildes mit dem der Encephalitis epide- 
mica, die, wenn sie in der Vierhügelgegend und im 
Pons lokalisiert ist, ein ganz ähnliches Bild her- 
vorzurufen pflegt, wie es unser Fall bot. | 
Schließlich möchte ich bezüglich der in letzter 
Zeit öfters erörterten Frage nach der Lokalisation 
des „Schlafzentrums” im Gehirn unsern Fall noch 
als Stütze für die Ansicht der Autoren heranziehen, 
die die Schlafsucht als ein Lokalsymptom tieferer 
"Hirnteile, zentrales Höhlengrau, auffassen; denn die 
Neubildung beschränkte sich auf die Brücke und 
inach vorn bis in die vordere Vierhügelregion, wäh- 
rend das übrige Gehirn ganz verschont war; 
außerdem traten keine besonderen Hirndrucker- 


Aret durch die günstigen Erfolge, die in 
jüngster Zeit mit dem neuen Nährpräparat 
‚Promonta bei Schwächezuständen, nervösen De- 
‚pressionen, Nervenschwäche verschiedener Art, 
‚schweren Ernährungsstörungen und ähnlichen Er- 
‚krankungen erzielt wurden (vergl. auch Psychiatr.- 
Neurol. Wochenschr. 1920/21, Heft 47/48, Michalke, 
Erfahrungen mit Promonta-Nervennahrung), un- 


"Das Präparat ist zurzeit noch wenig bekannt, und 
ses. ist deshalb zweckmäßig, zunächst auf die Zu- 
Sammensetzung desselben kurz einzugehen. 

- Nachdem Prof. E. Salkowski in seiner Ar- 
E st es möglich, den Gehalt des Gehirns an 


á Bd. 51. Heft 5, ansehen am 12. Tin 
1913) durch exakte Tierversuche den Nachweis er- 
bracht hatte, daß durch eine geeignete Darrei- 
"chung von Gehirnphosphatiden eine Ablagerung 
derselben im Zentralnervensystem erreicht wer- 
den könne, stellte sich die chemische Fabrik Pro- 
onta in Hamburg die Aufgabe, ein Präparat her- 
"zustellen, welches in den von Salkowski. an- 
zedeuteten Fällen der Therapie nutzbar gemacht 
werden sollte. Durch längere Versuchsreihen 
D urde zunächst festgestellt, daß das küchenmäßig 
Zubereitete Gehirn dem Zentralnervensystem nie- 
p als lipoidischen Phosphor liefern kann, weil bei 
l ter küchenmäßigen Zubereitung destruktive Umset- 
‚zungen stattfinden. Eine Lipoidaufarbeitung durch 
‚chemische Fraktionierung würde, abgesehen von 
“der Unwirtschaftlichkeit dieses Verfahrens, der 


“ernahmen auch wir Versuche mit diesem Mittel. 


Wal PSYCHlATmSChNFUROLOEMSCHE WOCHENSCIIRIFT u 


während des Krankheitsverlaufes 
und Erbrechen wurden 


scheinungen 
hervor, Pulsverlangsamung 
nicht beobachtet. 

Ein Fall aus der Königsberger Psychiatrischen 
Klinik, der unter dem Bilde der Encephalitis nach 
Grippe mit Schlafsucht, Kopfschmerzen und Au- 
genmuskelstörungen erkrankte, erwies sich bei der 
Sektion als ein Tumor des Balkens. Auch er zeigt, 
daß oft die Differentialdiagnose zwischen Hirn- 
tumor und Encephalitis epidemica große Schwie- 
rigkeiten machen kann. 

Die Frage nach dem Zusammenhange unseres 
Krankheitsfalles mit früheren Unfällen habe ich in 
der „Ärztlichen Sachverständigenzeitung” ausführ- 
licher erörtert. 


(Aus der Heil- und Pflegeanstalt Werneck. Direktor Dr. Ast. 
| Neue Versuche und Erfahrungen mit Promonta-Nervennahrung. 
| | Von Dr. A. Röll, Oberarzt. 


Aufgabe nieht gerecht werden, die neben der Phos- 
phatidtherapie auch die Nutzbarmachung der feine- 
ren labilen Wertkörper des Gehirns bezweckt. 
Zur Sicherung und Ausnutzung dieser Verbindungen 
müssen sich die Darstellungsmethoden der Labo- 
ratoriumsarbeit mit diffizilen Organsubstanzen an- 
lehnen. Eine Kritik des von der Fabrik eingeschla- 
genen Verfahrens findet sich in der Arbeit von 
Feigl: Über die Verwertung des Gehirns der 


Schlachttiere in der Krankenkost veröffentlicht in 


den „Therap. Halbmonatsheften” (Heft 22 vom 15. 
November 1920). Neben diesen Wertkörpern der 
Nervensubstanz enhält Promonta-Nervennahrung 
polyvalente Vitamine animalischen und vegetabili- 
schen Ursprungs, nämlich solche des Eigelbs, der 
Milch und frischer Getreidekeime. Die Vitamine 
wirken im Sinne Abderhaldens als Kontakt- 
substanzen. Neben diesen wichtigsten Bestandtei- 
len sind in der Promonta-Nervennahrung ferner 
wirksam: 
1. Calc. glycerin. phosphoric. als organisches 
ar 
‚ Eisenalbuminat als organische Eisenverbin- 
ee 
3. Hämorglobin, 
4. lösliche Eiweißstoffe, 
5. leicht assimilierbare Koniehydrate 
Das Mittel wurde von allen Kranken, mit denen 
Versuche angestellt wurden, gerne genommen. Es 
hat einen angenehmen Geschmack und kann so- 
wohl in trockenem Zustand wie in Getränken 
(Milch, Tee, Kaffee, Kakao oder Wasser) einge- 


EE E a, R S, 


106 2 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


nommen werden. Von den zahlreichen Fällen 
möchte ich hier nur einige anführen, aus denen die 
prompte Wirkung des Mittels sich erkennen läßt. 

L. A., Kaufmannsfrau, 45 J. Seit mehreren Mo- 
naten hochgradige neurasthenische Beschwerden, 
Schlaflosigkeit, Appetitmangel, Gewichtsabnahme, 


(jemütsdepression. Die ständige Gewichtsabnahme. 


lenkte den Verdacht auf malignen Tumor, obwohl 
objektiv ein solcher sich nicht nachweisen lieb. 
Therapeutische Versuche bisher erfolglos. Bereits 
nach wenigen Dosen Promonta auffallende Besse- 
rung des Appetits. Der Schlaf stellte sich spontan 
ein, während er sonst nur auf Narkotika erfolgte. 
Nach acht Tagen merkliche Gewichtszunahme und 
Besserung des Allgemeinbefindens. Unter weite- 
rer Darreichung von Promonta Genesung. 

B. A., Pilegerin, 22. J. Vor drei Jahren Ulcus 
ventriculi. Seit vier Monaten auffallende Gewichts- 
abnahme, von 63 auf 53 kg. Zurzeit keine Erschei- 
nungen seitens des Magens, außer Appetitlosigkeit. 
Nervöse Beschwerden, Schlaflosigkeit. Auf Pro- 
monta keine weitere Gewichtsabnahme. Zunahme 
des Appetits, nach drei Wochen 2 kg Gewichtszu- 
nahme. | 

E..\W, stud. piik et jur.’ go RK, 
infolge Überarbeitung. Schlaflosigkeit, Gewichts- 
abnahme infolge Appetitlosigkeit und Widerwillens 
gegen jede Nahrungsaufnahme. Fühlt sich unfähig 
zur Arbeit. Besuch von Sanatorien und Aufent- 


Wichtige gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen auf dem 
Gebiete des Irrenwesens und Verwandtes. 
| (Schluß.) 


Öffentliche Krüppelfürsorge. 
Preußisches Gesetz vom 6. Mai 1920. 

S 1. Der § 31 Abs. 1 des Gesetzes, betr. die 
Ausführung des Bundesgesetzes über den Unter- 
stützungswohnsitz, vom 8. März 1871 — Gesetz- 
samml. S. 130 — in der Fassung des Artikels | 
des Gesetzes vom 11. Juli 1891 — Gesetzsamml. 
S. 300 —, erhält folgende Fassung: 

Die Landarmenverbände — in der Provinz Ost- 
preußen der Landarmenverband der Provinz —- 
sind verpflichtet, für Bewahrung, Kur und Pflege 
der hilfsbedürftigen Geisteskranken, Idioten, Epi- 
leptischen, Taubstummen, Blinden und Krüppel, so- 
weit sie der Anstaltspflege bedürfen, in geeigneten 
Anstalten Fürsorge zu treffen. Bei Krüppeln unter 
18 Jahren umfaßt diese Fürsorge auch dieErwerbs- 
befähigung der Krüppel. 

S 2. Die Fürsorge für Krüppel unter 18 Jahren, 


Neurasthenie 
‚namentlich in Fällen von Unterernährung, Em 
- dungs- und Erschöpfungszuständen und besond, 


De 
tF re 


A 
Br 


INr. 1 í 


halt an der See ohne nennenswerten Erfolg, } i 
Promonta rasche Behebung aller neurasthenischai o 
Beschwerden, Appetitsteigerung und Gewichtsz i 
nahme. Sehr guter Schlaf. Fühlt sich schon na i 
wenigen Wochen voll arbeitsfähig. $ 

A. R., 37 J. Infolge Diätfehlers oder Erkältın i 
heftiger Brechdurchfall. Medikamente infolge st 1 
digen Erbrechens zwecklos. Auf geringe Domi. 
Promonta Sistierung des Brechreizes, ebenso a . 
baldiges Nachlassen der Kolikanfälle und der Di | 
rhöen. | 

D. G., 77 J: Altersschwäche, hochgradieiäl ià 
terernährung. Widerwillen gegen jede Nahrung. 
aufnahme. Auf regelmäßige Einnahme gering 
Dosen Promonta Hebung (des Appetits, leichi 
Gewichtszunahme. Fühlt sich kräftiger. 

In zahlreichen anderen Fällen von Unterermä 
rung, die gleichzeitig von schweren körperlid: 
Erkrankungen begleitet waren, konnten wir sel 
redend keine Genesung erwarten, aber nah 
überall konnte eine Vermehrung des Appetits ug 
ein günstiger Einfluß auf das Allgemeinbefindent 
kannt werden.  Nachteilige Folgen traten in kif 
nem Falle zutage. Wir dürfen deshalb in „Pug 
monta” ein wirksames Nährpräparat erblicken, & 


auch bei Schlaflosigkeit auf 
Grundlage indiziert ist. 


neurastheniscidr 


XVI. Folge. 


die nicht der Anstaltspflege bedürfen, und die Maf 
nahmen zur Verhütung der Verkrüppelung gehör 
zu den Aufgaben der Land- und Stadtkreise V 
Aufsichtsbehörde ist befugt, diese Kreise nöt, 
falls zur en der Verpflichtung anzuhaltel} 
S 3. 1. Ein Arzt, der in Ausübung seines B N 
rufes einer Person unter 18 Jahren eine WW 
krüppelung wahrnimmt, ist verpflichtet, hierve 
binnen einem Monat unter Bezeichnung des K" 
u und der Verkrüppelung Anzeige zu erstat l 
Wer als Arzt oder Hebamme Geburtstläßs 
Br ist verpflichtet, das mit seiner Hilie SE 
borene Kind auf die Anzeichen von Verkrüppe Ui 
zu untersuchen und, falls solche sich vorin 
die gleiche Anzeige zu erstatten. 
3. Eine Anzeigepflicht besteht nicht, wenn f \ 
nach diesem Gesetze ausreichende Anzeige pere ; 
früher erstattet worden ist. 


. 1921] 


4. Verletzungen der Anzeigepflicht werden mit 
- Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit 
- Haft bis zu vier Wochen bestraft. 

84, 1. Lehrer (Lehrerinnen), welche gelegent- 
"lich des zur Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht 
“erteilten Unterrichts oder ‚des Ersatzunterrichts 
hierfür bei ihren Schülern Verkrüppelungen wahr- 
"nehmen, sind verpflichtet, diese Schüler namhaft 
l zu Kamen 

| . Die näheren Vorschriften zur Durchführung 
| e Bestimmung erläßt der Minister für Volks- 
-wohlfahrt im Verordnungswege. Die Verordnun- 
‚gen sind durch (die Regierungsamtsblätter der- 
jenigen Bezirke bekannt zu machen, in welchen 
“sie Geltung erlangen sollen, und treten mit dem 
"achten Tage nach Ablauf desienigen Tages, an wel- 
"chem das betreffende Stück des Amtsblattes aus- 
"gegeben ist, in Kraft. Für die Nichtbefolgung der 
"in der Verordnung gegebenen Vorschriften können 
" Geldstrafen bis zu einhundertfünfzig Mark oder 
Haft bis zu vier Wochen angedroht werden. 

\ § 5. Ärzte sowie solche Krankenpflegepersonen 
"und sonstige Fürsorgeorgane, welche gelegentlich 
"ihrer Berufsausübung bei jugendlichen Personen 
“unter 18 Jahren die Anzeichen drohender Ver- 
“krüppelung beobachten, sind verpflichtet, diese der 
“in $ 6 dieses Gesetzes bezeichneten Stelle namhaft 
"zu machen. 
| 86. Die in §§ 3,4, 5 vorgesehenen Anzeigen 
sind an das zuständige Jugendamt zů richten. Für 
"den Zeitraum, bis alle Stadt- und Landkreise auf 
‚Grund gesetzlicher Bestimmungen Jugendämter 
‚haben, bestimmt der Minister für Volkswohlfahrt 
A Verordnungswege die Stelle, an welche die An- 


zeige zu richten ist. Auf diese Verordnung finden 
die Bestimmungen des $ 4 Abs. 2 Anwendung. 

| §-7- Auf Grund von Anzeigen, die nach $ 5 
"eingehen, kann die unter Umständen auch zu wie- 
Aderholende Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses 
E ordnet werden, ob die a Maßnahmen 


i Jeder Stadt-, Landkreis hat mindestens 
feine Fürsorgestelle für Krüppel zu schaffen oder 
[sich einer soeken anaue Nodon: n dieser er 


"wendig erscheinenden Maßnahmen. 
- 89 Eine Verkrüppelung im Sinne dieses Ge- 


ichen-, Gelenk-, Muskel- oder Nervenleidens oder 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


107 


Fehlens eines wichtigen Gliedes oder von Teilen 
eines solchen in dem Gebrauche ihres Rumpies , 
oder ihrer Gliedmaßen nicht nur vorübergehend 
derart behindert ist, daß ihre Erwerbsfähiskeit auf 
dem allgemeinen Arbeitsmarkte voraussichtlich 
wesentlich beeinträchtigt wird. 

$ 10. Mit der Ausführung dieses Gesetzes wird 
der Minister für Volkswohlfahrt beauftragt. 

8 11. 1. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 
1920 in Kraft. 

2. Soweit den im $ 1 bezeichneten Verbänden 
geeignete Anstalten in ausreichender Anzahl nicht ` 
zur Verfügung stehen, kann der Minister bis zum 
3l. März 1926 Befreiung von der Verpflichtung zur 
Anstaltsunterbringung gewähren. 


Verordnung der Hessischen Regierung vom 


10. April 1920. Ausführung der Wasser 
mannschen Reaktion. 
§ 1. Die Erlaubnis zur Vornahme der Wasser 


mannschen Reaktion wird Nichtärzten grundsätz- 
lich versagt. 

§ 2. Ärzte bedürfen zur gewerbsmäßigen Aus- 
führung der Wassermannschen Reaktion der Er- 
laubnis des für den Arbeitsraum zuständigen Kreis- 
amts. Sie dürfen nur staatlich geprüfte Extrakte 
und Ambozeptoren verwenden. 

§ 3. Ärzte, die die Wassermannsche Reaktion 
lediglich zu diagnostischen Zwecken bei Kranken 
anstellen, die in ihrer Behandlung stehen, bedür- 
fen der Erlaubnis nicht. Das gleiche gilt für. öffent- 
liche Krankenhäuser und für staatliche, staatlich 
beaufsichtigte und für kommunale Anstalten, die zu 
einschlägigem Fachunterricht dienen oder zur Vor- 
nahme von Untersuchungen zum Zwecke der Be- 


kämpfung von übertragbaren Krankheiten oder zur 


Herstellung \ von Schutz- und Heilstoffen bestimmt 
sind. 

§ 4. Als staatlich geprüft gelten nur die Fxtrakte 
und Ambozeptoren, die in dem Institut für experi- 
mentelle Therapie in Frankfurt a. M. geprüft sind. - 


=- 


Runderlaß des preuß. Ministeriums für Volkswohl- 
fahrt vom 31. Oktober 1919 — M 1413h. 


In Verfolg des Erlasses- vom 30. August d. J. 


- — M 13633 — ersuche ich ergebenst, die für die 


Vornahme gesundheitspolizeilicher Untersuchungen 
im dortigen Bezirk zuständige bakteriologische 
Untersuchungsstelle (Medizinaluntersuchungsamt 

usw.) gefälligst anzuweisen, bei Syphilis neben der 
Wassermannschen Reaktion nunmehr auch die Un- 


} 


108 


tersuchung auf Spirochäten vorzunehmen, desglei- 
chen bei Gonorrhöe die auf Gonokokken. 

Für diese Untersuchungen, die nicht unter das 
von den Kreisen gezahlte Pauschale fallen, sind in 
iedem Einzelfalle Gebühren zu erheben, und zwar 
für die Spirochätenuntersuchung bei Syphilis 6 M, 
für die Gonokokkenuntersuchung bei Gonorrhöe 
OMe 

[Durch Erlaß vom 30. August 1919 ist ange- 
ordnet, daß Versandgefäße (Firma F. & M. Lau- 
- tenschläger, Berlin N.39, Chausseestr. 92) in Apo- 
theken und bei Krankenkassen und Krankenanstal- 
ten bereitgehalten werden.] 


Verordnung des preuß. Ministers für Volkswohl- 
fahrt vom 2. November 1920 — M II 1704. 


Die außerordentliche Häufung seelischer Er- 
krankungen macht eine umfassendere Fürsorge 
für die an ihnen leidenden Kranken erforderlich. 

Die schweren Erlebnisse während der Kriegs- 
zeit und die chronische Unterernährung führten 
häufig gerade bei geistig hochentwickelten, weil 
besonders empfindlichen Individuen zu Störungen 
des seelischen Gleichgewichtes. 

So konnte unter den während der Kriegszeit 
gegebenen ungewöhnlich straffen Beschränkun- 
gen der persönlichen Freiheit und der dann nach 
der Revolution eintretenden Lockerung sozialer 
Empfindungen und Bande ein Zwiespalt bei krank- 
haft veranlagten Menschen entstehen, indem sich 
die während langer Jahre gehemmte Initiative un- 
ter ihrem mächtigsten Impuls, der Unzufriedenheit, 
zum Schaden der Allgemeinheit freimachte. 

Die starke Affekterregbarkeit und die Überzeu- 
gung der Psychopathen von der Wahrhaftigkeit 
ihrer Auffassung, die selbst dann noch vorhanden 
ist, wenn der geistig Gesunde starke Übertreibun- 
gen und Entstellungen eines Tatbestandes fest- 
stellt, verschafften diesen Kranken einen überra- 
genden Einfluß auf die Masse des Volkes, einen 
Einfluß, der umso bedrohlicher ist, als die außer- 
ordentlich klägliche wirtschaftliche Lage und die 
politische Zerfahrenheit weiter Kreise die allge- 
meine Unzufriedenheit erhöhte und so für suggestive 
Beeinflussung eine ungewöhnliche Empfänglichkeit 
schuf. Es ist eine, wie bei früheren Volksbewe- 
gungen so auch jetzt, wieder festgestellte Beobach- 
tung, daß gerade die jugendlichen Psychopathen 
im Vordergrunde politisch extremer Richtungen 
stehen. Die Gefahr, die darin für das ganze Volk 
liegt, ist bisher nicht überall genügend gewürdigt 
worden. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


nervös hält. 


t i S 


[Nr. 17 


Es führt häufig zu Mißerfolgen, wenn der Vet 
such gemacht wird, psychopathisch Kranke zwang 
weise der ärztlichen Behandlung zuzuführen. % 
rade diese Kranken haben keine Krankheitseinsihi® 
Sie fühlen sich wohl nervös, suchen aber wei 
selbst noch auf Veranlassung ihrer Angehörige 
den Irrenarzt auf, solange sie die Befürchtung WE 
ben, daß man sie für geistig krank halten könnt 
Diese Befürchtung aber besteht fast immer ode 
sie wird erzeugt durch die dauernden Konflik 
die derartige Kranke mit sozial vollwertigen mif 
viduen haben. Hier hört der Kranke immer wie 
daß er verrückt sei, während er sich selbst nurfi® 


Dieser Umstand nun bietet eine Möglichkeit d 
Behandlung und Fürsorge. Der Kranke ist unm 
frieden und daher hilfsbedürftig. Er würde db 
Beratungsstelle für „Nervöse oder seelisch Krank 
aufsuchen, sofern er nicht in oder hinter ihr @ 
Irrenanstalt wittert. Auch aus diesem Grunde& 
scheint die Errichtung von Beratungs- und Fig 
sorgestellen, die räumlich -von Irrenanstalten strai 
zu trennen sind, zweckmäßig, außer denjenig 
schon vor dem Kriege vielfach erörterten Gründ® 
für die Schaffung derartiger Fürsorgestellen iml 
teresse der nicht anstaltsbedürftigen Geisteskrä 
ken, die schon zu beachtenswerten Versuchen af 
diesem Gebiete geführt haben. | 


u A 


Ich bitte daher um Äußerung darüber, ob u h 
eventuell, wie sich Fürsorgestellen für „Nerv: 
und seelisch Kranke“ im Anschluß an die Kregi 
wohlfahrtsämter einrichten ließen. Es müßte, waif 
möglich, eine Zusammenarbeit von bereits tl 
Fürsorgebeamten, Lehrern und Ärzten, vor al 
Dingen der Hilfsschule sowie sonstigen sach 
ständigen Personen erzielt werden. Ich bitte t, 
ner zu erwägen, ob diese Fürsorge- und Bug 
tungsstellen ausgedehnt werden könnten «j 
schwer erziehbare Kinder. Dies würde vor 
gend wirken können, das Fortschreiten von NE 
chopathischen Zuständen verhindern und wicht 
Material für Familienforschung, Vererbungsiefg 
Eugenie und Rassenhygiene ergeben können. 


Nach Anhörung der Kreis- und Schulärzte IF 
sonst etwa vorhandener Sachverständiger ode F 
teressierter Kreise bitte ich, innerhalb acht Woche | 
zu berichten, ob und wie die Schaffung vol Fi 3 
sorge- und Beratungsstellen am besten durch f 
führt werden kann. Daß psychopathisch Krog 
der Behandlung und Heilung zugänglich sind, WER 
sie sachgemäß durchgeführt wird, lehren nicht IF 
die seit langem mit gutem Erfolg tätigen privat i 
Heime für Psychopathen, wie sie von bemitteli | 


i: 


Eltern für ihre entarteten oder psychopathisch ver- 


anlagten Kinder in Anspruch genommen und be-- 


sucht wurden; es bestätigen dies auch die guten 

Erfahrungen der „Jugendhilfe“, des ersten Instituts, 

das von einem Provinzialverein für unbemittelte 

psychopathische Kinder in Halle a. S. geschaffen 

[ere und das schon jetzt einen großen Zuspruch 
nd günstige Resultate zu verzeichnen hat. 


Im Auftrage: Gottstein. 


£ 


für die gesamte Neurologie und, Psychiatrie”. 
= Bd. 64, ausgegeben am 15. Februar 1921, Preis 
| (mit Zuschlag) 122,40 M; Bd. 65 H. 1 und 2, ausge- 
geben am 28. Februar 1921, Preis (mit Zuschlag) 
154 M; Bd. 65 H.3 bis 5, ausgegeben am 21. März 
1921, Preis (mit Zuschlag) 86,40 M; Bd. 66, ausge- 
geben am 20. April 1921, Preis (mit Zuschlag) 
1129, 60 M; Bd. 67, ausgegeben am 17. Mai 1921, 
Pr eis (mit Zuschlag) 127,60 M. 


Das sind zusammen für vier Bände einer ein- 
zigen Zeitschrift mit etwa 1550 Seiten in vier 
Monaten 520 M, also ungefähr ebensoviel, wie 
irüher manchen Anstalten für die Bibliothek in 
‚einem Jahre zur Verfügung stand. Dazu kommt 
dann noch der neuerdings, nach Verschmelzung 
“mit dem Mendelschen Blatte, unter dem Titel „Zen- 
tralblatt” erscheinende Referatenteil. Ähnliche 
Preissteigerungen zeigt das Archiv”, das freilich 


i 
4 


„Allgemeine Zeitschrift” 
"Preise, bei vermindertem Umfange, gewaltig in 
die Höhe gegangen, selbst der Vorzugspreis für 
"Mitglieder des Deutschen Vereins für Psychiatrie 
Ast immer noch dreimal so hoch wie der bisherige. 
Ich habe nun nicht im geringsten die Absicht, 
fein Klagelied über die hohen Bücher- und Zeit- 
7 chriftenpreise als solche anzustimmen. Ich weiß 
„wohl, daß auch sie der Entwertung unseres Geldes 
[folgen mußten, ja, daß die Überteuerung auf dem 
“Büchermarkte nicht einmal die höchste war, ob- 
| | ohl sie hier wegen des Sortimentszuschlags be- 
‚sonders übel empfunden wurde, und das Bestreben 
der Verleger, trotz des sinkenden Markkurses die 
Mitarbeiterhonorare womöglich auf dem Friedens- 
"satze zu halten, wirkte auch nicht gerade sym- 
-pathisch. Es ist ja an sich auch gewiß erfreulich, 


or mir liegen die letzten Bände der „Zeitschrift - 


"wesentlich seltener erscheint, und auch Laehrs 
ist plötzlich mit dem 


1921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 109 
| EST ET TEE TE TEE ET OSTERN AAE TE RETTET AEAN A I AANA E TEIA DA OON 


Runderlaß des Preußischen Justizministeriums 
vom 13. Dezember 1918. 

Zur Verminderung .des Schreibwerks sollen in 
Leichen- und Entmündigungssachen (die ärztlichen 
Sachverständigen für den Fall, daß sie ihr Gut- 
achten in Maschinenschrift einreichen, einen zwei- 
ten Abzug beifügen, der von der Gerichtsbehörde 
dem Regierungspräsidenten, in Berlin dem Polizei- 
präsidenten mitzuteilen ist. 


— > o O +a- Emm mn m aM [MM 


Unsere Zeitschriften. 
| Ein Notschrei nebst einigen Vorschlägen, 
Von Dr. A. Hoppe, Rinteln. 


wenn unbeschadet aller Nöte der Zeit so rege wis- 
senschaftlich gearbeitet wird, daß Springer z. B. 
beinahe jeden Monat einen stattlichen Band heraus- 
bringen kann, die eine Frage wird aber dadurch 
nicht erledigt: Wer ist auf die Dauer imstande, die 
Kosten für diese Zeitschriften aufzubringen? Der 
Bibliotheksfonds der öffentlichen Anstalten ist 
größtenteils nicht oder nur unbedeutend: erhöht 
worden, und daß die Privatanstalten in ihrer Mehr- 
zahl nicht auf Rosen gebettet sind, ist erst recht 
kein Geheimnis. 

Andrerseits brauchen wir unsere Zeina 
wie das liebe Leben. Der Spezialist, der darauf 
verzichtet, die Literatur zu verfolgen, muß in dem- 
selben Augenblick auch den Anspruch aufgeben, 
wissenschaftlich ernst genommen zu werden und 


für die Kollegen als fachmännischer Berater in 


Frage zu kommen. So stehen wir vor dem Di- 
lemma, entweder unter den Kosten erdrückt zu 
werden oder an unserem wissenschaitlichen Rufe 
Schaden zu leiden. 

Die Vorschläge, die ich im folgenden zur Ab- 
hilfe dieser Not zu machen habe, bitte ich vorur- 
teilslos zu prüfen. Es wäre mir sehr lieb, wenn sich 
zu ihnen nicht nur die „Konsumenten”, sondern 
auch die Herausgeber und Verleger unserer Fach- 
blätter äußerten. Erst durch die freie Aussprache 
aller Beteiligten wird auch ein Plan entstehen, der 
die Rechte der in Betracht kommenden Kreise nach 
Möglichkeit wahrt und insbesondere der für den 


 (Geistesarbeiter im neuen Deutschland drohendsten 


Gefahr, dem Absinken unserer Wissenschaft indem 
unverkennbaren Kulturrückgang, entgegenarbeitet. 


Ein Übelstand, den jeder Benutzer unserer Lite- ' 


ratur schmerzlich empfindet, ist ihre übergroße 
Zersplitterung. Mögen auch einzelne Blätter ein 
Sondergebiet bevorzugen, so weiß man doch, daß 


’ "i à LE 
NT ö | i 
f i int" ä 


oe PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT Nr. i 


man Artikel aller Art in jeder Zeitschrift finden 
kann, ja, daß einzelne von ihnen Wert 'darauf 
legen, das ganze Gebiet nicht nur der Psychiatrie, 
sondern auch noch der Neurologie zu umfassen. 


.Wer wissenschaftlich arbeiten will, muß darum 


außer einer Unzahl Lehrbücher und Einzelschrifiten 
die Jahresbände von mindestens einem halben Dut- 
zend Zeitschriften durchsehen, und kann sich auch 
dann noch nicht verbürgen, daß ihm nichts Wich- 
tiges entgangen ist. Gute Referate erleichtern ge- 
wiß die Mühe des Suchens, da man aber schließ- 
lich doch, soweit möglich, auf die Originalien zu- 
rückgehen wird, heißt es sich diese beschaffen, 
und damit beginnt dann eine Arbeit, deren Freuden 
jeder kennt, der sich nicht zufällig auf eine reich 
ausgestattete Bibliothek stützen kann. Was man 
am (dringendsten braucht, ist bekanntlich immer 
verliehen. 

Dieser Universalität unserer Zeitschriften steht 
die unbestrittene Tatsache gegenüber, daß es nie- 
mand mehr fertig bringt, auf allen Teilgebieten 
auch nur eines Spezialfaches gleichmäßig zu Hause 
zu sein, von den Grenzwissenschaften völlig zu 
schweigen. Hirnanatomie und Heilpädagogik, 
Pathopsychologie und Serumforschung sind Ar- 
beitsfelder, die eine volle Kraft reichlich beschäf- 
tigen können, und wer nicht so glücklich ist, nur 
der Wissenschaft leben zu können, wird seinem 
Forschungsbereich vielleicht noch engere Schran- 
ken ziehen müssen. Das bedingt aber, daß für 
jeden Leser eines Fachblattes ein mehr oder min- 
der großer Teil der Artikel ohne Belang ist, dar- 
unter vielleicht gerade solche, die, wie die ana- 
tomischen mit ihren schön ausgestatteten Tafeln, 
für den Preis des Blattes von ausschlaggebender 
Bedeutung sind. Ihm wäre viel mehr gedient, 
wenn er sich je nach seinem Interessegebiet be- 
stimmte Zeitschriften oder Abteilungen von ihnen 
aussuchen könnte, während für den Zusammen- 
hang mit der Gesamtwissenschaft ein Referaten- 
blatt, daneben die reich besetzte Speisekarte der 
Jahresversammlungen sorgte. 

Zunächst sondert sich die normale und patho- 
logische Histologie der nervösen Zentralorgane als 
wohlumschriebenes Gebiet ab; kann diese Diszi- 
plin, wie heute die Sachen liegen, bei der kompli- 
zierten Technik nur von eingearbeiteten Fachleu- 
ten erfolgreich betrieben werden, stehen wir an- 
dern ihr gewissermaßen als gutgläubige Hörer oder 
bestenfalls als Dilettanten gegenüber, so wäre es 
gewib auch das beste, die einschlägigen Beiträge in 
einem eigenen Organ zu vereinigen. Dieses ließe 
sich schaffen, wenn die anatomischen Arbeiten aus 
dem „Archiv“ und der „Zeitschrift für die gesamte 


stens zurzeit für unmöglich halten, diese $ 


u 
AM 
Be M 
I 2: À 


Neurologie“ (im folgenden kurz als Gaupps z 
schrift angeführt), die diesen Forschungszweig w 
besonderer Vorliebe und hervorragender Ausu 
tung gepflegt haben, ausgeschieden würden, u | 
verschmolzen, meinetwegen als „Archiv für} 
gesamte Anatomie des Nervensystems”, erschE 
nen. Diesem ließe sich auch die Serologie zwa 
los angliedern. d 

Der klinische Teil des „Archivs” könnte dami 
ruhig bestehen bleiben. Er hat seine beson 
Note dadurch, daß er vorwiegend diejenigen RE 


tungen in der Psychopathologie vertritt, die and 


möglichst genauen Erfassung des einzelnen se 
ptoms festhalten, es aber überhaupt oder wei 


ptome zu großen Krankheitsbildern zu verein 
Ihm gegenüber vertritt dann Gaupps Zeitsch 
die Kraepelin sche Schule im weitesten Si 
Damit soll nun nicht empfohlen werden, für Geg 
wart und Zukunft alle neuen Arbeiten dogmai® 
abzustempeln und ie nachdem als klinisch uf 
symptomatisch auf die beiden Blätter zu vertei 
Solange aber beide Schulen ziemlich gleichmit 
unter den Psychiatern vertreten sind und keine 
willt ist, das Feld zu räumen, ist es auch ber 
tigt, wenn jede sich um ihre eigene Fahne 4 
melt. An Stoff wird es beiden Zeitschriften ú 
mals fehlen; und wenn die „Zeitschrift” in et 
langsamerem Zeitmaß, wieder in Heften und nig 
immer gleich in Bänden, erschiene, und ebenso 
„Archiv” ein wenig von. seiner unförmlichen Di 
verlöre, so würde das niemand für ein Une 
halten. i | 
Zweifelhafter mag sein, ob die allgemeine NE} 
chopathologie weiterhin mit der klinischen Pl 
chiatrie das Heim teilen oder sich ein elf 
errichten soll. Mit Rücksicht auf die recht WE 
schiedene Veranlagung selbst der Psyellg 
würde ich, wenn es nur-auf mich ankäme, das W 
tere vorziehen. Allgemeine Psychiatrie ist i. 
einmal zum guten Teil theoretische Psychiatrie 
rührt an die Psychologie, die Erkenntnislehre % 
Erblichkeitsforschung und manches andere, W 
die vielberufene Philosophie. Alles aber, WE 
Theorie heißt, ist oftmals dem praktisch veral ; 
ten Menschen ein Greuel, die. Beschäftigung 1f 
ihr hält er für Zeitverschwendung; und und 
kehrt hat der philosophisch gerichtete Kori mi 
nur wenig Sinn für Einzelforschung. Doch ist" \ 
zu verkennen, daß auch manches gegen emè l f 
i 

i 


che Trennung spricht, vor allem, dab Fragel | 
gemeiner und besonderer Art eigentlich in 1 
wirklich wichtigen Falle ineinander greifen ‚| 
ohne Gewaltsamkeit nicht zu sondern sind. E 


> eke Faden wird, “ad als warnendes 
Beispiel an das Schicksal der „Zeitschrift für Pa- 
thopsychologie” erinnern. 

| Noch schwieriger wird zu entscheiden sein, ob 
Neurologie und Psychiatrie zusammenbleiben sol- 
len oder nicht. Hier wird zu erwägen sein, daß es 
Zwischen beiden ein gemeinsames weites Ge- 
biet, die Neurosen, gibt, ‘ia, daß in einzel- 
nen Nervenkrankheiten der psychische An- 
keil so ..stark ist, daß man nur aus Höf- 
lichkeit da nicht von Psychosen spricht; und 
Selbst auf organischem Gebiet finden sich Über- 
Sänge, wie von der Tabes zur Paralyse. Auch 
dürfte hier der Universitätspsychiater und der 
N ervenarzt anders denken als der Arzt der. Pro- 
Winzialanstalt, der, früher wenigstens, bei seiner 
‚Tätigkeit Neurosen kaum zu Gesicht bekam. Heute 
"wo manche Anstalten halb leer stehen und über 
die unbelegten Häuser in mannigfacher Weise ver- 
fügt wird, mag das anders sein, und auch vor dem 
‚Kriege hat man doch schon einzelnen Anstalten 
‚Nervenpolikliniken angegliedert, um den Ärzten 
‚ein reichhaltigeres und therapeutisch dankbareres 
"Material zu bieten. - Alles das spricht wenigstens 
dafür, die Trennung nicht allzu rigoros durchzu- 
‚führen, während unter dem Gesichtspunkte der 
Ver billigung sich eine solche wieder empföhle; denn 
‚schließlich steht es ja jedem frei, sich beide Teile 
Zu halten. DS 
© Sehr wohl abgrenzen aber läßt sich wieder 
das Gebiet des Fdioten- und Schwachsinnigen- 
wesens, das zudem in der Fürsorgeerziehung und 
n der Heilpädagogik Beziehungen aufweist, die 
‚der übrigen Psychiatrie abgehen. Hier dürfte die 
‚irennung um so leichter sein, als einmal die 
Jugendlichen Kranken schon jetzt in besonderen 
‚Anstalten versorgt werden und auch Zeitschriften 
für die Erforschung der angeborenen Deiektzu- 
Stände bestehen, deren Rahmen nur etwas erwei- 
‚tert zu werden brauchte. 

E Mit dem Vorstehenden beabsichtige ich nicht 
a elir, a ein paar ee REN zu geben. 


p y 
a $ 


A 


Dracht werden müßte. Nur eine sollte unbedingt 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 1] 


erhalten bleiben, Laehrs „Allgemeine Zeitschrift 
für Psychiatrie”, die sowieso als das älteste Fach- 
blatt fordern kann, besonders berücksichtigt zu 
werden. Und gerade der Anstaltspsychiater sollte 
ihr Treue bewahren, da sie sich stets ganz hervor- 
ragend seiner wissenschaftlichen und wirtschaft- 
lichen Interessen angenommen hat, während die 
übrigen Blätter ihre Beiträge überwiegend aus 
Kliniken und Forschungsinstituten bezogen. Ihr 
ließen sich auch leicht wichtige Sondergebiete zu- 


= weisen, die ich im obigen noch gar nicht berührt 


habe, die sie zudem teilweise jetzt schon pflegt. 
Einmal das ganze Anstalts- und Irrenwesen, ferner 
die Berichterstattung über Kongresse und schließ- 
lich die gerichtliche Psychiatrie einschließlich des 


Irrenrechts und der Kriminalpsychologie, für die 


uns ja zurzeit, nachdem Aschaffienburgs 
schmerzlich vermißte Monatsschrift wohl end- 
gültig zu den Toten zu rechnen ist, ein eigenes 
Organ fehlt. ea: | 
Vollends von der Zusammenlegung unberührt 
bleiben würde die- „Psychiatrisch-Neurologische 
Wochenschrift”. Sie hat den Vorzug, häufig und 
regelmäßig zu erscheinen, und ist deshalb ja auch 
das anerkannte Nachrichtenblatt der deutschen 
Psychiatrie geworden, wie auch nur sie in der 
Lage ist, uns wichtige Verordnungen oder Ent- 
scheidungen bald bekannt zu geben. Durch ihr 
nachgrückliches Eintreten für die Standesinter- 
essen hat sie zudem ihre eigene Bedeutung für den 
Anstaltsarzt gewonnen. Der wissenschaftliche Teil 
sollte sich, wie es ja auch jetzt schon zumeist ge- 
schieht, auf den kurzen, orientierenden oder pole- 


mischen Artikel beschränken, insbesondere auch 


für die Erörterung von Zeit- und Tagesfragen zur 
Verfügung stehen. Und wenn die Redaktion neuer- 
dings die Buchbesprechungen besonders pflegen 
will, so dürfte auch das nur zu billigen sein. 

An die Mitarbeiter aller Zeitschriften sei aber, 
und diesmal gewiß im Einverständnis mit den 
Merausgebern, der Appell gerichtet, sich möglichster 
Kürze zu befleißigen, namentlich langatmige Lite- 
raturübersichten und historische Rückblicke zu 
meiden. So wertvoll diese oft sein mögen, so ge- 
hören sie doch mehr in monographische Darstel- 
lungen, während in Zuschriften zumeist, in erster 
Linie bei vielbesprochenen Fragen, der Hinweis 
auf die jüngsten Erscheinungen oder ein Sammel- 
referat genügen wird. Nur so wird es dem Leser, 
der doch in der Regel auch noch etwas anderes 
zu tun hat, möglich sein, nachzukommen und die 
Beiträge wirklich zu studieren, nicht nur wie 
einen Zeitungsartikel in der Diagonale zu überflie- 
gen; nur so wird sich auch das Siebenmeilentempo 


112 


der Gauppschen Zeitschrift auf ein etwas erträg- 
licheres Zeitmaß herabdrücken lassen. 

Schließlich noch ein Vorschlag, der zur Ab- 
wechslung an der Peripherie, bei den Abonnen- 
ten und Lesern, einsetzt. Benachbarte Anstalten 
könnten sich zusammentun, ihre Bibliotheksfonds 
wenigstens zum Teil vereinigen und die Hefte nach 
bestimmten Vereinbarungen untereinander austau- 
schen, während die abgeschlossenen Bände irgend- 
wo an bequem zu erreichender Stelle aufgestellt 


würden und jederzeit angefordert werden könnten. 


Dieses Verfahren ließe sich sogar auf Bücher aus- 
dehnen, die nur von begrenzterem Belang sind, 
und nicht, wie z. B. die grundlegenden Lehrbücher, 


Mitteilungen. 


— Auf ein Kapitel aus der Not des akademisch ge- 
bildeten Mittelstandes bezieht sich die Anfrage des 
deutschnationalen Abgeordneten Dr. Quaet-Fas- 
lem, Direktor des Prov.-Sanatoriums für Nerven- 
kranke Rasemühle bei Göttingen, im Preuß. Land- 
tag. „Es wird dem Staatsministerium bekannt sein, daß 
die Notlage der Volontärärzte an staatlichen Universi- 
tätskliniken und zum Teil auch öffentlichen Kranken- 
häusern groß ist, da diese mit regelmäßigen Dienststun- 
den in Tag- und Nachtzeiten verpflichteten Ärzte in un- 
richtiger Auffassung ihrer Arbeit als Ausbildungszeit so 
außerordentlich schlecht besoldet werden, daß sie zum 
Teil in ärgste Notlage geraten sind. Es handelt sich zu 
einem hohen Prozentsatz um verheiratete Ärzte und 
Familienväter. Was gedenkt das Staatsministerium zu 
tun, um dieser Notlage eines für die Volksgesundheit 
wichtigen Standes in Bälde abzuhelfen, zumal auch das 
Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung 
sich nach einer Verfügung vom 14. März 1921 der: Be- 
rechtigung der Forderungen der Bittsteller nicht ver- 
schlossen hat?” 

— Elite Jahresversammlung der Gesellschaft Deut- 
scher Nervenärzte. Freitag, den 16. und Sonnabend, 
den 17. September 1921 in Braunschweig, 

-© Donnerstag, den 15. Sept. nachm. 6 Uhr: Vorstands- 
Sitzung in der Wohnung des Herrn Dr. Loewenthal, 
l.öwenwall 23, abends 8 Uhr: Treffpunkt Parkhotel 
„Café Lück” (gegenüber dem Landestheater). Freitag, 
den 16. Sept. 9 Uhr: Sitzung in der Technischen Hoch- 
schule, Pockelsstr. 4. Bericht: Der amyostatische Sym- 
ptomenkomplex und. verwandte Zustände. Berichter- 
statter: die Herren Pollak, Wien, und Jakob, Hamburg, 
tür den anatomischen, Bostroem, Leipzig, für den klini- 
schen Teil. 12 bis 1 Uhr: Frühstück im Parkhötel „Café 
Lück” (Gedeck 18 M). 1 bis 5 Uhr: Bericht Bostroem. 
Aussprache zum Referatthema. Zur Aussprache sind 
vorgemerkt die Herren Kastan, Königsberg, und Spiegel, 
Wien. 7 Uhr: Gemeinschaftliches Essen im Hotel Deut- 
sches Haus, Ruhfäutchenplatz (Gedeck 25 M, kein 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[Nr. 17l i 


überall jederzeit zur Hand sein müssen. Vielle 
sind über den engen Bezirk der Psychiatrie hina 
solche Bibliotheksvereine eine Form, die einen gi 
wissen Ausgleich gegenüber den jetzigen Bich 
preisen schaffen könnten. Gliedern sie sich ene 
bestehenden öffentlichen oder halböffentlichen BE 
liothek an, so wäre ein Weg gewiesen, wie ein 
diese ihre heute viel zu schmalen Einkünfte, & 
meist schon von den Buchbinderkosten verzii 
werden, aufbessern könnten, während der abf 
wohnende Gelehrte in die Lage käme, seine & i 
dien bequemer und mit geringeren Kosten zui 
treiben. p 


Weinzwang. Sonnabend, den 17. Sept. 9 Uhr: Sa 
in der Technischen Hochschule. Geschäftliches W 
träge, Wahl des Vorstandes, des nächstiährigen WE 
sammlungsortes usw.). Vorträge. 12!/s bis 2 Uf 
Frühstückspause. 2 bis 5 Uhr: Fortsetzung der IE 
träge. Für Sonntag, den 18. Sept., sind Ausflüge uğ 
Wolfenbüttel, Hildesheim, Goslar (bzw. Harzburg) 
Aussicht genommen. Ferner laden Magistrat, Bad 
waltung und Ärzteverein des Bades Oeynhausen de 
der Tagung in Braunschweig teilnehmenden Hera 
einem Besuche Oeynhausens am 18. Sept. ein (Ab 
von Braunschweig am 17. abends 8 Uhr, Ankit 
Oeynhausen 10° Uhr; die Stadt Oeynhausen wird 
Herren freie Wohnung und erstes Frühstück .gewälg 
und am 18. mittags zu einem Frühstück einladen). 4 
Hotels in Braunschweig werden empfohlen: Park 
Deutsches Haus (beide im Zentrum der Stadt); am a 
hof: Monopol, Kaiserhof, Stadt Bremen, Preußischer IM 
Hospiz am Bahnhof. Einfacher: Bahnhofs-Hotel, M 
delshof, Börsenhotel. Ein Damen-Komitee, welches u$ 
für die Führung in der Stadt Sorge tragen wird, istf 
bildet. F 
Angemeldete Vorträge: i 2 
S. Auerbach, Frankfurt a. M.: Über zentrales Pepi 
nach Gehirn- und Rückenmarksoperationen. 
H. Bickel, Halle a. S.: Statistisches über die N 
- neurosen. | | 
A. Bingel, Braunschweig: Erfahrungen mit der Enzen 
lographie (mit Lichtbildern). 
A. Boettiger, Hamburg: Über Agraphie. p 
H. Curschmann, Rostock: Dystrophia myotonica 1 F 
myotonia. p. 
G. L. Dreyfus, Frankfurt a. M.: Prognostische Richtli K 
bei isolierten syphilogenen Pupillenstörungen. 
. Gerson, Bielefeld: Zur Ätiologie der multiplen w 
rose. fi 
. Goldstein, Halle a. S.: Die Stellung der Handset 
reflexe im amyostatischen Symptomenkomplet | 
. Josephy, Hamburg: Über einige seltene, klinisch ® 


p” En mm 


> ns 


ee ei 


anatomisch interessante Tumoren des Zentralnerven- 
systems (mit Demonstrationen). 
. Kastan, Königsberg: Gehirn und Nebennieren. 

F. H. Lewy, Berlin: Untersuchungen zur Pathologie und 
Ätiologie der Paralysis agitans. 

). B. Meyer, Würzburg: a) Über sensible Polyneuritis. 


© phie (mit Demonstrationen). 

(G. Mingazzini, Rom: Über motorische Aphasie (mit De- 

~ monstrationen). 

M. Nonne, Hamburg: Zur pathologischen Anatomie und 

© Klinik der Syphilis der Hypophyse. 

f. Hamburg: Über diffuse Karzinomatose der wei- 

© chen Hirn- und Rückenmarkshäute. 

N . Plate, Hamburg: Störungen der Funktion bei einigen 

" Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates 

© des Menschen und deren diagostische Verwertung 
(mit kinematographischer Vorführung). 

E. Spiegel, Wien: Physikalische Veränderungen am Ner- 

2 vensystem. | 

E. Trömner, Hamburg: Thema noch nicht mitgeteilt. 

iG. Voß, Düsseldorf: Die Salvarsanbehandlung der mul- 
 tplen Sklerose. | 

V. Weigeldt, Leipzig: Elektromyosraphische Studien 

über den Muskeltonus. 

. V. Weizsäcker, Heidelberg: Über den Mechanismus 
der Koordination. 

IM. Nonne, I. Vorsitzender, Hamburg, Neuer Jungfern- 

stieg 23. K. Mendel, Schriftführer, Berlin, Augs- 

i burger Straße 43. | 

Für den Ortsausschuß: A. Bingel, Braunschweig, 

Landeskrankenhaus. S. Loewenthal, Braunschweig, 

Y Löwenwall 23. 

— Verein norddeutscher Psychiater und Neurologen. 

Auf der letzten Versammlung in Kiel hat der Verein 


hr 
j 


idie nächste Tagung in Bremen abzuhalten. „Der a, 


auf Sonnabend und San den 5. und 6. November, 
Jin Bremen einzuladen. Die Verhandlungen werden aa 
2 Nachmittag in Bremen, Sonntag Vormittag ii 
Ellen stattfinden. 


den bis zum 1. Oktober an die Direktion des St. Jürgen- 
'Asyls Ellen, Post Hemelingen, erbeten. 

T Die endgültige Tagesordnung folgt Mitte‘ Oktober. 
Ellen, Juli 1921. Delbrück. 


Buchbesprechungen. 


— Lehmann, Privatdozent Dr. Walter, Assistent 
an der Chirungischen Universitätsklinik Göttingen: Die 
Smrungie der ee; ee mit pe- 


E T pari Bei, Wien 1021. Ve p von an 
E „Schwarzenberg. Geh. 54,00 M, geb. 69,00 .M. 
? Die Chirurgie der Nerven hat eine wesentliche 


- b) Ein besonders ausgeprägter Fall von Lipodystro- 


‚norddeutscher Psychiater und Neurologen beschlossen, 


ee Hambu rg. 


8.1057 bis 1059. 
Anmeldungen zu Vorträgen und Vortührungen wer- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 113 


Wandlung erfahren; man glaubte früher, daß Nerven- 
regeneration nur vom zentralen Stumpf. aus vor sich 
geht, und daß es daher einerlei sei, wieviel man bei 
Resektion vom peripheren Ende opfert. Heute weiß man, 
daß das periphere Ende von nicht geringerer Bedeutung 
ist. Man nimmt ferner an, daß in dem Neurom nicht 
eine Narbe, sondern ein wichtiges, zu schonendes Re- 
generationsprodukt zu sehen ist. 


Man weiß ferner, daß es keinen Nutzen hat, große 


Defekte mit Hilfe gefüllter Agarröhrchen zu überbrücken, 
da das Experiment zeigt, daß der Agar zerbröckelt und 
die Nerviendasern zwischen: den zerklumpten Agarmassen 
doch Neurome bilden; daß es keinen Nutzen hat, wenn 


man bei Defekten nur tubuliert, während der Versuch 


lehrt, daß Nerven auf keine größere Distanz in einen 
leeren Raum’ hineinwachsen. Auch ist der Bau der Ner- 
ven durchaus nicht so einfach, wie ihn Stoffel glaubte 
darstellen zu Können; seine Untersuchungen sind bereits 
überholt. Der Faserverlauf ist von einer verwirrenden 
Kompliziertheit, zu schweigen vom Plexus. Wichtig ist 
auch, daß ein sensibler Nerv gegen das; gleiche Trauma 
widerstandsfähiger ist, als ein motorischer., 

Die Darsitellung , gliedert sich in Pathogenese und 
Klinik ider Nervenverletzungen, Prognose und Therapie 
derselben, allgemeine und spezielle operative Technik 
und postoperative Behandlung, Operationsmethoiden bei 
großen Nervendefekten, spezielle Chirurgie der Verlet- 
zungen der einzelnen Nerven. 

Nach dem Geleitwort von Prof, Stich bedarf ‚es 


keines ‚besonderen Hinweises auf das Bedeutungs- und 


Verdiensivolle dieses ausgezeichneten, in seiner Art ein- 
zigen Werkes. Ausstattung und Abbildungen, besonders 


die mehriarbigen Plexusabbildungen, sind ganz vor- 


züglich. 


- Therapeutisches. 


— Zur Grippeerkennung und Grippebehandlung. 
(Zugleich Beil (räge zur unabgestimmien Immunität.) Von 
H. Much, H. Schmidt und F. Peemöller in 
Münch. med. - Wochenschr. 1920 Nr. 37 


-Als Eiweißantigen diente ein Gemisch reaktiver 
Stoffe +) aus der Leibessubstanz apathogener Bakterien, 
die im Tierversuch eine bedeutende Steigerung der unab- 
gestimmien Immunität hervorzurufien imstande waren 
(Vakzine I). Als Lipoidantigen dienten besonders ver- 
arbeitete Gallen (Vakzine II), und als Fettantigen beson- 
ders hergestellte Emulsionen animalischer Fettstoff:: 
(Vakzine I). 

Diese Antigene wurden einzeln und in Mischun; 
(Vakzine IV) verwandt. Nachdem ihre Unschädlichkeii 
im Tierversuch mehrfach festgestellt war, wurden Ein- 
spritzungen mit ihnen in idie Gesäßmuskeln gemacht. 
Anfangs wurde nur 1 cem jeden zweiten oder dritten 


1) Die fabrikmäß ige H erstellung der Immunvollyak- 
zine wird von der Firma Kalle & Co., Biebrich, ausge- 
führt. 


To u 5 ee 1 


114 
Tag, später mehr, bis zu 6 bis 8 ccm seingespritzt. 
Schädliche Folgen traten niemals ein, besonders trat nie 


Schüttelfrost auf. ` Im Gegenteil, bei manchen Fällen mit 


Fieber fiel die Temperatur unmittelbar ab, die Zyanose 
schwand und das Allgemeinbefinden war sichtlich ge- 
bessert. 

. Bei 91 behandelten Grippekranken waren sieben 
Todesfälle, darunter ein Fall mit gleichzeitiger dissemi- 
nierter Lungentuberkulose zu verzeichnen. Dies ent- 
spricht einer Sterblichkeit von 7,2 v. H. Vergleicht man 
nun weiter die Anzahl der Todesfälle (7) mit der Anzahl 
der schweren’ Lungenkomplikationen (54), so gelangt 
man zu ‚einer Sterblichkeit von 13 v. H. Demgegenüber 
betrug die Sterblichkeit bei der letzten Grippeseuche 
im allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Eppendorf 23,5 
vom Hundert. 

Bedenkt man einerseits, daß die schweren. Formen 
von Zyanose als Folge der Lungenkomplikationen jeder 
üblichen Behandlung, die auf Steigerung der Kreislaui- 
energie abzielte, trotzten, und daß anderseius die Be- 
handlung mit Vakzinen in einem Krankensaal vorgenom- 
men wurde, der absichtlich mit solchen schweren Fällen 
belegt wurde, dann kann man sich nicht der Einsicht 
verschließen, daß. die Vakzinebehandlung ganz Vorzüg- 
liches geleistet hat. 

Eine logische Folgerung des Gesagten wäre die, (das 

Mittel nicht nur so früh als möglich bei- eingetretener 
Grippe zu geben, sondern in Zeiten einer Grippeseuche 
das Mittel da prophylaktisch anzuwenden, wo eine An- 
sueckungsmöglichkeit gegeben ist, damit eben der An- 
griff der Krankheit sofort einen stark bewehrten Körper 
vorfindet. 


Personalnachrichten. 


— Zur Wiederbesetzung des Lehrstuhls für Psy- 
chiatrie und Neurologie an der Universität Marburg 
ist an Stelle des Geh. Med.-Rats R. Wollenberg ein Ruf 
an den a. o. Professor an der Münchener Universität 
Dr. Georg Stertz, Oberarzt an der psychiatrischen 
Klinik, ergangen. Prof. Stertz, der zugleich an der 
Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie tätig ist, 
ist aus Breslau gebürtig. Seine Lehrer waren Ziegler, 
Wernicke, Bonhoeffer und Nonne. 1907 wurde Stertz 
Assistent an der Breslauer psychiatrischen Klinik bei 
Sonhoeffer, kam später an die Bonner Klinik unter Prof. 
Westphal und habilitierte sich 1910 für Psychiatrie. 
Michaelis 1912 kam er als Oberarzt an die Breslauer 
Klinik, erhielt hier die venia legendi und später das Prä- 
dikat Professor. Seit zwei Jahren wirkt Stertz in Mün- 
chen, wo er zum nichtplanmäßigen a. o. Professor be- 
fördert wurde. Seine Arbeiten betreffen Fragen aus 
dem Gebiet der Hirnpathologie, Neurologie und Psy- 
chiatrie. (Schles. Ztg.!.1921 Nr. 338 vom 13. Juli.) 


(Auszug aus der 
Schriftenwarte 


— Das schrecklich teure Buch. 
„Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft”, 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) Erschei i ; E mmer i 
zü i i : Na N eint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnu pg 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der En cheinahne 6 Bao or der Ausgabe. 

Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S.— Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚nicht so leicht wieder aus der Hand! 


‘mein Hirn. Und also fuhr ich fort: „Dieser Stumm $ 


EREN. 
TAN 
VA fa 
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SS 
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(Nr. 1% 
der Sächsischen Schulzeitung 1921 Nr. 4 vom 235. M 
1921.) 

Ich hatte mir wieder ein Werk von Wilhelm w 
Polenz zugelegt, den Roman „Thekla Lüdekind”. T 
dicke Band lag auf dem Tische. Mein Freund ba 
ihn, blätterte, stieß auf die Auszeichnung. — Zwam 
Mark! Es ist toll!” rief er. — „Und zwanzig Proz 
Buchhändlerzuschlag. Ein Buch vierundzwanzig Ma 
dafür kaufte man ja früher die halbe Welt.” | 

Und heute? Es reizte mich schon lange, dief 
hauptung von den hohen Buchpreisen ad absurdum 
führen. Und also sagte .ich diesmal nicht einfach‘ 
Bequemlichkeits-Ja. „Und heute?” wiederholte I 
„Heute erhältst du eine ganze Welt dafür. Denn di 
Buch hier ist eine Welt, bevölkert von lebendigen N 
schen. Thekla, Artur, Wanda, Wernberg, ach, # 
ich doch nicht erst zu zählen an! Die Reihe: ist so 
und so reizvoll; denn es sind nicht nur Namen, m 
wirkliche Gestalten, Menschen von Fleisch und 
von Physiognomie, Träger von Gefühls- und Gedank 
werten. Überhaupt, dieser Reichtum an Beobachtung 
‚Erfahrungen, Gedanken. Du mußt überlegen, es isti 
irgendein Roman von irgendeinem Schriftsteller, 
du willst, lasse ich dich gerne eine halbe Stunde 
Kannst einmal ein Kapitel lesen. Du legtest das M 
Und nun dei 
vierzig bis fünfzig Stunden edelsten Genusses bie 
dir! Wie billig! Rechne dir aus, was dich ebenso 
Stunden Theater, Konzert, Kaffee, was du sonst Wi 
kosten. Aber die Rechnung stimmt ia noch gar ii 
Ein Werk wie dieses schöpft man auf einmal nicht 
Man liest's wieder, verdoppelt sich den Genuß, die I 
den des Genusses. Und da denke ich noch gar nicit 
den Dichter, was ihn selbst das Werk kostete: & 
man schreibt nicht bloß mit Tinte, man schreibt 4 
mit Blut, mit Lebenskraft, man gibt sich, gibt seine Ñ 
Und der alles kauft, zahlt lumpige vierundzwä 
Mark!" | | I 

Im Eifer war ich mit meiner Zigarre an die I 
kante gestoßen, die Glut zerstob und sie durchbi 


der letzte von acht Zigarren, die ich mir vol a 
Woche kaufte. Da brachte ich mir auch die W 
Reclam-Bücher dort mit, jedes hat vier Nummer 
sind ‚Sternsteinhof, und ‚Schandileck’ vom alten, Sg 
Anzengruber, zwei Werke, die ich dir nicht zu I 
brauche. Es kostet jedes knapp fünf Mark. Un 
Zigarren? Genau so viel.” Der Freund stutzte. « 
also, mein Lieber. Schrecklich teuer sollen die BW 
sein? Der ‚Sternsteinhof’, der ‚Schandileck' — "$ 
für Stück für vier Zigarren! Sind da die Bücher 
spott-, nein geradezu beleidigend billig?” (Versl.® 
die Schrift von Dr. Felix Meiner: Warum sind ' 
Bücher so teuer? Drei Aufsätze über Buch 
Bücherkäufer und Verfasser. Lpg. Verl. d. Deut 
Verlegervereins 1920. 19 S. 22:15 geh. Preis 00 | 

Oskar Schr 


a 


Dreiundzwanzigster Jahrgang. Nr. 19/20. 1921/22. 


j Psychiatrisch- -Neurologische 
| Wochenschrift. 

1 Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 

ie Verlag und Ausgabe: Carl Marhold -Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 


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Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


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| 

| Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
| Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzite. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat Dr. Beyer, Roder- 


= (Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. ‚IIberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 

T Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 

€ Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 

Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München. Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler. Kreuzburg (Oberschlesien). 


| Nr. 19/20. 


N 
I 


1921/22. 


13. August 


AE Bezugspreis: 
P M 7,50 für das Vierteljahr, die 
= Abonnementspreise für das Aus- 
~ land werden nach der vom Deut- 
| schen Buchhandel vorgeschrie- 
~ benen Verkaufsordnung für das 
Ausland berechnet. Zu beziehen 
© durchied. Buchhandlung, d. Post 
 u.unmittelbar vom Verlage. Er- 
= scheint bis auf weiteres vier- 
| zehntägig in Doppelnummern. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
I mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 


Br X ER | 
ostscheck | Leipzig 32070 laß gewährt. ee 


Inhalt: Sanitätsrat Dr. Karl Edel F (S. 115.) — Soziale Psychiatrie. Von Prof. Raecke, Frankfurt. (S 116.) — 

Pn Noch einmal: Sparsamkeit in der Irrenanstalt. Von Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler. (S. 119.) — Blinden- . 
Chrift, eine Beschäftigungsart für Kranke. Von Dr. Schmitz, Rockwinkel. (S. 120.) — Gegenwärtiger Stand der 
=amilienpflege. (S. 121.) — Zum Verständnis einiger extrapyramidaler Innervationsstörungen. Von Dr. Arthur 
Adler. (S. 122.) — Mitteilungen. (S. 123.) — Referate. (S. 123.) — Buchbesprechungen. (S. 124.) — Therapeu- 
o tisches. (S: 125.) — Personalnachrichten. (S. 126.) | | 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 
Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale 


Sanitätsrat Dr. Kari Edel f 


m 16. Juli dieses Jahres starb Sanitäts- mit Geisteskranken wurde er von seinen 


rat Dr. Karl Edel im fast vollendeten 
84. Lebensiahre, der Begründer und Be- 
sitzer der bekannten Privatirrenanstalt in 
Charlottenburg, die er. aus kleinen Anfängen 
heraus zu einer der größten Anstalten 
Deutschlands entwickelt hat. Im Jahre 1837 
in Köslin in Pommern als Sohn eines Kunst- 
tischlers geboren, studierte er in Berlin 
Medizin und praktizierte 7 Jahre in Stolp 
in Pommern. Dann bildete er sich unter 
Westphal und Griesinger in der Psychiatrie 
aus, studierte in Wien bei Benedikt und 
eröffnete 1869 ein ursprüngliches Badehaus 
als „Asyl für Gemütskranke”, welches da- 
mals noch ganz isoliert weit vor den Toren 
Berlins lag. Bei der Belegung der Anstalt 


Freunden Sander, späterem Direktor in 
Dalldorf, und Prof. Mendel tatkräftig unter- 
stützt. Seiner Energie, seinem : Unterneh- 
mungsgeist und seinen organisatorischen 
Fähigkeiten, sowie seinem regen (eist, 
seinen liebenswürdigen Umgangsformen, 
seiner Trinkfestigekeit und seinem Humor 
verdankt er seinen Ruf und den Aufstieg 
der Anstalt, da er bei den Ärzten bald ein 
gern gesehener Kollege war, dem viele ihre 
Patienten anvertrauten. Er verstand es, 
sein Personal für sich zu gewinnen, von 


dem Gesichtspunkt ausgehend, leben und 


leben lassen, so daß er einen Stamm er- 
probten und tüchtigen Wirtschafts- und 
Pilegepersonals um sich versammelte, welche 


116 


denn auch teilweise viele Jahre lang der 
Anstalt treu blieben. Großen Wert legte 
er auf gute Verpflegung und gute Behand- 
lung seiner Patienten, und er war selbst 
unermüdlich im Kontrollieren des Personals 


und im Besuchen seiner Kranken tätig, die. 


ihn wie einen Vater verehrten. Auch sonst 
war er gemeinnützig tätig. Er war lange 
Jahre Stadtverordneter 
Stadtrat in Charlottenburg und nahm regen 
Anteil an der Entwicklung der Stadt, deren 
Einrichtungen er fördern half. So war er 
Vorsitzender der Krankenhausdeputation 
und Dezernent des Schulwesens. In den 
Vereinen, denen er angehörte, wurde sein 
Rat wegen seines praktischen, klugen Sinnes 
und scharfen Verstandes gern gehört. Fine 
große Zahl angesehener Ärzte haben als 
Assistenten unter ihm gewirkt. Die An- 


en 


lo iges sam 


Soziale Psychiatrie. 
Von Prof. Raecke in Frankfurt a. M. 


In seinem beachtenswerten Aufsatze über die 

„sozialen Aufgaben des Irrenarztes” hat Roe- 
mer!) auf die Notwendigkeit hingewiesen, die bis- 
her allzu einseitig von dem (Grundsatze der An- 
staltsverpflegung beherrschte deutsche Irrenfür- 
sorge durch großzügigen Ausbau einer „freien Für- 
sorgetätigkeit” für die sei es nicht mehr, sei es 
noch nicht anstaltsbedürfitigen Geisteskranken zu 
ergänzen. Seinen Vorschlägen, die, gestützt auf 
die Erfahrungen von Moeli, Bleuler, Kolb 
u. a., darauf abzielen, unnötige Aufnahmen zu ver- 
meiden und möglichst frühzeitige Entlassung der 
Giebesserten herbeizuführen, stimme ich im allge- 
meinen durchaus zu, da ich selbst seit Jahren ähn- 
liche Absichten verfolge.) Die im Jahre 1914 in 
Frankfurt a. M. erfolgte Schaffung einer Fürsorge- 
stelle für Gemüts- und Nervenkranke wurde zu- 
nächst durch den Kriegsausbruch an einer gedeih- 
lichen Entfaltung gehindert. Als endlich im Jahre 
1919 an ihren Ausbau herangerangen werden 
konnte, habe ich in einem Antrage an die städti- 
schen Behörden folgendes ausgeführt: 

„oeit Jahren schon ist es das Bestreben der hie- 


t) Diese Zeitschrift 22, Jahrg. Nr. 45-46. 
°) Die Irrenpflege 19. Jahrg. Nr. 3 bis 6, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nerven- und Geisteskranke und 130 Per- P 


und unbesoldeter 


stalt umfaßt jetzt über 500 Plätze für P 
sonal mit eigener Betriebskrankenkasse und P 
hat eine jährliche Aufnahmeziffer von mehre- P 
ren Tausend Kranken. In den letzten 10 
Jahren seines Lebens war Sanitätsrat Dr. 
Karl Edel durch Krankheit an der Lei- 
tung der Anstalt gehindert. Sein Werk 
wurde durch seine Söhne fortgeführt. Jeder, P 
der ihn gekannt hat, wird ihm eine dank- P 
bare Erinnerung bewahren, und wenn er 
auch weniger durch wissenschaftliche Ar- 
beiten hervorgetreten ist, hat die Psychiatrie 
in ihm doch einen Mann von vorbildlichen 
praktischen und rein menschlichen Fähig- 
keiten verloren, einen rech en Irrenarzt, aber © 
auch ein Original und starken Charakter. f 
M. E. 


sigen Anstaltsleitung gewesen, die Zahl de $ 
staltsinsassen dadurch zu verringern, daß cin 
sche Geisteskranke möglichst. bald nach AW 
ihrer Erregungszustände , welche die Aufn 
veranlaßt hatten, wieder zur Entlassung geng 
wurden. Indessen lehrte die Erfahrung, dab sid | 
allzu oft wegen eingetretener geistiger De 
nicht mehr imstande waren, sich selbständig i 
Freiheit zu halten. Waren nicht hilfsbereit 4 
gehörige vorhanden, die auch das erforder 
Verständnis besaßen, um unter Schonung K4 
hafter Eigenheiten eine gewisse Aufsicht und! 
terstützung zu gewähren, so ließ sich selten 
baldige Wiederaufnahme umgehen. Der Ves | 
hier in Frankfurt, wie in manchen anderen 08$ 
den, die Unterbringung chronischer Geisteskt@] 
in fremden Familien gegen Bezahlung durchug 
ren, hatte sich leider nicht bewährt. Um $0 "$ 
wurde diesseits die Gründung einer Fürsorge $ 
Beratungsstelle für Geisteskranke im Jahre l 

begrüßt. Die weitere Entwicklung dieses $ 
dienstvollen Unternehmens der Zentrale IW 
vate Fürsorge wurde aber zunächst durci 
Kriegsausbruch sehr behindert. Jetzt endlich 
scheint der richtige Augenblick gekommet: $ 
diese Einrichtung in großzügiger Weise als 


sam tn 


1921) 


bauen und damit eine bleibende Entlastung der An- 
Stalt von chronischen Pfleglingen anzustreben, die 
fach der ganzen Art ihres Leidens zur Überfüh- 

Bing in die Landesanstalten nicht geeignet sind. 

-= Eine unbedingte Voraussetzung für das Gelin- 
“ eines solchen Unternehmens bleibt, daß den 
ersuchsweise entlassenen Kranken eine fortlau- 
iende Beaufsichtigung und Beratung durch die mit 
hren Eigenheiten vertrauten Anstaltsärzte ge- 
i währt werden kann. Daher ist von vornherein 
ine Vereinigung der neuen Fürsorgestelle mit der 
Poliklinik der Anstalt in Aussicht genommen wor- 
llen. Indessen stand dem die Schwierigkeit ent- 
E egen, daß gerade die aufsichtsbedürftigsten Pa- 
4 


! 


enten sich nur ungern in den Räumen der Anstalt 
I wieder einfinden aus ,Argwohn, sie Könnten dann 
I Binmal gegen ihren Willen dort wieder festgehalten 
werden. Eine wirklich erfolgreiche ärztliche. Be- 
atung dürfte sich vielmehr nur auf neutralem Bo- 
tle on regelmäßig durchführen lassen, indem unsere 
i oliklinik zu diesem Zwecke nach außerhalb ver- 
egt würde. Es ist nun von der Fürsorgestelle der 
echt beherzigenswerte Vorschlag gemacht wor- 
Élen, daß die Stadt die früheren Räume der Gesell- 
‚schaft zur Bekämpfung der Schwindsuchtsgefahr 
m alten Senckenbergischen Gebäude mieten und 
gur Unterbringung unserer Poliklinik ` herrichten 
möge. Die dadurch entstehenden Kosten dürften 
änerheblich sein im Vergleich mit den Summen, 
Welche bei früherer Entlassung chronischer Kran- 
i er sich würden ersparen lassen. Gleichzeitig 
"Würde mit einer solchen großzügigen Ausgestal- 
‚tung der Fürsorge für Geisteskranke dem heutigen 
allgemeinen Bestreben Rechnung getragen werden, 
j ie Freiheit des Einzelnen tunlichst zu schonen und 
tur in dringenden Notfällen zu zwangsweiser In- 
ternierung zu schreiten. | 
‘© Es würde sich dann die zukünftige Irrenfür- 
sorge in Frankfurt etwa folgendermaßen gestalten: 
u l. Möglichst rasche Aufnahme der akut Er- 
© . krankten zum Zwecke der Heilbehandlung 
= und Wiederentlassung. | 
IM 2. Vorübergehende Aufnahme von Erregungs- 
= _ Zuständen im Verlaufe einer chronischen Er- 
= krankung und Entlassung unter die Aufsicht 
= der Fürsorgestelle, sobald die dei ab- 
7 geklungen ist. 
us 3. Regelmäßige poliklinische Beaufsichtigung 
und ärztliche Beratung der in solcher Weise 
der Fürsorgestelle überwiesenen früheren 
Patienten durch die mit ihren Eigenheiten 
wohlvertrauten Anstaltsärzte. 
- Wir bitten um tunlichste Unterstützung dieser 
hier dargelegten Bestrebungen und des Antrages 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚anderen Ärzten behandelt worden. 


14:79, 


Ga 


auf Verlegung der Poliklinik für Gemüts- und Ner- 
venkranke nach der Stadt.” 

Diesem Antrage ward entsprochen, die Für- 
sorgestelle selbst wurde von der Stadt übernom- 
men, und die bisherige Entwicklung der neuen 
Schöpfung hat sich in recht befriedigender Weise 
vollzogen. Freilich hat sich herausgestellt, daß die 
Eirentümlichkeit der Großstadtverhältnisse man- 
cherlei kleine Abänderungen des ursprünglichen 
Programms, welches sich ja weitgehend mit den 


Roemerschen Vorschlägen ‘deckt, wünschens- 
wert erscheinen ließ. Ich möchte auf einige 
dieser Unterschiede gegenüber den Erforder- 


‚nissen einer ländlichen I UL SPFRESTCIE aufmerksam 


machen: 

Auf dem Lande gird die betreffende Heil- und 
Pilsseänstält stets der alleinige Mittelpunkt für die 
Beratung aller von ihr in den eigenen Bezirk ent- 
lassenen Patienten bleiben. Dagegen in der Groß- 
stadt liegt die Sache oft insofern verwickelter, als 
dort aus-den verschiedensten Anstalten der Umge- 
bung die Entlassenen zusammenströmen. : Mag 
auch ein Teil von ihnen bei der ersten Erkrankung 
durch die Aufnahmeabteilung desselben Stadtasyls 
gegangen sein, so sind doch selbst derartige Fälle 
in der Regel bald abtransportiert und lange Zeit in 
auswärtigen Anstalten verpflegt, also von ganz 
Der Fürsorge- 
arzt muß daher mit der Leitung. der verschieden- 
sten Anstalten Fühlung zu erlangen suchen. Es 
wird ihm sehr erwünscht sein, von überall her Be- 


richte über die Eigenart der in den Bereich seiner 


Fürsorgestelle tretenden Kranken gleich bei deren 
Entlassung zu erhalten. Er wird sich aber ‘auch 
verpflichtet sehen können, Rückfällige, die aus der 
fremden Anstalt nur beurlaubt waren, direkt an 


‚diese zurückzusenden, ohne stets den Umweg über 
die eigene Anstalt zu wählen. 


Erhebt er gegen 
solche Wünsche Einwendungen, läuft er leicht Ge- 
fahr, die ihm so notwendige Zusammenarbeit mit 
den Ärzten der anderen Anstalten ungünstig zu 
beeinflussen. Er wird also bei der Überwachung - 
und Beratung der Geisteskranken seiner Stadt, zu- 
mal wenn er in ausgedehnterer Weise Hausbesuche 
den poliklinischen Sprechstunden anschließt, sich 
immer ‚gewissermaßen als Beauftragten ‚der ver- 
schiedensten Anstaltsleitungen fühlen müssen, da- 
mit er nicht den befriedigenden Ausbau seiner Für- 
sorgestelle überhaupt gefährdet. Das ist der eine 
Punkt, dessen Erwähnung mir wichtig erschien. 
Ein zweiter recht wesentlicher Unterschied ge- 
genüber -den ländlichen Verhältnissen ist durch die 
starke Menschenanhäufung in der Großstadt ge- 
geben. Es ist kaum mehr Ausnahme, es ist gerade- 


be 


118 


zu Regel, daß in der gleichen Mietskaserne, in wel- 


cher sich ein unserer Fürsorge bedürftiger Patient 


‘befindet, außerdem noch andere reizbare Psycho- 
pathen wohnen, die mit dem ersteren in Reibungen 
geraten sind und den ganzen Erfolg der Fürsorge 
in Frage stellen, wenn es nicht gelingt, auch auf sie 
einen besänftigenden Einfluß zu gewinnen. So 
führt mancher Hausbesuch dahin, daß die Fürsorge 
sogleich wieder auf eine neue Person ausgedehnt 
werden muß, und gelegentlich zeigt es sich dann, 
daß die letztere sogar noch mehr der Beratung be- 
darf, daß ihr aufreizendes Verhalten an den Erre- 
gungen des ersten Kranken wesentliche Schuld 
trägt. Es sind ia durchaus nicht immer die ausge- 
sprochenen Psychosen, welche in der Großstadt 
am meisten zur Störung der Öffentlichen Ordnung 
und Sicherheit Anlaß bieten, sondern die überaus 
zahlreichen Psychopathien. 

Der von psychiatrischer Seite kürzlich ange- 
fochtene Ministerialerlaß über die Notwendigkeit 
einer Psychopathenüberwachung hat für groß- 
städtische Verhältnisse sicher seine Berechtigung. 
Will man als Fürsorgearzt das immer rege Miß- 
trauen der Psychopathen überwinden und sie an 
freiwilligen Besuch der Fürsorgestelle gewöhnen, 
geht es nicht an, sie durch einen beliebigen An- 
staltsarzt kontrollieren und sie durch Schreiben der 
Direktion einer Irrenanstalt zur Unterredung in 
deren Räumen einladen zu lassen. Grundsätzlich 
muß in der Großstadt die Fürsorgestelle räumlich 
von der Irrenanstalt getrennt sein und ein beson- 
derer „externer” Arzt ist mit der viel Zeit und 
Mühe erfordernden Arbeit der Psychopathenüber- 
wachung zu betrauen. Das hindert natürlich nicht, 
daß er selbst von Beruf Psychiater und aus den 
Reihen der Anstaltsärzte hervorgegangen ist. Ich 
glaube, in diesem Punkte ist der erwähnte Ministe- 
rialerlaß vielfach mißverstanden worden. 

Sehr beachtenswert ist vor allem für die groß- 
städtischen Verhältnisse die Warnung Roemers, 
daß der Charakter der Beratungsstelle als einer 
. Fürsorgeeinrichtung den praktischen Ärzten gegen- 
über nie in Frage gestellt werden sollte, damit nicht 
der Anschein eines Wettbewerbs mit dem um sein 
Dasein ringenden Ärztestande aufkommt. Gerade 
in Großstädten, wo sich schon zahlreiche erfahrene 
Psychiater als praktische „Nervenärzte” niederge- 
lassen haben und zum Teil: gut eingeführte Poli- 
kliniken leiten, ist in dieser Hinsicht höchste Vor- 
sicht geboten. Der fiskalische Gedanke, daß die 
Fürsorgestelle durch gleichzeitige Behandlung mög- 
lichst vieler „nervöser” Kassenpatienten sich nicht 
nur selbst erhalten, sondern noch Überschüsse ab- 
werfen Könnte, liegt gewiß nahe. Allein, wenn die 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


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g 


[Nr.190 


Fürsórgestelle anfängt, den Spezialärzten den Va 
dienst zu schmälern, kann sie nicht Anspruch 
deren wohlwollende Unterstützung und Förde 
erheben, die ihr andererseits für ihr Gedeiher® 
bedingt notwendig ist. Nur da wird es nämlichgi 
lingen, restlos alle in Frage kommenden Fälle dmi 
einheitlichen Beratung und Überwachung zuzik 
ren, wo alle praktischen Ärzte gewillt sind, gei 
nete Patienten zuzuweisen. Ein solcher Willet 
steht nur solange, als die durch öffentliche Mii 
unterhaltene Fürsorgestelle selbstlos für die Alf 
meinheit einschließlich der Ärzteschaft arbeit 
kostenlos Untersuchungsbefund und therapeutis 
Vorschläge zur Verfügung stellt, dagegen von® 
Behandlung fremder Patienten vorsichtig die Hän 
wegläßt; es sei denn, der betreffende Kollege hif 
ausdrücklich einen Fail „zur weiteren Behand 
geschickt. Am besten wäre es zweifellos, wie ú 
auch Roemer andeutet, die praktischen Nenti 
ärzte an der Arbeit der Fürsorgestelle in irga 
welcher Art mit zu interessieren. Je einwandi 
sich die psychiatrische Leitung dieser Stelle «i 
Konkurrenzkampfe fernzuhalten vermag, um% 
eher wird sich eine wahre Zentrale für psydi 
trische Beratungen ausbauen lassen.. Sonst uğ 
steht nur eine neue poliklinische Sprechsung 
neben vielen anderen. d 

Andererseits darf sich die Wirksamkeit der P 
sorgestelle nicht ängstlich auf den Bereich & 
eigenen Stadt beschränken. Nicht nur die Vor 
auch die kleineren Nachbarstädte haben nad 
seren Erfahrungen ein deutliches Interesse danii 
ihren Rat für geeignete Fälle in Anspruch u 
men, und das ist gut so, weil viele, die in der ME 
stadt zur Arbeit gehen, mit ihren Familien mE 
Umgebung wohnen. Sobald jedoch andere ME 
sorgestellen in der näheren Umgebung entsti 
gilt es, mit ihnen in Verbindung zu treten und 
meinsame Fälle gemeinsam zu bearbeiten. a 
mählich mag sich so mit der Zeit ein Netz vereill 
ter Fürsorgestellen über eine ganze Provinz 45 
spannen. | 


Alle die hier besprochenen Bestrebungen KS 
sich mit dem von mir schon früher ?) gebraud? 
Ausdrucke „soziale Psychiatrie” vortrefflich 
zeichnen. Indessen verbinde ich mit diesem y 
griffe nicht lediglich die Vorstellung einer prak 
angewandten Irrenheilkunde, sondern welt me 
Soziale Psychiatrie ist nach meiner Auffassung i 
besonderer Zweig unserer Wissenschaft, der ; 
her neben der klinischen Psychiatrie. zu sehr "i 


S a 


3) Moderne Irrenfürsorge und soziale psychia 
Westdeutsche Ärzteztg. 12. Jahrg. Nr. 3. 


nachlässigt wurde. Die klinische Psychiatrie macht 
“den einzelnen Geistesgestörten zum Gegenstande 
"ihres Studiums, wie er ihr losgelöst von den Bezie- 
hungen zur Außenwelt in der Anstalt entgegentritt, 
“und erhebt nur insoweit seine Anamnese, als das 
“für Gewinnung von Diagnose, Prognose und Thera- 
“pie erforderlich erscheint. Dagegen richtet die so- 


[hungen des Geistesgestörten zur Umwelt ihre 
i zu Familie, Schule, Beruf, Rechtspflege, Kunst, 


issenschaft, Literatur, Religion,. Politik usw. 


seiner Rückwirkung auf die Gesellschaft dem Stu- 


y dium der sozialen Psychiatrie, und gerade für die 


Į psychiatrischen Fürsorgestellen wertvolles Mate- 


+) Zeitschr. f. d. ges. Neur. u. Psych., Orig. Bd. 63 


fziale Psychiatrie gerade auf die gesamten Bezie- 


i Beuteilung dieser Fragen werden die Akten der- 


\ tial ansammeln. Kraepelin‘) hat kürzlich aus- - 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT | 119 


geführt, wie die „Entwurzelung’” einer Persönlich- 
keit aus ihrem Kreise die Psyche schädigt, und wıe 
umgekehrt ungünstige persönliche. Eigenschaften 
eine Selbstentwurzelung verursachen; auch der- 
artige hochwichtige Untersuchungen gehören in 
das Gebiet der sozialen Psychiatrie, bilden für sie 
iedoch immer nur eine kleine Teilauigabe und 
machen lange nicht ihr alleiniges Wesen aus, wie 
ein Referent?) jener wertvollen Arbeit angenom- 
men zu haben scheint. Ebenso hat Enge‘) den 
Begriff nicht weit genug gefaßt. 

Die gewaltigen Aufgaben der sozialen Psychia- 
trie, dieses jüngsten Zweiges unserer Wissenschaft 
sind. eben bisher überhaupt bloß bruchstückweise 
in Angriff genommen worden und harren noch ganz 
einer wirklich umfassenden Bearbeitung. Für For- 


schung wie Praxis eröffnet sich hier ein großes und 


dankbares Arbeitsfeld! 
5) Zentralbl. f. d. ges. Neur. u. Psych. Bd. 25 S. 113. 
6) Soziale Psychiatrie. Berlin 1919. | 


Von Sanitätsrat 


„same Wirtschaft, in Einklang mit der allgemeinen 
„Notwendigkeit, das Geld zusammenzuhalten, und 
‚besonders von Berlin aus, wo sonst am wenigsten 
‚ gespart und durch Anzeigen in Tageszeitungen das 
„wenige Geld in ausländische Spielhöllen gelockt 
„Wird, hört man alltäglich das Klagelied. 

hi Kranke zum Gegenstand oder gar Mittel des 


“ 
u 


„Sparens machen, ist mißlich und schmerzlich. Kör- 
„Perlich Kranke können sich dagegen wehren, wenn 


auch nur durch Einspruch; Geisteskranke können . 


es überhaupt nicht oder ohne Aussicht auf Erfolg. 

Der Magen ist das einzige an ihnen, was man für 
„voll” hält. 

j Darum ist es Sache der Irrenärzte, immer wie- 
der zu betonen, daß die Irrenanstalt nicht der Ort 

ist, wo gerade bis aufs Äußerste gespart und darin 

mit Verwaltungen anderer Art gewetteifert wer- 


den muß. SEN 
= Man sollte sich‘lieber danach richten, wie ein 


‚ ken Angehörigen gegenüber verhält, und das Kran- 
kenhaus soll doch dem Kranken gute Pilege in 


gesunder, natürlicher Familiensinn sich kran- 


Noch einmal: Sparsamkeit in der Irrenanstalt. 
(Siehe Nr. 1-2 Jahrg. 23 ‘der Psychiatrisch-Neurologischen Wochenschrift.) 


Dr. Joh. Bresler. 


der Familie nach Möglichkeit ersetzen, womöglich 
mehr leisten, als die Angehörigen imstande sind. 


Wir dürfen nicht zulassen, daß die Irrenanstalt 


in dieser Hinsicht schlechter gestellt wird als das 
Krankenhaus. 

Wer etwa die Irrenanstalt durch das Gewinn- 
glas ansieht oder meint, daß vaterländische For- 
derungen durch ihre Kosten nicht geschmälert, der 
deutschen Rasse Daseinskampf nicht gelähmt wer- 
den darf durch Ausgaben für Pflege Unheilbarer, 
auch körperlich Unheilbarer, der möge doch ernst- 


lich bedenken, wieviel Arbeitskraft und Geld und- 


Zeit vergeudet wird für Dinge, die uns nicht nur 
keinen Nutzen, sondern sogar Nachteil bringen. 
Hier zuvor möge weise. Volkswirtschaft kräftig 
einsetzen und sparen. Besonders da wir jetzt den 
sroßen Aufstieg zu Volkswohlfahrt im Galopp 
machen und zum Gipfel wahren Menschenglücks 
so viele Bars, Kinos, Varietees, Spielhöllen und un- 
sezählte andere schöne, den Schritt beschleunigen- 
de Sachen mit emportragen — warum wir plötz- 


lich sọ sehr eilen und ob wir etwa, oben angelangt, 


in den Abgrund (der „Vollkommenheit” stürzen, 
darüber braucht sich keiner den Kopf zu zerbre- 
chen —, da also können wir getrost auch Irren- 


TE TE TTS en, EEE Te ET Eurer } 


120 


anstalten, aber nur freundliche, einladende, mitneh- 
men. Denn wir werden sie da:oben im grellen 
Blendstrahl zaubervoller Offenbarungen brauchen 
können. 

Es wird jetzt soviel von Reform..des Irren- 
rechts gesprochen und geschrieben, als wenn 
dieses das Wesentlichste und Wichtigste wäre. 
Ich sehe darin gar keinen Fortschritt. Es kostet 
kein Geld, gibt den Anschein rechtskundiger Ge- 
iehrtheit und Schlauheit und liegt in der Mode. 
Andere Zeiten, andere Rechte. Der Arzt, der die 
praktischen und wissenschaftlichen Ziele der Irren- 
kunde und -pflege im Auge behält, lächelt über 
solch Begriffstüfteln und Wichtigtun. Für das 
innere Schicksal des Geisteskranken ist es 
ziemlich gleichgültig, in welche Art von Rechtsior- 
men sein Dasein eingerahmt oder eingepfercht 
wird. | | 

Die Entdeckung einer Krankheitsursache oder 
eines sicher wirkenden Heilmittels ist‘ unendlich 
wichtiger als ein paar Hundert Paragraphen, da 
kann Parteimeinung und Zeitströmung sich nicht 
unnütz machen. j 

Viel wichtiger und schwieriger ist es auch, 
unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Lei- 
stungsfähigkeit der Irrenpflege einigermaßen 
auf der Höhe zu halten, die ihr aus menschlichen 
und wissenschaftlichen Gründen gebührt. 

Wenn wir nicht immer wieder unsere warnen- 
de Stimme hören lassen, ist Gefahr, daß die Irren- 
pflege auf den Zustand wie vor 100 Jahren zu- 
rücksinkt. 


Blindenschrift, eine Beschäftigungsart für Kranke. 


Von Dr. Schmitz, Sanatorium Rockwinkel bei Bremen. 


I’ unseren Krankenanstalten liegen auch heute 
noch viele Kräfte brach, die einer zweckvollen 
Arbeit zugeführt werden könnten, eine Tatsache, 
die heute mehr denn je Beachtung verdient. Nicht 
leicht ist es, insbesondere für Intellektuelle unse- 
rer Anstalten, eine zweckvolle Arbeit zu finden, 
eine Arbeit, die der Mühe lohnt, die keines großen 
Aufwandes bedarf und unschwer zu erlernen ist. 

In der Übertragung von literarischen Werken 
in Blindenschrift (Braillesche Punktschrift) ist uns 
eine Beschäftigungart gegeben, die diesen Bedin- 
gungen voll entspricht. Lohnend wahrlich ist das 
Ziel, mitzuhelien an dem Ausbau der Bibliothek für 
unsere Blinden. Billig und einfach ist das Material: 
eine Blindenschrifttafel mit Griffel und Korrigier- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Worte sinngemäß beherzigen, mit denen der priii 


[Nr. 197] 


Es ist z. B. bemerkenswert, daß, während doal 
die freiheitliche Bewegung der letzten Jahre in wf 
sentlichen Zügen auf .die „Mein-und-dein”-FragE 
und das „Dein-sei-mein”-Gebot hinausläuft, di 
Frage des Arbeitsverdienstes der GeisteskrankuE 
in den Anstalten so wenig Beachtung findet. F 

Es ist bemerkenswert, dab die freiheitliche BE 
wegung sich so bescheiden mit der Erreichw 
äußerer Freiheit zufrieden gibt und der inneren 
wenig Beachtung schenkt. Wie wenig bedent 
doch das, was Paragraphen dem GeisteskrankE 
gewährleisten können, gegenüber dem Zwang, dB 
ihm das Seelenleiden auflegt. E 

Möchte doch jeder, der sich mit den wirtschä® 
lichen Nöten der Irrenpflege beruflich oder als Vef 
wandter eines Anstaltsgeisteskranken befas 
muß, und noch mehr jeder, der es nur als Ste 
zahler tut, die schlichten, aber um so wahrer 


gekrönte, seit fast einem Vierteliahrhundert Wf 
währte „Leitfaden der Irrenpflege” von L. Schol 
(Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. 

1921, 15. und 16. Auflage) eingeleitet ist: „Behand® 
jeden Kranken so, wie du selbst behandelt swf 
möchtest, wenn du das Unglück haben solltest, 
Geistesstörung zu verfallen. Niemand, auch Uf 
nicht, ist davor sicher, geisteskrank zu werd 
und in einer Anstalt sein Leben beschlieben 1 
müssen, sei es vielleicht auch erst in den Tag 
des Alters, wenn die Geisteskräfte schwinden DE 
körperliche Störungen eine häusliche Pflege ugi 
möglich machen.” F 


stift, zwei Leitfaden, Blindenschriftpapier (Bogi 
20 Pî.); 30 bis 40 Mark betragen die Kosten. i | 
der Hand eines Leitfadens ist man in kürzester # d 
imstande die Blindenschrift zu schreiben, WIE 
gleich naturgemäß zu einer größeren Fertigkeitif 
Sicherheit nur Übung es bringen kann. 

Die Hochschulbücherei, Studienanstalt und P 
ratungsstelle für blinde Studierende (e. V.) in Nu | 
burg a. d. Lahn, Wörthstraße 9-11, stellt def 
Material zum Selbstkostenpreise zur Verfügus $ 

Jeder Lernende sendet kurze Proben in pig 
denschrift mit dem Schwarzdruckoriginal IE 


‚tungsausschnitt) an die Geschäftsstelle ein “ 


Probe wird hier durchgesehen, Fehler werden j 
läutert, und mit Verweis auf die betreffenden FF 


= 1921] 


< graphen im Leitfaden wird die Probe zurückge- 
Fg Der Unterricht ist kostenlos, da die Bera- 
< tungsstelle hierdurch Abschreiber und Abschreibe- 
rinnen für ihre Bibliothek sich heranzuziehen sucht. 


Die Familienpflege der Anstalt Dalldori während 
und nach dem Kriege. 


Von Oberarzt Dr. C. F. van Vleuten. 


m „Eine Übersicht über die Entwicklung der 
el Rn. der Irrenanstalt Dalldorf 


Meinem Vergleich der Zahlen gewinnen; in Role“ 
U dem habe ich Bestand, Zu- und Abgang der männ- 
Wichen und weiblichen Pfleglinge aus den Jahren 
W 1914 bis 1921 zusammengestellt, wobei zu bemer- 
W ken ist, daß es nicht erforderlich erschien, weiter 
i zurückzugreifen, da die Abrechnung 1914 bis 1915 
"i noch ganz normale Verhältnisse aufwies. 


"i 


Abgang 


T | 
Jake a ae 
gi männ.| weibl.| männ.| weibl.| männ.| weibl. 

1914/15 | 150| 152 | 54 | 92 |66(3)| 85 
1915/16 | 127| 154| 35 | 58 |58(6)|56 (2) 
1916/17 | 112 | 130 | 46 | 52 161 (9)|76(3) 
1917/18 88 | 116 | 37 | 44 161[11)| 58 (4) 
į 1918/19 86 | 107 | 28 | 38 |31(7)|47(1) 
= 1919/20 76| 99| 17 | 29. |27(4)|37 (2) 


1920/21 75 | 86.127 | 27.1 28.10.40 


© Gegenüber diesen Zahlen läßt sich feststellen, 
1 daß die Familienpflege die Kriegszeit auffallend gut 
4 überstanden und damit ihre innere Lebensfähigkeit 
erwiesen hat. Wie erklärt sich nun der Rückgang 
um fast genau 50 v. H. von 1914 bis 1921. Zu- 
i nächst ist bemerkenswert die außerordentlich er- 
i höhte Sterbeziffer; während die Zahl der Gestor- 
N benen sonst, wenn nicht Zufälligkeiten mitsprachen, 
"etwa ein oder zwei ie Jahr betrug, haben wir in 
den Jahren 1914 bis 1921 im ganzen 52 Todesfälle, 
| die im wesentlichen auf die näheren oder entfern- 
A. teren Wirkungen der Hungerblockade der Entente 
N zu beziehen sind. Die meisten Todesfälle, 15 an 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


121 


Werken herangehen kann, so liefert die Beratungs- 
stelle Schwarzdruck und Papier und stellt leih- 
weise eine Pichtsche Schnellschreibpunktmaschine 
kostenlos zur Verfügung. Die Abschrift kommt als- 
dann allen Gebildeten, insbesondere den kriegs- 
blinden Akademikern zugute. 


Gesenwärtiger Stand der Familienpflege. 
(Fortsetzung aus Nr. 5/6, S. 31.) 


der Zahl, fallen in das berüchtigte Kohlrübenjahr 
1917-18. Ferner schieden allmählich diejenigen 
Pflegestellen aus, die gewerbsmäßig einige nicht 
arbeitende Kranke verpflegten. Obwohl wir 
im Laufe der Kriegsjiahre das Pflegegeld von 30 M 
bis auf 75 M als Höchstgrenze erhöht haben, zeigte 
sich begreiflicherweise, daß es besonders in der 
Nachkriegszeit unmöglich war, für. dieses Entgelt 
einen Kranken, der sich nicht selbst nützlich macht, 
zu verpflegen. Wie aber die Kosten der Lebens- 
haltung sich erhöhten, so wurde auch jede Arbeit 
wertvoller und so versteht es sich, daß Kranke, 
die sich in irgendeiner Weise im Haushalte oder 
sonst beschäftigten, trotzdem gehalten werden 
konnten. Nicht arbeitende Pfleglinge wurden nur 
dann weiterhin im Pflegeverhältnis behalten, wenn 
irgendwelche Gründe der Pietät mitsprachen, wie 
bei nahen Verwandten und auch bei einigen Pileg- 
lingen, die schon sehr lange in der betreffenden 
Pilege sich befanden und in die Familie gleich- 
sam eingewachsen waren. Weiterhin schie- 
den — dieses’war als ein für die Verwaltung glück- 


licher Umstand anzusehen — eine größere Anzahl 


Kranker aus, deren Arbeitsfähigkeit bei mittlerer ` 
Koniunktur nicht in Betracht kam, die aber in der 
Hochspannung, der Kriegsjahre in irgendeiner Er- 
satzstellung genügenden, mehrmals sogar reichli- 
chen Verdienst fanden. Einige dieser Fälle sind 
jetzt nach dem Kriege wieder zur Anstalt zurück- 
gekommen, weil die sich mehrende Arbeitslosigkeit 
sie mit Naturnotwendigkeit wieder ausgeschieden 
hat aus dem schaffenden Volkskörper; andere habe 
ich aus dem Gesichtskreis verloren. Waren dies 
Momente, die den Abgang vermehrten, so litt unter 
denselben Verhältnissen auch der Zugang. Jede, 
auch die geringste Arbeitsmöglichkeit wurde wäh- 
rend des Krieges bis zum äußersten ausgenutzt, die 
größten Verdienstmöglichkeiten winkten, und so 
versuchte es mancher, der sonst die Pflege aufge- 
sucht hätte, mit der Entlassung, bzw. versuchten 
es die Angehörigen. Und andererseits lehnten 
selbst gutwillige nahe Verwandte (Eltern, Kinder) 


122 


die Inpflegenahme ab unter dem Hinweis auf die 
nicht zu ertragenden Kosten. 

In der Nachkriegszeit kommt dazu die Schwie- 
riekeit der Unterbringung. Zahlreiche Fälle müs- 
sen zur Anstalt zurück, weil die Familie selbst sich 
durch Kriegsteilnehmer, Flüchtlinge oder sonstwie 
vergrößert hat, und nun den bisher den Pfleglingen 
überlassenen Raum nötig hat. Die Wohnungsirage 
ist auch erschwerend wirksam bei den Pflegestel- 
len, indem wir wegen der Wohnungsnot nicht mehr 
wie früher offene Pflegestellen gleichsam auf 
‘ Vorrat halten können, sondern von Fall zu Fall 
die Unterbringung versuchen müssen. 

Bei der Auswahl der Pflegestellen während des 
Krieges war entscheidend die Ernährungsirage; so 
kam es, daß im wesentlichen ländliche Pflegestel- 
len bevorzugt und solche in der Stadt nur berück- 
‚sichtigt wurden, wenn für die Verpflegung eine 
gewisse Gewähr gegeben war, städtische Pilege- 
stellen ganz ohne ländliche Beziehungen erwiesen 
sich gewöhnlich als unhaltbar. Selbst beim besten 


Willen der Pflegehalter kamen die Pfleglinge sehr 


bald mit Klagen über ungenügende Ernährung. 
Was die Entwicklung der Familienpflege in der 
Zukunft betrifft, so ist es bei der Dunkelheit der 
äußeren und inneren Lage überhaupt sehr schwer, 
etwas zu sagen. Es scheint jedoch so, als ob die 
Abnahme der Zahlen jetzt ihr Ende erreicht habe 
und als ob jetzt wieder ein Anstieg eintreten werde. 
Dieser Anstieg ist um so mehr zu wünschen, als 
bei der ungeheueren Steigerung der Kosten für die 
Haltung der einzelnen Kranken in der Anstalt eine 
starke Zunahme der Familienpflege sehr erfreulich 
wäre. Denn sie ist begreiflicherweise noch immer 
ganz unvergleichlich billiger ‘als die Anstaltsbe- 
handlung. Aus diesem Gesichtspunkte ist unlängst 
beschlossen worden, die Sätze für die Pflege er- 
heblich, wahrscheinlich um 100 v. H. zu erhöhen. 
Ich glaube, daß dann eventuell auch wieder solche 
Pflegestellen anwachsen werden, die berufsmäßig 
zwei, drei oder mehr nicht arbeitende Pfleglinge 
versorgen, wodurch sicher in einigen Jahren die 
alte Zahl der Pileglinge wieder erreicht, vielleicht 
überschritten werden würde. Um dem Mangel 
an ofienstehenden Pilegestellen abzuhelfen, wurde 


P 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‘wurden, erscheint ein derartiges Verbot nicht md 


\ 


[Nr. 190 


beim Magistrat beantragt, die Verfügung, web 
verbietet, Pfleglinge zu Beamten und Angestelltai 
der Anstalt zu geben, wieder aufzuheben. Beid 
ausgezeichneten Erfahrungen, die an anderen A 
stalten mit der Inpflegegabe zu Beamten gem 


in ul: BRETT 


zeitgemäß. Es steht zu hoffen, daß wir auf die 
Weise auch wieder Pflegestellen, die wir nach 
darf belegen können, in größerer Anzahl anf 
Hand bekommen. 


$ 


Galkhausen, Rheinland. 


Die im Jahre 1902 von mir hier eingeführte fÆ 
milienpflege blieb zunächst in bescheidenen Gr 
zen. Erst als im Jahre 1913 auf meinen Antrag mg 
und einem Anstaltsarzt eine längere Studien 
nach Anstalten mit Familienpflege ermöglicht WE 
hob sich die Zahl der Pfleglinge rasch und bewa 
sich bald zwischen 60 und 70. Mit dem Kri 
winter 1916-17 begann die Zahl zu sinken, ind 
zunächst wegen. der Ernährungsschwierigkäit 
viele Kranke zurückgebracht wurden oder zurid 
genommen werden mußten. Eine weitere Sek 
trat ein, als aus gleichem Grunde reine Pilegin@ 
nicht mehr übernommen wurden, und als die aga 
stalt die Arbeitsfähigen selbst dringend benötige 
Nach Kriegsende und Umsturz mußte auber& 
der Standpunkt vertreten werden, den Bedari $ 
Arbeitskräften unter der Bevölkerung in ee 
Linie durch diè Arbeitslosen decken zu lasi 
In. Verfolg dessen wurden im Jahre 1919 ak 
beitsfähigen Kranken in die Anstalt zurückgezf 


Es sind zurzeit nur noch drei Kranke in Ping 
verblieben, und zwar auf ihren eigenen, teils W 
Pfilegefamilie dringenden Wunsch. 

"Ein Wiederaufblühen der Familienpflege ist" 
absehbare Zeit hier nicht zu erwarten. Es hindi ] 
das die allgemeine wirtschaftliche Not, der WE 
nungsmangel, aber auch der Umstand, daß die ME 
sige Anstalt zu zwei Drittel von der Besatzung f 
schlagnahmt ist, und daher nicht mehr genig@ 
Bestand und Zugänge hat, um davon noch aji 
geben. HertinsE 


Zum Verständnis einiger extrapyramidaler Innervationsstörungen. 


Von Dr. Arthur Adler. 


I)‘ Kleinhirn vermag vermöge seiner Ver- 
bindungen mit Rückenmark und Großhirn bei 
willkürlichen Bewegungen den Kontraktionszu- 


stand der RE OR wie er durch “i 
vom zentralen Höhlengrau ausgehen 
Reflextonus und die über den Linsenkef 


£ geleitete Erschlaffungswirkung des Groß- 
ürns bedingt ist, zum Zwecke der Stetigkeit 
und Kraftentfaltung der innervierten Bewegun- 
zen zu regulieren.*) 
n Und zwar geschieht das in der Weise, daß durch 
‚das Kleinhirn auf dem Wege: Bindearm, nucl. 
j woei; Großhirnrinde die Er schlaf- 
Wing der Antagonisten vermindert, 
zermittelst der absteigenden Kleinhirn- 


E +) cf. Arth- Adler, Die Symptomatologie der 
Xleinhirnerkrankungen, Wiesbaden 1899, S. 69-70, und 
lerselbe, Über die Beziehungen des Kleinhirns zur 
multiplen Sklerose. D. m. Wchschr. 1901 Nr. 8. 


© — Reichsverband. Wie uns von Herrn Geheimrat 
Puczek, Marburg, mitgeteilt wird, muß der dort für 
liesen Herbst geplante Fortbildungskurs in 
1Somatischer Medizin für Psychiater leider ausfallen, da 
mich zu wenig Teilnehmer (bisher nur acht!) dazu fan- 
den. Marburg hält sich aber für nächstes Jahr bereit. 
Es ist das recht bedauerlich. Wir müssen zusehen, 
“daß der Kurs 1922 unter allen Umständen zustande 
“Kommt. Die in Betracht kommenden Herren müssen 
I lann ihre Entschlüsse rechtzeitig fassen und sich späte- 
MStens bis zum 1. Juli gemeldet haben. Baumann. 


— Schreibgebühren für Reinschrift der Gutachten 


| „Die Schreibgebühr beträgt für die Seite, welche 
“ mindestens 32 Zeilen von durchschnittlich 15 Silben 
a enthält, 2 M, auch wenn die Herstellung auf mechani- 
schem Wege stattgefunden hat. Jede angefangene 
Seite wird voll berechnet.” | 

© NB! Die erhöhte Gebühr gilt auch in den schon 
inhängigen Rechtssachen, soweit die Instanz am 1. Aug. 
nicht beendigt ist. Rein. 


Idie meisten meiner Leser wissen, daß viele Personen 
¢ 1. weiblichen Geschlechts in eine neurotische Angst 
[Werfailen, wenn sie Mäuse zur Schau bekommen. Be- 
onders fällt die Angst vor Mäusen bei ausgesprochen 
teurotischen Frauen auf. Ich forschte nach und konnte 
Mich überzeugen, daß die Maus (Fledermaus) ein 
Vogel” ist, der eine Rolle bei dem Verrat der Geliebten 
Spielt, und zwar macht die Fledermaus den Verrat des 
Mannes. Auf einmal wird die Sache klar! Die Maus 
st ein sexuelles Symbol, ein Symbol des Verrates, und 


“7 9) Vergl. Psych.-neurol. Wochenschr. XXII Nr. 51-52 
IS. 390. 


— Aus dem Reich der Psychoanalyse. „Ich glaube, 


1921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 123 


bahn aber der Reflextonus gehemmt 
werden kann. 


Dementsprechend © wird bei Zerstörung des 
Linsenkerns (Pseudosklerose usw.) eine durch 
Antagonisten - Hypertonie verursachte Steilig- 
keit, bei Bindearmläsionen eine abnorme 
Muskelschlaffiheit beobachtet; Läsionen 
der im Seitenstrang absteirgenden Klein- 
hirnbahn aber erzeugen klinisch durch den Fortfall 
ihrer den Reflextonus hemmenden Wirkung Ver- 
minderung, solche der den Reflextonus unter- 
haltenden Hinterstrangsbahnen aber Ver- 
mehrung der passiven Beweglichkeit. 


Mitteilungen. 


die Frau, die sich beim Anblick der Maus so ängstigt, 
ist ein Opfer ihres unbewußten, sexuellen Komplexes 
des Verrates des Geliebten. Der sexuelle Komplex der 
Maüs ist ein-masochistischer, 
Neurotische der Qual der Gefühle beim Verrat des Ge- 
liebten ergibt.” (Neurolog. Zentralblatt 1920 S. 804.) 
Parturiunt mentes, nascetur ridiculus mus! B. 


— Folgende Mitteilung hat die Rheinisch-W estiäli- 
sche Gefängnisarztvereinigung den übrigen Gefängnis- 
ärztevereinigungen zur Kenntnis gebracht: 

„Die Jusitzverwaltung tritt durch die Gefängnis- 
direktoren an die Gefängnisärzte heran mit dem , An- 
suchen, in Zukunft sämtlichen Gefängnisbeam- 
ten Unterricht in "der Medizin zu erteilen 
(Anthropologie, Seelenkunde usw.), und 
zwar zweimal wöchentlich. Ein derartig ausgedehnter 
Unterricht übersteigt erheblich die in unserem Vertrage 
festgelegten Abmachungen, die dahin gehen, daß eine 
Anzahl von -Aufsehern in der ersten Hilfeleistung unter- 


wiesen werden soll. -Der ständige Unterricht muß 


selbstverständlich besonders honoriert werden. Es 
empfiehlt sich daher, grundsätzlich den Unterricht nicht 


abzulehnen, jedoch die Zustimmung abhängig zu machen 


von einer besonderen Honorarleistung (20 bis 30. M je 
Stunde).” 


Referate. 


-— Fin Beitrag zur Frage von Simulation und Gei- 
steskrankheit. Von Kürbitz, Sonnenstein. Allgem. 
Zeitschr. f. Psychiatrie Bd. 77 


K. erörtert zuerst alle jene Momente, die zur Ent- 


scheidung der Frage, ob iemand eine Geisteskrankheit 
simuliert oder nicht, von Wichtigkeit sind. 

Sodann bespricht er drei Fälle, die mit der Diagnose 
Simulation gemäß § 81 StPO. der Landesanstalt Son- 
nenstein überwiesen wurden. 

Bei dem einen war Simulation angenommen worden, 
während es sich in Wirklichkeit, wie die Beobachtung 


indem sich die 


124 


einwandfrei erwies, um einen Epileptiker mit Dämmer- 
zuständen handelte. 

Ein andermal hatte ein Jahr vor der Einweisung 
eine Haftpsychose bestanden, und es sollte nun entschie- 
den werden, ob Verhandlungsfähigkeit vorlag oder ob 
der Betreffende nur simulierte.. Auch hier zeigte sich 
wohl Aggravation, aber im übrigen eine Reihe krank- 
hafter Symptome, die ein ferneres Aussetzen des Pro- 
zesses unbedingt nötig machten. 

Eingehend wird schließlich die Beobachtung des 
dritten Falles wiedergegeben, in dem es sich um Simu- 
lation bei einem sonst geistesgesunden Mann handelte; 
er begann, das ist psychologisch interessant, mit der 
Vortäuschung, als er hörte, daß sein Komplize in eine 
Irrenanstalt gebracht worden sei. In Sonnenstein ließ 
er dann allmählich die Maske fallen, begann bei der Ent- 
lassung sein altes Spiel wieder, um es nach zwei Tagen 
definitiv aufzugeben, als ihm der Richter das Resultat 
des ärztlichen Gutachtens mitteilte. .Auch im Prozeß, 
der ihm eine mehrjährige Zuchthausstrafe einbrachte. 
benahm er sich durchaus normal und verteidigte sich 
sehr schlagfertig und zungengewandt. (Eigenbericht.) 

— Beitrag zur Verantwortlichkeit des Irrenarztes. 
Von Siemerling. Archiv für Psychiatrie Bd. 60. 

Unter ausführlicher Darlegung eines einschlägigen 
Falles bespricht Siemerling dieses für jeden Psychiater 
so wichtige Thema. Es handelte sich um einen Fall von 
Wochenbettpsychose auf psychopathischer Grundlage, 
in dessen Verlauf Patientin aus dem Fenster sprang; 
eine Klage auf Schadenersatz der Körperverletzung war 
die Folge. Verf. vertritt die Anschauung, möglichst frei 
zu behandeln, selbst wenn dadurch das Verantwortlich- 
keitsgefühl größer wird. Kürbitz, Sonnenstein. 


Buchbesprechungen. 


— Schmiz, Privatdozent Dr. Karl: Die medizini- 
sche Fakultät der Universität Bonn 1818 bis 1918. 103S. 
Bonn 1920, Verlag Marcus & Weber. 7,00 M. 

Einen lehrreichen Beitrag zur Geschichte der Medi- 
zin stellt dieser sorgfältig bearbeitete Überblick dar, der 
uns die Entwicklung ärztlicher Kunst und Wissenschaft 
in Bonn — und allgemein gesprochen in Deutschland —- 
anschaulich vor Augen führt, uns mit vielen berühmten 
Männern bekannt macht und mit den verschiedenen Krö- 
nungen der einzelnen Epochen. 

Möchte dem deutschen Bonn trotz der Nöte der Zeit 
ein zweites, gleich ruhmreiches Jahrhundert beschieden 
sein. Kürbitz, Sonnenstein. 

— Friedländer, Prof. Dr. A. Freiburg i. Br.: 
Die Hypnose und die Hypnonarkose. Für Medizin- 
studierende, praktische und Fachärzte: Mit einem An- 
hang: Die Stellung der medizinischen Psychologie 
(Psychotherapie) in der Medizin. 121 S. Stuttgart 
1920, F. Enke. 

„ich halte alle die Hilfsmittel, welche von den sie 
Anwendenden selbst als ‚Kniffe' bezeichnet werden, für 
entbehrlich, der Sache und dem Sachwalter wissen- 
schaftlichen Abbruch tuend.” .. . „Ich habe die ver- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[Nr. 1006 


schiedenartigsten Krankheitszustände, Angehörige ada 
Bildungsgrade und Lebensstellungen hypnotisch beha 
delt; ich konnte nicht beobachten, daß die suggestiide 
Wirkungen bei Weglassung jener ‚Kniffe’, welche 
ein Grund sind, vielen die Beschäftigung mit der Hypu : 
unsympathisch zu machen, gelitten hätten” (S. 10 

Ref., der wohl alle im Laufe der letzten dreii 
Jahre erschienenen ärztlichen Bücher über Hypnose gi 
lesen und nicht wenige davon besprochen hat, dem ai 
ältere Literatur darüber nicht unbekannt ist, gestii 
offen, auch auf diesem Gebiet zu den Zweiflern und 
släubigen oder wenigstens Schwergläubigen zu ® 
hören; jener Grundsatz und die sich streng foigerih® 
darauf aufbauende voraussetzungslose Auffassung ii 
natürliche Behandlung des Gegenstandes haben denti 
für diesen Zweig der ärztlichen Wissenschaft in ii 
Weise wiedergewonnen, wie es nur wenige Bücher ii 
Hypnose vermochten. 

Die Darstellung erschöpft den Stoff und der 
halt ist gut und übersichtlich gegliedert: Zur Gesch 
und Psychologie der Hypnose. Hypnose und Hysi 
(Ist ein besonderes Gesetz notwendig?). Bewuli 
und „Unterbewußtsein”. Die Hypnose als Zweig E 
seelischen, der psychopädagogischen Behandlung. VE 
ist der Hypnose zugänglich? Wie sind die Suggestio f 
zu gestalten? Birgt die Hypnose Gefahren in siig 
Zur Frage der „Willensschwächung” und „Hörigkdf 
Die Stellung der Umwelt zu dem Psychotherapeit 
und umgekehrt. Umfang und Grenzen der Hypni 
A. Als Heilbehandlung, 1. bei Psychoneurotikern, 2 1 
Morphium- und Alkoholkranken. B. Symptomals 
1. als schmerzbekämpfendes, 2. als beruhigendes NE 
(„Grundsatz muß werden: Seelische, nicht pharmo 
gische Behandlung”), 3. zur Bekämpfung von ld 
krasien. Hypnose und Chirurgie. Narkose — Hypa 
C. Die Hypnose als differentialdiagnostisches Hilismit | 
Die Hypno-Narkose. Allgemeines über 
Hypnose und Hypno-Narkose. Wer soll und MẸ 
hypnotisiren? Die Technik der Hy 
und der Hypno-Narkose im besonder 
Vor der Operation. Während der Operation. MẸ 
der Operation. Der hypnotische Dauerschlaf. “$ 
hypnotische Nachbehandlung. Allgemein-Narkos, 
kalanästhesie, Hypno-Narkose. Anhang: Die St 
lung der Psychotherapie in der Medi 
Medizin und Kurpfuschertum. Was lernt der Stud 
von „seelischer Behandlung”? Beispiele für die FW 
welche aus der Unterschätzung der Suggestionel i 
vorgehen. Vorschläge zur Verhinderung dieser FW 
Die medizinische Psychologie muß Lehr- und Prii 
gegenstand werden. I 

Anschauliche, gutgewählte Beispiele aus der m 
als zwanzigjährigen Erfahrung des Verfassers sind # | 
geflochten. Besonders beachtenswert sind die BESTE 
von Folgen unbedachter ärztlicher Aussprüche (S! i 

Der „Stellung der Psychotherapie in der Med 
ist eine besonders eingehende Erörterung gewi 
Darauf beruht eben Entwicklung und wiss® | 
schaftliche Sicherstellung der Hm | 


$ B . 
bi 

RR: 
I 


- 192 1] 


ehre. Sehr treffend ist gesagt und es möchte immer 
4 Beherzist werden: „Der Dozent für Psychotherapie dari 
keiner Richtung angehören, vielmehr müssen alle Rich- 
tr ngen ihm angehören” (S. 117). 


T Auch ich halte eine zehnstündige theoretische Aus- 
dung (S. 119) in medizinischer Seelenkunde und -be- 
handlung für ausreichend, wenn die praktische gründ- 
i „lich in klinischen Übungen erfolgt; denn es handelt sich 
‚um Ergänzung der Klinik für Nerven- und Geistes- 
Krankheiten. Daß die Krankenvorstellung nicht so ge- 
ibt werden kann, wie sonst in der Klinik, weil die Klar- 
Stellung des seelischen Bestandes zu viel Zeit erfordert 
und nicht jeder Kranke vor einem größeren Zuhörer- 
kreis diesen Bestand wird klarlegen lassen wollen, wird 
E Verf. betont. Er spricht daher von Seminar statt 
Hyon Klinik. 
~ Möge das Buch A. Friedländers uns in ein 


(6 


„Zuhörerkreis nicht zu biet.n wagen würden, außer dem 


“neugierigen und neuheitslüsternen Pöbel; der Dozent 
m, aber, der in der Studentenschaft ein kritisch denkendes 
Publikum von guter allgemeiner Vorbildung vor sich 
hat und dessen wissenschaftliche Tätigkeit in organi- 
Chem Zusammenhang mit derjenigen seiner Kollegen 
stehen muß, ist gezwungen, einen Kritisch gesichteten 
Stoff vorzutragen. So dürfen wir, wenn Triedlän- 


Mer s Vorschläge ausgeführt werden, auch auf eine 


WUA nalyse und gründliche Läuterung der „Psychoana- 
\ lyse” selbst hoffen. Bresler. 
i — Hannes, Prof. Dr. Walther, Breslau: Kom- 


a Ein der Geburtshilfe.. Ein kurzes Lehrbuch für 
Studierende und Ärzte. 447 S. Mit 137 teils farbigen 
mabbildungen. Breslau 1921, Verlag von Trewendt & 


aa Unsere Anstaltsbibliotheken werden kaum in der 
nkage sein, kostspielige Spezialwerke über Geburtshilfe 
n ânzuschaffen, und doch müssen wir Anstaltsärzte ganz 
il jesonders auf diesem Gebiete unser Wissen auf dem 
; Laufenden halten. Schwangerschafts- und Wochenbett- 
Psychosen können nicht behandelt werden, ohne daß 
„gen Arzt stets die Grundlagen der Geburtslehre gegen- 
A wärtig sind und das Augenmerk stets auf Vorgänge und 
„Zustände in Gebärmutter, Eierstöcken und Hilfsorganen 
‚ge richtet. Ferner werden doch alljährlich mehrere gei- 
steskranke schwangere Frauen eingeliefert, bei denen 
$S zweifelhaft, ob die Geistesstörung im Zusammenhang 
E mit der Schwangerschaft. Wir müssen uns auch 
ei der neurologischen und psychiatrischen Unter- 


~ Da erscheint dieses Lehrbuch ein sehr willkomme- 
nes Hilfsmittel; es ist kurz gefaßt, und eben deshalb 
bietet es vollständig alles, was der Praktiker braucht, 
und so klar und bestimmt, wie er es braucht. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Durch: 


125 


wohlgelungene Abbildungen ist die Brauchbarkeit er- 
leichtert und erhöht. 

Hannes’ Kompendium verdient vollste Anerken- 
nung und weiteste Verbreitung. B. 

— Soyka, Otto: Der Seelenschmied. Roman. 
Berlin 1921, August Scherl G. m. b. H. 

Eine ganz niedliche, spaßige Saltire auf Wiachlsug- 
gestion und auf Tüfteleien über Liebe, (das, was man 
nach dem Zerrbild auf dem Titelblatt erwartet, reichlich 
erfüllend. 

Die Ankündigung des Buches freilich besagt etwas 
anderes; der den Text der Ankündigung verfaßte, hat 
offenbar den Sinn dieses Romanes gar nicht erfaßt. 


— Schneider, En Lebensglaube eines Arztes. 
493 S. Leipzig 1921, S. Hirzel. 22,00 M, geb. 35,00 M. 
Eine fesselnidie k geistreiche Darstellung des Be- 


kenntnisses zu einer höheren, freieren Lebensauffassung, 
die sich auf reiche und tiefe: ärztliche Erfahrung und 
umfassendes Wissen auf biologischem, sozialem und 
philosophischem Gebiet stützt und Arbeits- und Lebens- 
freude predigt. Das Buch JHiest sich sehr angenehm. 
Manches, wie der Vorschlag S. 295, \Amatorium, mutet 
freilich recht sonderbar an. 


Therapeutisches. 


Von: G. 
Münch. med. 


— Zur Behandlung der Angina pectoris. 
Boehm. Aus der med. Klinik München. 
Wochenschr. 1921 Nr. 4 S. 106. 

In seiner Mitteilung über Cadechol (M.m.W. 1920 
Nr. 29 S. 833) konnte B. über günstige Resultate der 
Cadecholbehandlung bei Patienten mit Angina pectoris 
berichten. In der Zwischenzeit hat er Cadechol mit 
Papaverin kombiniert, da im Experiment beobachtet 
wurde, daß die unter Kampfer festgestellte Verbesse- 
rung. des Koronarkreislaufes ‘durch Kombination des 
Kampfers mit Papaverin noch gesteigert wird. Er ver- 
abreichte bei Patienten mit Angina pectoris Tabletten 
aus 0,1 Cadechol und 0,03 Papaverin (von der Firma 
C. H. Boehringer & Sohn, Niederingelheim am Rhein 
unter diem Namen Perichol in den Handel gebracht) und 
konnte in allen Fällen wesentlichen Rückgang der 
stienokardischen Anfälle beobachten. Nur in ganz ver- 
einzelten Fällen mußte die Pericholbehandlung bei even- 
twell auftretenden Anfällen durch Gaben von Nitrogly- 
zerin unterstützt werden. Selbst in diesen Fällen mach- 
ten die Patienten die Angabe, daß die Anfälle während 
der Pericholbehandlung sehr viel milder auftraten: 

Als Dosis bewährte sich am besten dreimal täglich 
eine Pericholtableiite nach dem Essen. 

— Beitrag zur Ungiitigkeit des Eukodals. 
Fekdheim. Münch. med. Wochenschr. 

Ein Herr, Mitte der 50er, dem wegen Schmerzen 
nach Zahnexiraktion Pulver aus Pyramidon 0,5 plus 
Eukodal 0,012 verschrieben waren, erhielidurch Versehen 
der Apotheke Pulver mit 0,12 Eukodal und nahm abends 
ein Pulver ein. Danach fühlte er sich bald schmerzfrei, 
las im Bett noch eine Stunde und schlief dann gut dar- 
auf, um am folgenden Morgen frisch und ohne irgend- 


Von Dr. 
1920 Nr. 19. 


t26 


welche auffallende Zeichen, wie z. B. Benommenheit, 
aufzuwachen. Das Pulver enthielt die 24 fache Menge 
der handelsüblichen Eukodal-Tabletten. Damit soll na- 
türlich nicht einer Überdosierung das Wort geredet wer- 
den. Es muß auch bei dem Eukodal erstrebt werden, 
mit möglichst geringer Dosis volle Wirkung, d. h. 
Schmerzfreiheit zu erzielen, was in fast allen Fällen mit 
ein bis drei Tabletten zu 0,005 g gelingen dürfte. Verf. 
empfiehlt insbesondere die Mischung von Aspirin 0,5 
oder Pyramidon 0,3 bis 0,5 mit Eukodal. 

— Pharmokologische und klinische Beobachtungen 
über die Wirkung des kristallisierten Lobelins auf das 
Atemzentrum. Von Albert Eckstein, Erich Ro- 
minger und Hermann Wieland. Zeitschr. f. Kinder- 
heilk. Bid, 28 Heft 2-4. Berlin 1921, J. Springer. 

Zusammenfassung. Das kristallisierte Lobelin (In - 
eelheim)*) ist im Tierversuch und beim Menschen 
ein spezifisches Erregungsmittel des Atemzentrums. 
Diese Wirkung zeige sich am Krankenbette praktisch 
verwertbar. 

Im Kindesalter erwies sich uns das Lobelin zur Be- 
hebung der dort sehr häufigen akuten Atmungskollapse 
sowie namentlich der CO>-Vergiftung bei Pneumonien 
als besonders wertvoll. 

Auch bei andersartigen Lähmungszuständen des At- 
mungszentrums (Chloralhydrat) wurde derselbe gün- 
stige Erfolg beobachtet. Ein solcher ist daher auch in 
weiteren Fällen von Atemlähmungen zentraler Art, z.B. 
bei Narkoseschäden, bei der COs-Vergiftung usw., auch 
beim Erwachsenen zu erwarten. 

Eine günstige Beeinflussung der Atmung dürfen wir, 
namentlich bei Berücksichtigung der Tierversuche, nur 
bei Störungen zentralen Ursprungs, d. h. also bei einer 
verminderten Ansprechbarkeit des Atemzentrums er- 
warten. | 

Als Einzeldosis spritzten wir bei Säuglingen und 
kleinen Kindern 1 bis 3 mg subkutan oder intramuskulär 
unter Umständen mehrmals täglich. 

— 

1) Chemische Fabrik C. H. Boehringer Sohn, Nieder- 

Ingelheim a. Rh. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnummert F 
Carl Haenchen in Halle a. S, — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe 
Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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Für den Anzeigenteil verantwortlich: 


Dr. E. Ritsert, 


HARSERARAER 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


INr, { | 


Das kristallisierte Lobelin wirkt zuverlässig und 
keine störenden Nebenerscheinungen. 


Personalnachrichten. 


— Wiesloch. Anstaltsarzt Dr. Franz Weisen 
ist aus der Anstalt Pforzheim nach Illenau versei 


— Baden. Anstaltsarzt Dr. Reinhard Lydi® 
Illenau gestorben am 8. Mai 1921. — Dr. Hans Rp 
stellvertr. Direktor an der Heil- und Pflegeanstalt i 
Konstanz, ernannt zum Obermedizinalrat (Medi 
referenten) im Ministerium des Innern. — Dr. Adoli 0 
(früher Direktor in Rufach), stellvertr. Direktor 
Emmendingen, versetzt an die Heil- und Pflegeanig 
bei Konstanz. — Hilfsarzt Dr. von Steinau-Steim 
am 1. Juli 1921 bei der Heilanstalt ausgeschieden; 
seine Stelle ist Dr. Arthur Kuhn eingetreten. — 1 
von Steinau ist als II. Arzt in dem Sanatorium ME 
Emilia in Bad Blankenburg eingetreten. 


Ohne Kursschwankungen nach oben oder wi 
nach links oder rechts halten sich die Meggend 
Blätter von Monat zu Monat auf der. Höhe ihres Huug 
Die Valuta mag sinken oder steigen, die Depressia 
Zeit andere Papiere wertloser machen, die Meggeigi 
ter-Blätter bringen prompt und zuverlässig jede Wi 
neue Witze, aktuelle Anekdoten und Gedichte, röle 
Erzählungen, Lyrik und Satire. Der textliche Teili 
stets ergänzt und verschönt durch künstlerische Bi | 
jeder Art, seien es ernste Gemälde, voll Stimmung 
heitere Szenen aus dem täglichen Leben oder treig 
zielsichere Karikaturen. | 

Das Abonnement auf die Meggendorier- -Blätter i | 
jederzeit begonnen werden. Bestellungen nimmt 
Buchhandlung und jedes Postamt entgegen, eben 
der Verlag in München, Perusastr. 5. | 


IVT 


Diese Nummer enthält einen Prospekt der ME 


Gebr. Poensgen A.-G., Düsseldori-Rath 70 F 
betr. Wäscherei-Maschinen | 


welchen wir der Beachtung unserer Leser empii 


as | 


Nr. 21/22. 1921/22. 


13 reiundzwanzigster Jahrgang. 


Psychiatrisch-Neurologische 
Wochenschriit. 


Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


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Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


oo 
H Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 
Geh. San.-Rat Prof. Dr. K. Alt Uchtspringe (Altmark), Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat Dr. Beyer. Roder- 
birken b. Leich!., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San. -Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 


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San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 


Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Mauer-Öhling (N.-Ö.). Ob.-Med.-Rat Dir; Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr.. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


| Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Nr. 19/20. SDR Auguste ER 1921/22. 


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M 7,50 für das Vierteljahr, die | Verlag und Ausgabe: sind an San.-Rat Dr. Bresler in 


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Inhalt: Über Notwehr gegenüber Geisteskranken und Geistesschwachen innerhalb und außerhalb der Anstalten. 


Von Dr. med., Dr. phil., Dr. jur. W. Hammer, 


Hamburg. (S. 127.) — Zur Definition der Gemeinge- 


À [fährlichkeit. Von Dr. Wachsmuth. (S. 132.) — „— und dennoch spukts in Tegel.” (S. 133) — Dr. Hayner im 
J Jahre 1821 über Unterbringung von genesenen Geisteskranken in Familien. Von Obermedizinalrat Dr. Dehio, 


FAA Pre Fe ee 


Inhalt: 

. Einleitung. 

Das Notwehrrecht gegenüber Geisteskranken wird 
in den irrenärztlichen Lehrbüchern und verwandten 
Schriften nicht behandelt. 

. Aus der geschichtlichen Entwicklung der Notwehr 

-im allgemeinen. 

. Die Notwehr im allgemeinen nach geltendem reichs- 

= deutschen Recht. 

MIV. Die Notwehr gegenüber Geisteskranken im be- 

i sonderen. 

1. Notwehr ist zulässig auch gegenüber Geisteskran- 
ken und in unvermeidbarem Irrtum Angreifenden 
(Reichsgerichtsentscheidung 27, 44). 

2. Irrenärztliche Aufgaben in Rücksicht auf das 
reichsdeutsche Notwehrrecht. 

a) Vorbeugung. 

b) Verhalten im Stande der Notwehr gegenüber 
Geisteskranken. 

c) Vorschläge zur Aufnahme von Notwehrbe- 
stimmungen in Anstalts- und Pflegeordnungen. 


| Colditz. (S. 135.) — Mitteilungen. (S. 137.) — Buchbesprechungen. (S. 138.) — Therapeutisches. (S: 138.) 


Über Notwehr gegenüber Geisteskranken und Geistesschwachen 
innerhalb und außerhalb der Anstalten 
vom ärztlichen und rechtswissenschaftlichen Standpunkte aus. 
Von Dr. med., Dr. phil., Dr. jur. W. Hammer, Facharzt für Irrenheilkunde, Hamburg. 


I. Einleitung. 


pD! Eigenart der Geisteskranken bringt es mit 
sich, daß sie ihre Umgebung oft in hohem 
Maße gefährden, indem sie sie angreifen. Um so 
auffälliger ist daher die Nichtbehandlung der Not- 
wehrfirage Geisteskranken gegenüber in den be- 
kannteren Lehrbüchern der Irrenheilkunde, wenig- 
stens soweit der Verfasser Gelegenheit. hatte, sie 
durchzusehen, +) die Auslassung der 'straf- und 
zivilrechtlichen Vorschriften über die Notwehr un- 
ter den für den Arzt wichtigen Gesetzesbestim- 
mungen fast in allen einschlägigen Lehrbüchern, 
das Fehlen irgendwelcher genaueren Einzelausfüh- 
rungen über dies für alle Personen, die mit Gei- 
steskranken umgehen, wichtige Gebiet, wenigstens 
unter dem Gesichtswinkel der Notwehr. 

Die Notwehrfrage muß dabei dem Irrenarzte 


‚um so wichtiger erscheinen, als die Neigung zur 


irrenärztlichen Versorgung der großen Gruppe gei- 


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i ge ee ee PSY CHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ig Kränkehider (Psychopathen, geistig Minder- 
wertiger) in den letzten Jahren, nicht zum wenig- 
sten auch durch die Fürsorgebestrebungen *—*$) 
angeregt, innerhalb des westeuropäisch-amerika- 
nischen Kulturkreises seit Beginn des zwanzigsten 
Jahrhunderts in den engeren (irrenärztlichen) 
Fachkreisen, wie auch unter Geistlichen, Erzie- 
hern, Richtern, Gefängnisbeamten % 3% stark zu- 
genommen ’ hat. 

Wenn der Wiener Landesgerichtsarzt und Uni- 
versitätsdozent Dr. Emil Reimann S. 27 seiner 
Arbeit über geistig Minderwertige °*) Bewaffnung 
der Aufseher empfiehlt, während er „über das Maß 


der Defensive hinausgehende Repressalien” ver- 


bietet, so kann man in dieser kurzen Empfehlung 
wohl eine Andeutung, bei dem Mangel jeglicher 


‚näherer Ausführung nicht iedoch eine wissen- 


schaftliche Erschöpfung oder auch nur Aufschlie- 
Bung des weiten Gebietes der Notwehr gegenüber 
(jeisteskranken erblicken. 

Nicht einmal das Fachwerk über Geschiliehe 


‚Psychiatrie von Bumke-Schultze-Aschaf- 


fenburg macht hinsichtlich der Notwehr eine 
Ausnahme.) Es behandelt diesen wichtigen, oft 
für das Lebensglück eines Pflegers BANERNEIGEN. 
den Punkt nicht. 

‘Fällt die Vernachlässigung des Notwehrgebietes 
in den Lehr- und Handbüchern der Irrenheilkunde, 
soweit sie für Ärzte geschrieben sind, schon auf, 
so muß die gleiche Lücke in den für die Hand der 
Pflegepersönlichkeiten geschriebenen Werken noch 
befremdlicher erscheinen. ?”—) So enthält der 
Atlas typischer Handgriffe für Krankenpfleserin- 
nen von M. Friedemann?) keinen einzigen 
Notwehrhandgriff gegenüber Geisteskranken. Der 
1897 erschienene Leitfaden des Diakonissenhaus- 
oberarztes Witthauer, Halle a. S., entsprach 
schon damals nicht allen im Krankenpflegeberuf 
vorkommenden Verhältnissen, wenn er S. 101 aus- 
führt: „Wagen Sie es ja nicht, ohne den geeigneten 
männlichen Beistand eine Tobzelle zu betreten, 
damit Sie nicht durch die Angriffe eines Irren be- 
lästigt oder gar verletzt werden. Speise und Ge- 
tränke reicht man den Kranken durch ein Schiebe- 
fenster in das Zimmer, wobei zu beachten ist, daß 
die Eßgeräte ihm nicht als Waffe gegen sich selbst 
dienen können. . Sollte trotz aller Vorsicht 
ein Geisteskranker Sie schlagen oder Sie durch 
unftlätige Redensarten kränken, so denken Sie 
daran, daß er nicht weiß, was er tut, und wenn 
es noch so wohlüberlegt klingt, stellen Sie ihn 
nicht zur Rede, sondern erdulden beides (!) mit 
Schweigen. Mißhandlungen dès Kranken sind in 
jedem Fall ‘iınentschuldbar.” Denn schon damals 


des Essens wohl meist ersetzt sind durch Daui l 


. wehrlagen nicht. 


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[Nr. 21 
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gab es, wie TE, aus eigner Erfahrung wii 
Klöster — auch im Gebiete des Deutschen Reidy l 
—, die geisteskranke Männer auch unruhiger 1E 
durch Klosterfrauen verpflegen ließen, ohne di 
ein Mann den Klosterschwestern bei ihrer Ti 
keit in den regelmäßig offenen Einzelzimmern sii 
zur Verfügung gestanden hätte, und die welt 
Pflege geisteskranker, auch tobsüchtiger Frau 
lag durchweg in den Händen von Piflegerinm 
denen als männlicher Beistand ein Arzt nui 
einem kurzen Bruchteil des Tages zur Verfü 
stand. Inzwischen haben die weltlichen Anstalt 

unter dem Einflusse des Krieges die günstigen H 
fahrungen mancher Klosteranstalten in der wafi 
lichen Pflege geisteskranker Männer bestätigt, & 
daß die Ausführungen Witthauers den ik ; 
gen Zuständen noch weniger entsprechen, zug 
Tobzellen mit Schiebefenstern zur Verabreich 


bäder und Wachsäle. 

Ebenso wie Witthaue r 22) und Fried 
mann?) übergehen auch Rumpf und R. Wif 
lenberg”) die Notwehrlagen des Irrenpilegg 
vollständig. Selbst der dem Andenken Fr. vif 
Bodelschwinshs gewidmete Meltzif 
sche ”) Leitfaden der Schwachsinnigen- und BEE 
denpflege (1914 .erschienen) enthält zwar W 
durchweg übliche Warnung vor Züchtigungen W 
Kranken durch die Pfleger und Pflegerinnen, nd 
iedoch über Notwehr. Auch Ludwig Schon 
übergeht die Notwehrlagen, d. h. die äußeren Ù 
stände, in denen nicht drei Pfleger für ein 
unruhigen Kranken zur Verfügung stehen. Imme j 
hin bringt die vom Deutschen Verein für Psydi 
trie preisgekrönte Schrift einige Abbildungen WE 
den Transport eines Kranken durch drei Pil 
sowie auch Anleitung zum Umfassen eines Mg 
Schlage ausholenden Kranken von hinten, HN 
des Kranken, Kreuzen der Arme, die vieleö 
dann vorbildlich sind, wenn ein Kranker sich 
einem andern Kranken vergreift, so daß ein 
ger die Streitenden trennen muß (Schulbeispiel# 
Nothilfe oder Notwehr zugunsten eines Dr 
oder wenn mehrere Pfleger anwesend sind & 
gleichzeitig vorgehen können, nicht aber WE 
wenn ein einzelner Pfleger einem oder mel 
Kranken im Kampfe gesenübersteht. 

Schlöß, Wien,®) dessen Lehrbuch für IM 
pfleger vom niederösterreichischen Lands 
schuß preisgekrönt wurde, empfiehlt, geist f 
kranke Verbrecher nur zu zweit oder dritt im i i 
zelzimmer aufzusuchen, behandelt iedoch die N 


— ado wai 


Im Gegensatz zum Peichsgericht in Leig 


©1921] 


T scheinen Falkenberg und Moeli”) ein Not- 
» wehrrecht der Irrenpfleger völlig zu leugnen, wenn 
F sie S. 14 § 23 ihrer „Pflege Geisteskranker” be- 
© stimmen: „Jede Anwendung von Zwangsmaß- 
«regeln irgendwelcher Art ist dem Pfleger. ver- 
T boten.” Offenbar halten diese Ärzte nicht scharf 
F auseinander: Züchtigungen, Bestrafungen, quälende 
» Behandlungsweisen einerseits, o eona imen 
© andererseits. 
“© Daß auch in Anstalten nicht alle Gefahren für 
~“ Pfleger und Ärzte beseitigt sind, ist eine tägliche 
T Erfahrung. So sind bissige Kranke, die durch 
schadhafte Zähne Blutvergiftungen übertragen 
können, keine Seltenheit. Weiter aber ist es nicht 
“dauernd: möglich, wie Scholz!) es verlangt, 
den Kranken Haarnadeln, Schwefelhölzer, Reini- 
gungsgeräte, Eßgeschirre, Tintenfässer, 
vorzuenthalten, sie, mit anderen Worten, völlig ab- 
zusondern, sowie nie allein einen Absonderungs- 
raum zu betreten. Das Wohl vieler Kranker er- 
fordert im Gegenteil, sie möglichst Gesunden ähn- 
lich unterzubringen, da nichts so sicher idie Gei- 
‚steskranken verbittert, quält und seelisch auf das 
schwerste schädigt, als Wochen, Monate, Jahre 
i “durchgeführte Einzelhaft ohne Beschäftigung. Ab- 
N gesehen von der Selbstmordgefahr bietet diese 
“Isolierung” die weitere große Unzuträglichkeit der 
Be chnellsten Entartung des Liebestriebs nach der 
""schmerz- und schmutzlüsternen Seite hin. Die 
I jetzige Irrenheilkunst neigt daher zum Ersatze der 
& Isolierung” in geschlossenen „Zellen” durch die 
d ” in offenen „Einzelzimmern”, bringt 
‚außerdem selbst stark unruhige Kranke vielfach 
J gemeinsam zu mehreren in einem Wachsaale oder 
!"Dauerbadezimmer unter und sucht ferner die An- 


t 
1 


und Familienpflege zu ersetzen. Daß da auch recht 
gefährliche Kranke versuchsweise in Familien un- 
tergebracht werden, beweist der Bericht Alfred 
Bothes*) über die Familienpflege der Anstalt 
‚Berlin-Dalldorf 1885 bis 1893. 


I den sich „Hysterische, Alkoholisten, Krampfkranke, 
M krankhaft Unstäte”, jüngere hübsche Mädchen mit 
als krankhaft aufgefaßtem Hang zum Leichtsinn, 
“unter den männlichen zwei wegen Mordes in Un- 
‚tersuchung gewesene „lLdioten”, die wegen Unzu- 
rechnungsfähigkeit außer Verfolgung gesetzt wur- 
den, eine Anzahl recht gefährlicher Trinker, auch 
einige wenige Geisteskranke mit _Sinnestäuschun- 
ie gen. In den Familienverträgen war den Pflege- 
N eltern bei einer geringfügigen Entschädigung für 
ihre Mühewaltung vertraglich aller Schaden aufge- 
- bürdet, den die Kranken in der Häuslichkeit anrich- 


Federn, 


H stalthaft durch Kolonien im Anschluß an die Anstalt 


Unter den weiblichen Familienpfleglingen fan- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT ' an. 


teten. Die Höhe dieser Vergütung läßt sich. ein- 
schätzen, wenn man berücksichtigt, daß die Durch- 
schnittskosten für einen Familienpflegling 1,212 M 
gegenüber 2,086 M Tageskosten eines Anstalts- 
pfleglings ausmachten. 

Dabei wurde die strafrechtliche Alindung her- 
beizuführen versucht, als eine Pflegefrau einen 
Kranken ins Gesicht schlug, der Sachschaden an- 
gerichtet hatte. 

Würden also selbst die Anstalten alle Eines 
tungen getroffen haben, die eine Notwehrlage der 
Anstaltspflegepersönlichkeiten ausschlössen , so 
würden allein die anerkennenswerten Bestrebun- 
gen von Gheel in Belgien und Rockwinkel bei Bre- 
men, die die Einschränkung der. Anstalts- zugun- 
sten der Familienpflege zum Ziele haben,?’-°t) eine 
ausführliche Behandlung des Notwehrrechtes Gei- 
steskranken gegenüber rechtfertigen. Der Ge- 
danke, erfahrene Irrenpfleger müßten stets erken- 
nen können, ob und wann Gewalttätigkeiten dro- 
hen, ist durch die allgemeinen wie. auch die Ber- 
liner Erfahrungen widerlegt, wie ja auch in An- 
stalten unerwünschte Vorkommnisse auch bei sehr 
erfahrenen Irrenärzten nicht ganz ausgeschlossen 
werden können. So entließ der äußerst erfahrene 
Bonner Professor Pelman°) einen Lehrer, 
der seine erste Gattin getötet hatte, nach Hause 


mit dem Erfolge, daß der Jahre hindurch im An- 


staltsbetrieb bewährte Kranke in voller Freiheit 
rückfällig wurde, indem er abermals heiratete und 
auch seine zweite Ehefrau und darauf sich selbst 
tötete. ns 

Wenn sich also auch die erfahrensten Irren- 


ärzte hinsichtlich des voraussichtlichen Verhaltens 
ihrer Pfleglinge täuschen können, so muß eine un- 


richtige Einschätzung durch erfahrene oder gar un- 
erfahrene Berufspfleger und Pflegeeltern: oft als 
entschuldbarer Irrtum auffaßbar sein. 2 

Um so auffälliger ist, daß selbst für Anka 
Geisteskranker geschriebene Ratgeber die Not- 
wehrfrage übergehen. 

Auch- die Lehrbücher der e en Medi- 
zin *=—®8) behandeln die Notwehrfrage gegenüber 
Geisteskranken. gar nicht, wie Guder-Stol- 
per, von Krafft-Ebing, Schlockow- 
Roth-Leppmann, Kutner-Tillmann, 
Puppe, vonHofmann, Schmidtmann, 
LOCE SEEI S Krattert, Pikez Straß 
mann, Bischoff, oder sie erwähnen die Not- 
wehr nur kurz, wie Rapmund- Dietrich, 
die in einer kurzen Anmerkung das Nichtvorliegen 
der Widerrechtlichkeit in den Fällen des Notstan- 
des, der Notwehr, der erlaubten Selbsthilfe bei Be- 
sprechung der bürgerlich-rechtlichen Haftung des 


130 


Arztes wegen etwaiger Körperverletzung streifen, 
während A. H. Hübner beide Notwehrarten, die 
strafrechtliche und die bürgerlich-rechtliche, zwar 
kurz erwähnt, auf den Sonderfall der Notwehr Gei- 
steskranken gegenüber jedoch nicht eingeht. 


Casper-Liman bespricht die Notwehr 
bei den Leidenschaften und Affekten (Überschrei- 
tung der Notwehr in Bestürzung, Furcht, Schrek- 
ken, die jede Zurechnung ausschlössen), und nimmt 
für Handlungen in der Hitze des Zornes oder der 
Zorntrunkenheit verminderte Zurechnungsfähigkeit 
an. Zu einer näheren Besprechung des Notwehr- 
rechtes (der Irrenpflegepersönlichkeiten gegenüber 
ihren Pileglingen hatten Casper und Liman 
zu ihrer Zeit keine nähere Veranlassung, weil dem 
Arzte damals noch ein weitgehendes Züchtigungs- 
recht seinen Nervenkranken gegenüber weniger 
bestritten als heute eingeräumt wurde, die Aus- 
schaltung körperlichen Zwangs in der Irrenheil- 
kunde noch nicht einen so großen Umfang ange- 
nommen hatte wie in der Neuzeit. 


Jetzt, wo nur noch wenige ärztlich geleitete 


‚ Irrenanstalten die körperliche Züchtigung als er- 
zieherische oder Heilbehandlung üben (Anhängerin 
der Prügelstrafe ist z. B. die unter ärztlich-erzie- 
herischer Leitung stehende Psychopathenfürsorge- 
‚erziehungsanstalt in Göttingen *®), ist eine genauere 
Besprechung der Notwehr Geisteskranken gegen- 
über eine dankbare, nicht nur wissenschaftlichen, 
sondern auch praktischen eriolg versprechende 
Aufgabe. 


11. Aus der geschichtlichen Entwicklung der 
Notwehr im allgemeinen. 


In gewissem Sinne kann man sagen, daß die 


Notwehr älter ist als alle Rechtsordnung. Die 
Selbsthilfe geht dem geschriebenen oder verkün- 
deten Rechte voraus. Ehe sich ein Stammes- oder 
Staatenrecht herausbildet, übt der Mensch Selbst- 
behauptung gegenüber feindlichen Angriffen, Ge- 
walt gegenüber der Gewalt. 

Die gewaltsame Zurückweisung eines jähen An- 
griffes geschieht, wie Kauffmann’) andeutet, 
„instinktiv”, also zunächst nicht auf Grund langer 
Überlegungen, priesterlicher Entscheidungen, ver- 
brieiter oder versiegelter Rechte, wie ia auch bei 
Kinderschlägereien vom Kinde und nicht vom rich- 
tenden Erwachsenen nur der, der angefangen hat, 
für schuldig gehalten zu werden pflegt, während 
die Erwiderung empfangener Kränkung, die Gegen- 
wehr gegen zu Unrecht empfangene Schläge als 
selbstverständlich und in maßvollen Grenzen völlig 
berechtigt angesehen wird. 


_ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


 rache,”') wenigstens teilweise gedeckt durch di 


meines Recht aller Völker, 
der zivilisierten.) 


INr. 219 1 


‚Auf der untersten Stufe. ist das, was wir hen E 
Notwehr nennen (nach DRStGB. § 53 Abs. 2 wi 
BBG. $ 227) diejenige Verteidigung, welche eriy 
derlich ist, um einen gegenwärtigen, .rechtswilie 
gen Angriff von sich oder einem andern abzınak 
den), mit geschützt durch die Einrichtung der Bi 


+ in "> 


PS: BE T aa T a 


Herrschaft des Talmudgedankens (Auge um Aw 
Zahn um Zahn, Leben um Leben), der notwendig 
Ausgleich unzweckmäßiger Härten durch & 
Schaffung von Zufluchtstätten, Heiligtümern g 
geben, in denen Friede, Racheverbot, Wafleni® 
herrschen. Talionsüberschreitung wird dann, v 
bei Moses, der den Ägypter im Zorn über die Mi 
handlung eines Hebräers erschlug, Veranlassı 
zur Flucht in ferne Länder oder in heilige Stät® 
- Die Zurückweisung der Gewalt durch Gew# 
erschien den römischen Rechtsgelehrten, W 
Cicero, als ein mit dem Menschen geborenes Reidi 
Est enim haec non scripta, sed nata lex, quam m 
didicimus, accepimus, legimus, verum ex naui 
ipsa arripimus, hausimus, expressimus. ... SE 
enim leges inter arma. (Cicero: Pro Milone 
put 4.) Livius ®) bezeichnet es als allgemi 1 
menschlich, bewaffnete Angriffe mit Waffengew I 
zurückzuschlagen. „Jure gentium hoc evenit $ 
arma armis propulsentur.” (Jus gentium = allg A 
der wilden wie Al \ 
a 
1 


a en 


P P n, Énis 8 nA ya)! A e — be An ER a RT, rn 


Bei der gesetzlichen Festlegung des Rechts $“ 
es schriftlich, sei es in Form von Rechtssprüä 
oder Rechtsregeln, findet das Recht der Selbst 5 
im Augenblicke der Gefahr denn auch als ews 
Natürliches, Selbstverständliches weitestgeletg 
Berücksichtigung. 

Hammurabi von Babylon läßt die Notlage als AI 
nahmezustand gelten, der entschuldigt, was ME 
gesühnt werden muß. Hammurabis Gesetz, das s 
schon wegen einer Ohrfeige, die ein freier MA 
einem andern freien Mann versetzt, eine Geldsilf | 
von einer Mine verhängt, läßt denjenigen ME 
Mann, der ohne Absicht bei einer Prügelei einen 
dern Freien erschlägt, mit einer halben Mine O$ 
zahlung davonkommen, während solche TWE 
eines Königsdieners (unfreien Ministerislei $ 
noch geringerer Summe (eine Drittel Mine) gesli 
wurde und bei einer einfachen Prügeleiverle@F 
nur die Arztkosten zu tragen waren, stets, fals $ 
Täter den Reinigungseid „Ohne Absicht habe ' 
(tot)geschlagen” leistete, und während allgen 
zur Zeit Hammurabis und auch durch dessen ha 
setz ausdrücklich anerkannt der Talionsgedi 

Į 


bAa ~ Tr. DO -— Pan 0 


Auge um Auge, Knochen um Knochen, Zahn " 
Zahn galt (etwa 2250 v. Chr.). 75 


Wenn G eib” 1,7) kurz und bündig behauptet, 
die Notwehr hat keine Geschichte”, .so ist ihm in- 
Soweit zuzustimmen, als es sich um eine wohl aus 
ider -vorgeschichtlichen und wohl auch vormensch- 
lichen Entwicklung stammende Natureinrichtung 
iha ndeln dürfte, nicht jedoch in dem Sinne, daß das 
Notwehrrecht überall in gleicher Ausdehnung und 
izu allen Zeiten unter den gleichen nalen 
Punkten Geltung gehabt habe. 

i Im alten Kanon des Kirchenrechts 76) der’ ró- 
nd misch- katholischen Kirche gilt die gewaltsame Zu- 
I HTückweisung heftiger Angriffe als Schulbeispiel für 
Keine naturrechtliche (im Gegensatze zu dem durch 
is göttliche oder menschliche Satzung geschaffenen 
Rechte) Selbstverständlichkeit. (Decretum Gratiani, 
ne I, caput VII: Jus naturale est commune 
[Omnium nationum co quod ubique instinctu naturae 
‚Non constitutione aliqua habetur .... ut violentiae 
Der vim repulsio.) Notwehrtötung macht den nach 
„den geistlichen Weihen strebenden Jüngling nicht 
Arregulär, schließt den Verletzer eines Priesters 
oder Mönchs nicht von der christlichen Gemein- 
„schaft aus. Tätliche Beleidigung oder Freiheitsbe- 
ge aubung eines Priesters in m führt nicht zur 
„Exkommunikation. 

y Im neuen Corpus juris canonici Pius X. und 
Benedikts XV. behandelt Canon 2205 im 5. Buch 
„die rechte Notwehr als Schuldausschließungsgrund, 


IE 
A nur bei Innehaltung maßvoller Gren- 


N ı ck 
F 


j: 
E 


In der Rechtsentwicklung werden zunächst die 
4 schwersten Verbrechen, wie Tötung des Mitmen- 
Sehen vor ein staatliches Gericht gebracht, wäh- 
Tend leichtere Verstöße der Familienzucht, Ge- 
Schlechterzucht oder der Rüge (des Dienstherrn 
überlassen bleiben. In einfacheren Verhältnissen 
Kümmert sich der staatliche Richter nicht um Klei- 
nigkeiten (minima noncurat praetor). So wird auch 
[hinsichtlich der Notwehr erst der wichtigste Fall, 
K nämlich die Notwehrtötung, im besonderen Teile 
der deutschen Gesetzbücher behandelt, ehe sie 
er 
Gegenstand des allgemeinen Teiles wird. 
= Das Zwölftafelgesetz der Römer kennt schon 
u Sonderfall der eine und Bestzaaiweh! 


N 
si 


en Stöhlenden nur, wenn er sich seiner 
‚Sefangennahme unter Waffengebrauch zur Wehr 
setzte. 


; teten Selbsthilfe und Privatrache, also auch Not- 

wehr, gegenüber dem Sach- und Menschenräuber, 
"dem Ehebrecher, dem Hausfriedensbrecher, Tem- 
pelschänder, Brandstifter, -Einbrecher und ein- 


Die altgermanischen Rechtsvorschriiten gestat- 


dozı) PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 131 


fachem Diebe, der sich seiner Ergreifung wider- 
setzte. 


Unbedingte Str ilosigkeit Dei Tötung in der 
Notwehr sicherten zu: die Köre von Gent, das 
Stadtrecht von Augsburg, das Rechtsbuch Ludwigs. 
des Baiern (1338), das Rechtsbuch Ruprechts von 
Freisingen (1328), wenn der. Täter die Tat nicht 
verheimlichte, sondern sogleich zur Anzeige 
brachte. Das Stadtrecht von München verlangte 
außerdem, daß der Täter sein Messer nicht früher 
zückte, als. der Angreifer, und das Bamberger 
Stadtrecht, daß der Täter eine offene Wunde im 
Leib und nicht bloß im Gewand zeigen könne.”°) 

Sachsen- und Schwabenspiegel (ersterer' zwi- 
schen 1198 und 1235, letzterer vielleicht 1275 be- 
endet) behandeln beide die Notwehr ausführ- 
lich. 8°) Der Sachsenspiegel gebraucht die Aus- 
drücke ‚in sines lives angeste”, „zu doden schlagen 
durch not” und „ob ein man den anderen anlauffet” 
und gibt damit gute Merkmale der Tötung in Not- 
wehr, bestimmt auch, daß Tötung des Lehnsherrn 


durch den Lehnsmann nicht Treubruch ist, soweit 


sie in Notwehr geschehen, und ebenso, daß Not- 
wehrtötung des Vaters und Bruders nicht Erbaus- 
schließungsgründe seien. Die Notwehr des. Sach- 
senspiegels gilt auch zum Eigentumsschutze gegen- 
über einem Diebe. Notwehrtötung des Diebes und 
des Hausfriedensbrechers führen nicht zur Belan- 
gung wegen Totschlags. 

Das Wehrgeld muß der Notwehrtotschläger 
nach dem Sachsenspiegel dann zahlen, wenn er 
nicht bei der Leiche verblieb oder die Angelegen- 
heit nicht selbst vor Gericht brachte. Der Un- 
schuldige ist nach der. Auffassung dieses Gesetzes 
imstande, der Leiche des von ihm Getöteten ruhig 
ins bleiche Antlitz zu sehen, während der von Ge- 
wissensqualen Gepeinigte flieht, verheimlicht und 
(daher im Falle der Überführung das Wehrgeld zah- 
len muß. 

Kapitel LXIII ie Schwabenspiegels handelt von 


der rechten Notwehr (Tötung in Abwehr eines 


Angriffs), verlangt, daß der Täter sich selbst dem 
Richter stellt und den Reinigungseid dahin leistet, 


daß der Notwehrtöter dem Getöteten drei Schritte 


entwich oder daß der Getötete so ıäh auf ihn ein- 
schlug, daß er nicht zu entweichen vermochte. 
Außerdem hatte der Notwehrtöter des Schwaben- 
spiegels den gerichtlichen Zweikampf mit einem 
„Mac” (Verwandten) „von sinem vater” (väter- 
licherseits des Getöteten) auf Verlangen des Ver- 
wandten zu bestehen, doch nur dann, wenn der 


Zweikampfbereite „zenoz”, also wohl Rechts- ume 


Standesgenosse des Getöteten war. 
Die Constitutio criminalis Carolina von 1432 hob 


Ban PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


die. Forderung des Bamberger Stadtrechts, nach 
der sich nur der Verwundete erfolgreich auf Not- 
wehr berufen konnte, auf und stellte ein Notwehr- 
recht auch schon bei drohendem Angriff fest. Ar- 
tikel 140 von Kaiser Karls (V.) Peinlicher Halsge- 


serichtsordnung erkennt ein Notwehrrecht, das 


nötigenfalls bis zur Tötung des Angreifers reichte, 
an bei Bedrohung von Leib und Leben, Artikel 119 
bei Bedrohung der Keuschheit oder weiblichen Ge- 
schlechtsehre, Artikel 150 des Eigentums. Die Ca- 
rolina setzt voraus einen unmittelbar drohenden 
oder bereits begonnenen Angriff, Rechtswidrigkeit 


Zur Definition der Gemeingefährlichkeit. 
(Anstaltspflegebedürftigkeit.) | 

Fine Anmerkung zum Referat Schultze-Kahl auf der Jahresversammlung in Dresden. $ 
Von Dr. Wachsmuth, Direktor der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Eichberg im Rheingau, 


pe Begriff der Gemeingefährlichkeit bedarf 
meines Erachtens einer Ergänzung, weil die 
eroße Gruppe derjenigen Geisteskranken nicht be- 


-rücksichtigt ist, die aus einem krankhaften Triebe 


die Ehre ihrer Mitmenschen ständig zu verletzen 
sucht. Die Gefährdung des Körpers und des Eigen- 
tums ist durchaus nicht das Einzige und Wesent- 
liche, wodurch ein Geisteskranker gemeingefähr- 
lich wird, das krankhafte Ehrabschneiden bei Per- 
sonen, die zuweilen trotz ihrer 'Geisteskrankheit 
noch über einen hohen Grad ihrer Intelligenz und 
auch zuweilen über eine blendende Dialektik und 
schriftstellerische Gewandtheit verfügen, macht es 
häufig dem Laien unmöglich, sich ein obiektives 
Urteil über den Ernst der Krankheit und über die 
Gefahren für die Umgebung zu bilden. 

Diese Kranken sind bei weitem gefährlicher in 
ihrer schädlichen Wirkung als die Kranken, bei 
denen die Seelenstörung auf den ersten Blick er- 
kennbar ist. 

Jeder Psychiater weiß aus eigener schmerz- 
licher Erfahrung, welche Konsequenzen diese 
Eigenschaften der Kranken nach sich ziehen und 
wie wehrlos er oft diesen Angriffen gegenübersteht, 
da die maßgebenden Behörden sich allzu leicht 
täuschen lassen. 

Die Erweiterung der Definition der Gemeinge- 
tährlichkeit auf die Personen, welche aus einer 
krankhaften Störung der Geistestätirkeit heraus 
gewohnheitsmäßig die Ehre ihrer Mitmenschen ge- 
fährden, ist unerläßlich: 

Der Einwurf Schultze s, daß diese Kategorie 


der Kranken unter die Grinbe derer fällt, die für 


die Öffentliche Sittlichkeit anstößig sind, ist nicht 


x ge) 
-: A Egi 
" {N 
5 1, 
N j) à 


dieses Angriffs, Unmöglichkeit „on ferlichkeituk ~ 
verletzung seines leibs, lebens, ehr und guten! 3 
muts” dem Angriff entgehen zu können‘) ° y 

Die neuere Entwicklung befaßte sich haupt 
lich mit der Einbeziehung immer weiterer, s li 
lich aller rechtlich geschützten Güter unter; 
Notwehrschutz, so daß das StGB. sogar di 
Ehrennotwehr gegenüber wörtlichen Ehren, 
zungen zuläßt, und die neuere Entwicklung $; 
Völkerrechts auch ein weitgehendes|\ 
wehrrecht zwischen souveränen Völkern als gi 2 
annimmt.) (Fortsetzung ioli 4 


Gg ta & "EK 


stichhaltig, darunter versteht man schlechthii $a 
Sittlichkeitsverbrecher. 

Es ist eine alte Erfahrung, daß Behörden ü$ s 
Angriffe auf die Ehre der Mitmenschen zen 
liberal beurteilen, bis sie selbst angegriffen WE: 
den. Speziell beim Anstaltsarzt kommt alsi 
schwerend hinzu, daß er sich seine Patienten g 
aussuchen kann, sondern daß sie ihm zugewi 
werden, und daß er gezwungen ist, diese Elem 
ärztlich zu betreuen, oft bis an ihr Lebensend 

Die Behörde glaubt ihre Schuldigkeit geag 
haben, wenn sie die oft ganz ungeheuerlichaf- 
Schuldigungen untersucht und festgestellt hat 4 
kein Grund zum Einschreiten gegen den beschi 
ten Beamten vorliegt,‘ bis zur -nächsten 4 
schwerde. | 


À 
B 
Ich habe es selbst erlebt, daß eine Kranki s 
Beschuldigung vorbrachte, daß Menschen in u$] 
Maschine zu Wurst verhackt würden, und da £ 
gerichtliche Untersuchung mit einer gewissêl 1 
nugtuung feststellen konnte, daß die Kranke 1 Ad 
sächlich in einem Haus gewohnt hatte, in demt A c 
Wurstmaschine in Tätigkeit war. Quod erat! A 
monstrandum. p 
Es unterliegt keinem Zweifel, dab bisher gs 
Schutz der Behörden für die Beamten, die dit k 
nenvolle Aufgabe haben, derartige Querulant 
behandeln, nicht ausreichend war. | 
Ich schlage vor, den Begriff der Gemeingel 
lichkeit oder, wenn man diesen Ausdruck VE" 
den will, wofür meines Erachtens nicht genis 
Gründe vorgebracht sind, den der Anstaltspf 1 
bedürftigkeit dahin zu erweitern: l 
„Zweck der öffentlichen Irrenanstalten ist! 


i 


3 
Beitung und Verpllessier Geisteskranker, Epilepti- 
; scher und sonstiger Nervenkranker, (die sich für 
eine psychiatrische Behandlung eignen, sowie 
die Beobachtung zweifelhafter Geisteszustände. 
Bedürfen die Geisteskranken nicht einer psychia- 
rischen Behandlung, so sollen sie in den öffent- 
ichen Irrenanstalten nur dann Aufnahme finden, 
venn sie für sich selbst oder andere Personen 
er für die Ehre oder das Eigentum ge- 
Mährlich oder für die öffentliche Sicherheit anstößig 
‘Oder ın bezug auf Aufsicht, Schutz, Verpflegung 
"oder ärztlichen Beistand verwahrlost oder gefähr- 
‘det sind.” 

~ Ich glaube, daß nach den oben gemachten Aus- 
T ührungen die Standesvertretung der Psychiater 
ein an Interesse an- der Durchführung haben 
wird. 

- Da die modernen ‚Aufgaben einer Irrenanstalt 
‚lediglich die eines Krankenhauses sind, so müssen 
die Kriminellen besonders in geeigneten Anstalten 
i verwahrt werden. Das Reich muß die Mittel dafür 
Aufbringen und für die Aufnahme, Entlassung, Be- 
“Wahrung, Entweichung eine besondere reichsge- 
Setzliche Regelung schaffen. 

S Bei der großen Verschiedenheit der in den ein- 
zelnen Irrenanstalten Deutschlands bestehenden 
‚Einrichtungen und Sonderbestimmungen besteht 
‚durchaus nicht das Bedürfnis und die Möglichkeit 
Í er Gleichmacherei aus der eingebildeten Angst 


ig 
w 
i 
4 
iy 


A~ „Medizinische Traumdeuterei” - unterzieht 
Adolf Hoppe, Rinteln, meine beiden ersten 
Bücher über den Traum einer im ganzen nicht 
Schmeichelhaften Kritik (in Nr. 9-10 des laufenden 
Wahrgangs dieser Wochenschr.). Er erkennt rich- 
ig, daß beide Bücher den.Zwecke verfolgen, der 
‚atsächlichkeit und Möglichkeit 
les Wahrtraumes die wissenschaftliche An- 
Be tkennung zu verschaffen, kommt aber für seine 
| Person zu dem Schluß, daß es sich hier um An- 
S handele, die in das Gebiet des Glaubens 


sen, als „krasser Aberglaube” abzulehnen seien. 
Alles, was ich in jenen Büchern als Beweis- 
P aterial beibringe, existiert gewissermaßen für H. 
r n nicht. Er greift ein.paar — wie ich gern zugebe 
A schwächere Beispiele heraus, schlägt auf sie 

in und glaubt damit glänzend obgesiegt zu haben. 
den halte es nun nicht für angezeigt, als angegriffe- 
mer Autor hier eine endlose Polemik zu eröffnen, 


dingungen vollständig gleicht, 


nter der ein wenig herabsetzenden Aufschrift - 


sehören, und daß Schlußfolgerungen, wie die meini- 


1921] | _PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE  WOCHENSCHRIFT 133 


vor widerrechtlicher Freiheitsberaubung. Man 
darf auf Grund von Hirngespinsten keine Gesetze 
aufbauen und alte bewährte Kulturerrungenschaften 
aufs Spiel setzen. 

Es: würde zweifellos einen Kulturrückschritt be- 
deuten, alle die segensreichen Einrichtungen, die 
sich im Laufe der Jahrhunderte historisch entwik- 
kelt haben, zu beseitigen und durch eine öde Scha- 
blone zu ersetzen. 

Beispielsweise können die Hrenanstilten der 
Provinz Hessen-Nassau zum Teil auf eine fast vier- 
hundertiährige Wirksamkeit zurückblicken, und 
doch ist keine Anstalt der Provinz, die der andern 
in ihren Aufnahmebestimmungen und Existenzbe- 
praktisch haben 
sich weiter keine Übelstände für die Kranken er- 
geben, als daß die harmlosen Elemente mit den 
Kriminellen eng  zusammenzuleben gezwungen 
sind. 

Wer sich berufen fühlt, als Wohltäter für die 
Geisteskranken einzutreten, der möge den Hebel 
da einsetzen, wo wirkliche Mißstände sind, und 
richt da, wo eingebildete zu sein scheinen. 

Für die harmlosen Kranken ist ebenso wenig 
eine einheitliche Regelung nötig, wie für andere 
körperlich Kranke, dagegen ist die einheitliche Be- 
handlung. der Kriminellen für das ganze Reich ein 
Bedürfnis, für welches auch das Reich die Kosten 
aufbringen soll. 


„— und dennoch spukts in Tegel.“ 


die ja doch fruchtlos bleiben muß, solange H. sich 
nicht entschließt, selber praktisch : die 
Materie zu studieren, über die er urteilen 
will. Nur auf einige wesentliche Punkte sei hinge- 
wiesen. 

=- Wenn es sich um die Beurteilung eines wichti- 
gen Sondergebietes handelt, so pflegt von jeher 
der größere Sachkenner als der bessere 
Beurteiler zu gelten. Adolf Hoppe aber ver- 
fügt, wie er selbst zugibt, „über keine Erfahrungen 
auf dem Gebiete der Telepathie” und ist der — 
recht einseitigen — Ansicht, daß es „den meisten 
kritisch veranlagten Menschen ähnlich ergehen” 
werde. Er urteilt also ohne innere Berechtigung 
munter darauf los und erklärt jedermann, der zu 
einem anderen Ergebnis kommt wie er, von vorn- 
herein für kritiklos, also nicht beachtenswert. Daß 


ich selber mich seit wenigstens ‘acht Jahren aus- 


giebig mit dem — sehr schwierigen und durchaus 
nicht einfachen — Stoff befaßt habe, er selber 
aber ‚praktisch gar nicht, verschlägt 


134 


ihm also nichts. Hier kommt es aber ganz und 
gar auf eigenes Studium an, auf Sammlung und 
Sichtung eigener Erfahrungen, nicht auf 
das Lesen von ein paar älteren oder neueren 
Traumschriften, die andere verfaßt haben. Und 
dieses Sammeln, Sichten,: Analysieren muß frei. von 
iedem überlieferten Vorurteil geschehen; auch und 
hauptsächlich von wissenschaftlichen Vorurteilen, 
die zu allen Zeiten eine große Rolle gespielt haben 
und für viele Fortschritte in der Erkenntnis ein 
schweres Hemmnis bildeten. 

Wie urteilte man noch vor drei Jahrzehnten über 
die Hypnose? Genau wie heute Hoppe über 
den Wahrtraum. Noch v. Ziemßen wetterte 
1890 auf dem Oberbayerischen Ärztetage gegen 
sie und «warnte die Kollegen vor diesem Rückfall 
in die Mystik. „Ich vertraue”, sagte er, „dem ge- 
sunden Sinn der deutschen Ärzte, daß dieser Mysti- 
zismus an ihm abprallen wird.” Nun, es ist an- 
ders gekommen, wie man weiß. | 

Und schon mehren sich die Anzeichen, daß auch 
die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung des 
Wahrtraumes, d. h. des telepathischen und 
des prophetischen Traumes, im. Anzuge 
ist. Ich verweise auf die Schriften des Sanitäts- 
rats Dr. Bergmann, Berlin („Die Hygiene des 
Träumens”, im Verlag Joh. Baum, Pfüllingen 
i. Württ.), und des Dr. v. Gerhardt, Frankfurt 
a. M. („Unsere Träume und ihre Deutung”, bei 
Wendt & Klauwell, Langensalza), die beide auf 
demselben Boden stehen, wie ich selber. Ich ver- 
weise ferner auf Dr. Stekel, der, aus Freuds 
Schule hervorgegangen — von Hoppe durchaus 
mit Unrecht als Kronzeuge für seinen eigenen ableh- 
nenden Standpunkt genannt wird.. H. sagt von ihm: 
„Stekel hat unter seinem Material von über 
10000 Träumen ganze neun, die er als telepathi- 
sche auffaßt, und auch davon sind einige, wie er 
selbst zugibt, nicht in allen Stücken einwandfrei.” 

Nun, das Stekelsche Buch ist vor länger als 
zehn Jahren geschrieben, und Stekel hat in- 
zwischen, auf Grund umfassenderer Erfahrungen, 
seinen Standpunkt, was ihm nur Ehre macht, 
gründlich revidiert. Ich verweise auf sein jüng- 
stes Werk „Der ‚telepathische Traum”, das den 
Untertitel führt: „Meine Erfahrungen über die Phä- 
nomene des Hellsehens im Wachen 
Traume” (in der Sammlung ‚Die okkulte Welt, 
Verlag Joh. Baum, Pfullingen i. Württ.). „Der 
telepathische Traum”, sagt er da S. 17 ff., „wider- 
spficht der Theorie von Freud. Deshalb will 
die orthodoxe Psychanalyse den. telepathischen 
[raum nicht anerkennen. Freud und sein enge- 
rer Kreis zweifeln daher an der Existenz der tele- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


sche 


und im- 


ar: x 
er. 4 
k> g 
e. f, 

N 
(Nr. 2 
2 { 


pathischen Träume. Ich kann diesen Zweifel udi. 
teilen ind muß ihn auf eine Voreingenommaid 
gegenüber allen okkulten Fragen zurücktühd ~ 
Eine unbefangene Beobachtung eines reichen WE 
terials muß jedem unbefangenen Analytiker #° 
Tatsache der telepathischen Träume bestätig 
Wer heutzutage nicht an telepatiiis 
Träume glaubt, macht sr 
lächerlich” (von mir zesperrt!). Und wer 
„In meinem Buche ‚Die Sprache des Traumes WE 
ich bereits über neun telepathische Träume eigu 
Beobachtung referieren können. In den zehn % 
ren seit der Niederschrift des Werkes ist mein 
terial gewaltig gewachsen. Ich verfüge IE 
über Hunderte sichere Beobachtungen, darui 
fast 20 eigene telepathische Träume. Wolltei 
das gesamte Material und die berühmten (hist 
schen) telepathischen Träume mitteilen, ich kön 
einen stattlichen Band füllen.” 1 
Stekel gibt dann eine große Reihe übe 
sendster Belege und erwähnt u. a, dab er ai 
zwölf Todesbotschaften im Trati 
besitze, die sich im Kriege ereignet haben. „i 
telepathische Träume”, sagt er schließlich, 4 
es keine Entfernungen. Diese Sprache ohne Wi 
überwindet den Raum und — wer weiß es fiy 
vielleicht auch die Zeit.” d 
Ich kann: nur bitten, das Buch zu lesen, sip 
sich von vornherein auf einen ablehnenden 47 
punkt zu stellen, der im Grunde tatsächlich mi 
Unwissenheit identisch ist. Die Belege tim 
sich bergehoch, wenn man nur die Augen ÖlEB 
Selbst unter Ausschaltung und Berücksichtig 
aller Fehlerquellen bleibt ein stattlicher Re 
„Unterbewußtsein”, das heutige „Mädchen | 
alles”, mit dem man jedes Erklärungsmanko \ 
decken möchte, und „Wahrscheinlichkeitts N 
nung”, mit der man die unwahrscheinlichste N} 
lichkeit zur wahrscheinlichen machen möchte WE 
sagen vor gewissen Tatsachen, vor denen si y 
allen denkenden Menschen leider nur gewisse “f 
demische Gruppen noch sperren, weil sie in w$ 
lernten Vorurteilen befangen sind. | 
Eine Frau in Hannover träumt den tödlich Es 
laufenden Unfall ihres in Mecklenburg wollt 
den Vaters acht Tage voraus. Eine Mutter ii 
Wochen vor der Verwirklichung das an Dam 
schlingung eintretende Ende ihres Sohnes, Fk 
weit kommt man da mit der Möglichkeits- ® I 
Wahrscheinlichkeitserklärung,, wie weit mit! 
„Unterbewußtsein?” Wir kommen, mögen WIE 
sträuben solange wir wollen, tatsächlich schlief F 
wieder zu der Annahme eines seelischen Elem@F 
zurück, das unter gewissen Umständen unabläl | 


ist von den materiell-sinnlichen Begriffen des Rau- 
a ies und der. Zeit. 

= Wo wir diese neuen Erkenntnisse in den wis- 
Senschaftlichen Fundamentalsatz von Ursache und 
Wirkung einfügen können, bin ich bemüht, in dem 
letzten Schriftchen dieser Serie zu zeigen („Die 
Mystik des Traumes und ihre wissenschaftlichen 
Grundlagen”, bei Joh. Baum, Pfullingen i. Württ.), 


T ei Nachforschungen über die Tätigkeit des 
#7 ersten Direktors. der hiesigen Anstalt Dr. 
Rayner, des Vorkämpfers einer menschenwür- 
digen und möglichst. freien Behandlung der Gei- 
E eskranken und Verfassers der „Aufforderungen 
an die Regierungen, Obrigkeiten und Vorsteher 
ider Irrenhäuser zur Abstellung einiger schwerer 
IGebrechen in der Behandlung der Irren” fand ich 
folgenden Akteneintrag von seiner Hand, der be- 
weist, dah Hayner schon damals die Grenzen 
der Anstaltspflege erkannt hat und sie durch Unter- 
Ibringung der Kranken in Familien ergänzen wollte. 
der Form der Niederschrift ist zu bemerken, 
daß Hayner als Hausarzt der Landesanstalt 
Waldheim seine Vorschläge auf den geordneten 
Beamtenzusammenkünften und. bei den regelmäßi- 


ze nur als knapp gefaßte Begründung seiner 
mündlichen Vorschläge den Sitzungsprotokollen 
ta gefügt. So erklärt es sich auch, daß über das 
Weitere Schicksal seiner Vorschläge nichts zu fin- 
den ist. Die Niederschrift lautet: 

ekt. A Kap. IV Nr. 4 Bl. 34 und 35. 

- Unterzeichneter Arzt hat bei der letzten Zu- 
i der Beamten hiesiger Anstalt ver- 
j schen, über die Zweckmäßigkeit einer Einrich- 
ytu g, zufolge welcher genesene Irren, wenn ihr 
S außer der Anstalt erschwert ist, bei 
2utmütigen und rechtlichen Familien auf dem 
Le nde (oder nach Befinden auch in Städten) gegen 
ährliche Vergütigungen in Verpflegung gegeben 
fi Verden, einige Bemerkungen niederzuschreiben. 
ik Es sind folgende: | 
i 
Von einzelnen Fällen abgesehen, in der Regel außer 


S 


1. Die Erfahrung hat gelehrt, daß genesene Irre, 


1921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 5.4185 


dessen Erscheinen im Herbste bevorsteht und auf 
das ich — im Interesse der guten Sache: — hier 
verweisen muß. Möge jeder prüfen, ehe er 
urteilt! Oder, was noch besser..ist, -selbst 


seine - Iräume sammelt Ihre 
Sprache verstehen lernen. Es lohnt 
sich. Dr. Georg Lom er, Hannover. 


4 Dr. Hayner im Jahre 1821 über Unterbringung von genesenen 
E Geisteskranken in Familien. | 
Ein Beitrag zur Geschichte der Familienpilege. 

Von Obermedizinalrat Dr. Dehio, Colditz. 


der Anstalt vor Rückfällen in ihre Krankheit mehr 
gesichert sind, ja daß ihre Genesung, wenn sie auch 
nicht als vollständig zu betrachten ist, außer der 
Anstalt leichter vollendet und befestigt wird, als 
in derselben. 

Der Grund davon liegt 

a) in der Mutlosigkeit, welche den aus seinem 
Traumleben erwachenden Irren befällt und beäng- 
stiet, indem er bei verzögerter Beurlaubung oder 
Entlassung leicht auf den Gedanken gerät, daß er 
auf seine ganze Lebenszeit in seiner Freiheit be- 
schränkt und unter Unglücklichen zu leben. ge- 
zwungen sein werde; 

b) in dem öfteren Zusammentreffen mit Irren 
und Blödsinnigen, welches irrend, verwirrend und 
niederschlagend auf den noch schwachen und 
schwankenden Geist wirkt; 

c) in der geringen Mannigfaltiekeit, dem großen 
Einerlei der Beschäftigungen, die der genesende 
Geisteskranke in der Anstalt hat; 

d) in der ungesunden Luft, worin der Genesende 


bei längerem Aufenthalt in der Anstalt lebt. Mag 
auch (was in Waldheim wegen verschiedener Ört- 


lichkeiten nie der Fall sein wird) die Reinheit der 
Luft in den verschiedenen Verpflegsungshäusern 
noch so sehr befördert werden, so habe ich doch 
mit Verwunderung gesehen, wie schnell außer der- 
selben eine lebhaitere Gesichtsfarbe, eine freiere 
Tätigkeit der geistigen und körperlichen Verrich- 
tungen zurückkehrte. Es mögen die Ausdünstun- 
gen der Unglücksgefährten für die Genesenden sehr 
schädlich. sein, und der Gehalt der Luft in Häusern, 
wo viel Menschen beieinander wohnen, bleibt über- 
haupt, auch bei allen Gegenvorkehrungen, schlecht 
und ungesund. 

- 2. Daß der Lebensgenuß solcher an 
im Leben außer der Anstalt (in der Regel) erhöht 


wird, ist doch, will man ıdie Gesetze der Mensch- 


136 


lichkeit nicht unbeachtet lassen, zu berücksichtigen, 
und der erhöhte Lebensgenuß liegt, soviel ich sehe, 
in der Einatmung einer besseren Luft und in der un- 
gebundenen Freiheit. 

3. Die hiesigen Hausbeamten brachten mehrere 
(iründe dagegen vor, daß man die am Eingang 
bemerkte Einrichtung für ersparend ansehen 
dürfte, z. B. für die- Hausarbeit, welche der gene- 
sende Irre in der Anstalt verrichtet, müsse nach 
dessen Beurlaubung ein Sträfling gebraucht wer- 
den, es gehe also das nun verloren,'was ein Sträf- 
ling seither der Anstalt verdient habe, wenn der 
Beurlaubte, was oft der Fall sein könnte, nicht 
lange weg bliebe, so kehre er mit mangelhafter 
Kleidung zurück und die Anstalt habe nun außer 
dem gezahlten Verpflegungsgelde auch noch den 
Ersatz dieser zu tragen; der an der Stelle des be- 


urlaubten Pfleglings gebrauchte Sträfling zerreiße 


nun in der gröberen Hausarbeit mehr Kleider ab 
als vorher bei der sitzenden Lebensart und mehre- 
res dergleichen. Man darf wohl nicht so erigher- 
zig sein, man muß auch weiter hinausrechnen, zZ. 
B. wenn der Genesene durch vorläufige Unterbrin- 
gung in Familien in seiner Gesundheit so fest wird, 


daß er nie wieder in die Anstalt zurückkehrt, so. 


reiht er sich auch wahrscheinlich nicht selten all- 
mählich so in das bürgerliche Leben ein, daß die 
Unterstützung von der Anstalt wegfallen kann, 
und wenn nun der Anstalt so ein Menschenleben 
20 bis 30 Jahre nichts kostet, ist denn das keine 
Ersparnis? 

4. Das Beispiel andrer Staaten spricht für die 
fragliche Einrichtung. Man darf doch wohl an- 
nehmen, daß- Ausländer auch rechnen können. Der 
im neunten Jahre der verblichenen französischen 
Republik angeordnete Conseil general d’admini- 
stration des hospices civil et secours de la ville de 
Paris setzte Unterstützungssummen zu 30 bis 45 rh 
für solche Unglückliche aus, die in Verpflegungs- 
häusern gelebt und sich darinnen so weit erholt 
haben oder so befunden werden, daß sie mit einer 
solchen Unterstützung wieder in ihren oder an- 
dern Familien leben und auskommen können. Der 
Conseil hat diese Einrichtung nach genauer Be- 
rechnung ersparend gefunden. 


Waldheim, den 12. Mai 1821. 


Dr. Christian August Fürchtegott Hayner., 
Arzt der hiesigen Verpflegungsanstalt. 


Hayner schlägt also vor, genesene Irre ge- 
gen Entgelt in geeigneten fremden Familien unter- 
zubringen. Das deckt sich nicht völlig mit dem 
Begriffe, den wir jetzt mit der Familienpflege ver- 
binden, die noch Geisteskranke gegen Entgelt und 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


völlig Genesene, 


rücksichtigen ist, daß sie den Anschauungen 


Br; 
\-: 


[Nr. 21 h 


unter geregelter ärztlicher Aufsicht in Fami 
verpflegen will. Aus den weiteren Ausführung 
geht aber hervor, daß unzweifelhaft nicht al 
sondern auch Genesend wi.. 
wohl auch unheilbare, harmlos Schwachsim 
darunter fallen würden. Er spricht selbst voy 
nesenden und würde nicht so ausführlich auii 
heilsamen Einfluß des Lebens außerhalb derti 
stalt eingehen, wenn er volle Heilung voraus 
zen würde. Bei der Ausführung seines Plami 
hätte er sicher auch eine geregelte Aufsicht, # 
zwar, wie es seinen Anschauungen entspricht, df 
ärztliche angestrebt, das hätte schon die Enti 
digung. in der geregelten Verwaltung des Kit 
reichs Sachsen selbsttätig bedingt. Es wäre ifp 
dersinnig zu erwarten, daß ein Gedanke wiet 
der Familienpflege gleich nach allen Richtung 
durchdacht und zur Ausführung ausgearbeitt FA 
kommen sollte. — Eigenartig berührt zum Teli 
Begründung des Vorschlages, wobei freilich zul 


Laien angepaßt werden mußte. Einmal dee 
chologischen Ausführungen, die dem Geiste ® 
damaligen wissenschaftlichen Irrenheilkund d 
sprechen, und ‚vor allem die merkwürdige Er 
nung der Schädlichkeit der Ausdünstunga $ 
Geisteskranken, die damals freilich nach Krä 
lin (Hundert Jahre Psychiatrie, S. 11) eifrii 
örtert worden ist. Für den ärztlichen Schar 
Hayners spricht aber, daß er so unver 
und klar die Tatsache der Schädigung vieler M 
ker durch zu lange ausgedehnten Anstaltsaufen 
betont, eine Tatsache, die lange Zeit den im | 
ärzten nicht genügend bewußt gewesen ist, uif 
auch die nachdrückliche Betonung der Heilsamgig 
der gewohnten  Lebensreize. Bezeichnend $ 
Hayner ist der Wert, den er auf die algu 
nen gesundheitlichen Verhältnisse legt, dem gy 
großer Teil seiner Arbeit als Hausarzt in Ws 
heim und die Grundlage für sein ärztliches MG 
deln überhaupt war die Schaffung guter ge% 

heitlicher Zustände in der Anstalt, die Anst 
hygiene. — Leider ist nichts darüber zu ind 1 
wie sein Vorschlag aufgenommen und ob wi 
haupt ein Versuch zu seiner Verwirklichung 
macht worden ist. Vom Sonnenstein wurde $ 
Genesenen niemals unmittelbar entlassen, SMF 
erst nach drei- bis fünfjähriger Beurlaubung ' f; 
Bestande abgeschrieben. Während diese! / fi 
sollte über ihren Zustand berichtet werden $, 
auch Pienitz erwähnt (Nostiz und JU Es; 
kendorf, Beschreibung der Anstalt SWFA 
stein, Dresden 1829, Teil I S. 489 und Il > Ti 
Aber es handelt sich dabei um ganz andere "Fk 


als sie Hayner im Auge hatte, 


i Diese Form der Beur- 
daubung war in Sachsen noch bis zum Jahre 1913 
üblich, bis zur Einführung des neuen Irrenversor- 


 — Reichsverband. Die Richtlinien sind jetzt in 
Mer endgültigen Fassung zum Versand an die E. V. be- 
feit. Jedes Mitglied kann 1 Exemplar haben, jeder 
IE. V. noch entsprechend seiner Mitgliederzahl einige 
u Es wird um umgehende Mitteilung gebeten, 
wieviel jeder E. V. wünscht, auch der genauen Mit- 
zliederzahl. Baumann-Landsberg. 

= — Der gegenwärtige außerordentliche Hang zur 


Montag, 11. April 7/2 Uhr „Thaliasaal BEE 


4 Kommende Weltkatastrophen 
u mit Yoraussagungen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte! 
| Vortrag von Dr. Georg Lomer 


Überall tagelang vorher ausverkauft! 


Aus dem Inhalt: Der zweite Weltkrieg, Vorboten 
u. Folgen. Deutschland hineingezogen? Die Sintflut 
kommt wieder. Weissagungen der Thalia Helladus 
. bisher eingetroffen. UÜbermenschen am Nordpol? 
‚ Wann fällt der Mond auf die Erde. Englands 
Untergang. Polens Schicksal. Der Christuskomet. 


Nach dem Vortrag Beantwortung 
schriftlicher Anfragen. 


Karten zu M. 8,— bis M. 3,— und Steuer bei 
i Heinrich Hothan, Gr. Uirichstraße 38. BEES 


— Hilisvereine für entlassene Geisteskranke. Unter 


kommene Mitteilung wird darum gebeten, etwaige Zu- 
(Schriften an Herrn Geh. Med.-Rat Dr. Ackermann, 
WGroßschweidnitz (Prov. Sachsen), zu richten. 


© — Verein für Erziehung, Unterricht und Pilege 
faeistesschwacher. 17. Tagung, 12. bis 15. September 
4921 in Würzburg. 
E Tagesordnung. 
© Montag, den 12. September abends !⁄28 Uhr im 
uttenschen Garten: Vorversammlung der Vereinsmit- 
Blieder. Gäste willkommen. 

T Dienstag, den 13: September früh 8 Uhr im Hör- 
Saal VII des neuen Kollegienhauses: 1. Begrüßung und 
Mitteilungen. 2. Prof. Dr. Marbe, Würzburg: Über nor- 
male und abnorme Bewußtseinsvorgänge (mit Demon- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


137 


staltsplatz für den Entlassenen solange, zuletzt bis 
zu einem Jahre, freizuhalten. 

Herrn Oberregierungsrat Dr. Poller, Direk- 
tor der Strafanstalt Waldheim, habe ich für die 
freundliche Überlassung des Materials bestens zu 


danken. 


Mitteilungen. 


segenständlichen Denkens, besonders im Deutschunter- 
richt bei Geistesschwachen. 5. Hauptlehrer Deeg, 
Würzburg: Der Grundsatz der Entwicklungstreue im 
Lehrplan der Würzburger Hilfsschule. — Nachmittags: 
Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten Würzburgs 
unter Führung Ortskundiger. Abends 8 Uhr öffentlicher 
Vortrag in noch zu bestimmendem Saale: Anstaltslehrer 
und- histor. Schriftsteller Max Kirmße, Idstein, über: 
Der Schwachsinnige und seine Stellung im Kulturleben 
der Gegenwart und Vergangenheit. 

Mittwoch, den 14. September früh 8 Uhr im Hör- 
saal VIII des neuen Kollegienhauses: 1. Oberarzt Klee- 
fisch, Essen, Franz Sales-Haus: Die Tuberkulose in un- 
seren Anstalten (mit Demonstrationen). 2. Hauptlehrer 


Egenberger, München: Professur für Heilpädagogik. 3. 


Prof. von Düring, Steinmühle: Infantilismus und Schwach- 
sinn, ihre Unterscheidung. — Nachmittags Besuch der 
Würzburger Taubstummenanstalt. 

Donnerstag, den 15. September. Fahrt nach 
Gemünden am Main, vorm 8! Uhr ab Würzburg, in 
Gemünden 9° Uhr. — Besichtigung der Schwachsin- 
nigenanstalt St. Joseishaus daselbst. 

Änderungen der Tagesordnung vorbehalten. Näheres 
im August- und Septemberheft der „Zeitschrift für Be- 
handlung Schwachsinniger“. 


= a 


| Buchbesprechungen. 


— Pilez, Prof. Dr. Alexander: Lehrbuch der Spe- 
ziellen Psychiatrie für Studierende und Ärzte. 5. ver- 
besserte Auflage. 311 S. Leipzig und Wien 1920, Franz 
Deuticke. 30,00 M. | 

Es ist für ein Lehrbuch der Psychiatrie recht be- 
achtenswert, daß es in 15 Jahren fünf Auflagen erlebt, 
zumal bei der großen Zahl Lehrbücher dieses Fachs. 
In dieser neuen Auflage sind besonders auch die Kriegs- 
erfahrungen berücksichtigt, die in ungewöhnlich großer 
Zahl zu sammeln P., der seit Kriegsbegsinn in leitender 
Stelle als Militärpsychiater tätig gewesen, reiche Ge- 
legenheit hatte. Fast iedes Kapitel erfuhr Änderungen 
und Ergänzungen. 

Bemerkenswert ist die Einteilung der Geistesstö- 
rungen: I. Akute funktionelle, a) Melancholie, b) Manie, 
c) Amentia, Delirium acutum. II. Chronische, a) Para- 
noia, b) periodische G.n. II. Alkoholische. IV. Verblö- 
dungsprozesse, a) Dem. paralytica, b) Dem. senilis, cC) 


Dem. arteriosclerotica, d) Geistesstörungen bei Hirn- 
krankheiten, e) Dem. praecox. V. Thyreogenes Irresein. 
VI. Irresein bei Epilepsie und Hysterie. VIH. Angeborene 
Defektzustände. VHI.. Psychopathische Minderwertig- 
keiten, | 

— Jacobi, Dr. W., Abteilungsarzt der Psychia- 
trischen Universitätsklinik zu Jena: Die Ekstase der alt- 
testamentlichen Propheten. Grenzfragen Nr. 109. 62 5. 
München und Wiesbaden 1920, J. F. Bergmann. 9,00 M. 

Das psychologisch und religiös gleich bedeutsame 
alttestamentliche Prophetentum ist bis jetzt von medizi- 
nischer Seite nicht in einer eigenen Arbeit behandelt 
worden. Wohl aber hat es Wundt, der doch von der 
Medizin herkam, in seiner Völkerpsychologie eingehend 
gewürdigt, und auch ich habe dem Probleme in meiner 
Studie über „Wahn und Glaube” (Zeitschr. f. d. ges. 
Neurol. u. Psych. Bd. LI S. 170 ff.) einige Seiten gewid- 
met. Auch Dickhoff, der über Ezechiel schrieb (Zeit- 
schr. f. Religionspsychol. I S. 193) ist Mediziner; da- 
gegen beruht der angebliche NervenarztKloster- 
mann, der 1877 dasselbe Thema bearbeitet hat, auf 
einem Mißverständis des Verfassers, der hier seinen 
Gewährsmann Schmidt (vgl. S. 17 Anm.; statt II muß 
es IV heißen) ungenau gelesen hat: Klostermann war 
seit 1868 Alttestamentler in Kiel und beiragte einen Ner- 
venarzt (Jessen in Hornheim?) wegen der kataleptischen 
Zustände jenes Propheten, der wohl unter dieser Schar 
von Ekstatikern die am meisten pathologische Erschei- 
nung darstellt, andererseits aber auch der ist, bei dem 
die Vision zuerst ganz offenbar als literarische Form be- 
nutzt wird, der also schon die spätere Apokalyptik vor- 
bereitet. 

Jacobi beherrscht seinen Stoff und die Literatur 
ausgezeichnet, namentlich ist er, was sehr wichtig ist, 
auch imstande, den hebräischen Urtext zu lesen. Der 
Überfülle des Stoffes im einzelnen nachzugehen, würde 
hier zu weit führen; ich beschränke mich daher auf ein 
paar Bemerkungen. Unter den. Propheten der nichtlite- 
rarischen Vorzeit, die des davidischen Königshofes, wird 
ihr Gegensatz zu den alten Priestergeschlechtern etwas 
eingehender besprochen werden können, insbesondere 
ihr Anteil an der Palastrevolution zugunsten Salomos 
(1. Kön. 1 und 2). Auch die Bileamsgeschichte, die mit 
ihrer primitiven Jahurvorstellung doch wohl recht alt 
ist, ist bedeutsam dadurch, daß sie zeigt, wie der Pro- 
phet sich zu Hause vorbereitet, aber, wenn der Geist 
über ihn kommt, etwas ganz anderes sagen muß. Unter 
den Ergebnissen dürfte überraschen, daß J. auch bei 
den großen Propheten der Königszeit vieles als nicht 
eigentliche visionäre Eingebung finden will, hier im An- 
schlusse an Bäntsch, der als Theologe über patholo- 
gische Züge in Israels Prophetentum” gearbeitet. hat. 
Ich gestehe, daß ich in diesem Punkte nicht überzeugt 
worden bin, so sehr J. für die Spätzeit im Rechte ist, 
in der der „Nabi” sogar zur Märchenfigur wird (Jona). 

Bei der Beachtung, die man heute allen dunklen 
Seiten des Seelenlebens zuwendet, wird die Studie nicht 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnumnell f 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausga?™ 
Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


psychologen gern und mit Nutzen gelesen werden 


FR 
IN né 
l 


nur von Medizinern, sondern erst recht-von Religia 


Hoppe, Rintel Ì 


Therapeutisches. 


— Die Behandiung der Vergiitungen. Vont 
G. Klemperer. Die Therapie der Gegenwart, O 
ber 1920. A 


An Hand eines Vergiftungsfalles, der trotz tödi 
Dosis von 2 g Sublimat die typischen Krankheitserg 
nungen in sehr geringem Grade zeigte, empfiehlt 
fasser dringend neben . ausgiebiger Magenausspl 
die Adsorptionsbehandlung mit Carbo anim 
„Merck, der auch der auffallend günstige Heilu 
verlauf des vorliegenden Falles zugeschrieben i 
Er läßt bei jedem Kranken, der spätestens zwölf ğ 
den nach einer Vergiftung eingeliefert wird, die Ma 
spülung vornehmen und mit dem letzten Was 
zwei EBßlöffel Kohlepulver, sowie 30 g Bittersalz 
gießen. Ist es für die Magenspülung zu spät, soi 
sofort die Kohle-Magnesia-Mischung in ein halbesl 
Wasser aufgerührt eingegeben. Von etwa 25 schwi 
Vergiftungsfällen mit Sublimat, Arsen, Lysol, Phos 
Zyankali ist seit Einführung der Kohletherapie ni 
einziger verloren gegangen. Alle anderen Antidote tigi 
an Wichtigkeit neben der Kohle zurück. Sie vermag 
bei Speisevergiftungen sowie bei Enteritis, Ruhr und 
lera die im Darmkanal gebildeten Gifte zu binden 
ist deshalb neben der Abführtherapie ein unschätt 
Heilmittel bei akuten schweren Durchfallerkranku 
geworden. 


— Die’ Wirkung der Ovarialoptone auf die N 
sekretion. Von Privatdozent Dr. A. Weil, 
Münch. med. Wochenschr. 1920 Nr. 17. I 

Zur klinischen Verwertung früherer Befunde x 
suchte Verfasser durch Einspritzung von Ovarienp | 
raten die mangelhafte Brustdrüsensekretion still A 
Frauen anzuregen. Er benutzte ein nach dem Wel x 
ren von Abderhalden zgewonnenes Ovarial | 
(Merck) und injizierte davon bei einer Erstgebätä 
mit gut entwickelter, mäßig sezernierender Mg 
Mamma und atrophischer rechter Mamma ohne Mil t 
sonderung an mehreren Tagen 1 bis 2 Ampullen (N 
Die Messung des Brustumfangs ergab innerhalb 141 
bis zur letzten Injektion eine Zunahme des Umiasgp 
38 auf 44 cm bei der linken Mamma; von 34 ani 4 
bei der rechten Mamma. Eine Nachuntersuchuns? 
ungefähr drei Wochen ergab, daß der Umfang def 
ken Mamma wieder auf 40, der rechten auf 36 0 
rückgegangen war. Nach Angabe der Patientin © 
nierte aber die linke Hälfte weiter wie vorher. 

Verfasser will keine bindenden Schlüsse aut 
sche Wirkungen des Ovarialoptons ziehen, sondem 
anregen, an geeigneten Fällen den inkretorischel 
fluß nachzuprüfen. | 


DR PN PE T 


a RE TERN In ee de 


Nr. 23/24. 1921/22. 


T reiundzwanzigster Jahrgang. 


|  Psychiatrisch-Neurologische 
| = Wochenschrift. 


Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle 2,9 


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Psychiatrisch- Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für irrenärzte und Nervenärzte. 
Verbandsorgan des Reichsverbands beamiteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


P Gen. San.-Rat Prof. Dr. K. Alt Uchtspringe (Altmark), Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat Dr. Beyer, Roder- 
- birken b. Leichl., Prof. Dr.. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. EANERDSTE: Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 


4 "Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 


F Nr. 23/24. 


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1 o ah Buchhandlung, d. Post 
7 u: unmittelbar vom Verlage. Er- 
a. scheint bis auf weiteres vier- 
Į zebntägig in Doppelnummern. 


i halt: 


ngen. (S. 149.) — Referate. 


I. Die Notwehr im allgemeinen nach geltendem 
a reichsdeutschen Rechte. 

T Die Notwehr gegenüber Geisteskranken ist nur 
in Sonderfall der Notwehr überhaupt. ‘Bevor wir 
uf den Sonderfall näher eingehen, scheint es daher 
angebracht, daß wir die Notwehr im allgemeinen 


h äher betrachten. 
i 4 Die Notwehrparagraphen sind § 53 DRStGB. 
ind § 227 des BGB. 


| 7 nicht vorhanden, wenn die Handlung durch Not- 
Wehr geboten war. Notwehr ist diejenige Verteidi- 


gen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem 
anderen abzuwenden. 

T Die Überschreitung der Notwehr ist nicht straf- 
| a ar, wenn der. Täter in Bestürzung, Furcht oder 


(Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. lIberg, Sonnenstein b. Pirna- (Sachsen), 
Ei Geh. RN, Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
E Mauer- puing, (N.-Ö.). Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt. Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


10. September 


Verlag und Ausgabe: | 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Teleer.-Adr.: 
Postscheck: Leipzig 32070. - 


Bach dem jetzt, gültigen reichsdeutschen Rechte 


\ A 5 53 DRStGB. iiet „Eine strafbare Handlung. 


Bung, welche erforderlich ist, um einen gegenwär- 


San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in - 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
I mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. Bei | 
größeren Aufträgen wird Nach- f 
laß gewährt. 


Marhold Verlag Hallesaale 


Über Notwehr gegenüber Geisteskranken und Geistesschwachen innerhalb und außerhalb der Anstalten. 
- Von Dr. med., Dr. phil, Dr. iur, Dr. dent. W. Hammer, Hamburg. Fortsetzung. (S. 139.) — Zur 
treitirage der Okkultistischen Forschung. Von Dr. med. Paul Sünner, Berlin. (S. 143.) — “Archiv für wissen- 
chaftlichen Okkultismus (T elepathie, Hellsehen, Psychometrie, Telekinese, Teleplastik usw.). (S. 148.) — Mittei- 
(S. 149.) — Buchbesprechungen. 

Personalnachrichten. (S. 150.) 


(S.:149,) — een (S. 149) — 


Über Notwehr gegenüber Geisteskranken und Geistesschwachen 
innerhalb und außerhalb der Anstalten 
vom ärztlichen und rechtswissenschaftlichen Standpunkte aus. 
Von Dr. med., Dr. phil., Dr. jur., Dr. dent. W. Hammer, Facharzt für Irrenheilkunde, Hamburg. 
(Fortsetzung.) | | 


Schrecken über die Grenzen der Verteidigung hin- 

ausgeht.“ | 
-§ 227 des BGB.-lautet: „Eine durch Notwehr 

gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich. Not- 


wehr ist: diejenige Verteidigung, ‚welche erforderlich 


ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff 
von sich oder einem anderen abzuwenden.” 
Notwehr ist also dieselbe Handlung unter straf- 
rechtlichen und unter bürgerlich-rechtlichen Ge- 
sichtspunkten; „Notwehr ist dieselbe Tat vor 


Zivil- und Strafsenat.” 9) 


Notwehr innerhalb gewisser Grenzen ist nach 


dem BGB. geboten, nicht straffreies Unrecht, son- 


dern geboten, erlaubt, also gutes Recht. Notwehr- 
überschreitung ist hingegen straffreies Unrecht, 
falls die Handlung aus Bestürzung, Furcht oder 
Schrecken eine Überschreitung der zur Abwehr 


rechtswidriger Angriffe erforderlichen Abwehrein- 


griffe darstellt, sonst, soweit nicht $ 51 Straffreiheit 
bewirkt, strafbar., 

Notwehrüberschreitung ist also auf alle 
Fälle unerlaubte Handlung. Straffreiheit bewirken 
nicht nur die allgemeinen Strafausschließungs- 
gründe ($ 51 Zustände der Bewußtlosigkeit oder 
krankhaften Störung der Geistestätigkeit, durch 
durch die zur. Zeit der Begehung der Handlung die 
freie Willensentschließung ausgeschlossen ist), son- 
dern noch besondere Strafausschließungsgründe 
Bestürzung, Furcht, Schrecken. | 

Merkmale der rechten Notwehr, im jetzigen 
Sprachgebrauch, Notwehr schlechthin genannt, 


sind: 1. ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff, 


2. eine innerhalb der richtigen Grenzen geübte Ver- 
teidigung. 

Unter Angriff ist eine positive Tätigkeit, nicht 
eine reine Unterlassung zu verstehen (so M ey er- 
Allfeld, Hälschner*%), Binding*®), Ols- 
hausen‘), Frank°) und Reichsgericht in 
Strafsachen 19, 298). Gegen unerlaubte Unterlas- 
sungen, Z. B. Nichtauszug eines unbefugt in einer 
Wohnung verweilenden ist nach Allfeld”*) Not- 
angriff aus $ 229 BGB. aber nur insoweit zuläs- 
sig, als obrigkeitliche (gerichtliche oder polizeiliche) 
Hülfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist, und ohne 
sofortiges Eingreifen die Gefahr der Vereitelung 


und wesentlichen Erschwerung der Verwirklichung 


eines begründeten Rechtsanspruches besteht?®). 

Notwehr ist nicht zulässig gegen jeden Angriff, 
sondern nur gegen einen rechtswidrigen 
Angriff. Gegen rechtmäßige Angriffe, z. B. recht- 
mäßige Verhaftungen, Züchtigungen innerhalb der 
rechtmäßigen Grenzen, gibt es keine Notwehr. 
Rechtswidrig ist nicht die Notwehr, wohl aber die 
Notwehrüberschreitung. Notwehr gegen Notwehr 
gibt es demnach nicht, wohl aber Notwehr gegen 
Notwehrüberschreitung. 

Rechtswidrig kann ein Angriff subiektiv und ob- 
jektiv sein. Subjiektive Schuld des Täters ist nach 
RStGB. 27, 44 nicht erforderlich. Notwehr ist also 
nicht nur gegen vorsätzliche und fahrlässige (also 
schuldhafte), sondern auch gegen Handlungen, die 
in.entschuldbarem Irrtum, sowie auch gegen Hand- 
lungen, die von Kindern und unzurechnungsfähigen 
Menschen begangen wurden, zulässig. Die Zu- 
lässigkeit der Notwehr gegenüber dem Geisteskran- 
ken, der dem Notwehrenden als geisteskrank be- 
kannt ist, hat das Reichsgericht ausdrücklich fest- 
gelegt. Gegen Putativnotwehr (also gegen An- 
griffe von Menschen, die sich irrtümlicher Weise 
rechtswidrig angegriffen fühlen) ist Notwehr zü- 
lässig. 

Der rechtswidrige Angriff muß gegenwärtig 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


brecher und Diebe, bissige Hunde gegen Hause 
densbrecher, 


Nr, 2 1 


sein, d. h. unmittelbar drohen; schon begom ; 
haben, noch nicht abgeschlossen sein. Eine m ; 
Abschluß der Schädigung erfolgte Verletzung db, 
daß eine Fortsetzung oder Wiederholung derd | 
letzung droht, wäre Rache oder Bestrafung ud 
Umständen Beleidigungserwiderung, nicht WE; 
jedoch Verteidigung oder Notwehr. Gegen] 
künftige, nicht unmittelbar drohende Angriffe y 
Schutzmaßregeln zulässig, durch die der Ang 
im Augenblicke der Tat verletzt wird, z. B. Stud 
drähte und Glassplitter auf Mauern gegen M: 


Fußangeln und Selbstgeschi®& 
Schlageisen. Doch ist gerade wegen der Geif 
lichkeit der zuletzt genannten Mittel an bewoil® 
oder von Menschen besuchten Orten eine poit 
liche Erlaubnis zur Legung von Selbstgesch& 
Fußangeln, Schlageisen aus $ 367, 8 DRSIBE 
forderlich, während die Absperrung durch @: 
senkte Mauern, Stacheldraht, Mauern mit i: 
zementierten Glasscherben aus $ 367, 15 geschi@ 
ten Baupolizeiverordnungen unterworien @ 
kann.’”) 

Der Angriff kann sich gegen den Täter 
irgendeine andere physische oder juristische Ñ 
son, auch gegen solche, die dem Strafrechtsg a 
entzogen sind (Exterritoriale), wie auch g 
Strafunmündige und Geisteskranke richten, A! 
diesen Tätern gegenüber ist Notwehr gest 
Tieren gegenüber ist Notwehr möglich, sowei 
Werkzeuge angreifender Menschen sind, s02 i 
gehetzten Hunden gegenüber. Sonst greift I? 
gegenüber der Notstand ein, da sie gemäh 2 
BGB. als Sachen zu betrachten sind, man í | 
nach dem Kommentare der Reichsgerichtsrät& 
BGB.) Tieren gegenüber nicht von widerreii® 
reden kann, da sich die Rechtsordnung an M 
schen, nicht an Tiere wende. Doch ist der: 
schluß der selbständig angreifenden Tiere vm% 
unter $ 53 fallenden Angreifern nicht ganz If 
stritten. 

Der Angriff kann sich gegen irgendein reif 
geschütztes Gut richten, gegen Leib, Leben, M 
heit, Ehre, Hausfrieden, Familienrechte, Verm 
Besitz, Inhabergewalt, Rechte der Allgemeiti 
das sittliche und religiöse Gefühl. 

Nicht erforderlich ist, daß der Angriff vo 
ten des Angegriffenen unverschuldet ist, WET 
frühere gemeine Recht und das Hannove® 
Strafgesetzbuch von 1840 verlangten, oder dab? | 
Angriff vom Notwehrtöter nicht vorherge® 2 
wurde.”*) 4 

Nicht anwendbar sind die Notwehrbestint i: 
gen auf den Zweikampf. Vorsätzliche Übertt! | 


Zweikampfs ist nicht als Notwehr straflos, sondern 
i vird vielmehr, falls der Gegner den Täter ver- 
i etzte oder tötete, aus § 207 DRStB. als Körperver- 
iletzung oder Tötung je nach dem Erfolge geahndet, 
finsofern nicht die Vorschriften über den Zweikampf 
Sich im gegebenen Fall, z. B. weil er ohne Sekun- 
fdanten stattfand, als die härteren darstellen. 

IE Hinsichtlich des zweiten Notwehrmerkmals, der 
Nanerhalb richtiger Grenzen geübten Verteidigung, 
sind folgende Punkte wichtig. 

FE Die Forderung eines bestimmten Wertverhält- 
isses zwischen dem angegriffenen und dem ver- 
letzten Gut wird zurzeit im Deutschen "Rechte 
Micht erhoben, im Gegensatze zum Württem- 
(Đergischen Strafrecht von 1839, zum Hessi- 


WOsterreichischen Vorentwurf $ 12 und zum Schwei- 
er Vorentwurf Art. 26. Zulässig ist jede Verlet- 
"Zung, die zur Abwehr des Angriffs erforderlich ist. 
i faBgeblich für die Beurteilung der Rechtswidrig- 
Keit ist nicht die persönliche Meinung des Notweh- 
renden, sonden die tatsächliche (obiektive) Sach- 
jlage, bei der die Umstände des Einzelfalls ein- 
‚schließlich der persönlichen Eigenschaften des Tä- 
‚ters und des Angreifers mit zu berücksichtigen sind, 
y vie das Reichsgericht wiederholt zum Ausdruck 
j gebracht hat (RGSt. 1, 23; 9, 471; 21, 189). 
„ Immer aber ist zwecks Vermeidung der Not- 
Wehrüberschreitung das geringere Mittel, sofern es 
i Hand ist und ausreicht, vor dem:schwereren 
‚zur Anwendung zu bringen. 
* Wo Notwehr in Frage kommt, ist auch die Dro- 
„ung mit Ausführung der Notwehrhandlung ge- 
Sn wie das Reichsgericht mehrfach ent- 
Behieden hat (RGSt. 3, 222; 32, 391). Wenn mög- 
„lich soll die Drohung der Verletzung vorherge- 
i hen 71) da sie das geringere Mittel ist. 
; ob der Angegriffene, wenn er selbst imstande ist, 
Sich zu wehren verpflichtet ist, sich der Hilfe 
; anderer zu bedienen, insbesondere falls dies 
‚Ohne Erhöhung der Gefahr möglich ist, obrig- 
geitliche Hilfe herbeizuziehen, herrscht Mei- 
E E Köstlin,f) Seeger,?) 
P eyer,”) v. Schwarze”) sind der Ansicht, 
laß in solchen Fällen obrigkeitliche Hilfe herbeizu- 
Ehen sei, Haelschner,*%) Olshausen,®) 
Bincins >) Finger,®) Fischer) Meyer- 
TA llfeld™) verneinen die Frage. 
© Flucht kann als das geringste Mittel in Frage 
kommen und wird in weitestgehendem Maße kirch- 
l Mcherseitz verlangt. Schimpfliche Flucht verlangt 
“das Reichsgericht jedenfalls nicht (RGSt. RSpr. 6, 
576; E. 16, 6). 


> 
St 


f 2 
ee: 


E d 
i E 
Toa 


der vereinbarten oder hergebrachten Regeln des 


schen von 1841, zum Badischen von 1845, zum 


Darüber, 


1921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 141 


Die zur Abwendung eines gegenwärtigen 
rechtswidrigen Angriffs erforderliche Verteidigung 
ist auch dann erlaubt, wenn der Angegrifiene mit 
der sich in erlaubten Grenzen haltenden Verteidi- 
eung einen über die Verteidigung hinausgehenden 
Zweck verfolgt (RG. RSpr. 4, 804).%) 


Der mehrfach Angegriffene kann also beliebig 
von seinem Abwehrrechte Gebrauch machen und 
auf Abwehr Verzicht leisten, auch wenn er das eine 
Mal in der Hoffnung auf Besserung verzeiht, das 
andere Mal einen der Übeltäter herausgreift, um 
die andern abzuschrecken. 


Gegenangriff kann auch als Verteidigungsmittel 


gewählt werden (RG. RSpr. 4, 804),”*) falls er er- 
forderlich ist, um einen drohenden rechtswidrigen 
Angriff abzuwehren. 

Notwehrüberschreitung ist rechtswidrig, also 


unerlaubte Handlung. | 
Notwehrüberschreitung kommt in zwei Formen 


und als „extensiver” ‚„Not- 
Intensiver Notwehrexzeß ist Not- 


vor als ‚intensiver” 
wehrexzeß”. 


wehriehlgriff in der Art und dem Maße der Ver- 


teidigung. Straffrei ist der intensive Exzeß der 
Notwehr, falls er aus Bestürzung, Furcht, Schrek- 
ken, nicht aber aus anderer Erregung, z. B. Kamp- 
ieseifer, sittlicher Entrüstung, Zorn verübt wurde, 
wenn er nicht zufolge zweifelhafter Zurechnungs- 
fähigkeit des Täters aus $ 51 DRStGB. freizuspre- 
chen ist. (RG. 21, 131). ‚„Extensiver” Notwehr- 
exzeß ist ein besonderer Fall der Putativnotwehr, 
also der irrigen Annahme des Täters, daß ein gegen- 
wärtiger rechtswidriger Angriff gegen ihn vorläge, 
gegen den er sich wehrt. Extensiver Notwehrex- 
zeß ist Putativnotwehr im Affekt. 

Furcht und Bestürzung sollen nach Haelsch- 
ner ,°% 7t) falls sie den Irrtum verursachten, Straf- 
losigkeit bewirken aus $ 53 Abs. 3, während 


Meyer-Allfeld,*) Olshausen”) und die, 


meisten ‚anderen Rechtsgelehrten  Straflosigkeit 
wegen mangelnden Vorsatzes und entschuldbaren 


Irrtums wie für die Putativnotwehr im allgemei- 


nen, so auch für den extensiven Notwehrexzeß an- 
nehmen. 


Eine Verpflichtung, die in Notwehr verübte Ver- 
‚letzung bei der Behörde zur Anzeige zu bringen, 


ist nicht in das Gesetz aufgenommen. 

Bürgerlich-rechtlich haftet der Notwehrende für 
rechte Notwehrhandlungen überhaupt nicht, für 
Notwehrüberschreitung nur dann, falls Fahrlässig- 
keit erweislich ist. „Fahrlässigkeit ist die ver- 
meidbare, durch Mangel an Vorsicht und Mangel an 
Voraussicht bedingte Unkenntnis von Tatbestands- 
merkmalen.”t) 


er en A or! ee Zi une A a A S 2 p3 


142. PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


IV. Die Notwehr ist zulässig gegenüber 
Geisteskranken im besonderen. 


1. Die grundlegende Reichsgerichts- 
entscheidung (RGSt. 27, 44). 


Nach der vorstehenden Übersicht über die Not- 
wehr im allgemeinen können wir uns der Notwehr 
Geisteskranken gegenüber zuwenden. 

Die grundlegende Reichsgerichtsentscheidung 
(RGSt. 27, 44) lautet wörtlich: 

„Wird das gesetzliche Notwehrrecht dadurch 
ausgeschlossen, daß der Angriff, der durch die Ver- 
teidigung abgewendet werden soll, von einem nicht 
zurechnungsfähigen oder von einem in unvermeid- 
barem Irrtum handelnden Menschen ausgeht?” 
(StGB. §§ 51, 53, 54, 59.) 


Aus den Gründen: Nach den Feststellungen der 


Vorinstanz hat der Angeklagte, welcher als Wärter 


des geisteskranken .Musiklehrers L. angenommen 
war, diesen ihm zur Pflege übergebenen Kranken 
mit einem starken Filzpantoffel eine größere An- 
zahl von Schlägen auf den Kopf versetzt, so daß 
der Geschlagene zu Boden gefallen ist. Der Ein- 
wand des Angeklagten, daß er in Notwehr gehan- 
delt habe, wird von dem ersten Richter ‘als wider- 
legt erachtet. Als erwiesen wird bezeichnet, daß 


L. den Angeklagten durch Emporhalten einer Gabel 


bedroht hat. Die Revision macht geltend, daß ein 
Geisteskranker keine rechtswidrige Handlung be- 
gehen könne, auf den vorliegenden Fall nicht der 


$ 53, welcher einen rechtswidrigen Angriff voraus- 


setzte, sondern der $ 54 StGB. anzuwenden sei, der 
erste Richter aber unterlassen habe, zu prüfen, ob 
die strafbar befundene Handlung von dem Ange- 
klagten im Notstande zur Rettung aus einer gegen- 
wärtigen Gefahr für Leib und Leben begangen sei. 


Die Beantwortung der in der Doktrin streitigen 
Frage, ob durch den Angriff eines nicht zurech- 
nungsfähigen Menschen Notwehr im Sinne des $53 
StGB. begründet werden kann, hängt von der Er- 
mittlung ab, was das Gesetz unter einem „rechts- 
widrigen” Angriffe versteht. Der nämliche An- 
griff kann zugleich nicht rechtswidrig sein für den, 
von welchem er ausgeht, und rechtswidrig für den, 
gegen welchen er gerichtet ist. Der Täter, welcher 
zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem 
Zustande von Bewußtlosigkeit oder krankhafter 
Störung der Geistestätigkeit befindet, durch wel- 
chen seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen 
wird, ist zu einer Handlung im. strafrechtlichen 
Sinne nicht fähig (§ 51), und der von ihm vorge- 
nommene Angriff für ihn nichts Rechtswidriges. 
Eine Rechtsverletzung fällt auch demjenigen nicht 


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zur Last, der angreift, weil er sich hierzu aus er i 
unvermeidbaren Irrtum für berechtigt hält $ 
Der durch den Angriff eines Unzurechnungi® 
gen oder im Irrtum Befindlichen Gefährdete i$ ‚ 
aber nicht die Rechtspflicht, sich eine Beeinti 
tigung seiner rechtlich anerkannten Interessen: 3 
fallen zu lassen, und deshalb ist der gegen si 
Interessen gerichtete Angriff für den Angegritug 
ein rechtswidriger. Wäre die Notwehr davon 
hängig, daß der Angriff dem Angreifer zur Sdi | 
anzurechnen ist, so würde der Angegritfene i 
dann. zur Verteidigung übergehen dürfen, wemi 
vorher ermittelt hätte, daß der Angreifer nidii 
einem Zustande von Geistesstörung und nicht 
folge eines unvermeidbaren Irrtums handle. ig 
solche Ermittlung ist regelmäßig unmöglich, we 
nicht der meist durch Raschheit der Ausführungi® 
dingte Erfolg der Verteidigung vereitelt weii 
soll. Wäre die Verschuldung des Angreiferst 
scheidend, so müßte folgerichtig auch das MI 
Schuld für die Art und den Umfang der era 
Abwehr von Bedeutung sein. Von alledem isti 
doch in dem § 53 StGB. nicht die Rede In 
zweiten Absatze des $ 53 wird diejenige Vend 
gung, welche erforderlich ist, um einen gegen 
gen rechtswidrigen Angriff von sich oder eng 
andern abzuwenden, als Notwehr bezeichnet, ai 
lediglich ein Angriff vorausgesetzt, der wider 
lich ist, weil das Recht einen solchen Angriff 
fremde: Interessen nicht erlaubt, und es wird kig 
lich nach der objektiven Beschaffenheit des Angi 
der Umfang der Verteidigungsmittel bemessil $ 
dem ersten Absatze des $ 53 aber wird best 
daß eine strafbare Handlung nicht vorhanden 
wenn die Handlung durch Notwehr geboten WE 
Hiernach besteht das gesetzliche Notwehr 
darin, daß der Angegriffene befugt ist, durch | 
dem Angriffe angemessene Verteidigung em “g 
von. sich abzuwenden, das ihm durch den AM 
droht und welches er zu erdulden rechtlich M 
verpflichtet ist, ohne daß es darauf ankommt 
der Angriff von einem Zurechnungsfähigen “g 
einem Unzurechnungsfähigen ausgeht. Wol | 
man der Ansicht der Revision beitreten, dab E 
Angriffe Geisteskranker nur Notstand ($ 54 st 
begriffen, so würde man, da der $ 54 nur eine Rus | 
lung zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gel i 
für Leib und Leben des Täters oder eines “f 
hörigen für erlaubt erklärt, zu dem Ergebnis 
langen, daß es unzurechnungsfähigen FEN F 
gegenüber bei Angriffen, durch welche nu | 
Vermögen, nicht aber Leib und Leben geig 
werden, ein Recht zur Verteidigung Übe 
nicht gibt, und bei Angriffen mit gegenwärtige! 


a 
P 
> 


N fa hr für Leib und Leben den Angegriffenen nur ein 
i Angehöriger, nicht ein Fremder, verteidigen darf. 
EDics Ergebnis verletzt das natürliche Rechtsgefühl, 
ie 3S würde nur dann hingenommen werden können, 
wenn es, was wie dargelegt keineswegs der Fall, 
“als Wille des Gesetzgebers einen Ausdruck gefun- 
“den hätte, der eine andere Auffassung ausschlösse. 
© In dem angefochtenen Urteile wird ohne nähere 


N Notwehr gehandelt habe, „weil in dem vorliegen- 
den Falle das drohende Emporhalten ‘der Gabel, 


í Seinem Wärter, sich als rechtswidriger Angriff 
1 nicht darstelle.” Soll damit gesagt werden, daß bei 


ie les Pfleglings ein weiteres Vorgehen desselben ge- 
gen seinen Wärter nicht zu befürchten und deshalb 
f für ‚den letzteren keine ernstliche Gefahr vorhan- 
i Jen gewesen sej, so würde die Auffassung des 
je srsten Richters nicht beanstandet werden können. 
dd =s kommt indes hierauf nicht an, da auch festge- 


a 


d DESSOT, Gel. -San-Rat- Morlz und: DE 
m r W ald an, daß sie sich — aus der Psycholo- 
$i chen Gesellschaft hervorgegangen — zu einer 
í «ommission vereinigt. hätten, um einen Teil- der 
Ban okkulten Tatsachen einer exakten 
Prüfung zu unterwerfen. Eine solche Prüfung 
hielten sie für nötig, da einerseits das Interesse 
für diese Fragen außerordentlich zugenommen 
have, andererseits der Wissenschaft vorgeworfen 
iS erde — ob zu Recht oder nicht, bleibe dahinge- 
stellt —, daß sie die ihr obliegende Pflicht zur 
ee: Feststellung und Erklärung von Tatsachen nicht 
„hinlänglich erfüllt habe. Als Hauptproblem für die 


„Arbeiten sollte dienen: Das räumliche und das zeit-. 


iche Hellsehen, die Telepathie oder Gedanken- 


Zibertragung, die Telekinese oder die Bewegung 
von Gegenständen ohne die bekannten mechani- 
Br Kräfte, und schließlich die Materialisationen. 
Y enn dieser Ausschuß zunächst die Medien, dann 
aber auch alle Personen, die glauben, daß eine 
P fieser Fragen bejaht werden müsse, zur Unter- 
“suchung durch Gelehrte aufforderte, dann könnte 
er Leser meinen, daß nunmehr für eine vorurteils- 
Š Forschung die Wege geebnet seien. 
Demgegenüber ist jedoch zu erwarten, daß das 


1 Resultat der so kräftig angekündigten Kommission 


JE 
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IErläuterung bemerkt, daß der Angeklagte nicht in 
i begangen von einem Geisteskranken gegenüber 


Ider Eigenart der Krankheit und der Persönlichkeit 


or -a Zeit kündeten die Herren Professor 


1921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT TAB 


stellt wird, daß der Angeklagte das Maß der zur 
Abwehr erforderlichen Verteidigung erheblich 
überschritten hat, und zwar nicht in Bestürzung, 
Furcht oder Schrecken, und diese Feststellung ge- 
nügt, um die Anwendung des $ 53 StGB. auszu- 
schließen. 

Die Hauptsätze vorliegender Reichsgerichts- 
entscheidung lauten in kurzer Form: Geisteskran- 
ken gegenüber ist Notwehr auch zum Schutze des 
Eigentums zulässig; der Angriff ‘braucht nur zu 
drohen, unmittelbar bevorzustehen, die Verletzung 
braucht noch nicht begonnen zu haben. Der Um- 
fang der zulässigen Verteidigungsmittel wird ledig- 
lich nach der objektiven Beschaffenheit des An- 
grifis bemessen. Drohendes Emporhalten einer 
Gabel, begangen von einem. Geisteskranken ge- 
senüber seinem Wärter ist nur dann kein rechts- 
widriger Angriff, wenn ein weiteres Vorgehen nicht 
zu befürchten ist. Das Notwehrrecht’ entspricht 
in diesem Umfang dem natürlichen Rechtsgefühl. 

(Fortsetzung folgt.) 


Zur Streitfrage der Okkultistischen Forschung. 


Von Dr. med. Paul Sünner, Berlin. 


äußerst dürftig, wenn nicht gleich Null sein wird. 


Und das ist um der Sache willen, um die es sich 


handelt, gewiß zu bedauern. Aber es hat den An- 


schein, als wenn von den Wissenschaftlern, beson- 


ders den Ärzten, von obiger Kommission nichts 


anderes als ein negatives Ergebnis, d. h. eine ‚ 
Ableugnung der in den obigen vier Fragen be- 


rührten Tatsachen erwartet würde. Am 28. Mai 


erschien der genannte Aufruf in der Berliner Ärzte- 
` Korrespondenz. Acht Tage vorher schrieb in dem- 
‚selben Blatte ein Dr. Bornstein über. die An- 


kündigung eines Vortrages über Okkultismus von 
seiten des Geh. San. -Rat Moll,.der auch in dem 
Ausschuß die geistige Führung zu haben scheint, 
da die Meldungen an ihn zu richten sind, folgendes: 
„Leider müssen wir erleben, daß Okkultismus, 
Mystik und Spiritismus mehr als je die Gehirne 


-verwirren und selbst scheinbar Vernünftige zu sich 


herabziehen. Vernunft wird Unsinn — Dr. 
Moll wird uns die Waffen liefern, mit denen 
wir die Ausgeburten krankhafter, irregeleiteter, 
aber meistenteils auch irreleitender Phantasie be- 
kämpfen können.” 

Wer wird nach -diesem einen Satz aus dem 
Laienpublikum, aber auch aus der Ärzteschaft, 
die der Materie fern steht, etwas anderes anneh- 


men können, als daß Herr Moll sehr einseitig - 


- ET ET TEE A p ET TEE EEE ed ET h ES. EEE TER, T BER EEE VERTRETEN GREEN AFTER Te a ag GER Er FO a ET PY ger; 


leider nicht dazu. 


orientiert ist, und daß von ihm nichts anderes er- 
wartet wird, als das ablehnende Votum „Irrtum 


und Schwindel”. Und so scheint es in der Tat! -< 


Herr Dr. Moll hatte im letzten Winter unter 
diesem Titel einen mehrwöchigen Vortrag über 
Okkultismus in“ seinem psychologischen Insti- 
tut angekündigt und eine größere Anzahl von 
Ärzten nahm daran teil. Ich hatte den Eindruck, 
daß Herr Moll sich die Sache allzu leicht machte. 


Denn mit „Ablehnen um jeden Preis” verrät man 


nach meiner Ansicht allzusehr die vorherrschende 
Tendenz. Obwohl Fragestellung und Beantwor- 
tung, also doch wohl Diskussion, auch der etwa ab- 
weichenden Ansichten angekündigt war, kam es 
Es wurde zur Beantwortung 
nur für schriftlich eingereichte Wünsche und Fra- 
gen zwar noch an einem besonderen Abend 
Gelegenheit geboten, aber auch dadurch war ja 
keineswegs die Möglichkeit gegeben, die jeweili- 
gen Ausführungen Molls und seine zum Teil 
absurde Beweisführung noch am selben Abend 
kritisch -zu berühren. Eine Äußerung bleibt 
mir besonders in Erinnerung, nämlich die: Er 
würde selbst seinen besten Freund so lange für 


den größten Betrüger halten, so lange er sich nicht - 
selbst durch Erfüllung seiner Vorschriften 


durch Augenschein überzeugt habe. Das verrät 
gewiß eine schöne, aber meines Erachtens zu weit- 
gehende Objektivität. Denn man darf in seiner 


ablehnenden Kritik doch nicht so weit gehen, daß 


man die Wahrnehmungen anderer glaubhaf- 
ter Zeugen einfach als nicht existierend bei Seite 
schiebt. Das aber tut Moll, und obwohl er 
durch iahrzehntelange Forschungen auf diesem 
Gebiete gewiß einige Autorität beanspruchen 
könnte, wird es sich immer mehr herausstellen, 


daß es nur seine Schuld ist, wenn es ihm inner- - 


halb von 30 Jahren nicht gelungen ist, auch nur 
ein einziges okkultes Phänomen einwandfrei 
zu Gesicht zu bekommen. Die Zahl derienigen wird 
immer größer werden, die mehr Glück auf diesem 
Gebiete hatten. Wohl aber hat es Herr Moll ver- 
standen, eine solche Antipathie in anderen mit.die- 
ser Materie sich befassenden Kreisen groß zu zie- 
hen, daß man ihn dort nicht anders als stark vor- 
eingenommen bezeichnet. 

Herr Geheimrat Moll hat für möglichste Ver- 
breitung des obengenannten Aufrufes der Kom- 
mission gesorgt. Er erschien außer in dem er- 
wähnten Berliner ärztlichen Wochenblatt z. B. auch 
in der Psychiatrisch-Neurologischen Wochenschrift 
(Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte 
und Nervenärzte) vom 18. Juni d. J., sowie im Juli- 
heft der „Psychischen Studien”. Außerdem er- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


| Heft 25 vom 25. Juni. 


men werden. Sie beweisen aber, daß Herr Mif 


Neurologen Sante de Sa 


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schien ein Aufsatz über okkultistische Fory I 
mit der Erwähnung der Kommission in maßgeh 
den Tageszeitungen, so in der „Frankfurter m 
tung”, so von Herrn Prof. Dessoir in der i i: 
nischen Zeitung” am 1. Juni und in der „Wodi 


Herr Dr. Moll hat nun in der Psychologisii 
Gesellschaft am 28. April öffentliche Angriffe gg 
die dem Okkultismus nahestehenden Experimak 
toren und Versuchspersonen gerichtet, die das} i; 
des im geistigen Kampf Üblichen weit übers 
ten. Er hat sie Dummköpfe genannt, für Ne 
oder Betrüger erklärt und sie mit Liebenswird@ 
keiten beglückt, die besser hier nicht wiede 
geben werden. (Ich verweise Interessenten $ 
die eingehende, abwehrende Stellungnahme $ 
Charlottenburger Arztes Walther Kröner $ 
Augustheft der „Psychischen Studien”, Verlag W 
wald. Mutze, Leipzig, die neuerdings durch ú$ 
neue Schriftleitung und ärztliche Mitarbeiter 4 
ein wissenschaftlicheres Niveau gehoben werde 
Die Angriffe gegen von Schrenk-Notzi® 
Tischner, v. Wasielewski, Gr 
wald, welch letzterer kürzlich in Dresden dig 
seine Vorträge Aufsehen erregte und zurzei® 
seinem wissenschaftlichen Laboratorium in Kog 
hagen begeisterte Aufnahme findet, werden W 
den angegrifienen Forschern nicht tragisch geng 


der unter dem genannten Dreigestirn leider! 3 
angebend ist, so ungeeignet wie nur möglich igi 
eine wirklich objektive wissenschitliche N 
schung ist. 


Für den Sachkenner auf diesem Gebiete i z 
einleuchtend, daß man nicht mit geistigem IE 
mut an den früheren Versuchen gelehrter Fors 
vorübergehen kann. Schon mit dem verstoor 
berühmten Medium Eusapia Palladino haben % 
reiche Universitätsprofessoren experimentiert, ! | 
die Physiologen Richet, Paris, Luc 
Rom, Bottazzi, Rp die Psychiater "i 
ctis, Rom, MB 
selli, Genua, Lombroso, Turin, der Auf 
Pio Foa, Turin, die Physiker Herr und FR 
Curie, Pars: Perrin und Point 
Paris, die Astronomen Schiaparelli, Maid 
Flammarion, Paris, die Psychologen und PE 
losophen Coartier. Pans Bergsol, pat ] 
Flournoy, Genf. 


Der Tübinger Universitätsprofessor und i 
chologe Österreich, dessen bekannten "i 
„Der Okkultismus im modernen Weltbild” ich ik I 
TRENNEN entnehme, fügt- hinzu: »* 


(diese Forscher sind von der Echtheit gewisser 
Supranormaler Phänomene der Eusapia überzeugt. 
Hat es wirklich noch wissenschaftlichen Sinn, so 
a Bien Beobachtern gegenüber als Nichtbeobachter 
A Nichtvorhandensein der fraglichen Phänomene 
g für wahrscheinlicher anzusehen als ihre Objektivi- 
| tät? Skeptisch sind nur solche Forscher, die nur 
| 2 elegentlich einer oder der anderen Sitzung 
ebeiwohnten, wie z.B. Dessoir, Lipps, Mün- 
Sterberg, Moll. Ihr Zeugnis — das Des- 
Soirs ist dazu sehr schwankend — hat aber, da 
[Sie nur wenige Beobachtungen machen konnten, 
gegenüber dem der übrigen Forscher, die großen- 
teils lange Beobachtungsreihen machen konnten, 
nur geringes Gewicht.” 
~ Undan einer anderen Stelle schreibt er: „Unter 


i in einzelnen Fällen doch höchst bemerkenswerte 
und des Studiums würdige psychische und 
"psychophysische Phänomene von supra- 


N. . , - 
normalem Charakter. Es ist wissenschaftliches 


„noch von Nebel umhüllt, erst in den Umrissen er- 
Prennbar, anderes noch völlig verborgen, anderes 
„wieder bereits mit beträchtlicher Sicherheit fest- 
„gestellt. Es Kann jetzt nicht mehr darüber ge- 
‚stritten werden, ob wir innerhalb dieser Problem- 
"sphäre überhaupt festen Boden unter den Füßen 
finden werden oder ob alles Illusion, Täuschung, 
en ug ist. 
T Forscher. Es sind nicht nur Unbekannte, die hier 
“gearbeitet haben, sondern bewährte Forscher 
Kersten Ranges. Noch jeder, der sich unserem 
"Gebiete mit Ausdauer in anhaltendem Studium zu- 
| Swandte, kam in mehr oder weniger großem Um- 
ang zu einem positiven Urteil (auch L eh- 
"mann, Hennig und Dessoir). Ihrer aller 
"Zeugnis noch länger zu ignorieren, wäre unwissen- 
© schaftliche dogmatische Voreingenommenheit. Es 
[gibt gar keine andere wissenschaftliche Stellung- 
nahme mehr, als zur Nachprüfung der bisherigen 
"Forschungsergebnisse zu schreiten. Eine Kritik, 
“die so weit geht, daß sie sich weigert, Tatsachen, 
die behauptet werden, einer näheren Prüfung zu 


-VYoreingenommenheit, sobald es namhafte Beobach- 
fter sind, welche jene Tatsachen behaupten. Das 
| "Verhältnis einer erheblichen Zahl, namentlich un- 
fter den älteren philosophischen und psychologischen 
“Forschern der Gegenwart gegenüber den para- 
®»sychologischen Phänomenen erinnert sehr stark an 
A ene Florentiner Gelehrten, die Galileis astronomi- 
sche Entdeckungen leugneten und sich weigerten, 


; all dem Wust des vulgären Spiritismus finden sich 


ja euland, auf dem wir uns hier bewegen. Vieles ist - 


Zu zahlreich und zu bestimmt sind die 
Aussagen großer, auf anderen Gebieten bewährter 


z ‚gung gegen den Materialismus bezeichnet. 
unterziehen, wird zur Pseudokritik und kritiklosen 


a PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE. WOCHENSCHRIFT 145 


durch das Fernrohr zu sehen, um sich nicht von 
ihnen überzeugen zu können.” 


Man wird diesen vortrefflichen Ausführungen 
nur in vollem Umfange zustimmen können. Auf 
keinem andern Gebiete der Wissenschaft war bis- 
her Argwohn und Skepsis einer eindringlichen und 
ausdauernden Feststellung von Tatsachen so sehr 
im Wege als auf diesem, und kein junger Gelehrter 
der Astronomie würde seine Forschertätigkeit da- 
mit beginnen, daß er die grundlegenden Erkennt- 
nisse seiner berühmten Vorgänger, eines Galilei, 
Kopernikus oder Newton, in Zweifel ziehen oder 
gar als nicht vorhanden beiseite schieben würde. 


Die Forschungsresultate der oben genannten 
älteren und neueren Gelehrten auf okkultem Ge- 
biete einem immer größer werdenden Kreise von 
Interessenten und schließlich auch dem großen 
wissensdurstigen ‘ Laienpublikum zugänglich _ zu 
machen, scheint mir eine der wichtigsten und 
zugleich erhabensten Aufgaben unserer nach neuen 
Zielen strebenden und um neue Werte ringen- 
den Zeit, und so scheint es mir auch äußerst ver- 
dienstlich, daß immer mehr Gelehrte von Ruf aus 
den psychiatrischen Kreisen, wenn auch noch 
zögernd, in die okkultistische Arena. herabsteigen. 


So hat kürzlich Geheimrat Sommer, Gießen, 
in der Deutsch. med. Wochenschr. Nr. 23 einen 
Aufsatz „Zur Kontrolle der Medien im Gebiet des 
Okkultismus und Spiritismus” veröffentlicht, worin 
er sein neues, sehr sinnreich konstruiertes Labora- 
rium für eine objektive Registrierme- 
thode schildert. Auch er sagt, daß diese Fragen 


für die Entwicklung des ganzen geistigen Lebens 


der Gegenwart von großer Bedeutung seien, und 
er bietet einen Freiplatz in seiner Klinik für die 
Untersuchung eines von v.Schrenk-Notzing 
vorgeschlagenen Mediums an. Möchte sich ein 


solches finden und diese ernsten Forscherabsich- 


ten belohnt werden! 


Ebenso hat Geheimrat Kolb, Erlangen, in der. 


Münch. med. Wochenschr. Nr. 25 in einem längeren 
Artikel‘ „Okkultismus” das Wort ergriffen und als 
den berechtigten Kern der Bewegung die Abnei- 
Er hält 
es für die sittliche Pflicht des Arztes, nicht die 
okkultistische Forschung an sich, nicht die 
Publikation von Beobachtungsergebnissen auf „ok- 
kultem” Gebiete in der Fachliteratur zu bekämpfen, 
wohl aber die unkritische Propagierung 
okkultistischer Ideen in der Öffentlichkeit und unter 
dem Mantel der Wissenschaft. Im allgemeinen ver- 
hält sich Kolb noch ziemlich ablehnend, ebenso 
wie Prof. Weygandt, Hamburg, der in Tages- 


An} 6 20 Vet Ge an n aa BEE Sei > 


146 — PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


zeitungen längere und sehr interessante Ausfüh- 
tungen veröffentlichte. 
Ich betrachte es als einen Gewinn, daß diese 


Autoren öffentlich diesem umstrittenen (Gebiete 


ihre Aufmerksamkeit schenken. Das wird an- 
regend wirken und andere werden nachiolgen. 


Denn ich habe die Vermutung, daß der Okkultis- 


mus, der früher wie eine auf- und absteigende 
Welle sich durch die Jahrhunderte bewegte, dies- 
mal nicht wieder aus der Gegenwart und aus dem 
Laufe des Zeitgeschehens verschwinden wird, denn 
vielleicht sind wir heute in der Lage, durch die 
Fortschritte der Hilfswissenschaften, namentlich 
auf physikalischem Gebiete, Untersuchungsmetho- 
den anzuwenden, die es objektiv gestatten, den 
geheimnisvollen Dingen wirklich einwandfrei auf 
den Grund zu kommen. 


So hat nun auch die in Berlin bestehende 
„Deutsche - Okkultistische Gesellschaft” sich mit 
Eifer der Erforschung der Probleme zugewandt. 
Sie ist seit ihrer Gründung im März 1919 bemüht, 
die okkulten Erscheinungen des Seelenlebens wis- 
senschaftlich zu erforschen und durch ein auf kri- 


tisch-experimenteller Grundlage gewonnenes Tat- 


sachenmaterial nachzuweisen und zu erklären. Sie 
hat ganz selbstverständlich nicht die Absicht, 
der Aufforderung der zu Anfang genannten Kom- 
mission nachzukommen, sondern rät im Gegenteil 
den ihr bekannten Medien und allen Mitgliedern 
von einem Zusammenarbeiten entschieden ab. In 
einer der Presse und verschiedenen Zeitschriften 


“mitgeteilten Erklärung warnt die Gesellschaft so- 


gar vor dem führenden Mitglied, Herrn Dr. Moll, 
um nach den unliebsamen Vorgängen der letzten 
Zeit sich vor persönlichen Enttäuschungen zu be- 
wahren. Man sieht in den Kreisen der genannten 
Gesellschaft in dem Auftreten M olls- vielmehr 
eine Apotheose nicht eben rühmlicher Art, die 
einem Zurückziehen in die splendid isolation vor- 
anging. Sie will unter peinlichster Vermeidung der 
oft gerügten „Kritiklosirkeit, Leichtgläubigkeit und 


des Fanatismus” den okkulten Dingen ernsthaft zu 


Leibe gehen, und so hat sich aus ihr eine „Arbeits- 
gemeinschaft für parapsychologische Forschung” 
gebildet, die unvoreingenommen die gestellten Fra- 
gen bearbeiten und die rein sachlichen Protokolle 
zu gegebener Zeit veröffentlichen wird. 


Dann wird sie ein ebenso verdienstliches Werk 
tun wie jene englische Society for Psychical Re- 
search, die es in jenem nächst Amerika klassischen 
Lande des Okkultismus zu hohem Ansehen ge- 
hracht hat und erst vor einiger Zeit das bekannte 
iranzösische Medium Eva C. des Freiherrn 


‚dasselbe zuvor ein Jahr lang von dem Psychologs 


im Januar 1918 zu einem Vortrag im Collège 


untersuchende Kommission die Überzeugung W 


dern die Beschäftigung mit diesen Problemi 


‚einer kommenden Menschheit voranleuchten WE 


Nr. 48 vom November vorigen Jahres austül 


Medien geisteskrank ist. 


RE: 


[Nr. 23 
v. Schrenk-Notzing untersuchte, nachk 
Dr. Geley in Paris untersucht worden war, w 


France vor einem philosophisch-wissenschaftlies f 
Auditorium führte. Seine Beobachtungen bi 
ten, so schreibt Österreich, eine bedingugdk 
lose Bestätigung der zunächst so _ frappierenk ; 
Berichte Schrenk-Notzings, es scheint g 
gar, als wenn die betreffenden Phänomene s 
ıoch weiter entwickelt haben und noch leichi 
beobachtbar geworden sind. Er erachtet id i 
Betrug nicht nur für sehr unwahrscheinlich, si 
dern durch die Versuchsanordnung schlechthin i 
ausgeschlossen. Über dasselbe Medium beridi 
die genannte Society in London, daß ein betri 
licher. Teil der Sitzungen positiv ausfiel, daß& 


der Echtheit der Phänomene gewonnenen hatul ; 
daß keine Spur von Betrug konstatiert word 


Es scheint also doch, als ob nicht in allen IE 


zu groben Angriffen und Verdächtigungen fl 
und daß anderswo als verdienstliches Werk am 
sehen wird, wenn versucht wird, den Okkuliui® 
aus den Niederungen des Aberglaubens, der ka 
haften Phantasie, kurz des Spiritismus, empong 
heben und ihn zu einem Licht zu gestalten E 


Sieht doch der, Forscher von heute in da 
Vorgängen die Auswirkung uns noch unbekanigg 
Seelenkräfte der Lebenden selbst, gewissermik 3 
eine „Kraftwerdung der Seele”. Ich berufe | 3 
hier auf einen Artikel des bekannten Wiener Ni Į 
venarztes und Seelenforschers Stekel, de 
der Berliner Zeitschrift „Medizinische Kal 


„Ich schließe mich der Ansicht von Moll 
diese Erforschung vorzunehmen und durch otg 
setztes Experimentieren zu entscheiden, ob schi 3 
lich ein Rest übrig bleibt, der auf bisher unbekalf ! 
Kräfte zurückgeführt werden muß. Die Ärzte 
halten sich meist skeptisch und ablehnend. An | 
Moll ist durchweg ungläubig in bez $% 
die Medien. Er ist der Ansicht, daß ein Teil p f 
Ihm gelang es niet 
eine der von den Spiritisten behauptete Ersit $ 
nung objektiv festzustellen. — ‚Die Medien 5 ; 
ziehen sich unter allerlei dummen Ausreden = F 
wissenschaftlichen Kontrolle?” (Das ist WẸ 
damalige Zeit, also vor Erlaß der Want‘ | 
ticht richtig, es wäre aber nach obigen A 
durchaus kein Wunder!) 


Ha 


21921] 


E Herr Dr. Steker fährt fort: „Aber die Ärzte 
E sollten sich einmal die Prüfung der von Schrenk- 
Notzing behaupteten Tatsache. angelegen sein las- 
sen. A priori sollte kein Denker und For- 
is Eher etwas abweisen, weil es in 
Beine festgefügsten Anschauungen 
SundÜberzeugungennichthineinpaßt. 
"Vielleicht gibt es inuns psychische Kräfte, 
Edie wir noch gar nicht ahnen. Vielleicht werden 
“wir in dieser Hinsicht noch manches Wunder ken- 
nen lernen, das sich im Natürlichen auflöst.” 
nach einer Schilderung der neuesten Forschungen 
= Schrenk-Notzings, des bekannten Münchener Ner- 
Be venarztes, dem auch der Gegner seinen ehrlichen 
\ a orschungsdrang nicht schmälern kann, und den 


ier einen rastlosen Kämpfer und Verfechter des 


i um: „Vielleicht gibt es in uns ungeahnte 
Kräfte, die sich vom Seelischen ins 
Materielle umwandeln können, viel- 
„leicht, ich wäre Schrenk-Notzing sehr dankbar, 
“wenn ich unter besonderen Kautelen die Wunder 
nachprüfen könnte. Die Zukunft wird es erst 
lehren, 
oben. Die blinde Ableugenung, weil sie 
Wns nicht in unser System passen, 
E.: keineswegs geraten. Einen Preis 
für ein gutes Medium! Und einen zweiten Preis 
für objektive Gelehrte, welche diese Er- 
T scheinungen prüfen. Dann erst wollen wir zwi- 
(z chen Dessoir und Schrenk-Notzing entscheiden”. 
í Mit diesem optimistischen Ausblick eines Wiener 
i orschers wären wir wieder zu unserem Aus- 
F gangspunkt, der Berliner Kommission, zurückge- 
“kehrt. Ich überlasse es dem Leser, zu beurteilen, 
welche Tonart eher geeignet ist, sympathisch zu 
F wirken und Aussicht auf Erfolg zu bieten, die Klänge 
von der Donau oder die Töne von der Spree. 
= Diejenigen,- welche sich okkultistischer For- 
schung widmen, wissen, daß sie sich schon seit 
F jeher in guter Gesellschaft befinden. 
# Auf den mutigen Vorkämpfer für parapsycholo- 
f gische Forschung, Prof. Österreich, Tübin- 
gen, wies ich schon wiederholt hin, ich nenne fer- 
{p ner den Philosophen Graf Keyserlingk, und 
von Maeterlinck ging erst kürzlich die Nach- 
i richt durch die Presse, daß er Okkultist sei und 
i Tein Buch fertiggestellt habe: „Das große Geheim- 
“nis”, in dem er seine mehrjährigen Studien nieder- 
£ lege. 
© Ich möchte meine Ausführungen, die hoffentlich 
T dazu beitragen werden, dem bisher so arg befeh- 
| “deten Okkultismus auch in psychiatrischen Krei- 
f sen Anerkennung und neue Mitarbeiter zu ver- 


Und 


„Mediumismus” nennt, schreibt Stekel. wieder- 


welche Bedeutung diese Experimente ha- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 147 


schaffen, mit folgenden ausgezeichneten Worten 
Österreichs schließen: „Es ist ein Kriterium 


für die geistige . Bedeutung eines Forschers, 
ob er ohne weiteres und gern bereit ist, 
problematischen Dingen, die, wenn sie wahr 
sind, weite Aspekte eröffnen, nachzugehen, 


oder ob er sich scheu von allem abwendet, 
was fundamentale theoretische Umwälzungen mit 
sich bringen würde. Für die deutsche Forschung 
handelt es sich zunächst einmal darum, kennen 
zu lernen, was bereits geleistet worden ist. Es 
ist heute nicht mehr zulässig, das ganze parapsy- 
chische Problemgebiet als terra nova zu betrach- 
ten, die noch keines Menschen Fuß betreten hat.” 


„Es ist deshalb: jetzt nicht mehr statthaft, diese 


Dinge einfach auf sich beruhen zu lassen. Die 
Nachprüfung durch vollkommen vorurteils- 
lose, Forschung wird auch hier jetzt dringendste 
Pilicht. Diesem Verlangen kann sich 
kein-ernsthaiter. Forscher entzie- 
hen, der vom‘.Geiste der Philosophie 
auch nir- einen. Hauch. VeLsyuüurtat 


Nachwort. 


Als dieser Aufsatz sich schon im Druck. be- 
fand, ging mir vom Verlag Carl Marhold, Halle, 
ein Rundschreiben zu, das Mitteilung macht von 
der beabsichtigten Herausgabe eines ‚Archivs für 
wissenschaftlichen Okkultismus (Telepathie, Hell- 
sehen, Psychometrie, Telekinese, Teleplastik usw.)”, 
und das außerdem unterzeichnet ist von den Her- 
ren Universitätsprofessor Dr. med., iur. et phil. 


Max Kauffmann in Halle und Dr. phil. Walde- 


mar von Wasielewski in Sondershausen. 


Ich halte diese außerordentlich begrüßenswerte 


Gründung für eine wissenschaftliche Tat. So wäre 
denn das wissenschaftliche Forum geschaffen für 
den Kampf der Meinungen, und den Herausgebern 


gebührt Dank für ihren Mut. Ist es doch erst nur 
etwas über ein Jahrzehnt her, daß eine Anzahl 
Ärzte, die an den Sitzungen v. Schre nk-Not- 
zingsin München teilgenommen hatten, die Ver- 
öffentlichung ihres Namens sich verbaten, da sie 
im Zusammenhang mit diesen damals noch unwis- 
senschaftlichen Dingen nicht genannt sein wollten. 


Seitdem sind ja immerhin einige Fortschritte zu 


verzeichnen. Überall bildeten sich unter reger 
Anteilnahme von. Gebildeten und Ärzten Gesell- 
schaften zur Erforschung der okkulten Probleme 


auf den seelischen Grenzgebieten, so in Hannover, ~ 


Nürnberg, München, Wien und anderen Städten. 
In München z. B. zählt die Vereinigung „Die Burg” 


unter Vorsitz des Schriftstellers A. von Gleichen- i 


f , 
EEE NEEME r N TR ET ET Mr DEE aE EP T ae pr A a‘ EO à h TOUFE Ka Mr 


148 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Rußwurm 18000 Mitglieder. In Kopenhagen 
tagt soeben der Kongreß für psychische oder viel- 
mehr parapsychische Forschung unter Vorsitz des 
Pariser Gelehrten Charles Richet unter Teilnahme 
auch zahlreicher deutscher Forscher. 


So erscheint das „Archiv” für eine aufbau- 


end gerichtete Forschungsarbeit gerade zur rech- 


ten Zeit, „und wir dürfen vertrauen, daß die Wirk- 


Archiv für wissenschaftlichen Okkultismus (Telepathie, Hellsehen, 
Psychometrie, Telekinese, Teleplastik usw.). 


-e 


ie Unterzeichneten beabsichtigen, unter vorstehen- 

dem Titel eine wissenschaftliche Zeitschrift für das 
Gesamtgebiet des Okkultismus (Parapsychologie) ins 
Leben zu rufen. 


Die Notwendigkeit eines solchen Unternehmens be- 


darf heute kaum noch einer besonderen Begründung 


oder gar Rechtfertigung. Es ist vielmehr verwunderlich, 
daß wir in Deutschland bisher noch .kein solches Organ 
hatten. Die vorhandenen Zeitschriften können diesem 
Mangel nicht abhelfen: in der bunten Mannigfaltigkeit 
ihres Inhalts gehen die für eine wissenschaftliche Er- 
forschung des Gebietes wertvollen Beiträge meist .den 
Kreise verloren, an die sie sich wenden. 


Die Sache scheint uns "derzeit vor allem eins zu 
fordern: unbedingte Ablehnung jedes 'beiahenden wie 
verneinenden Dogmatismus, an seiner Stelle eine in 
jedem Sinne vorurteilslos objektive, kri- 
tisch geläuterte, aber unter diesen Voraussetzungen auf- 
bauend gerichtete Forschungsarbeit. Hiermit ist einer- 
seits die Überzeugung ausgesprochen, daß jene rein 
ablehnende Skepsis, die überall nur Betrug und Selbst- 
betrug wittert, unhaltbar ist. Andererseits wird die 
Forderung betont, jeden Einzelfall, jede Einzelbehaup- 
tung mit jener kritischen Vorsicht und Sorgfalt zu be- 
handeln und zu :bewerten, die sich bei wissenschaft- 
lichen Untersuchungen im Grunde von selbst versteht, 
hier aber ganz besonders notwendig ist, da die oft 
heikle Natur des Gebietes sowohl Betrug wie Selbst- 
täuschung zweifellos begünstigt. 


Soviel Zur kürzesten Kennzeichnung des Stand- 
punktes. Einzelheiten sowie ein ausführliches Pro- 
gramm wird die erste Nummer der Zeitschrift ent- 
wickeln. 


Die okkulten Phänomene sind so eigenartig zentral 
gelagert, daß keineswegs nur der Fachpsychologe an 
ihnen interessiert ist. Neben ihm nennen wir den Philo- 
sophen, den Arzt als Psychiater und Neurologen, in 
weiterem Sinne den Biologen überhaupt, ferner den 
Theologen (Religionspsychologie usw., auch praktische 
Seelsorge), sodann den Politiker sowie den Rechtsge- 
lehrten (Kriminalistik). Ja, es läßt sich zwanglos ein 
letzter, weitester Kreis ziehen: jeder gebildete Mensch 
ist heutigentages an den Erscheinungen des Okkultis- 


[Nr. 2 5 


lichkeit- ein Kosmos, nicht ein Chaos ist, d. h. Hi 2 
unsere Kenntnisse sich wohl ergänzend imme ; 
höher und weiter aufbauen, aber nicht dauem 
widersprechen können”. { 

Und so wird es hoffentlich an seinem Teile aui 
beitragen zum Wiederaufbau Deutschlands, WE 
deutscher Wissenschaft in der Welt wieder m k 
altem Ruhm und Ansehen verhelfen. f 


mus und ihrer vorurteilslosen wissenschaftlichen DE 
forschung interessiert. 


So wenden wir uns auch an die Leser dieser W 
chenschrift mit der Bitte um ihr Interesse und geu 
benenfalls um ihre Mitarbeiterschaft. In erster Li 
legen wir Gewicht auf gute, wissenschaftlichen Ans 
chen voll genügende experimentelle Unte 
suchungen, daneben auf alle Arbeiten, die emg 
Angliederung dieser Dinge an den gesicherten wisst 
schaftlichen Besitz anstreben. Dies muß stets mög 
sein, denn wir dürfen vertrauen, daß die Wirklichkö 
ein Kosmos, nicht ein Chaos ist, d. h. daß une 
Kenntnisse sich wohl ergänzend immer höher und Weg 
ter aufbauen, aber nicht dauernd widerspreck k 
können. . | 


Berücksichtigen werden wir ferner die Erörterung 
der praktischen Anwendung okkıulö 
Fähigkeiten, die sich allmählich zu entwidd 
beginnt: ‘wir nennen hier nur die kriminalistisc 
ohne andere auszuschließen. 

Für einen guten Referatenteil, unter bew 
derer Berücksichtigung der ausländischen Literatur, W 
nach Möglichkeit Sorge getragen werden. 


Die Zeitschrift wird ab Januar 1922 zunächst 
zweimonatlichen Heften zu ie etwa vier Druckbogen t j 
scheinen. Bezugspreis 48 M jährlich. Für das Auli 
kommen die vorgeschriebenen Zuschläge in Ansatz. B 
hefte für einzelne größere Arbeiten sind in Aus 
genommen. Das Honorar wird sich gemäß Inhalt WB 
Bedeutung der Beiträge auf 100 bis 200 M für wi F 
Druckbogen belaufen, dergestalt, daß die höheren MU 
für neuere Experimentalarbeiten oder philosophi 
usw. Abhandlungen von besonderer wissenschaftlich | 
Bedeutung gezahlt werden sollen, während Arbeit 
leichteren Charakters (zusammentfassende Betracht 
gen, historische Überblicke usw.) nach VereinbatXf 
niedriger zu honorieren wären. | 

Für den zu hoffenden Fall, daß die Zeitschrit i E 
sprechende Unterstützung durch die Herren Mitarbe" § 
und das wissenschaftlich interessierte Publikum ind 
wird für später die monatliche Erscheinung f 
in Aussicht genommen. | 

Unserer Bitte um Mitwirkung in einer Angele Ẹ 


[21 


ü eit, die zu.den wichtigsten Geistesfragen der Gegen- 
f wart zählt, schließen wir die weitere an, die etwa be- 
"kannten Interessenten auf diese Einladung aufmerksam 
© zu machen. Exemplare derselben stehen bei dem mit- 
unterzeichneten Verlage zur Verfügung. 

a Eine Nachricht über etwaige Mitarbeit sowie alle 
l Beiträge für die Zeitschrift selbst bitten wir an die An- 


~ — Auszeichnung für Krankenpflegepersonal. Es be- 
"steht die Möglichkeit, für Anstaltspflegepersonal, das 
T 25 Jahre in anerkennenswerter Weise Dienst in dem 
% landwirtschaftlichen oder Werkstättenbetriebe der An- 
ie stalt geleistet hat, das Ehrendiplom der Landwirtschafts- 
[bzw . Handwerkskammer zu erwirken. 
E 


x den Gesundheitsbehörden eine ähnliche Auszeichnung 

der Krankenpflege eingeführt. Bresler. 
— Einladung zur II. wissenschaftlichen Tagung vom 

Thema: 


Auszug aus der Tasesör nung: 
Sonnabend, den 24. September: 
pl Geheimrat Prof. Dr. His, Berlin, Wesen und Formen 
der chronischen Arthritiden. 
2. Prof. Dr. Gudzent, Berlin, Pathogenese und Behand- 
lung der Gicht. 
T3. Dr. Zimmer, Berlin, Schwellenreiztherapie der Ge- 
© Jenkerkrankungen. 
“4. Prof. Heilner, München, Behandlung der chroni- 
"schen Gelenkentzündungen mit Sanarthrit. (Lokaler 
= Gewebsschutz und Affinitätskrankheiten.) 
#5. Prof. Dr. Erich Meyer, Göttingen, Über die Behand- 
” lung der chronischen deformierenden Gelenkerkran- 
T kungen mit Schwefel. 

Sonntag, den 25. September: 
6. Prof. Dr. Klapp, Berlin, Über Gelenkchirurgie und 
- Gelenkplastik. 
77. Prof. Dr. Wollenberg, Berlin, 
Gelenkerkrankungen. | 
. Sanitätsrat Dr. Kann, Bad Oeynhausen, Die Bäder- 
behandlung der chron. Gelenkerkrankungen. 
i Die Besitzer der Hotels und Fremdenvereine zu 
T Bad Oeynhausen haben sich bereiterklärt, die Teilneh- 
= er an der Tagung zu einem Einheitspreise von 30 
i bis 35 M für den Tag aufzunehmen. Bestellung einer 
“ Wohnung bis zum 10. September erbeten. — Alle An- 
“fragen und Anmeldungen sind an den Ärzteverein zu 
a: ad Oeynhausen zu richten. 


a Referate: 

T — — Syzygiologie. Von Med.-Rat Dr. W. Fuchs, 
a mmendingen, Baden. Der Praktische Arzt, Repetito- 
l rium der praktischen Medizin. 16. N. F. Jahrg. 4 H. 21-22 
= nd 23-24. Verlag vom „Repertorienverlag Leipzig’. 


u, 


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Hoffentlich wird vom Wohliahrtsministerium bzw. 


auch für anerkennungswürdige 25 jährige: Dienstleistung 


Die Orthopädie / der 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 149 


schrift des Mitherausgebers Dr. phil. Waldemar von 
Wasielewski, Sondershausen, Göldnerstraße 5, gelangen 
zu lassen. 


Prof. Dr. med., jur. et phil. Max Kauffmann, Halle a.S. 
Dr. phil. Waldemar von Wasielewski, Sondershausen. 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a.S. 


Mitteilungen. 


Tiefsinnige Betrachtungen im Anschluß an die „SyzYy- 
siologie” von Kraus, die besonders eine Kritik des 
heutigen Gefühlslebens und der heutigen Weltanschau- 
ung enthalten. Es wäre recht erwünscht, wenn F. diese 
Betrachtungen weiter ausführen wollte, und zwar ohne 
sich dabei von übergelehrten Künsteleien des Ausdrucks 
und der an sich einfachen Sache, wie „Vitalreihen”, 
„Syzygiologie’”, „„Ihymopsyche”, Noopsyche’” u..a. be- 


lästigen zu lassen, Künsteleien, hinter denen herzlich 


wenig steckt und die nur das Ende der: Weisheit, nicht 
die Weisheit des Endes bedeuten. 

- Hat F. doch schon genügend und schönste Beweise 
davon gegeben, daß er allem, was Herz und Geist über- 
haupt zu bewegen vermag, in deutscher Sprache zum 


klaren und wohlklingenden Ausdruck zu verhelfen ver- 


mag. | | Bresler. 


Buchbesprechungen. 


— Kalb: Beiträge zur Belastungsfrage bei Para- 4 


lyse. Inauguraldissertation München 1916. Berlin, Ver- 
lag Springer. | 
Unter der Leitung von Rüdin, München, hat sich 


Verf. in eingehender Weise mit 205 Paralytikerstamm- 


bäumen beschäftigt, und zwar besonders mit ’den Pa- 


ralysen, bei denen manisch-depressives Irresein: und 
Dementia praecox als Belastung vorlag. Verf. kommt 
u. a. zu dem Ergebnis, daß bei einheitlich mit Dementia 
praecox Belasteten meist die demente Form angetroffen 
wird, während die affektbetonte Form (Beginn mit ex- 


pansivem oder depressivem Affekt) meist bei einheitlich 
mit manisch- depressivem ‘Irresein Belasteten auftritt. 
Verwandtenparalysen haben einen innerhalb , der 
Familien gemeinsamen Charakter. | 
Zu begrüßen ist auch das am Schluß beigefügte, 
wohl ziemlich vollständige Literaturverzeichnis über die 
Paralysebelastung. Kürbitz-Sonnenstein. 


Therapeutisches. 


— Die Behandlung schwererer Fälle von Lungen- 
tuberkulose mit den Deycke-Muchschen Partialantigenen 


und die Bedeutung der Immunitätsanalyse bei der Be- 


handlung derselben. Von Dr. H. Schulte-Tigges. 
Aus der Heilstätte Rheinland (Chefarzt: Dr. Grau). Zeit- 
schr. für Tuberkulose Bd. 33 Heft 1. 

Seit ungefähr einem Jahre werden in der genannten 
Heilstätte eine Reihe von Fällen vorwiegend mittel- 
schwerer und schwerer Lungentuberkulose mit den 


150 


Partigenen nach Deycke-Much behandelt, und 
zwar in der Hoffnung, diese größtenteils an der Grenze 
der Besserungsfähigkeit stehenden Kranken weiter brin- 
sen zu können, als es ohne diese Therapie möglich ge- 
wesen. wäre. | 

Die Behandlung wurde nach der neuen Anweisung 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[Nr. 230 


2. In schwierigeren Fällen empfiehlt sich die Anveh ; 
dung der Intrakutanbehandlung mit Partigenen. 
3. Die Intrakutananalyse gibt bei der Behand 
manchen wertvollen Fingerzeig für die Art des Yor F 
gehens. Ihre Ergebnisse sind jedoch nur unter Beri 
sichtigung des klinischen Befundes richtig zu würde 


der Firma Kalle durchgeführt, die sich bekanntlich da- 
durch von der alten unterscheidet, daß man sich in der 
Anfangsdosis nicht mehr nach dem Ausfall der Intra- 
kutananalyse richtet, sondern stets mit der niedrigsten 
Dosis beginnt, also mit MTbR. 1:100000 Millionen 
0,1 ccm, oder den entsprechenden Dosen von A, F,N. 
Benutzt wurde in der Regel MTbR., und zwar in täg- 
lichen Injektionen, in letzter Zeit wurde auch in man- 
chen Fällen nur an jedem zweiten Tag gespritzt, ohne 
daß ein Unterschied zu bemerken gewesen wäre. 

Zusammenfassend wird gesagt, daß 

1. die Partigentherapie auch in schweren Fällen oft 
noch imstande ist, einen günstigen Einfluß auszuüben in 
bezug auf Allgemeinbefinden, Lungenbefund, Entfiebe- 
rung, Gewichtszunahme. 


Personalnachrichten. 


— Wien. Der Bürgermeister der Bundeshauptstaiii 
Wien hat den Direktor der „andesanstalten „Am Steik 
hof” (Wien XII), Dr. Josef Berze, “zum a. o. Mitgk 
des Landessanitätsrates und. Fachreferenten für die ® i 
schlossene Irrenpflege ernannt. — Der Bundespräsidai 
hat dem Privatdozenten (Universität Wien) Dr. Jos | 
Berze den Titel eines a. o. Universitätsprofessors wigi 
liehen. i 
Prof. Stertz, München, hat das Org 
als Nachiolge 


— Marburg. 
nariat für Psychiatrie und Neurologie 
Prof. R. Wollenbergs angenommen. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnummern. 1 
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Von Dr. med. Dr. phil., 


lungen. (S. 161.) — Referate. 


Von Dr. med., Dr. phil., Dr. jur., 


f2. Irrenärztliche Aufgaben in Rück- 
Esicht auf das reichsdeutsche Not- 
4 | wehrrecht. 

E a) Vorbeugung: 


Das Notwehrrecht Irren gegenüber bezieht sich 
f grundsätzlich .auf alle Rechte, sicher auf Leibes-, 
f Lebens-, Eigentumsschutz. 

T Ärztliche Aufgabe ist es, einen Ausgleich zu schaf- 


f pflege und dem Rechte der Gesunden. 
© Wir beginnen mit der Vorbeugung, d. h. der 
f Vorsorge des Arztes, daß der Notwehrstand mög- 
| f lichst selten und wenn schon in möglichst geringer 
= Stärke eintritt, so daß die gebotene Gegenwehr 
f sich in engen Grenzen halten kann, ohne daß die 
- Bedrohten und Angegriffenen in ihren gesetzlichen 
Schutz genießenden Rechtsgütern allzu stark be- 
|  einträchtigt werden. 


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Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh. San.-Rat Prof. Dr. K. Alt Uchtspringe (Altmark), Geh. Med.-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt San.-Rat: Dr. Beyer, Roder- 
birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Proi. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
(Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. Hberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med. -Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L- W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et. phil. W. Weygandt, Hamburg. 


| Schriftleiter: | 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler. Kreuzburg (Oberschlesien). 


24. September 


| Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 
Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 


j scheint bis auf weiteres vier- Postscheck: Leipzig 32070. 
n- zehntägig in Doppelnummern. 


Dr. jur., Dr. dent. W. Hammer, Hamburg. 
(S. 162.) — Buchbesprechungen. 


= ien zwischen den Erfordernissen einer guten Irren- 


San.-Rat Dir. Dr. Klage, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler- in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
1 mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. Bei 
größeren-Aufträgen wird Nach- 
laß gewährt. 


Marhold Verlag Hallesaale 


Schluß. (S. 151.)— Mittei- 
.(S. 162.) — Therapeutisches. - (S: 162.) 


Über Notwehr gegenüber Geisteskranken und Geistesschwachen 
innerhalb und außerhalb der Anstalten 
vom ärztlichen und rechtswissenschaftlichen Standpunkte aus. 
Dr. dent. W. Hammer, Facharzt für Irrenheilkunde, Hamburg. 


(Schluß.) 


Der Reihe nach wollen wir die Vorbeugung vor 


Eigentums-, Besitz-, Leibes- und Lebensverletzung 


näher betrachten. 


Besitz- und Eigentumschutz innerhalb einer An- 
stalt ist leicht durchzuführen, wenn einerseits die 
Umgebung des Kranken möglichst wenig Zerstör- 
bares enthält, andererseits die Aufsichtspersönlich- 
keiten durch ständiges Zufassen den Kranken an 
ein ruhigeres Verhalten gewöhnen, wenn endlich die 
Anstalt groß genug ist, um mehrere Abstufungen 
zwischen Dauerbädern und Unruhigenwachsälen 
und der Abteilung der völlig Freien, die offen ein- 
und ausgehen, zu umfassen. In: einer solchen An- 
stalt kann innerhalb einiger Minuten ein Fallsüch- 
tiger nach einem ihm passenden Zimmerchen ver- 
legt werden, wenn ihn ein Anfall niedergerissen 


hat, bis die Nachwehen, z.B. ein Dämmerungszu- 


stand, überstanden sind. Gerade das Darbieten der 


152 


erößtmöglichen Freiheit in den Zeiten, in denen der 
Kranke diese Freiheit richtig anzuwenden weiß, im 


Verein mit der Möglichkeit, unter Benutzung gro- 


Ber fachärztlicher Erfahrung, rechtzeitig die Zügel 
etwas straffer anzuziehen, bildet einen der größten 
Vorzüge des Anstaltslebens. Da die Ärzte An- 
staltsmäntel, Pfleger und Pflegerinnen dauerhafte 
Anstaltskleidung tragen, ist Notwehrvorbeugung 
zum Schutze von Eigentum und Besitz in der Form 
leicht möglich, daß die Anstalt- etwaige Beschädi- 
gungen selbst ausbessert und nur in milder Form, 
die mit der No-restraint-Behandlung durchaus ver- 
einbar ist, Beschädigungsgelüsten. des Kranken ent- 
gegentritt. 

Fast unzerstörbare Glasfenster, Sega. 
züge, Dauermöbel ohne zerbrechliches Beiwerk an 
Zierrat und Schmuck, feste und doch nicht fußkalte 
Bodenbekleidungen, dauerhafteste Licht- und 
Feuersicherungen sind heute, wenn (die Geldmittel 
zur Verfügung stehen, bis zur Zeit der Kriegsnot 
leicht zu beschaffen gewesen. Drei Menschenalter 
der grundsätzlich straffreien, milden, prügellosen 
und kettenfreien Behandlung, zwei Menschenalter 
der Erfindung, Entdeckung und Erprobung ständig 
neuer Schlaf- und Beruhigungsmittel chemischer 
und physikalischer Art haben für die weit überwie- 
gende Mehrzahl der nichtverbrecherischen, wenn 
auch unruhigen Geisteskranken gangbare Wege 
aufgedeckt, einerseits Sicherheit vor weitgehenden 
Eigentumsbeschädigungen und andererseits ein 
gegenüber früheren Zeiten stark erhöhtes Maß von 
Behaglichkeits-, Unbeengtheits- und Wohnlichkeits- 
gefühl zu schaffen. 

Zufolge der Möglichkeit, für billiges Geld zahl- 
reiche Pflegekräfte einstellen zu können, konnten 


die Ketten und Zwangsstühle aus ärztlich geleite- 


ten Anstalten des Deutschen Reichs wohl ganz ver- 
schwinden, Zwangsiacken, Zwangsverbände, Git- 
ter- und Netzbetten auf wenige Ausnahmefälle 
(schwerste „Delirien”, Gefahr der Störung des 
Heilverlaufs einer Wunde) beschränkt werden. 

Dauerabsperrung in Einzelzellen ist bei nicht- 
verbrecherischen Irren kaum noch nötig, Stroh- 
und Gummizellen spielen im Anstaltsleben nicht 
mehr eine so große Rolle, wie früher. Die große 
Zahl der Beruhigungsmittel, wie auch die weite 
Verbreitung der warmen Dauerbäder und der 
Prießnitzpackungen mindern die Angewöhnungs- 
gefahren. 

Allerdings ist ein Rückschlag in nächster Zeit 
zufolge der Kriegsnotlage nicht ausgeschlossen. 
Wenn die Löhne der Pfleger grundsätzlich ausrei- 
chen sollen, bei achtundvierzigstündiger Wochen- 
arbeit eine fünfköpfige Familie zu ernähren, dann 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


 sammenlegen von Kranken mit seinen größeren pk 


[Nr. 25% 


ist nicht ausgeschlossen, daß eine weitgehende Fir | 
schränkung der Pflegetätigkeit, Sparsamkeit ; in ek 
Zahl der anzustellenden Pflegekräfte zur Notwer l 
digkeit wird. i 

Ebenso ist bei der Höhe der Baukosten &E 
Geringfügigkeit der reichsdeutschen Kohlenfürk i 
rung, unter denen wir jetzt leiden, ein dichteres 7& 


bungsflächen nicht ausgeschlossen. Außerdem it 
der Ersatz verlorener oder zerstörter Gegenstin 
zurzeit nur schwer und mit großen Unkostenai 
bewerkstelligen, so daß das Zerreißen von KiE 
dung, das Zerzupfen und Zerreißen von Betten, Wi 
der jetzt bestehenden Kohlennot selbst die Vero 
nung warmer Dauerbäder im Anstaltsleben jiii 
viel schwerer zählen, als früher. Immerhin işte 
bis jetzt noch möglich gewesen, im großen il i 
ganzen die altbewährte Friedensbehandlung, wafi 
auch unter Benutzung der aus der Friedens 
stammenden Einrichtungen, aufrecht zu erhalt 

Schwieriger als bei den nichtverbrecherisc® 
Geisteskranken gestaltet sich die Frage bei # 
irren Verbrechern, d. h. bei jenen Leuten, die ú$ 
Doppelleben führen wollen ie nach dem Nutz 
den sie sich davon versprechen, bald zwecks Fr 
spruchs sich auf ihre geistigen Mängel berufen, W ; 
auf ihre geistige Gesundheit pochen, um der An 
staltsverwahrung zu entgehen, dabei doch ständ 
rückfällig werden und für alle Anstaltsarten ® 
Kreuz sind. 

In Gemeinsamkeitshaft werden sie ohne Ag 
lenkung durch Schläge leichtest leidenschaftf 
gleichgeschlechtlich. Auch schmieden sie geme 
sam Fluchtpläne und sie schrecken vor Angri 
auf die Aufsichtspersönlichkeiten, sei es durch ME 
tale Gewalt, sei es durch heimtückische Über 
(Pfefferwerien in die Augen der Pfleger 
ebensowenig zurück, wie vor Zusammenrotwig 
gemeinschaftlicher Zerstörung von Nähmaschif 
Zimmereinrichtungen, Werkstätten, Inbrandsei#E 
von Stroh. 

Die Gruppe der „Gesellschaftsfeinde”, Ant 
zialen, moralischen Idioten, moralisch [mbezi 
Moral insanity (Kraepelin und Bleulen. $ 
es, deren Mitglieder, wenn sie in Einzelhaft FF 


‘men, oft schwer ‘erkranken und dabei (im Gegë 


satz zu den durch etwaige Einzelhaft eben 
schwer leidenden geistig Gesunden und den übrig” 
Geisteskranken) weder die Freiheit, noch die g 
meinsamkeitshaft, weder die Ehe, noch die EM 
losigkeit, ohne vielfach schwer anzustoßen, "i 
gen, und bei deren Behandlung das Zusammen | 
ken aller Erfahrenen (der Geistlichen, Ge 
angestellten, Erzieher, Militärs, Fürsorger) mit 0 


1921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 153 


Ärzten und Irrenärzten noch am ehesten günstige 
Erfolge verspricht. 

- Wie weit bei Angehörigen dess Gruppe Be- 
‚Johnungen und Bestrafungen aus erzieherischen 
“Gründen anzuwenden sind, entscheidet in jedem 
"Einzelfall nach freiem künstlerischen Ermessen der 
"zuständige Arzt, Geistliche oder Erzieher. Wie 
“umstritten die hier schwebenden Fragen sind, mag 
die Tatsache beleuchten, daß die Göttinger irren- 
ärztlich versorgte Psychopathenstation zur Wie- 
-dereinführung der Prügelstrafe, eine Berliner Städ- 
tische- Irrenanstalt nach einer Anstaltsrevolte zur 
"Wiedereinführung der Einzelhaft in geschlossenen 
Zellen als Dauerverwahrungsmittel für geistes- 
"kranke Verbrecher sich genötigt glaubten.) 

- - Hinsichtlich der Gruppe geisteskranker Ver- 


-brecher ist die Frage nach der besten irrenärzt- 


"lichen Vorbeugung also ebensowenig gelöst, wie 
" diejenige nach der richtigen Versorgung überhaupt. 
- Außerhalb der Anstalt kann zum Schutze von 
"Eigentum und Besitz vor Angriffen Geisteskranker 
"und demnach zur Vorbeugung vor Eintritt des Not- 
Swehrstandes folgendes geschehen: 

| A. Inpflegegabe der Kranken nur in solche Fa- 
milien, die menschlicher Voraussicht nach Necke- 
reien, Aufreizung, liebloses Vorhalten der Vergan- 
“genheit oder der Krankheit unterlassen, kurz- in 
"möglichst geeignete Familien. 

- B. Möglichste Sicherung der Pfleger und Pflege- 
‘eltern außerhalb der Anstalten vor Schädigungen 
 vermögensrechtlicher Art durch die Kranken. 

€ Wenn Eigentumsschädigungen der Pflegerfami- 
lien völlig ausgeschlossen sind, weil sie, was hier 
"nicht vorgeschlagen werden soll, auf alle Fälle 
vollen und reichlichen Ersatz erhalten, dann kann 
es für sie keine eigene Notwehr, höchstens noch 
eine Nothilfeleistung zugunsten des Ersatzpflich- 
tigen geben. Andererseits kann eine zu große 
"Sicherung leicht mißbraucht werden zur Erlan- 
"gung ungerechtfertister Vorteile, z. B. zum Ein- 
fordern alles im Haushalte Zerschlissenen, Zertrüm- 
“merten oder an Einrichtungsgegenständen Ver- 
"brauchten durch die Ersatzpflichtigen, die für den 
 Pilegling haften. 

- Ein gerechter Ausgleich scheint mir darin ge- 
- geben, daß zunächst einmal die Möglichkeit ge- 
Schaffen wird, daß die Kranken der Anstaltsklei- 
dung an Dauerhaftigkeit gleichkommende Kleidung 
zum Tragen auch außerhalb der Anstalt beziehen 
können, ein Gedanke, der am leichtesten Verwirk- 
lichung findet in den mit großen Anstalten verbun- 
‚denen landwirtschaftlichen Kolonien, schwieriger 
durchzuführen ist für genesene oder gebesserte 
Kranke, die in die eigene oder eine von der An- 


2 
i 
\ 
í 
f 


stalt weit entfernte Familie in Pflege gegeben wer- 
den. Lehrt doch die vor dem Kriege gewonnene 
Erfahrung, daß Gewerbe- und Handelsfreiheit zùr 
ständigen Verschlechterung der Dauerhaftigkeit 
bei Verschönerung der äußeren Aufmachung ge- 
führt haben, so daß schließlich der einzelne Privat- 
schneider sich weder in der Lage fühlte, die dauer- 
haften Anstaltsstoffe zuPrivatzwecken zu besorgen, 
noch auch imstande war, mit seinen Zutaten und 
Maschinen sie dauerhaft zu bearbeiten. Hier Wan- 
del zu schaffen, gilt es für das ganze Volk im allge- 
meinen, im besonderen aber für die Irrenpfleger- 
familien und ihre Pflegrlinge, die beide Gelegenheit 
haben sollten, sich mit dauerhafter Kleidung zu 
versorgen. 

Was für die Kleidung hier ausgeführt wurde, 
findet entsprechende Anwendung auch hinsichtlich 


der Wohnung, die zunächst in den Pflegerkolonien 


so zu erbauen und einzurichten ist, daß Festigkeit 
(Strapazierbarkeit), Einfachheit, Dauerhaftigkeit im 
Vordergrunde stehen, unnötige, leicht zerstörbare 
Zierborden, leicht zerreißliche Polsterungen, leicht 
zerbrechliche Scheiben vermieden werden, Licht- 
und Heizungsschutz gewährleistet werden, die auch 
bei Verwendung von Erdöllampen und Kohlenöfen 


durch dauerhafte Vergitterung möglich werden. 


Warme und (dauerhafte Fußbodenbekleidung 
(Linoleum) läßt sich auch für Pflegerwohnungen 
nicht allzu schwer beschaffen. Endlich ist es auch 
innerhalb einer Pflegefamilie sehr wohl möglich, den 
Messergebrauch und den Gebrauch von Zerstö- 
rungswerkzeugen einzuschränken. 

Ganze Pflegerdörfer lassen sich nach und nach 


auf die angegebene Weise errichten, die den Segen: 


des Familienlebens, soweit ES, möglich, den 
Kranken erhalten sollen. 

Wie in den Anstaltskolonien die Pileglinge bei 
Unruhe zeitweilig in die. Mutteranstalt zurückge- 


nommen werden, so empfiehlt es sich, auch in den 


Pflegerdörfern feste ruhige Zimmer zur Verfügung 
zu haben, in denen Kranke mit plötzlichen Dämme- 
rungs- und Verwirrtheitszuständen kürzerer Dauer 
die gefährliche Zeit abwarten’können, bis das Be- 
wußtsein sich aufhellt, am besten wohl im Anschluß 
an einige Krankenzimmer für körperlich Kranke, 
die unter ärztlicher Aufsicht stehen. Daß hier 


durch Zwischenschiebung beamteter und halbbe- 
amteter Kräfte zwischen den Kranken und seine ` 


Familie einerseits, den Arzt andererseits für die 
große Masse des Volks Hemmungen für das Vor- 
gehen des einzelnen Arztes gegeben sind, ist einer 
der vielen und tiefstbedauerlichen Mißstände der 


vieleerühmten reichsdeutschen Krankenversiche- 


rung. 


3 ` x f 
b c n a EEE A A RE A E O Es a We a aa 3 Er: e t he aa aaa a Ae poh E 


154 


Was endlich die Pflege in der eigenen Fami- 
lie des Kranken betrifft, so muß es der Geschick- 
lichkeit des behandelnden Arztes überlassen blei- 
ben, dafür zu sorgen, daß die von ihm vorgeschla- 
genen Ausgaben nicht in schroffem Mißverhältnis 
zu dem Nutzen, den sie versprechen, stehen. Wenn 
ein voraussichtlich jahrelang krank Bleibender sein 
eigenes und seiner Familie Vermögen zur Befriedj- 
gung voraussichtlich unerfüllbarer Hoffnungen ver- 
braucht, um dann doch der allgemeinen Anstalts- 
pflege zu verfallen, dann hat es wenig Wert, der 
Familie erst die letzten Mittel zu nehmen, ehe diese 
Maßregel ergriffen wird. Andererseits muß es als 
unbillig empfunden werden, wenn Kranke, denen 
in Form von Pensionen, Zinsen oder Renten die 
notwendigen Mittel zur reinen Familienpflege 
außerhalb der Anstalt zur Verfügung stehen, durch 


‚den Vormund bequem und billig in Anstalten unter- 


gebracht werden. Besonders bedroht sind von die- 
ser Seite Kranke, deren ehrenamtlicher Vormund 
zugleich Verwandter ist und der geldlich an der 
Erbmöglichkeit persönlich oder durch nächste An- 
gehörige beteiligt ist. Hier wird davon auszugehen 
sein, daß ganz reiche Kranke überhaupt niemals 
unbedingt dauernd in einer Anstalt untergebracht 
zu werden brauchen, da es bei reichlichen Mitteln 
sehr leicht ist, Arzt und Pflegerpersönlichkeiten, 
bauliche Einrichtungen, kurz das Gute der Anstalt, 
in der für den vorliegenden Fall geeigneten Form 
zu schaffen und die Unterbringung unter andern 
Geisteskranken zu vermeiden. 

Die Vorbeugung vor üblen Folgen des Eigen- 
tumnotwehrstandes reicher Geisteskranker wird 
auch dadurch gesetzlich erleichtert, daß $S829 BGB. 
eine Ausnahme von der Haftbefreiung Geisteskran- 
ker dann festlegt, wenn der Ersatz des angerichte- 
ten Schadens nicht von einem aufsichtführenden 
Dritten erlangt werden ‘kann insoweit, als die Bil- 
ligkeit nach den Umständen, insbesondere nach den 
Verhältnissen der Beteiligten eine Schadloshaltung 
erfordert und dem Begüterten nicht die Mittel ent- 
zogen werden, deren er zum standesgemäßen 
Unterhalte sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen 
Unterhaltungspflichten bedarf. | 

Über die Verpflichtung des $ 829 hinaus können 
Vormünder reicher Geisteskranker für die Zerstö- 
rungen, die diese Kranken anrichten, in geeigneten 
Fällen die Haftung übernehmen, falls ihnen an wei- 
testgehender zwangarmer Behandlung viel gelegen 
ist. Ebenso können zahlreiche an der Grenze gei- 
stiger Gesundheit Stehende in gesunden Zwischen- 
räumen ihre Haftung für den Schaden, den sie im 
Krankheitsanfalle anrichten, erklären. Hierher ge- 
hören zu Jähzorn Neigende, Fallsüchtige, Hyste- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


im Augenblicke der Gefahr sich gern an der WẸ 


Dr. 2 j 


rische, reizbare Nervenschwache, Trinker, übe 
haupt Giftsüchtige, kurz das große Heer der geis, 
Kränkelnden, die bei Aufregungszuständen si; 
krank werden, daß ihre freie Willensentschliefk 
im Sinne des Gesetzes ausgeschlossen ist. We, 
die Umgebung weiß, daß ihr auf alle Fälle dera 
gerichtete Schaden ersetzt wird, dann begegnetgi 
den Zerstörungsgelüsten weit ruhiger, als dam 
wenn sie einen Menschen vor sich hat, der si, 
auf sein Leiden beruft, wenn er haften soll. 
Weitere durch das Notwehrrecht geschit#} 
Güter betreffen Leib und Leben, also den Schi 
des Körpers vor Verletzung. Ä 
Was zunächst diesen Schutz in Anstalten WE 
trifft, so besteht er in der Bewahrung Kranker wi 
Angestellter- vor Verletzungen durch Aufgere#t 
und Unruhige. F 
Solange zahlreiche Pflegepersönlichkeiten glei 
zeitig anwesend sind, werden Notwehrkoniliii@ 
kaum entstehen. In schonendster Form kön 
zwei bis vier Pfleger oder Pflegerinnen einen WE 
ruhigen nach einem für ihn geeigneten Rawi 
schaffen, etwa nach dem Dauerbadezimmer. 
Weit schwieriger liegen die Verhältnisse duif 
wenn ein Kranker unruhig wird, ohne (daß der A 
griff vorauszusehen war, und wenn rechtzeitig 
Herbeirufen von Hilfspflegekräften nicht tunlichi® 
Vorbeugend dienen folgende Maßregeln: Unti 
bringung der besonders schwierigen verhältnis 1 
Rig geordneten Kranken, möglichst von ihreskf 
chen getrennt, sogenannte Verdünnung des WE! 
brecherischen Elements. f 
Sorge für Beschäftigung der Kranken in Haw | 
Hof, Garten, Werkstatt, Feld; da Arbeit ein st 
Ablenkungsmittel gegen dumpfes Brüten und MẸ 
nemachen ist. 
Vorbildlich ruhiges, mildes Wesen im Verku 
der leitenden mit den Hilfsärzten, der Ärzte "$ 
den Pilegepersönlichkeiten, der Pflegepersöull B 
keiten mit den Kranken, kurz, der Geist friedlich 
Wohlwollens muß das ganze Anstaltsleben beher 
schen und durchdringen. Wenn es den Ärzten W 
Pilegepersönlichkeiten gelingt, das Vertrauen ein | 
Teiles der Kranken zu gewinnen, so werden deg 


teidigung der bedrohten Pflegepersönlichkeit betg 
ligen, wenigstens an Verabredungen, die W 
Spitze gegen Pfleger oder Ärzte kehren, sich 1 j 
beteiligen, vielleicht sogar Bedrohte warnen. 
Durch mildes, freundliches, ruhiges Auitre 
beugt man Zorneshandlungen vor, durch liebe 
les Eingehen auf die erfüllbaren Wünsche der Na ] 
ken dem Hasse, durch genaue Beobachtunf 
heimtückischen Bandenbildungen und Überfällen. 


| Um die genaue Beobachtung zu erleichtern, 
ürfen die Pflegepersönlichkeiten weder überlastet 
ferden durch zu zahlreiche oder zu häufig wech- 
elnde Eindrücke, noch auch abgestumpft durch 
| : Į geringen Wechsel und an Zahl zu geringe Ein- 
tüicke. 

Die richtige Krankenverteilung und die richtige 
Te erteilung der Pflegepersönlichkeiten auf den ein- 
@lnen Abteilungen ist eine der wichtigsten irren- 
fztlichen Aufgaben überhaupt, besonders auch 
nsichtlich der Notwehrvorbeugung. 

© Die beste Vorbeugung der, Leibes- und Lebens- 
ötwehr in den Kolonien, die in Verbindung mit 
er Anstalt und in unmittelbarem räumlichen An- 
Chlusse an die Anstalt stehen, besteht in sorgfäl- 
iger Auswahl der für die Kolonien geeigneten 
fälle, sowie der in Kolonien angesiedelten Pflege- 
Täfte, sowie in rechtzeitiger Zurückverlegung 
ach der Anstalt, falls das Entstehen neuer krank- 
| after Aufregung sich durch einzelne Früherschei- 
üngen bemerkbar macht. Im übrigen bieten die 
Olonien den Vorteil dar, daß der Anreiz, mit List 
der Gewalt gegen die Pflegepersönlichkeiten 
wecks Fluchtermöglichung vorzugehen, wegfällt. 
- Denn in den Kolonien ist die Fluchtmöglichkeit 
hne weiteres gegeben, falls man nicht durch Klei- 
e sriortnahme des Nachts und ständige Aufsicht des 
ages den Kolonialaufenthalt auch für schwerere 
Tanke geeignet macht. | 

Die erfahrenen Pfleger, die nach jahrelanger 
ätigkeit in Anstalten als Kolonialpfleger angesie- 
elt werden, bedürfen kaum einer besonderen 
Mahnung, Hänseleien, Spöttereien, tätliche Erwi- 
erungen zu unterlassen. Höchstens ist ihnen 
ahezulegen, dieselben Anordnungen auch inner- 
lalb ihrer Familie, ihren Frauen und Kindern ge- 
enüber zu treffen. 

T Dringlicher werden diese Ratschläge, wenn es 
ich darum handelt, die Kranken in eigenen 
der fremden Pflegefamilien außerhalb der 
instalt und ihrer Kolonie unterzubringen. Sind 
och die Familien Geisteskranker vielfach geistes- 
fänkelnd, zu Zornausbrüchen, Verärgerung und 
ergleichen geneigt. Bei der großen Masse der Be- 
ölkerung kommt noch die Tatsache hinzu, daß sie 
sichter Unterstützung in Form des Anstaltsaufent- 
a iltes erhält, als die gleiche Summe zur Verpfle- 
ung eines Kranken in der eigenen Familie. 

~ Immerhin kann der Irrenarzt durch Anraten der 
anne üppigen Gebrauchs der Genußgifte 
Weingeist, Kaffee, Tee, Kakao, Tabak), sowie 
l lurch eigenes vorbildliches Auftreten hier einigen 
lutzen stiften. 

Zuweilen empfiehlt sich wohl auch zeitweilige 


021] | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 155 


Aufnahme eines oder des andern Familiengliedes 


als Hilispflegerin in die Anstalt, woselbst sie an 
fremden oder dem eigenen Kranken die für sie 
wichtigen Teile der. Irrenpflege erlernen können, 
um das Gelernte dann in der eigenen Häuslichkeit 
zu verwerten. 

In Pilegerdörfern, wie sie bei Bremen und in 
Gheel (Belgien) eingerichtet wurden, läßt sich auch 
durch Aufklärung in Kirche und Schule a 
der Kranken Nutzen stiften. 

Außer Leib, Leben, Eigentum, Besitz sind noch 
Ehre und Keuschheit oder Ehre im allgemeinen und 
Geschlechtsehre im besonderen von den durch 
Notwehr geschützten Gütern zu nennen. Die 
Ehrennotwehr wurde und wird nicht allgemein in 
den Gesetzgebungen der christlichen Kulturgemein- 


schaft anerkannt. Schon das kanonische Recht er- 


kennt die Ehrennotwehr nicht an.®) In Österreich 


-ist- sie für Zivilisten .nicht anerkannt, während den - 


Militärs daselbst ein Ehrennotwehrrecht zugestan- 
den wird. 

Die Reichsgerichtsentscheidungen in Strafsachen 
21, 168 und 29, 240 haben für das Deutsche Reich 
die früher oft bestrittene tatsächliche Möglichkeit 
und rechtliche Zulässigkeit der Ehrennotwehr fest- 


gelegt.) Die Anwendung der Ehrennotwehrbe- 


stimmungen auf Angriffe Geisteskranker macht er- 
hebliche Schwierigkeiten. Zunächst ist bei. er- 
kennbar Geisteskranken nicht leicht ersichtlich, 
inwiefern sie. die Ehre eines (Gesunden verletzen 
können. Allein Tätlichkeiten, z. B. Küsse, unzüch- 
tige Berührungen, Zurückstreifen von Kleidung 
können als tätliche Beleidigungen im Sinne des 
(Gjesetzes aufgefaßt werden. 

Innerhalb der Anstalt muß daher Vorsorge ge- 
troffen werden, daß Kranke und Pflegepersönlich- 


keiten vor Beleidigungen und Ehrenkränkungen . 
ausreichend geschützt sind, ohne : daß deswegen: 


ganz allgemein die weibliche Pflege an männlichen 
Geisteskranken zu verbieten nötig oder auch nur 
zweckdienlich wäre. 

Schimpfereien gegenüber ist Naitbeschtäne und 
Nichterwiderung oft die beste Abwehr, sowohl bei 
Gesunden wie auch bei Kranken. 
schimpft selten allein.” | 

Der Notwehrüberschreitung aus Furcht oder 
Bestürzung wird durch Gewöhnung an den Um- 
gang mit Kranksinnigen, also dadurch am besten 
vorgebeugt, daß frisch eintretende Pflegepersön- 
lichkeiten zunächst auf ruhigen Abteilungen oder 
unter Anleitung erfahrener Amtsbrüder beschäftigt 
werden, die mit gutem Beispiel vorangehen, auch 


die notwendig werdenden schonenden Handegriffe . 


in ihrer Anwendung zeigen, bis sie allmählich be- 


„Ein Mann 


156 


fähigt sind, allein auch auf unruhigen Abteilungen 
Dienst zu tun. 

Außerdem wird der Irrenarzt bei der Auswahl 
seiner Pflegekräfte großen, .starken, stattlichen 
Menschen, deren Äußeres achtunggebietend ist, bei 
sonst gleicher Würdigkeit schmächtigen Persön- 
lichkeiten gegenüber den Vorzug geben. 

Die geeigneten Ratschläge (z. B. Ratschläge 
für Geistliche und Lehrer in Irrenpflegedörfern wie 
Jerichow bei Magdeburg, für Angehörige‘ Geistes- 
kranker und Kränkelnder, für Pfleger in Pfleger- 
kolonien, für Anstaltspfleger) werden am besten als 
Drucksache oder gedruckte Dienstanweisung den 
Persönlichkeiten, die es angeht, ausgehändigt. 

Die Hauptpunkte für Angehörige sind: Ruhe, 
Freundlichkeit im Umgang, auch bei gereizter und 
feindseliger Stimmung des Kranken, gegebenenfalls 
Wechsel des Gesprächsstoffs oder zeitweiliges Ver- 


lassen des Zimmers durch den Gesunden, natür- 


lich-ungezwungene Sprechweise und ebensolches 
Auftreten Kranken gegenüber, Vermeiden von Täu- 
schung und Betrug sowie Abgabe von Verspre- 
chungen, die nicht erfüllt werden, Vermeidung 
wörtlichen und tätlichen Tadels, lieblosen Verspot- 
tens und Hänselns sowie von Zornesausbrüchen, 
Grundsätze, die nach Kräften zum (Gemeinbesitz 
der ganzen Bevölkerung zu machen mit zu den 
irrenärztlichen Aufgaben gehört. 


b, Verhalten im Stande der Not- 
wehlr gegenüber Geisteskranken. 
Die Tat des Geisteskranken, gegen die Notwehr 
geboten sein kann, kann sich gegen den Notweh- 
renden selbst oder gegen irgendeine andere phy- 
sische oder juristische Person richten, auch gegen 
den Staat sowie gegen irgendein rechtlich ge- 
schütztes Gut. Sie kann z. B. bestehen im Anzün- 
den von Wohnhäusern, Stallungen, Getreidegarben, 
Versuchen, Züge zur Entgleisung zu bringen, Was- 
serleitungen .zu schädigen, Gashähne aufzudrehen, 
Fernsprecher zu zerstören, Vermögenswerte aller 
Art zu vernichten, Familienangehörige oder Frem- 
de zu töten oder zu verletzen; vielleicht ist auch 
die Verletzung des eigenen Körpers, wie sie Gei- 
steskranke häufig vollführen, hierher zu rechnen. 
Die Notwehr zugunsten eines anderen (Nothilfe) 
kann zur Abwehr dieses rechtswidrigen, zum min- 
desten unerlaubten Angriffs geboten sein. Weiter 
kann die Tat des Geisteskranken bestehen in Ver- 
letzung des sittlichen Gefühls (z. B. in nacktem 
Umherlaufen auf der Straße, Entblößen der Ge- 
schlechtsteile, unsittlichen Berührungen anderer, 
beischlafähnlichen und Beiwohnungshandlungen), 
des religiösen Gefühls, Schändungen von heiligen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


des Notwehrenden unverschuldet oder unvoi 


[Nr. 2 ' 


Gegenständen, Störung gottesdienstlicher Hafi 
lungen, Verhöhnungen, wörtlichen, tätlichen 4 
griffen, Eindringen in fremde Häuser, Diebstal® 

Der Angriff muß obiektiv der Rechtsords 
widersprechen, nicht etwa auch subjektiv, WE 
der Geisteskranke sich selbst für‘ berechtigt 
den Angriff vorzunehmen, daß er in entschidi 
rem Irrtum handelt, genügt nicht, um die Ref 
widrigkeit auszuschließen. 


Weiter muß der Angriff gegenwärtig sen. WE 
endete Beschimpfung, ohne daß weitere Besdi 
fung droht, ist kein: gegenwärtiger, sondn® 
vollendeter Angriff. | 


Nicht erforderlich ist, daß der Angriff sii 


gesehen ist. Auch dann ist Notwehr gegeni 
Angriff des Geisteskranken geboten und ei 
wenn der Pfleger durch Unachtsamkeit die iii 
beugende Absonderung oder Rückverbringun 
eine Anstalt versäumt hat. 


‚Die Verteidigung muß sich innerhalb dert 
tigen Grenzen halten. Diese richtigen Grai 
richten sich nach der Art des Angriffs, der Peng 
lichkeit des Angegriffenen, den äußeren Umi k 
den. Bewaffneter Angriff eines starken Mai 
der mit zäher Tatkraft sein Ziel, den Arzt i 
Pfleger zu töten, verfolgt, weil er sich selbst 
gerecht eingesperrt wähnt, gegen eine sei 
liche Pflegepersönlichkeit gerichtet, währen! 
hilfe nicht zur Stelle ist, macht eine ganz dl 
Zurückweisung erforderlich als das Wolke 
einer schwächlichen, entkleidet im Bett Liegt 
Im ersteren Falle kann kräftiges Ausderhand* \ 
gen der Waffe, im letzteren Wegnahme desi 
zupfbaren, vielleicht teuren Gegenstandes diti 
botene Abwehr darstellen. } 

Von einem Berufspfleger und einem Irre 
wird man eine geschicktere Form der Notweir® 
warten dürfen als von einem Nichtfachmam $ 

Irrtümlich wäre die Ansicht, das Prügelie 
der Anstaltsdienstordnungen könne recht% 
auch die Notwehr der Irrenpfleger treffen. f 

Das Reichsgericht hat in der oben austi ! 
gebrachten Entscheidung auch für Irrenpiese g 
Notwehrrecht gegenüber Bedrohung und I 
widrigem Angriffe ihrer Pflegebefohlenen an | 
kannt. Aus $ 618 hat der Dienstberechtig® $ 
Dienstleistungen des Verpflichteten so ZU ep 
daß der Verpflichtete gegen Gefahr für Lebt g 
Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur g 
Dienstleistungen es gestattet. Diese Verpilii? 
ist zwingend. ($ 619. Die dem Dienstberecht® 
nach den §§ 617, 618 obliegenden Verpflichti@ 


2.47 Z vier Zu a Al Pawi t. E 


B | 


Önnen nicht im voraus durch Vertrag aufgehoben 
il k r beschränkt werden.) 
I Aus beiden Normen geht eindeutig hervor, daß 
eine Irrenanstaltshausordnung imstande ist, im 
f } aus von ihren Pflegepersönlichkeiten einen 
ichtsgültigen Verzicht auf die gebotene Notwehr 
Be anzen. Im Gegenteil: eine Änstaltsdirektion, 
den Pflegepersönlichkeiten das Notwehrrecht 
 hneidet, setzt sich der Gefahr aus, nach den 
“Orschriften über unerlaubte Handlungen haftbar 
‚er aacht zu werden für den Schaden, den die 
y: legepersönlichkeiten durch Beschneidung des 
-[ötwehrrechts erleiden. 
© Hingegen ist die Verteidigung nur innerhalb der 
"N Einzelfalle gebotenen Grenzen erlaubt. Wel- 
es diese Grenzen sind, entscheidet das Gericht, 
x Obei unter Umständen auch ein Gegenangriff als 
g et otene Verteidigung geübt werden kann (Reichs- 
tichtsentsch. Rechtspr. in Strafs. 6, 576 E. 16, 


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f.. Rg. Rspr. 4, 804 ist die zur Abwendung 
ss gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs erfor- 
erliche Verteidigung auch dann erlaubt, wenn der 


den Zweck mit Ausübung der Notwehr verfolgt. 
§ ist also sehr wohl zulässig, daß’ eine von ihren 
enossinnen beauftragte Pflegerin nur zu dem 
Wecke echte Notwehr übt, um festzustellen, daß 
(Me Prügelungsentlassung und die Ausstellung. eines 
ing p senden Dienstzeugnisses wegen Prügelung 


IX ‘hlag zur Abwehr geboten war. 

JE Notwehrüberschreitung in Bestürzung, Furcht, 
Chrecken ist strafrechtlich nicht sühnbares Un- 
sch. Wenn Pflegepersönlichkeiten in Bestür- 
ing, Furcht, Schrecken sich zur Notwehrüber- 
hreitung hinreißen lassen, so kann dies, falls sie 
ächt ganz im Anfang ihres Dienstes stehen, eine 
genschaft sein, die sie ungeeignet zur Berufsaus- 
bung macht. Geschieht dieser „intensive Exzeß” 
„ler Notwehr zufolge eines Nervenleidens und hält 
die Anstaltsleitung eine solche Pflegepersönlich- 
i eit, nachdem sie bis dahin Jahre hindurch zur 
lege auch unruhiger Kranker für geeignet gehal- 
f t wurde, nunmehr für ungeeignet, so kann ganze 
y k teilweise Berufsinvalidität vorliegen‘ und bei 
Nachweis der hinreichenden Anzahl geklebter Ver- 


k Oben werden, von Beamten Versetzung in ein 
ji ächteres Amt oder Pensionierung verlangt wer- 


Ente; Berücksichtigung all dieser. Gesichts- 
| ünkte wird der Irrenarzt sein Verhalten bei Not- 
"W ; ehr Geisteskranken gegenüber regeln. 


Ungegr iffene einen über die Notwehr: hinausgehen-. 


pine * Kranken dann rechtswidrig sind, wenn der 


i icherungsmarken Anspruch auf Invalidenrente er- 


1921) PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT ey 


Nachdem er das Eigentum der Pilegerinnen ge- 
schützt hat durch Verabfolgung von Anstaltsklei- 
dung, und nachdem er alle -Vorbeugungsmaßregeln 
getroffen hat, wird er zunächst prüfen, ob in einem 
zweifelhaften Falle Notwehr vorlag. Lag solche 
vor, so wird er jeden Schein, als ob er der Pflege- 


persönlichkeit die ihr zustehenden Rechte kürzen 


wollte, vermeiden und dem (esamtpersonal wie 
auch den Kranken gegenüber keinen Zweifel be- 
stehen lassen, daß die Pflegepersönlichkeit kein 
Unrecht tat. 

Bestehen Zweifel, ob Notwehrüberschreitung 
vorliegt, so tut der Irrenarzt gut, eine Vertrauens- 
persönlichkeit aus Pflegerkreisen zuzuziehen, ehe 
er Disziplinarmaßregeln ergreift, und dabei sich die 
Frage vorzulegen, wie ein gesunder Durchschnitts- 
pileger, kein besonders tüchtiger, kein besonders 
untüchtiger, in gleicher Lage gehandelt hätte. Liegt 
dann ein Zustand vor, der eine Strafmaßregel an- 
gebracht erscheinen läßt, so wird er prüfen, ob 
gleich die härteste Strafe angebracht ist (Entlas- 
sung), oder ob Verwarnung genügt. Außerdem 
aber wird er zur Wahrung des Ansehens seiner 
Pilegepersönlichkeiten diesen nahelegen, gegen 
sich selbst die Eröffnung eines Verfahrens wegen 
Körperverletzung unter Außerachtlassung einer 
Berufspflicht bei der Staatsanwaltschaft zu bean- 
tragen, falls die Pflegepersönlichkeit sich zu un- 
recht der Notwehrüberschreitung bezichtigt glaubt. 
In diesem Verfahren wird er möglichst darauf drin- 
gen, daß ein außerhalb der Anstalt stehender Fach- 
arzt als Sachverständiger vernommen wird. 

Liegt Notwehrüberschreitung aus Zorntrunken- 
heit oder mangelnder Widerstandskraft des Ner- 
vensystems vor, so wird Versetzung auf eine 
leichtere Abteilung oder zeitweilige Ausspannung 
und.bei unheilbar erscheinender Nervenzerrüttung 


-die gegebene Maßregel Invalidisierung sein. 


Damit die einzelnen Notwehrhandlungen nicht 
unaufgeklärt bleiben, insbesondere zur Verhütung 
gewohnheitsmäßiger Notwehrüberschreitung : wird 
in die Anstalts-, Kolonialpfleger- sowie in die Pri- 
vatpilegerordnung zweckmäßig eine Bestimmung 


aufgenommen, die Anzeige jeden Notwehrschlages ` 


und jeder Notwehr, die äußerlich sichtbare Spuren 
hinterläßt, innerhalb 24 Stunden bis 3 Tagen vor- 
sieht. Eintritt. des Notwehrstandes gehört sicher 
zu den auffälligen Erscheinungen, die Sitzwachen 
und Nachtwachen in ihren Bericht aufzunehmen 
haben. 


c) Vorschläge zur Aufnahme von 
Notwehrbestimmungen in Anstalts- 
und Pilegerordnungen. 

Es bleibt uns noch übrig, Vorschläge zu machen, 


< n g oO E e e OTT u E O a — 4 a e 


reißen. 


158 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


in welcher Form die Notwehr in Anstalts- und 
Pflegeordnungen berücksichtigt werden soll. 

Einfache Übergehung scheint mir verfehlt. Die 
Anhänger dieser Art der Darstellung gehen von 
der falschen Voraussetzung aus, die Ausnahme der 
Notwehr verstünde sich von selbst, oder von dem 
Bestreben, ihren Anstalten eine möglichst harm- 
lose äußere Aufmachung zu geben. Daß sich die 
Notwehrausnahme nicht von selbst versteht, be- 
weisen die Darlegungen der ausführlich mitgeteil- 
ten Reichsgerichtsentscheidungen über das Not- 
wehrrecht des Irrenpflegers. 

Die Totschweigung eines heiklen Gebietes hin- 
gegen ist unwissenschaftlich und auch gefährlich, 
indem durch Mißverständnisse leicht ungerechtier- 
tigte Leiden hervorgerufen werden (ungerechtfer- 
tigte Entlassungen, ungerechtiertigte Geheimbe- 
richte über schlechte Führung, mangelhafte Vertei- 
digungsmöglichkeiten der beschuldigten Pflegeper- 
sönlichkeiten). 

Andererseits soll die Behandlung nicht leiden 
durch allzu üppigen Gebrauch des Notwehrrechtes 
und besonders nicht eine willkürliche Züchtigungs- 
behandlung unter dem Vorwande der Notwehr ein- 

Ich schlage folgende Fassung vor: 

l. Den Mißhandlungsbestimmungen der An- 
staltspfilegerordnungen folgende Form zu geben: 

Geisteskranke dürfen nicht verlacht, verspottet, 


geneckt werden. Ebenso enthalte sich der Pfleger 


jeglichen Schimpfens und jeder Erwiderung von 
Beleidigungen wörtlicher und tätlicher Art. 

Ein Züchtigungsrecht steht ihm nicht zu. 

Im Falle äußerster Not ist ihm ein Notwehr- 
recht, d. h. das Recht gebotener Abwehr und Ver- 
teidigung, durch das Strafgesetzbuch wie auch 
durch das Bürgerliche Gesetzbuch zugesichert. 
Er braucht und soll sich nicht von einzelnen Kran- 
ken oder von mehreren vereinigt vorgehenden 
Irren zum Krüppel schlagen oder erwürgen las- 
sen und darf sich in Fällen äußerster Not mit allen 
Kräften zur Wehr setzen. Niemals jedoch darf er 
den Kranken aus Rache oder um sein Mütchen an 


‚ihm zu kühlen, quälen, peinigen, schlagen, treten. 


Schimpfworten gegenüber ist Nichtbeachtung so- 
wie Bewahrung der inneren und äußeren Ruhe 
meist völlig ausreichend, um den Kranken zu be- 
schwichtigen. Jede Erwiderung reizt leicht zu 
neuen Zornesausbrüchen und unterbleibt am 
besten völlig. Bei andauerndem Beschimpfen des 
Pfilegers und Aufhetzen der andern Kranken mache 
der Pileger dem Arzt Mitteilung. 

Bei Tätlichkeiten der Kranken genügen durch- 
weg einfache Handgriffe, um weiteres Unheil zu 


sich auch in Notwehr zu groben Überschreitii 


` Notfälle, in denen er durch Stoß und Schlag 


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[Nr . A | 


verhüten. Wenn irgend angängig, suche dermi 
ger, wenn auch unter Zuhilferufung eines 
zweier Mitpfleger, mit diesen Handgriffen ad 
kommen. F 

Auch dann, wenn sich der Kranke bewi 
hat, und wenn er bewaffnet zum Schlage awii 
gelingt es geschickten Pflegern meist, ohne W 
und Schlag durch schnelles Ergreifen der ie 
des Kranken, sich seiner zu erwehren. Dudi 
greifen der Finger des Kranken ist es vielfach 
möglich, den würgenden Kranken von seinn® 
ginnen abzuhalten. Andererseits gibt es Falki 
denen der Pfleger. sich seiner Haut wehren mi 
um nicht in unbilliger Weise verletzt oder du 
an seiner Gesundheit geschädigt zu werden $ 
kann ein.Schlag das geeignete und geboten $ 
wehrmittel sein. In der Anstalt sind solche i 
selten, und Ärzte und Pfleger setzen ihre ® 
darein, sie noch weiter zu vermindern, indem 
aufgeregten Kranken gegenüber sich kaltbliige 
ruhig verhalten und damit jede Notwehrüberüg 
tung, d. h. jede zur Abwehr nicht nötige, IE 
mäßige Gegenwehr vermeiden. Ein Pfleger $ 


hinreißen läßt, ist zum mindesten noch nid 
eignet zur Pflege Geisteskranker aller Art. % 
Stellung ist daher erschüttert. i 

Andererseits wird Übermenschliches audi 
Irrenpflegern nicht verlangt. Das aber ul 
dingt gefordert werden, daß der Pfleger WE 


zu wehren gezwungen war, sofort dem Arzt 
det. Unterlassung dieser Meldung gilt, auch Wi 
Notwehrüberschreitung nicht vorliegt, als NE 
gungsgrund. | 

Die Anstaltsleitung zieht zu jeder Verla 
über Notwehrüberschreitung, ehe sie ein von 
des Pilegers als erwiesen annimmt, den Ve 
oder Vertrauensmann (des Pflegerrats — der f 
staltspfleger) mit beratender Stimme hma 
gibt allen der Notwehrüberschreitung besch t 
ten Pflegepersönlichkeiten den Rat, falls St 
unschuldig verdächtigt fühlen, zwecks Verme 
von Rufschädigung gegen sich selbst ë 
Staatsanwaltschaft die Eröffnung eines Veri f 
wegen Körperverletzung unter Außerachtsg 
einer Berufspflicht zu beantragen. | 

Die hier aufgenommenen Vorschläge : | 
selbstverständlich nur für diejenigen Anstalt g 
nicht auf dem Boden der Zulässigkeit de! u 
lichen Züchtigung stehen, wie neuerdings die 
tinger Psychopathenstation und von alter I 
zahlreiche Idiotenanstalten, die, ausgehend w l 
Kindererziehung, Schläge für ein erprobies $ 


i jalten, Unarten auch Geistesschwachen abzuge- 
Swöhnen, z. B. sie an Sauberkeit beim Harn- und 
Kotlassen, Nichtzerstörung fremden Eigentums, ge- 
®enseitigen friedlichen Verkehr der Zöglinge zu 
®ewöhnen, und die für zahlreiche Fälle. das zuge- 
fügte Übel der körperlichen Züchtigung für das ge- 
[ingere halten im Verhältnisse zu dem Übel der 
ärztlichen Beruhigungsmittel und denjenigen der 
Be ozenhieit (also dem Bestehenlassen von Bett- 
Enässen sowie Kotunreinlichkeit und ähnlichen Din- 
ig fen). Für die Hausordnungen dieser Anstalten 
wird darauf hinzuweisen sein,,daß die Pfleger kein 
! 2 lüchtigungsrecht haben. ger 
E - Für die Pflegefamilien der Anstaltskolonien, 
Bilezerdörter, Dorfpfleger - sowie für einzelne 
| [F flegefamilien in Stadt und Land schlage ich fol- 
BE hriebenen Dienstanweisungen vor: 
-  Züchtigungen, Bestrafungen, "Privatrache dem 
Kranken gegenüber sind den Pflegeeltern (Pflege- 
Familien) verboten. In (seltenen) Fällen der Not- 
wehr steht den Pflegeeltern ein Abwehrrecht gegen 
Bedrohung und Gefährdung von Leib, Leben und 
"Besitz durch die Kranken zu. Dies Abwehrrecht 
Soll nicht mißbraucht werden zur Privatrache. 
eine Überschreitung ist rechtswidrig. -Die Pflege- 
Samilien sollen auch in Fällen der Notwehr sich be- 
mühen, ohne Stoß und Schlag auszukommen. Ge- 
Hang ihnen dies in Einzelfällen nicht, so haben sie 
E innerhalb dreier Tage an die Anstaltsleitung zu be- 
l 3 ichten, die wohlwollend prüft, ob der Kranke wie- 
#der in die Anstalt aufzunehmen ist oder nicht. 
| Schimpfereien gegenüber ist die beste Abwehr, 
Zu schweigen. 
dem Kranken mit hervorragendem Beispiele der 
Rune Freundlichkeit, Milde und Nachsicht voran, 
© enthält sich jeglichen Spottes, jeder Neckerei, jeder 
Be schimpfung und Lieblosigkeit und erzieht auch 
‚die eigenen gesunden Kinder zur Unterlassung jeden 
| E Sbotts, jeder Neckerei, jeder tätlichen und jeder 
à örtlichen Beleidigung, macht auf die Notwendig- 
© keit solch friedlichen Verhaltens auch Fremde, die im 
a ause der Pflegefamilie verkehren, gegebenenfalls 
Faufmerksam, besonders fremde Kinder. Bei Zei- 
F chen beginnender dauernder Unruhe und Erregung 
“des Kranken ist dem Arzte Mitteilung zu machen, 
f damit Rückverlegung in die eg rechtzeitig er- 
f wogen wird. 
E Selbstverständlich gilt auch diese Form nur für 
"diejenigen Kranken, denen gegenüber körperliche 
T Züchtigung vermieden werden soll. 
” Steht in anders gearteten Fällen die in Pflege 
© zebende Anstalt auf dem Standpunkte der Göttin- 
zer Psychopathenstation oder. zahlreicher anderer 


$- 
a” 
Br 


1921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ende Formulierung innerhalb der gedruckten und: 


Eine gute Irrenpflegefamilie geht . 


von Geistlichen und Erziehern geleiteten, besonders 
für Idioten oder Fürsorgezöglinge bestimmten An- 
stalten, so ist deren Dienstanweisung für Familien- 
pfleglinge entsprechend zu ändern. 

Auf die Frage, welche von beiden Anstaltsarten 
vorzuziehen ist, soll hier nicht näher eingegangen 
werden. | 

Sollte. es gelingen, innerhalb und außerhalb der 
Anstalten die von dem Verfasser vorgeschlagene 
Lieferung dauerhafter Kleidung und Ausrüstungs- 
segenstände durchzusetzen, so darf in den Pfleger- 
und Familienpflegeordnungen ein Hinweis auf die 
gelieferten dauerhaften Gegenstände, die Notwehr 
zum Schutze des Eigentums kaum nötig machen 
oder doch wenigstens zum Eigentumschutze. Not-. 
wehrhandlungen nur selten in schrofferer Form ge- 
boten P lassen, nicht tomeny ER 


- Literatur. 


1. Griesinger, W, Zürich, Pathologie und Thera- 


pie der psychischen Krankheiten. II. Aufl. Stutt- 
gart 1861, Adolf Krabbe. 
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1889, Dorns Verlag. | | 
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Leipzig und Wien 1892, Franz Deuticke. 
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16. Wernicke, Carl, Grundriß der 
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17. Becker, Th., Einführung in ‘die Psychiatrie. 
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Studierende und Ärzte. VIII. Aufl. 
Johann Ambrosius Barth. 


PEDS 


IV. Aufl. Leipzig 1911, 
Psychiatrie 


Leip- 


Leipzig 1908-15, - 


160 


19, 


20. 


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22. 


23. 


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„ Oberarzt Dr., Goddelau, Hessen, Jrren- 
anstalten einst und jetzt. Sonderabdruck ohne Ver- 
lags- und Jahresangabe. 
Oberarzt Dr., 
sinnigen- und Blödenpflege. 
Marhold Verlagsbuchhandlung. 


Rumpf, Direktor Prof. Dr., Hamburg-Eppendorf, 
Leitfaden der Krankenpflege. (Abteilung Irrenpflege 
von Prof. Dr. R. Wollenberg besorgt.) Leipzig 
1900, C. W. Vogel. 

Falkenberg, Wilh., Herzberge, 
kranker. 


Berlin 


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Halle a. S. 1914, Carl 


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Auf Anregung von Geheimrat Moeli. Ber- 


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Schloeß, Heinrich, Wien, Leitfaden zum Unter- 
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Dannemann, Enzyklopädisches Handbuch der 
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Neißer, Bericht über psychiatrische Beobachtun- 
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Sonderabdruck aus Ziegelroths Archiv. Frankfurt 
a. O. 1910, Richters Kommissionsverlag. 


Halle 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


38. 


39. 


40. 


-4l. 


42. 


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Siefert, P., Psychiatrische Untersuchungen nz 
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Leipzig 1914, Schweizer & .Co. 
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Dannemann - und Se Jurist.-psychiatr, (ne 
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Vogt, H, und-W. Weygandt, Handbuch 
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sinns. Jena 1911, Fischer. 
Schnitzer, Herbert, Kückenmühle: Über Ein 
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Vortrag. 1914 erschienen in Weygand und 
fisch: Zeitschr. f. Erforsch. des jugendl. Schw 
sinns Bd. 8 Heft 1. Jena 1915, Gustav Fische 


Die familiäre Ve 
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1903, Carl Marhold Verlagsbuchhandlung. | 
Hedinger. Johannes, Irrenfragen in Lai 
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& Zeller Nachf. i 
Bothe, Alfred, Die familiäre Verpflegung (8 
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1885 bis 1893. Berlin 1893, Julius Springer. | 
Erinnerungen eines alten Irrenaf 
S. 99. Bonn 1912, Friedrich Cohns Verlag. F 
Enge, J., Ratgeber für Angehörige von Gei í 
kranken. Halle a. S. 1916, Carl Marhold Ve 
buchhandlung. ; 
Guder-Stolper, 
diziner und Juristen. 
sius Barth. 


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Gerichtliche Medizin jir 9 
Leipzig 1900, Johann Ami f 


dizin. VII. Aufl. Wien und Leipzig 1895, UMB 
Schwarzenberg. C 
„Biochte, Th., Gerichtsärztliche und polizei! 


liche Technik. Wiesbaden 1914, J. F. Bersm p 
Gerichtsärztliche Untersucht d 
Berlin 1913, J. Springer. l 
Julius, Lehrbuch der gerichtlichen ® 
Stuttgart 1912, Enke. 


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3 Pilcz, Alexander, Spezielle gerichtliche Psychia- 

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Hildebrand. Leipzig 1895, O. R. Reisland. 

. Schwabenspiegel. Gottfried Genglersche Ausgabe. 

Erlangen 1851, Theodor Bläsing. 


Der Kreis- 


i — Der Vorstand der „Deutschen Okkultistischen Ge- 
sellschaft” (D. O. G.), Geschäftsstelle Charlottenburg -9, 
Reichsstraße 106, versendet folgende Erklärung: Die 
‚Berliner Psychologische Gesellschaft hat eine Kommis- 
Sion zur Untersuchung der sogenannten okkultistischen 
Erscheinungen ins Leben gerufen, welche aus den Herren 
Geh. Sanitätsrat Dr. Albert Moll, Prof. Max Des- 


i 


Ärztliche. 


1921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 161 


81. Kohler, J., und Willy Scheel, Die Carolina und 


ihre Vorgängerinnen. Halle a. S., 1900, Waisenhaus. 
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88. Hoffmann, Georg, Erler, Burlage, Binse i 
Die eD DECKE KR roM Schätield -. und 
Schmitt, Reichsgerichtsräte, Das Bürgerliche Ge- 
setzbuch. II. Aufl. Berlin 1913, J. Guttentag. 

89. Finger, Lehrbuch des deutschen.. Strafrechts. 
Bd. 1., 1904. ECAA | 

90. v. Liszt, Lehrbuch des Völkerrechts. 

=- Berlin 1918, Julius Springer. 

91. Köstlin, Neue Revision der Grrdpegie des 
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Lehrbuch des deutschen Strafrechts. VI. Aufl. 
Leipzig 1912, A. Deichert. 

92..Seeger, 
173 if. zit. nach 71. 

93. Geyer, Die Lehre von der Notwehr. 1857. Zit. 
nach 71. | 

94, v. Schwarze, 

=- setzbuch. V. Aufl. 1884. Zit. nach 71. 

95. Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch. 
VII. Aufl. 1909-10. 

96. Reichsgerichtsentscheidungen in Strafsachen Bd. 27. 

97. Werner, Richard P., Die Versorgung der geistes- 
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Kornfeld, Fischers med. Buchhandlung. 

98. Artikel Notwehr in Wetzer-Welte-Hergenreuther- 
Kaulen, Kirchenlexikon. H. Aufl. - Freiburg- i. B. 

--- 1882, Herders Verlag. 


XI. Aufl. 


= Brestery-H, ee -neurol; Wochenschr. „Jahrg, 


XI S- 141. 


100.Ders., Martyrium deutscher re ‚Ebönda, | 


Jahrg. XXI Nr. 51-52. 

101.Ders., Die Bewertung last renpilescherate Irren- 
pflege Juli 1921. -Halle a. S., Carl Marhold Ver- 
lagsbuchhandlung. 


Mitteilungen. 


soir, Dr. Bärwald besteht. Die Deutsche Okkulti- 
stische Gesellschaft, deren Hauptaufgabe seit ihrer- vor 
zwei Jahren erfolgten Gründung in der vorurteilslosen 
Untersuchung derartiger Phänomene besteht, kann ihren 
Mitgliedern ein Zusammenarbeiten. mit der obengenann- 
ten Kommission nicht empfehlen. Denn das führende 
Mitglied dieser Kommission, Geh. Rat Moll, hat sich 


Gesammelte Abhandlungen. 1858, 1, 


Kommentar zum Reichsstrafge- 


Ve - 
a Ege 
r 


162 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


nicht gescheut, öffentlich zu erklären, daß er sämtliche, 
dem Okkultismus nahestehende Experimentatoren und 
Versuchspersonen entweder für Betrüger oder für Narren 
halte. Von einer Kommission, in der Personen sitzen, 
die an die Untersuchung solcher rein wissenschaitlichen 
Fragen mit derart vorgefaßten. Meinungen herantreten, 
die jede objektive wissenschaftliche Feststellung von 
vornherein ausschließen, kann selbstverständlich die Ab- 
gabe eines obiektiven Urteils nicht erwartet werden. 
Nach Abschluß ihrer streng sachlichen Untersuchungen 
über die strittigen Fragen wird die D. O. G. das Ergebnis 
ihrer Feststellungen der Öffentlichkeit unterbreiten. 
(Hoffentlich gibts deshalb keinen Krieg! Red.) 


Referate. 


— Psychische Einflüsse auf die menschliche Magen- 
sekretion. Von Dr. G. R. Heyer, Ill. med. Univ.-Klinik 
München. Therapie d. Gegenw. Aug. 1921. 

Vorwiegend die therapeutischen Konsequen- 
zen resumierender Bericht einer größeren zurzeit im 
Arch. f. Verdaungskrankh. erscheinenden Arbeit. In 
tiefer Hypnose wurde der Versuchsperson eine Mahlzeit 
suggeriert. Untersuchung der Magensekretion mit 
Dauersonde. Es wurde festgestellt regelmäßig reich- 
licher „Appetitsaft, in bezug auf zeitlichen Ablauf und 
eiweißverdauende Kraft spezifisch eingestellt auf die Art 
der suggerierten Nahrung. Starke (suggerierte) Affekte 
unterbrachen den Saftfluß, einerlei ob dys- oder euphori- 
scher Art: „Ablenkung der inneren Aufmerksamkeit’. — 
Experimente mit Atropin und Pilokarpin, Studien über 
die Azidität, welche nicht als konstant angenommen 
wird. 


Buchbesprechungen. 


Klose, Dr. Erich, Privatdozent an der Univer- 
sität Greifswald: Die Seele des Kindes. 85 S. Stuttgart 
1920, Verlag Enke. 6,00 M. 

In sechs Vorträge gliedert Verf. seine Abhandlung. 
Er beginnt mit dem Erwachen des Seelen- 
lebens, dem sich ausführliche Erörterungen über die 
Sprachentwicklung anschließen. Dann bespricht 
er das Zeichnen (bei dem sich bekanntlich Analo- 
gien bei Geisteskranken und Naturvölkern finden. Ref.) 
und das Spiel der Kinder. Märchen und Phan- 
tasie, Lüge und Scheinlüge, nebst Bemerkun- 
gen über das Gemütsleben beenden das Buch. 

Die Darstellung ist überall klar und verständlich, 
Nebensächlichkeiten sind nicht erwähnt, so daß das 
Büchelchen seinen Zweck, Eltern und Erzieher in die 
geistige Entwicklung des Kindes einzuführen, durchaus 
erfüllen dürfte. Kürbitz, Sonnenstein. 


Therapeutisches. 


— Therapeutisches Vademekum. 16-17. Doppeliahr- 
gang. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummert 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 
Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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(Nr. ; Í 


In der seither bewährten und vielfach als prak 
anerkannten Form enthält das Therapeutische Va 
mekum, nach Indikationen geordnet, die Vorschläge 
Erfahrungen, die in den Jahren 1919 und 1920 au 
Gebiete der medikamentösen Therapie in der Lit A 
bekannt gegeben wurden. Da dabei sämtliche Liter 
stellen genau angegeben sind, so kann das Bücheld 
sowohl dem Praktiker als guter Wegweiser, wies 
dem ärztlich-wissenschaftlichen Arbeiter als zuyeri 
ger Quellennachweis dienen. Preis für die 144 4 
starke Ausgabe 1921 3,00 M. 


— Dionin bei Erkrankungen der oberen Luitw 
Von Dr. Hugo Binko. Wien. med. Wochenschr. I 
Kalzium-Dionin bei Rhinitis acuta. Von Dora 
F. Deutsch. Wien. med. Wochnschr. 1920 Nr. 


Dionin in der Laryngo-Rhinologie. Von Dozent! 
Karl Kofler. Wien. med. Wochenschr. 1920 Nri 

Das Dionin hat sich allen drei Autoren t 
sächlich bei der Behandlung des akuten Schnif 
bestens bewährt. Nach Binko wirkt das Dion 
durch, daß es die Reizbarkeit der peripheren Nem 
endigungen der Nasenschleimhaut vermindert, hi i 
seine vasokonstriktorische Wirkung die Sekretion ig 
schränkt, die Nasenatmung frei macht und damit 
Schnupfen schnell zum Abklingen bringt. Kofler4 
einen Hauptvorzug des Dionins darin, daß es Insi 
tionen, - Aufschnupfen, Einträufelungen, Inhalation 
Sprays, Wattetampons, Salbenbehandlung, die unbeqi | 
sind und Komplikationen veranlassen können, wmi 
macht. Bei den Frühsymptomen genommen, lät 1 
fast regelmäßig der Ausbruch des Schnupiens vet 
dern. Deutsch hatte bei Personen mit beso 
empfindlichen Nasenschleimhäuten und rear 
Schwäche der Nerven der Nasenschleimhaut, die 4 
auf einen Witterungswechsel mit einer Erkältung ® 
gieren, mit einer Kombination von Kalzium mit DM 
recht zufriedenstellende Resultate. Er schlägt folge | 
Dosierung vor: Calcium lacticum 3,0 bis 4,0, Dionin 4g 
Aq. 100,0, Sir. rub. Idaei 50,0; in einem Tag zu IE 
Birko und Kofler empfehlen das Dionin ferner Mg 
als hustenreizmilderndes und schmerzstillendes Mittel igi 
Laryngitis, spez. nach Grippe, Bronchitis acuta und 
acuta, Laryngospasmus, Keuchhusten und besonders 
Lungenphthise aller Stadien. Bink o leistete bei Æ 
tis folgende Verordnung gute Dienste: Guajacol i } 
bonic., Sacch. alb. ana 0,5, Dionin 0,02; drei Pulver‘ 
lich (für Erwachsene). Unangenehme Neben wirkiil 
wurden von keinem der Autoren beobachtet. 


— „Die Liga”, Mitteilungsblatt der „LE 
Schutze der deutschen Kultur”, Verlag der Kult 
Berlin W. 35, Lützowstraße 107, bringt Nr. 7-8 928 | 
Sonderheft: Die „Schuld am Weltkriege”, das U 
türe bestens empfohlen sei. Preis nur 1,20 M. 


Jreiundzwanzigster Jahrgang. Nr. 27/28. 1921/22. 


Psychiatrisch-Neurologische 
Wochenschrift. 


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| Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
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Psychiatrisch- Neurologische Wochenschrift 


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Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 
*Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
1, birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
f Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 


(Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 


San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 


Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 


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Nr. 27/28. 


| Bezugspreis: 
1 M 7,50 für das Vierteljahr, die 
Abonnementspreise für das Aus- 
land werden nach der vom Deut- 


| schen Buchhandel. vorgeschrie- 
benen Verkauisordnung für das 
| Ausland berechnet. Zu beziehen 
| durch jed. Buchhandlung, d. Post 
| u. unmittelbar vom Verlage. Er- 
scheint bis auf weiteres vier- 
| zehntägig in Doppelnummern. 


8. Oktober 


. Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 
Postscheck: Leipzig 32070. 


| 
| 
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| 
| | Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 
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| 
| 


Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, ` 
Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München. Prof. Nr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
1 mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 50 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 
laß gewährt. 


Marhold Verlag Hallesaale 


inhalt: Ausbildungs- und Prüfungsordnung für das Pflegepersonal der Heil- und Pflegeanstalten des Bezirks- 


verbandes des Regierungsbezirks Cassel. 


(S. 163.) — Zur Prognose der schweren Kohlenoxydpsy- 


hosen. Von Dr. Friedrich Heißen. (S. 165.) — Telepathie. Von Dr. K. Schmelzeis. (S. 170.) — Mitteilungen. 


- 3 N ec GA at LESA 
Ja E DE ze > a 9% Sd ie =. 


$ 1. Die Annahme von Eerie erfolgt 


durch die Direktoren der Anstalten nach Bedarf. 


Vor Vollendung des 20. und nach Vollendung des 


25 . Lebensjahres soll ein Lernpfleger nicht ange- 
Bommen werden. 
E § 2. Die Lernpfleger erhalten als Besoldung 
im ersten Jahr 50 v. H., im zweiten Jahr 60 v. H. 
' nd im dritten Jahr 65 v. H. des Anfangsgrundge- 
halts der Gruppe I des Besoldungsplans nach Maß- 
gabe der der Besoldungsordnung beigefügten Nach- 
Weisung der Dienstbezüge für die nichtplanmäßi- 
gen Beamten. 

$ 3. In ieder Anstalt finden jährlich in der 

keze während der Wintermonate Ausbildungs- 

kurse Statt, die von den Anstaltsärzten nach Aus- 
Wahl durch den Direktor abgehalten werden. Zur 
1 Teilnahme sind alle Lernpfleger verpflichtet. 
~ Die Zahl der Teilnehmer soll in der Regel 15 
picht überschreiten. 

-84. Der Ausbildung ist das Krankenpflegelehr- 
Buch des Preußischen Ministeriums des Innern und 
Ger Leitfaden für Irrenpfleger von Scholz zu- 


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(S. 172.) — Buchbesprechungen. (S. 172.) — Therapeutisches. (S: 173.) — 
| Ä nachrichten. 


Wirtschaftliches. (S. 174.) — Personal- 
(S. 174.) E | 


usbildungs- und Prüfungsordnung für das Pflegepersonal der Heil: und 
Pflegeanstaiten des Bezirksverbandes des Regierungsbezirks Cassel. 


grunde zu legen. Diese Bücher sind von den Lern- 
pflegern auf eigene Kosten zu beschaffen. 
§ 5. An' jeder Anstalt sind im Frühjahr nach 


Beendigung der Kurse nach Bedarf Prüfungen ab- 


zuhalten. 
§ 6. Zur Prüfung zugelassen werden nur sol 


che Lernpfleger; die in mindestens zwei Kursen 


teilgenommen: haben und nach Führung und Lei- 
stungen zum Pflegerberuf geeignet sind. 

Der Direktor entscheidet über die bei ihm unter 
Beifügung eines Schulabgangszeugnisses und eines 
selbstverfaßbten und geschriebenen Lebenslaufs ein- 
zureichenden Zulassungsgesuche. 

$ 7. Der Prüfungsausschuß besteht aus dem 
Anstaltsdirektor oder seinem Stellvertreter als 


Vorsitzendem, dem Kursleiter oder einem anderen 


Arzt der Anstalt und einem Arzt einer anderen 
Anstalt des Bezirksverbandes. 

§ 8. In einem Prüfungstermin sollen in der 
Regel nur acht Personen geprüft werden. 

$‘9. Die Prüfung ist eine mündliche und eine 
praktische und wird an zwei Tagen abgehalten. 


u. am 


164 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Sie erstreckt sich auf das Wesentlichste des in 
dem Ausbildungskursus behandelten Stoffes. 

$ 10. Der Vorsitzende ist berechtigt, eine be- 
schränkte Anzahl von Pflegern bzw. Hilfs- und 
Lernpflegern als Zuhörer bei der mündlichen Prü- 
fung zuzulassen. 

§ 11. Die mündliche Prüfung erstreckt sich 
auf folgende Gegenstände: 1. Bau und Verrichtun- 
gen des menschlichen Körpers. 2. Allgemeine 
Lehre von den Erkrankungen und ihren Erschei- 
nungen, besonders Fieber und Puls, Ansteckung, 
Wundkrankheiten, Asepsis und Antisepsis. 3. Ein- 
richtungen von Krankenräumen; den Anforderun- 
gen der Gesundheitslehre entsprechende Herrich- 
tungen und Ausstattung des Krankenzimmers, Lüf- 


tung, Beleuchtung, Heizung, Wasserversorgung, - 


Beseitigung der Abgänge. 4. Die Krankenwartung; 
insbesondere Reinlichkeitspflege, Versorgung mit 
Wäsche, Lagerung und Umbetten der Kranken, 
Krankenbeförderung, Badepflege. 5. Krankener- 
nährung: Zubereitung und Darreichung der ge- 
wöhnlichen Krankenspeisen und Getränke. 6. Kran- 
kenbeobachtung: Krankenbericht an den Arzt, Aus- 


führung ärztlicher Verordnungen. 7. Hilfeleistung. 


bei der Krankenuntersuchung und Behandlung, 
namentlich der Wundbehandlung; Lagerung und 
Versorgung verletzter Glieder, Notverband; Hilfe- 
leistungen bei Operationen sowie bei der Betäu- 
bung, Vorbereitung des Verbandsmaterials und der 
Instrumente. 8. Hilfeleistungen bei Krankheitser- 
scheinungen verschiedener Art; bei Unglücksfällen 
(Blutstillung, künstliche Atmung) und Vereiftun- 
gen. Grenzen der Hilfeleistungen. 9. Pflege bei 
übertragbaren Krankheiten, Verhütung der Über- 
tragung von Krankheitskeimen auf den Kranken, 
das Pflegepersonal und andere Personen. Desin- 
fektionslehre. 10. Pflege Sterbender. Zeichen des 
eingetretenen Todes. Behandlung der Leiche. 11. 
Gesetzliche und sonstige Bestimmungen, soweit sie 
die Krankenpflegetätigkeit berühren. 12. Verpflich- 
tungen des Krankenpflegepersonals in bezug auf 


‘allgemeines Verhalten, namentlich Benehmen ge- 


genüber den Kranken und deren Angehörigen, so- 
wie gegenüber den Ärzten, Geistlichen und Mit- 
pflegern; Berücksichtigung des Seelenzustandes 
des Kranken; Verschwiegenheit. 13. die wichtig- 
sten Grundsätze der Wochen- und Säuglingspflege 
(für Schülerinnen). 14. Pflege Geisteskranker: 
a) Die Kennzeichen der Geistesstörungen. b) Die 
Irrenanstalt. c) Der Umgang mit Geisteskranken. 
d) Die Pflege und Beobachtung Geisteskranker: die 
Verbringung des Kranken in die Anstalt: der 
Eintritt des Kranken in die Anstalt: Beobach- 
tung des Kranken; die Pflege der unsauberen und 


[Nr. 27% 
unordentlichen Kranken; die Pflege der Bi 
Gelähmten und Epileptischen; die Pflege der» 
ruhigen und gewalttätigen Geisteskranken: df 
Anfassen aufgeregter Kranker; Beköstigung wi 
Nahrungsverweigerung; arbeitende Kranke: SE 
mord; Entweichung; Feuersgefahr. 

$ 12. Nach Beendigung der mündlichen Priiw® 
wird dem Prüfling ein Kranker für eine zusamm& 
hängende Zeit von 24 Stunden zur Beobact 
übergeben. Er hat hierüber einen mündlichen uf 
schriftlichen Bericht zu erstatten. 


§ 13. Nach einer angemessenen Ruhepause WE 
in die praktische Prüfung eingetreten. Hin 
haben die Prüflinge ihre Kenntnisse in der et 
Hilfeleistung und in der Hilfeleistung bei Operai 
nen, bei der Betäubung, bei der Ausführung å 
licher Vorschriften, in der Badepflege und Da 
fektion praktisch zu erweisen. 

§ 14. Die Gegenstände und das Ergebnis i 
Prüfung werden für jeden Prüfling besonder 
einer Niederschrift vermerkt, die von den Mitti 
dern des Prüfungsausschusses zu unterzeichnen 

$ 15. Der Prüfungsausschuß entscheidet in e 
besonderen Sitzung mit Stimmenmehrheit über 
Ergebnis der Prüfung durch Erteilung der NE 
sehr gut, gut, genügend, nicht bestanden. Al 
Leistungen während der Lernzeit ist Rücksici 
nehmen. 3 
§ 16. Nach Abschluß der Prüfung werden Wg 
den Vorsitzenden die Prüfungsverhandlungen 1 
die Vorschläge des Prüfungsausschusses dem 
Geshauptmann vorgelegt. | 

$ 17. Denienigen Prüflingen, die best 
haben, wird vom Landeshauptmann hierüber! 
Zeugnis erteilt. | 

$ 18. Die Anerkennung auf Grund entspre 1 
der Vorschriften erteilter Zeugnisse anderer ! | 
vinzen oder deutscher Staaten bleibt für denig 
der Gegenseitigkeit vorbehalten. | 

$ 19. Nach bestandener Prüfung wird der L 
pfleger, sobald er mindestens drei Jahre als sok | 
tätig gewesen ist, zum Hilfspfleger ernannt ® 
nach der Nachweisung der Dienstbezüge ig 
nichtplanmäßigen Beamten besoldet. | 

S 20. Im Falle des Nichtbestehens kant 0 | 
Prüfung einmal, nach einem Jahr, wieder | 
werden. | 

S 21. Wer vier Jahre nach Eintritt als LẸ 
ofleger die Prüfung nicht bestanden hat, mu FE 
ee: | 


$ 22. Jeder Hilispileger ist verpflichtet, I 
halb von fünf Jahren nach bestandener Prüfun? 


einem Fortbildungskurs teilnehmen. 


1921] 


Dieser Kurs 
"behandelt, neben der Fortbildung in der Kranken- 
pflege, Beamtenrecht, Verwaltungstechnik, Beleh- 


rung über soziale Fürsorgeeinrichtungen und der- 
gleichen. 


§ 23. Die vorstehenden Bestimmungen finden 


"mit den durch die Besoldungsordnung gebotenen 
"Abweichungen 
-Lernpflegerinnen mit der Maßgabe, daß die An- 
nahme derselben schon nach vollendetem 18. Jahre 


entsprechende Anwendung auf 


(erfolgen kann. 


§ 24. Diese Prüfungsordnung tritt am 1. April 


192 l in Kraft. 


§ 25. Der Landeshauptmann wird ermächtigt, 


für die Zeit bis zum 1. April 1924 erleichterte Über- 
gangsbestimmungen zu erlassen. 


% 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 165 


Anm. d.R ed. Wir beglückwünschen die hessi- 
schen Anstalten zu diesem Fortschritt. Hier steht 


ecin Markstein deutscher Irrenpflege. 


Je schwieriger, es in so manchen Dingen ist, die 
Irrenpflege nicht nur auf den Stand wie vor dem 
Kriege, sondern weiter vorwärts zu bringen, um so 
dringender ist es, wenigstens — und doch ist es 
das Höchste —, zunächst den Geist der Irren- 
pflege durch vertieftes Verstehen ihres Sinns und 
Ziels neu zu beleben, den Beruf zu verinnerlichen. 

Nur wer die Erhabenheit des Irren- 
pilegeberufs erfaßt und empfunden hat — 
— aber dazu ist Unterricht unentbehrlich —, der 
wird in ihm mehr als Broterwerb sehen na be- 
treiben. 

Möchten recht viele Anstalten dem guten Bei- 
spiel folgen! Bresler. 


Aus der Lazarettabteilung der psychiatrischen Klinik Rostock-Gehlheim (Direktor: 


Prof. Kleist). | 


Zur Prognose der schweren Kohlenoxydpsychosen. 


Von Dr. 


E in in der hiesigen psychiatrischen Klinik beob- 


"nachfolgender 


achteter Fall von Kohlenoxydvergiftung mit 
schwerer Psychose gab uns 


- Veranlassung zum genaueren Studium der Litera- 
tur hinsichtlich der Prognose dieser Geistesstörung. 
- Nach der Literatur ist die Prognose im allgemeinen 
als recht ungünstig zu bezeichnen, wenigstens nach 


den Mitteilungen von Sibelius. 


Und nach der 


Beobachtung der ersten zwei Jahre schien auch 
der .Krankheitsverlauf unseres Falles ein äußerst 


-infauster zu sein. 


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Nun’ trat aber’ gerade im Ver- 
laufe des dritten Jahres wider Erwarten eine ganz 
erhebliche Besserung ein, und diese unerwartete 
Wendung zum Guten veranlaßte uns zur Veröffent- 
lichung des Krankheitsverlaufes. 


Nach Sibelius unterscheiden wir zwei große 
Gruppen der Kohlenoxydpsychosen: 


1. Die intervalläre, bei welcher es nach schein- 
barer anfänglicher Genesung zur allmählichen 
Entwicklung der Psychose kommt; 

2. die nicht intervalläre. Bei der letzteren 
schließt sich (die psychische Erkrankung un- 
mittelbar an die Vergiftung an. 

Hinsichtlich der klinischen Erscheinungen der 


Schweren Psychosen, 'mit denen wir uns hier 


' näher beschäftigen wollen, bestehen keine nennens- 
_ werten Unterschiede 
; Hauptgruppen, 


zwischen diesen beiden 
sondern der amnestische Sym- 


ptomenkomplex, die Urteilsschwäche und Affekt- 


Friedrich Heißen. 


leere steht bei beiden im Vordererande des Krank- 
heitsbildes. Anders verhält es sich nach Sibe- 


lius mit der Prognose, die er für die intervallären 


Formen als durchaus infaust bezeichnet, insofern 
die Krankheit unter progressiver Verschlimmerung 
konstant zum Tode führt. Dagegen sollen die 


nicht intervallären „schweren Demenzen” stationär. 


und nicht besserungsfähig sein, quoad vitam also 
relativ günstig, an sanationem jedoch infaust 
sein. 


Was die Boncdan und die somit quoad vitani 


völlig ungünstige Prognose der schweren inter- 
vallären Psychosen angeht, so konnte die An- 
nahme von Sibelius in der Literatur der letz- 


ten zehn Jahre durch zwei Fälle bestätigt werden. 


Einen Fall beschrieb Quensel, den zweiten 
Connel und Spiller. Anders jedoch verhält 
es sich mit der Prognose der Psychosen der nicht- 
intervallären Form, die nach Sibelius stationär 
sind und keine Besserungstendenz zeigen. Diese 
Annahme des Autors fand sich in der neueren Lite- 
ratur nicht bestätigt. Quensel und Levin 
haben je eine schwere Psychose dieser Art be= 
schrieben, die eine weitgehende Besserung erfuhr, 
und dasselbe gilt von unserem Fall, der auch in 
diese Gruppe gehört. 


Beobachtung. 


Der jetzt 24jährige Patient war vor dem 


Kriege gesund. Keine nervöse Belastung. W. be- a 


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166 


suchte die Realschule, die er mit dem Einjährigen- 
zeugnis verließ. Seine Schulleistungen waren mit- 
telmäßig. Vor seiner Einberufung als Bankbeamter 
tätig; konnte gut fertige werden. Mai 1915 einge- 
zogen; seit September 1915 an der Front. Mai 
1917 durch eine in den Unterstand einschlagende 
Granate verschüttet und besinnungslos auf den 
Truppenverbandplatz gebracht. Über die Dauer 
der Bewußtlosigkeit bestehen keinen näheren An- 
gaben. Er kam ins Feldlazarett und von. dort 
nach viertägigem Aufenthalt in eine Korpsnerven- 
station. Von seinem Befinden im Feldlazarett 
wissen wir nur, daß er über heftige Kopfschmer- 
zen klagte; eine Konjiunktivitis und Zyanose be- 
' stand nicht. Genauere Daten und Untersuchungs- 
ergebnisse finden sich in dem Krankenblatt der 
genannten Nervenstation. Wir lassen einen Aus- 
zug aus ihnen folgen: 

Die körperliche Untersuchung ergibt keinen be- 
sonderen Befund, vor allem fehlt jede äußere Ver- 
letzung. 

Psychischer Befund: ber Patient macht einen 
müden, fast etwas benommenen Eindruck, ist nicht 
über Ort und Zeit orientiert, auch nicht über seine 
Person. Schwer besinnlich. Auffallende Ent- 
schlußunfähigkeit; liegt still im Bett, schläft fast 
ununterbrochen. Appetit gut; auch Verdauung in 
Ordnung. 

30. Mai. Der Merkversuch nach Ziehen mit 
neun Reiz- und Reaktionsworten ergibt, daß W. 
- nach 50 Wiederholingen nur vier Reaktionsworte 

behalten hat. Nach 24 Stunden hat er auch diese 


vergessen. 
l. Juni. Pat. schreibt Briefe an seine Ange- 
hörigen; trotzdem gibt er an, nichts mehr von 


den Briefen bzw. der Tatsache, geschrieben zu 
haben, zu wissen. Macht den Eindruck der Gei- 
stesabwesenheit. Wenn er angesprochen wird, 
sieht er aus, „als ob er erst zu sich komme und da- 
durch in die Wirklichkeit versetzt würde”. 


6. Juni. Zeitlich und örtlich sehr mangelhaft 
orientiert, fragt am Tage sehr oft, wo sein Saal 
ei, findet den Rückweg aus dem Garten nicht, 
weiß nicht, wo sein Bett steht. Betrachtet alle 
Vorgänge um sich voll Erstaunen. 


13. Juni. Schreibt doppelt und dreifach Briefe 
an. dieselbe Adresse, bisweilen „zur Sicherheit”, 
da er nicht wisse, ob er schon geschrieben habe. 
Ein mit ihm in demselben Saal befindlicher Kran- 
ker gibt an, daß W. zehn- bis zwölfmal dasselbe 
frage und erzähle. 


15. Juni. Rechenaufgaben aus dem kleinen Fin- 
maleins werden prompt gelöst: sobald er jedoch 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚bung findet er sich ohne Schwierigkeiten zurecht 


- suchenden Ärzte erkennt er, wenn er sie Öff 


(Nr. 2 


mit vierstelligen Zahlen operieren soll, vergl | 
eine von ihnen oder beide. | 
Über persönliche Verhältnisse und Erinnern A 
gen, weiter über die frühere Umgebung nur mi 
Teil orientiert. Seine jetzige Adresse weiß er d | 
aus dem Kopf. Den Sinn vorgehaltener Bii 
kann er gut erklären, aber nicht nacherzählen, ® 
Am 5. August 1918 wurde W. in die Lazari 
abteilung der psychiatrischen Klinik Gehlshei 
Rostock aufgenommen. 3 
Die Körperliche Untersuchung ergibt eini 
durchaus normalen Befund. E 
Psychische Untersuchung: Einfache Rech 
aufgaben werden ohne Schwierigkeiten gelöst. $ 
Prüfung der Merkfähigkeit nach Ziehen: 4% 
ee a f 
Nachsprechen von Ziffern: 973 856 = +; NE 
e p 
Aufgabe vergessen, kann sich nicht mehr € 
innern, welcher Art die Aufgabe gewesen ist, a 
nicht mit Unterstützung. i 
Die optische Merkfähigkeit ist, ebenso wie i 
akustische, stark gestört. Von neun vorgelegt 
Figuren, die er sich in drei Minuten einpri® 
sollte, werden nach kurzer Pause nur vier wie 
erkannt. i: 
Von zehn Wortpaaren, die ihm langsam vong 
lesen werden, behält W. zu den ersten vier Haw 
worten das genannte Eigenschaftswort, die übrig 
werden falsch angegeben. Eine einfache Zeitufg 
notiz hat er nach kurzer Zeit völlig vergesse 
In seiner Heimatstadt Rostock und deren Une 


sie ihm von früher bekannt ist. Neues vermag 
nicht zu behalten. ‘Innerhalb des Anstaltsbereiii 
weiß er sich nicht nach seiner Station zuri | 
zufinden; im Hause findet er anfangs sein Zimm 
nicht wieder. In der Unterhaltung vergibt € | 
immer wieder, was er erzählt hat; vieles el 
er mehrere Male. Seine Kameraden und ihn X 


gesehen hat, wieder; die Namen behält er nici 
Die Stimmung ist im ganzen etwas stumpf. Es W 
steht Krankheitseinsicht und Wunsch nach Beeg 
rung. 

15. Januar. Kann nähere Umstände über wi 
Hergang der Verschüttung nicht angeben, wel 
auch über die Zeit kurz vorher nichts auszusaf 
Örtlich und zeitlich jetzt orientiert. 

Das Ziehensche Fünfeck vermag er als wg 
Gedächtnis nicht nachzuzeichnen. 

Eine einfachere aus sechs Steinen zusamm#f 
gelegte Figur kann, nach 4 Sekunden Expositiif 
überhaupt nicht ausgeführt werden. 


Seit dem 2. November war W. in dem Geschäft 
seines Vaters (Molkerei) tätig und wurde ambulant 
“weiter behandelt. | 
© 21. Februar. Regt. sich leicht auf, kann nur 
wenige Zeilen mit Verständnis lesen, Inhalt der- 
"selben sofort wieder vergessen. Der Ziehen- 
sche Merkfähigkeitsversuch ergibt. wieder ein 
negatives Resultat. | 
- Drei Aufträge werden richtig ausgeführt. 
f Eine kurze Geschichte kann inhaltlich nicht 
Fwiedergegeben werden. Er konfabuliert 
andeutungsweise. | 
- 12. März. Aus der Behandlung entlassen mit 
F100 v. H. E.V. 
© Nach seiner Entlassung war W. weiter in dem 
© Geschäft seines Vaters, in dem ungefähr 40 Ange- 
‚stellte beschäftigt sind, tätig. Anfangs konnte er 
fegar nicht fertig werden. Der Vater sagte, er habe 
“damals mehr im Wege gestanden, als genützt. Er 
“wiederholte sich beständig in der Erteilung von 
"Aufträgen, so daß manchmal die Aufträge von ver- 


“den. Dann diktierte er Briefe gleichen Inhalts an 
3 inem Vormittage zwei- bis dreimal, und in den 
3 Sriefen selbst wiederholte er sich häufig. Auch 

die Milchpreise warf er immerfort durcheinander. 
IR: seiner Umgebung war damals seine Vergeb- 


à urde: So forderten Knaben, die für ihn Zigaretten 
holen sollten, zwei- bis dreimal Geld von ihm, ohne 
$ diese ihm auszuhändigen, bis schließlich von seinen 
Eltern die Betrügereien entdeckt wurden. Kurz 
E fnach seiner Entlassung. war W. zur Kur sechs 
ochen in einem Hamburger Erholungsheim. Hier 
a fand er anfangs nie sein- Bett und auch nicht den 
| 'eg zur Toilette. Auch seinen Platz bei Tisch 
@verwechselte er fast immer, obschon er nur mit 


2 
E 
D aS 


Fdurfte er das Haus nicht verlassen, weil er sich 
Sonst verlief. 


Im letzten Vierteljahr ist nun nach seinen 


heblich besser geworden. Sein Vater gibt an, daß 
er sich im Geschäft ganz nützlich mache. Vor 


| ganz selbständig. Nach Kontrollierungen durch 
|? fden Vater treten die Wiederholungen in den Brie- 
fen kaum noch auf. Es beruht dies in der Haupt- 
es Sache darauf, daß W. sehr vorsichtig, ja geradezu 
Smißtrauisch geworden ist und die Briefe ständig 
auf etwaige Wiederholungen prüft. Bei der Ab- 
| Essung derselben muß er sich nach eigenen An- 
gaben sehr -konzentrieren, denn er weiß, daß er bei 
fer geringsten Ablenkung Gefahr läuft, sich zu 


schiedenen Angestellten mehrfach ausgeführt wur- . 


Hlichkeit so bekannt, daß sie böswillig ausgenützt 


{Zwei Patienten zu Mittag aß. Ohne Begleitung 


j eigenen und der Eltern Angaben sein Zustand er- 


allem erledigt er die umfangreiche Korrespondenz 


1921] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 167 


wiederholen, was auch jetzt noch häufig der Fall 


ist, wenn er gestört wird. Auf jeden Brief, den er 
beantwortet hat, macht er ein Zeichen, um der 
Möglichkeit, ihn noch einmal zu diktieren, vorzu- 
beugen. Auch über andere Angelegenheiten des 
Geschäfts führt er durch diese Notizen eine stän- 
dige Kontrolle, und er hat es in richtiger Erkennt- 
nis seiner psychischen Störung so weit gebracht, 


. daß er im Geschäft jetzt ganz Ersprießliches leistet. 


Durch die Erfahrung belehrt, beugt er gleichsam 
den Streichen vor, die ihm sonst seine Erinnerungs- 
schwäche spielen würde. Aber auch in der Unter- 
haltung wiederholt sich W. nach Angabe der An- 
gehörigen nicht mehr so oft wie früher. 

. Für manche Seiten des Lebens hat W. viel 
weniger Interesse als früher. Er neigt sehr zur 
Einsamkeit, wenn er auch vor dem Unfall nicht 
auffallend gesellig war. Die Zeitung liest er kaum, 
seine im hohen Maße früher vorhandene Reiselust 
ist völlig geschwunden. Dem anderen Geschlecht 
gegenüber verhält er sich recht passiv. Er inter- 
essiert sich nur für Dinge, die in irgendeiner Be- 
ziehung zum Geschäft stehen. Bei seiner DBeschäf- 
tigung wird er leicht erregt, wenn nicht alles nach 
seinem Wunsche geht. Früher sei das auch der- 
Fall gewesen, doch bei weitem nicht in so hohem 
Maße wie jetzt und auch nicht bei so geringfügigen 
Anlässen. Auch der Vater berichtet über diese er- 
höhte Reizbarkeit, die oft solche Grade erreiche, 
daß sein Sohn mit beiden Händen auf den Tisch 
schlage und sich für Momente völlig vergäße. ` Da- 
bei habe er einen hochroten Kopf und zittere 
manchmal am ganzen Leibe. Hinterher sei er ge- 
wöhnlich niedergeschlagen darüber. 


Untersuchungsbefund 
am 18. Oktober 1919. 

À. Körperlicher Befund. 

Die körperliche Untersuchung ergibt wiederum 
ein durchaus normales Resultat. ns 

B. Psychischer Befund. 

W. macht einen völlig geordneten Eindrück. In 
seinem äußeren Verhalten ist er zuvorkommend 
und liebenswürdig, insbesondere ist im oberfläch- 
lichen kurzen Verkehr keine Störung des Affekt- 
lebens zu bemerken. 

Intelligenzprüfung: el, und Auffas- 
sungsvermögen: 


a) Akustische Merkfähigkeit: 


Sieben im Rhythmus gesprochene Zahlen wer- 
den bei sofortiger Reproduktion prompt wieder- 
holt, auch nach einer Minute Ablenkung vermag er 
fünfstellige Zahlen zu reproduzieren; bei Ablen- 
kung von einer Minute versagt er. 


u 


i ee k Ee pes TE RE re une 
a EB a A u 


A 3 
Fu en ~ x . X $ $ k 
H BEE ar Za N u ee E 
P) yan mN is CAA ae E a : i 
» d } Sa 4 E © 


Etwa 30 silbige Sätze werden gut reproduziert. 

Eine Aufgabe aus dem kleinen Einmaleins wird 
nach Ablenkung behalten. 

Fünf Zahlen werden rückläufig fließend wieder- 
holt. 

Von den neun schon im ersten Lazarett benutz- 


ten Wortpaaren werden die Reaktionsworte sämt- 


lich bei sofortiger Prüfung behalten; nach 10 Min. 
werden nur noch sechs reprodüziert, nach -einer 
halben Stunde ebensoviele.. Nach 24 Stunden hat 
er noch ein Reaktionswort behalten. 
Reproduktion von vorgelesenen Erzählungen: 
Kurze Fabeln von Aesop werden inhaltlich und for- 
mell gut nacherzählt.e Nach Ablenkung von einer 


halben Stunde weiß er von drei Fabeln jedoch 


keine einzige mehr, auch mit Unterstützung nicht. 
Bei der Wiedergabe längerer Erzählungen, die 


mehrere Ereignisse umfassen, tritt die Störung der 


Merkfähigkeit besonders hervor, und sie ist der- 
art, daß er nicht einmal über den Sinn des Vor- 
gelesenen orientiert ist. Als Vorlagen wurden Zei- 
tungsnotizen kriminellen Inhaltes benutzt, von 
denen die erste 12 dieser Zeilen umfaßte, die zweite 


25. Hierbei treten auch deutliche Konfabu- 
-lationen auf. Noch mehr tritt der Merkfähig- 


keitsdefekt hervor, wenn Anforderungen an das 
logisch-abstrakte Denken gestellt werden. Hier 
versagt er schon bei der Wiedergabe ganz kurzer 
Ihemata. Es wurden Auszüge aus Schopenhauers 
Aphorismen genommen, von denen der erste acht, 
der zweite zwölf Zeilen umfaßte. Nach dem Vor- 
lesen des zweiten Auszuges war er nicht einmal 
über dessen Inhalt orientiert. Bei nochmaliger 
Wiederholung traten Dane Konfabula- 
tionen auf. 


b) Optische Merkfähigkeit: 

Neun Figuren werden 30 Sek. exponiert. Nach 
10 Sek. Pause werden sieben aus der Tafel mit 
25 Figuren wiedererkannt. 


Von ‚sieben photographischen Aufnahmen, die 


15 Sek. exponiert werden, erkennt er 6 aus 20 wie- 
der, nach einer halben Stunde vermag er nur noch 
vier richtig zu bezeichnen. Nach 24 Stunden nur 
noch eine, und auch diese noch zögernd. 

Das Ziehensche Fünfeck wird nach 15 Sek. 
Exposition und einer ebensolangen Pause richtig 
nachgezeichnet. | 

Figuren aus sechs Steinen werden nach Expo- 
sition von 15 Sek. sofort richtig angelegt. Bei sol- 
chen aus zehn Steinen werden die. ersten fünf bis 
-sechs Steine richtig gelegt, die übrigen nur mit 
Unterstützung. 

Bei der Aufzählung von Gegenständen des 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT (Nr. 2 


"langer Betrachtung, unter 14 anderen Farben 


‚schen Merkfähigkeit hervor, wenn es sich ım 


der Handlung, insbesondere die ihm zugrund 


Zimmers mit eöesenen Augen findet T 
erhebliche Störung. 
Fünf verschiedene Farben werden nach i54 


mischt, richtig wiedererkannt. | 
Besonders deutlich tritt die Störung der 


Wiedergabe längerer optischer Reihen handelt 
z. B. im Kino. Von zwei Schauspielen wul 
am Ende des ersten nur, daß dieses ganz lustig 
wesen sei; auch vereinzelte Situationen waren 
gegenwärtig, den Überblick über den Gesamt 
und den organischen Zusammenhang des Stii 
hatte er vollkommen verloren. Nach dem zw 
Stücke wußte er von diesem nur, daß es si 
revolutionäre Vorgänge gehandelt habe. Ders 


gende Idee, war ihm gar nicht klar geworden! 
die Erinnerung an einzelne Ereignisse ward 
Unterstützung noch wachzurufen.: Von M 
Schauspielen hatte er beim Verlassen des Hi 
die Überschrift vergessen. Am nächsten 1 
sagte er auf Befragen: „War es nicht in Rubu 
(Ort der Handlung des letzten Stückes). Ni 
fiel ihm nicht ein. 

c) Taktile Merkfähigkeit: 4 
Neun Gegenstände werden ihm bei ver 
senen Augen in die Hände ‚gegeben und bei 
Aus 20 Gegenständen erkennt er sie ohne S% 
rigkeiten tastend sofort wieder, auch nach A 
einer halben Stunde, während der er abg 
war. Nach 24 Stunden ergibt die Prüfung eine 

negatives Resultat. 
Gedächtnisbesitz: 3 
Auf diesem Gebiet sind keinerlei 'Stötl 
nachweisbar. E 
Schul-, Berufs- und Lebenswissen ist WE 
Bildungsgrade entsprechend. j 
Er ist imstande, Musikstücke vom Blatt “g 
spielen. Es ist ihm aber öfter passiert, dab j | 
selben Stücke mehreremale hintereinander # 
ohne es zu merken. Ohne Noten hat er auch i 
nicht spielen können. 
Erweckbarkeit der Vorstellungen: Die pii 
ergibt einen durchaus normalen Befund. 
Die Aufmerksamkeit ist gut. m 
Kombination und Urteilsvermögen zesp 
krankhaften Veränderungen. | 
Rechenleistung normal. 
Leistungsfähigkeit (Ermüdung): Entsptt# 
seiner täglichen, eifrigen Tätigkeit voll mot i 
8°/» bis abends 7 Uhr, die nur durch Einnam | 
Mahlzeiten unterbrochen wird, ist auch das EI 


Minis der Prüfung (Punktversuch, Rechentabellenver- 
A E ein recht gutes. 

Hinsichtlich der Orientierung über Ort und Zeit 
findet sich noch ein der Merkfähigkeitsstörung ent- 
Spr echender Ausfall. Denn sein mangelhaftes 
orientierungsvermögen tritt nur dann in Erschei- 
nung, wenn erhöhte Ansprüche gestellt werden. 
im Moment ist W. immer über Ort und Zeit gut 
orientiert, so daß im kurzen Verkehr diese Störun- 
iggen gar nicht offenbar werden. Erst bei näherer 
n Exploration fällt sein Unvermögen auf, seine mehr 
Moder weniger weit zurückliegende Tätigkeit und 
Erlebnisse zeitlich unterzubringen, wie auch der 
mMangel seiner topographischen Orientierungsfähig- 


Be I 
4 
U 
er A 


Ä dent wird. So weiß er z. B. wohl, daß er vor einer 
W Woche mit seinem Vater in Berlin war, aber den 
i Wochentag vermag er nicht anzugeben. Daß seine 
a Schwester vor einiger Zeit geboren habe, weiß er, 
{edoch kann er nicht sagen, ob es vor 14 Tagen 
oder drei Wochen war. 


hetzige er Befund (12. Juni 1920): 


] Eine Nachuntersuchung am 12. Juni 1920, also 
E acht Monate später, ergab eine weitere Besserung, 


ha 
H 
M 


i Stätigt wurde. -Nach den Mitteilungen seiner An- 
wsehörigen regt W. sich nicht mehr so leicht auf wie 
irüher und die Erregung erreicht auch nicht mehr 
' solche Grade. Auch ist er etwas geselliger gewor- 
dien er spielt Tennis, besucht häufiger und mit 
nd besserem Verständnis das Theater und hat Inter- 
@esse für die politischen Ereignisse, besonders was 
| das Wirtschafts- und Geschäftsleben angeht. In 
#seinem Beruf macht er sich weiter ganz nützlich. 
Objektiv ließ sich vor allem eine Besserung 
[seiner amnestischen Störungen nachweisen, 
Tern als die Reproduktion derselben Themata kon- 
Fxreten als auch abstrakten Inhaltes, wie wir sie bei 
| Re: ersten Prüfung benutzt hatten, jetzt eine we- 
f sentlich bessere war, soweit es sich um die ersten 
urzen Beispiele handelte. Bei der Wiedergabe 
‚der längeren Themata trat die amnestische Stö- 
tung jedoch noch ziemlich deutlich hervor. 

= Rekapitulieren wir kurz den Krankheitsverlauf, 
so finden wir, daß es sich nach der Beobachtung 
im ersten Lazarett um einen amnestischen Sym- 
ptomenkomplex ohne Konfabulation handelte. Wei- 
‚ter bestand eine Desorientierung über Zeit, Ort und 
Person- Die Stimmung war ziemlich stumpf und 
es bestand keinerlei Neigung zu irgendwelcher Be- 
tätigung. Die Auffassung war verlangsamt und die 
k edankentätigkeit erschwert. 

Bei Aufnahme in die. hiesige Klinik waren die 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


W keit erst nach Einwirkung mehrerer Eindrücke evi- 


i die auch von dem Patienten und seinen Eltern be- - 


inso- - 


 hebliche Besserung der geistigen Regsamkeit. 


169 


amnestischen Störungen schon weniger ausgespro- 
chen, vor allem auch der Mangel an affektiver Reg- 


samkeit und die Beeinträchtigung seines Auffas- 


sungsvermögens. 
Die Untersuchung nach wen und drei 


-Jahren ergibt nun eine ganz erhebliche Besserung: 


Die akustische Merkfähigkeit im engsten Sinne des 
Wortes (im Gegensatz zum Erinnerungsvermögen 
an Ereignisse und Eindrücke der jüngeren Vergan- 
genheit) ist kaum noch gestört. Deutlich ist jedoch 
noch der Ausfall der Erinnerungskraft für Ein- 
drücke der jüngsten Vergangenheit, und zwar tritt 
dieser besonders bei der Wiedergabe längerer Er- 
zählungen konkreten Inhaltes hervor, dann aber 
auch schon bei weniger umfangreichen Reproduk- 
tionen, wo Anforderungen an das logisch-abstrakte 
Denken gestellt werden. Hierbei zeigt sich auch 
noch eine leichte Störung der Auffassung, die im 
übrigen intakt ist. Auf optischem Gebiete findet 
sich eine analoge amnestische Störung insofern, als 
Gesichtseindrücke, die sich auf einen längeren Zeit- 
raum erstrecken, nicht verwertet werden können, 
während die Merkfähigkeit unmittelbar nach Ein- 
wirkung des Eindruckes annähernd normal ist. Den 
amnestischen Störungen entspricht das noch man- 
gelhafte Orientierungsvermögen, das sich auf die 


jüngere Vergangenheit erstreckt, während es für- 


die unmittelbare Gegenwart intakt ist. 

Geradezu in die Augen springend ist nun aber 
die Zunahme seiner Leistungsfähigrkeit, die sich 
durch die Besserung der amnestischen Störung 
allein nicht erklären läßt. Wir wiesen darauf hin, 
daß W. bei seiner Tätigkeit im Geschäft seine Er- 


innerungsschwäche durch eine beständige Kontrolle 


seradezu umgeht, indem er sich alles, was er er- 


ledigt hat, genau notiert, um etwaigen Wieder- 


holungen vorzubeugen. Weiter sahen wir, daß er 
nur durch angestrengte einseitige Konzentration 
geordnete Briefe abzufassen vermag. Und gerade 
in diesem eifrigen Bestreben, seine Leistungsfähig- 
keit zu steigern, und in der einseitigen erfolgreichen 
Konzentration, die einen besonderen Aufwand psy- 
chischer Energie erfordert, zeigt sich nun eine er- 
In 
dem ersten Krankenblatt wurde noch auf die große 
Entschlußunfähigkeit und die Abneigung zu irgend- 
welcher Betätigung hingewiesen. W. machte einen 
stumpfen, wenig anspruchsfähigen Eindruck. Auch 
in der hiesigen Klinik fiel seine geringe affektive 
Regsamkeit noch sehr auf. Jetzt aber ist er den 
ganzen Tag von morgens 8t/s bis abends 7 Uhr 
mit Eifer tätig, von dem lebhaften Wunsch erfüllt, 
sich recht nützlich zu machen. 

Andererseits geht aus der Einseitigkeit seiner 


170 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Interessen und der damit verbundenen Einengung 


der Tätigkeit hervor, daß das Affektleben noch 


- krankhaft verändert ist, denn für die allgemeinen 


Seiten des Lebens resultiert notwendigerweise ein 
Defizit. Und so sahen wir denn, daß er noch vor 
einem halben Jahre für die politischen Ereignisse, 
für Geselligkeit, für das weibliche Geschlecht gar 
kein besonderes Interesse zeigte, Störungen, die 


‚sich aber gerade in der letzten Zeit wesentlich 


besserten. Die früher in hohem Maße vorhan- 
dene Reiselust fehlt noch jetzt. Dann treten manch- 
mal auf geringe äußere Veranlassungen hin Erre- 
gungszustände auf, wenn seine auf das Geschäfts- 
leben eingestellte Psyche auf Hindernisse stößt. 
Aber nur auf diesem Gebiete reagiert er in erhöh- 
tem Maße, auffallend gering jedoch auf andere 
Reize, die nicht in diesen Ideenkreis fallen. 
essant ist das späte Auftreten von gelegentlichen 
Konfabulationen, das im Sinne Seelerts aui 
eine Besserung der affektiven Regsamkeit zurück- 
geführt werden könnte. 


Kurz zusammenfassend läßt sich sagen, daß die 


Störungen. des Affektlebens sich erheblich zurück- 
gebildet haben, daneben aber auch die Beeinträch- 


tigung der Merkfähigkeit und des Orientierungs- 
 vermögens. 


Aus der Besserung aller drei Sym- 
ptome resultiert die Zunahme seiner Leistungs- 
fähigkeit. 

Daß es sich bei dem geschilderten Krankheits- 
bild um eine Kohlenoxydpsychose handelt, kann 


. keinem Zweifel unterliegen, denn nach den Erkun- 


digungen, die W. selbst bei seinem Regimentsarzt 
eingeholt hat, ist er mit noch zwei anderen Kame- 
raden durch eine in den Unterstand einschlagende 
Granate verschüttet worden. Der Regimentsarzt 
nimmt als Todesursache Kohlenoxydvergiftung an, 
da die beiden Leichen keine nennenswerten Ver- 


Telepathie. 
Von Dr. K. Schmelzeis, Oberarzt a. D. 


5 Nr. 51-52 der Psychiatrisch-neurologischen 
Wochenschrift bespricht Herr Dr. Fried- 
länder das Buch von Wasiliewski über 


„Lelepathie” in einer Weise, die von Zustimmung 


nicht weit entiernt ist, etwas überraschend nach 
seiner erfreulich ablehnenden 
gegenüber der Lomerschen Begeisterung für 
sogenannte „Materialisation” (vergl. Umschau 1920 
Nr. 31, 42, 49). Und doch handelt es sich nicht um 
neue Entdeckungen und nicht um solche, deren Er- 
klärung man schuldig geblieben wäre, womit aller- 
dings nicht gesagt sein soll, daß bereits eine bis 


- Erscheinungen von seiten der Atmungsor 


Inter- 


durch akute Zustände gekennzeichnete Übergat 


-mäßig völlig zurückbilden. 


Stellunenahme . 


letzungen aufwiesen. Der Schluß ist indes yi 
gerechtfertigt, weil eine einfache Erstickungy 
Erklärung ausreicht. Wichtiger ist für uns die 
teilung, daß an jenem Tage nicht mit Gasgram 
geschossen wurde, wie auch das Fehlen jeglid 


(Bronchitis, Lungenödem, Hämoptyse), die} 
ausschließlich bei Kampfgasvergiftungen beoh 
tet wurden, völlig fehlt, und auch weiter die Inti 
heit der Bindehäute und das Fehlen jeglicher ® 
scheinungen von seiten der äußeren Haut X 
diese Vergiftung sprechen. | 

Eine Commotio cerebri, an die sich nicht siii 
der amnestische Symptomenkomplex anschl 
käme noch differentialdiagnostisch in Betracht i 
wurde aber weder Erbrechen noch Pulsver 
samung im ersten Lazarett festgestellt. Hier 
man die Möglichkeit einer Gehirnerschüttt 
offenbar gar nicht in Betracht, obschon sie d 
im Felde keine Seltenheit war. Es fehlt auch 


stadium zwischen der Commotio und den amn 
schen Störungen. Die Kommotionspsychosen W 
ern auch nach P. Schröder höchsten s 
Monate, innerhalb welcher Zeit sie sich fast x 


Danach ist an einer Kohlenoxydvergiitung 1 
nicht zu zweifeln. f 

Um auf die Prognose zurückzukommen, %0 
sich nach dem bisherigen Krankheitsverlaui sa 
daß eine weiter fortschreitende Besserung W 
scheinlich ist. Immerhin zeigt schon der bisi 
beobachtete erhebliche Rückgang der psychi 
Störungen, daß die Prognose der schweren Kol 
oxydpsychosen nicht so ungünstig ist, als nad 
Mitteilungen von Sibelius zu erwarten WE 


ins einzelne ausgearbeitete wissenschaftlich 4 
tersuchung vorliege. | 

Man sieht die Erklärung in der sogenl 
Flüstersprache, d. h. in der Erscheinung, dab t 
scharf an eine Sache denkende Mensch uwit 
lich diese Gedanken leise spricht und dab ® 
Flüstersprache von besonders dafür veras 
oder durch Hypnose und Suggestion dafüf = 
fänglich gewordenen Personen vernommen \ 

Auf einem anderen Gebiet spielt diese “ 
scheinung ebenfalls ihre Rolle, nämlich bei # 
Wahrsagen des Vorlebens einer Person. 50 


g 1921) 


Í richtet z. B. Zschokke, der bekannte Novellendich- 
y ter, daß er mitunter in der Lage gewesen sei, Leu- 
ften, die ihm ganz unbekannt waren, ihr Vorleben 
i zu erzählen. Den Vorgang hierbei hat man sich so 


# den, er werde ihm über seine Jugend berichten. 
Der Betreffende denkt darauf selbst scharf an seine 
f Jugend, was er schon deshalb tun muß, um die 
# Richtigkeit der Erzählung von Z. überwachen zu 
# können. Das scharfe Denken gestaltet sich zur 
f -Flüstersprache, diese wird von dem dafür ver- 
F anlagten Z. vernommen und wiedergegeben. In 
Ẹ Wirklichkeit ist also Z. kein Wahrsager des Ver- 
f sangenen, sondern nur das Sprachrohr für die 
f eigene Erzählung des Betreffenden. 

So sieht oder hört auch der sogenannte Hell- 


f an die Sache denkt, verrät esihm durch die Flüster- 
f Sprache. An die Anwesenheit und möglichste Nähe 
f des Wissenden ist also das Hellsehen gebunden. 
f Ferner ist eine angeborene Fähigkeit, die Flüster- 


# Hypnose und Suggestion erzielte Empfänglichkeit 
f dafür. Es ist anzunehmen, daß zwischen W a sie- 
Flewski und der B., seiner späteren Frau, ein 
f inniger Rapport Hand Hierzu stimmt sehr gut 
die Angabe, daß die B. anderen Personen gegen- 
über keine hellseherischen Fähigkeiten entwickelte 
] und besonders, daß diese sich in der Ehe ganz ver- 
loren. „Mit dem Gürtel, mit dem Schleier, reißt 
3 der holde Wahn entzwei”, in der. Nüchternheit des 
ehelichen Alltagslebens schwindet der suggestiv 
“wirkende Nimbus der Persönlichkeit. Nur das 
- Auffallende, Fremde, Unbekannte, Besondere wirkt 


suggestiv (vergl. Kauffmann, Suggestion und. 


- Hypnose). Mit dem Rapport geht auch die Fähig- 
keit, die Flüstersprache zu vernehmen, und damit 
das „Hellsehen” verloren. 

- Denjenigen, die sich für '„Hellsehen” nee 
Ten, sei die in ihrer nüchternen Sachlichkeit sehr 
‚überzeugende Schrift von Max Hopp empfoh- 
len’) Dort findet auch der „Hellseher” Reese, auf 
E. jedenfalls = omer in ‘der. Umschau 1920 Nr. 31 
ne Bann eine DESDLECHANE, 


.» © ù o o 
Ere 


| del, einen ee Taschenspielertrick, fest- 
stellt. 

i Nachschrift. Seit der Niederschrift vor- 
l S$tehender Ausführungen sind eine ganze Reihe 
- von Abhandlungen erschienen, deren Verfasser 


` `) Dr. Max Hopp, Über Hellsehen. Berlin 1918, 
| Verlag S. Karger. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


f zu denken: Z. sagt beispielsweise dem Betreffen- - 


seher nicht das Entfernte oder Versteckte, sondern 
# der anwesende Wissende, der naturgemäß lebhaft 


- sprache zu vernehmen, Bedingung, oder eine durch 


‚arten wie: 


171 


dem okkultistischen Standpunkt ablehnend gegen- 
über stehen, so z. B. von Prof. Busch, Tübingen, 
Dr. A. Moll, Berlin und Prof. B. Eßlen in der 
Frankfurter Zeitung, Dr. Graf von- Arco und Dr. | 
Bruhn in den monistischen Monatsheften. Die 
beiden letztgenannten befassen sich besonders mit 
den „Hellsehversuchen” von Dr. Tischner, dem 
Mitarbeiter v. Wasielewski, und kommen zu 
einem durchaus absprechenden Urteil, auch -was 
Versuchsordnung und angewandte Kritik anbe- 
langt. 

Besonders zu erwähnen ist eine Aufforderung 
der psychologischen Gesellschaft in Berlin. Diese 
will okkultistische Fragen wissenschaftlich unter- 
suchen und fordert diejenigen, welche glauben, für 
Hellsehen, Telepathie, Telekinese und Materialisa- 
tion Beweise zu besitzen, auf, sich schriftlich bei 
Herrn San.-Rat. Dr. Albert Moll, Berlin W 15, 
Kurfürstendamm 45, zu melden. 

Allzuviel wird man freilich auch davon nicht 
zu erwarten haben. Denn erfahrungsgemäß haben 
es die Anhänger des Okkultismus, die Gedanken- 
leser u. dergl. nicht sehr eilig, sich an Versuchen 


zu beteiligen, welche alle Fehlerquellen ausschal- 


ten wollen. Und selbst der Nachweis der Unrich- 
tigkeit wird auf sie wenig Eindruck machen. 70 
v. H. der weiblichen Medien sind hysterisch, d. h. 
in bezug auf Wahrheit unzuverlässig und zu-allem ` 
fähig. In zahlreichen Fällen sind Medien, Gedan- 
kenleser usw. als Betrüger entlarvt worden, so 
Florence Cook, das Medium von Crookes, Ma- 
dame Blavatsky, Bertha Rothe, Eusapia Paladino, 
Dr. Slade, Reese u. a. m.: Aber mit Leichtigkeit 
kommen die Okkultisten darüber weg mit Redens- 
„Die Anwesenheit Ungläubiger stört 
die mediumistischen Fähigkeiten”, oder: ‚„Slades 
mediumistische Kräfte nahmen‘ mit der Zeit ab, 
und der schlaue Amerikaner verdeckte diesen 


Mangel später i durch bewußte Machinationen” u. 


dergl. 

Die en Okkultisten und die große Zahl 
derienigen, für die es Bedürfnis ist, in einer Welt. 
von Täuschung und Geheimnis zu leben, wird man 
also .nicht bekehren. Dagegen kann man von 
ernsthaften, fehlerfreien Untersuchungen neue Ein- 
blicke in die Beziehungen zwischen bewußter und 
unbewußter Geistestätigkeit, zwischen Geist und 
Körper usw. erwarten. Dr. Sch. 
Redaktion. Es 


Anmerkung der 


braucht nicht besonders ausgeführt zu werden, 
daß es weder solche Flüstersprache selbst, noch 


besondere Veranlagung zu Hellhören gibt. 


E hydronaphthylamin H2 


— Zur Paralysebehandlung macht Med.-Rat W. 


| Fuchs, Emmendingen, in der Münch. med. Wochen- 
` schr. 1921 Nr. 34 S. 1084-85 auf einen schon vor Jahren 


von Eugen Bamberger hergestellten chemischen 
Körper aufmerksam, der synthetisch ganz genau bekannt 
ist und die Eigentümlichkeit besitzt, stark (bis zu 4,5) 
temperaturerhöhend zu wirken, das alizyklische B-Tetra- 
i NH2 


auf verminderter Wärmeabgabe und gesteigerter Wär- 


-meproduktion beruhenden Hyperpyrexie einen Sympto- . 


menkomplex, welcher: dem Bilde der Reizung des Hals- 
sympathikus entspricht. Die Herstellung erfolgte 1889 


i im Laboratorium der Kgl. Akademie der Wissenschaften 


zu München. , 

Med.-Rat Dr. Fuchs’ Gedankengang ist folgender: 
„Wenn die Anwendung dieses Präparates, dem m. W. 
seinerzeit der abkürzende Name „Thermin” gegeben 
wurde, bei progressiver Paralyse günstig wirkt, so ist 
der Beweis geliefert, daß das kalorische Moment (oder 
doch die von diesem ressortierenden Physiologika) den 
heilenden Faktor bildet. Wissen wir das, dann ist der 
weitere Weg vorgezeichnet. Wir werden dann z. B. an 


die Lösung des Problems heranzugehen haben, auch die 


Diathermie zur lokalen Behandlung der progressiven 
Paralyse heranzuziehen und die Anwendungsmethoden 
der Diathermie für unseren Zweck spezialistisch auszu- 
bauen. Erweist sich aber das Thermin als therapeutisch 
wirkungslos oder schädlich bei der progressiven Para- 
lyse, nun, dann werden wir keine kostbare Zeit mehr 
mit tastenden Experimenten verlieren, die den Factor 
efficax an der falschen Stelle suchten, sondern neue Wege 
finden müssen.” 


Literatur: Berichte der Deutschen chemischen Ge- 
sellschaft Jahrg. 22 H. 6 S. 155 und 156. 


— Wien. Über Verfügung des derzeitigen Referen- 
ten, des amtsführenden Stadtrates Professor Dr. Julius 
Tandler, ist in dem Verhältnisse des wohlbekannten 
Landes-Sanatoriums zum übrigen Komplexe der 
Landesanstalten „Am Steinhof” insofern eine Än- 
derung eingetreten, als das Landes-Sanatorium ad- 
ministrativ völlig selbständig geworden ist. _ Um 
diese Selbständigkeit auch nach außen zum Ausdruck zu 


bringen, hat das Sanatorium auch einen eigenen Namen 


erhalten: Sanatorium Baumgartnerhöhe. 
Gemeinsam ist nur die Direktion geblieben. Als Direk- 
tor und zugleich als 1. Chefarzt fungiert Reg.-Rat. Dr. 
Berze. Zweiter Chefarzt ist der Primararzt Dr. Karl 
Richter. 


In der nächsten Zeit wird sich als Konsequenz der 
Scheidung Niederösterreichs in das Land Wien und das 
Land Niederösterreich der Übergang der Landesanstalten 
„Am Steinhof” in die Verwaltung des ersteren vollziehen. 
Derzeit bildet die geschlossene Irrenpflege noch eine 
„gemeinsame Angelegenheit” beider Länder. Zur Be- 
sorgung der gemeinsamen Angelegenheiten ist eine 
„Landes-Verwaltungskommission” bestellt. Der Refe- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Mitteilungen. 


H? ' 9y. Es erzeugt neben der 


'Kaufmannschaft, Ostra-Allee 9. 


Heil- und Pilegeanstalten während des Krieges. 


: rungen bei Kranken mit Parkinsonschem Symptons 


_ 


(Nr. 


N 
E 

i 
Fi 
AE 
ei 

i > 


rent ist eines der fünf Mitglieder dieser Verwaltın 
kommission. 1 


— Vereinigung mitteldeutscher Psychiater unii 
rologen. Zu der am 22. und 23. Oktober 1921 in Dre 
stattfindenden XXIV. Versammlung mitteldeutscherf 
chiater und Neurologen beehren sich die unterzeichg 
Geschäftsführer ergebenst einzuladen. £ 

Sonnabend, den 22. Oktober, von ab 
8 Uhr an: Gesellige Vereinigung im: kleinen Saaka 
Dresdner Kaufmannschaft, Ostra-Allee 9 (Eingang Ma 
gäßchen). E 

Sonntag, den 23. Oktober: I. Sitzung IE 
vormittags im Sitzungssaale der Gesellschaft für Nadi 
und Heilkunde, Eliasstraße 34 (Kunstgewerbeschi® 
II. Sitzung: 1 Uhr nachmittags ebenda. Gemein 
liches Essen: 5"2 Uhr im kleinen Saale der Drei 


Tagesordnung: 


Anton, Halle: Die Untersuchungsmethoden und | | 
handlung der Epilepsien. Ilberg, Sonnenstein: Über@ 
Sterblichkeit der Geisteskranken in den Sächsie 


fred Goldstein, Magdeburg: Über Störungen der im 
Sekretion bei Recklinghausenscher Neurofibromaig 
Sievert, Pirna: Beitrag zur Symptomatologie der ik 
phalitis. Hiller, Dresden: Über epidemische Poliomyt 
bei Grippeepidemie. Werther, Dresden: Encephall 
und Myelitisfälle, aufgetreten im Frühstadium der Syp 
während - der Salvarsanbehandlung, geheilt mit Hg. 3 
Salvarsan: Bostroem,. Leipzig: Psychische Ver 


komplex. Frl. Frieda Reichmann, Weißer Hirsch: I | 
Psychopathologie des Asthma bronchiale. Bumke, 4 
zig: Psychologie und Psychiatrie. Mann, Drei 
Odontom der Siebbeinstirnhöhle mit sekundärer IR 
matocele des Stirnhirns. Gregor, Leipzig-Dösen: Sug 
moralischer Entwicklung in ihrer charakterologi% 
Differenzierung. Schob, Dresden: Zur Kenntnis def 
Friedreichschen Krankheit ähnlichen Krankheitsb 
(Cerebello-olivare Degeneration kombiniert mit Deg f 
ration der Hinterstränge). Spaar, Sonnenstein: Die U 
riosklerotische Seelenstörung und ihre differentia 
gnostische Beziehung zur Paralyse. Nissl V. Mayen | 
Leipzig: Die halluzinatorischen Zustände der Verani 
Berlit, Sonnenstein: Einige geheilte bzw. weitgef 
gebesserte Fälle von Katatonie. Klarfeld, Leipzig: "f 
vorbehalten. | d 


Wenn auch eine Zeitdauer für die einzelnen | | 
träge nicht bestimmt ist, so wird doch gebeten, diest 
nicht über 20 Minuten und diejenige der Bemerswg 
in der Diskussion nicht über 5 Minuten auszude"g 
Anmeldungen zu weiteren Vorträgen werden balis | 
Anmeldungen zur Teilnahme am gemeinschaftlichen “g 
werden bis zum 21. Oktober an den zweiten Gesch" 
führer Böhmig, Dresden-Bühlau erbeten. Als Als } 
quartiere werden empfohlen: Hotel Bristol, Bisma 


f 1921] 


| platz 5/9; Hotel Continental, Bismarckstraße 16; Hotel 
# Höritzsch, Bismarckstraße 14; Hotel Drei Raben, Marien- 
E straße 18; Hotel Hansa, am Neustädter Bahnhof; Hotel 
f Monopol, Wiener Platz 7; Palast-Hotel Weber, Ostra- 
i Allee 1; Hotel Regina, Bismarckstraße 20; Hotel Vic- 
$ toria, Bismarckstraße 12; Hotel Westminster, Bernhardt- 
straße 1; Motel Winzer, Prager Straße 20; Pension Ilm, 
"Sidonienstraße 5; Familienhospiz, Ammonstraße 6. Vor- 
P ausbestellung der Zimmer. dringend empfohlen. 

= Gäste sind willkommen. 


Die Geschäftsführer: 
Ganser, Dresden-A. Böhmig, Dresden-N. 


Buchbesprechungen. 


E Stekel, Dr. Wilhelm, Nervenarzt in Wien: 
P Nervöse Angstzustände und ihre Behandlung. Dritte, 
F vermehrte und verbesserte Auflage. 672 S. Berlin und 
F Wien 1921, Urban & Schwarzenberg. 
7 Auf diesem Gebiet gibt es in der Tat und sogar viel 
7 zu „verbessern”, nur daß, wenn diese Verbesserung 
f einen Fortschritt der Erkenntnis bedeuten sollte, nicht 
= „Vermehrung, sondern Verminderung des Schreibwerks 
= über die Sache herauskommen müßte. So lehrt es Er- 
fahrung und Lehre vom Irrtum. Das Richtige ist immer 
A furchtbar einfach. 
= „Erst in der Distanz von dem gewaltigen Schöpfer 
der Psychoanalyse konnte ich Falsches vón Wahrem 
trennen, das Sichere erhalten, das Schwankende über- 
| f denken, das Neue einfügen, die Übertreibungen ver- 
meiden und alte Fehler korrigieren. Es wurde mir bald 
"klar, daß die Libidotherapie Freuds ein Mißgriff war. 
| fio konnte den fast mystischen Ausführungen des Leh- 
f ters und seiner Schule über die Sckicksale und Wand- 
Jungen der Libido nicht mehr folgen. Ich konnte auch 
f die ‚monosexuelle Ätiologie’ der Neurosen nicht mehr 
f aufrechthalten, da die Erfahrungen des Weltkrieges mich 
- eines besseren belehrten. 
Formel’ zurück, die ich schon in ‚Ursachen der Ner- 
- vosität’ vertreten hatte: Die Ursache aller 
3 Neurosen ist ein psychogener Konflikt!” 
| (Aus dem Vorwort.) 


- Diese Formel ist nun leider auch eine Übertreibung; 
ebenso wie der Satz: „die gelungne Unterdrückung der 
Kriminalität führt zu einer Angstneurose” (S. 38) eine 
 inberechtigte Verallgemeinerung; desgleichen: „Die 
-Angstneurose. ist die soziale Reaktion auf die’ asozialen 
Imperative des Trieblebens” (S. 50). Man würde m. E. 
vie] richtiger sagen können, natürlich nur für manche 
Fälle: Die Angstneurose ist die antisoziale Reaktion auf 
‚die sozialen Imperative des Trieblebens. Was ist ein 
»asozialer”” Imperativ? i j 
è Geradezu ergötzlich ist- die „Analyse einer Vogel: 
 phobie” (S. 466). Ä 

: Stekel erläutert seine Stellung zu Freud mit 
| der Bemerkung, „daß der Zwerg auf den Schultern eines 
Riesen weiter sieht als der Riese selbst. Nun bin ich 


f 
mo- 
aie y 


_PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Ich zog mich auf meine alte - 


173 


unbescheiden genug, mich nicht mit einem Zwerge zu 


vergleichen” (Vorwort S. VII). Hoffentlich wirkt die Last 
dieses Überfreuds nicht erdrückend. Bresler. 


— Küster, Dr. Ernst, Professor der Botanik an 
der Universität Bonn: Lehrbuch der Botanik für Medi- 
ziner. Mit einem Vorwort von Dr. Paul Krause, Geh. 
Medizinalrat, Professor an der Universität Bonn. 420S. 
Mit 280 schwarzen und farbigen Abbildungen im Text. 
Leipzig 1920, F. C. W. Vogel. Geh. 85 M, geb. 100 M. 


Krause betont im Vorwort, daß das Buch auch 
dem Arzt ein treuer Berater in seiner praktischen Tätig- 
keit sein wird; der Arzt findet darin Antworten auf 
Fragen des täglichen Lebens, welche in anderen ihm zu- 
gänglichen Büchern fehlen oder nicht ausführlich be- 
handelt sind. 


In dem zweiten Teil: Spezielle Botanik — ist diesem 
Gesichtspunkte in der Weise Rechnung getragen, daß 


nach der Beschreibung der einzelnen Pflanzen die Be- : 


deutung einer jeden im Lebens- und Genußmittelge- 
werbe, als Droge oder Giftpflanze und in der technischen 
Verwertung eingehend dargetan wird. Und dies ist ganz 
vorzüglich gelungen. 


Aber auch der erste Teil: Allgemeine Botanik — 
bietet dem Arzt in recht zweckmäßiger Auswahl und 
Darstellung willkommene Gelegenheit, seine botanischen 
Kenntnisse aufzufrischen und neues hinzuzulernen. Be- 
sonders der Anstaltsarzt kommt oft in die.Lage, sich 
auf diesem Gebiet orientieren zu wollen, sei es bei Fra- 
sen,.die im Anstaltsbetriebe mit seiner großen Landwirt- 
schaft und Gärtnerei auftauchen, oder bei solchen, die 
ihm bei Bestellung seines eigenen Gartens aufstoßen. 
Daneben erfordert es auch die wünschenswerte Wah- 
rung des Zusammenhangs mit den nichtmedizinischen 


Gebieten der Naturwissenschaft, daß man gelegentlich 


einen Blick in die Fortschritte der Botanik wirft. 


Die Ausstattung des Buches und die Abbildungen, 


besonders die mehrfarbigen, sind ganz vorzüglich. 
. Das Buch sei bestens empfohlen. 


_ Therapeutisches. 


— Zur nipioniallechen Behandling der ungen: i 


tuberkulose (Holopon und- Eukodal). -Von Dr. med: 
Leichtweiß, Assistenzarzt der Deutschen Heilstätte 
in Davos-Wolfgang. „Die Therapie der Gegenwart” 
Februar 1921. | 


Bei akuten und heonischen Durchfällen nichttuber- 


kulöser Art war die stopiende und beruhigende Wir- 
- kung des Holopons der der Opiumtinktur mindestens. 


sleichwertig, der des Pantopons entschieden überlegen. 
Zwei bis drei Tabletten oder zwei- bis dreimal 15 Trop- 
fen genüsten. Unangenehme Nebenwirkungen wurden 
nicht beobachtet. Bei progredienter Lungen- und Darm- 
tuberkulose war die Überlegenheit des Holopons gegen- 
über anderen Präparaten offensichtlich. Bemerkenswert 


war die angenehm beruhigende und intensiv schmerz- 
stillende Wirkung. Bei Phthisikern mit schwerem Lun- ` 


174 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT (N. 2 


gen- und Kehlkopfibefund wurde durch 15 bis 20 Tropfen 


Holopon Unterdrückung des Hustenreizes und ausgie- 
biger Schlaf erzielt. Sehr günstig wirkte das Mittel zur 
Unterdrückung des Reizhustens bei Kehlkopikranken. 
Durch die vermehrte Ruhigstellung wurde auch der 


lokale Krankheitsbefund im Larynx günstig beeinflußt. 


Nur bei ganz schweren Formen von Kehlkopiphthise mit 
ausgedehnten geschwürigen Prozessen und heftigen 
sekundären Schluckschmerzen waren Morphium- oder 
Eukodaliniektionen vorzuziehen. 

Eukodal bewährte sich am besten als Analgetikum, 
z. B. bei leichten und schweren Graden der Pleuritis 
sicca, bei Interkostalneuralgien, toxischen Glieder- 
schmerzen usw. Ein bis zwei Tabletten genügten mei- 
stens- zu einer wohltuenden Linderung der Schmerzen. 
Bei stärkeren Schmerzanfällen wurde das Mittel sub- 
kutan mit entsprechend stärkerer und länger dauernder, 


verschiedentlich sogar der des Morphins überlegenen - 


Wirkung gegeben. Viele Schwerkranke mit reichlichem 
Auswurf und hartnäckigem NHustenreiz schliefen aus- 
giebig, wenn sie abends eine, höchstens zwei Eukodal- 
tabletten erhielten. Bei ungenügender Wirkung war 
dann eine Einspritzung von 0,01 g fast immer ausrei- 
chend. Am nächsten Morgen keinerlei üble Nachwirkun- 
gen, die Patienten fühlten sich sogar besonders erholt 
und ausgeruht. Auch die Expektoration war wesentlich 
erieichtert. Im Vergleich zu Heroin, Koffein oder Panto- 
pon war die sedative Wirkung sicher viel intensiver und 
nachhaltiger. Auch bei nervöser Schlaflosigkeit nach 


Grippe hat sich Eukodal sehr bewährt. Gewöhnung trat 


meist nicht ein, zum mindesten nicht so leicht wie beim 


Morphium. Nur in einem Falle von Lungentuberkulose 


mit sekundären Bronchiektasien und 500 ccm Sputum im 
Tag kam es nach monatelangem Gebrauch von drei 
Spritzen Eukodal 0,02 g zu einem Eukodalismus. Auf die 
ausgezeichnete Wirkung des Eukodals in zwei Fällen von 
ausgesprochener Zyklonose mit kongestiven zerebralen 
Beschwerden wird besonders hingewiesen. Alle mög- 
iichen Antipyretika:. und Sedativa waren ohne nachhal- 
tige Wirkung geblieben. Auf ein bis zwei Tabletten 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummert | 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 
Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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sationen, die intensiven Kopfschmerzen verschwan 
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einer gewissen Euphorie, trat ein. 


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Behandelt eingehend die einzelnen Geflügel 
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enthaltsräumen, Fütterung, Pflege, Brüten, A im 
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rung u. a. m., kurz ein Buch, das keiner Empfehlung 
darf und bei keiner Krankenanstalts- und Irrenans@ 
verwaltung fehlen sollte. Der Preis ist sehr al 


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Personalnachrichten. 


— Landes-Heilanstalt Domjüch bei Strelitz-Alt 4 
Direktor .der Landes-Heilanstalt Domjüch, Dr. Stl 
wurde von der Regierung die Amtsbezeichnung (i 
Titel!) „Medizinalrat” beigelegt. 


— Landesheil- und Pilegeanstalt Gießen. Us 
1. Assistenzarzt Dr. Carl Wolfgang Gerster aus Bi 
fels ist mit Wirkung vom 1. April 1921 aus dem Di 
der Anstalt ausgeschieden und zum Assistenzarzl! 
Hess. Heilstätte für Nervenkranke ernannt. An% 
Stelle trat vom gleichen Tag ab als 2. Assisieni# 
der seitherige’Medizinalpraktikant Dr. Eduard He 
aus Langen. | 


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Blachian, Haar b. München. (S. 175.) 


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3 Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschlieBlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 
Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh»: Med.- 
Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
liberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, 
Wien, Geh. Med. -Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Dr. Vocke, Eglfing b. München. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


- Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


22. Oktober 


Verlag und Ausgabe: | 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 
Postscheck: Leipzig 32070. 


Inhalt: Derzeitiger Stand der Krankenpflege in bayerischen Irrenanstalten. 
nenm — Zur Behandlung der Tabes und Paralyse. 


Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. 
Dr. A. Pilcz, 


San.-Rat Dir.. Dr. 
Prof. 


Lehmann, 
Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Prof. Dr. H. Vogt, 


Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
1 mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 60 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 
laß gewährt. ae 


Marhold Verlag Hallesaale 


Von Obermedizinalrat Dr. 
Von Dr. Arthur 


Adler. (S. 183.) — Beschäftigung von Pfleglingen im Haushalt Anstalts-Angestellter. Von San.-Rat Dr. Bresler, - 
| Kreuzbure O.-S. (S. 183.) — Mitteilungen. (S. 184.) — Buchbesprechungen. (S. 185.) — Therapeutisches. (S; 186.) 
Personalnachrichten. (S. 186.) 


Derzeitiger Stand der Krankenpflege in bayerischen Irrenanstalten. 
Referat, erstattet zur Jahressitzung des Vereins Bayerischer Psychiater 


am 30. und 31. 


Juli 1921 in München. 


Von Obermedizinalrat Dr. Blachian, Direktor der Kreis-Heil- und Pflegeanstalt Han b. München. 


; D uns übertragene Aufgabe ist als eine doppelte 
gedacht: Den Auswirkungen des Krieges und 
der politischen Umwälzung auf die Krankenpflege 
© nachzugehen, und — es kann von den heutigen 
| - Zuständen nicht gesprochen werden, ohne gleich- 
> zeitig auf Abhilfe bedacht zu sein — Vorschläge 
tür ihre künftige Gestaltung zu bringen. Ziemlich 
die gleiche Frage hat den Deutschen Verein für 
- Psychiatrie in seiner Hamburger Tagung (Mai 
1919) beschäftigt. Die eingehende Würdigung, 
; welche ihr damals zuteil wurde, erschwert es uns, 
neue Gesichtspunkte vorzutragen und N 
lungen zu vermeiden. 

\ Trotzdem erscheint eine abermalige Prüfung 
der Sachlage schon mit Rücksicht auf die in der 
i Zwischenzeit gemachten Erfahrungen  veranlaßt. 
- Von vornherein kann der Umstand, daß die nach- 


| kriegszeitlichen Verhältnisse an Bayerischen An- 


3 Stalten den Gegenstand der Betrachtung bilden, 
Ahr l Interesse in Anspruch nehmen. 


Zu dem Behufe haben wir dien 44 Punkte um- 
fassenden Fragebogen an sämtliche Kreis-Heil- 


und Pflegeanstalten, Privatanstalten und psychia- 


trische Universitätskliniken gerichtet. Beantwor- 
tet würde derselbe — zum Teil in ausführlicher 
Weise — von den erstgenannten "Anstalten, eine 
Stellungnahme der anderen war, wie zugegeben 
werden soll, zu manchen Punkten erschwert, wenn 
nicht aus Gründen privater Natur oder wegen 
„Stofimangel” iiberhaupt unmöglich. 

Wir sind sohin bei Besprechung der Sache 
vielleicht nicht zu ihrem Nachteile — auf das von 
den Kreisanstalten gelieferte Material angewiesen. 
Im allgemeinen läßt sich entnehmen, daß die Kran- 
kenpflege unter dem Druck der wirtschaftlichen 
Not schwer zu leiden hat, daß dieselben Bedenken 


wie früher — vielleicht in etwas semilderter Form 
— gegen die stark verkürzte Arbeitszeit des Pile- 


gepersonals fortbestehen und "sein Mitbestim- 
mungsrecht in wichtigen, die Krankenpflege be- 


i 
4 
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5 
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Bo - PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


treffenden Angelegenheiten mannigfachem ,Wider- 


spruch begegnet. 
` Durch den verlorenen Krieg sind wir ein armes 
Volk geworden. Breite Schichten desselben, wel- 


« che infolge von Krankheit oder Alter nicht mehr 


zu den Schaffenden gehören, sehen sich heute dem 
Elend preisgegeben. Der gleiche Niedergang steht 
auch den unproduktiven, der Wohltätigkeit und 


- Krankenpflege gewidmeten Betrieben — insonder- 


heit unseren Anstalten — bevor. Schon bröckeln 
die Mauern ab, die Opfersinn von einst den Kran- 
ken wohnlich fügte, schon werden ihre Interessen 
zunehmend von anderen überwuchert, schon emp- 
findet man die Kranken selbst — zumal die geistig 
Toten — als lästigen Ballast und stellt, sogar in 
Fachkreisen, Betrachtungen über die Freigabe der 
Vernichtung lebensunwerten Lebens-an. 


Mit diesem Wandel der Dinge, der ein Aus- 


fluß unserer Notlage ist, werden wir in der Folge 
zu rechnen haben. Wir tun dies, indem wir uns 
vor die Kranken stellen und im übrigen vertrauen, 
daß Gedankengänge der bezeichneten Art auch in 


der heutigen Zeit nicht über das theoretische Si- 


dium hinauswachsen. 
Bedenklicher schon sind die Angriffe, ` welche 


Sich gegen unsere Anstalten, die 'Mittelpunkte der 


Krankenpflege, direkt richten mit dem Ziele, durch 
eine Zusammenlegung derselben die Lasten der 
Irrenfürsorge zu vermindern. Ä 
Tatsächlich ist in manchen Anstalten ein Rück- 
gang des Krankenstandes zu verzeichnen, der eine 
Auflassung oder Verschmelzung mit anderen, 
wenig frequentierten Anstalten nahe legen könnte. 
So hat die Krankenzahl einer Anstalt zwischen 
Ende des letzten Friedensiahres 1913 und Ende 
des ersten Friedensiahres 1919 um 320 oder 49 v.H. 
abgenommen. Durchschnittlich bewegt sich der 
Ausfall in zwölf Anstalten um etwa 30 v. H. Bei 
drei Anstalten läßt sich für die gleiche Zeit eine 


Mehrung von 3, 8 und 10 v. H. feststellen. 


Die Ursache für die immerhin recht erhebliche 
Entvölkerung liegt zum Teil in einer Abnahme 
der männlichen Zugänge (Alkoholkranke), zum 
größeren aber ist sie durch die während des Krie- 
ges allerorten erhöhte Mortalitätsziffer, besonders 
an Tuberkulose bedingt. 

Genauere Zahlen haben wir nur für die Anstalt 
Haar zu Händen, welche z. B. 1913 noch mit einem 
verschwindenden Prozentsatz von Sterbefällen an 
Tuberkulose rechnete, während dieselben 1917 auf 
ungefähr das sechsfache oder auf 82 v. H. des 
Durchschnittsbedarfes angestiegen waren. Von da 
ab konnte ein langsames, aber stetiges Abflauen 


bis zum heutigen Tage erwiesen werden: 


1918.22. Ala E Vs TE- des Durchschnittsbestank 


EI FE G Na T, r ; E 
1920332. Ve! , | 


zu bringen.. 


nur die vordringlichsten Bedürfnisse befriedi 
werden. Der Wechsel von Leib- und Bettwä 


gelegenheit das Auftreten parasitärer Hautkralk 


sind, seit Gummieinlagen, Luft- und Wasserki 


Aussehen der Krankenstationen selbst hat ges 


E: 
Es > 
R. 


[Nr, | J 


Ähnlich sind die Verhältnisse, wie aus Notiz 
der Fachpresse hervorgeht, in den meisten 4 
stalten gelagert, was zu dem Schlusse berecht 
daß ihre Dezimierung durch Tuberkulose sich & 
Ende nähert. Das Ergebnis hängt zweifellos m 
der in den letzten Jahren quantitativ und qualitai 
gebesserten Verpflegslage zusammen. | 

Unser Streben muß sein, die Ernährung & 
Kranken, für welche die Kriegszeit ein langer & 
densweg gewesen — steiler und steiniger in mi 
chen Stücken als die freie Bevölkerung ihn gegi 
gen — annähernd wieder auf die einstige HE 


Eine merkliche Erleichterung wurde iní 
Krankenpflege auch hineingetragen durch die wi 
der gegebene Beschaffungsmöglichkeit von Lif 
und Bettwäsche, Kleidung, Schuhwerk, sowie wg 
Reinigungs- und medizinischen DBedarfsartiiä 
Bei den hohen Gestehungskosten können allerdi® 


ist daher noch an überlange Zwischenzeiten t 
bunden, was neben mangelhafter Pflege und Bal 
heiten und anderes begünstigt. Seltener si 


wieder zum Rüstzeug unserer Siechenabteilung 
gehören, die Fälle von Druckbrand geworden. li 


über den letzten Jahren an Ordnung und Sau 
keit gewonnen. 


So sind — an dem Elend der Kriegszett 
messen — Ansätze zum Besseren vorhanden. D 
gegen dauern alle mit der Kohlennot zusam 
hängenden Schwierigkeiten unvermindert fort W 
stellen die Krankenpflege auf harte Proben. 
empfindlichsten wird durch die Einschränkung 
welche wir uns im Verbrauch von elektrisck 
Energie, von Heiz- und Brauchwarmwasser % 
erlegen müssen, die pflegliche Behandlung \ 
Kranken im Dauerbad getroffen. 


Tatsächlich besteht die Einrichtung in W# 
Anstalten kaum mehr dem Namen nach — w 
nämlich, wo aus Sparrücksichten die Zufuhr k 
Warmwasser nur zu gewissen Stunden des I 
erfolgt. Die Bekämpfung schwerer Dekubitisi# 
ist dadurch illusorisch gemacht, unser bestes pi 
ruhigungs- und Absonderungsmittel nahezu 5 
wirksam geworden. Als notwendige Folge sel 


a ; x ral 
wir, daß mechanische Beschränkungen der Ku 


i 


1921] 


f ken durchaus nicht mehr zu den Seltenheiten ge- 
hören. Wo sie in Anstalten mit herabgesetztem 
"Dauerbadbetrieb angeblich nicht zur Anwendung 
- kommen, wird von chemischen Zwangsmitteln und 
© Zwangspackungen ausgiebiger Gebrauch gemacht. 
À Die Verabreichung der hydropathischen Wickel ist 
© bei dem Zustand der hierfür verfügbaren Wäsche- 
E stücke vielfach — insbesondere bei sich kräftig 
© wehrenden Kranken — ein Ding der Unmöglich- 
keit. 

Angesichts der rückläufigen 
7 welche die Irrenpflege eben durchmacht, 
T Nachdruck die Wiederaufnahme des vollen Dauer- 
F badbetriebs zu fordern. Wir dürfen nicht länger 
f die Hand zu Sparmaßnahmen bieten, die in so ein- 
F schneidender Weise auf Kosten der Kranken gehen. 


Entwicklung, 


Ẹ Tatsächlich liegt heute nur mehr die Geldirage 
| inmitten, nachdem sich unsere Betriebszentralen 
F bis zu einem gewissen Grade unabhängig von den 
T jeweiligen Kohlenlieferungen gemacht und in ge- 
= mischter Feuerung mit Ersatzbrennstoffen zurei- 
1 - chende; Leistungen erzielt haben. 


iR Die seinerzeit den oberbayerischen Anstalten 
i -auferlegte Sperre wird voraussichtlich nächster 
if Tage schon in Wegfall kommen. Wenigstens hat 
# die Kreisregierung dahin erkannt, daß die „volle 
# Wiederinbetriebsetzung der Dauerbäder im Inter- 
g esse der Kranken nicht länger sich umgehen lasse”. 


~ An dieser Stelle darf die Erwartung ausgespro- 
| ‚chen werden, daß das in Oberbayern gegebene 
# Beispiel in allen Kreisen, die es angeht, Nachah- 
= mung findet. Bei dem Umbau der oberpfälzischen 
I Anstalt wurde erfreulicherweise auf eine Vermeh- 
E rung der Dauerbäder Bedacht genommen. 


- Wie unter dem Einflusse der wirtschaftlichen 
F Not die Irrenpflege zusehends sich verschlechterte, 


f vor, den wir seit Einführung der verkürzten Ar- 
f beitszeit an Pflegepersonal haben. 


#7 Was zunächst die achtstündige Arbeitszeit bzw. 
f ĉie 48-Stunden-Arbeitswoche betrifft, so 
F wohl außer Zweifel, daß von einem gesetzlichen 
f Anspruch etwa auf Grund der Verordnung vom 
| 23. November 1918 nicht gesprochen werden kann. 


X In dem vorläufigen Entwurf eines Gesetzes über 


die Arbeitszeit der Krankenpflegepersonen ist die 
F Bestimmung aufgenommen, daß die „regelmäßige 


Arbeitszeit der Krankenpflegepersonen in Kran- 


Ekenanstalten ieder Art, einschließlich Irren- und 
F Entbindungsanstalten, die Dauer von acht Stunden 
Oder, falls die Einhaltung dieser Grenzen wegen 
m enan dieser EREE nicht: möglich ist, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ist mit 


-so brachte die gleiche Wirkung den Überfluß her- 


steht 


177 


wöchentlich die Gesamtdauer von 48 Stunden nicht 
überschreiten darf”. — Bei dem Entwurf ist es bis 


-heute geblieben und alle Erwägungen im Reichs- 


arbeitsministerium scheinen über den toten Punkt 
nicht hinwegzukommen, daß auf der einen Seite 
Kräfte am Werke sind, welche zu einem für das 
Personal günstigen Abschluß drängen, und anderer- 
seits die von den Arbeitgebern in geschlossener 
Front gegen die achtstündige Arbeitszeit vorge- 
brachten Gründe nicht gut übersehen werden 
können. 

Gelegentlich einer Mitte März 1920 in Berlin 
stattgehabten Beratung wurde der „tägliche Acht- 
stundendienst mit dem unglücklichen Dreischicht- 
wechsel, sowie die 48-Stunden-Arbeitswoche als 
nicht für die Krankenpflege nötig und nützlich ab- 
gelehnt und die 60 stündige Arbeitswoche als Ar- 
beitszeit für die in der Krankenpflege Beschäftigten 
zur Annahme empfohlen”. 


Wie schließlich die Entscheidung fällt, entzieht 
sich ganz der Voraussage, weil sachliche Gründe 
nicht mehr das Gewicht von früher haben. Doch 
macht es den Eindruck, als ob sich langsam ein 
Stimmungsumschlag gegen die allzu schablonen- 
hafte Durchführung der IE REER Arbeitszeit 
vollziehen würde. 


Die Arbeitszeit : an: den Bayerischen Anstalten 
ist im allgemeinen nach den Beschlüssen der Direk- 
torenkonferenz vom 2. Juli 1919 in München ge- 
regelt, auf der die 60 stündige Arbeitswoche als 


äußerstes, mit den dienstlichen Interessen eben noch- 


vereinbares Zugeständnis bezeichnet wurde. Nur 


die Anstalten Eelfing und Haar rechnen mit der- 


52 t/2 stündigen Arbeitswoche — ähnlich wie auch 
außerbayerische Anstalten mit eroßstädtischem. 
Aufnahmebezirk sich zu einer kürzeren; meist der 
48-Stunden- -Woche ‚verstehen mußten. 


Gegenüber der früher wohl allgemein üblichen 


Dienstregelung zu 15 Tag- und 9 Nachtstunden er- 
- forderte die verkürzte Arbeitszeit eine zum Teil er- 


hebliche Personalvermehrung. In Eglfing z. B. be- 
trägt dieselbe — verglichen mit dem Stand von 
1913 — 60 v. H., trotz Abnahme der Krankenzifier 
um 164 und Auflassung von sechs Männerabteilun- 


gen, in der Anstalt Haar 84 v. H. bei einer Neube- 


lesung von drei Frauen- und einer Kinderabteilung, 
in Kaufbeuren 79 v. H. Die Prozentzahlen der 
übrigen Anstalten liegen zwischen 6 und 62. In der 
Anstalt Bayreuth hat sich die Pflegerzahl entspre- 


-chend dem starken Rückgang auf den Männerab- 


teilungen um 3,4 v. H. vermindert, desgleichen in 


Homburg, das eine Abnahme seines früheren Per-. 
sonalstandes um 30 v. H. 


verzeichnet. 


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3 t. : BE pr v s 
i Or = 1 7 8 
(i bN 
1 AO in a7 
N, FR 


Die großen Zahlenunterschiede beweisen für 
sich, daß bei ihrer Errechnung manche für die pro- 
zentuelle Angabe wichtige Faktoren unberücksich- 
tigt sind. So ist nicht überall in Betracht gezogen, 
eu: wie weit die einzelnen Anstalten in der Dichterbe- 
~ Jegung der Krankenstationen gegangen sind, ob und 
En wieviele Abteilungen aufgelassen wurden, wie an- 
= —— ders der Pfegerbedarf in Anstalten mit und ohne 
bessere Verpflegsklassen ist, nicht der Einfluß der 
- Aufnahmeziffer, des Krankenmaterials und der Bau- 

art der Anstalten — kurz, man wird wohl der An- 
sicht beipflichten müssen, daß sich brauchbare Ver- 
gleichsziffern nur schwer oder überhaupt nicht auf- 
stellen lassen. Als Beispiel dafür, welche Trug- 
schlüsse hier denkbar wären, sei angeführt, dab 
Gabersee nur 6 v. H., die Anstalt Haar dagegen 
84 v. H. mehr Personal seit 1913 eingestellt hat, 
sein derzeitiges numerisches Verhältnis zur Kran- 
kenzahl aber in Gabersee bei längerer Arbeitszeit 
1: 3,27, in Haar 1: 3,4 beträgt. 


An sämtlichen Anstalten trifit zurzeit durch- 
schnittlich eine Pflegeperson auf 3,4 männliche und 
3,8 weibliche Kranke, d. i. im Mittel 1 : 3,6, während 
| 1913 das Verhältnis eine Pflegeperson zu 5,9 männ- 
Eo lichen und 6 weiblichen Kranken war, im ‚Mittel 
Bi also 1:6. | 
| Eine, wenn auch unwesentliche Personalver- 
mehrung dürfte noch in dem Falle sich ergeben, 
| daß die neuen Urlaubsbestimmungen für die Staats- 
a  beamten (Minist.-Bekanntmachung von 25. April 

1921) auf unsere beamteten Pfleger Anwendung 
findet. 


Anfangsstellung | 


Pileger 
ehobene Stellun 
è Oberpfleger 5 IV, IH | Gruppe IV nach 11 Dienstiahren 
i Vizepflegermeister 
„Vizeoberpfleger 2. Pflegermeister IV, V Gruppe V 
auch Oberpfleger | 
ER? “+ ihre Perle 
Oberpfleger | Pilegermeister = V, VI = SERIER ne VI j 
| Anfangsstellung | | im 6. bis 9. Dienstiahr 
Pilegerinnen gehobene Stellung im 10. und 11. Dienstjahr Gruppe Il 
Oberpflegerinnen M, IV dann IV 
Vizeoberpilegerinnen | wie oben = IV, V | Gruppe V 


Oberpilegerinnen | Pilegermeisterinnen | V, VI 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Die mit Verkürzung der Arbeitszeit an das ‚mengefaßt: F 
í 
Amtsbezeichnung 
Š RE Gruppe Bemerkungen E 
frühere | künftige (nur zum oberbayerischen Regulativ 


INr, 'i 


Oberpflegepersonal — oder wie sie künftig hei I 
Pflegermeister — herangetretenen Mehrforden i 
gen haben die Schaffung weiterer A uisichtssii 
notwendig gemacht. 


Was die Anstellungsverhältnisse des nicht k Fi 
amteten Personals betrifft, so sind sie noch gi 
ungeklärt und bedürfen der einheitlichen Regeln 
In Oberbayern hat man sich für die Behand" 
desselben als Beamtenanwärter entschieden (enni 
mäßige Anstellung nach fünf Jahren), an W 
schwäbischen Anstalten. wird das Personal in" 
zwei ersten Jahren nach den jeweils gelten 
Tarifsätzen entlohnt und rückt erst nach besi 
dener Prüfung in Anwärterstellen ein, um ge 
falls nach fünfjähriger befriedigender Die 
stung Beamteneigenschaft zu erhalten, in den, 
gen Kreisen gibt man der quinquennialen taritlice, 
Anstellung den Vorzug. Doch scheint auch & 
der andere, mehr von administrativen Rücksicmg 
diktierte Standpunkt an Boden zu gewinnen $ 


Die im Kreise Schwaben getroffene Regel 
dürfte, weil mit einer ärztlicherseits immer Dex 
ten Ansicht im Einklang stehend, hier viele A 
hänger haben. 


Wie die Aaen i sind auch die Beo Í 
verhältnisse noch recht verschieden und wei 
beim beamteten Personal trotz den seinerzeit u 
gegebenen Richtlinien erheblich voneinander ME 
Zu ihrer Veranschaulichung — sie im einzelnen 
behandeln, würde wohl zu weit führen — migi 
wir die verschiedenen Kategorien nach den aus 
treffenden Besoldungsgruppen tabellarisch 2u% 


| Nach Zurücklegung des 26. Lebensjahft 3 


für ihre Person in Gruppe yI 


#921] 


r Jė iltnisse an den Kreisanstalten noch weit davon 
wentfernt sind, einheitliche zu sein und daß es 
Einer ordnenden Hand bedarf, wenn wirklich sie 
in Übereinstimmung gebracht werden sollen. 

È Der Tatsache, daß an den beiden hauptstädti- 
d chen Anstalten eine kürzere Arbeitszeit eingeführt 
Üst wie an den übrigen Kreisanstalten, wurde be- 
Meits Erwähnung getan. Sie stammt aus der Zeit 
unmittelbar nach der Räteregierung (Mai 1919) und 
hängt nicht nur temporär mit ihr zusammen. Vor 
enau einem Jahre wurde.die bis dahin 48 stündige 
i Arbeitszeit durch die 52 '/» stündige “ersetzt, eine 
Bweitere Verlängerung steht allem Anschein nach 
Bevor. 
ET Die 52 7 stündige Arbeitszeit hat gegenüber der 
PS stündigen eine wesentliche Verbesserung ge- 
bracht und in rein dienstlicher Hinsicht auch den 
Vergleich mit der im Frühjahr 1919 daher erprob- 
en 60-Stunden-Woche ausgehalten. Der Grund, 
weshalb die Resultate bei dieser nicht ebenfalls 
€ rheblich günstiger gewesen sind, Sn noch zu 
y erörtern sein. 

E Zunächst ist es vielleicht angezeigt, über die 
; E icine welche -sich an allen Anstalten 
i laturgemäß auf dem Prinzip der ungeteilten Ar- 
N beitszeit aufbaut, näheren Aufschluß zu geben. 

f In Eglfing und Haar treffen auf jede Pflegeper- 
Son vom Tagesdierist in der Woche fünf Halb- 


Schicht zu 15 bzw. 14 Stunden. Die Halbtag- 
Schichten werden in der einen Woche an den Vor- 
@mittagen, in der darauffolgenden Woche an den 
@Nachmittagen geleistet, und zwar stets auf dem 
4 gleichen Posten. Der Nachtdienst dauert 9 Stun- 
den, somit 54 Stunden in der Woche. | 

F Nach dem gleichen System, nur mit dem Unter- 
fschiede, daß zwei ganztägige Schichten in der 


schen Anstalten geregelt (60 stündige Arbeitszeit 
wie früher in Eglfing und Haar). 

E Alle übrigen Anstalten haben das sogenannte 
@>ystem der dienstfreien Tage” mit täglichem 
Schichtwechsel. l 
- In Deggendorf z. B. wird an vier Tagen von ie 
P Stunden Dienst gemacht, drei Tage 
Woche sind dienstfrei; in Regensburg hat das 


ist der dienstfreie dritte Tag eingeführt, an den 
Oberfränkischen Anstalten seit 1. April d. J. der 
K ienstfreie vierte Tag, in Werneck und Lohr arbei- 
t et das ledige Personal an vier Tagen zu 15 Stun- 
den ‚ das verheiratete an fünf Tagen zu 12 Stunden 
Alrei bzw. zwei Tage sohin dienstfrei), in Gabersee 


#asschichten zu 7/2 Stunden und eine ganztägige | 


Woche anfallen, ist der Dienst an den schwäbi- 


in der 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


3 "Die Übersicht beweist, daß die Besoldungsver- 


Pen 


179 


besteht eine Tag- und Nachtschicht zu 12 Stunden 
bei zwei dienstfreien Tagen, in Homburg desglei- 
chen mit einem dienstireien Tag. 

Also auch in dieser Frage tot capita tot mentes 
— eine Vielheit der Diensteinteilungen, die kaum 


‚übertroffen werden konnte, wenn jede Anstalt dar- 


auf ausgegangen wäre, geflissentlich etwas anderes 
einzuführen. Daß dieser Zustand nicht von langer 
Dauer sein wird, ist schon um deswillen klar, weil 
je nach dem Ausfall der reichsgesetzlichen Rege- 
lung entweder das System der Halbtagsschichten 
oder das der dienstfreien Tage fallen muß. Das 
erstere ist auf die 48-Stundenwoche zugeschnitten 
und nur für diese bzw. die 52 '/s»-Stundenwoche 
brauchbar. Es versagt, wie die Erfahrung lehrte, 
bei Anwendung auf die 60-Stundenwoche. Denn 
hier ist die untere Grenze bereits erreicht, welche 
eine entschieden bessere Diensteinteilung ermög- 
licht, den ein- bzw. zweischichtisen Arbeitstag. 
So versteht sich auch die Behauptung, daß in 
cienstlicher Hinsicht die 52 */2 stündige Arbeitszeit 
den Vergleich mit der um 7 '/e Stunden längeren 
ausgehalten hat. 

Das System der dienstfreien Tage oder der täg- 
liche Schichtwechsel fällt automatisch, wenn wirk- 
lich die 48-Stundenwoche gesetzlich festgelegt wer- 
den sollte. Denn es ist nicht anzunehmen, daß eine 
Diensteinteilung‘ mit vier ıdienstfreien TAgen, die 
sich dabei errechnete, noch diskutabel wäre. 

Schon bedenklich nahe kommt ihr die Eintei- 


„Jung, wie wir sie für die oberpfälzische Anstalt 


Personal jeden zweiten Tag dienstfrei, in Erlangen 


~ 


kennen lernten, aber auch der dienstfreie dritte 
Tag muß als Zugeständnis bezeichnet werden, das 
sich nur schwer mehr mit den Interessen der Kran- 
ken verträgt. Wie sehr diese von den zu reich- 
lich bemessenen Freizeiten, dem häufigen Schicht- 
wechsel berührt werden, hat Kolb und Fal- 
kenberg in trefflichen Ausführungen zur 48-. 
Stundenwoche ‚auf der hamburger Tagung 1919 - 


dargetan. 


Die Erfahrungen, welche wir mit der 52 "> ee 
digen und -60 stündigen Arbeitszeit noch täg- 
lich machen, . stimmen "in allen Hauptzügen 
damit überein. Wir würden uns daher in 
ständigen Wiederholungen ergehen, wollten wir 
versuchen, ihre Nachteile im einzelnen zu 
schildern. Allmählich scheint sich auch so 
wenigstens wird verschiedentlich berichtet — eine 
Wandlung zum Besseren zu vollziehen. Dies 
gilt zunächst von Disziplin und Ordnungssinn, 
welche bei dem durch die Revolution aus allen 
Gleisen geworfienen Personal lange im Argen lagen 
und nun im Zunehmen begriffen sind. 

Dagegen stehen Pflichtgefühl, Arbeitslust und 


—_— 


-180 = PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


-leistung noch immer unter dem Durchschnitts- 


niveau der Friedenszeit. Für den Rückgang sind 
gewiß. verschiedene Ursachen anzusprechen — 
durch nichts aber wurden und werden sie mehr 
untergeraben, als den Mißbrauch, den ein nicht 


geringer Teil des Personals mit der zu freigebig 


ihm eingeräumten Freizeit treibt. 

Die verheirateten Pfleger übernehmen sich vor- 
dienstlich mit Arbeiten aller Art zu Hause, im Feld 
und Wald auf Kosten der Schaffensfreude für 
ihre eigentlichen Obliegenheiten. Der Dienst wird 
Nebensache und zur Erholung benutzt oder nur 
widerwillig verrichtet. Das ledige Personal hin- 
wiederum — hauptsächlich das weibliche — ver- 
ausgabt sich mit anderen Dingen und hat bei 
seiner Einstellung auf Vergnügen noch wenig für 
die ihm anvertrauten Kranken übrig. Versuche 
um Tausch oder Zusanımenlegung von Freizeiten, 
sowie unkontrollierbare Krankmeldungen sind so- 
zusagen an der Tagesordnung. 

Abhilfe kann nur geschaffen werden durch fort- 
gesetzte erzieherische Einwirkung und Änderung 
der an verschiedenen Anstalten eingeführten, un« 
haltbaren Diensteinteilungen. 

Im Interesse einer geordneten Krankenpflege 
müssen wir verlangen — immer die zu erwartende 
reichsgesetzliche Regelung im Sinne der 60-Stun- 
denwoche vorausgesetzt —, daß mit dem System 


der Halbtagsschichten und der vielen dienstfreien- 


Tage gebrochen wird. Tagesarbeit muß 
oberster Grundsatz sein. 

Nach diesem wird an den Anstalten mit täg- 
lichem Schichtwechsel verfahren. 

Das andere Postulat auf Einschränkung der 
dienstireien Tage hat bisher nur eine Anstalt agri- 
kolen' Charakters erfüllt.- Allerdings bedarf die 
Frage, wie es dort mit der Krankenbeaufsichtigung 
auf den Stationen ohne Wache nach Ablauf der 
Tagschicht gehalten wird, noch der Aufklärung. 
Die heute saarländische Anstalt Homburg rechnet 
anscheinend mit einer etwas längeren als der 
60-Stundenwoche. Dasselbe tun die- oberfränki- 
schen Anstalten, welche kürzlich zu dem dienst- 
freien vierten Tag übergegangen sind. 

Den Vorschlägen, welche wir zu bringen haben, 
ist die 60-Stundenwoche zugrunde gelegt. Wir 
müssen, um praktische Arbeit zu leisten und 
etwaigen Widerständen im voraus zu begegnen, 
uns auf den Boden stellen, den aller Voraussicht 
nach die reichsgesetzliche Regelung — sofern sie 
überhaupt kommt — geben wird. 

Außerdem ist es notwendig, bei dem Entwurf 
einer Diensteinteilung von allgemein gültigen und 
unbestrittenen Tatsachen auszugehen. Als solche 


Sie ist aber nur im beschränkten Maße brad® 


den für das Personal hintangehalten werden nf} 


N.a 


erkennen wir, daß die dienstlichen Anfordenm 
auf den verschiedenen Abteilungen sehr vers i 
dene sind. l 
Der Dienst auf den Wachabteilungen, insbes ‚ 
dere der erregten Kranken, ist ein anstrengai 
und aufreibender, der auf den ruhigen Nichw 
abteilungen, bestehend in einfacher Aufsicht 
keit und Hausarbeit, ebenso ‘der bei den Ar, 
gruppen im Gutshof, Gärtnerei, Koch- und Wa 
küchenbetrieb usw. durchweg leicht zu nenm 
Der gebotene Ausgleich für das so ungleich) | 
enspruchte Personal wurde bisher im periodi 
Abteilungswechsel gesucht. Diese Einrichtung di 
spricht ihrem Zweck bei der 7 '/»-Stundensc 


für die verlängerte Arbeitsschicht oder den fl 
Schichtwechsel. Denn die tägliche Abnützungí ; 
Wachpersonals auf unruhigen Abteilungen hate 
mindesten die eine Folge, daß gegen Schicht 
jedesmal die Arbeitsleistung unter die noch zul 
Grenze sinkt. Vielleicht daß durch den period 
Abteilungswechsel die Gefahr gesundheitliche W 


— nicht aber der konstant bleibende dienst 
Nachteil, welcher aus einer an sich zu langen: 
beitszeit mit Notwendigkeit resultiert. 

Im Interesse des Personals wie der Krag 
ist daher neben dem periodischen Wechse $ 
Festsetzung \einer verschieden langen Arbeit 
für schwere und leichte Abteilungen anzusi 
Zu den ersteren gehören mehr weniger alk 
Wachbetrieb; denn sie stellen gegenüber deni 
teilungen ohne Wache wesentlich erhöhte Amo 
rungen an Nervenpräsenz und Verantwortung; 

Auf Grund des Gesagten kommen wir ui; 
folgenden Dienstplan in Vorschlag zu bringt, 


A. Wachabteilungen — 12 '/s Stunden mit W% 
stündigem Überschneiden der Nachtse | 
abzüglich 1*/2 Stunden Essenspause = 
11 Stunden Dienst; ein .dienstfreier is i 
der Arbeitswoche oder zwei dien" 
Tage wöchentlich, wirkliche Arbeitszeit 
SE 


Far EEE 9,16 Stunden. 


B. Abteilungen ohne Wache (auch Arbeitt . 
ger) — 14'/» Stunden, abzüglich ander T. 
Stunden = 13 Stunden; dienstfreier TP 

5 ` 13 E i 

oben, wirklicher Arbeitstag — = "f 
9,16 10,84 _ w 
2 

Stunden oder — wovon wir ausgegil: 

sind, genau die 60-Stundenwoche. 


y rel de à 


Stunden, im Mittel also 


19211 


“ Diese Diensteinteilung hätte den Vorzug, daß 


bzw. auf 60 Stunden festgesetzten Arbeitszeit Ge- 
nüge leistet und auch die dienstlichen Belange 
wahrt, soweit der Schichtwechsel zu Klagen An- 
laß gegeben. Die relativ lange Dauer des Nacht- 


= 2 10,4 Stunden wird 


für die unruhigen Stationen mit Dauerbadbetrieb 
dahin zu mildern sein, daß an Stelle der bisher üb- 
lichen, oft unzureichenden Doppelwache künftig 
drei Aufsichtspersonen treten. Von einer Anrech- 
tung der Nachtdienstbereitschaft auf die Arbeits- 
Zeit sollte in allen Fällen Abstand genommen 
werden. | 
- Die‘ Frage der beruflichen Ausbildung des 
Pilegepersonals hat einen Hauptberatungsgegen- 
Stand der vorjährigen Tagung in Kaufbeuren ge- 
bildet. Entsprechend den damals angenommenen 
Leitsätzen wurde die staatliche Anerkennung der 
Heil- und Pflegeanstalten als Krankenpflegeschulen 
mit eigenen Prüfungsausschüssen zuständigenorts 
beantragt und zu dem Punkte gefordert, daß die 
Entscheidung in allernächster Zeit erfolgen dürfte. 
Dei der bisher üblichen Unterweisung sind unsere 
Wichtigsten Mitarbeiter vielfach nicht über die 
Rolle von Wärtern hinausgekommen — zum Scha- 
den der Kranken, denen die baulichen und hygieni- 
schen Vorzüge unserer Anstalten nicht den Wert 
sachkundiger Pflege ersetzen konnten. 
© Diesen oft beklagten Mängeln soll durch: die 
| Feranziehung eines wirklich geschulten, berufs- 
ireudigen und auch seinen Bildnern wieder näher 
gebrachten Personals gesteuert werden. Der Wert- 
Zuwachs, den wir davon für die Anstalten erhoffen, 


r dienstes zu 12 '/s oder 


gang sich abzufinden. ` 

Die Aufwendungen für Irrenpflege sind trotz 
der Not, die uns umgibt, mit jedem Jahre mehr 
angestiegen. So betrug — um nur ein Beispiel 


schen Anstalten 1919 gegen 8 Millionen, 1920 
twas über. 16 Millionen und 1921 im Anschlage 
Dei um das- vielfache erhöhten Verpflegsätzen 13 
Millionen. Vor dem Kriege bezifferte sich die 


S Er zusammen auf rund 1 Million Mark. 
An Lohn- und Besoldungsausgaben für das 
Pilegepersonal entfielen auf das Jahr 1919 über 
höherer Betrag wird für 1921 sich errechnen. Auf- 
À p im Jahre 1913 — 427 000 Mark. | 
= Diese Zahlen veranschaulichen, welche Umge- 
3 faltung die. Anstaltsetats infolge der Geldentwer- 


Sie allen Ansprüchen im Rahmen der verlängerten 


wäre wohl groß genug, mit ihrem äußeren Nieder- . 


zu bringen — der Kreiszuschuß für die oberbaye- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT- 


 Dienstpersonal. 


Y 


durchschnüttliche Zuschußforderung ‘der drei An- 


* Millionen, 1920: nahezu 7 Millionen, ein noch 


181 


tung und Teuerung aller Betriebsbedürfnisse er- 
fahren haben. BR 

Besonders plastisch treten die einschlägigen 
Ziffern bei der größten bayerischen Heil- und Pfle- 
seanstalt hervor. Wir geben sie mit Zustimmung 
ihres Leiters auszugsweise wieder, ebenso einige 
der interessanten und allgemeininteressierenden 
Betrachtungen, welche in dem Bericht zum An- 
staltsvoranschlag für 1921-22 darangeknüpft sind. 

Derselbe schließt bei 1100 Kranken oder rund 
400 000 Verpflegstagen mit einer Gesamtsumme 
von 10884370 M im ordentlichen und 210000 M 
im auberordentlichen Etat ab — das sind ie Ver- 
pilegstag 27,73 M Betriebskoten. Der Existenzzu- 
schuß ist mit 6 242 130 M veranschlagt. Die Meh- 
rung beträgt gegenüber dem eines normalen Vor- 
kriegsiahres zu 545000 M etwa das elfeinhalb- 
fache. 

Die einzelnen Ausgaben sind in einem sehr ver- 

schiedenen Verhältnis gewachsen. So haben sich 
die Kosten für Brennmaterial trotz erheblicher Ein- 
schränkung in der Heizung, der Beleuchtung und 
dem Warmwasserverbrauch (Stillegunge der Dau- 
erbäder bei: Nacht und mehreren Tagesstunden) 
fast verdreizehnfacht. Der Personaletat ist um das 
zehneinhalbfache gestiegen, zum größeren- Teil 
durch die Erhöhung der Löhne und Gehälter, zum 
kleineren, aber nicht unbeträchtlichen Teil durch 
die Verkürzung der Arbeitszeit beim Pflege- und 
Ganze 11 v. H. dieses Etattitels 
entfallen auf Besoldung der Ärzte und Beamten. 
Nicht ohne Bitterkeit wird in dem Bericht daraut 
hingewiesen, daß die Arbeit des Beamten heute 
um das drei- bis fünffache, die einer jungen Pflege- 
rin um das vierzehneinhalbfache der Vorkriegszeit 
Entlohnung findet. 
- Bei der Verköstigung der Kranken ist die Ver- 
hältniszahl mit 100: 591 angegeben. Eine Zusam- 
menfassung zeigt, daß 91,1 v. H. sämtlicher Aus- 
gaben auf Personaletat, ‘Verköstigung und techni- 
schen Betrieb (Kohlen) treffen und. nur 89 v. H. 
auf alle übrigen Bedürfnisse. 

‚Die für Eglfing angestellten E kön- 
nen mehr weniger auf die Etats aller modernen 
Anstalten übertragen werden. Wir folgern daraus, 


daß der Verköstigungsaufwand beträchtlich hinter 


der Teuerung, welche für Lebensmittel das zehn- 
bis. zwanzigiache beträgt, zurückgeblieben ist, 
ferner daß Sparbestrebungen durchgreifender Art 
sich auf den Personaletat und technischen Betrieb 


erstrecken müssen. 


Was diesen betrifit, so wurde bereits ausge- 
führt, daß die Einschränkungen im Warmwasser- 


‚verbrauch (Dauerbäder) das Maß des Zulässigen 


längst überschritten haben. Aber auch die Be- 
leuchtungsnot in den Anstalten streift die Grenzen, 
wo Gewähr für Betriebssicherheit und Krankenbe- 
handlung noch geleistet werden kann. Eine Ände- 
rung der teuren Zentralheizungsanlagen läßt sich 
ohne gewaltige Kosten für Kamin- und Ofenbauten 
und Personalvermehrung nicht durchführen. So 
sind — auch bei erträglicher Gestaltung der Koh- 


> lenpreise — "die Aussichten auf Abminderung der 
technischen Betriebsausgaben recht gering. 


= Und die Ausgaben auf den Personaletat? Hier 
ist als bleibender Faktor die verkürzte Arbeitszeit 
und damit die gegen früher wesentlich erhöhte 
Personalziffer. einzusetzen. Im Falle die 60-Stunden- 
woche allgemein zur Einführung gelangt, ziehen da- 
von nur die oberbayr. Anstalten Gewinn, welche 
eben noch mit einer kürzeren Arbeitszeit rechnen. 
Für sie würde sich die Einsparung an Löhnen auf 
jährlich 500 000 bis 600 000 M belaufen. Bei den 
anderen Kreisanstalten — oder richtiger gesagt —- 
bei manchen dürfte von einer Revision der Dienst- 
einteilung entsprechendes zu erwarten sein. 


"Zwecks „radikaler” Verbilligung der Irrenfür- 
sorge wird da und dort an eine Auflassung bzw. 


Zusammenlegung von Anstalten gedacht. Den An- 
stoß hat ihre Entvölkerung gegeben, die Ausgang 
1919 bei 12 von 16 bzw. 17 Anstalten die Durch- 
schnittshöhe von 30 v. H. erreichte. Mit am stärk- 
sten, nämlich zu 45 v. H., wurde die Anstalt 
Regensburg betroffen, ein Umstand, der bekanntlich 
Gie Verschmelzung der beiden oberpfälzischen An- 
stalten zur Folge hatte. 

Neuerdings beschäftigte die Frage den Kreistag 
von Mittelfranken, der sich nach Ausschußantrag 
damit einverstanden erklärte, daß die Angelegen- 
heit noch weiter instruiert und behandelt werden 
solle. Seitens des Kreisreferenten wurde dabei 
der Standpunkt eingenommen, daß die Zusammen- 
legung der beiden Anstalten Ansbach und Erlan- 
gen, für die sich eine Einsparung von nur 300 000 M 
im Jahre errechnete, als „letztes und äußerstes 
Hilfsmittel” ins Auge zu fassen sei. 

Vielleicht können wir’ heute Aufschluß über die 
Durchführbarkeit der geplanten Maßnahme erhal- 
ten, nachdem die maximale Belegung der größe- 
ren und modernen Anstalt 1100, der gegenwärtige 
Krankenbestand beider Anstalten aber über 1500 
beträgt. 

Mit der Frage einer Zusammenlegung werden 
voraussichtlich noch andere Kreistage sich befas- 
sen. Für diesen Fall sei schon heute bemerkt, daß 


nahezu alle bayerischen Anstalten seit 1919 eine 


zum Teil erhebliche Krankenvermehrung aufzu- 
weisen haben und nach den derzeitigen wie maxi- 


"PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


den Vorschlag der Gründung eines Zweckven 


| ferner, die derzeitige anstaltliche Unterbel@ 


‚ist der Kreis der nicht oder nur vorüberge® i 


= ki 


Ta 
[N T, - 4 


malen Belegungsziffern in keinem Kreise _; 
einer Ausnahme vielleicht — die Verschmeln 
geschehen kann, ohne daß eine von Krankenyob 
pferchte, verstümmelte und aktionsunfähige M 
stalt hinterbleibt. - Die steigende Tendenz ini 
Krankenbewegung, vor allem die in der. 
unter den nervenzerrüttenden Einflüssen der? 
sowie den gehäuften metaluischen und toxid 
Erkrankungen mit Bestimmtheit zu erwart 
Frequenzzunahme verlangt aber, . daß Anl 
plätze in genügender Zahl zur Verfügung sté 

Es müssen ‚daher die Versuche, Anstalten | 
zulassen, zum mindesten als verfrüht bezeich l 
werden. IR | a 

Von ähnlichen Überlegungen ist anscheind 
der mittelfränkische Kreistag ausgegangen, ik 


Qr $ 4% AT Tu 
NE N E A 


des zur Ausnützung freier Plätze in ande 
Anstalten sich zu eigen machte. Auch der ni 
Oberpfalz hat diese Rückendeckung — aller 
erst nach Zusammenlegung seiner Anstalten -$ 
sucht. Eine Realisierung des an sich gewif SE 
nen Gedankens dürfte aber doch nur in dem f 
zu erhoffen sein, daß die übrigen Kreise & 
verzichten, dem in der Oberpfalz gegebenen 
spiel nachzufolgen. 

‘Was zunächst nottut, ist die Lasten der m 
fürsorge auf ein vernünftiges Maß zurückzulilt 


irgendwie — wenn möglich durch Errichtung i$ 
Kinderstationen — der Allgemeinheit nutz 
machen, und endlich der Übergang zu freieren 
pilegsformen im Interesse unserer Kranken $ 
zum Zwecke der Einsparung kostspieliger Anti 
plätze. Größer als gemeinhin angenommen Wg 


Anstaltsbedürftigen und schließt im gewissen 
sogar den Grundstock der Anstaltsinsassen -$ 
Präkozen — ein, für welche erfahrungsgemäl J 
besten Kurerfolge die Frühentlassung liefert. 
Der nach den freieren Verpflegsiormel in P 
beschreitende Weg wurde auf der Jahres 
1919 in München vorgezeichnet und gleich 
eine Kommission beauftragt, die Fragen $ 
äußeren Organisation zu prüfen, d. i. die EV 
rung des ärztlichen Dienstes über die AMW 
hinaus und Hebung derselben — nicht Aue 
also — zum Mittelpunkt der regionären Im 
SOTgEe. 3 
Wir kommen zum Schlusse. Was im RUE 
des ersten Referats zu sagen war, glauben hi: 
in gedrängter Kürze allerdings — gebracl q 
haben. Das Wichtigste davon läßt sich in folge d 
Sätze zusammenfassen: # 


I pEr ËD wi 


| 


ee oa 


E 921] 


1. Die 60-Stunden-Arbeitswoche stellt die untere 
© Grenze für eine den dienstlichen Anforderungen 
© und den wahren Interessen des Personals kon- 

- forme Diensteinteilung dar. Sie ermöglicht zu- 
erst, mit dem für beide Teile gleich abträglichen 
System der NHalbtagsschichten und der vielen 
dienstireien lage aufzuräumen. 

. Innerhalb der 60-Stundenwoche ist die Arbeits- 
zeit nach Maßgabe der wesentlich verschiede- 
nen Arbeitsleistung auf Wachstationen und Ab- 
teilungen ohne Wache abzustufen. Der perio- 

 dische Abteilungswechsel allein kann nicht den 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFF 


183 


erstrebenswerten vollen Ausgleich bringen, 
ganz abgesehen von den dienstlichen Nachteilen 
einer zu langen Arbeitszeit gerade auf den 
Wachstationen. 


3. Die schon bisher durcheeführten Sparbestre- 
bungen sind mit Nachdruck fortzusetzen. Sie 
dürfen nicht auf Kosten der Krankenernährung 
und -behandlung gehen. Von außen kommende 
Versuche, die Fürsorgelasten abzumindern, sind 
veranlaßtenfalls in Bahnen zu leiten, die im Ein- 
klang und nicht im Widerspruch zu. den Grund- 
sätzen moderner Irrenpflege stehen. 


Von Dr. 


E it Rücksicht auf die vorzügliche prophylakti- 
Tivi sche Wirksamkeit der Merckschen Chi- 
E ninsalbe gegen die Infektion mit Syphilis, 
@dürfte es sich empfehlen, auch bei der bisher the- 
| rapeutisch so aussichtslosen TabesundPara- 
flyse einen Versuch mit Darreichung von Chi- 
hin zu machen. 


Sche Fälle, womöglich vor dem Eintritt ataktischer 
zw. psychischer Symptome, in denen nur Pupil- 
flen- und Sehnenreflex-Veränderungen vorliegen, 
Fund es ev. noch zweifelhaft ist, ob sich Tabes 
0 der progressive Paralyse entwickeln wefden. 
- Möglicherweise gelingt es auch, die akuten Zu- 
Standsbilder und die paralytischen Anfälle abzu- 
kürzen oder zu verhindern bzw. den tabischen und 
Paralytischen Krankheitsprozeß überhaupt zum 
Stillstand zu bringen. 

~ Was die Art der Datzeichnng betrifft, so könne 
das Chinin kontinuierlich einige Wochen lang in 


Die besten Chancen haben natürlich ganz fri- 


Zur Behandlung der Tabes und Paralyse. 
Arthur Adler. 


-= Dosen von 0,5 bis 1 g täglich gereicht werden bes. 


zur. Prophylaxe, oder die Behandlung kann eine 
diskontinuierliche sein: mit großen Dosen 1,5 bis 
2 g innerhalb 3 bis 4 Stunden; das zweimal in 
der Woche, 4 bis 6 Wochen lang. 


Nachtrag bei der Korrektur. 


Zwei Fälle von Paralyse wurden bisher mit Chinin | 
behandelt. 

Im ersten hörte die manische Erregung nach einigen 
Chiningaben auf, kehrte aber nach Aussetzen des Mit- 
tels zurück und ließ sich durch erneuten Chiningebrauch 
nicht mehr entscheidend beeinflussen. 

In dem zweiten Fall ist, nach Gabe von 11 g 
Chinin innerhalb vier Wochen, eine gute Remission ein-' 
getreten. Derselbe war noch nicht so weit fortge- 
schritten wie der erste. ‚Wenn es mir auch fernliegt, 
dadurch den Nutzen dieser Behandlungsmethode bei 
progressiver Paralyse für erwiesen zu halten, so glaube 
ich doch, einen Versuch mit diesem unschädlichen Mittel 
den Herren Kollegen empfehlen zu dürfen. | | 


A uf S. 241 des Jahrgangs XXII 1920-21 der Psy- 
chiatrisch-neurologischen Wochenschrift war 
die Rede von der Entlohnung, welche Anstaltsan= 
gestellte zu zahlen haben für Arbeit, die in ihrem 
Haushalt von Anstaltskranken geleistet wird, und 
Zwar von der Höhe der Entlohnung. Da darf wohl 
in diesem Blatt auch einmal die Frage aufgeworfen 
F erden, ob überhaupt diese Einrichtung an sich 


zweckmäßig ist und beibehalten zu werden ver- 
ient, 


E 


Beschäftigung von Pileglingen im Haushalt Anstalle Angestellter. 
Von San. -Rat Dr. Bresler, Kreuzburg, O.-S. 


Daß es in abgelegenen Anstalten — deren gibt 
es nur wenige, sie sind zu zählen — manchmal 
schwierig ist, Hausangestellte zu bekommen, steht 
außer Zweifel. Das trifft aber auch sehr viele an- 
dere Familien, die fern vom Verkehr leben müssen, 
Z. B. Eisenbahn-, Zoll-, landwirtschaftliche, Fabrik- 
usw. Beamtenfamilien; wie manche ist ganz allein 
auf weiter Flur, im tiefen Wald. 

. Daß jene Verwendung von Geisteskranken in 
der öffentlichen Meinung als gutes, selbstloses 


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ooo T PSYCHIATRISCH-NEUROLOQISCHE WOCHENSCHRIFT 


Werk angesehen wird, bezweifle ich; das gesteht. 


nicht einmal ein solcher Arbeitgeber dem anderen 
zu, am wenigsten wenn dessen Arbeiter etwas 
mehr leistet als der seinige, und diese Arbeitskräfte 
sind doch äußerst verschieden. Auch würde — um 
die Kehrseite zu beschauen — ein Anstaltsange- 
stellter es als arge Zumutung weit von sich weisen, 
wenn ihm die Verpflichtung auferlegt würde, 


. Geisteskranke in seinem Haushalt zu beschäftigen. 


Nicht zu sprechen brauche ich von den Zwistig- 
keiten, die aus diesem System entstehen, nicht von 
der Unannehmlichkeit, daß die Entlassung eines so 


beschäftigten Geisteskranken in Freiheit und Hei- 


mat erhebliche Benachteiligung des Arbeitgebers 
bedeuten kann, von der Schwierigkeit, dem be- 
treffenden Haushalt eine neue gleichwertige Ar- 
beitskrafit zu stellen, von der Mißgunst der für die 
Anstalt arbeitenden Geisteskranken gegenüber den 
im Privathaushalt beschäftigten, in dem immer et- 
was „abfällt”; von Fragen der Kranken- und Un- 
fallversicherung usw. 

Wenn die Möglichkeit — nur die Möglich- 
keit — ablenkender, anregender, vielseitiger Be- 


.schäftigung im Privathaushalt als Vorzug ange- 


führt wird, so bezweifle ich, ob es viele Pfleg- 


linge sind, die das empfinden, ob so viele, daß die 


Nachteile des Systems aufgewogen werden. Auch 
bezweifle ich, daß der Gesichtspunkt: Probezeit für 
die Rückkehr ins Leben — verdient in Betracht ge- 
zogen zu, werden. | 

Es ist durchaus Pflicht und Schuldigkeit jeder 
Seelischkranke behandelnden Anstalt, selbst aus- 
reichend für Ablenkung und Anregung zu sorgen. 
Wo dies nicht geschieht, da herrscht entweder 


‚überhaupt kein Geist oder der Geist des Arbeits- 


hauses und übertriebener Sparsamkeit 
gegen die ich nicht aufhören werde anzukämpifen. 
Es darf keine Woche vergehen, in der nicht an 
einem oder zwei Tagen durch Vorlesungen, Vor- 
träge, Vorführungen, Musik, Kino, Spaziergänge 
(außerhalb der Anstalt) u. dgl. etwas Ordentliches 
zur Unterhaltung geschieht, abgesehen von den un- 
ablässigen, täglichen Bestrebungen, auf den einzel- 


M 


— Reichsverband. 

l. Unser Vorstandsmitglied Oberarzt Dr. Römer. 
Konstanz, ist kürzlich als Obermedizinalrat und Referent 
für das Irrenwesen Badens in das badische Ministerium 
des Innern in Karlsruhe berufen worden. Auf einstimmi- 
gen Wunsch des Vorstandes hat er sich bereit erklärt, 
seine Tätigkeit im Vorstand bis zur nächsten Ausschuß- 
sitzung, die voraussichtlich im Herbst 1922 in Leipzig 


. sich leicht in erschreckender Weise in [rrenan 


tteilungen. 


nen Abteilungen den Stumpfsinn zu vertreiben 


ten einnistet und die Verblödung fördert. 


Ferner läßt sich schwer verhindern, daß il 
System in den mannigfaltigsten Abwandlungen‘ 
ganze Anstalt durchzieht, — bis zu dem ges 
neu eingetretenen Pfleger, der sich schon heute 
aller Frühe von einem Geisteskranken die Stid 
putzen läßt, als etwas ganz Selbstverständid 
um ihm bald darauf für einen Zigarrenstummell 
Reinigen des Klosetts zu übertragen — als Pri 
arbeit für die Rückkehr ins Leben. 


Der Anstaltsbetrieb braucht doch gerade he 
wo das Pflegepersonal bei der Beaufsichtigungi 
beschäftigten Pfleglinge da und dort nicht mer 
solchem Umfange wie früher selbst mitzuarbd 
geneigt ist, so dringend jede einzelne Arbeitski 
— und nicht die geringwertigsten werden in 
vathaushalte gegeben —, daß unmöglich beha 
werden kann, es könnten unschwer auch nur ei 
und nur stundenweise entbehrt werden. 

Obgleich ich mich dabei ins eigene Ft 
Schneide, kann ich nur sagen, daß dieses Kai 
des Anstaltsbetriebes mir schon immer höchsti 
erquicklich war, und ich kann nur ernstlich® 
nachdrücklich vorschlagen, dieses System % 
und gründlichst allgemein und ausnahmslos tig 
zumerzen, im Privathaushalt wie im Privat: 
(Dienstgarten) und auf den Abteilungen. 


Soweit Arbeitskräfte benötigt werden zur” 
dienung von ledigen Angestellten, d. h. solchen” 
keinen eigenen Haushalt errichten dürfen miy 
nach Dienstvertrag und gesellschaftlicher N 
auf persönliche Bedienung Anspruch haben, % 
man Dienstmädchen oder -burschen an oder su 
ungeheilte arbeitsfähige Pfleglinge, die freiwill 
der Anstalt verbleiben wollen, weil sie drai 
kein Fortkommen finden. Unter solchen Piku 
gen findet sich manche für einen derartigen PW 
geeignete Arbeitskraft, die mit einem bescheide 1 
Wohnraum, freier Kost und Kleidung und ei 
kleinen Taschengeld zufrieden ist. 


stattfinden wird, weiter auszuüben. — Wir könel ET 
umhin, unserer großen Befriedigung Ausdruck zu #° 
darüber, daß damit Baden dem kürzlich von der RE 
provinz und Nassau eingeschlagenen Wes gefokt! 
durch hauptamtliche Anstellung eines Fachmann 
die sachverständige Vertretung unserer Beruis- 
Standesangelegenheiten bei der zuständigen Behö 
sorgen. Vivant sequentes! 


h 
U 


re 


91921] 


> . r 
O 
Bw. 


= 2. Bisher ist leider über die Hälfte unserer E. V. mit 
fier Einzahlung der Jahresbeiträge für 1921 
(20 M ie Mitglied) noch im Rückstand. 
| dringend um sofortige Überweisung an Herrn Maaß, 
EDösen (Postscheckamt Leipzig Nr. 58055). Sonst muß 
vom 1. Dezember ab Einziehung durch Postauftrag er- 


folgen. Baumann, Landsberg. 


€ 3. Gerichtsgebühren. Die preußischen Prov.- 
Beamten gelten als öffentliche Beamte im Sinne des 
© 13 Abs. 2 der Reichs-Geb.-Ordnung für Zeugen und 
| Be rerständiee vom 10. 6. 1914, sie erhalten daher 
| Gebühren vor Gericht nach dem Tarif für preuß. Med.- 
| Beamte in gerichtlichen Angelegenheiten, Gesetz vom 

14. 7. 1909. Nach $ 12 Abs. 2 dieses Gesetzes sind die 
| Prov.-Beamten berechtigt, Tagegelder und Reise- 
Kosten zu liquidieren in der Höhe, wie sie sie in 
“hrer Amtsstellung als Prov.-Beamte von ihrer Be- 
förde bekommen laut den entsprechenden Beschlüssen 


ler Prov.-Landtage. (OLG. Stettin 15. 6. 1915; OLG. 
Hamm 18. 12. 1917.) 
= Daß die Prov.-Ärzte eine „Amtsstellung“ im Sinne 


des $ 12 Abs. 2 inne haben, ist durch verschiedene 
#Gerichtsbeschlüsse anerkannt (OLG. -Düsseldorf 12. 3. 
i 1912; OLG. Hamm 15. 12. 1911; OLG. Cöln 5. 2. 1914). 
f Als Vorbesuch im Sinne des Tarifs für preuß. 
Med.-Beamte Nr. 17 Abs. 1 gelten auch die Unter- 
Buchungen in der Wohnung oder Anstalt des 
Arztes (Min.-Erlaß des preuß. Min. d. I. vom 16.5. 
| 1913 — M 1431); 
| feuerliche Vorgehen eines Mil. - Versorgungs - Gerichts 
\ lingewiesen. 

f Bei Begutachtungen für die Mil.-Vers.- 
Werichte haben die Sachverständigen Gebühren zu 
@eanspruchen wie vor den ordentlichen Ge- 
Fichten ($ 61 der Bestimmungen über die Mil.-Vers.- 
Sserichte vom 18. 2. 1919, RGBI. S. 229), die beamteten 
Ärzte also nach den landesgesetzlichen Bestimmungen: 
andere Ärzte nach der Reichsgebührenordnung für Zeu- 
gen und Sachverständige oder den landesgesetzlichen 
Bestimmungen. | 

$ 3 (Siehe auch Ärztliche Mitteilungen 1921 Nr. 11: 
“quidationen für Gutachten und Termine) Rein. 


— Verein norddeutscher Psychiater und Neurologen. 
& 3 . Jahresversammlung in Bremen 1921. 


| Sonnabend, den 5. November 3V2 Uhr: Führung 
rch die Beobachtungsstation der Krankenanstalt in 
Premen. — Erste Sitzung 5V2 bis 8 Uhr im Patholo- 
@ischen Institut. Kafka, Hamburg: Neuere Liquorpro- 
Weme. Runge, Kiel: Beiträge zum amyostatischen Sym- 
omenkomplex. Josephy, Hamburg: Zur Hystopatholo- 
sie der Dementia praecox. Dräseke, Hamburg: Die 

aeschichte des Augenspiegels. Nonne, Hamburg: Über 
ine akute Form der Meningomyelitis syphilitica mit 
J Pirochätenbefund (mit Demonstrationen). Reese, Ham- 
Murg: Über einen infektiösen perakut verlaufenden Fall 
fon Meningo-Encephalo-Myelitis (mit Demonstrationen). 
Ni IrSchbaum, Hamburg: Gehirnbefund bei akuter gelber 
‚eberatrophie. Langelüddecke, Hamburg: Zur Methodik 


Wir ersuchen, 


hierauf sei mit Rücksicht auf das - 


erneuten Antrag aller Parteien ergänzt; 


 besoldete Gewerbeärzte anzustellen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 185 


a Peychogrankiesere — 81/2 Uhr: "Gemeinsames Essen. 
im Ratskaffee. 

Sonntag, den 6. November. Zweite Sitzung im 
St. Jürgens-Asyl pünktlich 9 Uhr. Lienau, Hamburg: 
Grenzzustände bei Gebildeten. Schultze, Göttingen: 
Trunksucht und Trunkenheit in den Entwürfen zu einem 
deutschen Strafgesetzbuch. Rautenberg, Hamburg: Über 
das Haus für Jugendliche in Friedrichsberg-Hamburg. 
Rittershaus, Hamburg: Beiträge zur Psychologie der 
Aussage. Weygandt, Hamburg: Thema vorbehalten. 
Schmits, Rockwinkel: Beschäftigung Kranker mit Blin- 
denschrift. Rehm, Ellen: Über weitere Erfahrungen 
über Kolloide in den Körperflüssiekeiten Geistes- und 
Nervenkranker. Delbrück, Ellen: Die Bremer Irren- 
pflege, Rückblicke und Ausblicke. Im Anschluß daran 
— evtl. nach dem Frühstück — Führung durch die An- 
stalt. — 1 Uhr: Gemeinsames Frühstück in Ellen. Zum 
Sonntag Nachmittag ladet Herr Kollege Benning zu 
einer Tasse Kaffee in sein Sanatorium in Rockwinkel ein. 

Anmeldungen zur Teilnahme bis spätestens 31. Ok- 
tober an Dir. Dr. Delbrück, Ellen (Bremen) bei 
Femelingen. 


— Veränderungen bei wissenschaftlichen Zeitschrif- 
ten. Das Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie, 
herausgegeben von Dr. Alfr. Ploetz, ist aus dem Ver- 
lage von B. G. Teubner in Leipzig an J. F. Lehmanns 
Verlag in München, in dem u. a. auch die „Münchener 
med. Wochenschrift’ erscheint, übergegangen. Ebenso 


.erwarb Lehmanns Verlag aus dem Verlag R. Oldenbourg 


in München das „Archiv für Biologie”, herausgegeben 
vonL.Frank, M. v. Frey undE.Voit. 


Buchbesprechungen. 


— Beyer, Alfred, Dr. med., Regierungsrat im 
preuß. Ministerium für Volkswohlfahrt: Gesundheit und 
gewerbliche Arbeit. Ein Beitrag zur Erweiterung und 
Organisation des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer. 
Veröffentl. a. d. Gebiete der Medizinalverwaltung Bd. 
XIMI Heft 5. 174 S. "Berlin 1921, Richard Schoetz. 

Die Preußische Landesversammlung beschloß am 
20. Februar 1921-auf einen vom Verfasser gestellten Ah- 
trag, „die Staatsregierung zu ersuchen, tunlichst bald 
eine Reform der Gewerbehygiene durchzuführen, wo- 
nach auch die hygienisch vorgebildeten Ärzte neben den - 
technischen Gewerbeaufsichtsbeamten als gleichberech- 
tigte Mitarbeiter anzusehen sind”. Dieser Antrag wurde 
kurz vor Abschluß der. Sitzungsperiode durch einen 
wonach für 
Preußen, möglichst schon zum 1. April. 1921, fünf voll- 
‚seien. Die 
von Beyer mit diesen Anträgen verfolgte Absicht, 
nach dem Muster anderer Staaten eine ärztliche Ge- 
werbeaufsicht zu schaffen, wird in diesem Buch begrün- 
det, die Art der geplanten Ausführung geschildert, die 
Ziele, deren Erreichung zu erwarten steht, gesteckt. 
Die Darstellung behandelt in überaus fesselnder sach- 
kundiger und zielsicherer Weise: Zweck und Art der 
Betrachtung, Organismus und Umwelt. 


(Giefühlsleben und 


186 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Ernährung, die „Arbeit? als Begriff und ihre Bedeu- 
tung für den Einzelnen und für die Allgemeinheit, die An- 
fänge des gewerblichen Gesundheitsschutzes und dessen 
Ausbau, die technische und ärztliche Organisation der 
gewerblichen Gesundheitspflege, Diagnose und Begrifi 
der Gewerbekrankheit, Anzeigepflicht, Aufgaben der Ge- 
werbehygiene, Konstitution und Arbeit in differentieller 
Wertung, die angewandte Psychologie und ihre Bedeu- 
tung für die gewerbliche Gesundheitspflege, Aufklärung. 


Der Psychologie der Gewerbehygiene 
ist ein großer Raum gewidmet. 

Der achtstündige Wechsel des Krankenpilegeperso- 
nals wird als „verhängnisvoll’” bezeichnet (S. 138). Auch 


die sonstigen Bemerkungen über den achtstündigen Ar- 


beitstag sind beachtenswert, z. B.: „..... es fragt sich 
nur, ob nicht ein Teil der Arbeitszeit für viele ansich 
Erholung ist, ob nicht viele einem natürlichen Bedürf- 
nisse folgend während ihrer freien Zeit sich so beschäf- 
tigen, daß anders Veranlagte diese Beschäftigung als 
schwerste und unangenehmste Arbeit empfinden würden" 
(S. 137). 

Mögen des Verfassers Wünsche und Pläne, deren 
Ausführung zur Genesung‘ unseres Volkskörpers bei- 
tragen werden, recht bald in Erfüllung gehen. 

| Bresler. 


— Hirschlaff, Dr. med. et phil. Leo, Nerven- 
arzt in Berlin: Hypnotismus und Susgestivtherapie. 


3. verbesserte Auflage. Leipzig 1921, Verlag von Joh. | 


Ambr. Barth. 23,00 M. 


„Wenn nur nicht die Neigung zur besonnenen Kritik 
und zur vorurteilsifreien und leidenschaftslosen natur- 
wissenschaftlichen Betrachtung in der heutigen Genera- 
tion so betrübend gering entwickelt wäre!” So bemerkt 
Verf. mit Recht im Vorwort; denn Kritik ist die Haupt- 
sache in der Hypnoselehre. Was alles ist nicht schon 


beim Aypnotismus behauptet worden! Hypnose durch 


Telephon, halbseitige Hypnotisierung usw. (S. 124). Die 
Tatsachen des Hypnotismus sind alle schon seit alters 
bekannt; die Irrtümer in Beobachtung und Deutung 
ebenso wie Unverstand und Aberglaube — und deren 
Ausnutzung — werden immer wieder neu geboren mit 
jeder neuen Generation. Alle Rätsel des experimentellen 
spezifischen Hypnotismus führen immer und immer wie- 
der auf die klinischen Tatsachen der Hysteriepathologie 
zurück (S. 305). Das Rätsel. der Hysterie selbst gilt es 


also zu lösen. 


Unter den Lehrbüchern über Hypnotismus wird das 
von L. Hirschlaff immer einen hervorragenden 
Rang einnehmen. B. 


Therapeutisches. 


— Über ein „diagnostisches Tuberkulin”. Von Prof. 
E. Moro, Heidelberg. Münch. med. Wochenschr. 1920 
Nr. 44. 


x \ k ri. Í 
Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnumm? 


[Nr. 4 


Die Unzuverlässigkeit der im Verkehr befindis 
Alt-Tuberkuline für diagnostische Zwecke verani 
den Verfasser, durch E. Merck, Darmstadt, ein 
bessertes, für die Kutanreaktion bestimmtes „Diagn 
sches Tuberkulin’” herstellen zu lassen. Mit der\V 
besserung wurde vor allem eine Anreicherung des} 
Tuberkulins mit den spezifischen Kutinen erstrebt | 
durch Auslese der Stammkulturen, teilweise Einen 
des humanen Alt-Tuberkulins und Zusatz von Bi 
tuberkulin erreicht wurde. Das neue Präparat ist 
mehreren Monaten an .der Heidelberger Kinderkl 
ausschließlich in Verwendung und hat sich gut bew 
Die . Hautreaktionen sind entsprechend der stärke 
Wirksamkeit ausgeprägter, als die Stich- und 
kutanreaktionen. In Handel. kommt das ‚Diagnosis 
Tuberkulin in Fläschchen ‘mit Glasstopfen und Glas 
sowie in zugeschmolzenen Kapillaren. Die Abfüllung 
Kapillaren ist sehr zweckmäßig, weil jede Ver 
gung ausgeschlossen ist. 


— Zur Kenntnis der Gewöhnung. IV. Über G 
nung an Kodeinderivate (Eukodal und Parakodin).” 
J. Biberfeld, Breslau. Biochem. Zeitschr. Bi 
Heft 1 bis 3. n 


Bei Kaninchenversuchen war stets eine starkes 
tive Wirkung auf das -Großhirn, die sich als % 
äußerte, vorhanden. 5 mg Eukodal intravenös wín 
manchmal stärker, als 20 mg Morphin. Auch die D 
flussung des Atemzentrums ist stärker, als durch £ 
Dosen Morphin. Die .Allgemeinnarkose ist ebi 
stärker, aber flüchtiger als nach Morphin. Die n 
Grenze der Wirksamkeit auf das Atemzentrum i 
beiden Alkaloiden ungefähr gleich. Trotz der W 
der an die des’ Heroins erinnernden Wirksamkeit 
Eukodals auf die Atmung ist seine Gefährlichkeit 
weitem geringer. Während 0,01 Heroin intravenos 
Kaninchen durch Atmungslähmung tötet, wird vons 
dal die fünffache Menge vertragen. | 

Ein Gewöhnungsversuch am Kaninchen zeigte! 
die Dosis von 5 mg Eukodal auch noch nach zehnmal 
Injektion unabgeschwächt wirksam ist, und daß dasi 
auch durch eine größere Dosis seine Empfindlict 
gegen die kleinere nicht verlor. 


nn 


Personalnachrichten. 


— Gießen. Dem Assistenzarzt ao. Prol. 
et jur. M. H. Göring ist ein Lehrauftrag für 
sische Psychiatrie erteilt worden. | 


a EES I TER 


Schr 


Es wird gebeten, allen Anfragen an die 
tione 


leitung resp. den Verlag über redak 
i Fragen das Rückporto beizufügel: 


Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 
Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolif & Söhne, Halle a. S 


r anne T 


reiundzwanzigster Jahrgang. | Nr. 31/32. 1021/22, | 


Psychiatrisch-Neurologische 
Wochenschrift. 


| 

 Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). | 
| 

| 


Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 
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Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh. Sanitäts- Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Radar 
I| birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler; Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
1ı Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
il (Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Hartheck, Geh. San.-Rat Dr.. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Pr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Profi. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). - >. 

Nr. 31/32. 5. November 1921/22. 
M Bezugspreis: . Zuschriften für die Schriftleitung 
er ER an Ansehen OA en 

reuzburg „Schl.) zu richten. 
en naach der vom Deut- | Carl Marhold Verlagsbuchhandlung | Bei Anfragen ist das Rückporto 
benen Verkaufsordnung für das kann beizufügen. 
Ausland berechnet. Zu beziehen Halle a. S., Mühlweg 26 Anseigsnpreiss 2 
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u. unmittelbar vom Verki: Er. Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: Marhold Verlag DHEESBRN? wird mit 60 Pf. berechnet. Bei 


H scheint bis auf weiteres vier- “Postscheck: Leipzig 32070. größeren Aufträgen wird Nach- 
| zehntägig in Doppelnummern. laß gewährt. 
inhalt: Zum dritten — und nicht letzten — Male: Sparsamkeit in Irrenanstalten. Von San.-Rat Dr. Bresler, 


Kreuzburg O.-S. (S. 187.) — Der derzeitige Stand der Krankenpflege in den bayerischen Irrenan- 
Von Direktor Dr. Fr. Ast, Werneck. (S: 193.) — Mitteilungen. (S. 197.) — Buchbesprechungen. (S. 197.) 


"stalten. 


Z Zum dritten — und nicht letzten — Male: Sparsamkeit in Irrenanstalten. 
E (Vergl. diese) Wochenschr. 1921-22; XXII, Nr. 1-2 und Nr. 19-20.) 


Von San.-Rat Dr. Bresler, Kreuzburg, Oberschlesien. 


3 ie nachstehenden Zeilen waren gesetzt, als das Unglück über Oberschlesien und 

D über die vielhundertjährige segensreiche deutsche Arbeit für menschliche 

3 Kultur, das neue Unglück über die deutsche Rasse hereinbrach. 

\ Diese Tat, ausgeübt an dem größten und wichtigsten Arbeits- und Kulturzentrum 

Europas und der Welt, durchgeführt mit ebenso roher Gewalt wie kurzsichtiger Selbst- 
Sucht, entsprungen aus dem Gefühl der Schwäche und blind sich gebärdender Furcht des 

\ fäters, — sie ist so sehr gegen Geist und Sinn und Selbsterhaltungstrieb des Menschen- 
ums gerichtet, daß sie nicht nur den Stempel vernunftloser Willkür, der Zweckwidrigkeit 
und des Ungesunden an sich, sondern das Schicksal der Unfruchtbarkeit in sich age 

3 Von Gerechtigkeit sprechen wir nicht mehr. 

E Aber Natur hält noch die Hand über der Menschheit, deren Kultur in Naturge- 


Setzen ç gegründet ist, und sie wird nicht zulassen, daß der zweite Spatenstich zum Grab 
der Menschheit Erfolg hat; der erste wurde von den TOMEDE N ugam in Rußland getan: 


188 | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Schon wird das Gewissen der ganzen Menschheit laut in dem Schrei der 
pörung und Entrüstung der Völker, und der Tag ist nicht fern, wo klarere Einsicht u 


stärkerer Gemeinsinn zur Heilung führt. 


Wir lassen diese Höffnung nicht sinken — mag auch noch Schlimmeres kommen: 


und werden an ihrer Erfüllung mitwirken. 
Für heute legen wir Trauer an. 


A den vielen, die wissen, .daß communis be- 
deutet: gemeinsam (das Wort kommt von dem 
altlateinischen moene = Mauer, weist also ur- 
sprünglich nur auf das Wohnen innerhalb gemein- 
samer Mauer, wohl Stadtmauer), von diesen vielen 
ist nur wenigen bewußt, wie unendlich vielfältig 
Menschengeschlecht und menschliche Gesellschaft 
durchflochten und geknüpft, überhaupt am Leben 
und zusammengehalten wird durch das, was heute 
seinen Nafnen als Schlagwort zu einem viel Geld 
einbringenden politischen Erwerb und Geschäft 
hergeben muß, — durch Kommunismus, und 
zwar in Dingen, die viel wichtiger sind als Auftei- 
lung -von Privatbesitz.: Ich behaupte. wenigstens, 
daß, abgesehen von'einigen Schwärmern und den 
Nachläufern, keiner, der „in Kommunismus macht”, 
„in Kommunismus en gros et en detail reist”, dies 
tut im vollen Glauben an dessen Inhalt und Zu- 
kunit in dem verstiegenen Sinne, wie er heute ge- 
lehrt wird, sondern daß er die Predigt dieser Lehre, 
diesen Wahnschacher, als einträgliche, mühelose 
(ieldgelle ansieht, wobei er bewußt oder unbewußt 
sich rechtfertigt mit dem Umstand, daß das Ver- 
breiten noch größeren Unsinns, solange es Men- 
schen gibt, Geld und Macht bringt und hier und da, 
in dumpfen Niederungen leidender Seelen, ein von 
Staaten geschützter, mit wissenschaftlicher Me- 
thode betriebener Beruf ist, manchmal auch mit 
Feuer und Schwert geschieht: 

Könnten doch den vielzu vielen, die sich an dem 
Gedanken des Kommunismus berauschen. durch 
ihn berauschen lassen, in ihm etwas Neues, Hoff- 
rungsvolles erblicken, immer von neuem wieder 
die Lustspiele des altgriechischen Dichters Aristo- 
phanes als Lektüre zugänglich gemacht oder vor- 
geführt werden, in denen er die kommunistischen 
Pläne seiner Mitbürger geißelt und verspottet (Ende 
des fünften Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung). 
Es ist ganz die gleiche Geistesrichtung wie der 
heutige Kommunismus. Auch dies alles ist schon 
dagewesen! 


Von den vielen, die wissen, daß privat bedeutet: 
eigen, ist nur wenigen bekannt, daß dies Wort von 


‚teil wird, daß es immer Volksvermögen ist, 1 


"besitzt, wie auch herren- und erbenlos gewond 


Am 21. Oktober 1921, 


privare = absòndern kommt, das aber urspri 
lich vorwiegend die Beutung rauben hatte 
privat also ursprünglich heißt: abgesondert,4 
raubt, nicht aber eigen in dem Sinne, daß ew 
nur für mich ist, die anderen aber gar nichts 
geht; und nur wenigen ist bewußt, daß es le 
Endes und heute, da die Erdoberfläche unter 
Völker aufgeteilt ist, da es keine herrenlose W 
nisse gibt, immer Volksvermögen ist, von & 
man etwas für sich absondert oder sich aneigi 
indem man es von einem anderen erwirbt, seie 
Ländereien oder Banknoten oder der Brillant 
der Busennadel oder die Ausbildung, die einem! 


aus einer Hand in die andere geht, daß es lei 
Endes immer Volksvermögen ist, was der Ein 


Besitz dem Volke wieder anheimfällt und 
von einem beliebigen Einzelnen privierti 
den darf, daß aus diesen tieferen Gründen Re 
tum des Einzelnen oder Einzelner, wenn eri 
ein gewisses Maß hinausgeht, anfängt volks-1 
gemeingefährlich und -schädlich zu werden. 4 
Volk, dessen Vermögen einem oder einzelne 
hört, ist kein Volk mehr, sondern eine Schar 
ven, eine Herde, die bald zur Horde wird. B 
vielleicht unmöglich zu sagen, auf welchem ak 
ren letzten Grunde der Besitz beruht als dard 
daß man aus dem Volksvermögen oder voni 
Dingen der Erde sich mittelst körperlicher 4 
geistiger Überlegenheit, mittelst Kraft oder i 
etwas aneignet oder „erwirbt; werben hängt? 
Wehr, englisch war — Krieg zusammen, \ 
leicht auch mit Ware; man vermengt und \ 
wechselt es oft und gern mit „Werte schafft 
„produzieren”, das. bekanntlich nicht immè 4 
Reichtum führt. 


Solche volkswirtschaftlichen Elementarbet 
tungen an dieser Stelle als Einleitung zu sehet! 
nicht wundern; sind wir Irrenärzte doch ab 
amtete Ärzte, also Beamte, wie letztere W 
haupt, heutzutage ganz besonders zum Nacht 
ken darüber veranlaßt. Der Beamte schwebt tie 


1921} 


zwischen zwei auf die Spitze getriebenen Gegen- 
-sätzen: Kommunismus und Kapitalismus, beide in 
“kräftigster und prächtigster Reinkultur, beide dem 
- Beamtentum nicht besonders hold. | 

= Kapitalist und Kommunist glauben Stütze des 
Staats zu sein; aber nur die Beamtenschaft ist 
-Gerippe und Stütze des Staats zugleich, sein 
“ Knochengerüst. 

- Es ist gänzlich verkehrt, wenn gerade heute, 
wo alle Münder voll sind von Gemeinwohl, 
- Kommunismus, Sozialismus und ähnlichen Schlag- 


g worten, wenn gerade heute in aller wissenschaft- 


lichen Form seelenkundliche Untersuchungen dar- 
rüber angestellt werden, ob nicht die Neigung zur 


- Beamtenlaufbahn auf dem Bedürfnis beruht, sein 


5 Leben bequem und sorglos zu gestalten, den täg- 
lichen Kampf ums Dasein zu fliehen, und dieses Be- 
- dürfnis auf einer Schwäche, auf dem Gefühl, im 
| Erwerbsleben nicht mitzukommen; ob nicht der 
Verzicht auf die Möglichkeit, zu unbegrenztem 
Reichtum und Einfluß zu glangen, Ausdruck solcher 
E Schwäche ist. 
E An einem gesunden Volke ist der 
Beamte die Verkörperung des ver- 
‚nünftigen Kommunismus. Um -dazu 


E recht befähigt zu sein, das. setzt allerdings vor- 
aus, daß er nicht an Erwerbsgier, Habsucht und 


 Selbstsucht leidet; und daß er seine kommunisti- 
sche Neigung und Befähigung verwerten kann, 
‚das setzt voraus, daß der Staat ihm eine ange- 
messene Daseinsform gewährleistet. Es 
- merkenswert, wie schwächlich, wie machtlos der 
Staat” gegen Wucher und Verschwendung auf- 
‚ tritt, wie er bei Beamtengehältern kargt und. zau- 
dert und zusieht, daß ganze Beamtenklassen in 
‚ihrer Lebenshaltung um viele Stufen herabge- 
drückt werden, während der Erwerbsmensch sich 
‚einfach damit hilft, daß er höhere Preise macht, 
und das geht so einfach und reibungslos, daß man- 
‚cher in wenigen Jahren genügend Geld zu- 
 rücklegt (aus dem Volksvermögen „absondert”), 


"um sich zur Ruhe. setzen zu können, wenn er 


hicht den Ehrgeiz hat, vielfacher Millionär oder 
Milliardär zu werden, während der Beamte 40 
Jahre arbeiten muß, um seine „Zinsen”, sein Ruhe- 
gehalt zu verdienen, der Arbeiter freilich noch 
länger. 

- Nun zur eigentlichen Sache. 

= Der Irrenarzt erfüllt in dreifacher, und wich- 
tiger, Beziehung Aufgaben des Kommunismus, wie 
-er oben gemeint ist. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ist pes- 


189 


Er sucht die geistige Gemeinschaft, 
den seelischen Kommunismus des ihm 
anvertrauten Kranken mit der Menschheit wie- 
der herzustellen. Das ist ein wesentlicher Teil 
der Irrenheilkunde. et 

Dabei berücksichtigen wir, daß die Wahnidee 
gewöhnlich nicht so sehr als solche und an sich, 
d. h. danach, daß sie einen Irrtum birgt, den Gei- 


steskranken aus dem geistigen Zusammenhang mit 


den anderen bringt, sondern die im Wahn sich 
kundgebende Auffassung der Umwelt. Es kann 
jemand die absonderlichste Wahnidee haben und 
doch ein ganz nützliches Glied der Gesellschaft 
sein, und es gibt sogar im Völkerleben wahn- 
gleiche Gedankengebilde, die gewisse geistige Ge- 


meinschaften und -die verschiedensten Kommu- 
nismen erzeugen — oder von ihnen erzeugt 
werden. | 


Der Irrenarzt soll und will aber auch die 
wirtschaftliche Gemeinschaft seiner 
Kranken mit der Außenwelt wahren, d. h. dafür 
sorgen, daß seine Kranken, solange sie in der An- 
stalt sind, möglichst dieselben Vorteile der Lebens- 
führung genießen wie andere und an den Nach- 
teilen derselben nicht mehr zu leiden haben als die 
anderen. Wir müssen der Mitwelt immer wieder 
klar machen, daß Geisteskranken, so wenig sie 
ihre Rechtsfähigkeit verloren haben, so wenig all 
das, iwas 'wir unter Menschenwürde verstehen, 
durch die Krankheit geraubt ist. Wir Irrenärzte 
müssen uns dabei stets bewußt bleiben, daß die 
anderen zu sehr dazu neigen, das Geisteskranke 
logisch, juristisch, selbst rechthaberisch zu be- 
trachten, und etwa so denken: was ein Geistes- 
kranker spricht, ist Unsinn, folglich ist er im Un- 
recht, folglich usw. Nichts, was ein Geisteskran- 
ker spricht, ist für ärztliche Auffassung „Un- 
sinn.” Jede seiner Äußerungen ist bestimmt 
durch die Vorgänge im Gehirn ganz wie beim Ge- 
sunden, nur in anderer Art, aber (diese Art kennt 
die Wissenschaft noch nicht genügend und will sie $ 
erst erforschen. Ein trauriger Wahn mancher Ge- 
sunder ist es zu glauben, daß der unheilbare Wahn, 
der „Unsinn”, Geisteskranker seinem Inhalt nach 
nicht Gegenstand der Forschung sein kann. 

Auch die formloseste und sinn- 
widrigste seelische Äußerung des 
Geisteskranken ist und bleibt ein 
ebenso hochwertiger Forschungs- 
segenstand wie der Bau der Atome 
oder die Bahn der Himmelskörper 


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190 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


| 


oder die Gründe des Valutaschwin- 
dels. 

Das Gefühlsleben wird vom Laien dabei in- 
stinktiv außer Betracht gelassen, weil solche Be- 
trachtung das eigene Gefühl in Mitleidenschaft 
zieht, während: dort die geistige Überlegenheit 
gegenüber dem Geisteskranken stolz empfunden 
und zum Ausdruck gebracht wird. 


Eben solche ständig alle Seiten des Seelen- 


lebens, also die Persönlichkeit unserer Gei- 
steskranken erfassende Betrachtung der Irrenheil- 
kunde, die doch die Aufgabe des Irrenarztes und 
Irrenpflegepersonals zu einer ebenso anstrengen- 


den wie erhabenen macht, vermag nur den Erfor- 


dernissen dieses Zweigs. der Volkswohlfahrt ge- 
recht zu werden. Wer die Irren nur daher kennt, 
daß er gelegentlich in dem ebenso selbstherrlichen 
wie irrigen Gefühl, „normal” zu sein, durch die 
Krankensäle schreitet, der vermag ‘das nicht, von 
dem kann man’es auch nicht verlangen, und wer 
sie durchschreitet, indem er wahnhaften Auße- 
rungen (Geisteskranker mit einem überlegenen, 
„verständnis”’vollen oder gar ironischen Lächeln 
begegnet, der soll von der Irrenanstalt fern blei- 
ben, oder man soll in solchem Falle den einfachen 
Aufklärungsversuch anstellen und fragen: Was 
würdest du sagen, wenn jemand über eine krank- 
hafte Äußerung (deiner im Fieber phantasierenden 
Mutter lächeln würde? | 

Und wer gar in die Irrenanstalt tritt mit dem 
schmerzlichen Empfinden, hier wird zu wenig 
„produktive? Arbeit geleistet, weil nicht- alle 
Kranke geheilt werden, der ist zu belehren, daß 
es gilt, selbst bei Unheilbaren Menschentum und 
Menschenwürde zu wahren, daß draußen aber viel 
Menschenunwürdiges kultiviert und dafür Geld 
verschleudert wird, daß draußen nicht alle- Arbeit 
„produktiv” und „kulturell” wirkt, wie z. B. Spiri- 
tusproduktion, von der nur ein kleiner Teil techni- 
schen Zwecken dient. Wie- mancher verdankt 
seinen kostbaren, modernen Pelz oder seinen gan- 
zen Reichtum dem, was andere in krankhaf- 
ter Sucht für seinen Alkohol ausgegeben 
haben. Es ist von Nutzen, gelegentlich auf Phari- 
säertum hinzuweisen. 

Jener hohen Auffassung von der Bedeutung der 
Irrenpflege, nicht etwa nur dem vielen Gelde, 
das vorher vorhanden war, verdanken wir es, daß 
in den Jahrzehnten vor dem Kriege die Irrenhäuser 
aus Armenspitteln prächtige wohleingerichtete 
Bauten geworden sind. Es ist unsere Pflicht, 


‚können. 


.Mark. 


nismäßig große Ausgaben. 


yen 


INr. 31/3 


dahin wirken zu helfen, daß sie, wo rings im Lan 
Wucher und Luxus herrscht, nicht wieder 7 
Armenspitteln mit der Gewährung des nie 
drigsten Existenzminimums Je 
sinken. \ 
Die Hunderttausende Geisteskranker sch 
sind nicht imstande, dahin zu wirken. Fürs 
müssen wir Ärzte eintreten, die wir ihr Los w 
und ganz verstehen und den andern zum % 
ständnis zu bringen vermögen. À 

Sie sind auch keine Zuchthäusler, die zu 
volten schreiten. | 

Im Gefängnis zu Verden kam es infolge & 
mangelhaften Beköstigung zu Meuterei. 

So einfach wie einige Strafanstalten im Reg 
rungsbezirk Hannover und Erfurt, die wegen i 
nährungsschwierigkeiten geschlossen wurden 
Gesundheitswesen des Preußischen Staates U 
bis 1918, S. 141; Berlin 1921, R. Schoetz), hal 
sich die Irrenanstalten ihre Aufgabe nicht madi 


Nach der Allgemeinen Verfügung des Preik 
schen Justizministeriums vom 17. Februar W 
betragen die Haftkosten vom 1. Januar 1921 abi 
den Tag zwölf Mark, bei Selbstbeköstigung s 
Wenn die Verpflegungskosten eines Oé 
steskranken jetzt bis zu zwanzig Mark betrag 
so kann man unter Berücksichtigung, dab es & 
Gesunde sind, die verpflegt werden, nicht Wg 
haupten, die Irrenpflege verursache y er hälf 


Al 
'| 
A 


à 
i 


d 
" 


In den Strafanstalten werden die Speisen ù 
reits wieder grundsätzlich in den nach der N 
ordnung (enthalten in der „Geschäftsanweisung g 
die Hauswirtschaft bei den dem Ministerium % 
Innern unterstellten Strafanstalten vom 3 M 
tober 1908” und den „Vorschriften über die W 
pflegung der Gefangenen in den Gefängnissel “4 
Justizverwaltung vom 31. März 1908”) vos 
sehenen Mengen gegeben, dabei wird die fehlen 
Menge der nach der Kostordnung zustehendi 
Brotportion durch reichlichere. Morgen-, Mitat 
oder Abendkost ergänzt (Graupen, Hülsenfric 
Kartoffeln). Fleisch wird vorerst wöchentit 
(neben Fisch und Heringskartoifeln) statt Wi 
nur 100 g gegeben, dafür findet aber ein A 
gleich durch eine tägliche Fettportion VON 50 0 
60 g statt. Eine endgültige Regelung steht beg 

Bemerkenswert nebenher ist, daß bei Festi 
zung der Gefangenenarbeitslöhne in gecisi 
Fällen außer den Organen des Gewerbes; par 


E 1921] 


- schaften herangezogen werden, um immer mehr 
‚ die Anpassung der Gefangenenarbeitslöhne an die 


‘Löhne freier Arbeiter zu erreichen. 


Es muß gesagt werden, daß gerade die Irren- 


anstalten in den Zeiten der allerschwersten Nah- 


CL O4 7] 


rungsnot, im Kriege, hinsichtlich Entbehrung und 
, Ersparnis (wenn man das noch Ersparnis nennen 
darf) das Höchste geleistet haben: trotzdem die 
meisten Irrenanstalten, da mit ausgedehnter Land- 
' wirtschaft verbunden, Selbstversorger 
= während des Krieges nirgends die Sterblichkeits- 
ziffer so 
u ‚Fast 
E Krieges 


sind, ist 
hoch gewesen wie in den Anstalten. 
überall starb. wäh:rend des 
die «A älite ders Insassen; 


zum Teil infolge Nahrungsmangels”, 


sagt der Bericht: Das Gesundheitswesen des Preu- 


u Sischen Staates 1914-18, bearbeitet in der Medi- 
5 zinalabteilung des Preußischen Ministeriums der 
F Volkswohlfahrt; Berlin 1921, R. Schoetz, S. 136, 
‚von den Irrenanstalten. 


In welcher anderen Bevölkerung s- 


f eruppe betrug die Sterblichkeit die 
u Hälfte? | 


DER EL 2 


Bindings, des berühmten Rechtsgelehrten, 


„nach dem Kriege vorgebrachte, ‘wenig rühmliche 
' Anregung | 
‚ schen” ist innerhalb des Blockade-Hungerelends 
‚ wirklich in. denkbar größtem Stil vorweg ausge- 


„Vernichtung lebensunwerter Men- 


führt, aber in einseitiger Anwendung auf die An- 
- staltsgeisteskranken in Deutschland. 


Es erfordert keine besondere Charakterstärke 


m oder Weisheit an Geisteskranken zu sparen; weil 


u sie außerhalb der Anstalt zu 


leicht unter der 


u Selbstsucht von Mitmenschen zu leiden haben, 
u deshalb besteht doch eben eine gesetzlich ge- 
‚ regelte Irrenpflege. Es wäre doch auch zu lächer- 
dich, die Sparsamkeit gerade bei den Ärmsten der 
| ‚ Armen die Höchstleistung erreichen zu lassen! 


Die in einer Irrenanstalt Süddeutschlands ge- 


machten Berechnungen haben ergeben, daß die 
| Beköstigungsausgabe beträchtlich hinter der Teue- 
‘rung, welche für Lebensmittel das zehn- bis zwan- 


 zigfache beträgt, zurückzeblieben ist, und so ist- 
es wohl in den meisten Anstalten. 


Dabei sind 


gerade die süddeutschen Irrenanstalten wegen der 
-Teichlichen- und guten Beköstigung ihrer Kranken 
bekannt. , | 


A Zur Verminderung der Ausgaben für die Irren- . 
} Pilege hat man bei einer Verwaltung den Vor- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


191 


| dels, Handwerks und der Landwirtschaft auch Ver- 
tretungen der in Betracht kommenden Gewerk- 


schlag gemacht, die wirtschaftlichen Betriebe, so- 
gar die Beköstigung und den Küchenbetrieb, von 
der Anstalt loszulösen und an private, allerdings 
unter Anstaltskontrolle stehende Unternehmer zu 
vergeben. Ein solches Verfahren ist früher im Be- 
reich einiger Irrenanstalten schon einmal längere 
Zeit eingeführt gewesen. Es kann nicht dringend 
und ernstlich genug davor gewarnt werden und es 
kann nur angenommen werden, daß ein solcher 
Vorschlag von privaten Unternehmern ausgeran- 


gen ist. Man könnte dann manches andere durch- 
weg auch verprivatisieren: Rechstpflege, Unter- 
richt u. a. 


Dagegen lassen sich z. B. Ersparnisse an Ge- 


.hältern erzielen, wenn auf den Abteilungen nicht- 


gefährlicher Männer mehr als bisher Pflege- 
rinnen angestellt und für solchen Dienst Pfle- 
ger nicht neu eingestellt würden. Gegen die Ein- 
stellung von Krankenpflegepersonal der kirchlichen 
Genossenschaften in staatlichen Irrenanstalten be- 
stehen. Bedenken, schon wegen der Zwiefältigkeit 
der weltlichen und kirchlichen Verwaltung. 

Letztere wird neben der rein seelsorgerlichen 
Aufgabe nicht darauf verzichten wollen, die kir- 
chenpolitische im Auge zu behalten und die Forde- 
rungen des Kirchenregiments, der Ecclesia mili- 
tans. Es wird sich mit der Zeit das Bestreben 
durchsetzen, die öffentliche Irrenfürsorge zu kon- 
tessionalisieren. zur Weltanschauungssache zu 
machen, statt zur neutralen, rein menschlichen, 
ärztlichen; -das geistig-seelische Leben ist aber 
schon so arg zerklüftet, daß man vor: jeder 
weiteren Spaltung zurückschrecken sollte. 

Ferner ist es ein Widerspruch, wenn zur Behe- 
bung eines Mangels, zur Verminderung der hohen 
Kosten für weltliches Pflegepersonal, anderes Per- 
sonal herangezogen wird, das nicht etwa wegen 
Wohlhabenheit billiger arbeiten kann, sondern weil 
es auf natürliche, gesunde Lebensbetätigun- | 
gen (Verehelichung, Ersparnisse machen für Ver- 
ehelichung, für bedürftige Angehörige usw.) ver- 
zichtet, Betätigungen, die doch Geldverdienen nötig 
machen. Die Beweggründe mögen noch so wenig 
„weltliche” sein, vielmehr je höher, außerweltlicher - 
sie sind, sie werden auch dann noch unter dem Ge- 
sichtspunkt des ‚„Wettbewerbes”, dann eben um 


höhere Güter und Vorteile, von dem „weltlichen” 


Pflegepersonal aufgeiaßt werden dürfen, denn man 
kann Ausübung charitativer Krankenpflege in den 
Formen der kirchlichen Krankenpflegegenossen- 
schaften als eines Restes des wohlgemeinten, aber 


kommunistischen . 


wie zu erwarten mißglückten 
Versuchs def ersten Christengemeinden nicht so all- 
gemein einführen, daß Wettbewerb, wenigstens 
innerhalb des Krankenpflegeberufs, überhaupt in 


keiner Beziehung, weder irdischer noch überirdi- 


scher, in Betracht kommt. 

Es darf wohl auch gesagt werden, daß das Kir- 
chenchristentum aller Länder, als Ganzes genom- 
men, als geistig-seelische Macht, während des 
Krieges und seither zu wenig für Erfüllung dringen- 
der, allgemeinmenschlicher, völkerseelischer Forde- 
rungen in Wirkung zu treten, sich lebendig und 
kräftig erwiesen hat, um, zumal bei der fortge- 
schrittenen Aufklärung, den tiefgehenden und nach- 


haltigen seelischen Einfluß auf den einzelnen Kran-- 


ken und auch den Geisteskranken auszuüben, den 
wir wünschen möchten und der jene Bedenken 
schwinden machen würde. | 

‚Nächst der Beköstigung ist es in den Irrenan- 
stalten die Reinlichkeit, bei der nicht mehr 
als unbedingt nötig gespart werden darf. 
bedeutet, wenn in Irrenanstalten in diesem Punkte 
Mangel oder nur Knappheit herrscht, wird man 
auch Laien leicht begreiflich machen können, auch 
daß die Sparsamkeit hier Mehrausgaben an Medi- 
kamenten und Verbandstoffen für Behandlung von 
Hattausschlägen, besonders Krätze verursacht, 
also keine Sparsamkeit ist; daß solche Haut- 
leiden gerade nicht zum ° Wohlbefinden der 
Geisteskranken beitragen, wird der Steuerzah- 
ler auch verstehen. Daß wegen zu weitgehender 
Einschränkung der Bäder der fürchterliche Druck- 
brand häufiger vorkommt und daß mehr chemische 
Beruhigungsmittel gegeben werden müssen, die 
recht kostspielig sind,’ steht auch fest. 

Wo beginnt eine staatliche Einrichtung Armen- 
fürsorge zu werden? Doch nicht dort, wo eine 
solche Einrichtung vom Staatsbürger nur unter 
staatlichem Zuschuß benützt wird. Dann ist fast 
jeder Geisteskranke in einer staatlichen Irrenanstalt 
ein Armenfürsorgepflegling, denn wie wenigen Fa- 
milien ist es möglich, im Jahre — und das jahre- 
lang — 6000 bis 7000-Mark Pflegegeld für einen gei- 
steskranken Angehörigen in der Anstalt zu zahlen. 
Dann ist aber auch der Reisende, der im Abteil 
I. Klasse auf der Eisenbahn fährt, ein Armer, weil 
die Eisenbahnverwaltung mit ihren Einnahmen aus 
den Fahrgeldern nicht auskommt und durch Steuern 
Zuschuß aufbringt, woran sich Tausende Bürger 
beteiligen, die das ganze Jahr nicht ein einziges 
Mal die Eisenbahn benützen. Und wenn jemand 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


gnügungsreisende zahlt, ist sicherlich um ein Wg 


Was es. 


wicht bieten und damit 


[Nr. 30% 


einen Ausflug in der I. Klasse macht, so ist ere 
„armer” Vergnügungsreisender. Der Zuschuß,& 
der Staat in einem Jahre für solche „arme” Ve 


faches höher als seine Ausgaben für die öffentik 
Irrenpflege. Doch soll hier davon nicht weiterg 
sprochen werden, da ich bereits an anderer St 
den Vorschlag gemacht habe, die staatliche Irm 
fürsorge von dem Charakter der Armenpileg 
befreien. 1 

Wenn auch ausschließlich diejenigen, wel 
gegenwärtig die Weltgeschichte in eine Indianeg 
schichte, die Weltordnung in eine Weltunordng 
verwandeln, weil sie die Macht in den Hän 
haben und die besiegten Völker aus blasser Am 
vor der Rache für immer unschädlich machen w 
len, letzten Endes an der Fortdauer des gaii 
Elends auf der Erde schuld sind, und wenn al 
diese ihre Schuld bis in die Zelle ‚der Irrenani 
wirkt und dort vielleicht am schrecklichsten, so migi 
doch alles oben Gesagte auch unserem Steuern 
willigenden Publikum immer wieder zu -Gemi 
geführt werden, damit es die Notwendigkeit | 
Bewilligung ausreichender und reichlicher Mit 
für die Irrenanstalten einsieht. Der Mangel an W 
ständnis und Opfersinn liegt nieht allein an & 
natürlichen -Scheu-der- Bevölkerung vor Geiss 
kranken. | 

Es ist bitter, gerade unter den gegenwärtig 
traurigen Verhältnissen immer wieder und mits 
chem Nachdruck für die Irrenanstalten eintreiel2 
müssen, heute wo einerseits schon drauben & 


-stige Verwirrung, die durchaus bereits Kran 


ist, so ungeheuren, gar nicht gut zu mache I 
Schaden stiftet, und andererseits die Mittel kwi 
für den Aufbau gesunden Volkstums hinr eiche 
Aber wer anders soll es tun als wir Irrenätz i 
Man schiebt uns allein schließlich Verantworfss 
und Schuld zu, wenn Armut und Mangel in Irrel | 
anstalten nicht aufhört. Und wir dürfen uns ZIME 
halfen, daß wir mit solcher Arbeit und sol i x 
Beispiel den immer mehr um sich greifenden wi r 
stischen, fast tierischen Instinkten ein Gege 


nd. nicht uU 


unsere dritte 
stische 


wichtigste kommunis 
Aufgabe Mo 

erfüllen, nämlich der Menschheit zu Gemüte ti N 
ren, daß Geisteskrankheit in der Hauptsache # 
scheinung der Kultur und damit eine gemeinsi | 
Angelegenheit der Menschheit, ihr ganz und & 1 


1921] 


Eemeinsamer Besitz ist, an dem gar man- 
3 er, ohne es zu wissen, besonders reichen und 
3 privaten” Anteil hat, indem er entweder die An- 
El age zu geistiger Erkrankung in sich trägt, oder, 
fwas noch schlimmer, auf die Nachkommen vererbt 
| ind auf wieviele! Ihre gemeinsame Schuld, 
"die abzutragen ein jeder Grund genug hat, und 
| mancher obendrein einen „privaten’”. 


von Direktor Dr. 


r ie Aufgabe, die mir gestellt worden ist, ist eine 
E zweifache. 
! iber die Rückwirkungen der neuen Zeit speziell 
auf die dienstliche Stellung unseres Pflegeperso- 
f jals, zweitens soll ich Ihnen eine Übersicht geben 
fi über die uns von Ihnen zugegangenen Vorschläge, 
| wie unser Anstaltswesen den drohenden Gefahren 
Mbegegnen kann. | 
f Die veränderte Stellung unseres Personals 
Kommt hauptsächlich im Betriebsrätegesetz und 
i m den Tarifverträgen zum Ausdruck. 

E Nach $ 9 des BRG. konnte es keinem Zweifel 
interliegen, daß die Heil- und Pflegeanstalten als 


tiebsräte zu bilden haben. Es war aber nicht von 
vornherein ausgemacht, daß gerade das Pflegeper- 
í Sonal der Anstalten unter das Gesetz falle. Die 
dienstliche Stellung desselben, soweit es noch 
keine Beamteneigenschaft erlangt hatte, war nach 
| Keiner Seite hin festgelegt. 

-Nach $ 13 des BRG. und nach den dazu gegebe- 
en Kommentaren können auf dem V’erordnungs- 
[wege sowohl Beamte und Beamtenanwärter als 
Erbeitnehmer im Sinne des Gesetzes erklärt und 
Rliesem unterstellt (Abs. 1), alsauch umgekehrt 
g bs. 4) Arbeitnehmer, die, ohne Beamtenanwär- 
er zu sein, Aussicht auf Übernahme in das Beam- 
ienverhältnis haben, vom BRG. ausge nom- 
nen werden. Allen Zweifeln hierüber machte 
die Min.-Entschl. vom 28. April 1920 ein Ende, die 
Bwar davon absah, Beamte unter das Gesetz zu 
Btellen, aber für alle Nichtbeamten den Vollzug des 
Sesetzes anordnete. So kam es, daß die nicht- 
eamteten Pfleger im Betriebsrat ihre Vertretung 
anden bzw. ihn, entsprechend ihrer zahlenmäßi- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Einmal soll ich Ihnen berichten 


Betriebe des öffentlichen oder privaten Rechts Be- 


193 


Hunderttausende geisteskranke 
Angehörige der Arbeiterschaft und des minderbe- 
mittelten Bauern- und Bürgerstandes um das zu 
ihrem Leben Allernotwendigste gerungen werden 


Während für 


muß, saugen an den Börsen ein paar Dutzend 
schmutzige Ausländer unbehindert unter Kurstrei- 
berei und systematischer Geldentwertung wie 
aasgierige stinkende Ayänen dem (deutschen Volke 


den letzten Tropfen aus. 


Piui! 


P S e a E N E ARE T NE ER TE ZECHE VENEN 
D er derzeitige Stand der Krankenpflege in den bayerischen Irrenanstalten. 


HF Korreferat, erstattet auf der Versammlung bayerischer Psychiater zu München am 30. und 31. Juli 1921 
E Fr. Ast, 


Werneck. 


gen Überlegenheit gegenüber den übrigen Bedien- 
steten, vorwiegend zusammensetzten. Ausgenom- 
men hiervon sind drei Anstalten, die von Anfang 
an.ihr Pflegepersonal als Beamtenanwärter be- 
trachteten. In Ansbach und Erlangen wurden zwar 
Tarifverträge abgeschlossen, aber keine Betriebs- 
räte gebildet, sondern die alten Pflege- und Be- 
dienstetenausschüsse beibehalten, dies jedoch per 
nefas, denn die Min.-Fntschl. vom Juni 1919, die 
sagt: „Betriebsräte sind nur dann zu bilden, wenn 
es sich um Unternehmungen handelt, die mit der 
Absicht auf Gewinnerzielung betrieben werden,” 
ist von der ebengenannten Min.-Entschl. überholt. 

Von den einzelnen Bestimmungen, die das BRG. 
gebracht hat, schneiden in das bisherige Pfleger- 
wesen ein namentlich. die Bestimmungen der 
S8.66, V,75 und 80 Abs. 2. Nach $ 66 Ziff. V ist es 
Aufgabe des Betriebsrates, für die Arbeitnehmer 
semeinsameDienstvorschriften und Ände- 


rungen derselben im Rahmen der gültigen Tarifver- 


träge zu vereinbaren. Nach $ 75.hat der Arbeitgeber - 
den Entwurf von Dienstvorschriften 
dem Betriebsrat vorzulegen. Kommt 
über den Entwurf kein Einigung zustande, so, kön- 
nen beide Teile den Schlichtungsausschuß anrufen. 
S 80 Abs. 2 spricht aus, daß die Festsetzung 
von Straien durch den Arbeitgeber ge- 
meinsam mit dem Arbeiter- oder Angestellten- 
rat zu erfolgen hat. In Streitfällen entscheidet auch 
hier der Schlichtungsausschuß. Diese Bestimmun- 
gen stehen in schroffem Widerspruch zu unseren 
Dienstanweisungen, deren Grundlage das un- 
eingeschränkte Disziplinarrecht und 
die unabhängige Verordnungsgewalt 
der vorgesetzten Behörde bildeten, Die Art, wie - 


| 


ea _  PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE. WOCHENSCHRIFT 


sich die Anstalten hiermit abfanden, war sehr ein- 
fach. Die Bestimmungen wurden nirgends ausge- 
führt, und es hat auch kein Betriebsrat einer An- 
stalt die Beachtung der ihm durch §§ 75 und 80 
zustehenden weitgehenden Rechte zu erzwingen 
versucht. So ist es begreiflich, daß es trotz der 
für die Disziplin einer Anstalt recht gefährlichen 
Fassung dieser Gesetzesparagraphen ernstliche 
Anstände nicht gegeben hat. Etwas anders ver- 
hält sich die Sache bei den Kündigungen aus diszi- 
plinären Gründen, von denen gleich zu sprechen 
sein wird. 


Die 88 78 Ziff. 8 und 9, 81, 82, 83 und 84 regeln 
die Aufgaben und Rechte des Betriebsrates bei 
der Einstellung und Entlassung von 
Personen. Die im Entwurf sehr weit gehen- 
den Befugnisse wurden bei der endgültigen Fas- 
sung des Gesetzes so abgeschwächt, daß auch für 
das Anstaltswesen kaum mehr Schwierigkeiten 
hieraus entstehen können und auch nicht entstan- 
den sind. Die in $ 81 geforderten Richtlinien über 


die Einstellung wurden nur im Kreise Schwaben 


aufgestellt, im übrigen beschränkte man sich auf 
die wohl in allen Tarifverträgen gleiche Bestim- 
mung, dab die Anstalten ihre Arbeitskräfte durch 
Vermittlung der öffentlichen Arbeits- 
nachweise zu beziehen haben. Aber auch 
diese Tarifvertragsbestimmung wurde in keiner 
Anstalt durchgeführt, offenbar weil die Arbeits- 
nachweise zu dieser Vermittlung sich praktisch 
völlig unfähig erwiesen und die Betriebsräte sich 


dieses Umstandes zu gut bewußt waren, um auf 


ihre Beachtung zu dringen. Im Gegensatz dazu 
wurde vom Betriebsrat vom $ 84 BRG., der das 
Einspruchsrecht gegen Kündigungen behan- 
delt, nach den Antworten der Anstalten zu schlie- 
ben, ausgiebig Gebrauch gemacht; es gab offenbar 
wenig Kündigungen, gegen die der Betroffene 
nicht die Hilfe des Betriebsrates in Anspruch nahm 
und auch fand. In verschiedenen Fällen kamen die 
Kündigungen vor den Schlichtungsausschuß. Die 
dabei mit demselben gemachten Erfahrungen waren 
wenig befriedigend. In einem Falle lautete die 
Entscheidung dahin, daß einer Pflegerin, die er- 
wiesenermaßen Diebstahl begangen hatte, der 
Dienst nicht gekündigt werden durfte, in anderen 
Fällen suchte er sich der Entscheidung durch Un- 
zuständigkeitserklärung zu entziehen oder auf ein 
Kompromiß hinzuarbeiten. Ein anderes Verhalten 
kann auch von diesen Berufungsausschüssen nicht 
erwartet werden. Sie sind ja — wie die die Strafe 
verhängende erste Instanz — ebenso paritätisch 
aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammen- 


‚herrschende vorwiegende Einstellung auf dieR@ 
und nicht auch auf Pflichten ersehen kann, s 


gesetzt und mit der Aufrechterhaltung dat 
plin in einer Anstalt nicht verträglich. A 

Endlich sei noch kurz gestreift, wie die Betri 
räte ihre Aufgaben, wie sie im $ 66 Ziff. 1b 
näher umschrieben sind, aufgefaßt haben, Da 
haben sie sich keineswegs auf die Wahrnehm 
der sozialen und wirtschaftlichen Interessen, 
Arbeitnehmer zu beschränken, sondern sollen 
Betriebsleitung mit Rat unterstützen, bei der 
führung neuer Arbeitsmethoden fördernd mitas 
ten, kurz, verantwortungsbewußte und ar 
freudige Mithelfer des Betriebes selbst seini 
werden. Unsere Frage nach den Beratungs 
ständen der Betriebsratssitzungen nun wurd 
stimmig dahin beantwortet, daß es aus s chliii 
lich solche des erstgenannten Aufgaben 
waren. Die Betriebsräte fühlten sich also alsm 
Interessenvertretung, wie dies die früheren Pigi, 
und Bedienstetenausschüsse waren. Abg 
davon, daß man vielleicht auch daraus die all 


nen weitere Nachteile hieraus nicht erwachsiiii 
sein. Ob die künftigen Beamtenausschüse i 
-räte in dieser Beziehung ein anderes bes 
Bild aufweisen werden, dürfte erst abzuwigi 
sein. Bl 
Die- Beantwortung unserer Fragen nadi, 
Wirkung des Betriebsrätegesetzes im ale 
meinen fiel mit Ausnahme eines Kreises, IE 
besonders ungünstige Umstände gewalt! 
haben scheinen, einmütig dahin aus, daß wei 
sondere Vor- noch Nachteile bemerkbar wigi 
Dies mag zum Teil daran liegen, daß, wie 
auseinandergesetzt wurde, gerade die in da, 
herige Anstaltswesen eingreifenden Bestim 
gen nicht genügend oder gar nicht vollzogen w 
den, verdient aber immerhin Beachtung, wema 
bedenkt, daß die Zeitumstände für de ME 
Einführung des BRG. denkbar ungünstig I 
Auch unser Personal war von der Revoluti 
psychose ergriffen. und von Ruhe und Bedat 
keit weit entfernt. Wie überall, rissen die# 
Jungen die Führung an sich. Auf der ai 
Seite können sich die wohltätigen Folgen ME; 
fortschrittlichen sozialen Gesetzgebung el 
längerer. Zeit fühlbar machen. So viel jäßt S 
wohl sagen, daß die Grundge »dankenf 
Gesetzes, die Heranziehung des Personals 
Mitraten und Mitbestimmen in seinen Angel! 
heiten und, mit gewissen Beschränkungel), ins d 
trieb selbst, mit unseren Anstaltsinteresse! " 
verträglich, nach meiner Überzeugung VW 
wie die Umstände sich einmal gestaltet habet 


1921] 


entbehrlich sind. Der MHauptnachteil, an dem abe: 
das BRG. selbst nicht schuld ist, besteht 
darin, daß es für die Irrenanstalten, die nun einmal 
keine Fabriken sind, nicht paßt. Seine Anwen- 
dung auf das Pflegepersonal liegt nicht einmal im 
Interesse des Personals selbst, das ganz unnötiger 
Weise dadurch in zwei Gruppen mit verschiedenen 
Rechten und Interessen zerlegt wird. Als das 
zweckmäßigste erscheint es sonach, gemäß $ 13 
Abs. IV BRG. in Zukunft alle nichtbeamteten 
Pilegepersonen von vornherein als Arbeitnehmer, 
die nicht unter das Betriebsrätege- 
setz fallen, zu erklären. 
- Die Stellung des Pflegepersonals unter das Be- 
itiebsrätegesetz führte folgerichtig auch zu der 
Form der Arbeitsverträge, wie sie zwischen Ar- 
beitern und Unternehmern im wirtschaftlichen Leben 
als gleichberechtigten Partnern zur Geltung ge- 
langt sind, zu den. Tariiverträgen. Tarii- 
Verträge wurden in fast allen Kreisen mit einer 
Ausnahme (Oberfranken) abgeschlossen. Der sog. 
Manteltarif, der die allgemeinen Bestimmungen ent- 
hält, dürfte wohl aus den Richtlinien, wie sie 
zwischen dm Kreisverband und der Ver- 
tretung der Arbeitnehmerschaft vereinbart wur- 
den, in allen Kreisen übernommen worden sein. 
Ich will Sie, um nicht zu sehr ins einzelne zu gehen, 
damit nicht weiter aufhalten. Das Wesentliche 
tand bereits beim Betriebsrätegesetz Erwähnung. 
- Die Erfahrungen mit den Tarifverträgen schei- 
hen, wenn man nach den Antworten schließen 
darf, die wir auf die Anfrage erhalten haben, ob 
man künftichin die Anstellung nach Tarifverträgen 
oder auf Beamtenanwartschaft wünscht, trotz ihrer 
erst einjährigen Dauer allgemein keine günstigen 
gewesen zu sein. 
bereits bei den Vorbereitungen zum erstmaligen 
Abschluß. Der Kreisverband war in erster Linie 
dem von den Angestelltenmassen der größeren An- 
Stalten in der Nähe der Großstädte ausgehenden 
E ruck ausgesetzt und glaubte, viel mehr nachgeben 
Zu müssen, als es den tatsächlichen Forderungen 
des Personals in der überwiegenden Mehrzahl der 
Anstalten. entsprach. Wären die letzteren von An- 
fang an richtig zur Geltung gekommen, so wäre 
ins mindestens in den Provinzialanstalten, so gut 
Wie in mehreren Ländern Preußens das Herab- 
sehen auf die von uns als ärztlich eben noch zu- 
assig bezeichnete Grenze der 60 stündigen Woche 
“spart geblieben. Trotz der zwangsläufigen An- 
leichung der übrigen Irrenanstalten an die paar 
stoßen blieb dann doch die Ungleichheit in den 
Ferschiedenen Kreisen, die von jeher ein ständige 
Quelle der Beunruhigung war, bestehen, wurde so- 


ne 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


und Württemberg bereits durchgeführt ist. 


"Ein großer Nachteil zeigte sich. 


195 


gar noch verschärft. Am ungünstigsten wirkt 
natürlich die Kündbarkeit der Tarife, insbesondere 
die der Lohntarife zum Ersten jeden Monats. Da- 
durch wurde das Personal zur ausschließlichen 
Einstellung auf seine Interessen und zur Erhebung 
von Forderungen, auch wenn die wirtschaftliche 
Lage sie gerade nicht nötig erscheinen ließ, gerade- 
zu provoziert. Auch haben hierin die Führer der 
Organisationen — der lokalen wie der zentralen — 
cin ständiges Mittel für ihre Agitation, die leider, 
wie wir ja wissen, noch recht verantwortungslos 
betrieben wird. Den Kreisen, die im Begriff sind, 
allen Pfilegern von Anfang an die Beamtenanwart- 
schaft zuzusprechen, ist es natürlich dabei in erster 
Linie darum zu tun, die unbequemen Organisatio- 
nen auszuschalten. Wenn wir Ärzte auch durch- 
aus keinen Anlaß haben, diesem einseitigen Unter- 
nehmerstandpunkt beizutreten, so müssen wir doch 
vom obiektiv-ärztlichen Standpunkt feststellen, daß 
das ganze Verhältnis der Pflegepersonen zu sei- 
nem Arbeitgeber von Anfang an nicht dem privat- 
rechtlichen Arbeitsvertrag, sondern vielmehr der 
öifentlich-rechtlichen Dienststellung des Beam- 
ten entspricht. Es ist deshalb nicht verwunderlich, 
dab man sich allgemein der Anstellung als Beam- 
tenanwärter zuneigt, ähnlich, wie sie in Sachsen _ 
Ganz 
so eindeutig scheinen die Dinge jedoch nicht zu 
liegen. Nach den früheren Verhältnissen und auch 
noch unter dem Tarifvertrag hatten wir den un- 
schätzbaren Vorteil, uns unser Personal selbst aus- - 
suchen, selbst ausbilden und selbst ausproben zu 
können, Vorteile, die auch durch Einführung und 
Regelung des Unterrichts und der Prüfung nicht 
überflüssig. geworden und für die Güte unseres 
künftigen Personals von ausschlaggebender Be- 
deutung sind. Dafür, daß sie unter der neuen Rege- 
lung nicht ohne weiteres gewahrt erscheinen, möge 
gleich eine in der jüngsten Zeit über die Einberu- 
fung und Anstellung von Pflegern ergangene Ent-" 
schließung einer Kreisregierung als Beweis dienen, 
die alle Pflegepersonen vom Tag ihres Eintritts an 
den außeretatsmäßigen Beamten nach Art. 14 des 
Beamt.-Bes.-Ges. gleichstellt, und die lautet: 

„l. Da die Anstellung der nichtetatsmäßigen 
Beamten durch -die Regierung erfolgt, ist die 
Direktion nicht berechtigt, im Bedarfsfalle Pflege- 
personen -einzuberufen. Die Einberufung kann 
künftig immer erst nach der Ernennung des Be- 
amten erfolgen. | 

2. Im dienstlichen Interesse selbst wird es ge- 
Jegen sein, wenn Pflegerinnen nicht zu jung, son- 
dern in einem gesetzten Alter angestellt werden. 
Wenn die Direktion in einigen Tagesblättern 


196 AL, PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ein Ausschreiben erläßt zur Einreichung von 

Bewerbungen für Einberufung oder Vormerkung 

auf den Pflegerdienst, so ist wohl damit zu rech- 

nen, daß genügend Meldungen über 21 Jahre alter 

Personen einlaufen.” | 

Diese Regierungsentschließung schreibt so ziem- 
lich alles vor, was zu vermeiden ist. Durch die 
Ernennung der Pflegepersonen. durch die Regie- 
rung und nicht mehr durch die Direktion, wenn sie 
auch mehr Formsache bleiben mag, wird das Ein- 
stellungsverfahren umständlich und für den Be- 
trieb, falls der Fall dringend ist, sehr störend sein. 
Eine unerträgliche Beschränkung der Auslese liegt 
in der Vorschrift, vor dem 21. Lebensiahr nieman- 


`- — den einzustellen. Gerade im Alter von 19, 18 Jah- 


ren liegt ja, besonders beim weiblichen Personal, 
die Berufswahl. Wir machen doch allgemein die 
Erfahrung, daß die, welche im 21. Lebensiahr noch 
wechseln oder gar schon in der Fabrik waren, für 
den: Pilegeberuf häufig schon verdorben sind. 
Schreiben wir in den Tagesblättern aus, so er- 
halten wir, unter einer Masse anderer unbrauch- 
barer Angebote, auch Meldungen von Personal aus 
anderen Anstalten, das sich aus irgendeinem Grund 
zu verändern strebt. Gerade mit diesem macht 


‚man aber die schlechtesten Erfahrungen, und wir 


sind wohl alle darin einig. daß beim Pflege- 
personal — im Gegensatz zum Ärztepersonal — 
der Wechsel unter den Anstalten das Schlech- 
te, das Verbleiben an einer Anstalt das 
Gute ist. Das Schlimmste -ist jedoch, daß 
von jedem Probe- und Vorbereitungsdienst 
vor Verleihung der wenn auch nur außeretats- 
mäßigen Beamteneigenschaft abgesehen ist. Es wird 
wohl in anderen Kreisen etwas behutsamer und 
einsichtiger vorgegangen werden. Immerhin 
scheint Veranlassung genug gegeben dafür, dab 
wir, wenn wir uns für die Beamtenwirtschaft aus- 
sprechen, scharf die Voraussetzungen betonen, 
unter denen allein uns diese annehmbar erscheint: 
Persönliche Auslese aus den vorgemerkten Bewer- 
bern wie bisher, Einberufung durch die Direktion, 
Probe- und Vorbereitungsdienst von mindestens 
zwei Jahren als Hilfspfleger bzw. Pflegeranwärter, 
an dessen Ende die Prüfung steht. Wenn man die 
Anstellung auch dieser Hilfspfleger nach Tarifver- 
trag absolut vermeiden will, so werden wohl ihrer 
Einfügung analog einer der Kategorien der Staats- 
dienstanwärter keine besonderen Schwierigkeiten 
entgegenstehen. Die jetzt allgemein übliche Über- 
führung in das etatsmäßige Beamtenverhältnis 
nach fünf Dienstiahren ist überall als das Richtige 
anerkannt und bedarf keiner weiteren Erörterung. 

Endlich möchte ich doch auch darauf noch die 


. Kann. Nur auf eines möchte ich kurz hinweg 


Aufmerkamkeit lenken, ob gerade der jetzige 4 
punkt für die Umwandlung des Personals in 
amtenanwärter der geeignete war. Eben sinds 
daran, die Arbeitsverkürzung und Personalverm 
rung womöglich abzubauen, und stabilisieren: 
gleicher Zeit gerade das im Jahre 1919 überstir 
eingestellte Personal. Wenn auch der außerei 
mäßige Beamte nach der Min.-Bek. vom 11. Mi 
1921 kein Recht auf etatsmäßige Anstellung k 
so hat er doch ein moralisches Recht daran 
wir können ihn nicht so leicht wieder ent 
wenn wir dieses Recht kurz vorher durch Vef 
hung der Beamteneigenschaft nach Art. 14 bi 
tigt haben. 4 

Die Bedeutung der eben erörterten Fragen 
die Qualität unseres Pflegepersonals ist guii 
keine kleine; indes würde doch das Schwergewii 
zu sehr auf die äußere Seite der Sache gelte 
scheinen, wollte ich nicht im Zusammenhang de 
betonen, daß bei allem das Wesentliche die Piti 
des guten Geistes durch Unterricht udd® 
spiel bleibt. Was in erster Beziehung af 
schehen hat, haben Sie voriges Jahr an der m 
des Referates Vocke ausführlich erörtert, so M 
ich mir hierüber alle weiteren Worte erg 


W 


Der Grad von geistiger und gemütlicher Bin 
lung "auf"Krankenpflege, wie sie uns die wel 
liche Ordenspflege zu bieten imtig 
wäre, wird uns bei allem intensiven Unterm 
schwer erreichbar bleiben. Die Erfahrunga®® 
Krankenhäuser und der Kliniken mit Or 
schwestern sind ja durchweg ausgezeichnete 4 
es ist doch auch zu beachten, daß, wo Or 
schwestern walteten, die jetzigen Zeitverhälti 3 
spurlos vorübergegangen sind. Früher konnte 
gen die Verwendung geistlichen Personals DE 
Anstalten mit Recht grundsätzliche Bedenken "$ 
tend gemacht werden. Ich glaube aber, dab o 
selben jetzt, bei der heutigen Entwicklung wga 
Irrenwesens, die die Stellung des Arztes und # ; 
ärztlichen Leitung vollständig gesichert hat, 8% t 
standslos geworden sind. Wenn man aber FE 
liches Personal doch vermeiden will, so SF 


i \ 


doch kein Grund, von der weiblichen Pflege 


haupt auf männlichen Abteilungen mehr Gebt i 
zu machen, als es bisher geschieht. Die MT 
von uns haben -damit während des Kriege $ 
Erfahrungen gemacht. Auch daran werdel I 
denken müssen, daß in der nächsten Zuku ý 
weibliche und mütterliche Instinkte, die " i 
charitativen Tätigkeit sich ausleben konnten: Wa | 
liegen werden, während es auf der anderen “$ 


eigentlich um jeden kräftigen Arm schade 1 


1921] ` 


im Pflegerberuf- sich betätigt, statt in der Welt 
‚draußen an der produktiven Arbeit sich zu beteili- 
sen. Auch Kolb hat in seinem voriährigen Refe- 
rat den Gedanken der Ordenspflege oder mehr 


+ Reichsverband. Der Vorstand bittet um bal- 
dige Mitteilung (soweit noch nicht geschehen) der 


plar der Richtlinien übersandt werden soll; außer- 
dem wird um Angabe gebeten, wieviele Exemplare da- 
rüber hinaus die E. V.. noch wünschen zur event. 
Weiterreichung an Behörden usw. Baumann. 


"vom Orden der Okkultisten auf gemeinnütziger Grund- 
flage errichtet worden. Sie bezweckt die streng metho- 
-dische Einführung in alle mit der Okkultistischen Welt- 
-anschauung zusammenhängenden Lehren und Fragen 
der verschiedensten Zeiten und Völker. An das Institut 
"ist ein Seminar für Ausbildungen zu okkultistischen Be- 
rufen und ein Medienseminar zu Forschungs- und Ent- 
"wicklungszwecken angeschlossen. Eine Sonderabteilung 
dient dem brieflichen und druckschriftlichen Fernunter- 
"richt in deutscher, französischer und englischer Sprache. 
“Die Studienleitung hat Professor Friedrich Weber- 
Robine, der Präsident des genannten Ordens übernom- 
men. Denkschrift und Lehrplan sind vom Generalsekre- 
tariat der Okkultistischen Volkshochschule, Berlin-Wil- 
„mersdorf, Livländische Str. 11, kostenfrei erhältlich. 
(Vom: Pressebureau der Okkultistischen Volkshoch- 
‚schule, Berlin-Wilmersdorf, Livländische Str. 11. Fernruf 
Pfalzburg 4295.) 

$ (Durch Nacht zum Licht! Red.) 

| — Syzygiologie. Unter. diesem Rubrum bespricht 
der Herr Schriftleiter, mein alter Freund und Gönner, 
"die im Repertorium der Prakt. Medizin 1919 »erschie- 
nene Arbeit gleichen Themas von mir in im ganzen 
beifälliger Weise. Wenn er mir aber gleichzeitig ganz 
Sehörig den Text liest, wegen meiner Bereitwilligkeit, 
mich „von übergelehrten Künsteleien des Ausdrucks” 
usw. „belästigen zu lassen”, so tut mir das leid — in 
“erster Linie, weil ich mich der Hoffnung geschmeichelt 
fe es möchte meine Arbeit, in der ich den Begriff 
‚einer syzygiologischen Psychiatrie präge und die Reli- 
gion in den therapeutischen Thesaurus unseres Faches, 
und zwar nicht unter die Separanda, einreihe, recht 
viele und nicht bloß psychiatrische Leser finden. 


ji 


K: 
sel 
a 
N 


Ablehnung überflüssiger Fremdworte, obwohl man auch 
‚da gern zu weit geht, trotzdem die großen Deutschen 
5 ietzsche und Goethe, dieser noch in seinem 
letzten Briefe („. . 
Toleranz hissen. Aber zu den mir angemerkten Bei- 
Spielen: aus meinem Syzygiologie-Aufsatz habe ich tat- 


” 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Mitgliederzahl jedes E. V., da für jeden Arzt ein Exem- 


— Eine Okkultistische Volkshochschule ist in Berlin 


; wohnte Kalender ist 5 
- gründlich durchgesehen: worden; -insbesondere der Ab- 


Im übrigen bin ich natürlich einverstanden mit der 


ber. das Beispiel der | 


$ ‚Sächlich zu en daß ich die Vaterschaft ur 


197 


weiblichen Pflege wieder in den Vordergrund ge- 
stellt, ebenso Merfeldt, Ansbach, auf Grund 
seiner Erfahrungen mit den Ordensschwestern aus 
Rufach. (Schluß folgt.) 


Mitteilungen. 


lehne. Die Synonyme Thymopsyche und Neopsyche 
stammen meines Erinnerns von Birnbaum, der Aus- 
druck Vitalreihen von Avenarius, der Ausdruck 
Syzygiologie von Hesse, und wenn man bestimmte 
Begriffe einflechten will, dann muß man eben die eng 
dazugehörigen vorhandenen Ausdrücke gebrauchen. Für 
ganz besonders eigene Begriffe sind ganz besonders 


eigene Fremdworte sogar eine vom Klarheitsbedürfnis 
geforderte Notwendiskeit, und zwar eine internationale 
Notwendigkeit. 


Nun sehe ich zu meiner Freude, daß der Herr Re- 
zensent an gleicher Stelle es für erwünscht erklärt, 
wenn ich meine Betrachtungen weiter ausführen wollte. 
Ich beeile mich, so naiv zu Sein, in dieser Ermunterung 
eine Einladung in den Spalten der Psychiatr.-Neurol. 
Wochenschrift zu erblicken und für eine der nächsten 
Nummern einen Aufsatz anzumelden, ‘der meine syzy- 
giologisch-psychiatrischen (Gedanken weiter darlegen 
sell. Med.-Rat W. Fuchs, Emmendingen. 

Bemerkung zu vorstehendem:' 


Es ist mir nicht unbekannt, daß obige Bezeichnungen | 
nicht von Herrn Kollegen Fuchs 


stammen. 
BTESIER 


Buchbesprechungen. 


= — Reichs-Medizinial-Kalender für Deutschland auf 

das Jahr 1922. Begründet von Dr. PaulBörner. Her- 

ausgegeben von Geh. San.-Rat Prof. Dr. J. Schwalbe 

in Berlin. 43. Jahrg. Taschenbuch, Hierzu ein Bei- 
heft. Leipzig, Georg Thieme. ac 

Dieser eben erschienene, allbeKannte und altge- 

in den einzelnen Teilen wieder 


schnitt „Anwendung, Dosierung und Arzneiform der ge- 
bräuchlichsten, der neu eingeführten und der in dem 
Arzneibuch für das Deutsche Reich 1910 enthaltenen 
Heilmittel” durch Prof. Straub, die Daten und Ta- 
bellen über Ernährung durch Profi. Löwy, ebenso die 
Verzeichnisse der Kurorte, Sanatorien, Anstalten usw. 
Es ist erfreulich, daß der alte Börner auch in diesem 
Jahre mit der bisherigen Pünktlichkeit auf unseren 


Tisch gelegt wird. B. 


Für deutsche Arbeit und Wissenschaft. 
Durch einen in der Pharmazeutischen Zeitung 1921 


Nr. 73 unter dem Titel „Das deutsche Volk am Schand- 


pranger der Nationen” veröffentlichten Schriftwechsel 
zwischen dem Brüsseler Vertreter der Firma Hoffmann- 
La Roche in Basel und einer Persönlichkeit in Eupen, ` 


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worin ersterer in gehässigster Weise das Märchen von 
der deutschen Grausamkeit aufzufrischen versucht, ist 
die Erinnerung daran wachgerufen worden, daß be- 
reits in der ersten Zeit des Krieges ein Vertreter dieser 
Schweizerischen, also neutralen Firma, damals der 
Pariser Vertreter, sich deutschfeindlicher Kundgebungen 
nicht enthalten konnte. 

Die genannte Firma hatte damals eine Fabrikan- 
lage in Grenzach (Baden); dieselbe wurde nach 
ienem Vorfall, 1915, von einem deutschen Konsortium 
unter Führung der Diskonto-Gesellschaft erworben und 
unter deutsche Leitung gestellt und damit erfolgte die 
Gründung der „Chemischen Werke Gren- 
23ch:': 

Auch die Marken- und Patentrechte und die Ver- 
fahren der in Grenzach hergestellten Spezialpräpa- 
rate, wie Digalen, Pantopon, Secacornin, Sedobrol, 


Pituglandol usw., wurden erworben. 


Die „Chemischen Werke Grenzach” sind daher 
weder Tochtergesellschaft noch Lizenznehmerin der Firma 
Hoffmann-La Roche, sondern ein deutsches, selbstän- 
diges Unternehmen und ohne Zusammenhang. mit letz- 
terer.. Ihre Präparate sind deutschen . Ursprungs, 
deutsch die Gesellschaft selbst wie die Beamten und 
Arbeiter dieser größten pharmazeutischen Industrie 
Oberbadens. Die Firma Hoffmann-La. Roche ist an den 
„Chemischen Werken Grenzach” nicht beteiligt. 

Manchen, die Ursprung und Lauf dieser Angelegen- 
heit nicht im Auge zu behalten die Möglichkeit hatten, 
werden vielleicht die Namen Hoffmann-La Roche und 
Grenzach im - Gedächtnis noch in der engsten Verknüp- 
fung wie vor dem Kriege vorschweben. Im Interesse 
der deutschen Arbeit und deutschen Wissenschaft ist 
es daher nötig, auf diese Vorgänge auch an. dieser 
Stelle hinzuweisen. Es verdient noch besonders er- 
wähnt zu werden,‘ in welch hervorragendem‘ Maße die 
„Chemischen Werke Grenzach” ihr Unternehmen im 
Sinne gesunder Sozialpolitik führen: sie haben zur 
Steuerung der Wohnungsnot in Grenzach allein für fast 
fünf Millionen Mark Bauten errichten lassen. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnummer 4 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 
Verlag: Carl Marho!d Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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. dentenküche, in Privatspeisehäusern oder im Gast 


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— Hochschulführer, Lebens- und Studlenverki h 
in den deutschen Hochschulstädten. Neben statistiet 
Material über die Besucherzahlen der einzelnen Ha 
schulen und ihrer Fakultäten bzw. Abteilungen vibi 
vierte Ausgabe der Zusammenstellung für das Wim 
Semester 1921-22 Aufklärung über die Wohnungs 4 
Verpflegungsverhältnisse, insbesondere über die Stel 
die sich mit der Vermittlung von Studentenwohnm 
in den einzelnen Städten befassen, über etwaige Zum 
beschränkungen usw. Weiterhin enthält die Üben 
Angaben über die Zimmerpreise; dabei ist auch a 
geben, was in: dem Preis an Nebenabgaben (Mor 


folgenden Abschnitt wird aufgeführt, welche stud 
schen Speiseanstalten bestehen, und was der Sti 
aufwenden muß, wenn er in der Volksküche, in der 


zu Mittag bzw. zu Abend ißt. Besondere Beachi 
wird ferner der Frage der zu zahlenden Honorar @ 
Gebühren gewidmet. Auch die Möglichkeiten” 
Nebenerwerb in den einzelnen Hochschulstädten‘ 
eingehend berücksichtigt. Angaben über die ver 
denen Arten und Kosten der Abschlußprüfungen 9 
über Semester- und Vorlesungsbeginn, über Preisi 
Versendung des Vorlesungsverzeichnisses ergänzen 
Zusammenstellung, die sich nicht nur auf die reichs@ 
schen Hochschulen beschränkt, sondern gleichzeitig 
Hochschulen in Deutsch-Österreich und den Sudete 
dern berücksichtigt. | 
Die -Schrift wird gegen Einsendung von 2,80 M 

das Wohnungsamt der Deutschen Studentenschalt, N 
ster, Universität, oder bei Einzahlung des Betrag 
das Postscheckkonto des Wohnungsamtes Nr. M 
Postscheckamt Hannover, zugesandt. 
RER ES I FRE EEIN RE EEE EEE 
Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schr 
leitung resp. den Verlag über redaktioneik 


Fragen das Rückporto beizufügen. 


E Dreiundzwanzigster Jahrgang. Nr. 33/34. 1921/22. 


| Psychiatrisch-Neurologische | 
Wochenschrift. 


Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


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(Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. liberg, 
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land werden nach der vom Deut- 
schen Buchhandel vorgeschrie- 
benen Verkaufsordnung für das 
Ausland berechnet. Zu beziehen 
durch jed. Buchhandlung, d. Post 
u. unmittelbar vom Verlage. Er- 


N scheint bis auf weiteres vier- 
| zehntägig in Doppelnummern. 
| a — 


Inhalt: Der derzeitige Stand der Krankenpflege in den bayerischen Irrenanstalten. 
(S. 199.) — Bäderbehandlung in den Irrenanstalten. 
(S. 208.) — Therapeutisches. (S. 


Werneck. Schluß. 
(S. 208.) — Buchbesprechungen. 


| morana Ast, 


Wenn von der Weckung und Erhaltung des rich- 
tigen Geistes unter dem Pflegepersonal die Rede 
ist, so dürfen wir dabei ein sehr wesentliches 
Moment, das Verhältnis zwischen Pfle- 
ser und Arzt nicht vergessen. In den Vor- 
‚Schlägen, die wir zu unserer Rundfrage erhalten 
‚haben, ist manchenorts von der Notwendigkeit ge- 
Sprochen, das Zusammenarbeiten zwischen Arzt 


lungsdienstes, durch die die durch die Arbeitsver- 
Kürzung verursachten Mißstände ausgeglichen wer- 
den müßten. Es läßt sich wohl auch in der Tat kaum 
b estreiten, daß infolge verschiedener Umstände sich 
eine allzu strenge Arbeitsteilung entwickelt hat 
An der Richtung, daß Sache des Arztes lediglich die 
Anordnung, Sache des Pilegers aber die ganze 
Exekutive der Pflege geworden ist. Es ist dadurch 
‘eine zu große Kluft zwischen beiden entstanden und 
\ iel stille Opposition des Personals ist darauf zu- 
tückzuführen. Ich glaube, wir müssen uns auch in 


und Pfleger wieder reger zu gestalten. Auch Kolb 
Borin von der Vertiefung des ärztlichen Abtei- . 


Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. 
Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Littenweiler b. Freiburg i. Br., 
Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
Dr. v. Olah, Budapest, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Vocke, Eglfing b. München. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler. Kreuzburg (Oberschlesien). 


19. November 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 
Postscheck: Leipzig 32070. 


- 


G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, ' 


Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 


San.-Rat Dir. 


Prof. Dr. H. Vogt. Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis: 
il mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 60 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 
laß gewährt. 


Marhold Verlag Hallesaale 


Von Direktor Dr. Fr. 
(S. 202.) — Referate. 
209.) 


Der derzeitige Stand der Krankenpflege in den bayerischen Irrenanstalten. 


Korreferat, erstattet auf der Versammlung bayerischer Psychiater zu München am 30. und 31. Juli 1921 
| von Direktor Dr. Fr. Ast, 


(Schluß.) 


Werneck. 


dieser Beziehung wieder mehr den Verhältnissen 
der früheren, noch kleinen und einfachen Anstalten 
nähern. Es ist vielleicht nicht mehr in der Erinne- 
rung aller, was damals alles vom Arzt an Ver- 


kehr und Leben mit den Kranken verlangt 


wurde. Manches davon ging freilich zu weit und 
beschränkte zu sehr die persönliche Freiheit, auf 


die auch der Irrenarzt ein Recht hat. Aber die hier- 


bei gewonnene Vertrautheit mit dem einzelnen 
kranken Menschen und seinen intimen Lebens- 
sewohnheiten sollten aus der guten alten Zeit in 
die neue herübergerettet werden, sollte wieder mehr 
im ganzen System zum Ausdruck kommen, nicht 
bioß, wie es jetzt vorwiegend der Fall ist, von 
dem guten Willen und der Persönlichkeit des Ein- 
zelnen abhängen. Die intensivere systematische 
Beteiligung des Arztes am Pflegedienst würde 
neben anderen Vorteilen in bezug auf wissenschaft- 
liche Tätigkeit, Psychotherapie usw. das, worauf 


es hier ankommt, ohne weiteres zur Folge. haben, 


cie Annäherung zwischen Arzt und Pfleger und 


200 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHF WOCHENSCHRIFT 


ein besseres Verständnis der jedem Teil auferleg- 
ten Verantwortlichkeiten. Besonders der neu ein- 
tretende Irrenarzt ist leicht geneigt, die Schwere 
und Verantwortlichkeit der ganz alltäglichen 
Pflegearbeit zu unterschätzen, und auch ieder 
ältere Irrenarzt wird es schon hier und da als eine 


Lücke empfunden haben, nicht selber einmal eine 


Zeitlang einen praktischen Pflegerdienst gemacht 
zu haben. Bekanntlich findet sich in der neuen Prü- 
fungsordnung für Ärzte die Forderung einer viertel- 


oder halbiährigen Ausbildung in der praktischen: 


Krankenpflege. Es wäre sehr angebracht, wenn 
diese auch in. den Irrenanstalten abgemacht wer- 
den könnte. Jedenfalls aber sollte für jeden, der 
sich dem irrenärztlichen Beruf widmen soll, eine 
gewisse Zeit praktischer Irrenpilegetätigkeit obli- 
gatorisch sein. 

Wenn ich die Vorschläge, soweit sich solche aus 
meinen Ausführungen über die Anstellungs- und 
Dienstverhältnisse unseres Personals ergeben, in 
einige Sätze zusammenfassen soll, so sind dies 
folgende: 


| 1. Die Ele: des. Pflegepersonals “erfolgt 


durch die Direktion. 

2. Die zwei ersten Dienstjahre eölten als Proben 
und Vorbereitungsdienst, der durch Ableistung 
der gesetzlichen Prüfung abzuschließen ist. 


nn 9 Anstellung als Probe-Beamtenanwärter ist der 


nach Tarifvertrag vorzuziehen, wenn dabei die 
Voraussetzungen der Ziff. 1 und 2 gewahrt sind. 


4. Das Pflegepersonal ist gemäß § 13 Abs. IV BRG. 
nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes 


zu betrachten und untersteht vom Tag des Ein- 
‚tritts ab der Beamtendisziplin. | 

5. Auch auf männlichen Abteilungen ist, soweit es 
möglich ist, weibliches Pflegepersonal zu ver- 
wenden. Der Einführung weiblichen Ordens- 
personals ist kein Widerstand mehr entgegen- 
zusetzen. 


6. Die Zusammenarbeit von Pfleger und Arzt ist 


zu fördern und zu vertiefen. Für jeden jungen 
Irrenarzt soll die Ableistung .einer praktischen 


i aA obligatorisch sein. 


Wenn ich nun zu meinem zweiten Thema, den 
uns zugegangenen Vorschlägen für die zukünftige 


. Gestaltung unseres Anstaltswesens, übergehe, so 


ist es klar, daß sie alle auf den wichigsten Punkt 
orientiert sind, auf welche Weise der schweren 
Krise, der unser Anstaltswesen bei der furchtbaren 
Verarmung Deutschlands entgegengeht, gesteuert 
werden kann. Es ist natürlich unmöglich, in einem 
kurzen ‚Nachwort dieses schwierige Problem er- 
schöpfend zu behandeln. Meine Aufgabe kann 


‚Mittelfranken gemacht wurde, wo für diejeng@f 


Demselben Zweck dienen alle Vorschläge, We t i 
auf eine Erweiterung der wirtschang 


herangezogen werden. 


[Nr. zu 


lediglich darin bestehen, für die Diskussion al 
Versammlung einen zusammenfassenden Rahma 
zu geben. In ihn fasse ich auch solche Vorschligb 
wie sie bei den Verhandlungen in den Kreistag 
soweit sie mir bekannt geworden und in der Litt 
ratur aufgetaucht sind. Die Vorschläge beziehif. 
sich teils auf den Betrieb der Irrenanstalt al E 
sich, teils auf die Irrenfür sorge üben : 
haupt. In erster Beziehung war es das Nadi 
liegende, daß sich die Kreise in unseren Vomi 
schlägen nach einer Erhöhung der Einna 
men umsahen und zu teilweise recht erbebliif 
Erhöhungen der Verpfleggelder geschritten uf 
Zweifellos mußten die. Verpilegssätze der al 
meinen Teuerung angepaßt werden, ebenso mif 
fellos ist, daß damit wenig erreicht ist. Die I 
höhung der Verpfleggelder zwingt den Mittelstalf 
der sich vorwiegend unter den Selbstzahlern t 
serer Irrenanstalt befindet, in die niederen % 
pflegsklassen abzuwandern und letztere, soweit 
früher Selbstzahler waren, zur erhöhten mig 
spruchnahme der Landarmenfürsorge. Eine güd 
liche Kombination scheint die Erhöhung der Ver i 
pflegssätze mit ärztlichen Erwägungen, wie self 


der Verpflegssatz auf den Satz für Nichtkreisatf 
gehörige erhöht werden kann, welche trotz Alf 
forderung ihre Angehörigennicht der Anstalt elf 
nehmen. | 

Was die Minderung de Ausgaben | 
langt, so sind wir alle entschlossen zu sparen, WE 
wir nur können, sind uns aber auch darüber WE 
daß wir die Grenze, welche durch die‘ Bedirtf 
unserer Kranken und Angestellten an Nahrung “g 
Kleidung, Heizung und Licht gezogen sind, bald 
reicht haben werden und im ganzen schon erreiiil 
haben. Nicht versäumt sei hier, auf die detaillef 
ten Vorschläge Kolbs für Heiz-, Koch- u 
Wäschebetrieb hinzuweisen, die er aul ruf a 
seiner Kriegserfahrungen gemacht hat und die # k: 
die Zeiten akuter Not sehr beachtlich sind. Anl N 
Vorschläge richten sich auf billigeren Bezug "$ 
Rohmaterialien.° Letzterem soll ein Zwe% 
verbandder Anstalten dienen, die sich a 
einer oder größeren Gruppen : vereinigt, ZU wy 
kaufsgenossenschaften zusammenschließen sold k 


lichen Anstaltsbetriebe ausgehet I 
mentlich der Gutsbetriebe, und die die Anstall 
den Stand setzen sollen, sich selbst zu A 
Zum Ausbau dieser Betriebe müssen, well 7 
rentabel sein sollen, im möglichsten Umfang Kag 
Es wäre in Wirkl sl 


i$ aber keine Ersparung, wenn zu diesem Zweck 
uf Kranke in der teueren Anstaltspflege zurückgehal- 
af ten würden, die in eine billigere Pfilegeform oder 
Wi indie. Fürsorge außerhalb der Anstalt übergeführt 
f werden könnten. Gerade nach der ‚entgegenge- 
af setzten Richtung geht ein Vorschlag, die wirtschaft- 
F lichen Betriebe, auch den Koch- und Waschküchen- 
F betrieb von der Anstalt loszulösen und an private, 
f allerdings unter Anstaltskontrolle stehende Unter- 
nehmer zu vergeben. Der Vorschlag geht offen- 
- bar von dem Zweifel aus, ob unsere bisherige Be- 
Ẹ ttiebsführung nach privatwirtschaftlichen Gesichts- 
$ punkten als rentabel angesehen werden kann. Es 
6 | könnte jedenfalls nichts schaden, wenn sich einmal 
WE ale Verwalter unter Zuziehung und Vorsitz einer 
if Autorität aus dem Wirtschaftsleben 
uf Zisammensetzten, um unsere Betriebe und unsere 
“f Haushalte überhaupt einer Durchsicht nach ein- 
sp heitlichen rein kaufmännischen Prin- 
uf zpien zu unterziehen. Damit wäre für alle Spar- 


ip maßnahmen des Betriebes wenigstens einmal eine 


af Sichere Grundlage geschaffen, denn was in dieser 
if Beziehung in unseren Kreistagsverhandlungen und 
Wf vielleicht in Zukunft im Kreisverband geschieht, 
if entbehrt der Planmäßigkeit und des speziellen 


if Sachverständnisses, das hierfür nötig ist. 

if. Unter den Ersparmöglichkeiten bezüglich des 
| Fersonalaufwandes steht die Wiederver- 
i$ längerung der Arbeitszeit beim Pflegepersonal 
ig oben an. Sie haben hier eben die Vorschläge des 
ip ersten Referenten gehört. Ich füge hinzu die aus- 
xp sedehntere Verwendung von weiblichem 
If Personal oder von Ordensschwestern. Ein 
i Vorschlag geht dahin, die unter den heutigen Um- 
‚7 Sünden noch schwer durchzusetzende Arbeits- 
if Verkürzung mit Hilfe der Bezahlung von Überstun- 
| (en einzuleiten. Die Überstunden kämen wohl 
billiger, hätten aber recht bedenkliche Konsequen- 
If en dienstlicher Art. Es dürfte wohl besser sein, 
N ‚die Entschädigung für die Mehrarbeitsleistung auf 
a Wege sozialer Maßnahmen zu suchen, insbe- 
u Ondere Versorgung mit anständigen Wohnungen 
i ud Gartenland (Schrebergärten). Ein anderer 
rE Orschlag basiert auf der Einführung eines allge- 
iH Meinen Pflichtdienstjahres für die gesamte männ- 
j [e und weibliche Bevölkerung im Alter von 20 
| u: l Diese Dienstpflichtigen sollen gegen Ge- 
e ia freier Kost und Wohnung zur Kranken- 
A e a eozen werden. Leider hat bei un- 
| ee men politischen Lage die Einführung 
Ed: ichtdienstjahres keine Aussicht auf Ver- 


7 
m saben für da | 
| f in für das Krankenversicherungswesen sucht 


I 
í i 
| 


vEt 


E 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


orschlag dadurch zu mindern, daß eigene An-I 


201 


staltskrankenkassen für das Personal gebildet wer- 
den sollen; die Ärzte der Anstalt sollen die ambu- 
lante Behandlung des Personals übernehmen und 
hierfür besonders entlohnt werden. Dagegen wer- 
den von seiten der praktischen und Anstaltsärzte 
starke, m. E. auch berechtigte Einwände gemacht 
werden. 

Erfreulich ist, aus den Antworten der Anstalten 
entnehmen zu können, daß bisher noch nirgends 
Versuche gemacht worden sind, die Ausgaben für 
ärztliche Fortbildung zu beschränken oder die Zahl 
der Anstaltsärzte herabzusetzen. Da die hierdurch 
zu erzielende Ersparung nicht ins Gewicht fällt, 
wird die Gefahr solcher Versuche, denen energisch 
entgegenzutreten wäre, nicht groß sein. 


An der Spitze der Vorschläge, die sich auf die 
Irrenfiürsorge überhaupt beziehen, steht die 
Bekämpfung der Geisteskrankheiten überhaupt und 
in erster Linie der Kampf gegen Syphilis und 
Alkohol; der in der jüngsten Zeit ergangene 
Aufruf unserer führenden Kliniker an die deutsche 
Ärzteschaft muß unter uns Irrenärzten den stärk- 
sten Widerhall finden; wir sind uns klar, daß diese 
Sparmaßnahme des deutschen Volkes diejenige 
wäre, die uns am meisten Not tut und an prakti- 
scher Wirksamkeit all das weit übertrifft, was wir 
heute besprechen. Ä 


Weniger werden wir das behaupten von den in 
der Broschüre von Hoche und Binding nie- 
dergelegsten Gedankengängen, die das Problem am 
entgegengesetzten Pol anpacken und von der Frei- 
gabe der lebensunwert gewordenen Endzustände 
zur Tötung sich eine Entlastung versprechen. 
Mögen auch die Verfasser selbst von hohen ethi- 
schen Gesichtspunkten ausgegangen sein, bezeich- 
nend für die Auffassung ihrer Gedanken beim > 
Publikum ist doch, daß sie gerade jetzt, wo es ans 
Sparen gehen soll, dort ein großes Interesse finden. 

Die übrigen Vorschläge gehen alle darauf aus, 
die teuere Anstaltspilege entweder überflüssig zu 
machen oder durch billigere Pfilegeformen zu er- 
setzen. Der Vorschlag, die Zahl der Anstaltsverpfleg- 


‚ten durch Erschwerung der Aufnahme, 


etwa durch Beschränkung auf die sogenannten 
„Gemeingefährlichen” herabzusetzen, kommt von 
Laienseite und wird von uns allgemein abgelehnt 
werden. Die Erleichterung der Entlassun- 
sen liest hingegen in der Richtung unserer ärzt- 
lichen Wünsche. In letzter Zeit hat Römer 


i auf die Frühentlassung Praecoxer hingewiesen, die 
Klichung. Die sehr erhebli is- 

N ehr erheblichen Personalaus- ý 
von sroßer Bedeutung ist, in wirtschaftlicher Hin- 


sicht jedoch nicht ins Gewicht fallen wird. Mehr 


für die Behandlung der Dementia praecox gewiß 


202 


Erfolg verspricht der Ersatz der .teuren Anstalts- 
pflege durch Überführung der hierfür geeigneten 
Kranken in Idiotenanstalten, in Piründner- und 
Altersheime, der im Strafvollzug Erkrankten in ent- 
sprechend eingerichtete. Abteilungen in den Staats- 
gefängnissen usw. Die wirksamste Maßnahme, 
von der man allein in absehbarer Zeit einen Erfolg 
sich ‘versprechen kann, ist dr Ausbau der 
Irrenfürsorge außerhalb der Anstalt 


nach den Ideen Kolbs, die Ihnen ja alle bekannt 


sind. 
Aus der teilweisen, für den Betrieb unwirt- 
schaftlichen Entleerung der Anstalten ergibt sich 
für uns die Frage der Zusammenlegung 
derselben. Es wäre ein Fehler, wenn hier die 
Kreise ohne Fühlung miteinander vorgehen sollten. 
Davon droht uns wieder die große zentralisierte 
Kreisanstalt, deren Nachteile 
wirtschaftlicher Beziehung die unmittelbar hinter 
uns liegende Zeit erbarmungslos genug aufgedeckt. 
Ein besseres Auskunftsmittel wäre der oben schon 
erwähnte Zweckverband sämtlicher bayer. Irren- 
anstalten, der die gegenseitige Aushilfe mit freiem 
Raum und freien Betten zu organisieren hätte.. Den 
individuellen Bedürfnissen der einzelnen Anstalten 
und Kreise wäre damit ein weiterer Spielraum ge- 
schaffen. Am günstigsten im Sinne des Ausbaues 
der. Irrenfürsorge außerhalb der Anstalten 
würde die Umwandlung leerer Irrenanstaltsabtei- 
lüngen in Krankenhäuser für Sieche, zu Polikliniken, 
Psychopathen- und Neurotikerheimen wirken, wie 
sie vonKnust, Vollrath, namentlich aber von 
Weber in Chemnitz mit Wort und Tat empfoh- 
len worden ist. 


Von allen diesen sich vielfach durchkreuzen- 
den Vorschlägen kann aber ein greifbarer Spar- 


effekt nur erwartet werden, wenn sie in einem 


‚Bäderbehandlung in den Irrenanstalten. 


IYie Umfrage über Kohlenversorgung in den 
a7 Irrenanstalten (Psychiatrisch - neurologische 
Wochenschr. XXI S. 348, 380, XXII S. 15, 45) hatte, 
wie zu erwarten, ergeben, daß die Anstalten 


‘größtenteils nicht ausreichend mit Kohlen ver-. 


sehen werden. ‘Insbesondere wurde von mehreren 
| Anstalten ausdrücklich mitgeteilt, daß die Heil- und 
:Reinigungsbäder eingeschränkt werden müßten. In 
Anbetracht dessen habe ich im August an eine 
Reihe von Anstalten die folgende Umfrage ge- 
richtet: „Die Verhältnisse des Krieges und Nach- 
krieges haben Einschränkung der Bäderbehand- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


in ärztlicher und 


‘haben, und haben wieder erkennen müssen, wi 


und Pfleger beseelt. | 
"was ihn fördert, und sind wir imstande, auf alet | 


Darum möchte ich Sie höflichst bitten, zuf Ver i 


bäderarmen oder bäderlosen Zeit ergeben. hat vu | 
 wieweit es sich danach empfiehlt, namentid «i 


(Nr. 33 a 


einheitlichen, die Gesamtirrenfürsorge inf 
weitesten Sinne umfassenden Plan zusammeng f 
faßt und gegeneinander abgewogen werden. Def 
Ausarbeitung eines solchen Planes für Bayem 
aber nicht nur von einer zentralen Behörde 
oder Kommission sondern unter B erücksich j 
tigung und Beteiligung der einzeln | 
Kreisanstalten erscheint als Haupterfordernis de ; 
Situation und dürfte die erste Aufgabe der neue i 
wählten Kreiskommissionen und der Lande j 
missionen sein. Ai 


M. H.! Gestatten Sie mir, daß ich zum sl | 
Ihre Aufmerksamkeit auf die speziellen Vorschläge Br 
zurücklenke, die wir Ihnen zu formulieren uns f 
laubt haben und die wir mit Absicht völlig una 
hängig von den eben besprochenen wirtschattj 
lichen, nur von rein ärztlichen Gesichtspunkten af 
aufgestellt haben. Darin, daß sie trotzdem af 
Sparmaßnahmen wiiken, dürfen wir viellidi 
einen Wandel der Zeit sehen. Waren wir zum Tel i 
früher geneigt, den Stand der Irrenfürsorge in «if 
einzelnen Kreisen nach der Höhe der Summen m E 
bemessen, die sie dafür auswerfen, und nach m | 
Komfort oder gar der Größe der Anstalten, so T 
wir jetzt, alle anderer Meinung geworden.. 
haben gesehen, daß wir allzu einseitig den Weg k | 
guten und teuren Anstaltsversorgung erfolg | 


es nicht auf äußere Einrichtungen, sondern il 
wesentlichen nur auf den Geist ankommt, der Arzt 
Halten wir an allem is 


Unnötige entschlossen zu verzichten, so wird all 
unser Irrenwesen die. jetzigen Zeiten überstehel Pr 
ind nicht bloß eine stets offene Wunde am Viii 
körper sein, sondern mit zum Wohle des Can P 
beitragen können. En 


/ 


Bi 


lung in den Anstalten zur Folge hab Wir ni 7 
sen aus dieser Not eine Erkenntnisquelle mack#f 


öffentlichung in der Psychiatrisch- neurologista % 
Wochenschrift mir eine kurze (druckfertige) Au m 
rung von ein bis zwei Spalten zukommen lasst! ei 
zu wollen, was sich für die Beurteilung des ' 
tes der Bäderbehandlung, besonders ihrer Heili 
kung, wie auch hinsichtlich Pflege usw., aus 0 


gesichts der Kohlennot, die Badervetandins 3 


nf Maß und Weise wie vor dem Krieg wieder 
einzuführen.” 

-Nachfolgend die Auskünfte, für die ich bestens 
f danke. Eine Anstalt schreibt: 

~ „hram 1. d. M. hier eingegangenes Schreiben 
df antworte ich ergebenst dahin, daß ich den ietzi- 
if gen Zeitpunkt nicht für glücklich gewählt halte, 
ER imzu der von Ihnen angeregten Frage des „Wertes 
F dr Bäderbehandlung” erneut Stellung zu nehmen. 
Af Eine objektive Würdigung scheint mir im jetzigen 
f Augenblicke außerordentlich schwierig. Finan- 
if jle Momente, bauliche Einrichtungen, Artung 
df is Pflege- und Oberpflegepersonals, persönliche 
3 "Stellungnahme der einzelnen Direktoren werden bei 
Für Beantwortung der Frage eine bedeutsame 
A Role spielen. Generelle Folgerungen dürften sich 
dher bei der Verschiedenheit der überall vorlie- 
of giden Verhältnisse und bei dem Wechsel, dem 
augenblicklich alle Dinge mehr denn sonst unter- 
1i worfen sind, kaum daraus ableiten lassen.” 
Diese Einwände hatte ich mir allerdings vor der 
P EntschlieBung zur Umfrage selbst gemacht und 
11 ker, der eine Antwort eingesandt, wird sie sich 
ach gemacht haben; aber trotz derselben halte 
f ch die Umfrage, aus verschiedenen sehr nahelie- 
‚| Senden Gründen für zweckmäßig. Es wäre er- 
1 wünscht, wenn sich noch mehr Stimmen zu der 
H Angelegenheit hören lassen wollten, und zwar 
i möglichst bald. | Bresler. 


Psychiatrische Klinik zu Jena. 


Einschränkung der Bäderbehandlung 
# bei Geistes- und Nervenkranken. 
"Die Notlage der Kriegs- und Nachkriegszeit hat 
Wie überall, so auch in den Irrenanstalten und 
Nitiken für Geistes- und Nervenkranke eine be- 
k Einschränkung in der Verabreichung von 
Bädern notwendig gemacht. Während z. B. auf 
| ker geschlossenen Abteilungen der Jenaer Psy- 
l Er: Universitätsklinik vor dem Kriege 
ae Kranke. wöchentlich zwei bis drei, ja mehr 
ec erhielt, können wir jetzt nur aus- 
msweise den Kranken — soweit es sich nicht 
|: z Kot und Urin Unsaubere handelt — mehr 
l lssen, 


Die kn einhalb- bis Sinskndisgen Dauerbis 


i R lr, wie wir sie früher bei Depressionen regelmäßig 
si Sir ‚werden nur noch selten ver- 
gesetzt die zwei- bis dreistündigen, ja tagelang 
Sid; zien Dauerbäder bei erregten Kranken 

ast in Fortiall gekommen. Der Mangel an 


Hei 
Ir ungsmateria] und die Erhöhung des Wasser- 
E ses zwangen dazu. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


sich die Angstzustände 


Reinigungsbad wöchentlich zukommen 


203 


Schon die Verminderung der Zahl der Reini- 
gungsbäder wurde von, uns unangenehm empfun- 
den. Sind diese doch gerade bei den doch mei- 
stens nur wenig auf ihre Körperpflege -bedachten 
Geisteskranken von besonderer Bedeutung, vor 
allem auch bei den im wirtschaftlichen Betriebe 
mit zum Teil recht schmutzenden Arbeiten, wie 
Kohlentragen u. dergl., beschäftigten! Und zwei- 
fellos hatten diese eigentlich nur zu Reinigungs- 
zwecken gegebenen Bäder auch stets eine wohltu- 
ende, beruhigende Wirkung auf das allgemeine 
körperliche und seelische. Befinden der Patienten. 

Weit mehr aber als die Verminderung der Zahl 
der Reinigsungsbäder bedauern wir, daß wir auf 
die Heilbehandlung durch Bäder vor allem bei de- 
pressiven und erregten Kranken in: weitgehendem 
Maße verzichten mußten. Gerade die Depressi- 
onszustände entwickelten sich unter den oben er- 
wähnten, einhalb- bis einstündigen, täglichen 
Dauerbädern weit seltener zu der Höhe, wie wir 
es jetzt in der klinischen Behandlung mit Opium 
und Bettruhe so oft sehen, klangen auch im allge- 
meinen weit eher ab als jetzt.- Insbesondere ließen 
durch diese Bäder wie 
durch kein anderes Mittel günstig beeinflussen, so 
daß wir uns in diesen Fällen trotz. der gebotenen 
Sparsamkeit auch jetzt noch oft zur Bäderbehand- 
lung entschlossen haben; der fast immer eintre- 
tende Erfolg ließ uns unseren Entschluß nie be- 
reuen. 

Auch bei den reeuei etinden bedauern ` wir 
sehr, -jetzt nur noch auf medikamentöse Behand- 


‘tung und kalte Packungen angewiesen zu sein. Die 


Anwendung der vor dem Kriege in diesen Fällen 
so reichlich verordneten, längeren Dauerbäder ist 
uns jetzt auch durch den infolge der verkürzten 
Dienstzeit hervorgerufenen Mangel an Personal er- 
schwert, das. durch eine Bäderbehandlung dieser 
Kranken naturgemäß in besonders starkem a 
in Anspruch genommen wird. 

Wir waren uns darüber klar, daß auf den Ab- 
teilungen für Neurastheniker, nervös Erschöpfte und. 
Kranke ähnlicher Art die Bäderbehandlung weit 
weniger als auf den geschlossenen Abteilungen ein- 


geschränkt werden konnte, und bis auf geringe, die 


Heilerfolge kaum beeinträchtigende Einschränkun- 
gen wurde hier — selbst während der Kriegszeit 
— eine Behandlung mit elektrischen, Kohlensäure-, 
Fichtennadel- und Solbädern durchgeführt. Muß- 
ten wir dennoch einmal wegen plötzlich eintreten- 
den Kohlenmangels oder wegen nicht sogleich mög- 
licher Reparaturen einige Zeit mit den Bädern aus- 
setzen, so war auch sofort ein ungünstiger Einfluß 


auf die Stimmung der Kranken zu bemerken, wo- 


204 


durch gerade bei Kranken dieser Art auch. der Heil- 
erfolg sofort litt. Auch sonst sind wir durch man- 
nigfache Erfahrung zu der Ansicht gekommen, daß 
derartige Kranke, die ja oft gegen medikamentöse 
Behandlung eingestellt sind, bei einer Verminde- 
rung der Bäderbehandlung mehr als bisher zu den 
Naturheilkundigen strömen würden. 
Dr. Schulz, Jena. 


Kantonale Irrenanstalt Burghölzli bei Zürich. 


Im Burghölzli haben wir auf einen Bestand von 
etwa 400 und eine Aufnahmezahl von etwa 700 Pa- 
tienten auf der Männer- und auf der Frauenseite je 
fünf Bäder ') (nur ganz ausnahmsweise mehr), die 
gewöhnlich am Tage, nie aber in der Nacht be- 
setzt werden, und zwar von Unruhigen, Unsozia- 
len, erregten Verwirrten, Unreinlichen, kurz Kran- 
ken, die weder unter den anderen, noch im Einzel- 
zimmer gehalten werden können. Zur Zeit. des 
größten Kohlenmangels während des Krieges ver- 
- suchten wir, auf die Bäder ganz zu verzichten. 
Eine größere Anzahl von Wochen ging es auffal- 
lend gut, so daß wir uns zu fragen begannen, ob 
wir nicht zu viel Wert auf die Bäder gelegt hätten. 
Dann aber kamen immer mehr Schwierigkeiten, 
die uns schließlich zwangen, die Bäder wieder zu 
benutzen. Es dauerte viel länger, bis die frühere 


Ruhe und (relative) Gefügigkeit auf den unruhigen 


Abteilungen wieder hergestellt waren. Wir halten 
also die Bäder in dem Umfang, wie wir sie bei uns 
benutzen, als dringend geboten: eine weitere Aus- 
dehnung der Dauerbäder scheint zwar eine An- 
. nehmlichkeit, aber doch wohl ein Luxus. 


Bleuler, Burghölzli. 


Brandenburgische Landesirrenanstalt Sorau 
(Niederlausitz). 


Im Laufe des Krieges und der Nachkriegszeit 
mußten die Dauerbäder infolge der Kohlen- und 
Personalnot allmählich immer mehr eingeschränkt 
werden. Besondere Nachteile haben sich hieraus 
nicht ergeben, zumal die Zahl der unruhigen Kran- 
ken während der letzten Kriegsiahre infolge der 
starken Sterblichkeit sehr zurückgegangen ist und 
durch die Neuaufnahmen der Nachkriegszeit nur 
eine relativ geringe Zunahme erfahren hat. 


Dauerbäder werden auch in der nächsten Zu- 
kunft nur sparsam und mit Einschränkung auf be- 
sonders schwierige Fälle gegeben werden können. 


E N: Dr. Ahrens. 


I) Die übrigen Wannen dienen fast ‚ausschließlich 
für Reinlichkeitsbäder. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


größerer Abgabe von Beruhigungsmitteln, daß elf N 
 tunlichste Wiedereinführung der Bäderbehandil y 


[Nr. 3% N 3 


Psychiatrische und Nervenklinik der Universi a 
Frankfurt a. M. E 

Auf Ihre Anfrage wegen: Einschränkung ia ge 
Bäderbehandlung kann ich Ihnen mitteilen, daß wigä 
in Frankfurt glücklicherweise nicht genötigt womf w 
den sind, die Behandlung wesentlich einzuschrärf 
ken. Besonders auf der Unruhigenabteilung komp 
ten die Bäder wie vor dem Krieg weiter gegm 
werden. Dagegen mußte in der bis vor: kurz 
von mir geleiteten Anstalt Gehlsheim bei Rost 
i. M. der Badebetrieb in den Jahren 1916 bis M fa 
sehr erheblich beschränkt werden, da dort ein gwif 
Ber Kohlenmangel herrschte. Ich kann nur sagai 
daß diè Krankenbehandlung darunter außBerordei pbr 
lich gelitten hat, und daß ich es mit großer Frew 
begrüßt habe, hier in Frankfurt wieder in weit 
Umfang Bäder geben zu können. f 
Prof. Dr. Kleist 


St. Jürgen-Asyl für Geistes- und Ner venkranke f ; 
zu Ellen (Bremen). | i 


Eine wesentliche Einschränkung der Bäderbegglt 
handlung in der Kriegs- und Nachkriegszeit habui 
wir im St. Jürgen-Asyl, der staatlichen bremische KI 
Anstalt, nicht vornehmen müssen. Ich möchte | 
meinerseits auch solch eine Einschränkung nicht Wf 
fürworten und würde sehr ungern auf. die Bäder 
behandlung in ihrer jetzigen Ausdehnung W 
zichten. Prof. Dr. Delbrück“ 3 


Universitätsklinik und Poliklinik für Psychistkkgu 
und Nervenkranke in Bonn. pie 

-In der Bonner Khinik haben wir die Bäder nd“ 
einzuschränken brauchen. Wir wenden sie MET 
nur zur Beruhigung Geisteskranker, sondern ud] 
reichlich bei Neurotikern und Vasomotorikert # 
FR Prof. Dr. Hübnel n 


Landes-Heil- und Pilegeanstalt Herborn (Dillkrelf w 


In hiesiger Anstalt mußten in den letzten Jaht i 
während der Sommermonate aus Kohlenmangel Agi 
Dauerbäder fast völlig eingestellt werden. = 
zeigte sich eine so wesentliche Verschlechteril a 
in der Pflege der siechen Kranken und eine so. 
hebliche Steigerung der Erregung und Unruhe rol MR 


aus ärztlichen Gründen angestrebt werden M A 
| San.-Rat Dr. Snel in 
Staatskrankenanstalt F riedrichsberg-Hambut® sel 
Die Einschränkung der Dauerbäder ist u ie 
durch die Heiznot, aber auch durch die Perso | a 
knappheit, der die Rücksicht auf die riesige! “ 


Hip 


il sonalkosten infolge Lohnerhöhung und 48-Stunden- 
; woche zugrunde liegt. Dekubitus hat leider zu- 
nommen und in manchen Fällen ist dadurch 
ide Krankheitsdauer usque ad mortem abgekürzt 
E Direktor Prof. Dr. Weygandt. 


i j " Landes-Anstalten „Am Steinhof” in Wien. 


1f Unter den’ vielfachen Entbehrungen des Krieges 
ind der Nachkriegszeit ist in den Anstalten „Am 
i Steinhof” in Wien wie wohl in den meisten e 
fanstalten Österreichs und Deutschlands der Man- 
el an Brennstoffen besonders fühlbar. Aus Er- 
y aungsrücksichten, namentlich aus Mangel an 
b Brennmaterial, sind in den Anstalten „Am Stein- 
‚| derzeit von insgesamt 39 Krankenpavillons 
ANI gesperrt. Die Kranken sind infolgedessen auf 
en belegten Pavillons enger zusammengelegt. 
{Der Gesamtbelag aller Pavillons ist mit 2600 Bet- 
Pien festgelegt, der gegenwärtige Krankenstand be- 
e p rund 2950 Patienten. 

Die Verordnung von Bädern ist tief unter das 
| Fi der Hausordnung vorgesehene und in der Vor- 


l le Der $ 79 der Hausordnung schreibt vor: 
i Außer den. von den Ärzten zu Heilzwecken ver- 
‚pordneten Bädern erhält jeder Pflegling wöchent- 
R ich mindestens ein Reinigungsbad.” Während des 
mf Krieges und auch heute noch bekommen. die mei- 
sten Patienten nur alle 14 Tage, ein nicht unbe- 
a Teil nur alle Monat einmal ein Reini- 
&ungsbad. Die Verordnung von Heilbädern, na- 
Mentich von Dauerbädern, wurde auf das: unum- 
eich notwendige Maß eingeschränkt, weit 


i  Shenswerte, ja. notwendige Grenze. Die Reini- 
f Zugsbäder der unreinen Kranken. werden zum 
Prrsameren Sitzbäder ersetzt. Unter den gegen- 
| ‚em Krankenstande von rund 2950 Patienten 
| erchschnittlich. täglich 413 Reinigungsbäder, 76 
| p a und nur 44 Dauerbäder verordnet. Die- 
foi angel an Bädern macht sich besonders auf 

Abteilungen für unruhige und unreine Kranke 
NA Unruhige Kranke müssen vielfach 
! er der Dauerbäder isoliert oder mit chemi- 
i x a Beruhigungsmitteln behandelt werden. 


Ay Heilung der Geisteskranken, d. i. auf die 
ı t Geheilten und die Krankheitsdauer der- 
| Fir Fo einen Einfluß genommen, ist schwer in strik- 
| Kam beantworten. Das eine ist sicher, daß 
lichkeit, die im Kriege bekanntlich ganz 
orm gewesen und heute noch kaum in allen An- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


tegszeit durchgeführte Maß eingeschränkt wor- 


(Filter die vom ärztlichen Standpunkte aus wün- 


‚il durch einfaches Abwaschen oder durch die 


If Vårtigen reduzierten Verhältnissen werden ber 


A Die Fr age, inwieweit der Mangel an Bädern 


205 


stalten auf das Maß der Vorkriegszeit gesunken 


ist, nicht einzig und ausschließlich ‘durch die Er- 
nährungsschwierigkeiten bedingt war. Es kommen 
sicher andere Ursachen auch mit in Betracht, der 
Mangel an Bädern und die dadurch bedingten ver- 
schlechterten hygienischen Verhältnisse nicht an 
letzter Stelle. Fälle von Typhus und Dysenterie 
waren vor dem Kriege in der hiesigen Anstalt eine 
Seltenheit. Während des Krieges herrschte eine 
leichte Typhusendemie und Erkrankungen an Dys- 
enterie kommen heute noch immer wieder vor. 
Fälle- von Skabies waren hier vor dem Kriege 
ebenfalls sehr selten. Im Kriege trat Skabies in 
Hunderten von Fällen auf, und trotz aller An- 
strengungen ist man dieselbe in der Anstalt heute 
noch nicht ganz los. Daß an diesen Verhältnissen 
der Mangel an Bädern eine der Hauptursachen ge- . 
wesen, wird kaum zu bestreiten sein, zumal wenn 
man bedenkt, daß es sich eben zu einem großen 
Teile um unreine und unruhige Geisteskranke han- 
delt. Der Mangel an Brennstofien hatte auch zur 
Folge, daß mit Wäsche gespart werden mußte, 
weil sie, obwohl noch in genügender Menge vor- 
handen, nicht mehr im früheren Ausmaße gereinigt 
werden konnte. Das Überziehen der wollenen. 
Bettdecken mit .sog. Deckenspiegeln und Lein- 


 tüchern mußte teils aus den angeführten Gründen, 


teils deswegen eingestellt oder mindestens wesent- 
lich beschränkt werden, weil der Faden zum Auf- 
nähen nicht mehr aufzutreiben oder zu erschwin- 
gen war. Der Mangel an Bädern wurde unter 
diesen Umständen um so fühlbarer. Daß die 
hygienischen Verhältnisse in den Irrenanstalten im 
Kriege und nach dem Kriege schlechter geworden 


sind, dürfte, als sicher angenommen werden dür- 
fen. Der Mangel an Bädern und die anderen durch 


Brennstoffmangel bedingten Verhältnisse ‚spielen 
dabei eine Hauptrolle. 2“ | 

Das Bestreben der Anstaltsärzte wird ohne | 
Zweifel dahin gehen, die Anwendung von Bädern, 
namentlich von Dauerbädern und Reinigungsbä- 
dern, wieder in jenem Maße zu erreichen, als es 


die Pflege und das Wohl der Geisteskranken er- 


Daß man dabei überall auf das Ausmaß 
ist damit 


fordern. 
der Vorkriegszeit zurückgreifen mub, 


nicht gesagt. Man mag ja vor dem Kriege, wo ein 
. Bad mehr oder weniger keine ausschlaggebende 


Rolle spielte, mit der Verwendung von Bädern 
da und dort etwas zu luxuriös, um nicht zu sagen 
verschwenderisch, gewesen sein. 

Es ist jedoch zu fürchten, daß für die nächste 
Zukunft wenigstens die Verhältnisse stärker sein 
werden, als die gewiß berechtigten Bestrebungen 
der Anstaltsärzte nach vermehrter Bäderanwen- 


zu 'beschränken. 


206 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT Nr. a 


dung, wenn man -bedenkt, daß in den Anstalten 
„Am Steinhof” z. B. der Ausgabeposten für Brenn- 
material allein im laufenden Jahre weit mehr als 
das Doppelte jener Summe ausmacht, die wenige 
Jahre vor dem Kriege zur Erstellung der ganzen 
Anstalt samt Grund und Boden, allen Gebäulich- 
keiten und der vollständigen Inneneinrichtung auf- 
gewendet werden mußte. 

Dr. Scherrer, Steinhof-Wien. 


Kreis-Heil- und Pilegeanstalt Erlangen. r 


Die Zahl der Heilmittel, die uns im Kampfe ge- 
gen. die Geisteskrankheiten und gegen die aus 
den: Geisteskrankheiten sich ergebenden Gefahren 
zur Verfügung stehen, ist eine verhältnismäßig 
kleine. Eines der wichtigsten dieser. Mittel ist 


- das Dauerbad. Die Verhältnisse des Krieges und 


der ersten Zeit nach dem Kriege, besonders der 
Kohlenmangel, haben vielfach zur . Ausschaltung, 


überall zur erheblichen Einschränkung der Dauer- 


bäder gezwungen. Die Anwendung mancher an- 
derer Heilmittel (Schlafmittel, Beruhigungsmittel, 
Separierung usw.) ist uns durch die zunehmende 
Preis- und Lohnsteigerung erheblich erschwert. 
Die hohen Preise für Möbel und Hausgeräte, Klei- 
dung, Bettwäsche usw. machen uns doppelt zur 
Pflicht Zerstörung von Anstaltseigentum möglichst 


rierung erregter Kranker können wir am besten 


durchführen im Dauerbad. Es erscheint also auch 


vom rein wirtschaftlichen Standpunkte aus, der 
leider im: Anstaltsbetrieb neben wissenschaftlichen 
und humanitären Erwägungen in Gegenwart und 
Zukunft eine wesentlich größere Rolle spielen muß 


als früher, durchaus empfehlenswert das Dauer- 
bad wieder im me un in größerem Um- 


fang anzuwenden. 
Die erste Voraussetzung dafür: eine genügende 
Menge von Hausbrandkohlen — scheint zurzeit fast 


-~ überall gegeben. Einrichtungen für Dauerbäder sind 
= wohl in allen Anstalten vorhanden. Die finanziel- 
len Mittel lassen sich durch Einsparungen bei den 
Schlaf- und Beruhigungsmitteln, durch Einsparun- 
gen beim Bekleidungs- und Mobiliaretat vielfach 


zu einem großen Teile decken. - | 
Dauerbäder beanspruchen das Pflegepersonal. 


Diese Beanspruchung ist infolge der Steigerung 


der. Löhne, infolge der Verkürzung der: Dienstzeit 
mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden. 
Dieser Aufwand läßt sich unter den derzeitigen 
Dienstverhältnissen auf ein mit den verfügbaren 
Mitteln noch durchführbares Maß nur dann durch- 


führen, wenn wir auf die Vorteile mehrerer kb 


Beruhigungsmittel können. wir. 
-am besten: ersetzen, Zerstörung. können wir am 
"besten verhindern durch das Dauerbad, die Sepa- 


' den Gefahren werden am besten durch das "i 


gung haben, in denen also der Abdampf zur Bei 


in Baderäumen, die gegenüber den Friedens m 


ner Dauerbäder verzichten und die Nachteile gifi 
Berer Dauerbäder von vier bis sechs Wannen d 
den Kauf nehmen. Vier bis sechs Wannen wi | 
diejenige Anzahl dar, die durch einen bis meh 
Pfleger bei Tag, durch einen Pfleger bei W N 
eben noch versehen werden kann, vorausgenl 1 
daß das Dauerbad an einen Wachsaal grenn ign 
dem ständig Pflegepersonal anwesend ist. P 
Auf komplizierte teuere Anlagen, Misciegen 
richtungen usw. wird man verzichten müssendfä 
verzichten können;’ die relativ kleinen Gef 
die sich aus dem Verzicht ergeben, müssen mg k 
so manche andere Folgen unserer wirtschaftiddgti 
Not hingenommen werden. pm 

Der Nutzen des Dauerbades liegt 

l. in der beruhigenden Wirkung; 
2. in der schlafmachenden Wirkung; A 
3. in der Möglichkeit geeignete Kranke u h 
Fortdauer der Aufsicht in einer Umgemg 
welche die Gefahr einer Selbstbeschädgif 
erheblich reduziert, von den übrigen An vi 
ken abzusondern; Ep 


4. in der Möglichkeit der Verhütung und 3 jä 
kämpfung des Druckbrandes; Ea 

5. in der Möglichkeit der offenen Wundbetat fis 
lung bei- Kranken, welche Verbände m öl}, 
dulden und Wunden verunreinigen. Beer 

` Drei große Gefahren der Irrenanstaltsbei Ic) 
lung: Die Gefahr der lange dauernden Isolier PP: 
die Gefahr der gehäuften Darreichung von SH 
und Beruhigungsmitteln an den gleichen Kraf 
und die aus mechanischer Beschränkung droig 


1 | 
ý 


bad vermieden. 
In den Anstalten, welche zentrale Kraftvers 


tung von Warmwasser fast kostenlos zuf Veri 
gung steht, scheint mir die Wiederenniini 
verstärkte Durchführung des a 


Pe 
ns 


hältnissen eine vermehrte Anzahl von Bad, 
nen aufweisen, absolut notwendig und Il i 
durchführbar zu sein. In Anstalten ohne zet 3 
Kraftanlagen scheint mir die Einrichtung m. 
stens eines größeren, vier bis sechs Wannei m ni 
haltenden Dauerbades auf jeder | 
eventuell unter Einrichtung von lokalen 
wasserbereitern möglich, vom ärztlichen und W 
schaftlichen Standpunkte aus gleich Te 
Diese Forderungen werden materti or 
die Erfahrungen des Krieges und der Nachkilt 
zeit. Wohl in allen Anstalten, in denen ai 


je 


l fier verzichtet werden mußte, hat die Zahl der 
pun schwerem Druckbrand vorzeitig und in einer 
ii fibstobenden und widerlichen Weise -zugrunde ge- 
ifngenen Kranken eine beträchtliche Zunahme er- 
wf ahiren. Daß das Fehlen der Dauerbäder im Kriege 
af Wht eine größere Zunahme der Tätlichkeiten, der 
af Zerstörung von Anstaltseigentum zur Folge hatte, 
if wohl damit zusammen, daß damals fast in 
allen Anstalten die Kranken in einer Weise unter- 
Kl mährt waren, die ihre Fähigkeit zu Angriffen und 
i dfu Zerstörung wesentlich herabsetzte. Seitdem wir 
' ider Lage sind, unsere Kranken zwar nicht gut, 
er doch einigermaßen genügend zu ernähren, 
| itt die Notwendigkeit des Dauerbades in zuneh- 
Prendem Grade hervor: die Notwendigkeit, den 
A rünstigen Einfluß, den das Dauerbad auf die Zahl 
| Mi neritic, der Zerstörungen, der anderen Äuße- 
rungen der Unruhe und Erregung ausübt, wieder 
Rdauernd einem größeren Kreise von Kranken zuteil 
Werden zu lassen. 
g Obermedizinalrat Dr. K olb, Erlangen. 


Ni 3. Oktober 1921. 


Berlin, Charite. 


Die Bäderbehandiung ist bei uns in weitgehen- 
im Maße durch Packungen ersetzt worden. Eine 
“nahme der Kontusionen ist nicht bloß auf die sel- 
‚Beneren Bäder, sondern auch auf die unzuläng- 
] pis durch den Achtstundentag herbeigeführte 


|| h Srsonalkontrolle zurückzuführen. 
| Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bonhoeffer. 


i Heil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen. ` 


- Während des Krieges ist in der hiesigen Anstalt 
i fi Bäderbehandlung der Geisteskranken nicht 
f Az auigehoben, mußte aber doch erheblich ein- 
Bun werden. Die in dieser Zeit gemachten 
, dhrungen haben den hohen therapeutischen und 
r Be Wert der Bäderbehandlung nur be- 
“ligt, so daß man sich bemühen muß, die Bäder- 
Ntandlung immer mehr in dem früheren Umfange 
l Vider einzuführen. Ganz ist dies hier allerdings 
| Î fg der Kohlennot noch nicht möglich gewesen. 
| | Dr. Nitsche. 


d 


A 
i 


M | Uandes-Heil und Pilegeanstalt  Alt- Scherbitz. 
i infolge der steigenden Kohlennot während 


N 
| Fe: der Bäderbehandlung fiel mit den stei- 
Ai Ernährungsschwierigkeiten zusammen. 
fa à der akut Geisteskranke in seiner unwirt- 
lichen Ar d 


Pr 


_PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


f Pychiatrische und Nervenklinik der Universität | 


tieges sich ergebende fortschreitende Be-. 


er Ausnutzung der Nahrung mehr 


207 


als normaler Nahrungszufuhr bedarf, so litt ge- 
rade er unter der Rationierung der Lebensmittel 
ganz besonders. 


Die fortschreitende Unterernährung hatte bei 
dem größten Teil der Kranken die Folge, -daß die 
motorische Unruhe nur noch in gewissen Grenzen 
zum Ausdruck kam und daher weniger beruhigende 
Maßnahmen verlangte. Bei dem geringen Kräfte- 
zustande, in dem sich viele akut Geisteskranke in 
jener Zeit befanden, war Bäderbehandlung, die 
immer gewisse Ansprüche an die Herzkraft stellt, 
überdies häufig kontraindiziert. Mit der steigen- 
den Fettmenge, die den Kranken in den beiden 
letzten Jahren nach dem Kriege wieder zugeführt 
werden konnte, nahmen die verschiedenen Erre- 
gungsiormen in letzter Zeit mehr und mehr das 
frühere Gesicht an. Dementsprechend ist in der 
hiesigen Anstalt trotz der  Kohlenversorgungs- 
schwierigkeiten und der Knappheit des Pflegepet- 
sonals die Bäderbehandlung so weit wie möglich 
wieder aufgenommen worden. 


Die Unmöglichkeit, -sie in ausreichendem Maße 
wieder anzuwenden, wird, wie alle hiesigen An- 
staltsärzte übereinstimmend angeben, als fühlbare 
Lücke in der Reihe der therapeutischen Mittel emp- 
funden. | 

Besonders in denenigen Fällen, in welchen in- 
folge halluzinatorischer ängstlicher Verwirrtheit 
Abneigung und Mißtrauen gegen Medikamente be- 


‚stehen, haben Dauerbäder erfahrungsgemäß viel- 


fach ausgezeichnete — prompt einsetzende und oft 
anhaltende — beruhigende Wirkung gehabt, häufig 
auch die darniederliegende Nahrungsaufnahme sehr: 
günstig beeinflußt. 


Als Ersatz für das Daucrbad hat sich meist nur 
unvollkommen die hydropathische Einwicklung be- 
währt, da sie, leicht das Herz angreift und manch- _ 
mal, wenn auch nur vorübergehend — das Angst- 
gefühl steigert. | 


Bei subakuten Fällen Jaser kann die hyaro- 
pathische Einwicklung nach den hier gemachten 
Erfahrungen mehr als früher. herangezogen wer- 
den, wenn zuverlässiges, älteres Pflegepersonal in 
ausreichendem Verhältnismaße zur Verfügung steht. 

- Die Dauerbäderbehandlung, die in wertvollster 
Weise die therapeutischen Mittel seiner Zeit be- 
reichert hat, wird auch bei steigenden verfügbaren 
Kohlenmengen. — ganz abgesehen von den Un- 


kosten hierfür — sich in Zukunft nur in Einzel- 
fällen (wie z. B. bei mit Dekubitus eingelieferten 
Kranken) durchsetzen lassen, da nach Einführung 


der verkürzten Arbeitszeit für das Pflegepersonai 
bei der gleichzeitig notwendig gewordenen höheren 


208 


Entlöhnung desselben aus wirtschaftlichen Grün- 
den nur eine wesentlich geringere Zahl von Pilege- 
. personen zu ständiger Verfügung gehalten werden 
kann. | | 

Die gleichzeitige Beaufsichtigung mehrerer 
Kranker im Dauerbade durch eine Pflegeperson 
(oder eine größere Gruppe solcher durch einige 
wenige Pfleger) hatte immer gewisse Schattensei- 
ten, zumal ein Hauptfaktor der beruhigenden Wir- 


Referate. 1 


— Die der Irrenanstalt angereihte Nervenheilanstalt. 
Von Georg Ilberg, Sonnenstein. Allgem. Zeitschr. 
f. Psych. 1921 Bd. 77. 

Die Irrenanstalt Sonnenstein liegt auf einer Anhöhe. 
Am Fuße dieser Anhöhe in dem Städtchen Pirna besitzt 
die Anstalt ein altertümliches, hübsches Haus, das vor 
Gem Krieg als Nervenheilanstalt eingerichtet und im 
Kriege als Neurotikerheilanstalt gebraucht wurde. Diese 
kleine Nervenheilanstalt hat sich nun ‚in den 
letzten Jahren als Sanatorium für Mindebemittelte gut 
eingeführt. Seit Jahresfrist ist ein Ambulatorium dazu 
gekommen, das sich steigenden Zuspruchs erfreut. Die 
Anstalt belebt und ergänzt die sonst oft etwas eintönige 
Tätigkeit der Ärzte. Will man, was zu empfehlen ist, 
hier. oder dort, ähnliches einführen, -so ist vor allem zu 
prüfen, ob man in der Nähe der Irrenanstalt geeignete 
- Räume erhalten kann; in die Anstalt selbst werden Ner- 

venkranke schwer gehen. (Eigenbericht.) 


Buchbesprechungen. 
— Schultz, J. H.: Die seelische Krankenbehand- 


lung. (Psychotherapie.) 2. verbesserte Auflage. Jena 
1920, Verlag G. Fischer. 353 S. 40 (48) M. 
Der Verf. entwickelt: Die psychologische Orien- 


tierung, die Wege zur Psychotherapie, die Methoden 
der Psychotherapie, das Ziel der seelischen Behand- 
lung. - 

Der dritte Abschnitt wird am ausführlichsten be- 
dacht. Zur Besprechung gelangt: 1..die hypnotische, 
2. die psychanalytische (der Verfasser nennt sie die 


= psychoanalytische), 3. die wachsuggestive, 4. die heil- 
. . pädagogische Behandlung. Die Stellung des Verfassers 


zur Hypnose ist wohltuend kritisch; Referent befindet 
sich mit ihm in weitgehender Übereinstimmung. | 

= An die Freudsche Psychanalyse geht er „mit 
Vorbehalt” heran. “Zunächst gibt er eine kurze, klare 
Einführung in diese vielumstrittene ;‚Tiefenpsychologie”. 

Dann wendet er sich gegen die einseitige Einstellung 
auf das: Sexuelle, und- unterzieht die Traumlehre, sowie 
die Anschauungen der Schweizer (Züricher) Schule, 
des Wieners Adler sorgfältig abwägender' Kritik. 
Die „Entrüstung”, welche Freud auslöste, ‘weist er 


zurück, und zwar, wie mich dünkt, mit Recht; denn 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


welche wir empfangen haben. 


“ sung zahlreicher Fremdworte gewinnen (so > 


u 


(Nr. N $ 


kung — die zwanglose Absonderung des Krak kE y 
zusammen mit der Aufsichtsperson — dann for: 

So wird denn die Wiedereinführung der Biti 
behandlung in auch nur annäherndem Male if. 
früher, so lange eine unerfüllbare ideale therapie \ 
sche Forderung bleiben müssen, als nicht einem 
sentliche Besserung unserer gesamten wirschl a 
lichen Verhältnisse erfolgt. ie eg 
Oberarzt Dr. Bau | 


wissenschaftliche (und andere) Ideen können nurmi 
senschaftlich bekämpft werden. Schultz anal 
die Bedeutung der: Psychanalyse, des Satzes voni h 
„Verdrängung” und vieler anderer Anrepi si 
‚Er wird aber audit h 
Gegnern gerecht, und betont die „starre Anwendu $ 
weise” und die formalen Entgleisungen Freuds WS 
Stellung der ‘psychanalytischen Behandlungl 
genüber geht aus einem der letzten Sätze (S. 19) l 
vor: „Kinder sind für psychokarthartische Behari k 
nur mit einem Höchstmaße von Kritik heranzut 
eigentlich „psychoanalytische” Behandlung ist bei wgn 
und anderen Unselbständigen völlig kontraindizieil a 

Aus dem Abschnitt über „Wachsuggestion ME 
sich der Praktiker mannigfache Anregung und mpte 
rung — zumal für „leichtere” Fälle holen. Bing 
ches gilt für den dritten, 100 Seiten füllenden Absd 
der in der Hauptsache klinische Mitteilungen o 

Auf engem Raume, im 13. Absatz, S. 304 bi 
findet sich wohl das Beste des Buches. Die beschi 
Wertung des Verfassers (siehe Einleitung) gilt ni K 
das ‚Ganze. Sie gilt am wenigsten für den Tel i 
Arbeit, welcher die „Persönlichkeitsirage” behang i 

Es ist der Erwähnung kaum wert, daß eine 9g 
fangreiche Bearbeitung einer im Flusse: befindik 
Wissenschaft, bei anderen Vertretern nicht. in # E 
Punkten Zustimmung finden kann. So z. B. ford! A 
Referent, im Gegensatz zum Verfasser (S. 26), stt | 
dere gemütliche Teilnahme am Kranken”. Refereil | 
auch keine Fälle „restloser Beherrschung dureh 
Arzt” gelten lassen (S. 31), schon darum nicht 
Beherrschung durch den Arzt und Willensenttalti 
Kranken nicht vereinigt werden können. Daß N Aa 
sehr selten ein ‚regelrechtes Gesch ai 
sitzen, bestreite ich. | k 

Jede „Überrumpelungsbehandlung“ lehne ich dhl 
fern sie zu den psychologischen gerechnet! 4 
den soll. d a 

Das bedeutende Werk würde hen durch 


l 


Illustration” usf.). Doch das sind Nepensacilil d 


die der Leistung gegenüber nicht ins Gewicht 
ist es, die es anzuerkennen, die es zu e 
zeigt, welcher schweren Unterlassungssände : 


11921) 


| Hohen Schulen” schuldig machen, welche nicht er- 
kennen — was Psychotherapie für den Studenten be- 
tiik deutet. Prof. Friedländer, Freiburg i. Br. 


5 --Förel, Prof. A.: Der Hypnotismus oder die Sug- 
; gestion und die Psychotherapie. 8. und 9. Aufl. Stutt- 
Ẹ art 1919, Verlag F. Enke. 

"E Die beiden ersten Kapitel sind psychologischen und 
M inatomischen Ausführungen gewidmet, um die irrige An- 
F chauung zu widerlegen, als handle es sich bei der Hyp- 
Mme um „Wunder”. In klarer und kritischer Form 
iespricht Forel im dritten Kapitel alte und neue An- 
F schauungen über den Hypnotismus. Die von Charcot 
f aisgegangene Hemmung und andere Irrtümer führen zu 
F iiner Erwähnung der heute mehr als je (und wohl viel 
Fu sehr) beachteten Erscheinungen der Telepathie, des 
üf Hellsehens, des Gedankenlesens. Referent hat mehr- 
ia lach, wie dies Forel tut, eine Nachprüfung der be- 
| ‚haupteten „TLatsachen” angeregt. Durch Nichtbeachtung 
seitens der berufenen Kreise werden wir der . Wahr- 
H heitsfindung keinen Schritt näher kommen. 

' Den breitesten Raum nimmt die Besprechung der 
A Suggestion, die Analyse der Hypnose ein. 
| Hypnose, posthypnotischen Suggestionen, Simulation und 
ji Disimulationen usw. 

Ihrer klinischen und forensischen Bedeutung wegen 


ii nichte ich einige der Forelschen Sätze besonders 
j pee: 


L 4 nille Eigenschaften wesentlich beeinflußt werden könn- 
te 
Weiter sagt er El 119): de blinde, automatische 
i ira des Hypnotisierten ist nie ein vollständiger. 
= Suggestion hat stets Grenzen. .. .” Diese An- 
Sicht schränkt der ser aper Si 320 
Auffallend ein: 
i S. 120: „Es ist überhaupt ein fundamentaler Irrtum 
"i a glauben, der Hypnotisierte sei unter völliger Ab- 
HE tityigkeit des Hypnotiseurs.” 
i$ s 
d "kicsen, 
I... Ausführlich setzt sich Forel mit der Breuer- 
a "udschen Psychanalyse auseinander. Darin, daß 
' p ae der Entdecker jener Auffassung und Lehre 
Flirt, welche wir „sychanalyse 1 nennen, kann ich Fo- 
Y Nicht zustimmen. 
k ehr interessant erscheint aber seine Behauptung, 
E. ar. Nicht Charcot sondern Liébault derjenige 
I M Welcher den seelischen Ursprung der aa ln 
z en als erster erkannt habe. | 
r int nter Hervorhebung der Freud schen Verdienste 
4 í DEN die von jenem ausgebaute Sexualitätslehre als 
Ms ikert" v Hypothese ihrer „Übertreibung und Ein- 
A, in wel wegen ab, ohne aber die große Rolle zu leug- 
» Welche das sexuelle Leben spielt. 


I krank, Bi 
i (en 1 ein, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Gerade der 


-Forel glaubt nicht, daß tief ererbte, konstitutio- . 


sa I ee Abschnitt, welcher die therapeutische Wirk- 
A amkeit ‘der. age behandelt, sei besonders ver- 


a diesem Abschnitt geht Forel auch auf die von 
oe Graeter u. a. geübten Metho- 


209 


Sehr eindringlich wendet er sich gegen Dubois. 
dem er Beschimpfung des Hypnotismus vorwirft. D e- 
ierine kommt nicht viel besser weg. 

Forels Buch beweist seine Vorzüge schon durch 
die Höhe der Auflagen. Referent kann sich nicht in 
allen Einzelheiten dem Verfasser anschließen. Auch 
würde für spätere Auflagen eine andere Einteilung 
zwecks besserer Übersicht zu empfehlen sein. 

Zu allen Zeiten aber wird Forels Name an der 
Spitze derienigen stehen, welche zur Erkenntnis und 
Verbreitung der Lehre vom Hypnotismus beigetragen 
haben. Forel war in Wirklichkeit einer der Pfad- 
finder und Wegebereiter. Darum sollten seine Ausfüh- 
rungen vor allem von ienen beachtet werden, welche 
noch und immer wieder über die Hypnose urteilen, ohne 
etwas von ihr zu wissen. Diesen sei besonders das be- 
schämende Gutachten der Berliner Ärztekammer (S. 317), 
die von Forel erwähnte „Bekehrung” von Strüm- 
pells und die „Wiederentdeckung” der Hypnose wäh- 
rend des großen Krieges als Beitrag zur Geschichte 
der Hypnose empfohlen. 

Prof. Friedländer, Freiburg i. Br. 


Therapeutisches. 


— Zur Behandlung der Lungentuberkulose mit den 
Partialantigenen nach Deycke-Much. Von Dr. W.Düll, 
JI. Arzt an der Heilstätte. Aus der Heilstätte Wasach 
bei Oberstdorf. (Leitender Arzt: Dr. Schaefer.) Deutsch. 


med. Wochenschr. 1921 Nr. 32. 


Zusammenfassung: Die Dirtgenheranie 
Deycke-Much ist bei gewissen Fällen von Lungen- 
tuberkulose, vor allem zirrhotisch und knotig-proliiera- 
tiven Charakters, ein brauchbares Mittel, die Heilungs- 
tendenz zu unterstützen und anzuregen. 

Vorsicht bei der Therapie ist nötig, besonders bei 
schwereren Fällen, da länger dauernde Reaktionen vor- 
kommen können, die ein sonst an und für sich gün- 


stiges Mittel in Mißkredit bringen können. 


Keen Über Mitigal, ein neues Krätzemittel. (Unter be- 
sonderer Berücksichtigung der Massenbehandlung.) Von 
Dr. W. Willamowski. Aus der dermatologischen 
Abtlg.. d. Allerheiligen-Hospitals in Breslau. Derma- 
tolog. Wochenschr. Nr. 8. vom 26. Februar 1921. | 

Ein brauchbares Mittel gegen die Krätze soll. die 
Milben und die Eier sicher vernichten, für die Haut 
und die Nieren des Behandelten unschädlich, soll geruch- 
los sein, der Wäsche nicht schaden, was in der heutigen 
Zeit zu besonderer Wichtigkeit gelangt ist, und nicht 
zu teuer sein. So ist es lebhaft zu begrüßen, daß es 
unserer chemischen Industrie gelungen ist, ein Mittel 
herzustellen, das anscheinend allen diesen Ansprüchen 
genügt. Dieses Mittel „Mitigal” wird von der Firma 
Friedr. Bayer & Co., Leverkusen, hergestellt und ist 
eine organische Schwefelverbindung mit fest im Kern 


gebundenem Schwefel., RE 


Mit diesem Präparat sind 284 Fälle behandelt wor- 


. den. Bei der stationären Behandlung an 75 Fällen wür- 
den die Patienten ein- bis dreimal eingerieben und an 


Ft | 


210 


dem auf die letzte Einreibung folgenden Tage gebadet. 
Eine einmalige Einreibung ist als unzureichend anzu- 
sehen. Die Resultate bei zwei- bis dreimaliger Einrei- 
bung hingegen waren schon bei den ersten in Behand- 
lung genommenen Fälle so günstig, daß wir das Mittel 
gleichzeitig auch in unserer städtischen Krätzepoliklinik 
anwendeten. Es wurden hier 209 Patienten ebenfalls 
ein- bis dreimal eingerieben, in einem Teil der Fälle 
ging der Behandlung ein Schmierseifenbad voraus. 

Wir haben versucht, die Behandlungsdauer mög- 
lichst zu verkürzen, und haben daher 158 Fälle nur zwei- 
mal eingerieben. In der Tat besteht kein allzu großer 
Unterschied zwischen zwei- und dreimaliger Injunktion 
(11 v. H. : 4 v. H. Rezidive). Auch darin, ob die Patien- 
ten vorher gebadet oder nicht gebadet wurden, zeigte 
sich keine große Differenz in der Wirksamkeit, wohl 
aber ließ sich in technischer Beziehung feststellen, daß 
das Öl nach einem Bade von der Haut besser aufge- 
nommen wurde. 

Gleich gute Resultate ergab auch die Behandling 
von 20 Patienten aus unserer Poliklinik, denen das 
„Mitigal” nach Hause zur Selbstbehandlung mitgegeben 
wurde. 

Dagegen ist nochmals L daß eine ein- 
malige Einreibung nicht genügt, jedoch meist eine zwei- 
malige. Um ganz sicher zu gehen, möchten wir empfeh- 
len, die Patienten an drei aufeinanderfolgenden Tagen 
ie einmal in der üblichen Weise sorgfältig einzureiben. 


Für Massenabfertisungen in größeren städtischen 


Krätzepolikliniken, bei denen pekuniäre Rücksichtnahme 
eine ‚größere Rolle spielt, hat sich uns folgendes Ver- 
fahren als ausreichend erwiesen: Am ersten Tage er- 
folgt ein -Reinigungsbad mit Schmierseife und im An- 
schluß daran sofort eine gründliche Einreibung mit „Miti- 
gal’. Am nächsten Tage erhält der Patient wiederum 
eine Einreibung, womit dann die Kur beendet ist. Der 
Kranke soll während einer Woche dieselbe Wäsche 
anbehalten und sich, dann zur Nachuntersuchung vor- 
stellen. 

Nierenreizungen sind bisher nicht beobachtet wor- 
den. Hautreizungen leichterer Art haben wir in nicht 
nennenswerter Zahl gesehen, sie sind iedoch stets in 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnummert. 
Für den Rn verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a 
erlag: 


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DR. RITSERT 


a ~ er mm ee š en yoe z 


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$ "i 


p Be 
3 E 
(Nr. 330 
- 


wenigen Tagen ohne besondere Behandlung verschwur 3 
den. H d 
Das neue Schwefelölpräparat „Mitigal” ist also atM 
ein ausgezeichnetes Antiskabiosum für die ambulan Mi 
Behandlung der Krätze, auch zum Gebrauch in gro 
Krätzepolikliniken für Massenabfertigung sehr zu em |: 
fehlen und stellt somit eine wesentliche Bereicher 
unseres Arzneischatzes dar. | P 

Die Behandlung von Krätzepyodermien z, Ba l 


Händen und Füßen mit einer Mischung von „Mitimiti 
und gewöhnlicher Zinkpasta zu gleichen Teilen hat eb 
falls bisher recht gute Resultate gezeitigt. Fl: 

Ferner haben wir mit dieser Zusammensteli@h 
auch sonst Pyodermien, Impetigo contagiosa, impeti 


nöse Ekzeme, Sycosis non parasitaria und ähnlich N 
Affektionen mit gutem Erfolge behandelt. Auch bei Wif 
Seborrhoe des Kopfes haben wir von einer Mischa $ 
des Mitigals mit Spiritus (80 v. H.) und Azeton ana sa | Mn 
zufriedenstellende Resultate gesehen. E: 


Von Gehes Arzneipilanzenkarten ; 
sind de Folgen 14, 15, 16 und 17 erschien 
In der bisher gepflegten Weise ist die lehrreiche 4 
sammenstellung fortgeführt. Jede Karte trägt außer di 
Namen der abgebildeten Pflanze Angaben über die wit 
tiesten daraus hergestellten Produkte. Austfüll 
liche Auskunft gibt dann das jeder Folge beigel 
Merkblatt. 

Demnächst erscheint ein F Nadia zur dritten. w 
lage von Gehes Codex sowie ein Verzeichnis. der it 
steller von den im Codex aufgeführten Präparaten, 


Dieser Nummer! liegt ein Prospekt der Firma 


Chem. Fabrik auf Actien (vorm. E. Schering), B Berli 
betr. „Veramon 


bei, welchen wir der Beachtung unserer Leser ai 


Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schritt 
leitung resp. den Verlag über redaktionel 
Fragen das Rückporto beizufügen. 


TY- 


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Literatur und Proben den Herren Ärzten gratis. 


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Generalvertreter für Berlin und Umgegend: Arcona-Apotheke Berlin N 37, Arconaplatz 5. — Te’efon Humboldt 1711 und S 


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- Bezugspreis: 
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I l zchntärig in Doppelnummern. 


Motto: Wir denken: -Ort für Ort 
$ ‘ Sind wir im Innern. 


D Bezuglehre von Einstein ist vielen ein 
"Stein des Anstoßes, manchem die Wand, an 


i th Dr. Lämmel sagt in seiner Schrift: Die 
F mdlagen der Relativitätstheorie (Populärwissen- 
I tich dargestellt. Berlin 1920, J. Springer. 
ji i a geh. 14,00 M) auf S..144: „Es gibt nicht 
| la enschen auf unserem Planeten, die in der 
| Ss Sind, den mathematischen Inhalt der neuen 
| 9 Einsteins restlos zu verstehen. Ich 

uch überzeugt, daß Einstein selber nicht 


de 
F In tten mathematischen Rüstzeuges ihn geführt hat.” 

e Er wenn Lämmel von dieser Bezug- 
richt von einer „neuen Weltauffassung” (S. 115) 
A ‚so gibt es auch hierfür einen Trost; Lä m- 
2 Meint (S. 108), daß die Dinge des täglichen 


; | = = Relativitätsprinzips) gar nicht berührt 
| Be 


Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und .Auslandes herausgegeben von 


och, Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton. Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer. Roder- 
birken b. Leicht., Prot. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir Dr. Deiters, Düren. San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
“Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Proi. Dr. Friedländer. Littenweiıler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting,. Lalnhausen 
| Rhy: Geh. Med.-Rat Dr. liberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
- Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin. Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Profi. Dr. X Pilcz. Wien. Reg.-Rat Dr. H. Srmöß, 
| Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze. Göttingen, Geh. Med.-kat Prof. Dr. med. et phil Sommer. Gieben. Reg.-Kat Dr. Star inger. 
| Bae-Ohin (N.-Ö.). Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München. Prof. Dr. H. Vogt. Nervenarzt, Frankturt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: - 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler. Kreuzburg: (Obersch!esien). 


Ar. 35/30. 3. Dezember 1921/22 


> Äbonnementspreise für das Aus- Verlag und Ausgabe: ; N E EE n 
n E i- .) Z . 
| | sen Bucnhandet vorgeschrie. Carl Marhold Verlagsbuchhandlung Bei Anfragen ist das Rückporto 
El benen Verkaufsordnung für das in eizufügen. 

I || Ausan berechnet. Zu bezichen Malle a. S., Mühlweg 26 Anzeigenpreis: 


| Wunmittelbar vom Verlage. Er- Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 
scheint bis auf weiteres vier- : Postscheck: Leipzig 32070. größeren Aufträgen wırd Nach- 


$ de 
$ er er sich den Kopf einrennt, wofür es einen Trost 


i ihe 
rall folgen kann, wohin die Gewalt des verwen- 


N ij Lebe : 
| ns durch den Inhalt seiner Aussagen (näm- 


n und (5: D) daß die ganze Relativitäts- 


San -Rat Dir. Dr. Kiuge, Potsdam. San.-Rat Dir.. Dr. Lıhmann, 


Zuschriften für die Schriftieitung 


il mm Höhe und 55 mm Breite 
Marhold Verlag Hallesaale wird mit 60 Pf. berechnet. Bei 


laß gewährt. 


Inhalt: Bezuglehre. (Relativitätstheorie.) Von San.-Rat Dr. J. Bresler. (S. 211.) —  Stuporlösung durch 
m Kokain. Von Oberarzt Dr. Becker. (S. 219.) — Sozialärztliche und sozialpsychiatrische Tätigkeit an 
; A e und Pflegeanstalt Wiesloch (Baden). Von Anstaltsarzt Dr. W; Möckel. (S. 22v. ee AS. 221.) 
= = Buchbesprechungen. (S. 221.) — Therapeutisches. (S. 221 | | 


Bezuglehre. (Relativitätstheorie.) Ä 
Von. San.-Rat Dr. 


J. Bresler. 


theorie für die Dinge des täglichen Lebens bedeu- 
tungslos- sei. 

So ganz möchte man dem nicht beistimmen, 
wenn es einmal gelingen sollte, wovon Lämmel 
prophetisch spricht (S. 124): „Die verborgenen 
Energien heben, bedeutet nicht mehr noch weni- 
ger als wie die Grundstoffe auflösen, ineinander 
überführen, den Urstoff suchen. Dann wird aus 
iedem angezapften Kilo Stoff, was es-auch für ein 


. Material sei, eine Energie von einem solchen Be- 


trag ausströmen, daß man ein Jahr lang alle Eisen- 
bahnen Deutschlands treiben könnte.” Wenn nur 
ein Teil davon in Erfüllung ginge, welche Riesen- 
beträge von Arbeitskraft würden dann in das Wirt- 
schafts- und Erwerbsleben eingeführt, aber auch 
welche unerhörten Vernichtungsmittel in die Krieg- 
führung! Was dann mit den ungeheuer vielen er- 
werbslosen Menschen, wenn Arbeitskraft aus Stei- 
nen gezaubert wird! Und selbst wenn der Mensch 
nicht mehr nötig hat zu arbeiten, was noch zu er- 
tragen wäre, muß dann nicht mindestens die Kin- 
dererzeugung gegen die Natur und gewaltsam be- 


A Y 


schränkt, der Born der Liebe von Zeit zu Zeit ver- 
schlossen, oder müssen dann nicht wenigstens über- 
zählige Kinder und alte überständige Leute umge- 
bracht werden, was übrigens in der Geschichte 
der Menschheit schon einmal irgendwo Brauch 
war? 

Eine Spur von diesem Brauch zeigt sich jetzt 
noch als vorhanden in der Altersgrenze, die für 
die Beamten eingeführt ist. Bei den alten Römern war 
es das sechzigste Lebensjahr; da hatte der Beamte 
wenigstens ein paar Jahre mehr im Ruhestand zu: ge- 
nießen. Wann wird: die Vermögensgrenze ein- 
geführt werden, damit nicht mancher dumme Lümmel 
sich im. Handumdrehen Millionen „verdienen’” und, wenn 
-er nicht das habsüchtige Verlangen nach Milliarden hat, 
nach ein paar Jahren „Arbeit? sich selbst in den Kuhe- 
stand versetzen kann. Wie ist doch die neue „soziale” 
Zeit ohnmächtig und sklavisch Sur UN gegenüber 
dem Mammon! | 


Wird dann nicht der - Unterschied EUR 


Krieg und Verbrechen schwinden, da doch jeder 
— mit und ohne Völkerbund — auf eigene Faust 
bequem Krieg führen kann und in größtem Stil und 
Umfang? Ein Stein, vielleicht schon ein Wink 
der Weisen dieser Art wird dann genügen, in „ge- 
- rechtem, heiligen” 
Weltenraum zu schleudern — Meteore verdanken 
vielleicht solchem Zorn ihr Entstehen —, ganze 


Völker vom Er dboden und aus dem „Völkerbund” 
verschwinden zu lassen. Pest und Erdbeben, solch 
‚kindliche Spiele der Natur, 


wird man belächeln. 
Die „Lehre von den letzten Dingen” (Psychiatrisch- 
Neurologische Wochenschrift, XI, S. 153) wird auf 
sicherer, wissenschaftlicher Grundlage neu aufge- 
. baut werden. | 

Oder wird dann, was menschlicher Geist in 
mühsamem Ringen erfunden, verboten . werden 
müssen, weil der Schaden größer ist als der Nut- 
zen? Denn wir wissen doch, daß durch keine 
Entdeckung und Erfindung das Verhalten der Men- 
schen zu einander, der ewig schwankende Bezug 
von Mensch zu. Mensch und seinen Werken und 
Werten, den wir Moral nennen, besser oder über- 
haupt anders geworden. Es ist nun einmal so, 
daß selbst friedlichste Geistes- und Kulturarbeit 

auf ihren Wegen auch die Mittel findet oder schafft, 

die Früchte eben dieser Arbeit zu vernichten oder 
zu schützen gegen den Menschen. Doch ich wollte 
nur den prophetischen Gedanken eines Lämmel 
weiterspinnen. | 
schrieben steht Jesaja 11, 6—8. 

Glücklicherweise hängt der Wert einer Theorie 
nicht davon ab, was sie für „die Dinge des täg- 
lichen Lebens” bedeutet oder was die Menge, die 
„Mehrheit” von ihr hält. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHF WOCHÈNSCHRIFT 


dessen Anerkennung sich alles landesübliche Def 


Zorne ganze. Erdteile in den. gerade Gegenteil. 


Vielleicht . erfüllt sich, was ge- 


IN. 350 


Was das alte Rätsel: „Kraft und Stott?” an 
langt, so schließt die Betrachtung doch mit recit $ 
nichtssagenden Wendungen: „Der Stoff. ist nid f 
die Wohnung der Kraft, auch nicht die Quelle der F 
selben (also der Energie, ist gemeint), sondern der: | 
Stoff ist, genauer gesagt, die Quellstelledrf 
Energie.” „Kraft und Stoff sind dasselbe” (S. 13), F 
[,„Weltkrümmung proportional Energie” (Münd. F 
med. Wochenschr. 1920 S. 1270).] Es hinterläßt et $ 
peinliches Gefühl, daß die mühereiche Forschung 
nach der kargen schweren Kost mit Worten ab I 
tritt, die nur Hauch sind. „Energie = Masse’ = 
(S. 157). Man wird mißtrauisch gegen die ne; F 
höchste, alles beherrschen wollende Mathematik P 

Finen recht unglücklichen, bemitleidenswertaf 
Vergleich ziehend, sagt Lämmel (S. 12): „Wif 
nun diese Forderung des jüdischen Lehrers Ww 
meint das Gebot der Liebe) eine hohe Ethik vor a 
aussetzt, so ist das Verlangen der Allgemeinen Ia E. 
lativitätstheorie ein ähnlich unerhörtes, gege 


‚ala © AI Ten p 


a Te en an. 


ken sträubt”. Durch diesen Vergleich, der wie ni i 
Faust aufs Auge paßt oder auch, nach der Bezug p 
lehre, wie das Auge auf die Faust, bewirkt er & 7 
Denn Lämmels Aufassuff y 
stehen andere gegenüber, z. B. die von. Galant d 
die sicherlich auch den Anspruch erhebt of a 
glaubt „unerhört” zu sein („Die höhere allgeme p 
anerkannte Liebe, die christliche, ist die patholog-F d 
sche, masochistische Liebe”. „Die höhere wig B 
höchste Liebe, die christliche, isi die krankhaft z 
die pathologische, mit der menschlichen Natur wg 
verträgliche.”); sie findet sich in dessen „Al i; 
halluzinosis” (Berlin 1920, J. Springer; S? .56 bis $ 3 
vergl. Psych.-neurol. Wochenschr. vom 15. Jang € 
1921 S. 327, Verlag C. Marhold, Halle a. S.); einet f a 
Vergleich mit dieser und verwandter Richt g 
würde die Allgemeine Reiativitätstheorie wall N 
scheinlich mit Entrüstung ablehnen (obgleich es af 
dererseits außer Zweifel steht, daß die — !® 
diplomatische — - Lehre, welche seit ee 
immer und immer den kindlichen Gehirnen die P 
stellung von dem hohen sittlichen Wert des » 
duldens” einhämmert, besonders der -n 
Rasse ungeheuer geschadet hat; daher der Nang 
„deutscher Michel”). 

Es gibt auch hier leider nichts Bere 
nichts Absolutes, keine Absolution. s E 

Und wie ist es mit dem „neuen Weltbild” T = 
uns die Bezuglehre bringt? (S. 70). ee 
den wichtigen Einzelergebnissen und -zügel, = g 
mehr den Fachgelehrten beschäftigen, Wissen ih 
nun, dank höherer Rechenkunst, sicherer als | | 
und als es schlichte Erfahrung eingab, De 


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| fiet” t) daß es keine unbedingte Bewegung gibt, 
(Fan der andere Bewegungen nach Richtung und 
F Schnelligkeit gemessen werden können, daß alles 
f tur und in Bewegung ist, daß es nirgends etwas un- 
i bedingt Ruhendes, Unbewegtes gibt, das als Stütz- 
f punkt für unsere Weltbetrachtung und für uns selbst 
F dienen könnte. Der Mensch ist ein Kreisel! 

if Das lag auch schon in dem Ausspruch des Archi- 
“ medes (287 bis 212 v. Chr): „Gib mir einen Punkt, 
a wo ich stehen kann, und ich werde. die Erde aus 
f iren Angeln heben.” Denn er wußte wohl, daß es 
„keinen solchen festen Punkt gibt. 


l der Welt, machte auch. schon: den Versuch, die Dampf- 
2 kraft zur Beförderung von Geschossen zu verwenden. 
7 Immerhin besagt jene Lehre etwas, wenn wir 
f nehmen oder zugeben, daß unter gewissen Um- 
Ẹ ständen eine Bewegung von uns nicht also solche, 
f sondern als Mangel derselben, als Ruhe wahrge- 
f ommen wird, z. B. wenn wir uns’ im stehenden 
f Eisenbahnzug befinden und uns zu bewegen die 
f Empfindung haben, während ein auf dem Gleis da- 
f ben fahrender still zu stehen scheint. Und da 
f Wir fest davon ‚überzeugt sind, daß Leben bestän- 
f üges Werden und Vergehen ist, so geben wir gern 
w, daß Ruhe nur Schein. 
; Bezug, nur „Schein”? Wir hätten dann-mit Hilfe 
f &s „souveränen Wechsels des Standpunktes” nach 
\ Belieben einen Ruhschein und einen Bezugschein 
ar Verfügung, . | 

f Dieser Gedankengang ist uns gar nicht unge- 
J lâufig, denn ein großer Denker Altgriechenlands 


NT 
az © 


I Gleichen” und Friedrich Nietzsche schrieb 
f “rüber schaurig Schönes. Man kann also nicht, 
f Ye Lämmel tut, reden von „unerhörten Denk- 
{ Chwierigkeiten”, welche die Bezuglehre aufwir- 
f "ie (S. 108); um ihre rechnerische Begründung 
f ~ Verstehen, muß man freilich in höherer Rechen- 
I mst zu Hause sein, was ich von mir nicht be- 
| peo kann. Alle anderen aber,.die von sich das- 
| E müssen, können sich mit mir jeden 
E 1 san der Richtigkeit der Rechnung entschla- 
En enn die rechnerische, physikalische Begrün- 
f “ung der 
i en in älteren Formen vorhanden — erhebt 
f "auf der breiten, sicheren Grundlage von Ent- 
l Ooa (535 bis 475 v. Chr.); nach anderer Über- 
ic er gesagt haben: „Alles bewegt sich fort’. 
f ,., amelshausen, Simplizissimus, 1669, Buch 3, Kap. $, 


f ibt es: 
t a „Also wurde ich beizeiten gewahr, daß nichts 
ee in der Welt ist als die Unbeständigkeit 


‚PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE  WOCHENSCHRIFT 


Er berechnete sogar die Zahl der Sandkörner in 


Oder ist Bewegung, 


f Mach sogar von der „ewigen Wiederkunft alles. 


Bezuglehre auch in ihrer neuesten Form 


213 


deckungen und Feststellungen früherer Gelehrter, 
wie dies Lämmel in seiner Schrift recht an- 
schaulich und schrittweise entwickelt. Wir begeg- 
nen Namen wie: Hume, Leibnitz, New- 
ton, Gauß, Riemann, Gerber, Voigt, 
Ritz; Michelson; -Morley.;- Planck, 
Maxwell, H. A. Lorentz, Mach, Ost- 
wald, Marcel Großmann, der hervorra- 
gende Mathematiker, mit dessen Hilfe es Ein- 
stein gelang, die mathematischen Formulierun- 
gen für die neue Bezuglehre zu finden, „ein Bild 
der Welt zu malen, dessen Formulierungen nicht 
davon abhängen, von welchen Fenstern aus man 
in diese Welt guckt” (S. 143, 144). 

‘Diese Entwicklung ist see} und erkenntnis- 
kundlich äußerst lehrreich und von allgemeiner Be- 
deutung, weshalb ich das Buch von Lämmel 
hier so ausführlich bespreche und besonders emp- 
fehle. 

Im Folgenden einige Beispiele: Ä 

Hume: Wie Lämmel einer mündlichen 
Mitteilung Einsteins entnommen hat, ist auf 
diesen die Denkrichtung H u m es von Einfluß hin- 
sichtlich des Ursachenbegriffs (S. 106). Letzterer 
ist bekannt. Ich verweise auf meinen Aufsatz: 
„David Hume (gest. 1776), Befreier der See- 


lenkunde’”, .Psychiatrisch-Neurologische.- Wochen- ~ ~ 


schrift, XXI Nr. 3/4, vom-26. April 1919. Die ge- 
wohnheitsmäßige Verknüpfung im Denkens zwi- 
schen einem Gegenstand und dessen gewohntem 
Begleiter und das Gefühl dieser gewohnheitsmä- 
Rigen Verknüpfung ist nach Hume das Urbild 
unserer Vorstellung von Ursache. Ebenda, S. 22, 


‚habe ich (nach Überweg) daran erinnert, daß 


der griechische Arzt und Weltweise Sextus. Empiri-. 
cus (200. bis 250 v. Chr.) bereits die Ursache als 


- etwas nur ’Hinzugedachtes bezeichnet hat. 


„Vvorangehen kann aber die Ursache auch nicht, 
weil sie gar nicht Ursache ist, so lange nichts da 
ist, dessen Ursache sie ist.” +) 


1) Es findet sich überhaupt in der Weltweisheit un- 
serer Tage kaum etwas, was nicht die alten Griechen 
gedacht haben. Daher das Bedürfnis, die Sehnsucht der 
Menschen, in den Geist jener Zeit, an die Quelle ien°s 
Weltwissens sich zurückzuversetzen. Dazu ist aber 
nicht nötig, daß unsere Jugend den zeitraubenden Unter- 
richt in der altgriechischen Sprache empfängt; denn alle 
jene tiefen Gedanken lassen sich ebenso klar und ver- 


.ständlich — warum nicht sogar besser? — in der deut- 


schen Sprache ausdrücken. (Vergl. - Psychiatrisch-neu- 
rclogische Wochenschr. XX, S. 300.) re | FR 

Es ist traurig, daß die freie und heitere Lebensauf- : 
fassung der Griechen durch finstere und knechtende Ge- 
walten betrügerischerweise durch Jahrtausende der 


214 


Gauß: S.144 sagt Lämmel: ah begreift, 
daß Einstein in der Allgemeinen Relativitäts- 
theorie nicht mehr vermochte, die Dinge der Welt 
durch die vier sinnenfälligen Angaben Länge, Höhe, 
Breite und Zeit- zu beschreiben. Sondern aüs ihnen 
wurden neue Gedankengebilde abgeleitet — eine 
Arbeit, die übrigens schon vor einem Jahrhundert 
durch Gauß geleistet worden war, dem deutschen 
Mathematiker-Kaiser —, mit deren Hilfe es danu 
tatsächlich möglich wurde, der Forderung Genüge 
zu leisten: Die Gesetze der Physik sollen die glei- 
chen sein, wie immer das System auch bewegt sein 


möge, .von dem aus diese Gesetze bestimmt 
werden.” 
Mach: „Bleibt man bloß auf dem Boden der 


- Tatsachen, so weiß man nur von relativen Räu- 
men und Bewegungen” (S. 7); ferner „Über den 
absoluten Raum und die absolute Bewegung kann 
niemand etwas aussagen, sie sind bloße Gedanken- 
gänge, die in der Erfahrung nicht aufgezeigt wer- 
den können” (S. 11); ferner: „Diese absolute Zeit 
kann an gar keiner Bewegung abgemessen werden, 
sie hat also auch gar keinen praktischen und keinen 
wissenschaftlichen Wert, niemand ist berechtigt zu 
sagen, daß er von denselben etwas wisse, sie ist 
ein müßiger ‚„metaphysischer” Begriff” (S. 13). 
„Ohne Mach ist Einstein kaum denkbar” 
(S. 13). Hier weist Lämmel auf den großen 
schwäbischen Denker Ludwig Lange, der 
„sicher ebenso bedeutend wie Mach” war (Fuß- 

note S. 14); er veröffentlichte 1885 „Geschichte des 
Bewegungsbegriffes”. 


H. A. Lorentz: „Wenn Einstein als 
erster den Weg beschreitet,:die Längen der Strek- 
ken und Zeiten für relativ zu erklären, so ist er- 
sichtlich H. A. Lorentz in rein formeller Hinsicht 
vorangegangen” (S. 68). - Ferner: „Diese Lo- 
rentz-Formeln bilden nun den Kern des Rela- 
tivitätsprinzips; sie sind die Quelle der neuen Phy- 
Sik, die Grundlage für alle jene Rechnungen und 
' Vorhersagen, durch welche die Relativitätstheorie 
berühmt geworden ist” (S. 77).) 


Menschheit geraubt ‘worden ist und zum großen Teil 
noch vorenthalten wird. Sie wäre sicher imstande ge- 
wesen oder hätte. jedenfalls mehr Aussicht gehabt, die 


Menschen zu „bessern” und zu: „veredeln’, : „höher zu. 


züchten”, wie man jetzt sagt: 


4) Durch die Arbeiten von ee ist auch in 
den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. bereits 
die Äthertheorie widerlegt worden (Deutsch. med. Wo- 
- chenschr. 1920 S. 1212), nach Sommerfeld (Münch. 
med. Wochenschr. 1920 S. 1269) durch Einstein. 

“Hingegen macht z. B. Dr. A. Adler in der „Natur- 


Eu Us TO YNE WOCHENSCHRIFT 


.Sonne abhängen und in der Nähe derselben vergleicht 7 


‚handensein von Planeten innerhalb der- "Merkurbaht, 4 


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Eo 
Voigt: „Es ist lehrreich, zur Kenntnis zu neh: 2 

men, daß die Gleichungen, welche das modemi 

Relativitätsprinzip ausmachen, keineswegs eh 

Erfindung Einsteins sind. Schon Voigt. 

Raum und Zeit transferiert (1887); in den Göttin 

gelehrten Nachrichten (S. 41)” (S.78). Einsteig 

hat den „in verschwommenen Umrissen schon wg 
handenen Formeln einen ganz neuen Gehalt”, „i | 
erkannten Zusammenhängen eine neue Deutung 

gegeben (S. 78). 3 
Lämmel: erkannte „selber schon 1902 an dm i 

Gedanken der ‚Gleichzeitigkeit’ die Unmöglichkeit E 

„unser überkommenes Begriffssystem einwand ; 

darzustellen” (S. 79). „Die logische Zwickmille 

des Begriffs der ‚Gleichzeitigkeit’ war also sch E 

vor Einstein erkannt” S. 80). 2 
Maxwell: „Der stolze Gipfel det Klassisd B 

Physik, den Einstein hier zum Weiterbawi . 

benutzt, ist die Theorie von Maxwell, Ihr u 

folge sind Licht, Elektrizität und Magnetism. 

gleichartige Erscheinungen. In dieser Lehre sd | 

nun die Lichtgeschwindigkeit eine ganz besondeti k 

Rolle; diese Größe kommt in den grundlegend r 

Gleichungen Maxwells überall vor” (S. 121). z 


wissenschäftlichen Wochenschrift” 1921 Nr. 5 joet 3 
Bemerkung: E 


Äther-Theorie und Einstein- Eitehl 2 

Da das Sonnenlicht elektro-magnetischer Natur I a 
liegt die Annahme nahe, daß die Sonne im Äther mug i 
nur Bewegungserscheinungen, sondern auch Zustands A 
änderungen in Form von Spannungen und Zerrungel her y 
vorruft. Die Stärke derselben wird c. p. von der Oi 
der Entfernung der betreffenden Ätherpartie von 4f 


weise am stärksten sein. fE 

Durch diese magnetische Beeinflussung des Aihen a 
durch die Sonne kann die Ablenkung eines SternlichE 
strahles beim Vorbeistreichen am Sonnenrand he 
gebracht werden, indem die Verzerrungen des Fortpfla & 
zungsmittels den Gang des Lichtwellenzuges.in ähnlicher Jg 
Weise beeinflussen müssen, wie eine Narbe das penak u 
barte Gewebe, d. h. an sich heranziehen. Hat ifs 
schon Faraday eine Drehung des polarisierten' ic 3 ; 
strahls im magnetischen Felde nachweisen kömet P" 

So kann der „Einstein-Eifekt” auó a E 
Grund der Äther-Theorie erklärt werden. 7 

Die Abweichung in der Perihelbewi fs 
gung des Merkur aber, welche eigentlich das " S 


aber tatsächlich fehlen, erfordern würde, ist ori 
durch ein, in der Sonnennähe am stärksten wirken A| 
von der Sonne selbst ausgehendes und den ihr am. nåt i 
sten befindlichen Planeten am meisten beeinsiussenl Eo 
Magnetfeld einer prinzipiellen Erklärung zugänglich \ 
zu bedarf es also ebenialls nicht der Re r 38 
tätstheorie. Dr. AU i 


Si 1921] 
$ Daß Raum und Zeit der hergebrachten 
É Mechanik wie auch dem philosophischen Denken 
des Alltags als unabhängige Dinge galten (S. 81), 
aF ist wohl nicht ganz richtig. S: 84 wird gesagt: 
f Als die merkwürdigste Folge der neuen Vorstel- 
df ungen wird allgemein folgendes betrachtet: be- 
a wegte Längen sind für den ruhenden Beobachter 
"F kürzer als für den mitbewegten”. Die Neuheit kann 
richt zugegeben werden; ich empfehle hierzu z.B. 
Fiie Ausführungen über optische Täuschungen in 
"ETh.Ziehens Leitfaden der Physiologischen Psy- 
i chologie, 11. Auflage S. 224 (Jena 1920, G. Fischer), 
i lesen. Man wird daraus ersehen, daß die Län- 
up sen, bei deren Abschätzung mehrfache Bewegungs- 
Fempfiindungen und -vorstellungen zwangsmäßig 
„A md unbewußt nebenher laufen, als kürzer beurteilt 
ME werden. Wichtig ist dort (S. 238) auch: „Die mei- 
„gsien Versuche, welche bis jetzt angestellt sind, 
„geehen offen oder stillschweigend von der An- 
gp nahme aus, daß wir die Zeit als solche schätzen 
7 können. Diese „Zeit als solche” existiert jedoch 
AE psychologisch gar nicht, wir kennen nur Dauer von 
; Empfindungen und Vorstellungen.” 


uf dungen und -vorstellungen, besonders derjenigen 
Fer Augen; Zeit ist Empfindung der Veränderung, 
t Welche diese Bewegungen und der Ablauf .der. ge- 
Samten Vorgänge im Körper überhaupt, also auch 
ng in Eingeweiden und Säften, in unserem Bewußtsein 
“zeugen; also können schon aus seelkundlichen 
$ Gründen Raum und Zeit weder voneinander noch 
i Überhaupt unabhängig, unbedingt, absolut sein. Der 
h Leitbegrift geht letzten Endes im Raumbegriff, in 
f @wegung, auf und es ist ein Irrtum, ihn als „vierte 
i Erstreckung” (S. 81) neben Länge, Breite und Tiefe 
if " tie Welt-Rechnung zu setzen. 


Über den. Begriff Bewegung enthalten die Lehr- 
u. und Schriften über Logik seit alters sehr viel, 
2. nn der Bezuglehre nicht vergessen darf. Ich 
f. allig Christoph Sigwarts Logik, Tübin- 
, T m Hand, wo er im II. Band die absolute und 
m ed ewegung behandelt, z. B. S. 3 bis 6: „Somit 
I Urteil 5 wahrgenommene Bewegung nur das 
f. et daß bestimmte Punkte ihre Lage gegen- 
Minen, verandern, aber nicht das- Urteil, daß einer 
I enin bestimmter Richtung in Bewegung sei... .” 
E r 8 eigentlich so, daß diejenigen, welche über 
I Dinge nachdenken, annehmen, daß es 
f e Inge handelt, die über unseren Sinn und 
fii So hinausreichen und irgendwo in Wirklich- 
E ich, zeitlich und selbständig und gewisser- 


[ 


FEINE RE 


Stieren? Be icı a 
y ü: Es ist doch vielmehr unter ‚absolut” zu 


f ver Bin. M 
a Stehen, daß es sich um aus der- sinnlichen Erfah- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Ẹ Raum ist der Inbegriff unserer Bewegungsemp- 


hängen, 
höhere und wichtigere Gesichtspunkte ist auch 


im en ohra a oe : : 
m, Ohne sich um uns zu kümmern, weiter. exl- 


215 


rung gewonnene Vorstellungen handelt, die von 
jedem wechselnden und zufälligen Merkmal abge- 
löst sind, also buchstäblich „absolut” oder, wie man 
gewöhnlich sagt: abgezogen, „abstrakt”. In die- 
sem Sinne gäbe es freilich absoluten Raum und ab- 
solute Zeit und einen absoluten „Zeitraum”, an 
welch letzterem Worte man ersieht, daß begriff- 
lich schon immer Zeit und Raum verknüpft und 
Zeit nur als Raum- oder Bewegungsempfindung in 
unserem: Bewußtsein ist. Darauf weist auch das 
Wort „Moment”, das von movere bewegen 
stammt, und „Augenblick”, mit dem wir eine sehr 
kurz dauernde Bewegung und eine sehr kurze an 
Bewegung gemessene Zeit bezeichnen. Wenn wir 
Raum und Zeit also aneinander messen, können sie 
nicht als verschiedenes in eine Gleichung aufge- 
nommen werden. Zeitraum = Raumzeit. 


Es ist lediglich ein Empfinden, ein Den kKVor- 
gang, die Welt, das Sein, als zeitlos zu betrach- 


ten; durch Formeln, Gleichungen und Zahlen läßt 
sich das gar nicht ausdrücken oder beweisen. 


Es ist eine wunderbare Sache um das Vermögen 
des menschlichen Gehirns, solche Ablösung (Abso- 
lution, Abstraktion) ganz selbsttätig und unbewußt 
zu vollziehen und beständig zu handhaben. Nichts 


anderes aber ist die Arbeit des Forschers, der die ? 


Wahrnehmungen im Weltgeschehen von den 
wechselnden und uns zufällig scheinenden Einzel- 
heiten ablöst und ordnend und sichtend unter all- 
gemeine Gesichtspunkte, Begriffe und Formeln 
bringt. | 

Die Ablösung und Befreiung eines inneren seeli- 
schen Ereignisses, eines Gewissenskonfliktes, von 
zufälligen, wechselnden, beengenden Zusammen- 
seine Einordnung unter allgemeinere, 


„Absolution”. 


Ich muß gestehen, daß ich vom irrenärztlichen 


Standpunkt durch die neue Lehre nicht erschüttert 
bin. Der Grund ist klar. Wir Irrenärzte sind täg- 
lich durch Wissenschaft und Beruf gezwungen, uns 
in die schwierigsten Gedankengänge, selbst in Ge- 
fühls--und Denk unmöglichkeiten” zu versetzen, um 
das Innenleben der Geisteskranken und damit auch 
ihre Stellungnahme zur Außenwelt zu verstehen. 
Mancher von diesen Kranken hält sich für das „All” 


und „Absolute” oder eins mit ihm, was übrigens Ge- 
sunde auch tun. Mancher steht absolut unerschüt- 


terlich im Mittelpunkt des Alls und dieses bewegt 


sich um ihn, und er findet andere, die ihm gerne 
beipflichten. Welchem Vorgang im Gehirn und 


Bewußtsein entspringt und entspricht eine solchė 
Behauptung? Der Geisteskranke, der. ihm neue, 


ee er 5 | 
pt ” io En $ 1 
Saggi ee 


216 


unbekannte, nie erfahrene ') Vorgänge in seinem 
Gehirn erlebt, steht vor unerhörten Denkschwierig- 
keiten, zu deren Verständnis, selbst Beseitigung wir 
Irrenärzte ihm verhelfen sollen. und wollen. Man- 
che vollziehen auch einen „souveränen Wechsel des 
Standpunktes”, indem sie sich zwischen himmel- 
hoch jauchzender Heiterkeit und abgrundtieier 
Traurigkeit hin und her bewegen und dies mit ge- 
wisser „gesetzlicher Regelmäßigkeit. 
eine Raum- und Zeitlosigkeit, um die sie mancher 
Denker beneiden könnte. Es ist eine große Denk- 
arbeit, die ihr Gehirn verrichtet. Die Geisteskran- 
ken der Erde verrichten vielleicht dem Maße nach 
ebensoviel oder mehr Denkarbeit als die gleiche 
Zahl mancher gesunder Menschen. Leider ist sie 
nicht gewinnbringend oder wenigstens nur in einer 
Art: neuzeitliche Erzähler nehmen sich diese Ge- 
hirngrbeit zum Muster, weil sie mit ihren Erzeug- 
nissen besseren Absatz beim Publikum finden als 


mit einem vernünftigen Roman, und wenn er noch : 


so unanständig ist. 

Ich sehe in der Allgemeinen Bezuglehre keine 
Umwälzung für unser Denken. Wir wissen schon 
längst, daß auch- wir Menschen aus „Urstoff” ent- 
stehen und bestehen, daß alles, was draußen 


irgendwo in der Welt geschieht, auf einfache For- 


mel gebracht, ganz ebenso sich- in uns abspielt. 
Denn für den, der sich an dem Irgendwo befindet, 
sind wir selbst, unser Gehirn, doch auch ein 
Irgendwo und Irgendetwas, etwas. „Absolutes”. 
Wir wissen längst, daß unser Bewußtsein ein Sein 


ist wie das Sein der Welt und irgendwo in der 


Welt. In den geistigen Vorgängen, die wir in uns 
selbst, in unserem Gehirn, also in unserem Körper 
“wahrnehmen, beobachten wir kein anderes Ge- 
'schehen, als es sonst in der Welt stattfindet, die 
Bewegung keiner anderen Stoffe und Kräfte, als 
die sonst in der Welt vorhandenen. Die Denkge- 
setze sind die Naturgesetze; nur sind wir vorsich- 
tiger und ziehen es vor, von Denkregeln zu 


sprechen, da sich doch auch Gesetze ändern und 


es wohl keine ewigen, „absoluten” Gesetze gibt, 


so wenig wie absoluten Raum oder. absolute Zeit, 


und wenn unter allgemeiner Bezuglehre etwas wie 
absolute verstanden wird, so wäre-das, eben nach 
‚dieser. Lehre selbst, auch ein. Irrtum, 

Die Wahl des Söklichten deutschen Wortes: Be 


zug” für „Relativität” ist durchaus keine Erniedri- 
gung der „erhabenen Schönheit der Mathematik”; 


ist doch das men Wort ran. sogar 


2 Vergleiche meine Kürzlich erschienene Schrift: z 


Irrtum und Irrsinn. Halle a. S.; Carl oe en 
buchhandlung. Ä 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE_ WOCHENSCHRIFT. 


Sie erleben: 


sein Bewenden haben kann bei der Feststellit 3 


IN. sa 1 


in die Dichtersprache aufgenommen, und zwar n K 
ienen schönen ‚Versen, die auch dem Inhalt mi F 
hierher gesetzt zu werden verdienen. 


„im Innern quillt euch allen treu ein Geist 
Der diesem Chaos toter Sachen 
Beziehung einzuhauchen heißt, 
Und euren Garten draus zu machen $ 
Für Wirksamkeit, Beglückung und Verdruß, Pr 
Weh dir, wenn ich dir das erst sagen muß!” F 
Dies spricht der Tod in Hugo von Hoile k 
mannsthals „Der Tor und der Tod”. 4 


Alle die Bewegungsarten und -systeme uf 
Welt, auch die uns noch nicht bekannten, sind ai 
in uns und sind in unserem Denken gewissermalif „ 
aut einen gemeinsamen, wenn man will: „absolt | 
ten” Nenner gebracht („transformiert, transh $ 
ee Lämmel weist (S. 83,-84) selbst aut dif 
wunden Punkt in der Bezuglehre hin, daß ini 
die - Geschwindigkeit des Lichts die -Rolle «f 
Grenzgeschwindigkeit spielt, so wie etwa in der E 
Mathematik die Zahl unendlich, während W$ 
menschliche Denken überhaupt keine Schrank 
gerne hat; und daß wir grundsätzlich nicht begrei k 
fen können, daß eine gewisse Geschwindigkiif 
schlechthin die unüberschreitbare größte oef 
schwindigkeit dieser Welt sein soll, und dab daf 
Denken nicht restlos befriedigt ist. | 

Man kann auch fragen, warum nicht die gerih y | 
ste Geschwindigkeit als „Grenzwert” genommdl 
wird, warum überhaupt Geschwindigkeit a 
„Wert. 
-~ Nach den Formeln, die „draußen” in der Weltge f 
funden werden, wickelt sich auch unser Denkaf 
ab.. Und wenn der forschende Geist immer nel 
Formeln zu finden glaubt, es werden immer u 
die sein, in denen und mittelst deren er selbst tätig i 
ist, die in unserer Seele schon vorhanden und 
Geltung sind — vorausgesetzt, daß diese. Formell | 
richtig sind, und es zeigt sich somit, daß es nicil 


der „vierdimensionalen Welt” (Länge, Breite, Tielt! f 
und Zeit, in welche die Gesamtheit aller vei | 
rungen als unzerreißbare Kette eingelagert step 
108). 4 


Man kann auch sagen: nach den Formelt 
„drinnen”, in uns gefunden werden, wickelt sich & 
„draußen” ab; diese Formeln haben ohne Zweitel & N 
größere Überzeugungskraft und Gewißheit, obglei ; 
ihre Form auch nur von „außen” genommen ist, 
alle bewußte Mathematik ist aus Anschauung &° 
Über jene Innenformeln, wenn ich so saget t 
unterrichtet trefflich: das eben erschienene Buch: ” K 
Geschichte von Maß und Zahl in der Psychologie | = 
Dr. Walther Schmidt, Köthen, Anh. = 


’ Een 
kii ’ 
die, 2 
í 
r 


u ; 


FE sza, Verlag Wendt & Klauwell). Die messende See- 
aF lenkunde hat sicherlich eine große, aber freilich ferne 
F Zukunft. 
fmen Herbart : (1776 bis 1841), E. H. Weber 
(195 bis 1878) und G. Th. Fechner (1801 bis 1887) 
F verknüpft: Es sei nur an E. H. Webers Satz er- 
4 mert, daß wir bei Unterscheidung von Dingen nicht 
F dn absoluten Unterschied, sondern nur das Verhält- 
nis wahrnehmen, in welchem der Unterschied zu ihrer 
Ffröße steht. Nicht der jeweilige absolute ebenmerk- 
„Elche Reizungsunterschied, sondern der relative eben- 
i merkliche Reizunterschied ist als psychisches Maß von 
Ẹ ang; diese relative Unterschiedsschwelle aber 
st konstant (S. 20). 


zusagen: „An die Stelle des uns natürlich erschei- 


Fer Welt vorhanden ist. 


"Feten Dimensionen; in ihm als Seinsform ist .die 
F Forderung der BEindeutigkeit, die an die 
E Welt gestellt wird (S. 145), unmittelbar. er- 
füllt; in ihm ist Vergangenes und Zukünitiges, 


Wohin menschliche Forschung auch dringen 


f mag, sie wird nichts anderes antreffen, als was in 
Ans vor sich geht, die wir doch ein Teil der Welt: 
k Sind, und was wir in Form des Empfindens, Den- 


f Kens, Wollens in uns wahrnehmen. 


Vor dem Tode, der uns in kein unbekanntes Land 


f ene stammen), sondern auch Gleichmut gegen- 


t Über Entdeckungen und Erfindungen, welche die 


i E anstaunt; schafft uns aber auch das er- 
f ne Recht, alles Neue an den Gesetzen des 
l enkens KAN messen und prüfen, an den im Reich 
des Geistes gültigen. Gesetzen, das Recht, „der 
l “atur die Gesetze vorzuschreiben”, wie es K amt 
eeichnete, aus dem Grunde, weil wir diese Ge- 
: e doch in uns tragen; schafft uns die „Allmackt 
pa Gedanken”, nicht freilich in dem wahnhaften 


durch. ‚geheimnisvolle 
l Äurchbrechen. 


Dieses Bewußtsein befreit uns von der ee 


S 


iles, B 
f hendes, 


F Kratt Gewaltiges. erscheint; es- verleiht uns die 


die freilich - durch übendes Nachdenken er- 


f Vor 
l; en und gestärkt. sein will, die zugleich höch-. 


Sie ist echt deutsches Erzeugnis und mit den „gesund”) mitunterlaufen —, 


IE Es hat auch keinen besonders neuen Sinn 


fenden Werdens, das ein ewiges Entstehen und 
Vergehen ist, tritt ein Sein, das ein für allemal ïn 
| Alles zukünftige Gesche- 
ften also, wie auch alles vergangene, ist dort nach 
f deser Auffassung „vorhanden” ” (S. 108). Denn für 
A inser Denken als Seinsform gibt es gar keine sol- 


f Frage und Antwort wirklich zugleich vorhanden. 


Dieses Bewußtsein schafft uns nicht nur: uner- 
F stütterliche, keiner Sicherungen bedürftige Ruhe- 


Führen kann (wie wir auch nicht aus unbekanntem 


| Sinn, durch eines Wortes inbrünstigen Hauch oder. 
Naturgesetze zu 


almheit, der eigenes Denken wie etwas Belasten- 
edrückendes, die Umwelt wie etwas Dro- 


PSYCHIATRISCH-NFUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 217 


stes Glück ist, das Leben frei und freudig als Tat 
auszuwirken — wenn auch einige „Sünden” (von 
anstatt sklavisch- 
demütig und köpfhängerisch es als ein Geschehen, 
als blindes Schicksal oder höhere” Schickung über 
uns hinweg gehen zu lassen. 


Dieses Bewußtsein ist die E Quelle 
des Muts und der Zutraulichkeit, in dem Gesche- 
hen auch um uns herum das Walten alter, freund- 
licher Bekannter zu sehen, nämlich menschenglei- 
cher Wesen. Warum sollte es auch „draußen” an- 
ders sein als „drinnen”? 


„Denn das ist der Natur Gehalt, 
Ber außen gilt, was innen galt.” 
(Zahme Xenien.) 


Dieses Bewußtsein ist die Ouelle jener gesunden, 
fröhlichen,  unbefangenen, _götter-erschaffenden 
Weltanschauung, welche, wie die altgriechische, 
die Natur mit liebenden und liebenswürdigen „Göt- 
tern” bevölkert, anstatt sich durch die Dinge hin- 
durch von blöden oder dr u Fratzen angrinsen 
zu lassen. 

Es ist nicht richtig zu sagen: „Der Schauplatz 
des Geschehens, die Welt der Sinne, erzeugte im 
menschlichen Hirn einen Widerschein, die Welt der 
Gedanken” (S. 1). Das Gehirn ist doch selbst ein 
Schauplatz des Geschehens: hier brauchen wir 
nicht durch ein Fenster in die Welt zu gucken! 

Indem wir unsere Empfindungen und Gedanken, 
Erwägungen und Handlungen messen, wägen, zäh- 
len, was alles freilich auch nur vergleichend ge- 
schehen kann, denn messen, wägen, zählen ist eben 
vergleichen, gleich’ wo es geschieht, tun wir ganz 
dasselbe, was der Forscher im weiten Himmels- 
raum oder im Mikroskop, und an demselben Ur- 
stoff und denselben Urkräften; es sind letzten 
Endes auch bei ihm nur die Vorgänge, in seinem 
Hirn, die er dabei erlebt und. verarbeitet, Wenn 
seine Formel richtig wäre, müßten wir uns ihrer 
in uns täglich und stündlich, auch im Schlafe, klar 
bewußt werden. | 

Wenn man den Ausdruck. bloßen”. Genen, 
sang gebraucht wie oben Mach, so ist das ge- 
rade so, als ob jemand sagen wollte: ein „bloßer” 
Komet. Ein Gedankengang ist immer ein Gesche- 
hen, ein Ereignis, mag er falsch oder richtig sein. 

Auch B. v. Kern, der Berliner Weltweige, ist 
in seinem Urteil über die Bedeutung der Allgemei- 
nen Bezuglehre kühler und zurückhaltender. Er 
sagt („Die Relativitätstheorie der heutigen Physik’ 
in Dtsch. med. Woch. vom 15. Juni 1920 S. 808): 
„Mit ‘dieser Einsicht begreifen wir ohne weiteres, 


daß. die Relativitätstheorie unser Weltbild. nicht E 


Éj 


218 


srundsätzlich gegenüber den bisherigen umgestal- 
tet, sondern es nur von einem umfassenderen, all- 
semeineren Gesichtspunkt aus vervollständigt, ver- 
möge dessen seinen ordnungsmäßigen Ausbau för- 
dert und weiterführt, den einheitlichen Zusammen- 
hang unserer Erfahrung fester schürzt, ihn bestä- 
tigt und erhärtet.’ | 

Die vielfach zutage tretende Neigung zu einer 
mißverständlichen Überschätzung des Einflusses 
der Allgemeinen Relativitätstheorie auf die Welt- 
anschauung liegt am allerwenigsten im Sinne Ein- 
steins und der Physiker überhaupt, wiev.Kern 
bemerkt. 

In Abweichung von v. Kerns Ansicht, daß 
eine Begriffsverwechslung mit dem sophistisch- 
‚skeptischen „Relativismus” nicht unterlaufen dürfe, 
finde ich jedoch, daß die Allgemeine Bezuglehre 
seradenwegs in diesen mündet und sich beide ver- 
schmelzen, indem sie auch unsere Erkenntnis selbst 
zu einem System von Beziehungen und Formeln 
stempeln, während darüber nicht zu vergessen ist, 
daß Wirklichkeit und Erkenntnis, Wirken und Er- 
kennen, nicht grundverschieden sind; denn Erken- 
nen, ob „richtig” oder nicht „richtig”, ist ebenso 
etwas Wirkliches wie Licht oder innere Energie. 

Ich setze hierher, was Julius Schultz zum 
siebzigsten Geburtstag Berthold v. Kerns über 
dessen Lebensauffassung gesagt hat (Kant-Studien, 
1919, Band 24 Heft 1-2 S. 178, Verlag von Reuther 
& Reichard, Berlin), weil darin der „Wechsel des 
Standpunktes”, wie er sich von der höchsten Warte 


des Weltweisen ausnimmt, bereits in ebenso un- 


übertroffen klarer wie verständlicher Weise zur 
Darstellung kommt. | 


„Die grundlegende Einsicht ist biologisch. Das letzte 
Element alles Lebens ist ein Doppelvorgang, der jedoch 
auch als eine ungeteilte Einheit betrachtet werden darf. 
Die lebendige Substanz erleidet von außen einen Reiz 
und reagiert in ihrer besonderen Weise darauf. Nun 
mag, wer will, auf den Reiz achten und den Organismus 
als passiv betrachten; ein anderer achtet mehr auf die 
. Eigenart des Organismus und seine Aktivität den Reizen 
gegenüber. Jenes tut z. B. der Darwinist; dieses zieht 
der Lamarckianer vor; jenes der Epigenetiker, dieses 
der Evolutionist; aber auch die Erkenntnistheorie wird 
von den beiden Standpunkten bedingt. Ich kann nämlich 
den Menschen samt seinem Denken als Teil und Pro- 
dukt der Umwelt ansehen. Dann ist er Leib, seine Gei- 


stestätigkeit ist Gehirnfunktion, seine Kategorien sind. 


Regeln für zentrale Abläufe, die Empfindung wird zu 
einer Anregung von „draußen”, die der Empfindende er- 


leidet, wird zum Datum in Kants Sinne. Ebenso erlaubt 


aber ist es, die Betrachtung umzudrehen. Mein. Er- 
kennen ist Aktivität, ist Bearbeitung, Erarbeitung der 
Welt. Alsbald bin ich Geist, die Formen meiner Ver- 


f 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


INr. 356 | 


nunft konstituieren die Natur, mein Empfinden wird ami « 
Unterscheiden und Vergleichen, also zum Urteilen, df R 
Empfindung zum Begriffe. Diesen Wechsel des Stand. 1 
punktes findet Kern (Weltanschauungen und Wif 
erkenntnis S.18f., 1911) schon bei Kant; doch zog.&rf i 
Meister noch nicht die letzte Konsequenz; die Em f 
findung vermochte er nur als ein Passives, die Spur 
taneität der Vernunft nur als ein Aktives zu sehen; dl 
diese sich ebensogut als ein von der Außenwelt di 
Ahnen des Menschen aufgenötigter Instinkt, jene wi 
derum als Schöpfung der urteilenden Psyche auffasset $ 
ließe, durch solche Einsicht will die Vernunitkritik ef 
gänzt sein. Aus beiden Betrachtungsarten aber ei 
sich gemeinsam die Gültigkeit unserer Erkenntnis. DET 
miniert das Objekt? ist unser Geist Erzeugnis «it 
Welt, unsere. Wahrnehmung bloßer Eindruck? Owi; 
dann muß unser Wahrnehmen und Denken dem All 
entsprechen, aus dem es stammt. Herrscht das subje 
tive Element vor? Erzeugt der Geist die Natur? Auf 
recht, dann muß diese ja nach seinen Gesetzen sich tida 
ten. Er arbeitet ratlos weiter; geläufige und einget 
Erkenntnisse werden ihm immer wieder Stoff zu namiga 
Fragestellungen (der unendliche Progress der Neukan a 
tianer!); anderseits paßt die Umwelt Sinne und Hm 
tätiekeit des von ihr Affizierten ihrem Wesen imme a. 
feiner an (der unendliche: Progreß der Empiristenl] = 
Beide Betrachtungsarten sind ‚berechtigt, beide WIE” 
einigen sich zu der Gewißheit, daß wir keinen Gt 
haben, ein Wissen jenseits der Erfahrung zu erstrebi 
ja auch nur zu wünschen. Ist die Lehre nun realististi 
Gewiß, sofern sie gar keine Realität als die empiris 
anerkennt und dieser jede irgend erforderliche Fils 3 
und Wirklichkeit läßt. Oder ist sie idealistisch? Fu 
lich, auch das; denn sie löst ja alle Weltinhalte in Denk i 
inhalte auf. Indem sie bald von hier, bald von dot 
blicken übt, möchte sie nachweisen, daß die meisto 
philosophischen Streitigkeiten nur auf Einseitigkeit be y 
ruhen und, aus der Vogelperspektive gesehen, gleich wiji 
vornherein geschlichtet sind. F 


Der kantische Dualismus zwischen Subjekt und 0t ĝ 
jekt, Apperzeption und Dingansich hat immer wieder 
Versuchen geführt, die eine Seite des Welterkennlf 
wesens auf die andere zurückzuführen. Von Fichte Wg 
zu den Marburgern hin haben die logistischen Geister a 
getrachtet, alle Starrheit der Objektivität in reine a ; 
canken aufzutauen; von Schopenhauer bis zu den heulis® À 
Biologisten und Psychologisten wünschten natur wiss?! i 
schaftlich orientierte Denker das Bewußtsein aus 0 2 
jektiven Elementen zu erbauen und das „A prioni n E 
Nachfahren zum „A posteriori” von Ahnen ZU macie! = 
(wobei sie unausbleiblich unter „a priori” und „a por 2 
riori” etwas anderes als die Kritizisten der stelf qi 
Observanz verstanden). Zwischen beide Parteien mi = 
von Zeit zu Zeit ein Vermittler, der uns anweist, S 
Augen für beide Möglichkeiten offen zu halten. = k 
kenntnistheoretiker haben wir vom Subjekt auszuß‘ N x 
und das Universum als Funktion unseres Denkens ui k: 
schauen; innerhalb dieses Bewußtseinsinhaltes abet “f 
decken wir eine Stelle, wo der Mensch historisch ® | E: 


É) 
2a ag 
u ee Br S EB a a ra 


gi Br 


if prang; der Mensch samt seinem Bewußtsein; die 
OF Regeln, mittels deren der überempirische Logos den 
5 Kosmos schafft, nötigen uns, aus dem Kosmos- den Logos 
| iervorgehen zu lassen; nötigen uns mithin als Psycho- 
UF ogen das Subjekt aus dem Objekt abzuleiten. Beide 


m — — Ze 


} r Nr. 15 dieses Jahrgangs der Münch. med. 
IE" Wochenschr. berichtet Berger, Jena, über 
“ie Wirkungen von Kokaininjektionen bei Kata- 
F onikern, ein Aufsatz, der in den weitesten Kreisen 
‚für Psychiatrie bekannt zu werden verdient. Er- 
inet das, was Berger herausgefunden haben 
f vil, doch weiteste Ausblicke für unser Eindringen 
i das Wesen des katatonischen Stupors, vielleicht 


- Mit 20 Jahren 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


| schon lange vor- 


219 


Wege müssen gegangen werden, damit die Philosophie 
gesund erwachse. Das hat in unserer Zeit niemand 
deutlicher, eindringlicher, sorgfältiger gezeigt als Bert- 
hold Kern; und hier liegt sein Verdienst um die Philo- 
sophie der Gegenwart.” (Schluß folgt.) 


Stuporiösung durch Kokain. 


Von Oberarzt Dr. Becker, Landesirrenanstalt Herborn (Nassau). 


Berger stellt folgende Behauptung auf: Muta- 
zistische und stuporöse Kranke zeigen nach Kokain- 
injektionen von 0,03 bis 0,05 Cocain hydrochl. vor- 
übergehend Besserung, in der sie Auskunft geben 
und sichtlich etwas lebhafter sind. Die Besserung 
hält aber nicht. an, dauert oft nur ein bis zwei Stun- 
den und pflegt bei alten Fällen, die schon jahrelang 
unverändert bestehen, ganz auszubleiben. Eine 


her nur noch 
flüsternd 


a 


r Sogar in die Therapie. seit zwei Monaten im katatonen Stupor liegende 
i E | | 
I = | Bestehen des ih- 
rE Ne Name Alter Ausnruch Ji katatonischen a Erfolg 
E Dementia praecox Stupors gabe 
f- 
? l Auguste W. 32 Mit 30. Jahren, einige 18 Monate 0,035 — | Wurdemunter,sprach, 
WE. | Jahrelang vorher Pro- | schlug die Augen auf, 
| dromalerscheinungen Zustand dauerte fast 
| | .20 Stunden lang 
i . 19 Monate 0,055 Ebenso. Dauer aber 
$ ee nur 3 Stunden 
of & | Marie K. 23 Mit 27 Jahren 14 Monate 0,05 ° | Negativ, obwohl der 
\ | Stupor alle paar 
E Monate spontan durch 
d } einige leidlich normale 
= -Tage unterbrochen 
N ; | SER . wird 
r ] 3 | Elisabeth J. | 23 Mit 22 Jahren Allmählicher 0,055 Negativ 
we; (vor -ca. 5 Monaten) | Beginn in 2—4 | | Fe 
E er Monaten 
* | Therese G. | 31 Mit. 24 Jahren Allmählicher 0,035 Negativ 
E r 107 Beginn, völliger 
E Stupor seit 
Eo | 5 9 Monaten 
7 2 | ; Anna M. 31 Mit 29 Jahren 10 Monate | 0,035 Negativ 
En 8 (vor 2!/, Jahren) 
ve Luise We | 38 15 Monate, 0,055 Negativ 


-wurden zunächst 14 tägig, 


= teiche Kinder des Bezirks, 
. tuberkulösen Infektion ausgesetzt oder in ihrem 

| Ernährungszustande stark reduziert waren, in be- 
und dabei 


220 | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISEHE WOCHENSCHRIFT 


Frau brachte B. dahin, daß sie plötzlich mit lauter 
Stimme sprach, sich mit großer Freude mit ihrer 
Umgebung unterhielt, u. a. sagte, sie wisse gar 
richt, was der Arzt mit ihr gemacht habe usw. 


Ich habe diese Angabe Bergers an sechs 
weiblichen Kranken unserer Anstalt nachgeprüft. 
Ich gebe hier eine Übersicht, die genau dem Ber- 
gerschen Schema entspricht (s. S. 219). 


. Vergleicht man meine Erfolge mit den B er- 
g ef schen, so fällt zunächst das starke Überwiegen 
der Mißerfolge auf.. Es ist das aber ja auch natür- 
lich bei dem Krankenmaterial einer Landesanstalt, 
die naturgemäß sehr viel mehr ältere Fälle birgt, 
als eine psychiatrische Klinik. Daß dennoch an 
der Berger schen ‘Entdeckung etwas dran ist, 


Sozialärztliche und sozialpsychiatrische T ätigkeit an der Heil- und 
Pilegeanstalt Wiesloch (Baden). 

Geh. Med.-Rat Dr. Max Fis cher.) 

Von Anstaltsarzt Dr. W. Möckel. 


(Direktor: 


6 den letzten drei Jahren hat sich in unserer AR 
stalt die sozialärztliche Tätigkeit reger als vor- 
her entwickelt. Im September 1918 wurde die 


Beratungsstunde der neu errichte-: 
"ten-Tuberkulosefürsorgestelle für den 


Amtsbezirk Wiesloch :von der Anstalt übernom- 
men und für diese Zwecke im Verwaltungsgebäude 


‚der Anstalt geeignete Untersuchungs- und Warte- 
Die Sprechstunden 
Donnerstag. 


räume zur Verfügung gestellt. 
jeweils 
nachmittags von 2 Uhr an von den Anstaltsärzten 
abgehalten.. Der Besuch der Beratungsstunden 
hat bis jetzt stets zugenommen. | 


Untersucht und beraten wurden von September 
bis Dezember 1918 57 Kranke; 1919 387 Kranke dar- 


unter 279 Neuzugänge; 1920 702 Kranke, darunter: 


372 Neuzugänge; Januar bis Juni 1921 340 .Kranke, 
darunter 220 Neuzugänge. Außerdem wurden zahl- 


sonderen Sprechstunden untersucht 
ärztliche Zeugnisse zur Unterbringung der bedürf- 


tigen Kinder in Solbädern, Erholungsheimen usw. 
— ‚Gegenwärtig finden die Bera- 
tungsstunden für Tuberkulöse wöchentlich am 


ausgestellt. 


Donnerstag statt und werden. durchschnittlich 


von 20 Kranken besucht; die Höchstzahl der Un- 


tersuchten an einem Nachmittag betrug 43. Un- 


Tageszeitungen machten, wir das Publikum # 


die der Gefahr der 


 asthenische, Epileptische und leicht Melancil! [i 


ar.‘ 

. k JAN Bin 

S 519 
+ Pan t d 

+i vr 

Fr N Bi 

Be} 


habe ich deutlich aus meinem Fall 1 erschend mi i 
möchte durch vorstehende Zeilen veranlassen, dl 
auch anderswo eine Nachprüfung vorgenommahn, 
werde. Ganz besonders indiziert scheint mir tut r 
Versuch bei allen frischen Haftpsychosen zu sin y 
die unter dem Bilde des katatonen Stupors verani 
fen und die wegen nicht abgeschlossener Vorunter o 
suchung die Beantwortung einiger Fragen, die vifi 
groBer Wichtigkeit sind, erwünscht erscheinf: 
lassen. Ebenso scheint .mir ein praktischer Weip, 
der Kokaininjektionen gegeben zu sein, wenn gi im i 
lich Unbekannte irgendwo im katatonen Stupor ak Ra 
gegriffen werden oder kurz nach der Festnahmell he 
diesen verfallen. he 

Anm. d. Red. Ähnlicher Anlässe zu solta 1 
Versuchen gibt es noch viele andere. ; 


A 
i = 


klare oder besonders schwierige Fälle werden i 
Beobachtung oder Röntgenuntersuchung in ii A 
Universitätskliniken nach Heidelberg geschi 
Die Sputa werden zum Teil in unserem Laborat ! 
rium untersucht, zum Teil ans hygienische m 1. 
tut nach Heidelberg eingesandt. Bil 


Die Beratungsstunden wurden- die ersten zw & 
Jahre von den Anstaltsärzten unentgeltlich abge ie 
halten; seitdem wird von der Fürsorgestelle ei : 
kleine Pauschalvergütung ausgesetzt. 

Im November 1919 eröffneten wir eine af 
ratungsstelle für Nervöse und! 
mütskranke, die Montags und Donnerst 
von 10 bis 12 Uhr unentgeltlich abgehalten Wit x 
Durch Rundschreiben an die Ärzte, Pfarräm i 
Bürgermeisterämter und durch Hinweise i% 4 


diese Einrichtung aufmerksam. _Der Besuch W A 
bisher, zeitweise auch aus der weiteren Une a 
bung, ein reger. Bei den Rat- und Hilfesuchendd 2 
handelt es sich meist um Psychopathen, Ne "Ey 


sche (auch viele Kinder und Jugendliche). Geige! d 
Fälle wurden ambulant behandelt, die übrigen “ g 
ihre Hausärzte, an Spezialärzte oder die zus 
digen Kliniken überwiesen. Mit dem Ausbal ® 
Familienfürsorge im Bezirk hoffen wir, dab a i 
diese Beratungsstelle einen noch stärkeren 4 o 
spruch erfahren wird. E 


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I Vertrauensmanns für den Hilfsverein zu überneh- 
nen und bei der sozial-psychiatrischen Aufklä- 
o mngsarbeit mitzuwirken. Anläßlich des Jahres- 
Pistes des „Verbandes weiblicher Jugendpflege für 
Maden” am 30. Mai d. J. wurde die Anstalt von zahl- 
ffichen Damen und einigen evangelischen Pfar- 
; fern, die als Vertrauensleute tätig sind, eingehend 
Mfhsichtigt. Am 13. Juni erfreuten uns etwa 40 ka- 
Finlische Geistliche, Vertrauensleute unseres Hilfs- 


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Ẹ — Reichsverband. In Ergänzung der Frage 17 des 
3 Fragebogens vom 18. Juli 1921 betr. Haftpflicht wird 
Feebeten, alle bekannten Fälle, in denen Ärzte oder andere 
i Anstaltsbeamte für irgendwelche Vorkommnisse haft- 


3 Bllichtig gemacht worden sind, baldigst dem Vorstand 


A itzuteilen. Da diese Frage eingehend bearbeitet werden 
4 soll, ist genaue Mitteilung über alle Fälle und über den 
; Mesmaligen Ausgang der Angelegenheit erwünscht. 
E | I. A. Rein. 


= 
3 ie Finkelnberg, Prof. Dr: Dozent für innere 
j a edizin und Versicherungsmedizin in. Bonn: Lehrbuch 
; AT Unfallbegutachtung der inneren und Nervenkrank- 
4 Weiten, Für Studierende und Ärzte. 544 S. Bonn 1920, 


Buchbesprechungen. 


l Verlag Markus & Weber. Geh. 70,00 M. : 


; IE.) Aisgezeichnetes Buch, das sich ‚den bisher über 
i; o a erschienenen Werken würdig anschließt. 
l Ra orm schildert Verf, einleitend die Unfallbe- 
1 ng bei sozialer Versicherung, bei Haftpflicht- 
fn und bei Privatversicherung. 

Im speziellen Teil werden dann zuerst die mannig- 
i É H augen und Erkrankungen der inneren 
E Vorzy šehandelt und stets wird — ein besonderer 
- 8 des Buches — bei jedem einzelnen Kapitel scharf 


F icn 


© Prazise hervorgehoben, welche Gesichtspunkte für 


i Anerkennung oder für Ablehnung eines Zusammenhanges 
FU einem 
E <; 
| e peobachtangen werden reichlich in kritischer 
l Be | Vergiftungen, elektrische Un- 
is, iidung nach Traumen usw. beschließen 
.: N, etwa 320 Seiten langen Hauptteil. 


es Hi ý i x e 
$ Hirns und seiner Häute und ihren Beziehun- 


f sen zu 
h K- ? m . > € x . 
E ina Unfall; traumatische akute und cnronische Gei- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


- beste erfüllt. 


Unfall maßgebend sein müssen: eigene und 


= Vor i 3 TY 
í Interesse k hat besonders für den Nervenarzt 
| = K . r be 3 - . S 
f kungen q eginnt mit den Verletzungen und Erkran 


chließen sich an; ferner werden Verände- 


221 


vereins, durch ihren Besuch. Beidemal wurden 
die Entwicklung und die Einrichtungen der Anstalt 
ausführlich erläutert und ein kurzer Vortrag über 
Ursachen und Verhütung der Geisteskrankhei- 
ten wie auch über Zweck und Ziele des Hilisver- 


eins- gehalten. 


Wir hoffen zuversichtlich, daß wir auf dem ein- 
geschlagenen Weg der sozialpsychiatrischen Tätig- 


keit — Sprechstunden für Nervöse und Gemüts- 


kranke, psychiatrische Aufklärungsarbeit im Publi- 
kum besonders. mit Hilfe der Geistlichen, Förde- 
rung des Hilfsvereins — auch in den nächsten Jah- 
ren unsere Fürsorgeeinrichtungen erfolgreich wei- 
ter ausbauen können. 


Mitteilungen. 


rungen des Rückenmarkes und der peripheren Nerven ` 
abgehandelt im Hinblick auf ein Trauma und zuletzt die 
Neurosen erörtert. Auch hier überall die. schon oben 
besprochene sorgfältige und klare, scharf umrissene Dar- 
stellung, durch die das Buch für den Gutachter zu einem 
zuverlässigen Ratgeber wird, zumal auch. Angaben über 
die Rentenabschätzung bei den einzelnen Krankheiten 
nicht vergessen sind. Kürbitz, Sonnenstein. 


= Müller. Dr. med. A, Sanitätsrat-in M.-Glad- =- 
Der Ein- 


bach: Bismarck, Nietzsche, Scheffel, Mörike: 
fiuß nervöser Zustände auf ihr Leben und Schaffen. 
Vier Krankheitsgeschichten. 102 S. Bonn 1921, A. Mar- 
cus & E. Webers Verlag. Preis kart. 19,00 M. 

„Die vorliegenden vier Krankheitsgeschichten sind 
entstanden aus dem Wunsche, an weithin leuchtenden 
Beispielen den Verlauf und die nicht selten verhängnis- 
volle Bedeutung nervöser Zustände für das Leben und 
Wirken des Menschen zu zeigen.” | | 

Diesen Wunsch hat Verf. sich und den Lesern aufs 
Das Buch ist klar und auch für Laien, 
verständlich geschrieben. Es klingt in einen politischen 
Nachruf aus, gleichwie -das Buch von W ilm, nur nach 
der: anderen Richtung . = au... B. 


Therapeutisches. | 

— Über spezifische Behandlung der Grippe. Von Dr. 
Kurt Bayer in’Wiesbaden. Aus der inneren Ab- 
teilung des Städtischen Krankenhauses Wiesbaden. (Ärzt- 
licher Direktor: Prof. Dr. Weintraud.) - Münch. med. 
Wochenschr. 1920 Nr. 52 S. 1493 bis 1495. 

Die Influenzavakzine löst bei Grippekranken be- 
sondere Erscheinungen aus, die als eine spezifische Re- 
aktion angesehen werden können. Die am Tage nach 


der Impfung regelmäßig auftretende Euphorie, welche 


von Baerthlein und Thoma auf „ein Verschwin- 


den der allgemeinen toxischen Symptome” zugeführt 


222 


wird, wird nur als eine Folge der raschen Entfieberung 
angesehen. In allen Fällen nach der Vakzination eine starke 
Vermehrung des Sputums.. Als Lösung des quälenden 
Reizhustens in zwei Fällen rasches Schwinden der 
Zyanose. 
hat eine rasche Entfieberung und eine schnelle Abnahme 
der Krankheitserscheinungen eingeleitet. In vier Fällen 
mit Pneumonie wurde nach der Vakzination ein Ab- 
klingen des pneumonischen Prozesses beobachtet. Bei 
einem Fall genügte schon die einmalige Impfung. Es 
gelang in allen erwähnten Fällen Influenzabazillen zu 
züchten. Überraschend war die enorme Aussaat von 
Bakterien im Sputum nach der Vakzination: Nicht allein 
die Influenzabazillen waren nach der Impfung stark ver- 
mehrt, so daß sie in Nestern und Fischzügen erschienen, 
sondern die Vermehrung bezog sich auch auf Strepto- 
und Pneumokokken. Es schien fast nicht möglich, daß 
die vor und nach der Vakzination erhaltenen Präparate 
dem Sputum desselben Patienten entstammten. Um Täu- 
schungen zu vermeiden, wurden regelmäßig mehrere 
Präparate von verschiedenen Teilen des zu einer be- 
stimmten Zeit entnommenen Sputums angefertigt. Nach 
dem Abklingen der. Reaktion verminderte sich die Menge 
des Auswurfs rasch, daß nach ein bis zwei Tagen oft 
überhaupt kein Sputum mehr zu Untersuchung erhalten 
werden konnte. Diese plötzliche, enorme Ausschwenm- 
mung von Keimen ist ein Zeichen dafür, daß das Lungen- 
sewebe auf die Impfung in besonderer Weise reagiert. 
Daß auch der Gesamtorganismus der Vakzination gegen- 
über nicht unbeeinflußt bleibt, zeigt sich in dem Auftre- 
ten von. Agglutininen im. Serum eines Geimpiten. _ In 
allen Präparaten paarweise angeordnete, parallel neben- 
"einander liegende Stäbchen, welche in ihrer Längsachse 
so“ gegeneinander verschoben sind, daß ihre Enden sich 
gegenseitig überragen. Diese Lagerung. wurde so regel- 
mäßig beobachtet, daß an ihr die wegen ihrer Kleinheit 
oft sehr schwer erkennbaren Erreger ebenso leicht iden- 
tifiziert werden konnten, als wenn sie in der gewöhnlich 
beschriebenen Form von Nestern oder Fischzügen an- 
geordnet waren. 

Die zur Impfung verwendete Vakzine wurde bei der 
Firma Kalle & Co., Biebrich, hergestellt und kann 


.u—— 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf.weiteres l4tägig in Doppelnummern. 
Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der .Anzeigena epagne 6 Tage vor der Ausgabe. 


Für den Anzeigenteil verantwortlich: 
Verlag: 


N Q 
ery PYT al Le Are 


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= ; Tabletten Chloroiormnarkose 

= Bonbons bei Angina, Stomatitis, Schluckbeschwerden, TEENE TAT 
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: DR. RI i SERT : 

Ke: 

E 

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PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Die auf die Vakzine erfolgende Reaktion 


nen bei chirurgischer und ähnlicker Tuberkulose, Voi I 


Gewichtszunahme verfolgen.” 


Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff 
BENSERESEEEDENEENEENEGERNENEEEERERERENEERNERENEERENEENEENEREEREENEEEEENNN! 


Dr. Ritsert's Anaesthesin- 


(Antivom) bei Brechreiz, nervöser Dyspepsie, Vomitus gravidarum, 


cruris, Intertrigo, Hautgangrän, bei Pruritis vulvae, Erysipel und Hämorrhoiden 


: FRANKFURT AM mau] H 


von dort auf Wunsch bezogen werden. Eine weitet 
Prüfung von anderer Seite wäre zu wünschen. 4 

B. beabsichtigt beim Neuauftreten der Grippe die 
Vakzination zu therapeutischen Zwecken heranzuziehen 


— Versuche als praktischer Arzt mit Partial-Antige 


Dr. Ferd: Schild, Hörde. 
1921 Nr. 16 S. 392. 


Zusammengefaßt zeigt sich das Ergebnis der ange 
jührten Fälle folgendermaßen: | 
1. Knochen-, Drüsen-, Lungen-Tbc. völlig er 


Berl. klin. Ao 


2. Knochen-, Drüsen-, Bauchfell-, Lungen-Tbc. seh 
gut gebessert. . A 
3. Knochen-, Gelenk-, Lungen-Tbc. sehr gut d ; 
bessert. 4 


. Gelenk- und Lungen-Tbe. sehr gut sche 
. Knochen-, Drüsen-, Lungen-Tbc. gebessert. 
. Drüsen- und Lungen-Tbc. gut gebessert. 
Bauchfell- und Lungen-Tbc. gut gebessert, 
Bauchfell- und Lungen-Tbc. gebessert. 
. Knochen-, Gelenk-, Haut-Tbe. völlig gesund. 
„Der Erfolg des Falles 1 war ein geradezu winda 4 
barer zu nennen! Der günstige Einfluß der Partigeit I 
ließ sich auch bei diesen Fällen wiederum stets- gati E 
kald an dem Ruhigerwerden der Fieberkurve und di 3 


vo maa6ßBn 


„Die Ergebnisse der Partialantigenbehandlung bi i 
Tuberkulose der Knochen, Gelenke, Drüsen- und df 
Bauchfells sind besonders gute; die hier erzielten i 
folge — selbst die in der Ambuianz — übertreffen meine { i 
Erachtens die anderen Methoden bei weitem. Und s0 il f 
wage ich auf Grund meiner Versuche mit den meiste 
Tuberkulinarten von Tag zu Tag mehr zu behauptet 
daß wir bis heute in den Partigenen das wertvollsi 
Mittel zur Bekämpfung der Tuberkulose haben. 


Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schi] IL 
leitung resp. den Verlag über redaktionelle | I 
Fragen das Rückporto beizufügen. 


Söhne, Halle a. S. 


bei Brandwunden, Ulcus 


ee Ersatz für Tukker & 
Vixol 


“enteat Ti 


im en. 
B) 

i a a 
Net 
TE re 


[| Dreiundzwanzigster Jahrgang. | | | Nr. 37/38. 1921/22. 


Psychiatrisch- Neurologische 
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Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Verlag und Ausgabe: Carl. Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 


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Man verlange die große Preisliste für Krankenhaus-Einrichtungen USW. 


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< birken b. Leichl., 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), 
| -({Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. 
“Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow.a. R., Dir. 


nr TA Tee Je a a E RARD ker 
$ I TOR SEFE E 


Prof. Dr. Friedländer. 


I | Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr: 


liberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
Dr. v. Olah, Budapest, 
I Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Vocke, Eglfing b. München, 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz- Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. 


Schriftleiter: 


i Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 
Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. | 
Verbandsorgan des Reichsverbands beamieter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 
eh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 


Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. 


Herting, Galkhausen 
San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schiöß, 
Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
W. Weygandt, Hamburg. 


| | ; ate Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler. Kreuzburg (Oberschlesien). 


| Nr. 37/38. 


7. Dezember 


1921/22. 


ME: 1i epre: 

E M 7,50 für das Vierteljahr, die 
Fi Abonnementspreise für das Aus- 
mE land werden nach der vom Deut- 
A ‚schen Buchhandel vorgeschrie- 
| benen Verkaufsordnung für das 
|| Ausland berechnet. Zu beziehen 
= || durchjed. Buchhandlung, d. Post. 
|| Wünmittelbar vom Verlage. Er- 
| scheint bis auf weiteres. vier- 
|| zehntägig in Doppelnummern. 


; halt: Bezuglehre. (Relativitätstheorie. 
1 TaPım satz Telepathie von Dr. K. Schmelzeis. 
au Sum Dr. Edmund Holub, Wien. 

3 Deutisches. 


g im engeren Kreise der Fachgelehrten dürfte die 
Bitterung über die Bezuglehre noch nicht abge- 
' ‚losen sein. Bei der Versammlung deutscher 
i hırtorscher und Ärzte vom 19. bis 25. Septem- 
t 1920 in Bad Nauheim erwiesen sich die meisten 
Redner als Anhänger derselben, aber es zeigte sich, 
f dg sie noch erweiterungs- und abänderungsfähig, 
i [ren das letzte Wort noch nicht gesprochen 
hie a aus einem Bericht von Pinkusson in 
fi SER med. Woch. 1920 Nr. 43 zu entnehmen 

Heide te sich der Physikprofessor Lenard aus 
ER ee gegen die Allgemeine Relativitätstheo- 
j inerken o jede Art von Bewegung für uns 
ich > ar sein soll in ihrem Wesen, so daß wir 
fe a scheiden können, ob wir uns z. B. in 

E ven a Bewegung befinden oder die ganze Um- 
tie um uns dreht. Wenn wir uns in einem 
dabei ei gebremsten Eisenbahnzug befinden und 
Yäre ee gewaltige Erschütterung erleiden, so 
cheny m Wider spruch zu jedem gesunden, Men- 
= erstand, wollte man annehmen, daß nicht 


si 
A 
J 


\ 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlägsbnehiandiung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 
Postscheck: Leipzig 32070. 


| laß gewährt. | 


Von San.-Rat Dr. 
(S. 228.) — Zur Streitfrage der 
S: 230. — Referate. 
(S..233.) — Personalnachrichten. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Anzeigenpreis : 
i mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 70 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 


Marhold Verlag Hallesaale 


Schluß. (S. 223.) — Zu dem Auf- 
„okkultistischen F orschung, . 


(S. 232.) — - Thera- 


J. Bresler. 


(S. 231.) — Buchbesprechungen. 
(S. 234.) 


Bezuglehre. (Relativitätstheorie.) 
Von San. -Rat Dr. J. Bresler. 
(Schluß.) 


der Mensch in Bewegung gewesen sei, sondern die 
sesamte Umwelt. Dagegen warnte Einstein 


‘vor dem gesunden Menschenverstand, der oft zu. 


Trugschlüssen führe; bei dem gebremsten Eisen- 
bahnzug' handele es sich um die Wechselwirkung 
zwischen diesem und den ganzen übrigen in ‚der 
Welt vorhandenen Massen, wobei es ganz gleich- 
gültig sei, welche sich gegen die andere bewegt. 

Diese Art der Betrachtung sinkt zu Gedanken- 


- spielerei herab, und nicht einmal einer neuen, denn 


z.B. Sigwart, Logik, 1878, II, S. 317, Fußnote 
sagt: „Wenn ein Stein gegen die Erde 


fällt, so sast der Grundsatz von. der 
Relativität aller Bewegung, ich 
könne mir ebensogut die Erde als 
ruhend,. den Stein als bewegt, wie 
den Stein als ruhend, die Erde als 
bewegt denken; das Resultat, daß 
beide zusammentreiien, ist das- 
selbe.” 


So bedeutet es ER in iden Witz 2 oe 


| a a Relativitätstheorie, Bi: 


224 


Einstein selbst den Kürzeren zieht und sich 
selbst widerlegt —, wenn er sich selbst auf den 
von Lenard angeführten „gesunden Verstand” 
beruft mit den Worten: „Er (nämlich der Loko- 
motivführer) wird einwenden, 
die Gegend unausgesetzt heizen und schmieren 


müsse, sondern die Lokomotive, und daß es dem-. 


entsprechend die letztere sein müsse, in deren 
Bewegung sich die Wirkung seiner Arbeit zeige.” 
(Zit. nach H. Schmidt.) 

Hoffen wir, daß auch der gesunde Menschen 
verstand über diesen ebenso dunklen wie wichtigen 
Punkt recht bald ins klare kommt! 

Wo fängt der gesunde Menschenverstand an, 
wo hört die Wissenschaft auf? Ist das nicht auch 
eine Sache des „souveränen Wechsels des Stand- 
punkts”? Die Geschichte der Wissenschaften lehrt, 
daß es nicht unmöglich ist, daß die Wissenschaft 
irrt und der gesunde Menschenverstand auf dem 
richtigen Wege ist. Aber der gesunde Menschen- 
‘ verstand ist eben nicht allein- Sache des Verstan- 
des, sondern des Instinktes, des Entschlusses und 
der Wahl. | 

Es ist auch nicht richtig, was Sommerfeld 
(Münch. med. Woch. 1920 S. 1271) sagt: „Die volle 
Relativierung von Raum und Zeit, wie sie in dem 
unerbittlichen Formelgerüst der Einsteinschen 


"Theorie durchgeführt ist, Wird nicht umhin kön- 


nen, die philosophischen Grundlagen der Erkennt- 
ristheorie entscheidend zu beeinflussen. und. die 
‚Lehren Kants umzudeuten.” Denn die Kantsche 
Auffassung’ von Raum und Zeit ist wohl längst nicht 
mehr die alleingültige. Es wird letzten Endes doch 
dabei bleiben, daß unserer Erkenntnis nur die psy- 
chische Reihe gegeben ist (Kant); die materielle 
Reihe ist eine Vorstellungsreihe, welche wir aus 
unseren Empfindungen und deren Erinnerungsbil- 
dern erschlossen haben, als Krafitzentren oder als 
räumlich zusammengeordnete Energiekomplexe, 


d.h. Komplexe, welche Empfindungen hervorrufen 


oder verändern können (Ziehen, S. 539). Auch 
in unserem Gehirn und in unserem seelischen Ge- 
Br schehen und Erleben sind „Kraftielder”. 
‚Auch bei Harry Schmidt, Das Weltbild 
erweiterte Auflage, 
Hamburg 1920, wie fast in allen Schriften über 
diesen Gegenstand, findet sich die Meinung von 
einer „Neugestaltung” des Weltbildes. „Die Kla- 
gen über das verlorene, oder besser das stark ge- 
wandelte frühere Weltbild werden angesichts des 
m Erreichten nach und nach verstummen” (S. 
138 

Und Hermann Weyl meint (ebenda S. 
139): „. . . die Entwicklung des wissenschaftlichen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


daß er doch. nicht 


mension” usw.; hoffentlich kommt auch die tho 


der allgemeinen Relativität die Notwendigk#l Š 


Te R Fisi 

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vi a RR N * 
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Gedankens mag über das jetzt Erreichte abermak ; 
hinausgehen, aber eine’ Rückkehr zw dem alten f 
engen und starren Schema ist ausgeschloss f 
Gibt es etwas schematischeres als diese furdf 
bare Schematisierung und Mechanisierung mif 
„Kräftefeld”, „gekrümmtem Raum”, „vierter DE 


retische Wissenschaft so bald über diese wisse 
schäftlichen Gedankengespinste hinweg, wie sui 
Leben und Wirklichkeit davon fern und frei MR 

-Der Reiz der Neuheit macht manche blind dë ! 
für, in welche trostlose Einöde der Geist dudi 
solche Gespinste gelockt, wie in solcher Geda f: 
kenenge der Geist erdrosselt wird und erstarrt \ ; 

Hans Wittig (Die Geltung der Relativitit f 
theorie, eine Untersuchung ihrer naturwissenschati 
lichen Bedeutung; Berlin W. 35 1921, Hermann Saif 
Verlag) beklagt (S. 10), daß eine neue wissenschat 
liche Theorie (eben die Relativitätstheorie) mit Haig 
und Haaren, d. h. mit allen ihren Vorzügen und Mät- i 
geln nicht nur von der Laienschaft, sondern auchvog 
einem sehr großen Teil der wissenschaftlichen Wal f 
assimiliert worden ist. Wittig hat selbst, wie ug 
sagt, eine Zeitlang unter dem Zwange der Relativi 
stik gestanden, ehe er sich davon zu befreien yer ; 
mochte. „Man sollte jedoch nicht”, sagt er, „i$ 
es von anderer Seite geschehen ist, dem Urhei 
der Theorie die Schuld an jener weit verbreiteläß 
Psychose zuschieben.“ Er sieht „die Ursache Wf 
Leichtgläubigkeit in dem eigenartigen geistige i 
Drillsystem der abendländischen Zivilisatio 
menschheit. 

Wittig kommt zu dem Resultat, daß die y 
zielle Relativitätstheorie aus der physikalisch 
Analyse als eine Theorie der „nachschleppen#f 
Beobachtungen” (wie die durch die Lichtveraff 
rung hervorgerufene Beobachtungsparallaxe * 
zeichnet werden sollte) hervorgeht (S: 37), # 
sich aus abstrakt kinematischen, d. h. ever E 
geometrischen Beobachtungen keine wif kliog 
materiellen, also stofflichen Vorgänge 4 
geben können (S. 38), daß sich auch für die Phys 


. . - i ° u ei PTP rc 
c: oo et ew 122 En — 0. A- As . 


einer scharfen Unterscheidung zwischen S@ T 
baren bewegungsgeometrischen und wirklich 
physischen Zustandsänderungen der Dinge 42 i ; 
(S. 40), daß alle jene Beispiele in der Relativi f 
literatur, welche die örtlichen Raum-Zeit-Deini i 
gen, die „Molluskoidierung”, auf bee i 
trischer Grundlage ableiten, nicht zwingend i 

Theorie seien, vielmehr erst beim Auftreten W 
Kraftfeldern sich wirkliche, körperliche, ateit r 
Änderungen ergeben, daß: die Relativitäts un 
das mathematische und physikalische Kontin t 


-ii G 
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A 2 u a " 

Qi h NN r 
EE A BSH 

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af 1921) 


WP verwechselt (S. 47), daß die Geltung der Relati- 
UF vierung von Raum und Zeit lediglich eine psycho- 
UF Igisch-physikalische, aber keine rein naturwis- 
FF senschaftliche sei (S. 54, was ich allerdings be- 
W streite), daß die Widersprüche in der Relativitäts- 
HE theorie lehren, wie eine jede Theorie, für sich be- 
WR frachtet, im Sinnlosen enden muß, wenn sie, sich 
EB af Annahmen stützt, die mit der Wirklichkeit nicht 
IE übereinstimmen (S. 60). | 

af Läßt sich ein scharfer Unterschied zwischen 
aF suklidischem und nichteuklidischem Raum machen, 


system darauf bauen können? Verwandeln 
Fsichnichtin Wirklichkeit beständig 
Windin jedem Augenblick gerade bi- 
fien in- krumme, Ebenen in ge- 
a krümmte Flächen, Winkel in Bögen 
f usw. bei den Körpern und Kräftefeldern und 
A umgekehrt? Wir 
4 ‚ diese geometrischen Begriffe beständig zur Ver- 
fi  bildichung der in uns stattfindenden Denkvorgänge, 
eich als ob sich euklidische und nichteuklidische 
Ẹ Geometrie” auch in den Atomen unseres Gehirns 
Ẹ wie sonst in der Welt vollzieht. (Vergl. Psychiatr.- 
f uw. Wochenschr. XIX, S. 120.) 

Da uns also schon begrifflich als letztes 
| Nicht die gerade Linie, sondern die Kreislinie gegeben 
T St und damit nur gekrümmte Flächen, so ergibt sich 
“f auch schon begrifflich, daß die Euklidische Geometrie 
“7 Nur beschränkte und bedingte Gültigkeit hat. Eine ge- 
WẸ adlinig-gleichförmige Bewegung, also eine gerade Linie, 
; könnten wir uns nur unter der Bedingung vorstellen, daß 
ef die auf die Bewegung wirkenden Kräfte gleich sind, 
g dann aber würden sie einander aufheben, und dann gäbe 
1 LA Keine Bewegung und überhaupt keine Linie usw. Man 
i ne Bewegungsproblem ist. sehr beweglich und 
3 Sich doch leicht auf einen toten Punkt bringen! 


$ Mathematiker und Physiker, so oben Weyl, 
„f Sebrauchen Ausdrücke wie „Entwicklung”, „Rück- 
J kehe”, aber nach der Auflösung von Raum, Rich- 
3 ung und Zeit darf es für sie eigentlich keine sol- 
5 ien Begriffe mehr geben. Wo ist vorwärts, rück- 
I} Varts; von wo kommt, wohin führt „Entwicklung”. 


mi Ì ți Kei . Š $ R 
T A bei der Mathematik, wenn sie aus ihren An- 
EO “uungs- und Denkbereich heraustritt. 


Dr. Harry Schmidt sagt in seiner Schrift: 
Ä Eee Relativitätstheorie (Hamburg 1920, Paul 
Made 3 E S. 9: „...neueste Überlegungen haben 
| Bi, a sicht geführt, daß jener winzige Atomkern 
f pe eines Elektrons! — einen höchst kom- 
dir elektri -o besitzt. Vielleicht 'stellt er eine nega- 
A ledene Tei = Kugel dar, in deren Innern sich positiv ge” 
F Menge o bewegen. Und zwar überwiegt die 

= ST eingeschlossenen positiven Ladungen um 


"y Uas W 
Joo AAR 


w q a 
ir, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


“sodaß wir ein ganzes Anschauungs- und Begriffs- 


verwenden doch alle. 


7 ist überrascht von dem Mangel an Folgerich- | 


225 


einen bestimmten Betrag die negative Ladung der Kugel, 
so daß das Ganze nach außen hin als ein einheitlich posi- 
tiver Kern zu wirken vermag. Dann wäre also das Atom 
desChemikers, jenes Nichts im All der Gestirne, ein 
Sonnensystem in doppelter Hinsicht. Einmal der posi- 
tive Kern als Sonne, die negativen Elektronen als treue 
Irabanten. Dann wieder der Kern selbst eine Welt, in 
der positive Elektronen ihre Kreise dahinwandern. 
Nach ewigen ehernen Gesetzen, hier wie dort, bei den 
Sternen wie bei den Elektronen. Und in diesen Ge- 
setzen treifen sich die beiden Unendlichkeiten des Gro- 
Ben und des Kleinen.” X 

Nün hindert uns nichts.oder vielmehr die „reine Logik" 
zwingt uns, anzunehmen, daß auch jene „positiv geladene; 
Teilchen” im Atomkern „Kugeln” darstellen, in der sich das 
elektrische Spiel wiederholt, und daß in diesen „Kugeln” 
wieder „Kugeln’” und „Kerne’” sind und so unendlich fort 
— und so. zeugt die Wissenschaft in unaufhörlicher 
Fruchtbarkeit immer neue mathematisch-physikalische 
Kukue (die Psychoanalyse nennt dies kurz: „Wieder- 
holungszwang!”) — „mit Grazie in infinitum”, wie der 
„Blütensänger” in Goethes Gedicht: „Frühlings- 
orakel”: „Immer mehr Kuku, Kuku”. Aber dort heißt 
es freilich: 

„Leben ist ein großes Fest, 
Wenn sich’s nicht berechnen läßt.’ 


Wie wenig die begeisterungsvolle Einschätzung 


des Fortschritts, der durch die Bezuglehre getan _ i 


ist, den Ansprüchen des Denkens gerecht wird, 
dafür folgendes Beispiel. Der Leipziger Physiker 
Arthur Haas sagt (zit. bei Harry Schmidt, 
S. 131): „Nach der modernen- Auffassung gibt es 
überhaupt keine Umwandlung der Energie. Denn 
es gibt eben nur eine einzige Art der Energie, näm- 
lich die des elektromagnetischen Feldes. Was um- 
sewandelt wird, ist nicht die Energie, sondern 
höchstens der Gesichtspunkt des Menschen, der die 


‘physikalischen Erscheinungen durch seine Sinne 


beobachtet.” = | | | 
Nun, steht denn der Mensch außerhalb der 
Welt? Sind in seinem Körper nicht ‚„elektro- 
magnetische Felder”, nicht in jedem Atom seines 
Körpers? Wie kann sein Bewußtsein etwas an- 
deres sein als Kräftefeld und etwas anderes wahr- 
nehmen als ein solches Feld — möge es ein elek- 
tromagnetisches sein —, da wir doch in unserem 
Bewußtsein das Sein unmittelbar. erleben? 
Harry Schmidt erinnert daran, daß man 
schon um die Wende des 19. Jahrhun- 
derts in den elektrischen Vorgängen das Urbild 
alles physikalischen Geschehens erblicken zu müs- 


sen glaubte (S. 128). 


Es ist hier der passende Ort, auch des Ergeb- 
nisses zu gedenken, zu dm K.Frankhauser, 
Direktor der ‚Landesirrenanstalt Stephansfeld bei 
Straßburg i. E., in seinem gelehrten, tiefgründigen 


FE ~ y DR e 
Ra DR ASN 


bewubte Zwecktätigkeit, wo unbewußte? 
. ginnt das Vorstellen, 


Zweckmäßigkeitsbegriffs bei den 


ganze moderne Chemie beruht (S. 9). 

= Werden erinnert, wie die griechischen Sophisten 

mit ihren Geistesblitzen und Fangschlüssen das 

ernste Grübeln der Gelehrten verspoötteten, wovon 

das Beispiel bekannt ist: 

hast, hast du noch; Hörner hast du nicht verloren, 
also hast du sie noch” (S. 14). 


226 -  PSYCHIATRISCH-NEUROLÖGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Werke: „Das Zweckmäßigkeitsproblem und das 
Indifferenzprinzip” (Straßburg 1920, J. H. E. Heitz) 
gekommen ist (S. 356): „Es gibt also nur relativ 
Zweckmäßiges. Selbst im ganzen Weltgetriebe 
gibt es kein Atom absoluter Zweckmäßigkeit. Das 
Indifferenzprinzip hat also uneingeschränkte Gül- 
tigkeit, es kennt keine Ausnahmen.” Dabei müßte 
aber das Wort „uneingeschränkt wiederum den 
Relativisten abschrecken, denn es ist nur ein ande- 
rer Ausdruck für „absolut”. 

Daß wir uns auch hier im Kreise bewegen (der 
Kreis ist unser Glück und unsere Ruhe: wohin 
kämen wir auf einer endlosen geraden Linie?), 
zeigt folgendes: Frankhauser sagt: „Die be- 
wußte Zwecktätigkeit ist daher auf die unbewußte 
Zwecktätigkeit der Natur zurückzuführen. ... Den 
Willenshandlungen geht, bevor sie durch unter- 
stützende Sinneseindrücke ausgelöst werden, ein 
Plan voraus, was also nur bei vorstellenden Indi- 
viduen möglich ist. Der Plan selbst ist der Eriolg 
aller vorher gehabten Sinneseindrücke und durch 


sie streng determiniert. Wird das planmäßige Han- 


deln in naiver Weise auf das Naturwirken über- 


tragen, so führt es zur Annahme eines innerhalb 


der Natur oder hinter ihr bewußt wirkenden We- 
sens.” Es drängt sich die Frage auf: Wo beginnt 

Wo be- 
Wenn es 
Grenze zu 


wo hört es auf? 
nicht möglich ist, hier eine „absolute” 


ziehen, dann müssen wir einen in der Natur ebenso 


wie in uns, die wir doch auch Natur sind, wirkenden 
Plan, eine „Idee? der Welt zugestehen, wie es 
Plato lehrte. en | 

Es ist sehr zu empfehlen, die Entwicklung des 
Griechen - in 
Frankhausers Werk ‚nachzulesen. Wir wer- 
den dort daran erinnert, daß Leukipp und De- 
mokrit den ‚kleinsten, nicht weiter teilbaren 
Teilen”, den Atomen, eine geometrische Gestalt 
zusprachen und ihre Lage und Anordnung von Be- 
deutung sein ließen, eine Voraussetzung, auf der die 


„Was du nicht verloren 


An solche Fangschlüsse: erinnert folgendes aus 
Lämmels anderer Schrift: Wege zur Relativi- 
tätstheorie (S. 62) (Stuttgart 1921, Kosmos, Gesell- 
schaft der Naturfreunde, Franckhsche Verlagsbuch- 
handlung): „Wenn -die Welt unendlich ist und 
wenn die Energie der Welt unendlich‘ ist, dann hat 


“eines Genies wie Einstein — denn es ist noci 
-schon verraucht. 


Und wir. 


lassen. Sie will oder kann klarer, reiner Erken 


- vermeintlich selbst geschaffenen und doch "of 


INr. 37a 

3 
es keinen Sinn zu sagen: die Energie ist unver a 
derlich. Denn E 

unendlich + 5 = unendlich + 7 = unendioid 3 
d. h. wenn eine unendliche Größe einen Zuwa 3 
erhält, so ist sie unendlich — wie sie es war” I 


Danach ist also auch, wenn man auf beiden Si 
ten der Gleichung „unendlich” abzieht,5 =7! Mi Ji 
sieht, wohin die höhere Rechenkunst führt, weni 
sie listig Gedankengebilde wie „unendlich” in di 
Rechnung einschmuggelt. | 3 

Das Gebäude der Mathematik wankt, wenn wir 
an seinen Grundsteinen rühren: Es ist. nicht einmal 
jede Größe sich selbst gleich, denn ii 4 
dem Augenblick, wo wir von einer Größe reden, w: 
das Gleichheitszeichen überschreiten, hat sie sich schuf a 
verändert — und unser Gehirn auch; folglich ist a 3 

ıicht 2 mal 2 = 4! I 

Lämmel, der sich die größte Mühe gibt, i 5 
„Wege zu Einstein” (ebenda S. 71) zu weisen, sach 
hier auf S. 75, nachdem er die Frage aufgewordg 
„Kann man nicht, nach dem bewährten Muster der | 
Speziellen Relativitätstheorie, die Begriffe Raund 
Zeit und Stoff derart einrenken, zurechisil 
zen, daß die so geläuterten Begriffe ausreichen 
um in bezug auf alle wie immer bewegten Wolii- i 
räume der Beobachter zu den gleichen Gesetze 
zu. führen ?.' — „Das ist. im.Grunde ein kaufmänn ® 
scher Gedanke. Man rechnet nicht: Einkaufspref 
— E, Verkaufspreis — V, wie groß ist also der Og 
winn? — Sondern man rechnet: Wenn ich ein \ 
Gewinn von x wünsche, der Einkaufspreis aber a | 
ist, wie teuer muß ich verkaufen?” Also kein E 
festen Preise! s 

Ob alle Kaufleute mit dieser- Ansicht einer 
standen sind? = 

Sehr bemerkenswert ist, wie sich die Yo 
seele zu der neuen Lehre stellt. Die Bewundermti 
für die Arbeit eines Denkkünstlers oder viehnel 7 


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mehr Ursprünglichkeit als Größe der Leistung ; 
was Bewunderung einflößt —, sie ist schnell t | 
Es liegt wohl daran, dab us 1 
Ergebnis nicht dem seelischen Bedürfnis der Mas 
entgegenkommt; einfach gesagt: sie kam mit 
Neugier nicht auf ihre Rechnung; sie zieht es“ 
her vor, in vieltausendiähriger Dämmerung, al 
ter zu leben und sich von Irrlichteleien leiten © a 


a N er ee er a G 
Maaa Ne A RE 


me 
A ü DT) 


u en Sb 3 = 


nis nicht ins Gesicht sehen. Sie. weilt lieber 
gleichen Formeln wie das mechanische” in 
schehen sich abspielenden Welt der "ra 
Gewinne, als auf. dem unfruchtbaren Fel e a 
Massen und Bewegungen. AN 


ni T- oe ER Ur à 3 
> 7 Ar Ar, P. Ted’ 
O 5 A f 
A = u rd 
Ir ea 
i kis 


4 E Die Geister können es aber auch nicht ertragen, 
Fü sie streng nach Formeln arbeiten sollen und 
7 dabei doch zwischen Standpunkten hin- und her- 
; u werden wie: daß man ebensogut 
sagen kann: die Erde steht still und die Sonne be- 
Wegt sich um uns, oder die Sonne steht still und 
wir bewegen uns um die Sonne. Käme gar je- 


dern rückwärts bewegen, und daß wir nicht die 
Eltern unserer Kinder, sondern die Kinder unserer 
| F Kinder sind und sonst noch mehr. Das ist dann kein 
WẸ Weltbild, sondern ein Vexierbild und Zerrbild, und 
da bleibt nur Sichaufraffen zu einem von der 
F Sebsthehauptung gebotenen kräftigen Entschluß: 
ich kenne nur einen richtigen Standpunkt und das 
N der meinige. 


f 
i Sie können es nicht fassen, daß es gleich sein 
í sl das Ich bewegt sich gegen das Nichtich und 
f ds Nichtich gegen das Ich, wobei schließlich Ich 
f gleich dem Nichtich, und. so weiter im munteren 
È Gedankenspiel unseres großen deutschen Frei- 
f leitsdenkers und eines der schärfsten Denker aller 
f Zeiten, Johann Gottlieb Fichtes (1762 bis 
f s das wirklich unendlich hoch steht über all 
N lem, was im Anschluß an die neuesten astronomi- 
T > schen und physikalischen Messungen von neuem 
j it 


X Wir können ask. Galileier bleiben: die Erde 
| towegt Sich trotz der Allgemeinen Bezuglehre um 
die Sonne, wenns auch manchem unaufgeklärten 
f Nenschen anders scheinen mag. 


Aristarchos (um 181 bis 264 v. Chr.) lehrte 


klagt wurde. 


I Heute ist das weniger gefährlich, da wir den 
I ‚sollveränen Wechsel des Standpunktes” 


i a Münch. med. Wochenschr. 1920 
$ F 1 


$ i: 2. Juni 1633 niederknien mußte, um zu be- 
AR N daß die Sonne sich um die Erde bewege, 
fy Sich seine Knie gegen die gesamte übrige 
 Slmasse, gegen das Nicht-Knie bewegte oder 
 Umgekehrts 

poi Erinnerung an die Suet wo 
: ER as Tellurium gezeigt wurde, bleiben wir bei 
| schlichten Meinung, daß es das richtige Tellu- 


Hu 
Sl Warsund daß es sich nicht so einfach und be- 


T umgestalten läßt. 


Bezu Bee man überhaupt von dem, was die neueste 
Pane gibt, als von einem „Weltbild? statt 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT : 


mand, der lehrt, daß wir uns nicht vorwärts, son- ` 


Weltbild, neuer Weltaufiassung Setanet, worden. 


Eis daß die Erde sich um die Sonne und zu- 
Bleich um sich selbst bewege, weswegen er ver- 


haben 


Es kann uns heute ech, sein, ob, als Galilei 


227 


‚von Schema redet, so ist es jedenfalls das ärmlich- 
ste und häßlichste der Welt. 


Glücklicherweise ist das natürliche Weltbild, 
das sich im Gehirn der Menschheit „spiegelt”, ein 
so mannigfaltiges, wechselvolles, trotz allen Leides 
und Schmerzes so freundliches und freudenreiches, 
daß uns keine noch so dürre Lehre Lebensgenuß 


und Lebenslust vergällen kann. 


Die überschwängliche Begeisterung, welche an 
Fortschritte der Erkenntnis geknüpft wird, hat nur bei 
sehr Wenigen den Grund in einer selbstlosen Freude 
am Forschen und Entdecken; bei der großen Menge in 
der Hoffnung auf Erleichterung und Verschönerung des 
Daseins, . auf „Erlösung” und ‚„Vollkommenheit”. Wir 
haben auch hier wieder einen bemerkenswerten Gegen- 
stand seelenkundlicher Betrachtung. Wir‘ sehen 
die. Fäden zur. Heilbringersage ziehen, über die Kurt 
Breysig in seinem Buch: Entstehung der Heilbringer, 
Berlin 1905, G. Bondi, geschrieben hat (vgl. meinen Auf- 
satz: Ein Gehirnschema, Psych.-Neur. Woch. 1918-19 S 
110), die Fäden zu einem seelischen Schema (auch Sche- 
men könnte man sagen), das sich überall in der Mensch- 


 heitsgeschichte wiedertindet als personifizierender Glau- 
be an die Überwältigung der Natur — und des lieben 


Nächsten, vom Marduk der Babylonier bis zum Tez- 
katlipoca der Australier und zu den Heilbringern und 
Erlösern unserer ee Würde jemand ein wirk-. 
liches Heilmittel, z. B. gegen Syphilis, Tuberkulose, 


finden- (nicht nur ein durch Reklame: sah ce 


gegen Übervölkerung, Krieg usw., so wäre er ein rich- 


tiger Heilbringer der Menschen. 


In einem „Einstein-Rumm el” Aer 
nen Artikel des ,„Mitteilungsblatts des Verbandes natio- 
naler deutscher Juden e. V.” 1921 Nr. 1 (Verlag: Berlin 
W. 35, Blumeshof9) wird gesagt: „Und dennoch ein Ge- 
trommel und ein Geschrei, als sei es. der Chemie gelun- 
«en, märkischen Sand in Einmachezucker zu verwan- 
deln oder. aus voriährigem Laub brauchbare Kleider- 
tuche herzustellen.” : Ich finde diese Beurteilung der Be- 
geisterung für die große wissenschaftliche Leistung 
Einsteins ebenso verfehlt wie nicht besonders ge- 
müt- und geschmackvoll. Ich wenigstens verstehe es, 
daß viele gesund fühlende und vernünftig denkende Men- 
schen instinktiv in der Relativitätstheorie etwas Be- 
freiendes, Erleichterndes herausfinden und empfinden 
gegenüber dem Zwang und Druck des Absoluten”, das 


ihnen in so vielen anderen Theorien und in noch mehr 


Wirklichkeiten und erlogenen Überwirklichkeiten ent- 
segentritt. Das-ist seelkundlich sehr De- 
achtenswert! 


* 


Es ist peinlich, sehen zu müssen, daß auch die 
neue, in allem so arme, so dunkle Zeit so reich an — 
durch eigene Urteilsschwäche verschuldeten — 
enttäuschenden Erwartungen und Verheißungen 
iSt: ee 


228. 


Einsteins „Weltbild”, 

Braunstein(Trotzki)-Lenins, 
Erlöserpaars, „Paradies”, 

Steinachs „Verjüngung’” mittelst Unterbin- 
dung des Se Ma 


Nachtrag. 

l. Die Angst, daß die Menschen einmal mit ihrer All- 
macht den Weltuntergang oder so ähnliches herbeifüh- 
ren könnten und damit den eigenen, also den Welt- 
selbstmord, hat gewiß schon mancher gehabt! Dem 
-= trefflichen Büchlein von Julius Obermiller, Der 
Kreislauf der Energien in Natur, Leben und Technik, 
Leipzig 1919, entnehmen wir aber den Trost, daß das 
selbst mit dem. gewaltigsten Stoff wenigstens, den wir 
bis jetzt kennen, nicht so- schnell geht, da der Zerfall 
von einem Gramm Radium erst nach etwa 2500 Jahren 
bis zur Hälfte fortgeschritten ist. 

2. Dem schönen und geistreichen Buch: „Philosophie 
der Botanik”, von J. Reinke, Kiel, 'entnehme ich fol- 
gendes S. 194: „Für den einzelnen Menschen gibt es 
nichts Positiveres, keine besser bekannte Naturkraft als 
die eigene Intelligenz. Wenn aber X. aus der eigenen 
Intelligenz auch auf die Intelligenz anderer, z. B. von 
Bismarck und Edison, schließt, die er aus ihren Wer- 
ken zu erkennen glaubt, so baut er damit, wenigstens im 


Zu dem Aufsatz: Telepathie von Dr. K. Schmelzeis. 


Di: Auskihrungen des Herrn Kollegen Schmelz- 
eis in dieser Zeitschrift haben mich zu mei- 
nem Bedauern davon überzeugt, daß es mir in 
meiner Besprechung des v. Wasielewski- 
‚schen Buches nicht gelungen ist, meinen Stand- 
punkt wissenschaftlich verständlich darzulegen. 

-Meine Bemerkung „die letzten Kapitel bringen die 
— Krönung der Versuche (ich bitte den Gedanken- 
strich zu beachten): Hellsehen in die Vergangenheit 
und Sehen in die — Zukunft”, hat offenbar — 
wenigstens Herrn Dr. Sch. — zu der Annahme ver- 
leitet, ich sei von der Möglichkeit eines Sehens in 
die Zukunft überzeugt. | 
- Allerdings glaubte ich jedes Mißverständnis be- 
züglich meiner Auffassung durch folgende Sätze 
ausgeschlossen zu haben: 

„Auf einen Versuch, die Darbietungen 
psychologisch Zu erklären, gehe ich überhaupt 
nicht ein. 

Dem vorurteilslosen Eher bleibt nichts an- 
deres übrig, als die... . Erscheinungen zu — regi- 
strieren” (ich -bitte dien Gedankenstrich zu be- 
achten). 

Die Schriftleitung ‚dieser Wochenschriit hat in 
einer Anmerkung den von Herrn Dr. Sch. ge- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


des 


sprache erklären will. 
okkulter als jeder Okkultismus. 


fernt”, -halte ich es für angeprachi folgendes i 


Baer 


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2 
Bi: 
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. Mast | 
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> JO “ 
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Te. 
E. 5 
Te 


[Nr. u 7 


Sinne eines strengen, erkenntnistheoretischen il A 
mus, bereits eine Hypothese. Es ist nur eine durch? b N 
straktiöon etwas weiter vorgeschobene Hypothese, wer | 
ich aus dem Dasein der Organismen die Tatsache wf 
gere, daß es außer meiner und der Intelligenz andere F 
Menschen noch eine weitere Intelligenz in der Welt gih, ; 
die ich als kosmische Intelligenz der mensch s 
lichen gegenüberstelle. Diese allgemeine kosmische Ver- : 
nunft offenbart sich nun zweifellos am klarsten in dir i { 
menschlichen Vernunft, doch garans folgt nicht, daß de | i 
ihre einzige Offenbarung sei.’ F 

3. Freunden der modernen physikalischen Then 3 
empfehle ich Max Plancks Nobelvortrag vom 2 Jwi 
1920 (Leipzig 1920, J. A. Barth): „Die Entstehung ul f 
bisherige Entwicklung der Quantentheorie.” A 

4. Bezüglich „Deutscher Michel” macht trefien 
Bemerkungen in geschichtlichem, volkspsychol@® 
gischem Zusammenhang Albrecht Wirth ii 
S. 393 in der eben erschienenen dritten Auflage Seit 
„Weltgeschichte der Deutschen”, Bet 
1922, die auch die Bezeichnung „Leidensgeschichte diii 
Deutschen” tragen könnte. Wer von Geschichte eg 
möglichst tiefgehende und weitreichende Darlegung WE 
Beziehungen von Völkern und Stämmen untereinani 
von Herrschern und Beherrschten, von der Macht © 
Geldes und der Kraft des Elends erwartet, lese di ; 
Buch. 


brachten Erklärungsversuch, die  Flüùsterspradk 3 
heranzuziehen, abgelehnt. 3 

In dieser allgemein gehaltenen Form möcht i 
ich mir diese Ablehnung nicht zu eigen mache 3 
Das „Gedankenlesen” ruht meiner Ansicht nachi 
vielen Fällen auf der Fähigkeit, unbewußte Ms 
kelbewegungen zu „lesen”. Es ist mir aber une: | 
findlich, wie Herr Dr. Sch. jene Versuche, WE 
denen Frl. v. B. und Herr von W. weit voneinand ; 
entfernt waren (die eine in Italien, der anderè 1E 
Deutschland), durch Heranziehung der Flist 
\ Eine solche Erklärung ® N 3 
Ich glaube “g 
nehmen zu sollen, daß Herr Dr. Sch. nur po j 
Kritik und nicht das W.sche Buch gelesen ‚hat. 

Nachdem aber meine Ausführungen — went À 
stens bei Herrn Dr. Sch. — den Eindruck ervel i 
ten, „als sei ich von Zustimmung nicht weit w 


zustellen: E 
Eine Aufklärung und Belehrung der (heut T 
tage seelisch labilen) Massen wird niemals w I 
lingen: | 
Wenn die Psychologen, Ärzte, Seelsor& 
Lehrer in ihrer „passiven Resistenz verhalf | 


ef af 2 


k 
J f 
O AUE 


Wem sie es verschmähen, gleich Steiner 
fa seinen zahllosen Jüngern, an und in die Öffent- 
Be zu treten. 

Wenn sie sich damit begnügen, Okkultismus als 
Fscwinder zu bezeichnen. 

= Vielmehr ist es ihre Pflicht, mit überzeugten, 
Fsibjektiv ehrlichen Okkultisten, deren es eine 
$ Menge gibt, zusammenzuarbeiten, bestimmte Ver- 
P sichsanordnungen gemeinsam festzustellen, welche 
d ‚ie kritische Lösung der Fragen ermöglichen. 

i Ich selbst bin davon überzeugt, daß es keine 
uf okkulten” Fähigkeiten gibt; 

d I daß uns die Zukunft verschlossen ist, verschlos- 
Fe bleiben wird; 

i daß das „Jenseits”, wenn es uns Nachrichten 
f ibermitteln wollte, nicht solcher 
of sieh bedienen würde, wie sie, von verschwinden- 
ii ‚den Ausnahmen abgesehen, bisher in Erscheinung 
kt i ‚traten, | 

= Aber — gleichwohl bin ich bereit, mit jedem 
N Okkulfisten gemeinsam zu arbeiten, der Beweise 
“seiner Kritik und wissenschaftlichen Ehrlichkeit 
F gbt, wie ich bereit bin, ihm Beweise meiner von 
Fer feindseligen Einste lung freien Objektivität 
Fu bieten. 

f Ich befinde mich in guter Gesellschaft. 

; Denn sogar Kant hat, bevor er „Träume eines 
j OE schrieb, eine Verbindung mit dem 
5 „uellseher” Swedenborg gesucht. 

Allerdings — ohne Erfolg. 

So daß ich mich gleichfalls in der besten Gesell- 
f Schaft befinden werde, wenn auch ich von den Ok- 
ultisten — übersehen werde. 

| 2 scheint, als ob mir dieses Schicksal beschie- 
E sei, 

I Vor einiger Zeit regte ich bei dem Herausgeber 
d lieser Zeitschrift an, er möge sie Anhängern und 


i ‚snern des Okkultismus zur Verfügung stellen, 


i Se meinen oben gegebenen Darlegungen. Kol- 
i = Bresler, der zufolge seiner Beherrschung 
i eoo und seiner bekannten kritischen Stel- 
y wie wenige berufen wäre, seine Mitarbeiter 
i, turteilslos zu wählen, ging in verständnisvoller 
Ẹ “eise auf diese Anregung ein. 
I onoo aber machte der Verlag M ar - 
i hat exkannt, daß er ein „Archiv für wissen- 
= ichen Okkultismus” hersuispeben werde. 
Auf die Aufforderung, an diesem Archiv mitzu- 
Mi > ne ich, daß ich hierzu grundsätz- 
l ; Titel Po ereit wäre. Ich müßte abert gegen den 
fo Ei, eitschrift ernste Bedenken äußern. Die- 
1: me vorweg, was durch die Untersuchungen 


E D Z 
£ uki u beweisen’ wäre: Nämlich, daß es einen Ok- 
Smus gäbe. | 


| 7 abe 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


tisten und Moll, 


„Medien”: 


unserer ersten Psychiater. „eine Epidemie” 


‚glauben, 


229 


Ich verneinte diese Frage so lange, bis zahl- 
reiche einwandfreie Feststellungen vorlägen. 

Wie Kant von Swedenborg — bekam 
auch ich von den Herausgebern des Archivs bisher 
keine Antwort. Ich habe allerdings erst vor zwei 
Monaten mein Schreiben abgesandt. 

Die Auseinandersetzungen zwischen den Okkul- 
sowie Kolb sind den Lesern 
dieser Zeitschrift und der Münch. med. Wochen- 
schrift bekannt. Sie lassen befürchten, daß es zu 
einer der Wissenschaft und reinen Erkenntnis die- 
nenden gemeinsamen Arbeit nicht kommen wird. 
Trotzdem wird der Okkultismus siegen oder durch 
die Wissenschaft überwunden werden — soweit 
die selbständig denkende Menschheit in Betracht 
kommt, welche immer und. zu allen Zeiten die 
Minorität darstellte. 

Wie in der Geschichte und Politik bleibt letzten 
Endes bestehen nur die — Wahrheit. (Siehe die 
„Bestialität” der Deutschen und ihre „alleinige” 
Kriegsschuld.) 

Aber, auch ‘die Wahrheit muß er geschoben” 
werden. Das heißt: Klagen über die Schlechtig- 
keit, Dummheit, seelische Krankheit der Umwelt 
bringen uns keinen Schritt weiter. Vielmehr: Zähe 
Arbeit, Aufklärung, Unterrichtung und Unterricht. 
Und vor allem: ‚Ausschaltung der Affekte, Ach- 


tung des wisserischaftlichen und auch des —un- 


wissenschaftlichen Gegners, dem wir den guten 
Glauben solange zubilligen müssen, bis das Gegen- 
teil bewiesen ist. 

Ich möchte — ohne. irgendwelche innere Be- 
ziehungen oder Vergleiche annehmen oder ziehen 
zu wollen — an die Freudsche Lehre erinnern.- 
Wer diese und die Gegenströmung verfolgte, kennt 
meine zum Teil ablehnende Haltung. | 

Die F reu dsche Bewegung wurde von’ einem, 
unter 
den Ärzten genannt. 

Alle Gegnerschaft auf der einen Seite, alles Tot- 
an auf der anderen hat nicht vermocht, 
diese Epidemie einzudämmen. Die Jahre aber, die 
weitere Forschung haben Freud wie seine Gegner 
weitgehend belehrt. Beide Lager haben manches 
aufgegeben, woran sie zuerst mit unbelehrbarer 
Zähigkeit hingen. Die ruhigere Betrachtungsweise 
hat der Wissenschaft an sich genützt. 

` Bezweifeln wir, die wir an Okkultismus nicht 
seine behaupteten Erscheinungen. Das 
ist: nicht nur unser Recht, sondern unsere wissen- 
schaftliche Pflicht. i 

Aber versuchen wir nicht, denen die daran glau- 
ben, den Mund oder die Feder zu — verbieten. 

Sondern treten wir auf den Kampfplatz, grüßen 


nen Aufsatzes zu übersenden. 


© zuarbeiten. 
Bekannter v. $S C h re Sick Not zings, 


3 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT Ne 


wir den Gegner — und denken wir daran, daß Ideen 
nicht mit dem Schwert erschlagen oder durch Ge- 
setze begraben, sondern nur wieder durch Ideen 
bekämpft werden können. 

In einer größeren: Arbeit, mit welcher ich mich 
beschäftige, hoffe ich, diese Fragen der Allgemein- 
heit klarzulegen. | 

Aus dieser Arbeit möchte ich einen Satz wie- 
dergeben: 


Ich werde öfientlicherklären, von- 


dem Bestehen: okkultistischer E-r- 


Zur Streitfrage der „okkultistischen Forschung“. 
Von Prim. Dr. Edmund Holub, Wien, „Am Steinhof”. 


He: Oberarzt Dr. Paul Sünner hatte die 
Freundlichkeit, mir einen Sonderabdruck 
seines unter obigem Titel in der Bresler schen 
Wochenschrift vom 10. September- d. J. erschiene- 
Im Nachworte. er- 
wähnt er die Bildung von „Gesellschaften zur Er- 
forschung der okkulten Probleme in verschiedenen 
Städten, u. a. in Wien”. | 
Tatsächlich hat sich. hier eine Reihe engerer 
Kollegen unter Führung des Herrn Dr. med. 
Gustav Harter in der Absicht zusammen- 
gefunden, an der jaus der wegen Frage mit- 


tigt sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit dem 
Studium ‚metapsychischer Probleme und ist wie 
kaum ein zweiter durch seine Literaturkenntnis 


. und seine praktischen Erfahrungen zur Führerrolle 
- berufen. 


Ich selbst verdanke seiner Anregung 
picht nur den Anstoß zur Beschäftigung auf diesem 


. Forschungsgebiete, sondern auch die Teilnahme an 


mehreren erfolgreichen Sitzungen mit einem vor- 
züglichen Medium. 
Von Kindheit an in Skeptizismus und „Unglau- 


ben’ groß gezogen, schenkte ich bis vor Kurzem 
= dem Okkultismus weder Beachtung noch Aner- 
` -~ kennung, und war gewohnt, alle diesbezüglichen 
= Behauptungen: kühl lächelnd abzutun. 
En "war ich anderseits nicht so hochmütig und viel zu 
vorurteilsfrei, nach Kenntnisnahme der ernst-wis- 


Allerdings 


senschaftlichen. Literatur dies alles für baren Un- 
sinn zu erklären: es wäre mir inkonsequent und 


unangebracht erschienen, ‚die - wissenschaftlichen. 


Arbeiten von Männern, welche ich sonst zu den 
Leuchten ihres Standes zu zählen gewohnt war, 


jetzt plötzlich als den Ausfluß von Leichtgläubig- 


keit und das Produkt von „Dummköpfen, Narren 


oder Betrügern” zu halten, nur weil sie auf Grund 


“zu mimen und ich würde-es für unlogisch gehalt 


-ein persönlicher 
beschäf-. 


der und urteilsfähiger Beobachter jedesmal geralt k 


zen, kommt mir —ich gestehe es — 


Medium halten mußte — und es geschah nich 


scheinungenüberzeugtzu sein, ven 
mir = solehe ern einziges eMas 
Grund einer. vO nA NET zero 
Versuchsanordnung nachgewiesg 
wurden. LES ist: Sache-der O k kulii D 


sten, dreser Aufforderung n a chai y 
kommen. Nichtunsere, zubeweiseii 
daß es okkultistis Che Fähigkeit y 


oder Erscheinungen pieri 
Prof. Dr. Friedlände 


‚ Freiburg i. Br 


A, 
I, 


nz 
eingehender Studien und Beobachtungen N: 
enthielten, die mir bisher fremd waren und mife 
nicht „in den Kram paßten”. Ich hätte mich p f | 
scheut, aus Eigensinn und Erziehungsdünkel amp i 
nehmen, meine Unkenntnis sei weiser und gi 
wichtiger als das Zeugnis ‚anerkannter Gelehrte 3 
Ganz und gar unzulässig wäre es mir. ferner tg A 
schienen, photographischen und anderen registrit d 
ten Beweisen gegenüber den absoluten Negieti a 


haben, gläubig alle anderen wissenschaftlichen Rap 
sultate hinzunehmen und nur da von Schwind 3 
oder Betrogenwerden zu sprechen, wo meine I bi 4 
herige Erfahrung ins Wanken geraten mußte. | 
verursachte mir daher kein so besonderes Erst R 
nen, als ich dann die beschriebenen Erscheinung h 
mit eigenen Sinnen wahrnehmen und beobacht# E 
durfte. F 

Wenn allzu Skeptische darüber lächeln, mög pA 
sie es tun. Die Halluzinationshypothese lasst id R 
richt gelten. Daß eine größere Zahl stets gesik ® 


dann Sinnestäuschungen unterliegen sollten, wag 
sie in einem okkultistischen Zirkel beisammen st 3 
noch absonde E 
licher vor: als die strittigen Phänomene. Wenna abe K 

gesagt wird, der Wunsch, etwas zu sehen, und M i 1 
gespannte Erwartung allein seien imstande, all ie f; 
Sinnestrug zu erzeugen, so muß ich für mejne Per 3 
son diese Zumutung-ablehnen: ich bin einem vor 3 
suchsobiekte wiederholt gegenübergesessen. "FT 
ich aus verschiedenen Gründen für ein vorai E i | 


rein: gar nichts! Warum sah ich einmal all 
was auch die anderen wahrnahmen, und hior t 
gespanntester Erwartung und Überzeugung nicit 

Doch wozu das vielerlei Pro‘ und Contra IF 
wiederkauen? Die Sache liegt einfach s0: ein + 


i lich Zahl findet die Ein metaphysischer 
Vorgänge für wahrscheinlich oder gar für bewiesen: 

ndere leugnen a priori oder mäkeln um jeden 
if Preis. Man lasse sie und arbeite unterdessen- ruhig 
“i e 

IE Eine Partei ist selbstverständlich im Irrtume. 
Weiche, darüber zerbreche man sich vorläufig nicht 
3 den Kopi. Die Wahrheit wird sich früher oder spä- 
irherausstellen. Was‘ so viele gescheite Köpfe un- 
fersucht und auf Grund ihrer Beobachtung bezeugt 
Puben, bedarf schließlich nicht der Bestätigung von 
Tier Seite, die „selbst den besten Freund so lange 
Für den größten Betrüger hält, -so lange sie sich 
i ticht selbst durch Erfüllung ihrer Vorschriften 
$ durch Augenschein überzeugt hat”. So viel geht 
g och aus allem hervor, 
it einer objektiven Stellungnahme nicht fähig ist. Wo 
g besteht überhaupt die Nötigung, seine eigene Mei- 
tung von der Zustimmung solcher Justamentver- 
d iiner abhängig zu machen? 

: Warum sollen die einen um Überprüfurie ihrer 
5 Anschauungen und um gefällige Nachsicht bei jenen 
{ý betteln, welche offen ihre Abneigung zeigen,- vor- 


Er 
= 
en er, 


en S iin cá 
j2 E R Ar F oriai 


5 — Beziehungen zwischen kindlichem und jugend- 
a lichem Selbstmord und geistigen Anomalien. Von Med.- 
E Rat Dr. Kellner, Hubertusburg. eo f. d. Be- 
f ine Schwachsinniger Jahrg. 39 Nr. 
a Kellner weist auf die aan und im Ein- 
= aliall oft nicht näher zu erforschenden Gründe hin, die 
u den Jugendlichen zum Selbstmord treiben; die häufis- 
= werden klär und zusammeniassend besprochen und 
3 Wird der Überzeugung Ausdruck verliehen, daß „die 


t = lege hinaufreichenden Dramas” sind. 

| Kürbitz, Sonnenstein. 

! Kinn x Beurteilung schizophrener Erkrankungen auf 
m: r Kriegserfahrungen. 


D In 
K 
An 


Verf. kommt zu dem Ergebnis, daß sich bei Kriegs- 
f = Krankheitsbilder gefunden haben. Selbst wenn 
lie 

koi sensatz zum Frieden doch meist ein günstiger Ver- 
— Ce ua sogar völlige klinische Wiederherstel- 
A I | 
o ticle e engen ‚Beziehungen zwischen psychoge- 
3 aktion und schizophirener Veranlagung glaubt Verf., 


i 
r w Schizophrenie von äußeren Anlässen nicht unbe- 
en Seis: 


Fr 
age der Dienstbeschädigung - zu bejahen. 
| |  Kürbitz, Sonnenstein. 


: = __ _PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


daß diese Art von Gegnern, 


a ‚sten hierbei. in Frage kommenden’ psychischen Störun- ` 


1 Neisten Selbstmorde nur als die letzte Szene eines bis 


li Von Erick Fried- 
I Ander. Ztschr. f. d: ges. Neurol. u. Psychiatrie Bd. 48. 


ln 
ehmern' oft neben psychogenen Zügen auch schizo- 


u diese. 
n e letzteren überwogen hatten, so fand sieh — im 


‚dementsprechend sei auch in vielen Fällen 


231 


urteilsfrei zu entscheiden und Bedingungen vor- 
schlagen, die zu stellen sie doch schon ihre psycho- 
logische Einsicht hindern sollte? 

Wollen sie, die nichts gesehen haben oder ihre 


Zeit nicht auf die Lektüre der Fachliteratur „ver- 


geuden” mögen, sich belehren, -dann mögen sie 
dorthin gehen, wo sich ihnen Gelegenheit dazu bie- 
tet. Wenn nicht — dann, meine ich, haben sie kein 
Recht, sich als Forum aufzutun und von oben herab 
zu urteilen. 

BS:.1St Ver winderliche wenn Herr  Geheimrat 
Moll jetzt in denselben Fehler verfällt, den er 
seinerzeit bei anderen gerügt hat, als er für den 
Hypnotismus eintrat. Hat er wirklich vergessen, 
was er diesbezüglich in seinem verdienstvollen 
Werke „Der Hypnotismus” schrieb? Es scheint 
so! Wir aber, die die. wissenschaftliche Erfor- 
schung okkulter Erscheinungen für eine ernstliche 
Aufgabe erachten, haben keinen Grund, uns seiner 


> Kontrolle und seinem Richterspruche zu unterwer- 


fen und uns und unsere Medien einer Behandlunge 
und Ausdrucksweise auszusetzen, die im allgemei- 
nen nicht üblich ist. 


Referate. De A 


— Militärischer Ungehorsam aus religiöser Über- 
zeugung. Von Hoppe. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u 
Psychiatrie Bd. 45. 


An der Hand von zwei einschlägigen Beobachtungen 
(der -eine Fall war ein Geisteskranker, "der andere ein 


Psychopath) bespricht Verfasser in seiner klaren und 


logischen Art dieses Thema. Wer aus religiösen Grün- 
den- den ‚Kriegsdienst versagt, ist nicht nur abnorm 
(Gau-pp), sondern schon pathologisch; mit Recht be- 


tont aber H., daß damit noch nicht ohne weiteres die aE 


Bedingungen für § 51 StGB. gegeben séien; auch müsse 
sich - der- Gutachter. vor falscher- Sentimentalität hüten 
und dürfe sein Gutachten, ohne Rücksicht auf die Fol- 
gen, nur nach seiner wissenschaftlichen Überzeugung 
abgeben. | Kürbitz, Sonnenstein. 


— Moderne experimentelle Sexualiorschung, beson- 
ders die letzen Versuche Steinachs (,„Veriüngung”). Von 
Dr. Knud Sand, Kopenhagen. Sonderdruck aus der 
Zeitschrift für Sexualwissenschaft. 23:S. Bonn 1920, 


. Verlag A. Markus & E. Webers. 


Sand gibt einen Überblick über die moderne 
Sexualfiorschung der. letzten 20 Jahre; er bespricht kurz 
die Eingriffe in das Vas deferens, die Transplantations- 
versuche, die Geschlechtstransformierungen, -den €x- 
perimentellen Kryptorchismus, um dann‘ auf die be- 
kannten Steinachschen Versuche (,„Pubertätsdrüse’’) er 
zugehen, die er aber. offenbar zu optimistisch beurteilt. 

..Kürbitz, Sonnenstein. 


232 


— Über neuere druckentlastende Operationen des 
Gehirns nebst Bemerkungen über Ventrikelerkrankungen 
desselben. Von Anton. Ergebnisse der inneren Medi- 
zin und Kinderheilkunde Bd. 19. 30 S. 

Anton gibt zunächst einen ausführlichen allgemei- 
hen Überblick über Entwicklung des. Schädels, Hirn- 
ödem, Aypophysenerkrankung u. a., dann bespricht er 
den Balkenstich, den Subokzipitalstich, die Trepanation 
der Optikusscheide bei  drohender Erblindung durch 
Stauung, die Gehirnpunktion und schließlich die Ven- 
trikeldränage bei Hydrozephalus mittels einer Kalbs- 
arterie (Payr). | 

Diese Arbeit Antons ist eine ausführliche, kriti- 
sche Zusammenstellung aller Fragen, die bei einer 
Drucksteigerung und operativen Druckentlastung des 
Gehirns in Betracht kommen, und eine schnelle und 
sichere Orientierung ist dadurch ermöglicht; zu begrü- 
Ben ist das ausführliche Literaturverzeichnis, das jedem 
einzelnen Hauptstück beigegeben ist. 

Kürbitz, Sonnenstein. 


Buchbesprechungen. 


— Deutscher Universitäts-Kalender. Gegründet von 
Oberbibliothekar Prof. Dr. F. Ascherson. Heraus- 
gegeben mit amtlicher Unterstützung. 95. Ausgabe. 
Winter-Semester 1921-22. Die Universitäten im Deut- 
schen Reiche. 408 und 28 S. Leipzig 1921, Joh. Ambr. 
Barth. 

Enthält die Vorlesungsyerzeichnisse aller Universi- 


‘ täten mit den Namen der betreffenden Professoren, eine 


Übersicht der Verbände studentischer Vertine, Personal- 
veränderungen an den Universitäten. des Deutschen 
Reichs im Winter-Semester 1920-21 und Sommer-Se- 
mester 1921, die Mabilitationen im gleichen Zeitraum, die 
Zahl der Studierenden, Todesfälle, akademische Presse 
und ein Namensverzeichnis. 

Ein -unentbehrlicher Führer für 


jeden, dem ein 


‘ lebendiger Zusammenhang mit der Universität wertvoll 


geblieben ist, und er ist es wohl ausnahmslos bei uns 


allen. B. 
.— Mosse, Professor Dr. M., Berlin: Pathologie 
und Therapie des hämolytischen Ikterus. 50 S. Halle 


a. S. 1921, Carl Marhold Verlagsbuchhandlung. 

Eine anschauliche, erschöpfende Schilderung dieses 
interessanten Krankheitsbildes, das in vieler Beziehung 
- noch der weiteren Aufklärung bedarf und zeigt, daß auch 
außerhalb der. Psychiatrie in der Medizin noch vieles, 
sogar was handgreifliche Grundlagen zu haben scheint, 
noch dunkel ist. B. 

=Raatz, Wilhelm, Hauptlehrer an der Hilfs- 
schule IH in Charlottenburg: Dein- Sorgenkind. Sein 
Wesen und seine Rettung. -Volkstümliche Vorträge. 
48 S. Halle a. S., 1921, Carl Marholds Verlagsbuchhand- 
lung. Steif geh. Preis 400M. = 

Die Schulreformer sind eifrig bei der Arbeit, den 
Tüchtigen freie Bahn zu schaffen. Wo aber bleiben die 
„Untüchtigen”, die minderbegabten und krankhaft ver- 
anlagten Kinder? Wie sind sie zu behandeln, damit die 
Eltern nicht um ihre Zukunft verzweifeln und das Ver- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Lücke sucht das Schriftchen „Dein Sorgenkind” WE, 


© 


- fohlen. 


des Hilfsschulwissens dar; es schildert zunächst in ie 


Be i 
"7 ee 
E F 
-7 a K | 
r uk. j! >| 
: UE ~ 
~- - 
$ 


brecher- und Vagabundentum künftig Kommu a un | 
Staat nicht noch mehr belastet und die menschliche ( F 
sellschaft gefährdet? Zahlreiche Wissenschaftler ı u $ 
Heilpädagogen haben dieses Problem behandelt. Mif 
die jetzt sehr zeitgemäße und äußerst wichtige fng i = 
wie die Eltern solcher Sorgenkinder zur verständie 
vollen Mitarbeit am heilpädagogischen Werk der Er | 
hung gewonnen werden können, wie überhaupt Bi 
lernen können, pathologische Erscheinungen bei ihre ' 
Kindern zu beurteilen und zu behandeln, ist bisher nii: 
nicht in volkstümlicher Weise erörtert worden. Dis ; 


Hilfsschulrektor Raatz in Charlottenburg auszufill | 
Über die körperlichen, geistigen und seelischen Regil 3 
widrigkeiten als Grundlagen der Untüchtigkeit bei i i 
dern, gibt das Büchlein in überaus klarer; fessemdi } 
und überzeugender Weise Auskunft, verständlich MP, 
jeden Laien, anregend für jeden Schulmann und Vong 
freund, in gleicher Richtung aufzuklären.‘ So erschil 
es geeignet und berufen, ein ‘Volks- und Familienbif 
lein im besten Sinne des Wortes zu werden. Möce ; 
es Ärzte, Lehrer (insbesondere Hilfsschullehrer), Eri I 
her jeder Art, Behörden und Elternbeiräte sich angeleg : 
sein lassen, dem Schriftchen- Eingang in die deutsch i 
Familien zu verschaffen. Es verdient weiteste We 2 
breitung. 4 f, 
— Strauß, Prof. Dr. H., Berlin: Naclıkrankhel f 
der Ruhr. Halle a. S. 1921, Carl Marhold Verlagshi ' o 
handlung. Ladenpreis 7,00 M. $i 

Ruhr ist ein auch in manchen: Irrenanstalten A $ 
lich, wenn. auch nur in vereinzelten Fällen wiederkehfe f 
der recht schwieriger Gast. Darum hat die vorliegende wi F 
arbeitung der Nachkrankheiten für die Anstalten 1% j 1 
großes [Interesse und ist in der gegenwärtigen Jahresz i 
besonders willkommen. Die Umgrenzung des Ruhrbestig į 
ist bekanntlich unter dem Einfluß der neueren Forschutß £ 
wie man will, schärfer und weniger schari geworde a 
Wenn es also schon zur Feststellung der genaueret Dir 8 
gnose unerläßlich ist, alle gegebenen Hilfsmittel "F 
anzuzielien, wieviel mehr, um bei einem nach ruht 
ger Erkrankung auftretenden Leiden sagen ZU k oa Y 
daß es eine Ru hr nachkrankheit ist. Und letzterer É T 
es recht viele. Als Ratgeber dafür und für die Behan Eh 
lung sei die Schrift von Prof. Strauß als einer arel A 


kannten. Autorität auf diesem Gebiet Be A A 
a © 


—rrenzel; Franz, Leiter der städt. His n 
zu Stolp in Pom.: Die Hilfsschulpädagogik. nE 
Halle a. S., Carl Marhold Verlagsbuchhandlung. aml N 

Das vorliegende Buch stellt den 3. Teil des HandbiÜ 4 


sichtlicher Form kurz Aufgaben und Aufbau des i 
schulunterrichtes, um dann auf die einzelnen "i a 
richtsgegenstände mit ihren Lehrmitteln einzu d 8 
neben ist auch mit Recht Wert auf Werkunterriöl! w 
Gartenbau für die Schwachsinnigen gelegt. Den wE 
bildet die so notwendige Hilfsschulfürsors® ni = 
Schüler nach der Entlassung, Fürsorgeverein® rel w a 
Fürsorge, Fürsorge von Staat und Gemeinde, ' | | 


| 


A gesetze usw. Verf. hat das auch in diesem Teil sich ge- 
aP sellte Ziel voll und ganz erreicht und es wird dies Heft 
Afim Interessenten schnell alles Wissenswerte ver- 
FE mitteln. Kürbitz, Sonnenstein. 
f — Frenzel, Franz, Leiter der städt. Hiifsschule 
“ia Stolp i Pom.: Die Sprachpflege in der Hilfsschule. 
FiS. Halle a. S., Carl Marhold Verlagsbuchhandlung. 
PM. | 
"Verfasser, dem wir schon mehrere gute Bücher über 
Eas Hilisschulwissen verdanken, bespricht in diesem 
Piit Sprache, Sprachstörungen, die Behandlungsmetho- 
Fin und den Artikulations- und Schwerhörigenunter- 
„Ficht, F, versteht es, den schwierigen Stoff zu meistern 
"Fund dem Leser verständlich zu machen; 25 Abbildungen 
"sind beigegeben. | 

E Ref. will es scheinen, als ob der Hilfsschullehrer 
E och wohl nicht so tief gehende medizinische Kenntnisse 
Ap ä besitzen braucht, wie Verf. sie hier wiedergibt. 

m es | Kürbitz, Sonnenstein. 
WE - Frenzel, Franz: Wesen und Einrichtung der 
ap Alsschule. 126 S. Halle a..S., Carl Marhold Verlags- 
ag Suchhandlung. 5,50 .M. 

af Verf. ist Hauptlehrer und Leiter der städtischen 
ii Hilfsschule Stolpi. Pom. und gibt für die Zwecke der 
n Alfsschullehrerprüfung aus seiner Erfahrung heraus die 
A vorliegende Zusammenstellung. Diese enthält - alles 
a Wissenswerte über Wesen und Einrichtung der Hilfs- 
i schule in klarer, übersichtlicher Form; die Auswahl der 
2 Schüler, die Intelligenzprüfungen, zwangsweise Einschu- 
a ung, Schuldauer, Lehrbetrieb und viele andere Punkte 
m oid besprochen, auch die notwendige Tätigkeit eines 
N Dychiatrisch vorgebildeten Arztes wird betont. In 
aM Preußen ist die Fachprüfung für Hilfsschullehrer seit 
i bu obligatorisch und der Examinand findet in Fren- 
Pi els Buch schnelle und gute Auskunft; aber auch an- 
; deren, für das Hilisschulwesen interessierten Kreisen 
‚fd es manche Anregung und Aufklärung bringen. 

a | Kürbitz, Sonnenstein. 


Therapeutisches. 


N von 15 g Adalin. Von Dr. med. Paul Kirch- 
E. 8, Assistenzarzt der med, Klinik des Hospitals zum 
| 1 Geist, Frankfurt a. M. (Direktor: Prof. Dr. Treupel). 
F ch. med. Woch. 1918 Nr. 46. 

iE i dn der Literatur: sind bis jetzt nur wenige Fälle von 
g  lvergiftung näher beschrieben. In zwei Fällen wur- 


f E 45 & (Fromm, D. m. W. 1911, und Fischer, Alle. 


Eh eh und Fischer, Allg. m. Ztg. 1912) Adalin, 
F weiteren e 13 g (Dierling, M. KI. 1914), in einem 
Ik Hir T sogar „etwa 17 bis 18 g Adalinpulver” 
Men. en Ther. d. Gegenw. 1915) eingenom- 
tet len, liche Nachwirkungen wurden nicht beobach- 
starke en wird die lange Schlafdauer und das 
Wachen K er und Mattigkeitsgefühl nach dem Er- 
F Wereiktune > atte Gelegenheit, folgenden Fall von Adalin- 
le Zu beobachten: Frl. E. B., 29 Jahre alt, wurde 


In. 
nt 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


-= schungen. 


if Über einen Fall von Adalinvergiitung nach Ein- 


ig. 1912), in zwei anderen Fällen je 9 g (v. Huber, 


233 


am 27. Februar 1918 um 5 Uhr’ nachmittags im bewußt- 
losen Zustande in das Hospital eingeliefert. Die Pupillen 
sind eng, reagieren prompt auf Licht. Die Reflexe sind 
auslösbar, kein Babinski. Temperatur 40 rektal, Atmung 
40 in der Min. Der Puls ist sehr frequent, 140 in der 
Min., kaum fühlbar. Keine Verätzungen des Mundes und 
der Wangenschleimhaut. Von seiten der übrigen Organe 
ergibt die Untersuchung keinen pathologischen Befund. 
Der Katheterurin ist frei von Eiweiß und Zucker. Das 
Sediment o. B. Die sofort vorgenommene Magenspülung 
ergibt leicht weißlich getrübte Spülilüssigkeit. Am 28. 
Februar morgens 8 Uhr gibt Pat. zum erstenmal auf 
Fragen Antwort und schläft wieder ein. Die Tempera- 
tur ist normal. Der Puls hat sich gebessert. Um 12 Uhr 
wacht Pat. wieder auf, klagt über allgemeine Mattig- 
keit, starkes Durstgefühl und Urindrang. Sie wird kathe- 
terisiert; trotz Einlaufes erfolgt kein Stuhlgang. 6 Uhr 
abends: Pat. erwacht, sie ist bei vollem Bewußtsein, er- _ 


' zählt, sie habe Selbstmord begehen wollen und zu die- 


sem Zweck drei Röhrchen Adalintabletten, insgesamt 
15 g Adalin, am 26. Februar abends 10 Uhr in einem 
Glas heißen Wassers zu sich genommen. Darauf sei sie: 
eingeschlafen und von den weiteren Vorgängen. fehle 
ihr die Erinnerung voliständig. Auf Befiragen antwortet 
sie, sie habe keine Schmerzen, fühle sich jedoch sehr 
müde und zerschlagen. Am ‚darauffolgenden Morgen 
muß Pat. nochmals katheterisiert werden, kann jedoch 
mittags von selbst Urin lassen; Stuhl nach hohem Darm- 


‚ einlauf und Rizinusöl. Pat. blieb bis zum 8. März in | 
Spitalbehandlung und wurde dann entlassen, da sie.sich == 


vollkommen wohl fühlte. Weder bei ihrer Entlassung 
noch bei späteren Untersuchungen fanden sich irgend- 
welche pathologische Besonderheiten. 


— Über die einzeitig kombinierte intravenöse Queck- 
silbersalvarsanbehandlung der Syphilis unter besonderer 
Berücksichtigung von  Novasurol - Silbersalvarsanmi- 
Von Prof. W. Schönfeld. Aus der Uni- 
vers.-Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten zu Greifs- 
wald. Münch. med. Wochenschr. Nr. 7 vom 18. Fe- 
bruar 1921. ' 

Linser hat die intravenöse Sublimatbehandlung der: < 
Syphilis aufgegriffen und als etwas Neues die gleich- 
zeitice intravenöse Anwendung einer Mischung “von 


Neosalvarsan bzw. Salvarsannatrium und einer 1 proz. 


Sublimatlösung in die Behandlung eingeführt, eine Art 
der Behandlung, die wir nach dem Vorschlag von Bruck 
wohl am besten „als einzeitige kombinierte Behandlung” 
bezeichnen. 

Bruck und Becher haben .dann bei einer weiteren 
Reihe von Fällen als neues Quecksilberpräparat statt 
des Sublimats das Novasurol (Fa. Bayer, Elberield) ver- 
wendet, besonders weil das Novasurol „neben lokaler 
guter Verträglichkeit die Einführung relativ hoher Hg-. 
Dosen ermöglicht”. | 

Wir haben zwei Hauptgruppen von Versuchen an- 
gestellt: in der ersten Gruppe gaben wir-in Verbindung 
mit einproz. Sublimatlösung a) das Neosalvarsan (NS.), 
b) das Silbersalvarsan (SS.); in der zweiten Gruppe 


caben wir in Verbindung mit Novasurol a) das Neosal- R 


dieses bei 


r 
4 "~ 3 r me detina der atty Pa 


234 


varsan (NS.), b) das Salvarsannatrium (Sn.), c) das 
Silbersalvarsan (SS.). 

Bisher wurden im ganzen nach diesen Methoden 154 
Fälle mit 1277 Einspritzungen behandelt. 

Über die chemische Zusammensetzung der Mischun- 
gen ist noch nichts Eindeutiges bekannt. 


Zusammenfassung: 


l. Die einzeitige intravenöse Hg-Salvarsanbehand- 
lung ist eine Bereicherung unserer bisherigen Metho- 
den der Syphilisbehandlung; sollte ihre Dauerwirkung 
eine- zufriedenstellende sein, so ist sie auch als Fort- 
schritt zu. betrachten. 

2. Die Art der Behandlung ist bequem für den Patien- 


.ten, völlig schmerzlos und wird gut vertragen; sie er- 


fordert weniger Einspritzungen als die zweizeitig kom- 
binierte Hg-Salvarsanbehandlung der Syphilis. 
3. Von den verschiedenen Gemischen sind Salvarsan- 


Novasurolgemische den Salvarsan-Sublimatgemischen 
vorzuziehen. | | 
Von den . Salvarsanpräparaten empfehlen . wir 


zur: Kombinierung das Neosalvarsan und das Silber- 
salvarsan. Jenes besonders bei Frauen und Kindern, 
Männern und zu Abortivkuren bei beiden 
Geschlechtern. 

4. Beide Gemische lassen sich Auch intramuskulär 
geben. 

5. Die Wirkung der Silbersalvarsan-Novasurolge- 
mische auf die WaR. scheint besser zu sein, als die 
der Neosalvarsan-Novasurolgemische. 

6. Über Dauererfolge haben weitere Untersuchungen 


| Aufschluß zu geben. 


Personalnachrichten. 


— Provinz Brandenburg. In der Zeit seit 1. April 
bis 3. Dezember 1921 sind unter dem ärztlichen Per- 
sonal der‘ Brandenburgischen Provinzialanstalten fol- 
gende Veränderungen eingetreten: 


mn 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Dorteindanids 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


Verlag: 


i 
gnmsnnmnnnmannnnnm nanmanna nnana 


naesthesin- 


(Antivom) bei Brechreiz, nervöser. Dyspepsie, Vomitus 'gravidarum, 


Dr. Ritsert's 


Tabletten 


Chloroiormnarkose 


Salbe 
Suppositorien 


DR. RITSERT : 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


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a) Versetzt: Oberarzt Dr. Hoffmann von der M 
desirrenanstalt Teupitz an die Landesirrenanstalt Sora; 
Oberarzt Dr. Voß von letzterer Anstalt an die Idioten 
anstalt Lübben; Oberarzt Dr. Giese von der Pilegeat 
stalt Treuenbrietzen an die Landesanstalt Görden. 

b) Beurlaubt: Oberärzte Dr. Fehsenfeld von di 
Landesirrenstalt Neuruppin und Dr. Zimdars von de 
Idiotenanstalt Lübben zum Übertritt in den Staal 
dienst; Dr. Bäcker von der Landesanstalt Görden u 
Gründung einer Privatpraxis. 

c) Neueingestellt: Assistenzarzt Dr. Schmidt- Bau 
ler und Volontärarzt Dr. Kutter bei der Brandenbit 
gischen Hebammenulehranstalt und Frauenklinik Nei: 
kölln; Assistenzarzt Dr. Steudtner bei der Pilegeanstl i 
in Treuenbrietzen. e 

d) Amtsbezeichnungen: Dem Direktor der Landes 
irrenanstalt Eberswalde Sanitätsrat Dr. Zinn ist ii 
seiner Eigenschaft als ärztlicher Beirat des Landes 
direktors die Amitsbezeichnung „Landesmedizinaltal 
verliehen worden. Sein ständiger Vertreter, Direkti 
der Landesirrenanstalt Sanitätsrat Dr. Knörr in Ne 
ruppin, führt als solcher die Amtsbezeichnung „steli 
vertretender Landesmedizinalrat“. Die bisherigen A 
staltsärzte Dr. Erwin Hoffmann an der Brandenbik 
gischen Provinzialanstalt für Epileptische in Potsdali 
und Dr. Dorner an der Brandenburgischen Idiotenat 
stalt Lübben -führen nach der neuen Besoldungsol 
nung die Amtsbezeichnung „Oberarzt“. | 


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Dieser Nummer liegt ein Prospekt der Firma d 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. $ 4 
betr. Wasielewski, Telepathie und Hellsehen a 


bei, welchen wir der Beachtung unserer Leser empfehle 


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Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schritt 
leitung resp. den Verlag über redaktienelk| 
Fragen das Rückporto beizufügen. 


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N Dreiundzwanzigster Jahrgang. Nr. 39/40. 1921/22. 
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Psychiatrisch-Neurologische 
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| Wochenschrift. 

T Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 

i Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 


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Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


u Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
| birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
| Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
I (Rh), Geh. Med.-Rat Dr.‘ Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
„| Bartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin. Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 

1 Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze. Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
| Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 

? Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdori, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


'Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor .Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). _ 
hr. 39/40. | 31. Dezember 1921/22. 
Bezugspreis: | CR AAS 
| Zuschriften für die Schriftleitung 
| 1750 für das Vierteljahr AeIE Verlag und Ausgabe: sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
länd werden nach der vom Deut. ` Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
E Buchhandel vorgeschrie- Carl Marhold Verlagsbuchhandlung Bei Anfragen ist das Rückporto 
i benen Verkaufsordnung für das ¢ a beizufügen. 
|| Ausland berechnet. Zu beziehen Halle a. S., Mühlweg 26 Anzeigenpreis : 
durchjed. Buchhandlung, d. Post 1 mm Höhe und 55 mm Breite 
u unmittelbar vom Verlage. Er- Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale wird mit 70 Pf. berechnet. Bei 


Wp i sch £ Pl RETOR ö ä ird Nach- 
} | u welteres: vier- Postscheck: Leipzig 32070. größeren EN ach i 
f Inhalt: Über psychophysische Konstitutionstypen. ‘Von Dr. med. Walter Jaensch. (S. 235.) — Hirntumor 
~ Und Schwangerschaft. Von Dr. Jacobi. (S. 237.) — Die Sozialisierung der Heilberufe, speziell des 
TẸ ätztlichen Standes. Von Direktor Dr. Quaet-Faslem, Rasemühle. (S. 239.) — Über irrenärztliche Beobachtung 
f au lebenden Tieren. Von DDr. med., phil., iur. -et dent. W. Hammer. (S: 241.) — Zum Artikel von Arthur Ad- 
J ler; Paa Behandlung der Tabes und Paralyse. Von Dr. med. Walter Jacobi, Jena. (S. 241.) — Bäderbehandlung 
y in den Irrenanstalten. (S. 242.) — Mitteilungen. (S. 242.) — Referate. (S. 242.) — Buchbesprechungen. (S. 244.) 


ei | — Therapeutisches. (S. 245.) 


Über 'psychophysische | Konstitutionstypen. 


Von Dr. med. Walther Jaensch. 
Auszug aus einem Vortrag vom 7. Kongreß für experimentelle Psychologie. 


> 


E ba normale Eigenschaft eines bestimmten Jugend- 
q 1: mit - optischen Anschauungsbildern alters (vergl. hierzu Aschenheims „physiolo- 
| (Eidetiker) haben die. Fähigkeit, einen vorher gische Spasmophilie”). | 7 
a F itrachteten Gegenstand nach Wegnahme der | Die Anschauungsbilder des reinen T-Typus sind 
h Yorlage im buchstäblichen Sinne wiederzu- Starr und meist komplementär. gefärbt, die des 
Sehen, entweder nur unmittelbar nachher reinen B-Typus dagegen sind durch äußere und 
Oder selbst nach längerer Zwischenzeit, oft auch innere Einwirkungen leicht beeinflußbar, besonders 


í Montane Bilder zu erzeugen... durch Vorstellungen, und meist urbildmäßig ge- 
: Die eidetische Anlage, in der Jugend pis zur färbt. a 

i lbertätszeit äußerst verbreitet, später selten, ist Kalkdarreichung beeinflußt den Merkmalskom- 
a 2wei Konstitutionstypen geknüpft, die oft a plex des  T-Typus einschließlich des. optischen 


Vereinigt vorkommen (T-, B-, TB- Typus): Das Stigmas in verschieden starkem Maße — oft durch- 
 Tachweisbare Hauptmerkmal ies T-Typus ist eine greifend und dauernd —, läßt dagegen den Merk- 
M ierte Erregbarkeit der peripheren Nerven auf malkomplex des B-Typus vollständig unbeeinflußbt. 
| Alvanische und mechanische Reize, das Haupt- Zwischen B- und T-Typen, die in der -Breite 
f TS des B-Typus bildet der unter dem des Normalen liegen, und Formen, die sich mit 

/ stem? ‚> igmatisierung im vegetativen Nerven- bekannten. klinischen Zustandsbildern decken, 
y cii ekannte Merkmalskomplex. Beide Er- besteht ein gleitender Ubergang. So zZ. B. 
\ ingskomplexe sind in gewissen Grenzen eine läßt sich zeigen, dab : es auf pharmokologi- 


-= = Aufbau des 
k ur Aufbau der Wahrnehmungswelt 
im Jugendalter“ (1922 auch als Monographien erhältlich, 


236 


schem Wege gelingt, Anschauungsbilder bei er- 
haltener  Selbstkritik ‚in 
führen, während bei gleicher Dose der angewand- 
ten Droge (Anhalonium Lewinii) bei Nichteideti- 
kern nur Anschauungsbilder entstehen. Ferner 
zeigten sich bei Schwangeren in Marburg Anschau- 
ungsbilder in ähnlicher Stärke und Verbreitung wie 
bei Jugendlichen. Bei Schwangeren dominiert un- 
ter den Psychosen nach Siemerling das akute 
halluzinatorische Irresein. Die Fieberdelirien der 
Kinder dürften auch mit ihrer eidetischen Anlage 
in Beziehung stehen. Normalerweise. treten bei 
starken Anschauungsbildern Größenveränderungen 
der Sehdinge auf, ähnlich ienen Erscheinungen 
bei Epilepsie. Es handelt sich hierbei um 
Verschmelzuneen von  -Anschauungsbild und 
Wahrnehmungsobiekt. Es empfiehlt sich, die 
Träumerei mancher Kinder, die mitunter auf 
überstarken Anschauungsbildern basiert, durch 
‚therapeutische Auslöschung dieser Bilder wirk- 
samer zu bekämpfen als durch die bisher emp- 
fohlene rein psychische Behandlung. Das gleiche 
gilt für entsprechende Fälle, wo die Anschauungs- 
bilder irgendwie den: Vorstellungsverlauf oder die 
' Arbeit zu stören pflegen und unangenehme Be- 
gleiterscheinungen auch sonst auftreten, z. B. Pa- 


vor nocturnus, leichte Absenzen, Schwindelgefühl, 


o Nachtwandeln, Wadenkrämpfe. 
| Weder Schulmedizin noch Pädagogik wird an 


der Erscheinungswelt der Anschauungsbilder und 


ihrer physiologischen Grundlagen weiterhin acht- 
los vorübergehen können. 

Obige Untersuchungen beruhen in ihrem psy- 
chologischen Teil auf den in der Ztschr. f. Psycho- 
logie soeben erscheinenden Arbeiten des Marbur- 
ger Psychologischen Instituts (vgl. den Aufsatz von 
- R. Jaensch).‘) 


1) Vgl. die von E. R. Jaensch herausgegebenen 
Abhandlungsserien (Zeitschrift für Psychologie vom 84. 
Band ab [1920] und Zeitschrift. für Sinnesphysiologie): 
„Über die Vorstellungswelt der Jugendlichen und den 
intellektuellen Lebens.” — „Über den 
und ihre Struktur 


Verlag v. Barth, Leipzig). 
„Über neie 


Außerdem: E. R. Jaensch, 
Probleme der Gedächtnisforschung” 


in: Die Westmark. März 1921. — „Über subjek- 
tive Anschauungsbilder” ‚im Bericht über den VI. 
 Psychologenkongreß zu Marburg - (1921). Ferner 


eine die pädagogische ‚Seite behandelnde Monographie 


von O. Kroh. A 

OÖ. Kroh, Eidetiker unter. deutschen Dichtern. 
Zeitschrift für Psychologie 85. 1920. | 

Walther Jaensch, Zeitschr. f. d. ‚ges. Neurol. 
und Psychiat. - 59. 1920. — - Sitzungsber. d. Ges. zur 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Halluzinationen überzu- 


Individuen. innerhalb der normalen Breite 
‚oder. K-Typen) gefundenen Bildungen eine in d 


| Erscheinungen bei en (z. B. mans 


9) 
bericht der Ges. für Kinderheilk. Tagung R p Ei 
— Münch. med. Wochenschr. Nr. 35 1921. — AUBk 


[Nr. 3908 
II. 


Vortragender schildert weiter die Form dr 
Hautkapillaren am Nagelfalz von fünf Vollkretinn 
Er fand hier Bildungen, die er als Ranken f 
Knospungs- und Kümmer- oder Verkrüppelung: 
formen bezeichnet. | 

Bei der vergleichenden Untersuchung von Hili: 
schul- und Normalklassen in Marburg und Casi | 
zeigte sich, daß in der Hilisschule für Schwache] 
fähigte Formen überwiegen, die teilweise sdti 
stark an die bei Kretinen gefundenen Bildung 
erinnern, teilweise mit ihnen identich sind. In lex 
teren Fällen handelt es sich um auch äußerlich t- 
kennbare Formen von Hypothyreosen. Aber aiii 
in Fällen von schwacher Begabung und Denkt 
heit, in denen mit den bekannten klinischen Merk- 
malen eine Hypothyreose nicht erkennbar wa, 
lagen sölche Kapillarbildungen vor oder Form, 
die an die kretinischen Kapillaren erinnern. M 
einem Falle, der bisher behandelt wurde, trat dl 
deutliches Ansprechen auf Thyreoidin sowohl 
somatisch wie psychisch ein. Das Intelligenzalt 
des schwachbefähigten Hilfsschülers stieg (nad 
Binet-Simon bestimmt) binnen kurzem um etwa l] 
Jahresstufen, die ganze Persönlichkeit verändert 
sich zu ihrem Vorteil und langsam gingen dami 
somatische- Veränderungen parallel: es trat all 
Streckung der Kapillarformen ein. 

Bei der Untersuchung von Neugeborenen hatt 
Vortragender festgestellt, daß diese noch gar keit 
Papillarschlingen besitzen; es ist nur das Rete s 
papillare vorhanden. Hier sprossen nun im Wi 
laufe der ersten Lebenstage und Wochen die Fir . 
pillarschlingen hervor. Ebenso differenzieren SU 
anscheinend die Koriumpapillen erst allmählich. D 
Ranken des Rete subpapillare und die hervorsp® 
senden Papillarschlingen . besitzen verschieden 
Formen, deren Ähnlichkeit mit den bei Kretinen ul | 
Schwachsinnigen sowie Hilfsschulkindern um ap: 
geringerer Ausprägung auch sonst bei er 


Li ET u N ur a 


Augen springende ist. Die Rankenformen s 
nen dabei manchmal identisch mit den Geitden 6€ 
Rete subpapillare zu sein. 


Diese Erhaltung von Jugendiormen an 


| 
schiedenen Organsystemen paßt auch zu Fi | 


Beförd. d. ges. Naturwiss. z. Marburg 1920. — siame 


a 
eine demnächst erscheinende ausführliche Monogtitt 
über EVER Konstitutionsuntersuchung®! 


1921] 


| Verknöcherung, Lanugobehaarung, psychische Fä- 
| higkeiten). - i 
Auch an Schwachsinnigen der Anstalt Hephata 


Kapillarformen, wie geschildert, finden. Auch hier 
waren sie sowohl bei auf Hypothyreose Verdäch- 
tigen wie bei verschiedenen Schwachsinnigen ver- 
-| treten, die klinisch nicht das Bild einer solchen 
Störung boten. Der Hautwiderstand gegen den 
| galvanischen Strom kann in einzelnen Fällen aller 
| Art stark erhöht sein. 

- Vortragender schließt aus diesen Erscheinungen 
folgendes: 


| gan zu sein, das die Kapillarformen an der Haut 
| und vielleicht auch am Hirn beherrscht. Es scheint 
ferner eine Hypothyreose zu geben, die sich ledig- 
ich in einer Beeinflussung von Hirn und feinen 
Strukturen der Haut und deren Funktionen äußert. 

2. Die hypothyreotischen Kapillarformen finden 
Sich bei Schwachsinnigen mit und ohne „klinische” 
Hypothyreose, bei Schwachbegabten in gleichen 
Fällen und in geringerer Ausprägung auch bei ge- 
nden Individuen, die dann manchmal nur ` denk- 
langsam sind (M- oder K-Typen). Auch die Ge- 
‚Schtsbildungen aller dieser Individuen zeigen eine 


ð Vielleicht gelingt dank der Kenntnis der Pa- 
Dillarschlingenentwicklung bei Neugeborenen be- 
sonders in auch sonst verdächtigen Fällen eine 
Frühdiagnose der Hypothyreosen.. (Bei einem sie- 
Denmonatigen Kinde, dessen beide Geschwister an 

Yxödem leiden, spät sprechen und gehen lernten, 
Sand das Kapillarsystem am Nagelfalz in dem Sta- 


f 


| F rau M. S., 26 Jahre alt, kam am 24. August 
| f 1920 bei uns mit folgender Vorgeschichte zur 

Aufnahme: 
i = belastet, Nie. ernstlich krank. Jetzt gravide 
E Sa Monat. Vor 14 Tagen zuerst Auftreten 
h rampfanfällen, nach Schilderung der Ange- 
i une epileptische Anfälle allgemeiner Natur mit 
en Einnässen, Bewußtlosiekeit. Pat. hat 
| zwe; x en Anfällen mehrfach verletzt. Im ganzen 
nen 7 < Anfälle aufgetreten. Vor zwei Tagen 
=~ Arampfanfälle, ließ ein glühendes Bügel- 


eisen / | | i E = | 
| Hin on und verletzte sich damit an den 


a e—a 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


I hei Treysa konnte Vortr. die gleichen und ähnliche, 


l. Die Schilddrüse scheint vorwiegend das Or- 


besondere Prägung in den verschiedensten Stufen. 


237 


dium eines siebentägigen normalen Säuglines.) In 
solchen Fällen dürfte die therapeutische Beeinflus- 
sung besonders aussichtsreich. sein. 

4. Die bisher nicht vorhandene Möglichkeit, kli- 
nisch im gewöhnlichen Sinne nicht charakterisierte 
Hypothyreosen ganz frühzeitig und auch später zu ° 
erkennen, wenn sie sich vorwiegend nur am Zentral- 
nervensystem äußern, führte wahrscheinlich zur 
Diskreditierung der Thyreoidinbehandlung, die ein- 
fach verallgemeinert wurde und vor allen Dingen 
auch viel zu spät zur Anwendung gelangte. 


5. Vielleicht läßt sich mit Hilfe des M-Typus 
auch der eine oder andere Fall von torpider Neur- 
asthenie erklären, wie ja auch der T- und B-Typus 
möglicherweise zu. Abgrenzungen in dem großen 
Krankheitsberriff der. Neurasthenie und anderen 
neurologisch-psychiatrischen Krankheitsbildern zu 


. führen scheint. 


Auch die Diagnose der thyreogenen Fettsucht 
könnte unter Umständen mit der angegebenen Me- 
thode sich in einzelnen Fällen durchführen lassen. 

6. Sollten sich ähnliche Kapillarfiormen auch vei 
Individuen finden, die nicht nur klinisch keine 
Krankheitszeichen tragen, sondern vielleicht sogar 
im Äußeren von den Auswirkungen einer anderen 
Drüse beherrscht werden, so spricht dies wegen des 
inneren Zusammenhangs der endokrinen Drüsen 
keineswegs gegen die Annahme einer im wesent- 
lichen thyreogenen Natur der geschilderten Papil- 


- larschlingen. Die Möglichkeit muß offen gelassen 
. werden, daß ähnliche Formen auch durch allge- 


meine Keimschädigung oder andere Einflüsse ent- 
stehen. Ä 


Hirntumor und Schwangerschaft. 
| Ein kasuistischer Beitrag. 
Von Dr. Jacobi, Oberarzt an der Provinzialheilanstalt Münster i. W. 


Bei der Aufnahme war Pat. ruhig, leicht be- 
nommen, faßte etwas schwer auf, reagierte auf 
Fragen nur wenig, sprach spontan fast gar nicht. 

Am 25. August morgens „Anfall” von einer Mi- 
nute Dauer, tonisch-klonische Zuckungen in der 
rechten Gesichtshälfte und den rechten Extremitä- 
ten, Drehung des Kopfes nach rechts, starke Zya- 
nose, lichtstarre Pupillen, Zungenbiß, rechts deut- 
licher Babinski. Während des`Anfalles näßt Pa- 
tientin ein. Die Zuckungen im Gesicht begannen 
etwas eher als die in den Extremitäten, die linke . 
Seite blieb ganz ruhig und zeigte keinerlei Span- 
nungszustände. Be JE 


238 


Am 26. August war der. Befund folgender: 
Schädel frei von Narben, nicht druck- oder klopf- 
empfindlich, insbesondere nicht in der Gegend der 
Zentraleyri. Bewegungen des Schädels frei. 
Keine Pulsverlanssamung, kein Erbrechen, Pupil- 
len gleich weit, reagieren prompt auf Lichteinfall 
und Konvergenz. Augenbewegungen ebenfalls frei. 
Augenhintergrund ist ohne Abweichungen. Rech- 
ter Mundwinkel hängt eine Idee tiefer, Zunge 
weicht vielleicht etwas nach rechts ab,’ Gaumen- 
bösen gleichmäßig beweglich, Gaumenreflex +. 
Die motorische Kraft der Extremitäten ist beider- 
seits annähernd gleich, vielleicht rechts etwas ge- 
ringer als links. Hypertonie der Arm- und Bein- 
muskulatur rechts etwas mehr als links. Die Pe- 
riost- und Sehnenreflexe waren lebhaft, ebenfalls 
r. > l. Rechts Patellar- und Fußklonus. Links 
Andeutung von Fußklonus. Kein Babinski, kein 
Oppenheim, kein Strümpell. 
peratursinn nicht gestört. Kein Romberg. Innere 
Organe o. B. Uterus mannskopfgroß, ziemlich 
weich. Äußeres Genitale weinhefefarben und sehr 
blutreich. In den Brüsten reichlich Colostrum. 
An den Fingerspitzen beider Hände Verbrennun- 
sen ersten und zweiten Grades. Wassermann in 
Blut und Liquor negativ. Liquor klar, Druck 
200 mm. Nonne —, Pandy —. 


"00. “s Am 26. "August traten drei Anfälle auf. Die 
a Zahl der: Anfälle vermehrte sich sehr schnell. Am 
| 27. August wurden insgesamt 40 gezählt.. Dabei 


fiel auch immer eine tonische Starre der linken -> 


Seite auf, dagegen dort keine Zuckungen. Wäh- 
rend der Anfälle war Babinski rechts + +, links 
unsicher, jedenfalls zeigte aber die große Zehe 
‚Neigung zur Dorsalilexion. Fußklonus war- bei- 
derseits nachzuweisen. Eine Beeinflussung der 
Anfälle durch Narkotika gelang nicht. Patientin 
war meist ganz benommen, reagierte nicht auf 
=- Anruf, vereinzelt war sie zwischen den Anfällen 
klarer, befolgte einzelne Aufforderungen, sank 


dann aber gleich wieder in ihre Benommenheit zu- 
© — rück. Die Temperatur war erhöht. 


Das Allge- 
meinbefinden verschlechterte sich beständig. . Der 


s FRAI Puls war trotz Exzitantien flatternd. 


"Am 28. August trat eine ungeheure Häufung de 


| Anfälle auf, schätzungsweise in 24 Stunden etwa 


150. . Gegen. Mittag erfolgte spontan der Abort. 
Foetus und Eihäute wurden glatt ausgestoßen, 
keine Blutung von Bedeutung. Kurz (darauf trat 
bedrohliche Herzschwäche ‘ein, der am Morgen 
des nächsten Tages der Exitus letalis folgte. 

< Die Obduktion (es wurde nur Schädelsektion 
gestattet) ergab folgendes: Hirnwindungen überall 
etwas abgeplattet, an einzelnen Stellen leicht mit- 


'  PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


mittleren Drittel der unteren Windung eine ehr F | 


grenzt und mit ziemlich fester Kapsel umgeben f 


bilde. Zentralwindungen o. B: Die mikroskop 
sche Untersuchung des Tumorgewebes ergi 
außer normaler Hirnsubstanz ziemlich kernarms F 


Schmerz- und Tem- ` 


: Augenblick wurde an eine Affektion der Zenta 


‘das Fehlen jeglicher Lähmungserscheinungen, W 
awie das Fehlen. von Hirndruckerscheinungen. 4 


rem Falle lag so die Annahme am nächsten, 


sen. Es mußte aber davon mit: Rücksicht auf af 


lassen müssen. Diesélben fehlten aber i 


INr. 39/0 | 


einander verklebt. Im EN Temporallappen. i im 
kastaniengroße rundliche Geschwulst, die ziem $ 
lich scharf gegen die übrige Hirnsubstanz abge f 


ist und einen Teelöffel voll hellgelbliche klar 
Flüssigkeit enthält. In der Höhle befinden sich ein f 
zelne flottierende, weißliche, fadenähnliche Ge 


sehr faserreiches Gliagewebe. Es. handelt sich abf 
um ein zellarmes Gliom, das zystisch entartet war | 
Epikrise: ği: 

Bei einer bis dahin gesunden, im dritten Monti | 
graviden Frau treten plötzlich epileptiforme Atf 
fälle auf, die sich zunächst streng auf der rechten f 
Seite lokalisieren, dann aber auch die linke i 4 
Mitleidenschaft ziehen, indem auch auf dieser Set f 
Zeichen von Rindenreizung auftreten. Anzeichti‘ i 
von Lähmungserscheinungen oder sonstige Loka- 
symptome wurden nicht beobachtet. Im erste 


P 


£ 


windungen gedacht, wozu auch die ausgesi 
chene Einseitigkeit der Krampfanfälle leiten mubi 
allerdings mußte dann wieder skeptisch macha 


weiteren diagnostischen Erwägungen muhte der f 
Umstand Anlaß geben, daß: es sich um eine gravid 
Frau handelte und es schon seit längerer Zeit bt 
kannt ist, daß latente Symptome organischer Him-f 
erkrankungen während einer Schwangerschaft i nf 
Erscheinung treten können, ebenso wie ansche 
nend die Gravidität eine Disposition zu Bi 
nesen, Chorea, Eklampsie schaffen kann. In w% 


es sich um eine echte, genuine Epilepsie hand 
zu der vielleicht die Gravidität das auslösende Mef 
ment gegeben hatte. Im Eintritt des Status epil? F 
ticus hätte man also eine dringende indikat | 
zur Einleitung des künstlichen Abortes sehen mif 


überaus schlechten Allgemeinzustand Abstand $ 
nommen werden. Auch nach dem spontanel pi: f 
tritt des Abortes trat ein Sistieren der Krämp 
nicht ein. Erst sub finem vitae kamen die Brst | 
nungen zum Stillstand. # 
Der Obduktionsbefund mußte Schr Ba | 
Es war also doch ein Hirntumor dagewesen, 2° 7 
dings nicht in der Zentralregion. Sei Sitz iM 
linken Temporallappen nahe den Sprachzenttl 


hätte eigentlich aphasische Erscheinungen trat, 
n u | 


f r 


yg 921] 
i 3 Falle vollkommen. Daß das Gliom aber doch eine 
a yewisse Raumbeengung im, Schädel herbeigeführt 
mb hatte, ist aus der Abplattung der Gyri zweifellos 
æ f festzustellen. 


aF Bestand nun ein Zusammenhang zwischen dem 


nf Auftreten der epileptischen Anfälle und dem Tu- 
E mor? Offenbar bestand der Tumor schon längere 
j- F Zeit, denn die zystische Entartung ist als hervor- 
MP gerufen durch Blutungen in den Tumor anzuse- 
W hen, wobei dann nur in der Peripherie sich noch 
ST ein Mantel von ‘Geschwulstgewebe fand. Die 
v ortschreitende Schwangerschaft gab jedenfalls. in 
IF inserem Falle dem Hirn eine Disposition, auf Reize 
Ri it Krampfanfällen zu reagieren. Somit würde die 
it | mgezwungenste Erklärung des Zusammenhanges 
1f desein, daß das bei der graviden Frau leicht emp- 
UF fängliche Gehirn auf den Reiz der Neubildung, dem 


MẸ es schon längere Zeit unterlag, eben infolge der 


WẸ Gravidität abnorm leicht reagierte. Es ist ia 
MẸ schon z. B. durch Zuntz und Blumreich'\ 
i f iestgestellt, daß die motorischen Zentren trächti- 
UF ger Tiere eine erhöhte Reizbarkeit für Kreatin 
a- zeigten. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT _ 


239 


keit des Gehirns während der Gravidität steht 
noch vollkommen aus. Nolen’), der bei einer 
Frau mit den jeweiligen Graviditäten kongruente 
zerebrale Erscheinungen beobachtete, die in Stau- 
ungspapille, Benommenheit und Hemiparese be- 
standen, neigt der Ansicht zu, daß derartige Er- 
scheinungen in einer durch die Schwangerschaft 
gesteigerten oder modifizierten Funktion der Hy- 
pophyse zu suchen sei. Eine wie wichtige Rolle 
aber auch Störungen der Drüsen mit innerer Se- 
kretion bei derartigen, der Deutung die größten 
Schwierigkeiten bietenden Krankheitsbildern in 
der Schwangerschaft zukommen mag, so zeigt doch 
ein von Westphal?) beobachteter Fall, in dem 
der eigenartige Verlauf der Krankheitserscheinun- 
gen das Bestehen ähnlicher Verhältnisse wie’ in 
dem Falle Nolen hätte nahelegen können, wäh- 
rend der operative. Eingriff eine Herderkrankung 
aufdeckte, daß bei der Annahme glandulärer Dys- 
funktion bei zerebralen Symptomenkomplexen der 
Schwangeren große Vorsicht am Platze ist. 
Wegen der Seltenheit derartiger Beobachtun- 
gen bei graviden Frauen rechtfertigt sich die Ver- 


0 i E Si öffentlichung de: 

| Eine Erklärung für diese gesteigerte Erregbar- ° m er 

Wi | ans ag nn I e 

ln ?) Archiv f. Psych. 38, 1904. ER 
i Arch. f. Gynäkol. Bd. 65. 3) Deutsche med. Wochenschr.: 1917. | e LTE 
ef ; EA a 

N Die Sozialisierung der Heilberufe, speziell des ärztlichen Standes. 

è | | 

E Von. Direktor Dr. Quaet-Faslem, Rasemühle. Mitglied des preuß. Landtags. 


i IG einer Zeit, wo zwar der Unverstand der brei- 
= ten Massen der arbeitenden Bevölkerung immer 
éf "ech kritiklos der Verwirklichung eines Schlag- 
t} Yorts und einer auf eine ganz andere Zeit zuge- 
| Schnittenen Forderung der Marx’schen Theorien 
bp md des Erfurter Programms zustrebt, wo aber 
ef (ntererseits die gewaltige Finanznot unseres ge- 
"RB En teten und in der Zwangsiacke des Versailler 
K E ‚Tiedensw ertrages und des Londoner Ultimatums 
E y zenden armen Volkes zu der Erwägung der 
a p "ickführung längst verstaatlichter Betriebe in 
ü in Vatwirtschaft oder doch in gemischten Be- 
hi He taucht wieder einmal die schon oft 
A  hfsstände rage der Sozialisierung gewisser Be- 
. PRR » Speziell des Arztestandes auf. 


Eo So zielen eine -ganze Reihe von Anträgen, die 


uf itens q 

iE a der Linksparteien bei der Beratung des 
ul cag T Wohlfahrtsministeriums im Hauptaus- 
1 ebra R es Preuß. Landtags und im Plenum ein- 


#1 icher t wurden, auf die 'Sozialisierung sämt- 
2 ‘rankenanstalten;, des gesamten Heilbe- 


i is, Speziell des Ärztestandes. 


-< Nicht allein die Finanznot, sondern auch son- 
stige vernünftige Erwägungen sollten dazu führen, 
von solchen Sozialisierungsplänen Abstand zu neh- 
men. KR ey a ee 
Jede Sozialisierung, mag sie in Entkapitalisie- 
rung, Überführung in. .den Staatsbetrieb oder Über- 
führung in .den genossenschaftlichen Betrieb be- 
stehen, beschränkt die persönliche Initiative und 
schaltet die volle Auswertung der Tüchtiekeit des 
tatkräftigen, geistig überragenden und weitblicken- 
den Menschen aus, widerspricht also dem in einem 
Verlegenheitsmoment von Bethmann-Hollweg ge- 
prägten und bisher in unserem demokratischen 


Staat leider lediglich als Schlagwort verwerteten 


Ausspruch: „Freie Bahn dem Tüchtigen”. 

Selbst dem fanatischen Anhänger Marxistischer 
Grundsätze sollte doch allmählich der geradezu 
katastrophale Verlauf der Ereignisse im bolsche- 
wistischen Rußland die Augen öffnen, wo die 
kückverwandlung in den Privatbetrieb als das 


Ende: eines skrupellosen Experiments mit eilenden 


Schritten erstrebt wird. 


240. 


Sozialisierungsexperimente können sich allen- 
falls reiche Staaten erlauben. Uns beweist die 
augenblickliche Lage unserer Eisenbahnen und 
Post, wie gefährlich diese Maßnahme wirken mub 
in Zeiten finanziellen Tiefstandes. Die nationalen 
Transportmittel aber werden doch allseits wohl in 
erster Linie als sozialisierungsfähig angesprochen 
werden müssen. | 

Die Beispiele, die wir täglich und stündlich vor 
Augen sehen, sollten uns davon abhalten, auf diesem 
Gebiet den Bogen zu überspannen und mit Einrich- 
tungen Experimente anstellen zu wollen, 
außerordentlich wichtigen Hebung unserer schwer 
darniederlieenden Volksgesundheit dienen. Hier 


sollten wir vielmehr nuf Wege beschreiten, die unter 


Benutzung aller Möglichkeiten auf sparsamste und 
dabei doch wirksamste Weise dem schweren Not- 
stand abzuhelfen geeignet erscheinen. 


Dazu gehört in allererster Linie auf dem Ge- 
biete der Krankenpflege und der Verhütung und 
Bekämpfung der unseren Volkskörper untergra- 
benden großen Seuchen, sowie der Eindämmung 
der unser Volk bedrohienden schweren sittlichen 
Gefahren die private Wohltätigkeit und die private 


Initiative auf allen hierher gehörenden Gebieten. 


Nicht auf dem Wege der Verallgemeinerung 
werden: wir hien irgendwelche "Erfolge erzielen 
" können, sondern indem wir alle zu Gebote stehen- 
den Einzelfaktoren restlos heranziehen. Dazu dür- 
ien wir nicht immer wieder durch Forderungen 
nach Sozialisierungsexperimenten die so außeror- 
dentlich wichtige private Wohltätiekeit vergrä- 
men, die bisher, was wohl allseitig anerkannt wer- 
den dürfte, hier großes und stellenweise geradezu 
vorbildliches geleistet hat. 


Die Notlage vieler Ärzte, die nicht in letzter 
Linie entstanden ist durch die gewaltige Erhöhung 
der Versicherungspflicht und weiter vergrößert 
werden dürfte durch den Ausbau einer Familien- 
Versicherung, muß anerkannt werden, darf aber 
nicht dazu führen, daß eine Anzahl Berufsgenossen 


ar den zwar begreitlichen, aber keineswegs zum Ziele 
-führenden Wunsch hat, diese Not durch Sozialisie- 


rung beheben zu wollen. 


Die’ ärztliche. Wissenschaft ist und muß, wenn 
weiter sie große Fortschritte erzielen soll, in erster 
Linie exakte Wissenschaft, daneben aber auch in 
hervorragendem Maße ärztliche Kunst sein, und 
darf erst in zweiter unge den Charakter des ‚Be: 
'werbes tragen. 


Der Ärztestand u ar allen Umständen. 


ireier Erwerbsstand bleiben, um durch volle Aus- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


kunssmöglichkeit des Einzelnen (darf nicht hf | 


die der 


beruhigt sein und brauchen ein derartig gefährl-f | 


[Nr. 3o 


wirkung der Tüchtigkeit des Einzelnen auf seine | 
bisherigen Höhe stehen zu bleiben und aussichtif 
voll weiter arbeiten zu können. | 


4 
3 
Die persönliche Initiative und die freie ch | 
schränkt werden,‘ weil Stagnation die unausbleh-F 
liche Folge sein würde. | I 

Aber allein die Finanznot, in der wir uns a | 
genblicklich befinden und die zu den schwerwef 
gendsten Entschlüssen auf dem Wege des Erwelsf 
lebens zwingt, Entschlüsse, die den bisherigif 
weitstrebenden Sozialisierungsbestriebungen in ef 
ler Hinsicht entgegenlaufen müssen, a i 
der Sozialisierung einzelner Berufsstände un | 
allen Umständen, wenigstens im Augenblick, $ F 
stand zu nehmen. | 


Die Sozialisierung der Heilberufe, speziel kf | 
Ärztestandes und der der öffentlichen Gesundheit 
pflege dienenden Privatanstalten würde Unsunf 
men erfordern und braucht daher gar nicht ewf 
gen zu werden. 


Die Ärzte aber können meiner Ansicht nach swig. 


ches Experiment an ihrem Berufsstand nicht 4 
befürchten, denn in erster Linie wird das Pui 
kum selbst dafür sorgen, daß ein derartiges Exp} 
riment nicht vorgenommen wird. Die Ärzte selb 
können in ihrer großen Mehrzahl kaum di 
Wunsch hegen, daß ihnen‘ die Eigenschaft eime 
Staatsbeamten verliehen wird, wodurch die (fe 
fahr der Proletarisierung für sie lediglich gest 
gert werden würde. $ 


Bei aller Hochachtung vor dem idealismi | 
weiter Kreise des Ärztestandes glaube ich dtf 
daß ein solcher Schritt ganz unwillkürlich zu eme 
erheblichen Nachlassen des Eifers in der Berl 
tätigkeit führen müßte, der jetzt durch den frei 
Wettbewerb und durch die immer schärfer WS 
dende Konkurrenz auf die Spitze getrieben wi 
den muß. 


Und letzten Endes würden die freien ze 
doch bleiben und sicherlich nicht wenige! Zuhlif 
haben, als heutzutage, denn wer würde ihnen ef 
bieten können, ihre Berufstätigkeit auszuüben -qf 
der Staat sicher nicht, der ja heute noch nicht ár, | 
mal in der Lage ist dem Kurpiuschet das Hat 
werk zu legen. 


| 
| 
| 
| 
| 
| 
3 
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A 
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j 
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2 
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Also mit den Anträgen auf Sozialisierülf n ef 
Heilberufe dürfte es noch lange Weile aoe al N 
auch schon hier und da verstohlen der | 
Peach wird, auf em Wege der Ges i 


m1021) 


; de ersten schüchternen Schritte auf dem neuen 
F Were zu gehen .. . . ich erinnere nur an das 
Freue Hebammengesetz. 


j ge allgemeine ärztliche und naturwissenschaft- 
I S liche Kenntnisse sind die Voraussetzung jeder 
ef füheren ärztlichen Berufsausübung. Der Zerfall 
ul & Heilkunde und Heilkunst in Teilgebiete schließt 
md große Gefahr in sich, daß aus dem Arzt und 
| Fiharzt, also dem Allgemeinarzt, der aus beson- 

' rer Veranlagung oder aus Zufälligkeiten heraus 
(behördliche Stellung oder Hilfsarztanstellung) sich 
Sonderkenntnisse aneignete, ein Teilarzt wird, 
f wie überhaupt die naturwissenschaftliche Vorbil- 
hi dung der Ärzte in den letzten Jahrzehnten recht 
f Stiefmütterlich geworden ist. Nur so erklärt es 
$ sich, daß anscheinend keine einzige Forschungs- 
a ‚stelle vorhanden ist, an der geisteskranke -Tiere 
gg sesammelt und fachärztlich behandelt und beob- 
ag achtet werden. Tierärzte, eingestellt auf die 
if rechtswissenschaftliche Bezeichnung des Tieres als 
wi Sache, raten zur Abschlachtung gemütsleidender 
I Pferde, Hunde, Rinder. Menschliche Irrenärzte 
dif halten zum Teil noch jetzt Rehe, Affen, Hirsche, 
i i Papageien, Kanarienvögel, Goldfische neben Pal- 
f men zur Belustigung Kranker, legen Tierzuchtan- 
gif ‘alten an, nicht jedoch um wissenschaftliche 
E Beobachtungen an fallsüchtigen, onanistisch ab- 
k a titen, hysterischen Tieren zielbewußt und 
di Auernd anzustellen. Zufälligkeitsbefunde lie- 
m| 7 Selbstverständlich zahlreich vor, nicht aber 
| ei bekannt) wissenschaftliche. Beobach- 
ki ae 7 von Insulten an Tieren mit Durch- 
EN eier n x Gebiets, und doch wäre hier ein 
ef a r eich für ernste Forscher. Zunächst 
$ erfahrun et ‚werden alle jene Umstände, die 
nö ni ee | seelische Abänderungen bei 
Ei Ri 5 ler bewirken: ZB Eınzetihalt 
p olge der Onanie- und Phantasiestörun- 


| 


y I un 20/30 dieser Zeitschrift wird von Herrn 
e liikaa, Adler, ausgehend von der guten pro- 
en schen Wirksamkeit der Merckschen Chi- 

| “ gegen Lues, der Vorschlag gemacht, die 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


241 


Es erscheint wünschenswert, daraufhin die 


kommende Gesetzgebung im Auge zu behalten. 


i 
wf 
itf Über irrenärztliche Beobachtung an lebenden Tieren. 


Fin Vorschlag von DDr. med,, phil., jur. et dent. W. Hammer, 
Facharzt für seelisch Kranke und Nervenleidende. 


gen, Gemeinsamkeitshaft mit den Folgen 
der gleichgeschlechtlichen Triebentartung, Ge- 
nußeiftsebrauch mit seinen Folgen für Herz 


und Nerven (Alkohol, Kaffee, Tee, Kakao, Mor- 


phium, Tabak, Haschisch, Guarana), weiter die 
Frage der Einschränkung der Enthaltungsstörun- 
sen durch mäßigen Gebrauch der Genußgifte, end- 
lich die körperliche Ansteckungsfrage: Ist es 
möglich, z. B. durch Blutabimpfungen von geistes- 
kranken (z. B. krankhaft heiteren, krankhaft be- 


weglichen) Tieren auf geistesgesunde Tiere An- 


steckungen zu erzeugen. Endlich könnten Miß- 
bildungs-, Vererbungsfragen, wie auch Fragen der 
Zergliederungskunde (Pathologikoanatomie) ihrer 
Lösung nähergebracht werden. Erreicht würden 
Sammlungen lebender geisteskranker Tiere durch 
Mitteilung ‘einer zu Forschungen bereiten An- 
stalt an alle reichsdeutschen Großschlachthöfe, 
lierarzthochschulen, Tiergärten und Aufkauf sol- 
cher Tiere. Solche Ausgaben könnten vielleicht 
nützlicher sein, als die Riesenanlagen für ver- 
senkte Mauern, Warmhäuser, Zierpflanzen und an- 
dern Prunk. Umgekehrt könnten auch zoologische 
Gärten irrenärztlich wichtige gemütskranke Tiere 
aufnehmen und Irrenäzten Gelegenheit zur Beob- 


achtung und Teilnahme an der Leichenöffnung und 


Mikroskopierung geben. Leidet unsere Armut 
nicht, die Forschung in Mitteleuropa wie angedeu- 
tet zu erweitern, so führen idie Höchstkultur- und 
aufsteigenden Erdteile den Plan vielleicht durch, 
während wir die billigeren Forschungen an niede- 
ren und kleineren Tieren bearbeiten können, über 
deren Seelenleben uns ebenso wie über das See- 
lenleben der Pflanzen nur recht wenig Anhalts- 
punkte bis jetzt gegeben sind. | 


i m Artikel von Arthur Adler: Zur Behandlung der Tabes und Paralyse. 
| Von Dr. med. Walter Jacobi, Jena (Psychiatr. Klinik, Direktor: Prof. Dr. Berger). 


Spätlues durch Chinin anzugehen. Zweifelsohne 


ist bei der therapeutisch so aussichtslosen Tabes 


und Paralyse jedes Mittel zur Verwendung bei 
Heilzwecken gerechtfertigt, das nur den Schimmer 


242 


von Hoffnung auf Erfolg erweckt. Zufällig hatte 
ich beim Erscheinen der Adlerschen Mitteilung 
die ältere Literatur über die Behandlung der 
Dementia paralytica durchgesehen. Es sind ja 
zahllose Mittel zu Heilzwecken der Paralyse an- 
gepriesen worden. Schöller empiahl das Braun- 
kohlenöl, Girard und Winslow das Strychnin, 
Calabarpräparate wurden von Savage, Thompson 
und Browne, Chlorgoldnatrium von Chrétien, 
Boubila, Hadies und Cossa empfohlen. Tartarus 
stibiatus, Arsen, Argentum nitricum, Veratrum 


Bäderbehandlung in den Irrenanstalten. 
(Siehe Nr. 33/34. 1921/22.) 


Provinzial- Heil- und Pilegeanstalt bei Neustadt 
in Holstein. 


Während des Krieges mußten die Dauerbäder 
überall. eingestellt werden. -~ Seit Anfang 1919 
wurde es möglich, zunächst auf der Pflegeabtei- 
lung der Frauenseite, wenigstens tagsüber wieder 
Dauerbäder einzurichten. Ihr Fortiall. war hier 
am schmerzhaftesten empfunden worden, da sie 
zur Verhütung bzw. Behandlung von Dekubitus 
und Hautinfektionen nicht zu entbehren sind. Auf 
der Pfilegeabteilung der Männerseite, wo sich ihre 
- Einrichtung erst wieder seit reichlich einem Jahre 
ermöglichen ließ, traten in der Zwischenzeit ge- 
rade Hautinfektionen ân außerordentlich reich- 
lichem Maße auf. Auf den Unruhigenabteilungen 
wurde der Fortfall der Dauerbäder zunächst nicht 
so sehr empfunden, da infolge schlechterer Er- 
nährung der Kranken und mangelhafiterer Behei- 
zung der Häuser während des Krieges und in der 


M i itteilungen. 


‘ — Die Verpilegssätze in den mittelfränkischen Heil- 
und Pilegeanstalten Ansbach und Erlangen wurden den 


©. Teuerungsverhältnissen entsprechend, mit Wirkung vom 
=~ l Januar 1922 an, wie folgt festgesetzt: 


=- I. Klasse: 1. Für Pileglinge aus Mittelfranken täg- 
lich 18 M, 2. für Pileglinge aus dem übrigen Bayern und 
' Deutschland täglich 33 M, 3. für Pfleglinge aus dem 


Auslande und für solche Kranke, die größeres Ver- 


mögen besitzen oder -erhöhte Anforderungen stellen 


oder größeren Aufwand verursachen, wird der tägliche 


Kostensatż von Fall‘ zu Fall festgesetzt. 

HI. Klasse: 1. Für Pieglingè aus Mittelfranken, für 
welche die. ‚Angehörigen oder deutsche ‚Armenverbände 
aufkommen müssen, dann für Selbstzahler. aus : Mittel- 
franken. täglich 13 M, 2. Gi . Pîleglinge, für welche 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


-höhung erfahren. 


[Nr. er 


besonders auch das Ergotin kamen zur Aura i 
dung. Mitte des 19. Jahrhunderts lenkte Cavi 
die Aufmerksamkeit auf das Chinin, das auf | 
enttäuschte. Wie ich Schmidts Jahrbücher er 
nehme, wurden seine Mitteilungen in der Gari í 
Sarda 1850 veröffentlicht. f 

Es ist vielleicht von Interesse, zu erfahrt 
daß schon früher ähnliche therapeutische Ver 
suche, wie sie jetzt wieder empfohlen werdi. 
vorgenommen wurden. | 


ersten Nachkriegszeit hochgradigere und laig 
dauernde Erregungen, wie sie sich auf diesen Af 
teilungen sonst zu häufen pflegen, recht selten sf 
worden waren. Auf der Männerseite, wo sich mig 
vereinzelte unruhige Kranke befinden, ist ii 
ständige Wiedereinrichtung auch bis jetzt nug 
nicht nötig geworden, auf der Frauenseite hins 
sen, wo das Unruhigenhaus stark belegt ist, si 
seit etwa einem. Jahr die Dauerbäder in ak 
Weise, tags und nachts durchgehend wieder tl 
gestellt worden. Seit dieser Zeit setzten ME 
reichlicherer Ernährung der Kranken und besst 
Beheizung der Krankenräume die stärkeren Et 
gungszustände wieder in alter Weise ein, und hi 
wurde es als eine große Wohltat sowohl für 
Kranken wie für das Pflegepersonal empfunden, “f 
deren Behandlung durch Dauerbäder wieder mig . 
lich gemacht werden konnte. p 

San.-Rat Dr. 


EEE aag E a a A ee FC MS a T EZ Ara be 


mm 


ri | 


i 
Versicherungsträger der RVO. oder der Staat AN Í 1 
täglich 18 M, 3. für Pileglinge aus dem übrigen Bay : 
und Deutschland täglich 27 M, 4. für selbstzalkf 
Pfleglinge aus dem Ausland und für Kranke, die ne Hi 
anstaltsbehandlung nicht mehr nötig haben, wird. f f 
tägliche Kostensatz von Fall zu Fall festgesetzt 

Gleichzeitig haben: die bisher für ganze W" i 
Freiplätze bewilligten Summen eine enisorectent E A 


een 
— Das Kopf-Röntgenbild bei sogenannter geni 


Epilepsie. Bedeutung des vergrößerten Ki ob | 
Von Anton. Jahrbuch f. Kinderheilk. Bd. 93 1 


NE 921 


Ẹ Anton fand bei Epileptikern oft eine größere Aus- 
M wölbung der Kleinhirngrube, manchmal zeigte sich die 
i I Kontur des Tentoriums besonders scharf. In 16 Fällen 
J mit Kleinhirnvergrößerung im Röntgenprofilbild war 
ji opileptische Demenz . auffallend gering nachzuweisen; die 
FT ürsache der Epilepsie sei dabei weniger direkt in einer 
F roßhirnerkrankung zu suchen,’ sondern sie sei mehr 
t mittelbar, mehr funktionell hervorgerufen. 

i © Verf. bespricht dann das operative Vorgehen bei 
Ẹewiner Epilepsie im Verein mit Schmieden und 
Fie recht beachtlichen Erfolge, die dadurch gezeitigt 
"worden sind. Kürbitz, Sonnenstein. 


SNERT TOR. 


E- Über scheinbare zeitliche Veränderungen in der 
Häufigkeit und Erscheinungsweise gewisser Erkrankun- 
an Von Prof. Dr. Adolf Strümpell, Leipzig. 
OP Mei Klinik 1921, 27. November. 


wrühmte Kliniker folgende neurologisch sehr inter- 
sante Mitteilungen: „In bezug auf ‚die Syphilis kann 
fih hier natürlich nur die dem jüngeren Kliniker vor- 
MF gsweise zur- Beobachtung kommenden syphilitischen 
m) Erkrankungen der innern Organe in Betracht ziehen. 
if Vor allem erfordern hier eine kurze Besprechung die 
100 Sphilitische Erkrankung der Brustaorta und Aorta- 
u Happen, sowie die Syphilis des Zentralnervensystems. 
ME Die Syphilis der Aorta war früher als solche kaum 
af kant. Wahrscheinlich kam sie wohl ebenso häufig 
„| vor, wie jetzt, wurde aber zur gewöhnlichen Arterio- 
A Sklerose gerechnet. 
4 ‚Aortaklappen syphilitischen Ursprungs wurde in ätio- 
logischer Hinsicht - gleichfalls meist verkannt. . Jetzt 
bilden die syphilitischen Aortaerkrankungen einen er- 
ý ‚teblichen, praktisch sehr wichtigen Teil aller überhaupt 
f ‘kommenden Herz- und Gefäßerkrankungen. Ihre 
if Diagnose (Wassermann-Reaktion und .anderes) unter- 
wf legt nur selten besonderen Schwierigkeiten. 

7 Von noch größerem Interesse ist die Frage, ob sich 
A | it. der Häufigkeit und Art der syphilitischen Erkrankun- 
pen des Nervensystems während der letzten 40 Jahre 
Y tiwas geändert hat. Da eine biologische Änderung des 
- F'Yplilitischen Virus in einem so kurzen Zeitraum höchst 
F irscheinlich ist, so müßten für etwa hervortretende 
S eo in dem damaligen und dem jetzigen Auf- 
ua teten der Nervensyphilis andere Umstände verantwort- 
Aaen werden. Betrachten wir zunächst die 
if “üigsten -beiden -Formen der unmittelbar syphiliti- 
I k Erkrankungen des Gehirns und des Rückenmarks, 
| i ren Gefäßerkrankung mit ihren Folgen und 
| f üingeale Syphilis, so ist zunächst mit Sicherheit 
K i nehmen, daß die scheinbar entschiedene Zunahme 
| a iua Erkrankungen in den letzten Jahren gewiß zu 
he zu Teil auf einer Verfeinerung der Diagnostik 
i o ahlreiche Fälle nervöser Erkrankungen, die 
D a en blieben oder falsch gedeutet wurden, 
Reak a z Zt durch die Zuhilfenahme der Wassermann- 
und: he der Ergebnisse der Lumbalpunktion leicht 
ja Tichtig erkannt werden. Dies gilt nament- 


die 
en der Syphilis, die man erst in den letzten zehn 


nun m nm ein 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


In diesem sehr beachtenswerten Aufsatz macht der- 


Die ebenso häufige Insuffizienz der litische 


V 
on den meningealen Erkrankungen in den Früh-. 


243 


Jahren besser kennen gelernt hat, während die lueti- 
schen Gefäßerkrankungen gerade hier in -Leipzig — 
wo sie vor etwa 50 Jahren von Meubner entdeckt 
wurden — stets besondere Beachtung fanden. 

Allein zur Erklärung der gegenwärtigen auffallen- 
den Häufigkeit der syphilitischen Erkrankungen des 
Nervensystems reicht doch der Hinweis auf die verfei- 
nerte Diagnostik allein nicht aus. Noch ein anderer 
ganz. eigenartiger Umstand muß in Betracht gezogen 
werden — die Änderung in der Therapie der Syphilis, 
das heißt der Einfluß der jetzt fast allgemein üblichen 
Salvarsantherapie der Syphilis. Ich wüßte in der gan- 
zen Therapie kein einziges analoges Beispiel anzuführen 
zu der so ungemein wichtigen, vielfach erörterten, aber 
freilich auch sehr schwer allseitig zu entscheidenden 
Frage, ob sich nicht durch die Salvarsanbehandlung 
auch der ganze Verlauf der Syphilis — und zwar nicht 
nur im Sinne einer günstigen therapeutischen Beeinflus- 
sung — wesentlich geändert hat. | 

Natürlich kann: ich diese praktisch und theoretisch 
gleich bedeutungsvolle Frage hier nur flüchtig berüh- 
ren. Meines Erachtens sind die Akten über das Sal- 
varsan noch lange nicht abgeschlossen. Daß es ein un- 
gemein eingreifendes und bei der Behandlung der Sy- 
philis oft sehr erfolgreiches Mittel ist, kann nicht be- 
zweifelt werden. Daß es aber — von den nicht so 
seltenen direkten schweren Salvarsanschädigungen sehe 
ich hier ab — häufig auch als agent provocateur syphi- 
Schädigungen des Nervensystems bewirkt, 
scheint mir nach meinem recht großen Beobachtungs- 
material unzweifelhaft zu sein. Die jetzige, fast durch- 
weg salvarsanbegeisterte medizinische Jugend läßt 
ihrem Schoßkinde nicht leicht etwas Ungünstiges nach- 
sagen. Wer aber unbefangen urteilt und die Syphilis 
des Nervensystems auch von der Zeit vor der Einfüh- 


rung des Salvarsans her kennt, muß zugeben, daß die als 


sogenannte “Neurorezidive bezeichneten Frühformen 
syphilitischer nervöser, besonders meningealer Erkran- 
kung jetzt recht häufig sind, während sie früher in 
dieser Form höchstens ganz ausnahmsweise vorkamen. 


‚Meines Erachtens liegt hier also eine oft vorkommende 


ungünstige Änderung im Verlauf der Syphilis vor, die 


unmittelbar auf den eigenartigen Einfluß eines oft an- 


gewandten „Heilmittels’” zu beziehen ist. 

Etwas anders liegen die Verhältnisse, wenn wir uns 
den sogenannten .metaluetischen Erkrankungen zuwen- 
den. Ich will mich hier auf die Betrachtung der Tabes 
beschränken, da mir in bezug auf die Paralyse keine 
so ausgedehnte Erfahrung zu Gebote steht. Da die 
Tabes in der Mehrzahl der Fälle als Spätform auftritt 
-— man hat sie bekanntlich auch als Nachkrankheit der 
Syphilis bezeichnet — so ist von besonderem Interesse 


' die Frage, ob die Tabes jetzt bei der viel eingreifende- 


ren und oft viel längere Zeit als früher durchgeführ- 
ten Behandlung der Syphilis gegenüber der Zeit vor 


der Salvarsanära seltener geworden -ist? -Zur sicheren 


Beantwortung dieser praktisch äußerst wichtigen Frage 
reicht das bisher verwendbare Beobachtungsmaterial 
noch lange nicht aus. Es werden noch ein bis zwei 


244 


Jahrzehnte vergehen, bis wir in dieser Sache ein wirk- 
lich begründetes Urteil fällen können. Soweit ich nach 
meinem bisherigen Eindruck und meinen bisherigen Er- 
fahrungen urteilen kann, ist von einem Seltenerwerden 
der Tabes bisher keine Rede. Noch immer gehört die 
Fabes zu den häufigsten Erkrankungsiormen auf den 
Nervenstationen des Krankenhauses. Freilich behaupten 
die Salvarsanschwärmer, das wären alles ungenügend 
behandelte Fälle. Von diesem Standpunkt aus kann 
man freilich alles in Abrede stellen, was einem unbe- 
quen ist. Sicher kennt man jetzt schon eine ganze 
Reihe von Tabesfällen bei Kranken, die vom Beginn 
ihrer Infektion an recht intensiv behandelt worden sind. 
Vielleicht wird sich zeigen, daß die Tabes bei den vor- 
her eingreifend behandelten Fällen öfter in etwas un- 
regelmäßigerer und ungewöhnlicherer Form auftritt. 
Mir ist es wenigstens aufgefallen, daß die sogenannten 
Schulfälle von Tabes mit dem klassischen Sympto- 
menkomplex jetzt auffallend seltenere sind, als die von 
der Regel abweichenden Fälle. Doch ist es natürlich 
sehr schwer, hierüber ein sicheres Urteil zu fällen. 
Daß die Verfeinerung unserer Diagnostik für die schein- 
bar jetzt größere Häufigkeit der anomalen Tabesfälle 
verantwortlich zu machen ist, glaube ich nicht. Die 
klinische Diagnose der Tabes war schon vor etwa 40 
Jahren eine recht gut ausgebildete. Durch die neueren 
Syphilisforschungen hat gerade die Tabesdiagnose nicht 
mehr wesentlich an Sicherheit und Leichtigkeit ge- 
wonnen.” 

„Zum Schluß noch ein Beispiel aus einem ganz ande- 
ren Gebiete, das uns zeigen soll, wie unter Umständen 
nicht nur die Häufigkeit einer Erkrankung, sondern so- 
-gar die Symptomatologie einer Krankheit sich schein- 
bar ändert, nur weil sich unser ärztlicher Standpunkt 
verschoben hat. 
sien mit ihren früher viel studierten Eigenheiten. 
Charcot widmete in seinen Vorlesungen der hyste- 
rischen Anästhesie stets eine eingehende Besprechung. 
Er erörterte vor allem die Eigentümlichkeiten der so häu- 
figen hysterischen Hemianästhesie und besprach die 
wunderbaren Erscheinungen des Transfert, der Metallo- 
therapie u. a. Wie wenig hört man jetzt von allen 
diesen Dingen, die vielen jüngeren neurologischen Kol- 


legen fast ganz unbekannt geworden sind. Der Grund. 


hierfür liegt klar zutage. Wir kennen die Suggestibilität 
ader Hysterischen, wir wissen, wie wir durch die be- 
sondere Art der Untersuchung bei ihnen auch beson- 
dere Symptome” leicht hervorrufen können. Zu allen 
. Zeiten hat bei der Hysterie nicht nur die Suggestion 
der Kranken, sondern auch die Suggestion der Ärzte 
eine große Rolle gespielt. Jetzt, wo wir den hysteri- 
schen Anästhesien keinen großen — ja vielleicht sogar 
einen zu geringen — Wert beilegen und deshalb nach 
ihnen nicht mehr suchen, sind sie auch verschwunden 
mit allen ihren wunderbaren Eigentümlichkeiten, bis sie 
vielleicht aus irgendeiner Veranlassung: wieder einmal 
zu neuem Leben erwachen.” 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Ich meine die hysterischen Anästhe- 


(Nr. 3i 


Buchbesprechungen. 


— Haab, Professor Dr. Oi, Zürich: Atis af 
Grundriß der Lehre -von den Augenoperationen. 2. 
veränderte Auflage. 399 S. Mit 30 farbigen Tafeln WE 
154 schwarzen Abbildungen von Maler J. Fink WẸ 
manns medizinische Handatlanten Bd. XXXI.” Mind 
1920, J. F. Lehmanns Verlag. Geb. 40,00 M. 


Gerade auf diesem Gebiete reicht bloße Besc 
bung mit Worten nicht aus zur Klarlegung des opp 
tiven Vorgehens und die Schaffung eines Atlas erschif 
unumgänglich notwendig. Sie ist ganz vorzüglich ® 
lungen. Die feinen Eingriffe an Hornhaut, Regenboge 
haut, Linse usw., die Eröffnung der Augenhöll, ü 
l.idplastik sind mit ganz wundervoller Farbenfrisii 
Feinheit und Naturtreue wiedergegeben. Jedes iir 
chen, Härchen und Fäserchen ist genauestens d 
stellt. Größere Deutlichkeit ist überhaupt nicht mößl F 


Das Buch wird auch in der Anstaltspraxis, if: 
Anlaß zu solchen ‘Operationen nicht selten gegebalf 
zu Rate gezogen werden müssen, Daß der Vers 
eine Autorität auf diesem Gebiet ist, daran braucht mig 
erinnert zu werden; dem entspricht auch die sitig 
klare Darstellung. 

— Lobedank, Dr., Generaloberarzt a. D. Ri ; 
Medizinalrat beim Versorgungsamt Mannheim: Kui 
praktische Anleitung zur Erkennung aller Formen: JE 
Kopfschmerzes. 2. verbesserte Auflage. 71 S. Lemj 
1921, Verlag von Curt Kabitzsch. Brosch. 9,00 M 


Zu bescheiden sagt Verf. im Vorwort: „Die vorliegt: 
kleine Schrift erhebt keinen Anspruch auf wissenschä 3 
liche Bedeutung.” Und doch erleichtert sie ganz Ib‘ 
mein Aufgabe und Bestreben, die Behandlung von ku F 
schmerzen wissenschaftlich gründlich zu. sesti 
Kopfschmerz ist eine so häufige und häufig et‘ f 
dunkle Beschwerde, daß ich mir denke, das Bich k 
müßte auf dem Sprechzimmertisch jedes Arztes "i i 


— Spaet, Obermedizinalrat Dr. Franz: Der # i} 
sorgearzt. Ein Hilfsbuch für Ärzte, Behörden und % j 
len, die sich‘ auf dem Gebiete des Fürsorgewestii Í. 
betätigen haben. 388 S. München 1921, J. F. beg f 
Verlag. Geh. 44,00 M, geb. 46 M. 


Enthält nach einer Einleitung (Fürsorgeatzl, 
Vorbildung und Entlohnung, Organisation des Fürst 
wesens im allgemeinen): Rassenhygiene, Sozialme® 5 
(Begriff, System, Aufgaben); Art der Einrichtung “ i 
Fürsorgedienstes, Fürsorgeschwestern, Säus E ji 
Kleinkinder- und Jugendfürsorge, Schulärztliche u | 
keit, Tuberkulosefürsorge, Fürsorge für Gesch eor 
kranke, Trinker, Geisteskranke, Gebrechliche, Ki 
Blinde, Taubstumme, Kriegsbeschädigtenfürsorge: eo 

Auch Wohnungs- und Ernzhrungsverätus 1 | 
den behandelt r l 

-Ein sehr brauchbarer Wegweiser für alle, de E 
it „sozialer Medizin” befassen, schon wegen | en A 
wiedergegebenen Gesetze und Ventures 
— von denen man bisher keinen großen Erfolg & gi 


i w f. 


E21] 


Fiat: daraus wird kein neues Menschengeschlecht er- 
j stehen; keine „Höherzüchtung”, wenn. wir Menschen 
j ns nicht zuvor innerlich recht sehr ändern. _ Bresler. 
Birnbaum, Karl, Oberarzt an der Irrenanstalt 
| ' Herzberge der Stadt Berlin, Kriminalpsychopathologie. 
$ Systematische Darstellung. 214 S. Berlin 1921, Julius 
F Springer. 45 M, geb. 51 M. 

i - An Kasuistik fehlt es auf diesem Gebiet nicht. Eine 
| Darstellung, welche das Begriffliche. herausarbeitet und 


| Birmbaum war vorauszusehen, daß er diese Aufgabe 


Ẹ asten Hauptteil die krankhaften Störungen geschildert, 
Ẹ ve sie zu Verbrechen führen können, im zweiten die 
$ Verbrechen, wie sie durch ihre besondere Art als krank- 
W Mit erscheinen, d. s. besonders die krankhaften Triebe. 
f Die Behandlung der Aufgabe findet also einmal von der 
medizinischen, dann von der kriminellen Seite aus statt. 
In dem bemerkenswertesten Abschnitt: Das natur- 
F Wissenschaftliche Verbrecherproblem (S. 141 bis’ 155) 
kommt Verf. zu folgendem Ergebnis: „Der Verbrecher 
Fin allgemeinen kann nicht als naturwissenschaftliches 
Phänomen von »einheitlichem und spezifischem Charakter 
Oerausgehoben und dem: Nicht-Rechtbrechenden gegen- 
Jibergestellt werden. Er stellt überhaupt keine aus- 
f hließlich biologische oder. gar biopathologische Erschei- 
Aungsform dar, sondern auch, resp. zugleich, eine sozial 
f ind wirtschaftlich bedingte.” 

© Ich möchte dazu kurz bemerken,: daß er wohl in 
J® NH, eine soziale Erscheinung ist, da es doch 
f aulerhalb der menschlichen Gesellschaft überhaupt keine 
f »Verbrecher” gibt, und daß es mit dem Begriff Ver- 
f recher so ist wie mit dem der Geisteskrankheit: Es 
f eerden Personen von den einen für Verbrecher, von 
f n anderen für sittlich Große gehalten, von den einen 
FÜ Geisteskranke, von den anderen für geistig Große. 
Ed wo bleiben die latenten Verbrecher? | 
f Bs folgt weiter: Geistesstörung in der Haft. 
i Die Frage: Unterbringung der geistig abnormen und 
tanken Verbrecher — die B. aus seiner Abhandlung 
-Absichtlich ausschaltet — hätten wir gerne gerade von 
f" erörtert gesehen: um nur einen Punkt anzuführen: 
f Ansicht, durch Strafe den einzelnen Verbrecher zu 
g 'essern” (wenn er ein Verbrechen nicht zum zweiten 


$ Vielleic > Su: 3 
p Schlauer und vorsichtiger geworden und läßt 
f nicht mehr erwischen), ist, meine ich, wohl aufge- 


ı "an 


| m insbesondere in ihrer Summe, die in dem Institut 
Ms. efanstalt verkörpert ist "und als ’dauerndes 
ae auf die Menschen wirkt, mehr als alle 
f scisti Fee ebenso würde auch die Unterbringung 
f S sich p en Verbrecher in Strafanstalten (soweit 
in ie um ausgesprochene Geisteskrankheit, son- 
u che } rankhafte Hemmungsschwäche, krankhafte 
fa, "sw. handelt), abschreckend wirken, während 
| a 1 Möglichkeit, in die Irrenanstalt untergebracht 


Cimi 


fe 
Liv 


sen Vorbeugungsmittel, wirkt. Bresler. 


Q 


g : 
PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE: WOCHENSCHRIFT 


F adnet, war daher sehr erwünscht und willkommen. Bei, 


Ẹ stindlichst und mit größtem Fleiß löst. Es werden im . 


gnal begeht, ist er doch noch nicht „gebessert”, aber - 


f Sehen; die Strafen wirken nur allgemein abschreckend, 


erden, als Gegenteil von Abschreckung, als dem ' 


245 


Therapeutisches. | 


— Zur Behandlung der spitzen Kondylome. Von Dr. 
B. Zelnik, Wien. Therap.  Halbmonatshefte 1921 
Nr. 13. | | | 

Bei einer im sechsten Monat graviden Frau mit 
einigen spitzen Kondylomen des äußeren Genitale und 
zahlreichen Kondylomen an der Portio und im Scheiden- 
gsewölbe wurden jeden dritten Tag Bestreuungen mit 
Cholevalbolus vorgenommen. Nach vier Wochen waren 
die Kondylome bis auf einen kleinen Rasen im vorderen 
Scheidengewölbe ganz verschwunden. Die Portio zeigte 
ihre normale Konfiguration und spiegelnde Oberfläche. 
Der letzte Rest verschwand nach weiterer zweiwöchent- 
lıcher Behandlung. Die Gravidität ging ungestört wei- 
ter. Gegenüber dem operativen Verfahren und der Be- 
handlung mit Ätzmitteln, die den Nachteil der Hinter- 
lassung von Narben bzw. großer Schmerzhaftigkeit 
aben, ist die Anwendung von. Cholevalbolus ungefähr- 
lich und schmerzlos. Die Nachprüfung an einem größe- 
ren Material könnte vielleicht zu einer Revision der 
bisher vertretenen Meinung von der Überlegenheit der 
operativen Methode gegenüber der konservativen 
führen. | 

— Über die Anwendung der Kakodylate. Von Dr. 
J. Steuer. Wien. med. Wochenschr. 1920 Nr. 50. 

Verfasser fand in dem MPBK-Amphiolen Natrium + 
kakodylicum, die er seit fast Zwei Jahren mit gutem 
Erfolg verwendet, einen Ersatz für die Clinschen 


Kakodylate. Bei Anämie und Chlorose, verzögerter Re- 


konvaleszenz, nach schweren operativen Eingriffen, bei 
Schwächezusiänden.nach Infektionskrankheiten und aku- 
tem Blutverlust, Anorexie, ferner bei nervösen Schul- 
kindern, sah er von 20 Einspritzungen Zunahme der Kör- 


-^ perkräfte, Vermehrung der roten Blutkörperchen, Er- 


höhung der 'Eßlust und schnelle Besserung der Krank- 
heitserscheinungen. Die nervösen Beschwerden der 
Neurastheniker verschwanden, die Kranken fühlten sich 
frisch und wohl, hatten Zuversicht und zeigten‘ ruhige- 
res, besseres Aussehen. 

Frauen, die durch Wochenbett oder Blutverlust ent- 
kräftet, Mädchen, die durch Menstruationsanomalien in 
der Entwicklung gestört waren, sowie ältere, nervöse 
und reizbare Personen reagierten sehr günstig auf die 
Behandlung mit Amphiolen Natrium kakodylicum. Bei 
Leichttuberkulösen konnte ein Stationärwerden des kli- 
nischen Befundes bewitkt werden. Nach 40 Injektionen, 
die neben der sonstigen Therapie einhergingen, ver- 
schwanden die katarrhalischen Erscheinungen, das All- 


'zemeinbefinden war vorzüglich, die Gewichtszunahme 
offenkundig. Die MBK-Amphiolen sind wegen des mini- 


malen auftretenden Geruches in der Expirationsluft, des 
Fehlens einer lokalen Reizwirkung und des hervorragen- 
den therapeutischen Eifektes den französischen Arsen- 
iriektionsmitteln gleichzustellen. 

— Über Modenol. Von Medizinalrat_Dr. Mateo 
Baylon, Primararzt. Wien. med. Wochenschr. 1929 
Nr. 50. Ä | 

‚Das Modenol ist vornehmlich da angezeigt, wo eine 
energische Luesbehandlung wegen Alter, Kachexie, Tu- 


` 


f 


246 
berkulose, Schwangerschaft, schweren inneren Leiden 
Kontraindiziert ist und besonders das Gesamtbefinden 


gehoben werden soll. Bei frischer Lues waren zur Hei- 
lung der primären Erscheinungen 10 bis 20 Einspritzun- 
gen.notwendig, manchmal konnten die sekundären Eifflo- 
reszenzen nicht zurückgehalten werden. Bei makulösen 
Exanthemen genügten 10, bei papulosen 10 bis 15 In- 
iektionen. Bei Sekundärstadien mit Papeln am Rumpf 
und Genitale, Plaques der Mundschleimhaut begann die 
KRückbildung bereits nach der achten bis zehnten Ein- 
spritzung und war nach 20 bis 25 Iniektionen beendet. 
Auffallende Wirkung bei Lues der inneren Organe und 
der Nerven. Tuberkulöse und neurasthenische Lueti- 
ker erholten sich während der Modenolkur und zeigten 
einen Stillstand der Grundkrankheit, sowie vorzügliches 
physisches und psychisches Befinden. Herz- und Nie- 
renaffektionen luetischen Ursprunges, Arthritiden, spe- 
ziell mit schweren Anämien verbundene Syphilis, Früh- 
tabes reagierten auf die "Iniektionen mit Besserung der 
Symptome, Rückgang des bedrohlichen Charakters der 
Erkrankung durch vollkommene Erholung. Die gastri- 
schen Krisen und lanzinierenden Schmerzen der Tabiker 
wurden sehr günstig beeinflußt. Die Intensität der An- 
fälle wurde schwächer, die ruhigen Intervalle länger. 

Keine Nebenerscheinungen allgemeiner oder lokaler 
Art, ebenso kein ungünstiger Einfluß auf den Darm. 
Zahnfleisch und Mundschleimhaut ohne schädliche -Ver- 
änderung. Für sensible Patienten, Frauen, Mädchen und 
Kinder eignet sich die Modenolkur in erster Linie. Ver- 
iasser weist wiederholt auf den Vorteil der gleichzei- 
tigen Fg-Wirkung und des tonisierenden und dynami- 
schen Arsen-Einflusses hin. Wo Salvarsan nicht gege- 
ben werden darf, ist Modenol en Quecksilber- und 
Arsenmedikation. 

— Über die Anwendung des Cholevals in der Oto- 
Laryngologie. Von Prof. Dr. O. Mayer, Wien. Wien. 
med. Wochenschr. -1921 Nr. 6. — 

Choleval wurde zuerst bei 
wandt, wo nach Abklingen der akuten Erscheinungen 
reichlich schleimige oder schleimig-eitrige Sekretion zu- 


Für den Textteil Serantwortlichs Dr. Bresler, Kreuzburg (Obersählesfen.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnummern: 
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PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


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. bis: 8 Spülungen mit stärker verdünnter Cholevallösti 


Fällen ließ sich durch lockere Tamponade der Will 


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(Nr. 39/0 


rückblieb. Die Wirkung war ausgezeichnet. In einigen | 
Fällen wurde schon nach der ersten Anwendung wi 
Schnupfen gebessert, meist verschwand er. inner 
einer Woche vollständig. Die Anwendung geschah i ; 
Form des Nasensprays mit */ı prozentiger Lösung, hi 
stärkerer Schwellung der Nasenschleimhaut nach vo i 
hergegangener Kokainisierung. Dieselbe Lösung kai i 
man dem Patienten zum Einträufeln und Aufschnupfii 
mitgeben. Bei Empyemen der Stirnhöhle brachten wenig: 
1000 vollkommene hi 
lung. Bei akuter Kieferhöhleneiterung wurde durch. 
Heilung erzielt; chronische Eiterungen mit stark 
Schleimhautverdickung reagierten nicht, abgesehen u 
einem Fall mit geringer schleimiger Sekretion, wo di 
Cholevalspülung Erfolg hatte. 

Sehr gute Wirkung hatte die Anwendung: inig 
zehnprozentiger Lösungen bei verschiedenen entzie 
chen Prozessen im Rachen. Ebensogut wirkten E ” 
tionen von ein- bis zweiprozentiger Lösung bei akui | 
katarrhalischen Prozessen des Kehlkopfs. Sehr rastl | 
Erfolge. traten ferner bei der tubaren Form der chron ) 
schen Mittelohreiterung ein. Es genügt. oft einmalige S 
Durchpressen der Lösung durch die Tube, um die 8 E 
kretion zum Verschwinden zu bringen. .In mehrer E 
Fällen von Ekzem des äußeren Gehörgangs wurden mgs 
Cholevallösung zetränkte Gazestreifen eingeführt. W : 
Lapislösung hat das Choleval den Vorzug, die Hal E 
nicht zu schwärzen. Bei manchen total aufgemeißeltl f 


höhle mit Cholevalgaze eine zu üppige Granulation: 
dung verhindern und rasche Epidermisierung erzielt : 
Bei rezidivierender Eiterung in Radikaloperationstöhll 3 
hatte. dieselbe Methode sehr guten Erfolg. ' 


Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schr 
leitung resp. den Verlag über redaktion! i 
Fragen das Rückporto beizufügen Jf 


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Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Sode 
birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
1 | (Rhl), Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. en 
55 || Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
5 || Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Se 
|| Mauer-Öhling (N. on Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
"|| Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler. Kreuzburg (Oberschlesien). 


Nr. 41/42. 1921/22. 


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Von Dr. J. Bresler. 
(S. 255.) — Bäderbehandlung in den Irrenanstalten. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in | 
Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
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i mm Höhe und 55 mm Breite 
wird mit 70 Pf. berechnet. Bei 
größeren Aufträgen wird Nach- 
laß gewährt. 


Marhold Verlag Hallesaale 


(S. 247.) — Über subjektive optische Anschau- 
(S. 256.) — 


| eng 
i Referate, IS. 257.) — Buchbespréchúngen. (S. 257.) — Therapeutisches. (S. 258.) — Personalnachrichten. (S. 258.) 
ee en ann a a E S 


| = Psychoanalyse und Psychiatrie. 


Von Dr. J. Bresler. 
(Zugleich Buchbesprechungen.) 


Motto: 
„und die große Sonne stand und schlug wie 
ein Herz am Himmel und trieb alle Ströme und 
‚ Tropfen des Lebens um sich herum”. 
Jean Paul, Die unsichtbare Loge. 


A ich den ‘Pananismus (siehe Psychiatrisch- 
neurologische Wochenschrift XXII, Nr. 41-42 
oa vom 15. Januar 1921) entdeckt und gezeigt 
tischen. man bei der internationalen psychoana- 
“ schen Bewegung inter nates angelangt und den 
zten Schritt und feierlichen Einzug, den ins 
e Pananal (von pan und anus) getan, mit wel- 
ie eigen Freignis eigentlich eine neue 
beginnen sollte (also „im Jahre 1 des 
i s”), glaubte ich auf diesen Entdecker- 
t ar ausruhen zu dürfen, zumal jetzt die 
Nord elt von Psychoanalyse erfüllt ist, und wir 
En Ereignis stehen, daß nach soviel Seelen- 
> id a endlich der Erlöser erscheinen wird, 

| en richtige.“ u) 


m ~ es allen kaaien Männern ergangen ist, die 
ad der Zeit kräftig in die Speichen gegriffen, darf 


(Denn Braunstein (Trotzki) hat versagt, 


oder ist nur ein Irr- oder Vorläufer, und die gründ- 


ich mir auch ein Märtyrskrönlein aufsetzen: Wegen 
des „Pananismus’ hat mir die Internationale Zeitschrift 
für Psychoanalyse (Internationaler psychoanalytischer 
Verlag) den Austausch mit der Psychiatrisch-neurologi- 
schen Wochenschrift entzogen. Ich bedaure den inter- 
nationalen „Gedankenentzug”, der mir und den Lesern 
der Psychiatrisch-neurologischen Wochenschrift damit 
widerfährt, sehr schmerzlich und kann nur dringend 
empfehlen, auf die „Internationale Zeitschrift für Psycho- 
analyse, offizielles Organ der Internationalen Psycho- 
analytischen Vereinigung” — wenigstens zur Probe — 
zu abonnieren, die unerschöpfliche Fundgrube echter 
Seelenkunde. Etwa 30 Druckbogen, jährlich 50,00 M. 
Der „Internationale psychoanalytische Verlag” ist mit 
Kapital gegründet, das von einem inzwischen. gestor- 
benen begeisterten Anhänger der Psychoanalyse, Dr. 
Anton von Freund in Budapest, zur Förderung 
psychoanalytischer Zwecke gestiftet und an S. Freud 
überwiesen wurde. Auch literarische Preise werden aus _ 
diesem Fonds verteilt; dieselben wurden bei der ersten 
Verteilung K. Abraham und E. Simmel in Berlin 
und Th. Reik in Wien zugesprochen. Dr. phil. von 


248 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


lichste Auflösung und Erlösung bleibt doch, wie 


bisher, der Tod, und von diesem bewährten Mit- 


tel, zumal dem Hungertod, scheint man im Para- 
dies-Rußland abzukommen, da’ man sich Lebens- 


mittel aus iden noch nicht ganz vom künstlich 


eingeimpften Wahnsinn zerrütteten und noch 
nicht ganz verhungerten Ländern verschreibt. 
Mensch und Menschenseele ist in unserem Zeit- 
alter der allgemeinen Ellbogenfreiheit und Ver- 
logenheit nichts. Hauptsache ist das "Geschäft. 
Man kommt aus dem Lachen über diese Apostel 
und neuen Heiligen nicht heraus; in ihrem Innern 
lachen sie freilich wohl noch mehr, sie lachen sich 
„ins Fäustchen”, und lachen ‚„zuletzt”, ob des blen- 
denden Geschäfts, das sie mittels „Ideen”. und 
„Idealen” mit den Menschen machen. Der Mensch 


| ist heute mehr denn je der Geschäftsgegenstand, 


ein Sklave; die Seelensklaverei, auch die freiwil- 


lige, Seelenbetrug, Seelenfang, sind heute diesel- 


ben, vielleicht noch viel: schlimmer wie am An- 
fang der „Kultur”. Sich in das Seelenleben des 
Mitmenschen versetzen, mitfühlen, — diese Vor- 
bedingung menschlichen Daseins, menschlicher Er- 
ziehung und Gesellschaft —, ist Schwäche, Dumm- 
heit, wenn nicht gar Krankheit. Für jene ist der 
andere nur Obiekt, wie das Tier, nie Subjekt. 
„Vielmehr besteht die Kulturgesellschaft aus 


einem für. die Gesamtheit arbeitenden Kern, wel- 
‚ chen tatsächlich die Liebe zusammenhält, daneben 
‚aber aus einer großen Zahl von Individuen, deren 


Interesse für die Gesellschaft das Interesse des 
Raubtieres für seine Beute ist.” So mit Recht 
Stärcke in den nachfolgend zu besprechenden 
Buch S. 26. 

Doch dies nur nebenher.) 


mn m m 1 nn 70 aIaoMŃ 


‚Freund war, wie es im Nachruf (Internat. Zeitschr. 


f. Psychoanalyse 1920 S. 95) heißt, „der stärkste För- 
derer und eine der schönsten Hoffnungen” der psycho- 
analytischen: Wissenschaft. Er hatte anderthalb Millio- 


nen Kronen zur Gründung eines psychoanalytischen In- 

` Stitutes in Budapest gesammelt und bestimmt, wo Psy- 
= choanalyse gelehrt und ihr Segen auch unbemittelten 
. —  Nervenkranken zugute kommen sollte. 
000.000 chend kleineren Betrag übergab er Prof. Freud zur 
ae Gründung des erwähnten Verlags. 


Einen entspre- 


‚Eigentlich müßte ich eine Prämie dafür bekommen, 


n daß- ich die Psyehoanakyse vor der selbstvernichtenden 
~ Entgleisung bewahre! | 


In der Be i eer alagischen OERE Sr. 
1908-09 Bd. 10 S. 47 findet sich die Abbildung einer im 
Museum des Vatikans vorhandenen Büste eines „Er- 


- lösers der Welt? mit Hahnenkopf. und einem steifen 


männlichen Glied (nebst Hodensack) als: Schnabel. Viel- 
leicht findet sich ein Künstler für entsprechende Darstel- 
lung des EA 


psychiatrischen Erkenntnis Bd. I S. 289, Fußnote 


st 
BT 


Aber mit der Ruhe auf den Lorbeeren ist 4 j 
nichts. Ich muß einem anderen, Stärkeren Pii 
machen. I 

August Stärcke nämlich hat wichtigere 
und zwar ein dreifaches entdeckt: 1. Die Lemi 
von den Geisteskrankheiten ist durch Freudig 
Eingreifen so umgewandelt worden, wie die Che | 
mie durch Dalton und Lavoisier. 2. Die Ursachi \ 
warum sich der Psychoanalyse nur für die Na 
rosen und nicht auch für die Geisteskrankheitst 
eine neue Heilbehandlung angeschlossen und 3. di i 
Richtlinien zur Verbesserung. 

Nun will ich versuchen, von dieser Entdeckug ' 
Kunde zu geben, ohne, was eigentlich nötig — ui 
am besten — wäre, das ganze N nachzudril | 
ken, nämlich: Psychoanalyse und Psi 
chiatrie VonAugust ihre 1921, hf 
ternationaler Psychoanalytischer Verlag Leif 
Wien, Zürich. 64 S. Denn August Stärckt / 
(Anstalt Willem Arntsz Hoeve, den Dolder, Hii 
land) ist weder neu noch schwach in Psychoami 
lyse.. Von seiner Arbeit: Psychoanalyse vati 
theoretischen Standpunkt. Psychiatr. en neun 
gische Bladen 1912 Nr. 3. F. van Rossens Verf 
Amsterdam, Heerengracht 281, sagt Arthw 
Kronfeld in seinem tiefgründigen, die galt 
Psychiatrie umackernden Werk:*) Das Wesen W 


J 5 


1920: „Dies ist die beste Arbeit:über Freu 
Lehre, welche überhaupt aus seiner Schule her 
vorging. Sie hat meine Stellung in vieler Hig: 
sicht entscheidend beeinflußt.” I 

Nur aus dem ersten Kapitel: „Der Forscher une 
sein Gerät”, muß ich einen großen Absatz wörl i 
lich wiederrehen um den Sinn für die gati 
Richtung zu wecken. 


„Psychiater und Analytiker sind verschieden IF 
ihrer Natur, in ihrem Forschungsgegenstand, in ihre l 
Hoffnungen, in ihrep Mitteln. Beide haben dieselbe F 
Symptomwelt zum Material, schon bei deren aui 
sung fängt aber der Unterschied an. I 

Der Psychiater ist dem Analytiker gegenüber pi 
nomenal durch bestimmte psychische Skotom® > ; 
kennzeichnet. Gegenstand seiner Forschung ist q ; 
Bewußte, als hypothetisches Korrelat dahinter dasa 
hirn und der Körper im allgemeinen. A 

Der Analytiker ist gekennzeichnet durch die E 
seitigung der Skotome,. soweit wir sie kennen d 


*) Über. Kronfelds Buch schrieb. ich in nj 
chiatrisch-neurologische Wochenschrift, Jahrg. I eh 
340: „Ich empfehle das Buch zur Lektüre; es gibt saii i 
derartige Bücher, aus denen man sich so grini ie | 
so bequem von der völligen Nutzlosigkeit des ior ! 


phierens für die Psychiatrie überzeugen kann.” 


f 1922) 


Forschungsgebiet ist um das Unbewußte erweitert, als 
“hypothetisches Korrelat hinter den Erscheinungen setzt 
Fr die Libido und die Ich-Triebe. 

Ẹ Die erste ärztliche Arbeit, das Feststellen der Dia- 
gose, hat in der Psychiatrie eine andere Bedeutung 
Fils sonst. In der sonstigen Pathologie gilt, daß mit der 
Diagnose der Fall in eine Gruppe von bestimmter Äti- 
i i ologie, bestimmter anatomischer Grundlage, bestimmter 
E Prognose und womöglich auch von bestimmter Thera- 
pie eingereiht ist. 

{ In der Psychiatrie gilt dies nur für die Infektions- 
krankheiten des Gehirnes und für die gröberen Läsionen, 
Für die 


Ẹ de nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen. 
F ibergroße Zahl der Kranken bedeutet die Diagnose 
keine Kenntnis der Ursache, keine Anatomie, keine Pro- 
W mse (50 v. H. Fehler in einer der besten Kliniken) und 
$ kne Therapie. Die Therapie, wie sie geübt wird, ist 
mehr auf Einfühlung als auf Wissenschaft gegründet, 
F ud auf ihre Resultate wird wohl keiner sehr stolz 
sein, | 
Ih Bei diesem Sachverhalte scheint das Verhältnis der 
F Psychoanalyse zur Psychiatrie etwa mit dem Satze 
f erschöpft: sie verhält sich zu der Psychiatrie wie zu 
Ẹ edem anderen psychischen Gebilde von zweifelhaften 
Ẹ Nutzen; sie hat es zu deuten und sein Verschwinden 
Fa erstreben, um es durch Nützliches zu ersetzen.. Dann 
f ber begingen wir ein dreifaches Unrecht. 


| Einmal dadurch, daß wir die Ergebnisse, die die 
f Psychiatrie, wenn nicht für das Verständnis der Psy- 
| chosen, so doch in allerlei' Nebensachen aufzuweisen 
f hat, unterschätzten. Es soll sogar zugegeben werden, 
| daß die feinere Anatomie und Physiologie des Zentral- 
f "tvensystems, der Sinnesorgane und der endokrinen 
f Drüsen an einer vielversprechenden Fundierung zu 
| bauen beschäftigt sind, von der aus die Brücke zur 
f feudiehre von der anderen Seite her gelegt werden 
| 


! Kann, wenn der Bau nicht vorzeitig an demselben Hin- 
nis scheitert, wo die klinische Psychiatrie Halt ge- 
Macht und ausgewichen ist: an der Sexualität. 

= Diese Disziplinen sind aber keine Psychiatrie, son- 
| dern ihre Hilfswissenschaften, wenn auch im übrigen 
f ‘Übsttätig und vollberechtigt. Psychiatrie kann nichts 
| anderes bedeuten als die Wissenschaft von der ärzt- 
} lichen Behandlung der Seele. 


Eine zweite, geschichtlich wichtige Tatsache, die. 


I 8 nicht übersehen dürfen, ist, daß die Psychia- 
f a immer so haltlos schwankend. daherge- 
Ehre. Si wie in den letzten dreißig ‘bis vierzig 
É iie aa eea sie war auf dem besten Wege, 
3 me otixierung als Ursachen der mangelhaften 
Bhin, pe zu entdecken. Das Wort Hysterie = 
man auch allerlei Fälle verstand, die jetzt zu 
Eau: en Typen gerechnet werden — 
[tungen vn In den ältesten Theorien galten Wande- 
Each: es Uterus durch den ganzen Körper als Ur- 
f , - Als dann Galenus die Unmöglichkeit solcher 


| Wa | 
I y derung. bewiesen hatte, wurde das Zurückhalten 


E 
9 
5 


r der ausgedehnte Uterus durch schäd- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


„auswichen , 


on 
Re Samen oder Blut im Uterus beschuldigt, da die Säfte 
 trderbten ode | 


| 
f 


249 


liche Dünste oder- durch Druck geschädigt würden. 
Noch später wurde die Ansicht dahin modifiziert, daß 
Reizzustände der Genitalien auf das Nervensystem über- 
gehen sollten. Noch Romberg (1851) trachtet, die 
beiden Ansichten, in welchen nach ihm die bis dahin 
produzierten Hysterietheorien gipfeln: die Auffassungen 
der Hysterie als Uterin-, resp. als Gehirnerkrankung mit- 
einander zu versöhnen, indem er die Hysterie als eine 


. durch genitale Reizung verursachte Reflexneurose er- 
klärt. 


Er macht dabei die wichtige Bemerkung, „daß 
es gar keiner bewußtwerdenden Empfindung bedarf, um 
Reflexaktionen zum Vorschein zu bringen. . ..” Noch 
bei Jolly (1877) erscheinen geschlechtliche Enthalt- 
samkeit und Überreizung als wichtige Krankheitsur- 
sachen. Dann verschwand aber das Genitale mehr und 
mehr aus der Psychiatrie, Griesinger, Meynert 
und die ganze weitere Reihe der Hirnanatomen, daneben 
die Schule der Salpetriere wurden maßgebend. Seit 
Charcot, Pitres, Janet, Raymond gilt die 
Hysterie als Psychose, wie früher ein großer Teil der 
Psychose als Hysterie. Der Unterschied ist, daß das 
letztere Urteil etwas besagte, nämlich den geschlecht- 
lichen Ursprung der Psychose, das erstere aber nur ein 
Ausdruck für unsere infantile Hoffnung ist, irgendwo im 
Gehirn keusche Ursachen für die anstößigen Handlun- 
sen der Hysteriker aufzufinden. Diese Phase verliert 
ihre Wichtigkeit, wenn wir die ganze Entwicklung auch 
weiter zurück ins Auge fassen. Dann erscheint die 


Psychoanalyse als die regelrechte Fortsetzung der all- 


gemeinen Entwicklungslinie, in der die Vor-Freudsche 
Psychiatrie seit Charcot und Griesinger nur 
eine Unterbrechung, ein Inzident, die temporäre Hyper- 
trophie eines neu erfundenen Grundsatzes, ausmacht. 
Ein Verweilen bei und Steckenbleiben in der Entdek- 
kung von der psychischen Natur der Hysterie, weil das 
Weitergehen auf diesem Wege unabweisbar die Erior- 
schung der psychischen Sexualität des Normalen for- 
derte. Da lag die Barriere, vor welcher die Untersucher 
die auch noch die Hirnforschung seit- 
wärts lockte. — | 

Freud hat bekamtlich wie ein Sturmbock diese 
Sperre durchbrochen, und damit den Fortschritt der 
Psychiatrie gesichert. a ; 

Und zum Dritten endlich soll man die Augen nicht 


‘davor verschließen, daß auch die psychoanalytische 


Lehre ihre subjektive Befriedigung bietet. Kein Mensch 
erträgt es, sich ausschließlich den Objekten zuzuwen- 
den. Und: wenn Freud uns gelehrt hat, die Tat- 
sachen und immer wieder die Tatsachen anzu- 
schauen, so ist er auch darin vorangegangen, die 
Mitarbeit zu erkennen. Gerade dort, wo die Wis- 
senschaft befriedigend für unser Gemüt aussieht, sollen 
wir ihren Ergebnissen mißtrauen, wenn wir dem Ge- 
bote der Not, dem Realitätsprinzip, gehorchen wollen. 


Die Wissenschaft stand vor der Aufgabe, sich mit 
unerireulichen Tatsachen des Bestehens der Geistes- 
krankheit abzufinden. Da sie vorläufig nicht imstande 
war, die Geisteskrankheiten zu heilen, also die Wirk- | 
lichkeit selbst so zu verändern, daß sie erträglich 


250 


wurde, hatte sie der Realität soviel intellektuelle Beifriedi- 
gung zuzufügen, daß der Trieb zu ihrer Erforschung 
darin eine Stütze finden konnte — diese Entschädigung 
findet sich in jeder Wissenschaft, auch in der Psycho- 
analyse — oder so viel von der Realität zu verdrängen, 
daß wenigstens die so geschaffene Vorstellung der 
Wirklichkeit erträglich ward., Den letzteren Weg ging 
die Vor-Freudsche Psychiatrie. Sie erreichte damit, 
daß der Untersucher ohne allzugroßen Schmerz und 
ohne die Überschätzung des eigenen Ichs aufgeben zu 
müssen, die Geisteskranken ansehen konnte. Sie lähmte 
sich selbst aber zu gleicher Zeit, was ihren eigentlichen 
Zweck betrifft, und hatte das verdrängte Stück der Rea- 
lität, bei diesem Objekte, zufälligerweise den Hauptteil, 
durch Nebensächliches zu ersetzen, und wo sie ihr 
eigentliches Objekt, die Geisteskrankheit, nicht aufgeben 
wollte, die entstehende - Gedankenleere derart mit 
Fremdwörtern, Autornamen, Wiederholungen, Literatur- 
angaben anzufüllen, und mit Betrachtungen, die von der 
virtus dormitiva behaftet waren, daß man bei extre- 
mer Entwicklung dieser Varietät meinen könnte, eine 
Zungenrede oder einen Ganser vor sich zu haben. 

Freuddagegen zog es vor, auf ein Stuck Narzißmus 
von vornherein zu verzichten, und gewann eben da- 
durch die Vergrößerung der Obiektlibido, welche er zur 
Durchbrechung der Absperrung brauchte. Als äußere 
Zeichen dieses wesentlich anderen Standpunktes findet 
man in der psychoanalytischen Literatur: 


Das Fehlen der Aufblähung mit Literaturangaben 
usw.;. das Fehlen des Tabu der eigenen Sprache, das 


Arbeiten mit Begriffskernen: statt mit Begriffsgrenzen 


und mit einem flüssigen anstatt eines starren Systems 
‘von Arbeitsmaximen; das Fehlen der „Erwiderungen auf 
vorstehende Erwiderung”, das Ersetzen der -Antithese, 
des Entweder-OÖder durch das Sowohl-Als. 

‚Die ärztliche Psychoanalyse erscheint so als die 
Psychiatrie einer Gruppe von Beobachtern, welche darin 
übereinstimmen, daß sie, auf der Fußspur eines Einzel- 
nen, 
Libido beweglich gemacht haben. Nach der 
rung dieses Schlußsteines können auch die 
Fixierungen gelockert werden. | 

Uns, die wir zu folgen hatten, fiel diese Prozedur 
leichter, weil wir auch die Anziehung der für den Wis- 


Mobilisie- 
übrigen 


senstrieb neu entdeckten Gebiete auf uns einwirken’ 


lassen konnten. 
Wir müssen aber darauf bedacht sein, daß der Nar- 


- zißmus jederzeit auf der Lauer liegt, um sich wieder ein- 


zuschleichen;. am ehesten droht diese Möglichkeit von 
seiten der Moral, der Religion und der wissenschaft- 
lichen oder philosophischen Systematik. 

| Während die übrigen Psychiater den weiteren Aus- 
bau der Psychiatrie vor allem von Verbesserungen der 
Instrumente und ihrer Anwendungsweisen erwarteten, 
hat Freud verstanden, daß in erster Linie der Unter- 
sucher verbessert und für ‚seine Aufgabe geeignet wer- 
den sollte. Er fordert vom Forscher, daß er sich selbst 
analysiert habe ‘oder habe analysieren lassen, bevor er 
sich an die Krankenuntersuchung und -behandlung 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


 drängung in der Untersuchungstechnik”. 


einen Teil ihrer eigenen narzißtischen Portion der - 


und nicht zum ästhetischen Genuß” (S. 12). 


diese Befriedigung verzichtet der An 


INr. 408 
ij 


macht. Diese Operation ist unerläßlich und duniit 
nichts sonstiges zu ersetzen, auch. durch gründliche 
Studium der psychoanalytischen Literatur nicht, We 
sich ihr unterzogen hat, gewann sich eine Erweiterung‘ 
aes geistigen Blickfeldes, die fortan sein kostbare i 
Instrument wird. 

Dann stellt sich heraus, daß Problemgebiete, af 
denen früher undurchdringbare Finsternis. herrschte, wit 
beim Sonnenaufgang beleuchtet wurden. Das Gebiet ah 
Psychosen ist nicht, wie man meinte, das schwierigste f 
sondern das am leichtesten zu bearbeitende Gebiet di 
Psychologie. Paläopsychische Schichten, die sonst tif 
vergraben liegen und nur nach mühsamer Minenarbii 
abgebaut werden können, liegen dort offen zutage 
Was sich im Leben der Gesunden und der Neurofiiiif | 
nur durch Andeutung verrät, die nur das Mikroskop di$ 
Psychoanalyse in ihrem wirklichen Wert zu erkeni N 
vermag, liegt bei den Geisteskranken in karikaturhalt P 
Vergrößerung für jedes Auge sichtbar. Es fehlte m 
an Augen, die sehen, und Ohren, die hören, können. wif 
der Forscher konnte nicht hören und sehen, weil mug 
nicht sehen und hören wollte, weil die Verdränguäll | 
des Normalen es verhinderten. | 

Des weiteren wird nun 
Stärcke folgendes ausgeführt. 

„Verschiebung in der Richtung des Realität 
prinzips” ist das Wesentliche des Unterschieds, wie 
sich die Psychoanalyse und die sonstige Psyche 
trie gegenüber der Erforschung der Geisteskrankf 
heiten verhalten: Dann die „Beseitigung der Ver 
Ferne 
im Gegensatz zur klinischen Psychiatrie, die sch 
im Schaffen: von Typen erschöpft, die Neigus 
vom Typus zur Einzeltatsache zurückzukehrtf í 
Dann „das Vermögen, nicht beantwortete ie 
und unerledigte Probleme zu ertragen, im Ge 
satz zum Zwang zur Erledigung, zum  , 
mit den Problemen, sei es auch nur illusorisel] 
(z.B. die Histologie der Psychosen), bei der nicht | 
analytischen Psychiatrie” (S. 11). ‚Das Gebäulf 
von Hypothesen und die aus ihm hervorgehen 


Weltillusion soll als Arbeitsmaxime Ri 


von 


alte. (Laboratorium-)Psychiatrie löst sie (d t “f 
Bewältigung der "Gegenübertragung) nach dem 3 
zwangsneurotischen Mechanismus, sie geht t di] 
lebendigen Kranken .entweder ganz aus dem weeg 
oder nähert sich ihm nur durch Vermittlung oneik 
Armee von Apparaten jeder Art, die neben a 
angeblichen praktischen Bedeutung noch symb 
sche Bedeutungen haben, die sie dazu geeist f | 
machen, den verdrängten und unterdrückten | d 
gungen durch ziemlich kurzen Schluß doch eine i 
Abfluß zu geben, was unnützliche Pnergievot 


dung während der Arbeit bedeutet. Auch 
afytiker: ® | i: 


E t 


IE 1922 


; trachtet, die Kräfte, die auch ihn schließlich zu der 
Ẹ Arbeit treiben, so konzentriert als möglich auf den 
F kulturellen Zweck zu richten, auf den der Frzie- 
hung” (S. 12). , 

„Die prinzipielle Forderung für die psychiatri- 
i sche Untersuchung des Geisteskranken war: die 
F gesamten Erscheinungen und spontanen Äußerun- 
if gen des Geisteskranken -mit allen Mitteln festzu- 
halten, zu registrieren und zu messen, weiter: me- 
$ thodische Untersuchungen anzustellen, indem so- 
wohl Reiz als Wirkung genau bestimmt werden 
Sommer). | | 
Diese Technik wurde durch den Umstand un- 
$ fchtbar, daß der Untersucher seine „persönlichen 
i hler” nicht kennt und daher die dadurch ver- 
- sculdeten Abweichungen nicht in Rechnung brin- 
f genkann. Von diesen psychischen Skotomen wird 
| die Beobachtung der Sexualität, sowohl der geni- 
$ talen wie der infantilen, auto-erotischen, gründlich 
F zerstört, und wo die Beobachtung und Registrie- 
f lung noch stattfand, wird sie in der Verarbeitung 
Ẹ beiseite gelassen” (S. 12, 13). Ä 

„Dann werden bei der methodischen Registrie- 
7 ung von Reiz und Wirkung die Tatsachen, wel- 
i che darauf Beziehung haben, daß der Reiz auch für 
f die Trieb e des Untersuchten Bedeutung hat, 
I ebenso methodisch ignoriert. Ob der Untersucher 
$ ein Mann ist oder eine Frau, ob er alt oder jung, 
| ob er den Untersuchten schon länger kannte oder 
f nicht, in einem Worte dieser ganze Triebzusam- 
f Menhang, welchen die Psychoanalyse als Über- 
f agung und Gegenübertragung eben 
f æn Objekt: der Untersuchung macht. fehlt in den 
© Bychiatrischen Protokollen. 

f Um diesen Fehler zu umgehen, gibt es nur ein 

Nittel: die Psychoanalyse” (S. 13, 14). 

E Also: bevor der Geisteskranke psychoanaly- 
tisch untersucht wird, muß dies zuerst mit dem 
Untersucher geschehen (S. 14). - | 
I = folgen einige Betrachtungen über die „Über- 
I ng, aus denen sich allerdings ergibt, wie 


f erst wenig sich diese Methode für Geistes- 


| ee eignet. Und’ doch sagt der Verfasser 
| ie N Anbetracht der Möglichkeit einer, wenn 
| i A a analytischen, so doch nach analytisch 
Eo Leitsätzen geführten Therapie für 
p o bin ich, nicht so vollkommen pessi- 
f tascheng A die meisten.” Und es ist über- 
E Sperre i omisch: Nachdem der Sturmbock die 
O U rocken, ist, was sich an Aussicht 
Wird on das: „Wenn, wie es wahrscheinlich 
en Öleich chizophrenie einen organischen Boden 
| Pube Ei ner zwischen Keim- und 
“suruse findet, können wir darauf hin- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


251 


weisen, daß beide in die ganze Kette der sympathi- 
schen Bahnen eingeschaltet und für psychische 
Einwirkung zugänglich sind” (S. 16). Nach den 
eroßen Tönen der Posaunen von Jerichow ist das 
herzlich wenig. Aber der Trost wird bald in der 
nächsten Zeile gegeben: „Der Hauptzweck ist frei- 
lich das Studium der Ätiologie und damit der 
Prophylaxis? AS 16), Weiten? i 

„Der von Freud schon erreichte- Erfolg 
schreibt uns auch die Methode vor, der bei der 
weiteren Entwicklung der Psychiatrie. 
die Hauptrolle zufallen wird. Der Psychiater wird 
auf ein weiteres Stück seines Narzißmus verzich- 
ten müssen” (S.:16). 

„Mit diesem Gleichnis (nämlich dm Grimm- 
schen Märchen von der weißen Schlange) ist die 
Umwälzung zu charakterisieren, welche Freuds 
Lehre in das Leben des Psychiaters brachte, der 
sich erkühnte, von dieser verbotenen Schüssel zu 
kosten. ‚Die Gebärdensprache der Kranken, ihre 
phantastischen Wahnideen und ihr verwirrter Un- 
sinn bekamen einen Sinn, und damit ward der 
lebendige Kranke wieder Mensch unter Menschen, 
und nicht mehr, wie zuvor und wie jetzt noch bei 
einer Anzahl von wissenschaftlichen Anstaltsärz- 
ten, ein ziemlich wertloser Anhang zu seinem Ge- 
hirn, dessen Verscheiden mit kaum verdrängter 
Ungeduld abgewartet wurde, und der erst nach- 
her, im Laboratorium lege artis zerstückelt, zum 
Objekt eines ästhetischen Totenkultes ward. 

Das heißt: es ward durch Freu.d eine brauch- 
bare Gegenübertragung ermöglicht, deren 
Ermangelung oder Verdrängung (die verspätete 
Entwicklung der Psychiatrie verschuldet hat” 
(S. 19). Ä | 

Dabei wird in der Fußnote, S. 20, Freud zi- 
tiert (Zur Dynamik der Übertragung. Zentralbl. f. 
Psa. I, S.‘168 ff.): „Wo die Übertragungsfähigkeit 
im wesentlichen negativ geworden ist, wie bei den 
Paranoiden, da hört die Möglichkeit der Beeinflus- 
sung und der Heilung auf.” | 

„Der Begriff der Psychose ist nur in einer Ge- 
sellschaft denkbar; ein einzelnes Individuum, sagen 
wir Robinson Crusoe, könnte wohl eine 
Neurose, niemals aber eine Psychose bekommen, 
weil die Psychose nur im Verhältnis zu 
erkennenden 


einer. als; normal zu 

Gesellschaft bestehen kann” (S. 20). 
„Als geisteskrank gilt der Geseil- 

schaft, wer den Menschen ihr Un- 


bewußtes zu entschleiern droht, ohne 
daß sie sich auf andere Weise, als durch Seque- 
strierung dagegen verteidigen können. 

Dieses fünfte Kriterium ist das wichtigste, ihm 


TG a ae 


252 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT [Nr. auf 


gegenüber erscheinen die übrigen als Vorwände” 
(S. 22). 

Als diese vier „Vorwände” zählt nämlich S. auf: 
Soziale Lästigrkeit, Uneinfühlbarkeit, mangelndes 
Verhältnis zur Realität, Fehlen der Krankheits- 
einsicht (S. 20, 21). 

„Die Kriterien, welche die Psychiatrie für 
die Geisteskrankheit angibt, werden uns nicht lange 
aufhalten: sie fehlen” (S. 22). 

Die Psychoanalyse „hat den Laienbegriff der 
Geisteskrankheit (der Psychiater handelt — nach 
S. — bei dieser Begrifisbestimmung „einfach als 
Laie mit allgemeiner Vorbildung” — S. 21) als vor- 
handen zu akzeptieren und auf seinen unbewußten 
Kern zurückzuführen, den wir in der Bedro- 
hung der kulturellen Verdrängun- 
gen durch den Geisteskranken infolge seiner man- 
selnden Fähigkeit zur Lüge und zur Verstellung 
oder zur- Verdrängung und Domestizierung fanden” 
(S. 24). 

„Die Kultur der weißen Rasse ist eine krank: 
hafte” (S. 25). 

‚Die bisherigen Lösungen (nämlich des Kultur- 
problems) sind durch Unterschätzung der 
Ansprüche des Unbewußten, der 
Libido, mißlungen” (S. 28). | 

„Die durch Hygiene und Reinlichkeit aus Liebe 


und Arbeit zurückgedrängten analerotischen 


Quantitäten suchen-sich einen Ersatz im Stre- 


-ben nach Gewinnung von Produkten, schließ- 


lich. von Zeit und Geld, jenen beiden Fäkal- 
symbolen. (Dieser Charakter ist für die Kultur- 
gesellschaft eigentümlich.)” ~ (S. 30.) 

„Der Kulturmensch leidet an einer speziellen 
Form der Zwangsneurose Die Kultur der indu- 
striellen Produktionsperiode entspricht einer Re- 
gression auf die zweite prägenitale Libidoorganisa- 


tion” (S. 32). 


Von dem überwältigenden Eindruck der reich- 
lich lehrhaften, selbstgerechten und verächtlichen 


—  — @æste, dieS. dem psychiatrischen Leser zeigt, 
= haben wir uns zu erholen Gelegenheit beim Ka- 
= pitel V: „Die klinischen Tatsachen.” 
ee ' ‚sichtlich Vergleichung der Neurosen mit den Psy- 


chosen folgender „Tatbestand” angegeben: 1. „Psy- 


 chotische Symptomenkomplexe kommen in so bun- 
ter Mischung bei demselben Kranken zu gleicher 
Zeit oder aufeinanderfolgend vor, daß beinahe 
. kein Fall mit den künstlichen Krankheitseinhei- 


ten der Lehrbücher ganz übereinstimmt . ie 
(— was zu sehr verallgemeinert ist!). 2. esse: 
tische Symptome der verschiedensten Formen bil- 
den oft Vorspiel und Zwischenspiel der Psychose”. 
3. „Psychotische Symptome leichteren Grades fin- 


. Psychosen und Neurosen” 


Da wird hin- 


. ($. 44). 


jetet! 
. zurückgewiesen werden. Den Beweis dafür 


den sich bei vielen Neurotikern”. 4. „Vor Ab 
bruch einer Neurose oder ®iner Psychose piligi 
es Andeutungen von Erkrankung in verschiede 
Richtung zu geben, gleichsam Probensya i 
oder -neurosen” (S. 37-39). f 
Diese vier Dinge sind den Psychiatern, wie sf 
freimütig behaupten dürfen, bekannt, außer df 
„Probepsychosen” und „Probeneurosen” und df 
„nosologische Einheitlichkeit aller funktionella 
‚ die gestützt we 
durch „Freuds Entdeckung der relative 
Libidostauung als gemeinschaftliche Vena i 
lassung” .... (S. 39). i 
Trotz der Knappheit des Papiers kann (ch u i 
Lesern einige weitere Stellen nicht vorenthaltl 
„Betrachten wir die Beziehungen zwisch | 
Neurosen und Psychosen ausschließlich in beat 
auf die Libido, dann zeichnet sich ein Sysemf 
im Chaos der Neurosen und Psychosen ab. Die k 
Korrelationsstörung erfolgt durch Regression «if 
Libido zu der durch die individuellen Jugen. 
erlebnisse bestimmten Fixationsstufe. Die rege 
siv ausweichenden Libidofluten besetzen alli 
schon verlassenen Bahnen. Bei einigem Umia 
dieser Bewegung wird die Regression als Däft-f 
merzustand auffällig. Die übrigen Symptom. 
gehören größtenteils der Rekonstruktion an. Di i 
Hauptmasse “der Rekonstruktion erreicht bei iu 
Neurosen und Psychoneurosen die mp 
fantile Obijektwahl und die kriminellen Neigung 
und läßt soviel Libido normal fixiert, daß ii I 
Äußerung ein Kompromiß sein kann. Bei Vertoh | 
gungs- und Größenwahn bleiben störs i 
Quantitäten auf den homosexuellen, narzißtischl 
und sadistisch-analerotischen Stufen zurück, WE 
den Manisch-Depressiven auf den ersten. f 
und zweiten prägenitalen und narzißtischen St i 
bei der Zwangsneurose (einschließlich 4 
metaphrenen Kultur) auf der narzißtischel i 
und der zweiten prägenitalen Stufe. Manisch-k 2 
pressiver Psychose und Paranoid ist die sadistisch 
analerotische Fixierungsstelle gemeinsam” | 
(”Metaphrene” nennt S. die von Zeit und Geldzwalt i 
beherrschten normalen Menschen — S. 41). „Pi ; 
die Libido-Ökonomie. der Melancholie isi if | 
gegen typisch, daß auch die negative Analerot N 
nicht objekterotisch verarbeitet wird, sonder í al 
einer niedrigeren Stufe stehen bleibt und sch a 
negativer Narzißmus (Kleinheitswahn usw.) du 


i 
S 


4 


Y 
„Sekundär entwickelt dl Haß bei a 
tikern dadurch, daß von der Gesellschaft die Ub i o| 
tragungshandlungen der infantil gewordenen 


11922] 


fiede alltägliche Beobachtung der Irrenpflege’ 
7 „Es scheint mir nun so, daß, während der Ödi- 
Fpuskomplex sich bei Neurosen und Psychosen 
Ẹ durchzusetzen strebt und den Inhalt des Sym- 
f pioms bildet — in diesem Sinne ist dann der Ödi- 


f uskomplex besonders der Kern der Neurose —, 


f aneben bei der Zwangsneurose, der weißen Kul- 
Ffir und den meisten Anstaltskranken der Kastra- 
f tonskomplex eine größere Rolle spielt” (S. 46). 

| „Bei all jenen Syptomen wie dem Wahn, aber 
l auch den analogen Erscheinungen der Gesunden 
fwen wir eine überstarke Denklust an- 
M Atchmen, welche einer Libidoüberladung des Ge- 
F dims entspricht” (S. 53, 54). — — — | 


Damit möge die Wiedergabe beendet sein; ich 
‚ denke, daß sie den Leser davon überzeugen wird, 
f L dab man selbst S.s Schrift (wie so -manche an- 
f re psychoanalytische), gründlich studieren muß 
Füurch die Wiedergabe mehrerer Stellen wollte 
[ch dem nicht entgegenwirken, sondern im Gegen- 
| ‚ei nützen), 2. daß es höchste Zeit ist, den Sturm- 
Flöcken, die sich an den Geisteskranken festgerannt 
| taben, zu Hilfe zu kommen. Wenn oder vielmehr 
| f weil wir dabei die entgegengesetzte, jedenfalls eine 
T andere Richtun g einschlagen müssen, so müs- 
go wir uns desselben oder größeren Eifers be- 
Fileißigen, dieselbe Mühe und Zeit, oder noch: mehr, 
‚aufwenden, ‚wie die Psycholytiker. In letzte- 
FM sind sie uns in der Tat vorbildlich, wenn 
Ft bedenken, welch ungeheuren Reichtum sie aus 
fin Tiefen des Seelenlebens gehoben haben, ohne 


ü 
l 


| Geldmittel, ohne Forschungsinstitute, lediglich kraft 


~“ und nichts schonenden Kühnheit. Es wäre 
| : -aR sogar unverständig, zu verlangen, daß un- 
$ ! den Erträgen der Psycholyse nur Gold und 
i (elsteine, nur ewige Gesetze und unumstößliche 
| a Sich finden müssen. Wer das tut, der 
j, seiner Kritik fern bleiben. Es handelt sich 
| En Psycholyse davor zu retten, daß sie in 
Em N. verfällt, von dem zum Ergötzen für 
Eo achwelt nur epistulae virorum obscuro- 
E M übrig bleiben. 

| F - ra hen der Geisteskranken, auch der 
ii se bietet so unendlich viel, was zum 
E tanc psycholytischer Arbeit gemacht wer- 


f en kan . ' ; 
È tern En Eine ganze Generation von Psychia- 
f  sonnte dabei ihre befriedigende Lebensarbeit 


| tben dem 
f "i finden, 


ji Man braucht dazu keine Laboratorien, aller- 


8s: labor, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


fS Geistes und einer vor nichts zurückschrek- 


wenig befriedigenden praktischen Be-- 


253 


Die vereinigte psychiatrisch-psycholytische A u ßen - 
arbeit scheint mir allerdings noch dringlicher und 
wichtiger als die an den „Anstaltsirren”, die Starcke 
so nachdrücklich empfiehlt; und zwar möchte ich raten, 
an einer Reihe von Personen und Typen im heutigen 
Rußland die psychoanalytische Arbeit möglichst bald zu ` 
beginnen, ehe diese schönen Untersuchungsobjekte ver- 
schwinden und für immer der Wissenschaft verloren 
gehen. Vergl.: Im. sterbenden Land. Eine RUD 
landreise im Sommer 1921. Von A. Kett. Schlesi- 
sche Zeitung, Breslau, vom 18. bis 24. Aug. 1921. 

Von kultureller Bedeutung und sehr reichen Ertrag 
versprechend wäre z. B. auch eine psychoanalytische 
Untersuchung über Gründe und Wirkung der Beschnei- 
dung bei Ägyptern, Arabern, Türken. Hierüber findet man 
in der psychoanalytischen Literatur auffallend wenig. In 
dem vierten Heft von „Imago“ (auchim Internationalen psy- 
choanalytischen Verlag) befindet sich ein Aufsatz von 
Ludwig Levy: Ist das Kainszeichen die Beschnei- 
dung? Leider ist mir diese Arbeit nicht zugänglich. Ich 
verstehe nicht, wie man solche Frage überhaupt stellen 
kann. Die Beschneidung ist nichts anderes als eine 
hygienische Absichten verfolgende Maßnahme, für Süd- 
länder vielleicht angebracht (aber nicht notwendig), 
sonst hätte sie sich auch bei Nordländern eingeführt. 

Bei Völkern heißer Himmelsstriche gibt es bekannt- 
lich auch eine Beschneidung von Frauen. 

Diese Verstümmelung, die auch hygienische Nach- 


teile hat, ist von demselben Gesichtspunkte zu beur- 


teilen wie die Beeinflussung von Kopf- und Fußform | 


bei manchen Völkern. 

Sie ist jedenfalls ungemein reich an Gesichtspunkten 
für psychoanalytische Sexualforschung. Vergl. Berg- 
son, Die Beschneidung vom historischen, kritischen 
und medizinischen Standpunkt. Berlin 1847. 

Auch die „Hottentottenschürze” wäre ein Gegen- 
stand psychoanalytischer Forschung. 

Hinsichtlich psychoanalytischer Behandlung von 
Dementia praecox entnehme ich dem eben 
erschienenen Buch von Ernst Jones (London), 
Therapie der Neurosen, Internationale ‘psychoana- 
Iytische Bibliothek Bd. 11, Internationaler psycho- 


 analytischer Verlag, Leipzig, Wien, Zürich: 1921, 


S. 175 folgendes: „Auch die Psychoanalyse hat auf 
diesem Gebiet manches geleistet und dank der 
Forschungen Jungs und seiner Schüler ist die 
Pathogenese der Paraphrenie um vieles verständ- 
licher geworden. Es gelingt nicht selten, be- 
stimmte Symptome durch die Auflösung mittels 


‚der Psychoanalyse in ähnlicher Weise wie bei den 


Neurosen zu beseitigen und das Allgemeinbefinden | 


. des Patienten in bedeutendem Maße zu heben. In 


Ausnahmsfällen scheint der Patient sogar seine 
normale Gesundheit und volle Leistımgsfähigkeit 
wieder zu gewinnen; selbstverständlich hat man 
damit die Krankheit selbst nicht geheilt und die 
Gefahr eines späteren Rückfalls bleibt immer be- 


254 


stehen. Es scheint auch möglich, daß die Analyse, 
besonders wenn sie von Ungeschulten ohne Beob- 
achtung der entsprechenden Vorsichten angewen- 


det wird, gelegentlich den Zustand des Kranken 


verschlimmern kann, man muß aber bedenken, daß 
man bei einer derart hoffinungslosen Krankheit be- 
rechtigt ist, einiges zu riskieren. Jedenfalls kann 
man. sagen, daß trotz des wenig geeigneten Matė- 
rials die Psychoanalyse bei der Behandlung dieser 
Krankheit hofinungsvollere "Aussichten eröffnet als 
alle anderen therapeutischen Methoden” (S. 168). 

Beim : manıisch-depressiven  Irre- 
sein meint Jones: „Die Aussichten auf einen 
therapeutischen Erfolg sind bei dem manisch-de- 
pressiven Irresein bei weitem günstiger, besonders 
bei seiner zyklisch wiederkehrenden Form, die, 
wie oben bemerkt, so häufig fälschlich. als Neur- 
asthenie diagnostiziert wird. In den akuten Sta- 
dien der Manie oder Depression ist jede Behand- 
- Jung so gut wie ausgeschlossen, so daß man ge- 
nötigt ist, die freien Zwischenzeiten abzuwarten. 
Forschungen von Abraham, Maeder und 
= mir haben gezeigt, daß viele derartige Fälle in 
. viel weiterem Umfange, als man für möglich ge- 
halten hätte, durch eine psychoanalytische Be- 
handlung günstig zu beeinflussen sind. Besonders 
Abr aham hat viel zum Verständnis der psychi- 


© "schen Struktur dieser Krankheit beigetragen; er 


legt besonderen Nachdruck auf die Ähnlichkeiten 
. zwischen ihr und der Zwangsneurose. Anderer- 
seits hat Brill nachgewiesen, daß manche Fälle, 
diein jeder Hinsicht das Bild eines manisch-depres- 
siven Irreseins zeigen, sich im Laufe einer Analyse 
als Angsthysterie herausstellen, was ich . aus 
meiner eigenen Erfahrung voll bestätigen. kann. 
Es scheint, daß man beim manisch-depressiven 
Irresein, der Psychogenese nach, zwei deutlich 
gesonderte Gruppen unterscheiden muß, von denen 
die eine im Aufbau den Neurosen, die andere der 
Paraphrenie ähnlich ist. Im ersteren Falle ist eine 


= psychoanalytische Behandlung ‘ziemlich aussichts- 


reich; sie kann, wenn die Umstände günstig sind, 
zu einer vollständigen und dauernden Heilung füh- 
= ren. Dagegen ist es mir bei. Fällen der zweiten 


Gruppe niemals gelungen; einen Patienten herzu- 


stellen; man kann aber auch hier manches dazu 
tun, um die Anfälle ihrer Intensität und Häufigkeit 
nach zu ermäßigen. Ich möchte noch hinzufügen, 
daß man bis heute, außer auf dem Wege einer psy- 
. choanalytischen Untersuchung des Falles, keine 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚von 


fälle bei Krankheiten auftreten können, die ME 


IN r. 4l] N | 


Möglichkeit kennt, diese beiden Arten des manisi 
depressiven Irreseins voneinander zu at í 
den” (S. 168). | 

Hinsichtlich Epilepsie sagt Jones: Bi if 
nicht leicht, in diesem Zusammenhang etwas ih 
die Epilepsie zu sagen, weil ja die wesentliche NE 
tur dieser Krankheit heute noch ganz ungeklärtiif 
Man meint allgemein, daß jetzt mehrere, ganz vw 
schiedenartige Krankheitsformen unter dieser BE 
zeichnung zusammengefaßt werden. Bei einig 
ihnen ist eine therapeutische Beeinflusuf 
wahrscheinlich möglich, bei anderen nicht. Jede i 
falls weiß man, daß viele Fälle, die von erfahren 
Autoritäten als Epilepsie diagnostiziert wurd 
durch eine psychische Behandlung sehr gebes 
ja sogar geheilt werden konnten. Man verwent f 
bei solchen Behandlungen die Hypnose, die Ni 3 
erziehungsmethoden und die Psychoanalyse; & 
Kompliziertheit der Krankheit läßt uns aber u 
muten, daß hier die gründlichsten Methoden g 
aussichtsreichsten sein werden. Es ist seit einig 
Jahren bekannt, daß ganz typische epileptische At 


= = m K Far, 2 s = 3 


a Ey 


21, af ee 
— = 


psychischen Ursprungs sind, und es wäre ein g 
Ber Gewinn, wenn wir derartige Fälle klinisch WE 
den schweren Formen unterscheiden könnten, Ip 
denen eine psychische Behandlung nicht einmal 
den Anfangsstadien etwas ausrichten kann. Mif 
der, Sadger, Stekel und. andere hate 
schon viel dazu beigetragen, um die Psychogasp 
der einzelnen Formen von Epilepsie festzustell f 
; Pierce Clark und Mac Curd! f 
Rinerikä 2... wiesen nach, daß eine psychoati 1 
lytische Behandlung auch bei Epilepsiefällen in vg 
geschrittenerem Stadium von überraschend ai 
Erfolg sein kann.” 
Bei seelischem Verfall hält freilich auch Jon ; 
jede psychische Behandlung für vergeblich. I 
Man sieht, es ist vorläufig recht dürftig, "f 
die’ Psychoanalyse, wie sie ist, bei den Psi . 
chosen leistet, und diese Leistung rechtfertigt # | 
nicht den Ion, den Psycholytiker gegen die sf 
chiatrische Wissenschaft anschlagen, bowè i } 
mehr, daß dieser Ton der Ausdruck eigener “ap 
macht ist, ein Hilfeschrei. i 
Jones schreibt in 14 Zeilen von der Per 4 
analyse bei Verbrechern. Ich möchte den K i 
tern der Psychoanalyse empfehlen, sich mit IE 
sem ran eingehender zu befassen. 
ae if 


ane r2 Piara e re us, PEST An u a TE ER en 


u z 
Nu TE a a a Fi U S > 


11922) 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


255 


Über subjektive optische Anschauungsbilder. 
| | Von E. R. Jaensch. 
Referat, gehalten auf dem 7. Psychologenkongreß zu Marburg, April 1921. (Auszug). 


F gibt Individuen (sogenannte Eidetiker), wel- 
{H che die Fähigkeit besitzen, eine einmal gese- 
Fiene Vorlage nach längerer oder kürzerer Zwi- 
schenzeit zu reproduzieren, d. h. mehr oder weni- 
ger deutlich zusehen. Rudimente dieser eideti- 
if schen Fähigkeit finden sich — wie Untersuchungen 
fies Marburger psychologischen Instituts zeigten 
f bei fast allen Jugendlichen, während der Pro- 


. 


Naschiedenheiten unterliegt (in Marburg 40 v. H.). 
F Dise örtlichen Schwankungen sind darauf zurück- 
ii alihren, daß die seidetische Fähigkeit — nach Un- 
Ẹ ersuchungen von Walther Jaensch — zu 
(| imersekretorischen Vorgängen in enger Beziehung 
seit; in dem Zusammenspiel der inneren Drüsen 
bestehen aber, wie die moderne Medizin lehrt, 
i Starke örtliche Verschiedenheiten. Entsprechende 
Pinschauungsbilder (auch „Erscheinungen von Sin- 
if lengedächtnis” genannt) gibt es auch in schwäche- 
tet Verbreitung im Gebiet des Gehörssinns und 
[roch einiger anderer Sinne; im Gebiet der Tast- 
f npfindungen dagegen sind sie fast ebenso häufig 
vie im Gebiet der. optischen Empfindungen. 

Dieeidetische Fähigkeit wird sodann an einem mittel- 
f ark ausgeprägten Fall demonstriert. Der jugendliche 


nt 


J Eidetiker blickt kurze Zeit auf ein detailreiches Bild, 


f 5 eisens zu diesem Zweck gezeichnet ist und daher 
N A ihm noch nicht gesehen sein kann. Wenn. er 
saubt, daß er davon ein Anschauungsbild erzeugen 


| Br auf einen homogenen grauen Projektionsschirm, 
| T er das Bild in höchster Deutlichkeit wieder sieht 
| Seh s0 beschreibt, daß dazu ‚nur ein unmittelbares 
E auen, keine bloße Erinnerung genügt. Da die Vor- 
Í En hinter dem Rücken der Versuchsperson im 
5 i erscheint, können sich- die Zuhörer beständig 
1, o Richtigkeit der Angaben des Eidetikers über- 
k. = Es kann nach den kleinsten Einzelheiten in 
Ei gefragt werden. Der Eidetiker sieht die- 
E n ‚einem Anschauungsbild in höchster Deutlich- 
E und gibt mit großer Sicherheit dementsprechende 
F antworten, / EN 


in. otersuchungen des Marburger psychologi- 
OA ituts haben nun ferner gezeigt, dab diese 
T eine allgemeine Ei gen- 
R a eit d es Jugendalt ers ist, | die 
T ea Pubertät herum gewöhnlich verliert, 

Bensalter en Personen aber auch im späteren Le- 
P ostbarer p. tinden ist, und von ihnen oft als ein 
| Wird Ten des seelischen Lebens empfunden 
$ ewe o o 


je x E \ | 
Weiteren Forschungen ergaben, daß das 


f ctsatz der stark ausgeprägten Fälle örtlichen 


| kann, wird das Bild fortgenommen, und er blickt nun- ` 


Anschauungsbild eine Mittelstellung einnimmt 
zwischen dem physiologischen Nachbild und dem 
reinen Vorstellungsbild. Nachbild, Anschauungs- 
und Vorstellungebild bilden eine aufsteigende. Reihe 
von Gedächtnisbildern; der Übergang zwischen 
ihnen ist ein kontinuierlicher, so daß das Anschau- 


ungsbild bald dem Vorstellungsbild, bald dem 
Nachbild näher stehen kann. 

Das ArsSschHanmuneshpild ist: ia m 
Feb die anfäneliche - undifieren- 
Die rte n Dine rtra eS EET ESS eT S Oy 
wobl die Wahrnehmungen wie die 


Vorstellungen erst entwickeln.) 
Die Bedeutung der Anschauungsbilder für die 
Entwicklung der Wahrnehmungswelt kann nur an 
wenigen Beispielen dargetan werden, zunächst an ` 
dem Beispiel über die Ausbildung der Sehgröße, 
also derjenigen Größe, in der wir die Dinge der 
Außenwelt wahrnehmen. Entferne ich z. B. einen 
Gegenstand vom Auge, so verkleinert sich die 
Größe des von ihm erzeugten Netzhautbildes pro- 


portional der Entiernungsänderung. Die schein- 
bare Größe des Gegenstandes — also diejenige 
Größe, in der er uns wirklich .erscheint —- 


bleibt aber annähernd konstant. Diese soge- 
nannte Sehgröße wird iin der eideti- 
schen Entwicklungsphase ausgebil- 
det; das jugendliche Sinnengedächtnis ist dem- 
nach derjenige Gedächtnisfaktor, den schon 
Helmholtz für das Zustandekommen der Seh- 
größe postulierte. A 

Die Ausbildung der Sehgröße wird durch eine De- 
monstration noch näher erläutert, bei der sich. ein in 
die Ferne rückendes Quadrat für den Eidetiker all- 
mählich in gesetzmäßiger Zunahme vergrößert, und 
zwar dadurch, daß dieses wirkliche Quadrat und ein 
von ihm mittels vertiefter Betrachtung erzeugtes An- 
schauungsbild zu einer neuen Erscheinungsweise ver- 
schmelzen: zu einem Mittelwert zwischen wirklichem 
Quadrat und Anschauungsbild. | 


Bei den weiteren Untersuchungen über den Auf- 


‘bau der Wahrnehmungswelt in der eidetischen 


Jugendphase. stellte. Sich eine enge Bezie- 
hung. zwischen dem zewöhnlichen 
und dem eidetischen Sehen heraus. 
Das zeigte sich insbesondere bei Versuchen über 


1) Diese Tatsache, die sich erst im Verlauf der Un- 


‚tersuchungen herausstellte, und die hier nicht näher er- 


läutert werden kann, mußte in. diesem kurzen Auszug 
vorweggenommen werden, um das nähere Verständnis 
der folgenden Ausführungen zu erleichtern. 


256 


die Herine-Hillebrandsche Horop- 
terabweichung. Bei diesen Untersuchungen, 
die wieder mit einer Demonstration erläutert wer- 
den (deren Erklärung hier zu weit führen würde), 
ergaben sich für das gewöhnliche Sehen drei ver- 
schiedene Typen, denen drei ähnliche Typen 
im ausgeprägten Maße auch für das eidetische 
Sehen entsprechen, und zwar so, daß eine Ver- 
suchsperson, die beim eidetischen Sehen zum ersten 
Typus gehört, hierzu auch im gewöhnlichen Sehen 
gehört usf. | 

Es zeigte sich also — kurz und zusammenias- 
' send gesagt —, daß die Wahrnehmungen nicht ein- 
fach gesetzmäßige eindeutige Zuordnungen zu den 
Reizen sind, wie die vielfach hypothetisch ange- 
nommenen „reinen Empfindungen”, sondern dab die 
Wahrnehmungen ähnlich wie die Vorstellungen be- 
reits eine sinnvolle, rationelle Verarbeitung zeigen. 
Das tritt besonders bei dem erwähnten Beispiel 
der scheinbaren Größe in Erscheinung, denn die Seh- 
größe gibt in gewissem Umfang die Größenverhält- 
nisse der wirklichen Objekte richtig wieder und ist 
nicht durch die Größe des Netzhautbildes bestimmt, 
wie es von einer reinen, psychisch unverarbeiteten 
Empfindung zu erwarten wäre. Das kommt daher, 
daß in der eidetischen Entwicklungsphase der ur- 
sprüngliche Reizerfolg gar nicht eine reine Emp- 
„Jndung ist, 


-ungsbild nahestehenden Erlebnis Anlaß gibt. 

= Für die Entwicklung der Vorstellungswelt sind 
"hauptsächlich Untersuchungen über die Ausbil- 
dung des Allgemeinbegriffes zu nen- 
nen. Bekanntlich behauptet sich seit Aristoteles 
hartnäckig eine Begriffstheorie, die man gern durch 
die Galtonsche Typenphotographien zu erläutern 
pilegt, bei der mehrere Bilder von Individuen oder 
Obiekten mit gleichem Gattungstypus, aber indi- 
vidueller Differenzierung, aufeinander gelegt wer- 
den, um durch Verstärkung der gemeinsamen und 


t i : 


Einrichtung und Kohlenbelieferung gestatten 


hier die N alung nur bei Tage und 


stundenweise. | 

Einen Einfluß auf Abkürzung ‚der Dauer der 
‚Psychosen vermögen wir nicht zu konstatieren. 
Wohl aber eine Vermindering. der Intensität der 
Erregung. 


Den  Hauptvorteil erblicken wir in der Ab- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


diesen Fluxionserscheinungen, 


n | sondern. zu_ einem Anschauungsbild 
oder — richtiger gesagt — zu einem dem Anschau- 


Bäderbehandlung in den Irrenanstalten. 
(Siehe Nr. 33/34. 1921/22.) 


Mitteliränkische Heil- und Pilegeanstalt Ansbach. 


[Nr. A 


Abschwächung der ungleichartigen Züge ein Bi 
zu erhalten, auf dem der Gattungstypus in deutidp 
ster Ausprägung zu finden ist. Von philosophisc 
Seite ist schon oft gegen diese Anschauung lebn d 
ter Einspruch erhoben worden. I 
Die Untersuchungen des . Marburger Institif 
zeigen nun, daß bei der Ausbildung eines Alg 
meinbegriffes vor allem zwei ganz andere Sie 
thesenfiormen in: Erscheinung treten, die df 
Fluxion und sinngemäße Komp 
tion bezeichnet wurden. Die Fluxion ist üf 
anschauliche Form des sog. Reihenbegriffes di l 
neueren Logik. Das Denken Goethes fubte ag 
so vor allem WE 
seinen biologischen Gedankengängen. Bei uf 
sinngemäßen Komposition wird durch ein bestit 
tes Konstruktionsprinzip eine in der Vorlage mig 
nicht enthaltene Synthese verwirklicht. — 
Wichtig ist auch, daß in der seelischen Wig: 
des Eidetikers gewisse Werbe i 
punkte walten. — 1 
Ohne Zweifel sind diese Ergebnisse nicht al | \ 
für die Psychologie, sondern vor allem auch tür ug 
Pädagogik und andere naheliegende Gebiete 4f" 
Lebens und Wissens von großer Wichtigkeit. DIF 
Bedeutung dieser Erscheinungswelt für die PAR 
agogik ` konnte durch besondere Untersuchungdf 
von Oswald Kroh erhellt werden. Auch úf 


Schulmedizin wird durch die im‘ Anschlu % 


| . diese Arbeiten unternommenen psycho physi | 


schen Konstitutionsuntersuchuisf® 
von Walther Jaensch wertvolle Anregung 
empfangen, worüber gesondert berichtet were | 
mag. i 
Schon diese kurzen Darlegungen werden vo | 
gezeigt haben, daß weitere Forschungen über & 
ses neue Erscheinungsgebiet für den Schulmamg 
den Arzt und vor allem für den Philosophen Wp 
gleicher Wichtigkeit sind und weitere bedeutung | 

| 

I 

I 


reiche Perspektiven eröffnen werden. 


H 


sonderung der unruhigsten Elemente im pawei 
bad, wodurch die Ruhe der übrigen Atene 
insassen weniger gestört wird. Vorteilhaft w | 
Dauerbäder durch die bessere Hautpflege, & die ¢ af 
mit verbundene Reinlichkeit, die Abhaltung "É 
Schmieren und die Verhütung von Dekublf 
Da die Dauerbäder den Kranken ermüden, o 
ihre schlafbringende Wirkung entsprechent 4 

zuschlagen. Dr. Herfe!® 


F| 
4 
4 
| 
Bj 
ei 
ri 
Ei 


=. - Vorschläge zur Befreiung des Venenkreislauies 
Fund zur direkten Desinfektion des Gehirns. Von An- 
Fionund Voelcker, Halle a. S. Münch. med. Wo- 
WẸ chenschr. 1920 Nr. 33. | 

WW Verff. brachten eine isotone Jodlösung, von dem 
“medizinischen Chemiker Prof. Pregl in Graz, durch 
“Eden Sinus iongitudinalis in das Gehirn, Thrombosen und 
f oxische Wirkungen blieben aus, so daß die Verff. glau- 
ben, mit diesem Präparat einer Desinfektion des Gehirns 
A näher gekommen zu sein. Kürbitz, Sonnenstein. 


N. 
O SE 
n 5 

: 
EM. 
Il "WU 


| Buchbesprechungen. 


r Pe- Schall, Hermann, leit. Arzt des Kindersana- 
f ims Schwester-Frieda-Klimsch-Stiftung in Königs- 
i fid (Bad. Schwarzwald), und August Heisler, leit. 
faz des Sanatoriums -Luisenruhe. für Erwachsene in 
N Königsfeld (Bad. Schwarzwald): Nahrungsmitteltabelle 
1 ar Aufstellung und Berechnung von Diätverordnungen 
Für Krankenhaus, Sanatorium und Praxis. VI, völlig 
| Itubearbeitete Auflage. 74 S. Leipzig 1921, Verlag von 
| Curt Kabitzsch. Brosch. 18,00 M. 

i Eine geordnete Krankenhauspflege setzt voraus, daß 
Mi Krankenhausarzt über die Kalorienzahl der Ernäh- 


mng täglich auf dem Laufenden gehalten und in die 


‚pie versetzt wird, durch Kostverordnungen Ernäh- 
Aungszustand und Genesung zu beeinflussen. Wo das 
fut geschieht, dahin wird -man nur notgedrungen 
[ranke schicken. Es ist aber wohl ausnahmslos in den 
Eikentänsern der Fall, daß bei Aufstellung des Haus- 
“lsplans das Arztekollegium nicht nur in erster Reihe 
FO die Beköstigung gehört wird, sondern dafür auch 
Füsschlaggebend ist. 


U Fü 1 z : 7 
t. ir diese Zwecke nun ist das vorliegende Buch ein 


“ Arbeit der Berechnung wesentlich erleichternder 
nlicher Ratgeber. 

i an sollte von Dienst wegen jedem Krankenhaus- 
Stück dieses trefflichen Buches zur Verfügung 
ent aber, daß er bei der Verpflegung 
RDR 1 hat. Der privatpraktische Arzt wird es 
I Such verwenden können. | 

| k i Preis ist angesichts der vielen Tabellen sehr 
i f t Geisteskranke” sind in Gruppe B, mittel- 
{io © Arbeit, gerechnet (S. 63): Kaälorienbedarf in 
h a \ kg Körpergewicht 45,0, je 70 kg 3150, land- 
Fan bis a Arbeiter, Gruppe D: 60 bis 85 bzw. 
die, ih Auch z. B. für Bettruhe und Zimmerruhe 
E U erechnung angegeben (S. 62). B. 
Mischer F ; ö r Dr. Kurt, Nervenarzt in Berlin, neuro- 
Fien a = beirat beim Hauptversorgungsamt: Leit- 
Ti... eurologischen Diagnostik. Eine Differential- 
Arzte 


À 


4 


FA Stu 


I. mn Studierende. , 201 S. Mit 33 Abb. Berlin und 
u. l; Urban & Schwarzenberg. | | 
nik a eine Methodik der neurologischen Dia- 


I; M 


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PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


- aus dem führenden Symptom für praktische 
Grethlein & Co. 


"auszuarbeiten oder zu umreißen, zu zeigen, 


257 


Referate. 


wie man aus der Erkenntnis, Verwertung und Abgren- 
zung eines Symptoms oder dominierenden Symptomen- 
komplexes zu einer konkreten diagnostischen Schluß- 
folgerung kommen kann. Das Buch ist also kein Kom- 
pendium. Es werden daher die einzelnen, führenden 
Symptome behandelt wie Lähmungen, Empfindungsstö- 
rungen, Muskelschwund, Abschwächung ‚und Steigerung, 
der Sehnenreflexe, Gehstörungen, Zuckungen, Krämpfe, 
Zittern, Neuralgien, Kopfschmerz, Schwindel, Bewußt- 
losigkeit, Sprachstörungen, Pup:ienstörungen, Sehstö- 
rungen, Augenmuskellähmungen, nervöse Erkrankungen 
innerer Organe, Nervosität. 
Diese Art der Darstellung hat gewiß viel für sich. 


— Ziehen, Prof. Dr. Th., Halle a. S.: Leitfaden 
der Physiologischen Psychologie in 16. Vorlesungen. 
11. umgearbeitete Auflage. 592 S. Mit 77 Abb. im Text. 
Jena 1920, G. Fischer. Brosch. 60,00 M, geb. 70,00 M. 

Dieses Buch ist nun 30 Jahre alt und nennt sich 
trotz der mit jeder neuen Auflage erfolgten Erweiterung 
noch immer bescheiden Leitfaden”, während es in 
Wirklichkeit zum stattlichen Lehrbuch herangewach- 
sen ist. 

Über den Inhalt dieses der assoziationspsychologi- 
schen Richtung angehörenden Buches braucht hier nichts 
Besonderes gesagt zu werden; es würde auch zuviel 
Raum beanspruchen, wenn man der-Bedeutung desselben 
einigermaßen gerecht werden wollte: 7 ` 

Wir halten es für das Lehrbuch -der Physiologi- 
schen Psychologie. 

— Wilm, Hans: Wilhelm Il. als Krüppel und Psy- 


chopath. Abrechnung mit der Entente und dem Mon- 
archismus. 154 S. Berlin SW. 48 1920, Verlag A. Ger- 
hard & Co. | 


Schade, daß Verfasser nicht alles das, was er 


schreibt, lange vor dem Kriege.‘der Welt mitgeteilt und " 
mit Einsetzen seiner Person zur Geltung gebracht hat. 


Aber zu solchem Tun ist nun Gelegenheit. Es gibt jetzt 
eine Anzahl Krüppelpsychopathen, welche ganze Völker 
tyrannisieren und verelenden lassen; übrigens brauchte 
Verf. sich nicht wissenschaftlich-peinlich auf Krüppel- 
psychopathisches zu beschränken. Es geben auch ‚an- 
scheinend normal geartete, moderne, vorläufig unge- 
krönte Überkaiser Anlaß und Unterlage genug zur 
„Psychoanalyse. 

„Er mußte Krüppelpsychopath sein, um für das ge- 
schichtliche Bewußtsein die Unzulänglichkeit des alten 
Monarchismus klar herauszustellen. In diesem Sinne 
trug er eine große Sendung” (S. 129). 

Diese Bemerkung verrät des Verfassers in die tief- 
sten. Tiefen des Sinns der Weltgeschichte reichenden 


- Blick. Möchte der Verf. uns recht bald und ebenso geist- 


reich auch über die Zukunft belehren. B. 


— Frank, Dr. Ludwig, Nervenarzt in Zürich: 
Seelenleben und Erziehung. 334 S. Zürich”und Leipzig, 

Geh. 12,00 M. 2 | 

Aus einer Reihe von Vorträgen vor Laien entstan- 
den, daher in allgemein verständlicher ‚Weise abgeiabt 


„verstärkt wird, das möchte ich als wahrscheinlich, 


258 


sind die Ausführungen Franks. Für Eltern und Er- 
zieher gleich wichtig ist das Erkennen normaler und ab- 


normer Vorgänge, auf die große Bedeutung der ver-. 


schiedensten Gefühle wird ausführlich eingegangen, be- 
sonders werden die pathologischen gewürdigt und die 
Liebe als Grundlage ieder Erziehung aufgefaßt. Eine 
Keihe von Beobachtungen erwähnt Verf., um seine Dar- 
legungen verständlicher zu machen. Durchaus kanı 
‚man ihm nur beistimmen, was er über die sexuelle Auf- 
klärung der Eltern (nicht der Lehrer!) sagt,'und auch 
sonst halten sich seine Ausführungen fern von jeglicher 
Einseitigkeit und Übertreibung. 

Einzelheiten müssen in dem Buch selbst, das Eltern 
und Erziehern manche Klarheit bringen und manchen 
richtigen Weg zeigen wird, nachgelesen werden. 

- Kürbitz, Sonnenstein. 


Iherapeutisches. 


— Über prophylaktische postoperative Krebsbehand- 
lung. Vortrag, gehalten von Ferdinand Blumen- 
thal, im Verein für innere Medizin und Kinderheil- 
kunde zu Berlin am 26. Januar 1920. Aus dem Universi- 
tätsinstitut für Krebsforschung. an der Charite in Berlin. 
Deutsch. med. Wochenschr. Nr. 19 vom 6. Mai 1920. 

Durch große Dosen Atoxyl mit arsenigsaurem Na- 
trium, vielleicht auch von Solarson, sind wir in der 
Lage, Krebskachexie an und für sich, aber auch wäh- 
rend der Bestrahlung zu bekämpfen. Das gestattet uns 
ohne Bedenken, recht energisch, zu bestrahlen, und 
das ist sicherlich schon ein Fortschritt gegen früher. 
Ob auch durch das Arsen die Wirkung der Bestrahlung 
nicht 
aber als bewiesen hinstellen. 


— Über ein neues Prophylaktikum gegen Gonorrhoe 
(Choleval-Schutzstäbchen). Von Dr. Julius Fürth. 
-Klinisch-therapeutische Wochenschr. 1921. Nr. 17-18. 

Die genaue Bewertung eines Schutzmittels wird 
stets problematisch sein, denn die Anwendung hängt 
mehr oder minder vom guten Willen der Versuchspersonen 
ab; auch ist man allzusehr auf subjektive Angaben an- 
sewiesen, ohne diese auf ihre Obiektivität nachprüfen 
zu können. Immerhin kann F. über „relativ gute Er- 
 iclge” berichten. Die Choleval-Schutzstäbchen wurdci: 
nach vorausgehender gründlicher Belehrung an Offiziere 
und Mannschaften verteilt. In mehreren Fällen ist nach- 
gewiesen worden, daß beim Verkehr mit ein und der- 
selben infizierten Frauensperson. bei Anwendung der 


Gholeval-Schutzstäbchen eine Infektion mit Gonokokken 


‚nicht stattfand, während ein Mann, der das Schutzmittei 
nicht anwendete, erkrankte. In der Privatpraxis, wo die 
| Kontrolle etwas leichter ist, waren ebenfalls recht gün- 
stige Resultate. zu ‘verzeichnen. Dem Choleval wird 
auch als Prophylaktikum eine gute Voraussage gestellt. 

— Über Prognosestellung bei der Lungentuberkulose 
- mit Partialantigen- und Urochromogenreaktion. Von Dr. 
Raphael Möller, Hamburg, Aus. dem weiland 


a 
Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in De 
Für den Anzeigenteil verantwortlich: Carl Haenchen in Halle a. S. — Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der 
Verlag: Carl Marhold E a LS BAR Halle a. S. — Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


` und auch andere immer wieder betont haben. 


"versetzt. 


[4 J k » 


[Nr. 4i 
Tuberkulosenlazarett (Res.-Laz. VI) in Altona. (Pr 
Dr. Much.) Med. Klinik 1921 Nr. 8. 3 
Zusammenfassung: 1. Die einmalige Prüfung d i 
Intrakutanreaktion vermag in den beiden ersten Stadi 
keine Prognose anzugeben, wie dies besonders Mut 


2. Im dritten Stadium unterstützt ein negativer Åi 
fall der intrakutanen Partigenreaktion die ungünsl 
Prognose, die aus den klinischen Symptomen ewig 
wird. 

3. Ein Überwiegen der Albumintüchtigen bei Li 
tuberkulose muß im Gegensatz zu Müller in Al 
gestellt werden. 4 

4. Prognose ist nur möglich bei wiederholidă 
fung, aber nur mit Partigenen, nicht mit Gemische 
unter gründlicher Kenntnis der ‚biologischen Gest 
(Siehe auch Much, Brauers Beitr. 1921.) 

— Klinische Beobachtungen über Cymarit, Wp 
Franz Osthoff aus Münster i. W. Aus der ini 
Abteilung des Marienkrankenhauses zu Hamburg” 
auguraldissertation zur Erlangung der Doktor würde 
medizinischen Fakultät zu Kiel. ; 

Cymarin hat sich als ein gutes Cardiotonicum,i i 
reticum und Sedativum bewährt. a 


- — —- c — c 


Personalnachrichten. 


— Sonnenstein. Reg.-Medizinalrat Dr. Bi 
Oberarzt an der Landesanstalt Sonnenstein, ist 4 
1. Januar 1922 an die raudesansiall Dösen bei La 


— Flehingen. Reg.-Medizinalrat Prof. Dr. Ad 
Gregor, ärztlicher Leiter des Heilerziehungsheims Ki 
meusdorf und Oberarzt der Sächs. Heil- und Pi 
anstalt Dösen bei Leipzig, ist zum Direktor der Bi 
schen Fürsorgeerziehungsanstalt Flehingen ernannt W \ 
den. Er hat in Fl. außerdem eine Beobachtungssil 
für jugendliche Psychopathen einzurichten, die 
aufsicht über die Fürsorgeerziehungsanstalt für Psyil 
pathen in Sinsheim wahrzunehmen und das Hilistel 
im Justizministerium für die Fürsorzeere e i 
den zu organisieren. 

— Bernburg. Der bisherige Oberarzt Dr. His 
der Landes-Heil- ‘und Pflegeanstalt ist am 1. 
1921 zum Direktor ernannt worden. 

— Heil- und Pilegeanstalt St. Getreu, u 
Anstaltsarzt Dr. Eduard Weiß wurde zum Stadt- U 
Fürsorgearzt in Amberg (Oberpfalz) gewählt. Beil 
Auswahl unter den zahlreichen Bewerbern wurde 
psychiatrischen Vorbildung, die Dr. Weiß in St.\ 
erworben hat, eine. ausschlaggebende Bedeutung 
messen. E 


Es wird gebeten, allen Autragen an die Schr 
leitung resp. den Verlag über redakt 
Fragen das Riückporto beizufügel: 


Be 
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ERSTER I $ a f x CÉL AT E EOP, ui 
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| |prdnszwanz ster Jahr an 5 . ee 5 Nr. 43/44. 1921/22, | 


“Psychiatrisch: ‘Neurologische 
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4 | Sohrkueher: ‚Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


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[Nr 43/44. 


E 1. Bezugspreis: 
Ei ir für das Vierteljahr, -die 
u en für das Aus- 
land werden nach der vom Deut- 
schen Buchhandel vorgeschrie- 
benen Verkaufsordnung für das 
J} Ausland berechnet. Zu beziehen 
-# durchjed. Buchhandlung, d. Post 
{| u unmittelbar vom Verlage. Er- 
scheint. bis auf weiteres vier- 
zehntägig in Doppelnummern. 


I Inhalt: Standesfragen 1. 
$ angestellter. 
4 Arthur Adler-Berlin. 


Dr. J. Bresler. Fortsetzung. 


(S. 269.) — Mitteilungen. 


u Standesiragen Il. 
I Br Von Dr. Rein, Oberarzt der Landesanstalt Landsberg a. W. 


As ich früher in ‚dieser Zeitschrift (1920, XXII, 


tagen und eigene Beobachtungen und Erfahrun- 


E &siragen von mir besprochen werden, die meines 
i Erachtens im Mittelpunkte des. allgemeinen Inter- 
f ses der beamteten Irrenärzte stehen, so benutze 
I a dabei vor. allem auch idas Material, welches 
$ Vorstand des R. V. auf Grund seiner Rund- 
| ragen erhalten und mir bereitwilligst zur Verfü- 
am gestellt hat, wofür ick ihm auch hier meinen 
Vank ausspreche. Ich bemerke dazu aber aus- 

a ücklich, daß die folgenden Ausführungen nicht 
I IE: o eine Meinungsäußerung des Vorstandes 
anzusehen sind. Ich hoffe und wünsche, 

von anderer Seite, vielleicht auch vom Vor- 


| | sı © us ROV. aus, zu meinen Betrachtungen 


ling genommen wird. 
| in ana: die wichtigste Frage für alle Be- 
" ind so auch für uns ist zurzeit 
en lie Gehaltsirage: 


Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 
Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 
Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


f Geh.’Sanitäts-Rat Prof. Dr: K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
Proi. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
liberg, Sonnenstein b. -Pirna (Sachsen), 
Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Dr. Vocke, Eglfing b. München, 
Dr. L.. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


28. Januar 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 
| Postscheck: Leipzig 32070. 


Von Dr. Rein, Landsberg a. W. 


I Nr. 27 bis 30) über- Standesfragen schrieb, 
Ki ich mich in meinen Ausführungen außer 
f AU die angeführte Literatur nur auf eigene Rund- 


l i Zen; wenn im folgenden wieder verschiedene Stan- 


San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 


Prof. Dr. H. Vogt. Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


mn ne aaan a naa a aa a =| 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Aniragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin SW, 48, 
Wilhelmstraße 28. 


Marhold Verlag Hallesaale 


(S. 259) — Psychoanalyse und Psychiatrie. 


(S. 202.) — Beschäftigung von Pfleglingen im Haushalt Anstalts- 
(S. 267.) — Kurze, vorläufige Mitteilung über einen positiven Rındenbefund bei Katatonie. Von Dr. 
tS. 269.) — Buchbesprechungen. 
en A (S. 270.) — Personalnachrichten. 


(S: 270.) — Therapeutisches: 
(S. 270.) ; a 


Leider läßt sich darüber noch nichts Einheit- 
liches berichten; in fast allen Ländern und Provin- 
zen ist diese Frage noch nicht definitiv geregelt. 
Das Sperrgesetz ist teils noch gar. nicht an- 
gewandt bei der ersten Gehaltsregelung, teils sind 
noch die diesbezüglichen Beratungen bei den Be- 
hörden in der Schwebe. Die meisten Mitteilungen, 
die bisher über Gehaltsregelung eingegangen und 
zum Teil auch in dem Verbandsorgan veröffentlicht 
worden sind, müssen als vorläufige ange- 
sehen werden. Aus diesem Grunde hat auch der 
Vorstand und der Besoldungsausschuß des’R. V. 
bisher davon Abstand genommen, trotz des um- 


dangreichen darüber geführten Brieiwechsels mit 
den E.V., eine Zusammenstellung der Gehaltsregu- 


lierung, d. h. die Einreihung der beamteten Irren- 
ärzte in die einzelnen ` Gehaltsstufen zu ver- 
öffentlichen; es wäre*dies nur unvollkommen mög- 
lich und daher sicher vielfach irreführend gewesen. 
Die Schwierigkeiten bei Anwendung ‘des Sperr- 

gesetzes liegen für uns wohl hauptsächlich darin 


daß es in der Besoldungsordnung der Reichsbeam- 


ten keine Medizinalbeamten mit entsprechender 


260 


j 


Tätigkeit gibt, denn mit den Ärzten des Versor- 


g&ungswesens können wir nicht gleichgestellt wer- 


den, da diese ärztliche Praxis neben ihrer amt- 
lichen Tätigkeit ausüben können; auch muß man 
doch wohl darauf hinweisen, daß bei der kleinen 
Zahl von Irrenanstalten in den meisten Ländern 
und Provinzen die Aufrückungs- und Beförderungs- 
verhältnisse der Irrenärzte sehr ungünstig sind (vgl. 
meine früheren Ausführungen). Dies wird allge- 
mein berücksichtigt bei den meisten Kommunalbe- 
amten, so besonders bei den Stadträten, die wohl 
überall, auch in mittleren Städten, in Gruppe XI 
und XII stehen. 

-< In einem engen, 
nicht richtig erkannten Zusammenhang mit der 
(jehaltsgruppenfrage steht 

die Titelfrage. 

-Diese ist ia doch eigentlich gar keine Ti- 
telirage, da in unserem republikanischen 
Staate alle Titel abgeschafft sind, es gibt nur noch 
Amtsbezeichnungen! So wortklaubrisch 
und lächerlich dies manchem zunächst’ erscheinen 
mag, ist es doch wirklich ernst zu nehmen, und 
es besteht ein tatsächlicher Unterschied gegen 
früher. 
und die Irrenärzte im besonderen standen und 
stehen wohl noch auf dem Standpunkte, eine Titu- 
latur als nebensächlich zu betrachten, und belä- 
cheln diejenigen, die darauf so großen Wert a, 
m. E. früher mit Recht! 

Was war denn der Sanitätsratstitel ‘(den ja in 
Preußen auch- die beamteten Irrenärzte als nur 
mittelbare Staatsbeamte erhielten) oder der Medi- 
zinalratstitel viel anderes, als die jedem nach einer 
gewissen Zeit zustehende Anerkennung, daß er 
recht und schlecht seine Pflicht getan, eine be- 
sondere Auszeichnung war es doch niemals, son- 
dern eben nur, wie auch bei andern Beamten ein 
 Alterstitel; und dies doch erst recht der „Ge- 
heime Sanitätsrat” (geh heim! Rat). 
= Wie steht es: aber jetzt? Wenn wir auch zwar 
keine Räterepublik haben, so ist doch die Amts- 


N =~ bezeichnung des „Rates” ganz erheb- 
NN lich erweitert worden gegenüber der früheren 
& Ratstitulatur. 


Sehen wir uns einmal die 
Gruppen. XI und XII der Besoldungsordnung an: 

die. früheren Richter heißen jetzt sofort bei ihrer 
Anstellung „Gerichtsrat”, idie angestellten Regie- 
rungsbaumeister Tears und Baurat”, die 
Katasterinspektoren „Regierungs- und Steuerrat”, 
die Oberlehrer „Studienräte” usw. 

Auch die staatlich angestellten Ärzte erhalten 
mit ihrer Anstellung die Amtsbezeichnung des 
„Rates”: 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


von vielen Irrenärzten wohl 


sen es erreichen. Es 


Die meisten der Ärzte im allgemeinen 


JA 
. bezeichnung sicherlich nicht wenig mit b | $ 


zu verstehen. 


die Ärzte des Versorgungswesens hei- 


[Nr. 2} 


ßen „Regierungsmedizinalrat”, die Kreisärzte inf 
Preußen: ‚„Kreismedizinalrat” und in den Fri. | 
staaten Sachsen und Hessen sind ja auch bereit f 
die staatlichen - Irrenärzte „Regierungsmedizinal‘ 
räte”; die Stadtärzte heißen jetzt meist Stadtmede 
zinalräte. Bi 
Mag man nun \ die „Ratsbezeichnung” schön in: f 
den oder nicht, das ist m. E. Nebensache, wichtig P 
und im Interesse unseres Standes erforderlich iif 
es. aber, daß wir beamteten Irrenärzte die glei 
che Amtsbezeichnung erhalten wich 
andere akademisch,. gebildete Bef 
amte! Was den Juristen. der Verwaltung uf 
Gerichte, den Baubeamten, den Philologen redi $ 
ist, das ist uns Ärzten billig! Es wäre eine Nicht’ 
achtung unseres eigenen Standes, wenn wir nicht 
das erstrebten, was andere haben und wir mis? 
ist falsch, daß. wir us 
selbst genügen mit unseren bisherigen Amtsbe | 
zeichnungen! Wir wollen und müssen mit den $ 
Zeitverhältnissen rechnen auch in diesen schem $ 
baren Äußerlichkeiten. Leider — kann man “f 
gen — ist diese Frage der Amtsbezeichnugf 
nicht nur eine Äußerlichkeit; nel 
nur in der Meinung der großen Masse, die vug 
früher her an eine gewisse Titelehrfurcht gewöhll g 
ist, gilt ohne weiteres der Regierungsmedizindl | 
rat oder Kreismedizinalrat, um seiner Amtsit 
zeichnung willen viel mehr als ein simpler „Al 
staltsarzt” oder „Oberarzt”, es sind auch in Kre 
sen anderer akademischer Beamter und sogar W 
solchen von Kollegen Bestrebungen Bef 
merkbar geworden, die Irrenärzif 
herabzusetzen, ihnen die Ratsbef 
zeichnung und damit auch die Eilf 
reihung in die entsprechenden Gef 
haltsgruppen, die Gleichstellung mil} 
den anderen akademisch gebildete 
Beamten abzusprechen. Gegen diese f 
Herabsetzung der’ Ärzte müssen wir ganz enk k 
schieden Front machen, wir müssen nicht nur w { 
uns selbst unseren Wert und unsere Stellung ea $ 
kennen und richtig einschätzen, sondern auch MUT 
außen hin müssen wir das tun, und dazu trägt Ji 
Forderung derunszustehenden Rats 4 


Gerade wir als Psychiater müßten doch eigen h 
lich alle ohne ‘weiteres imstande sein, das Br l 
chologische Moment der Bewertung solcher Ame f 
bezeichnungen in der großen Masse WM e 
Kampfe um Anerkennung unserer guten Reni 


g 
Fragen wir uns nun, welche ne wi 
wir fordern sollen, so ist das wohl ohne we 


APETECE - 

a ar 

h Mi 
ENTANA t £ 


i 1922] 6 


klar: für die angestellten Ärzte der 
X und XI: 
F xl: Obermedizinalrat, 
gierungsrat und. Oberregierungsrat. 


Gruppen 
der - Gruppe 

dem Re- 
Da es sich 


Medizinalrat, für die 
entsprechend 


F nun nicht um Titel handelt, sondern um Amts- 


$ bezeichnungen, 
f ach die Bezeichnung 
F racht kommen, sondern für die Staatsbeamten 
f ‚Regierungsmedizinalrat” (wie es in Sachsen be- 
Ẹ wits der Fall ist) und für die Provinzialbeamten: 
F Provinzialmedizinalrat 
Ẹ vergl. Landesrat, Landesbaurat, Landessekretär 
Ẹ ow); die Oberärzte in Gruppe XII würden dann 
Fb Regierungsobermedizinalräte bzw. als Landes- 
Ẹ kr Provinzialobermedizinalräte zu bezeichnen 
f san. Für die Direktoren würde die Bezeichnung 


lv 
| N 
N 


so würde natürlich nicht ein- 
„Medizinalrat’” in Be- 


oder Landesmedizinalrat 


Anstaltsdirektor, vielleicht auch Landesanstalts- 


rektor. oder Provinzialanstaltsdirektor (vergl. 


Landgerichtsdirektor) bleiben; -daß sie ‘dann meist 
einfach als „Direktor” angeredet würden, ist ja für 


$ manchen nicht gerade erfreulich, denn die Anrede 


„Direktor” ist so unbestimmt und vieldeutig, daß 
sie allein ja gar nichts besagt. Das ist nun aber 


| ein Nachteil, den die Herren Direktoren schon ken- 
f æn und wohl überwinden werden, teilen sie ihn 


doch mit allen ihren leitenden und ‚darunter. wohl 


f um Teil auch leidenden Amtsgenossen. : Daß 


in den höheren und höchsten Amtsbezeichnungen 


f “cht mehr das eigentliche Fach des betreffenden 


3 

N 

4 H 
T 


Wie die anderen usw. | | 

Vielleicht könnte ja auch für den Direktor die 
ii Amtsbezeichnung „Medizinaldirektor” eingeführt 
Verden entsprechend dem „Studiendirektor”. Ge- 


a je => Zum. 


Beamten zum Ausdruck kommt, findet man ja auch 


anderwärts: ein Konsistorialrat kann Jurist oder 


Theologe sein, die aus den Ärzten hervorgegange- 


en Ministerialräte führen die gleiche B ezeichnung 


‚ 52 die auch denkbare Bezeichnung „Obermedi- 


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“o und Direktor” spricht, daß doch Räte” 
cat dasselbe sind in der Amtsbezeichnung, wie 


4 Sven also könnte diese Forderung als Titel- 
g K rung ‚auigefaßt werden. Dem könnte man 
f "a andererseits mit Recht 'entgegenhalten, dab 


H $ 
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bermedizinalrat oder Medizinalrat die Bezeich- 


f ns für die ärztliche Tätigkeit ist, und daß der 


ktor doch auch jetzt vielfach schon die Amts- 


f bezeichni ‚Di | 
i I YChtling „Direktor und I. Arzt. oder Chef- 
i rzt der Anstalt”: hat. 3 


T 


i  Wohllaut der Bezeichnung dürfen wir 
x zuviel geben, der Inhalt und der: Gleichlaut 
e. 


+ 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


deren Amtsbezeichnungen ist das Wesent- 


261 


Die bisherige Bezeichnung Oberarzt ist doch 
wahrhaftig nicht schön; und sie führt nur zu oft 
zu einer Verkennung unserer Stellung aus dem 
Vergleich mit dem militärischen Oberarzt heraus; 
jetzt nach dem Kriege kommt es öfters vor, daß 


Patienten auf Grund ihrer Lazaretterfahrung den 


Oberarzt der Anstalt, dessen Titel sie hörten, doch 
als „Oberstabsarzt” anreden, weil es ihnen unver- 
ständlich ist, in dem vielleicht schon grauhaarigen, 
älteren Herrn nur einen „Oberarzt” erblicken zu 
sollen. Und vor dem Kriege passierte es mir (ich 
war damals noch nicht Oberarzt), daß mich ein 
älterer Offizier fragte, ob denn unser Oberarzt 
R. noch nicht bald Stabsarzt würde. Das zeigt 
die. Einschätzung unserer bisherigen Amtsbezeich- 
nungen! Damals lachte man. darüber, jetzt hängt 
damit aber mehr zusammen, und es ist bit- 
terer Ernst, nicht eitle Titelsucht, 
wenn wir die uns zustehende Amts- 
bezeichnung fordern. Wir sind das 
unserer Stellung, unserem ganzen 
Stande schuldig! | 

Daß die preußischen Kreisärzte mit der ihnen 
jetzt verliehenen Amtsbezeichnung „Kreismedizi- 


nalrat” nicht zufrieden sind, und statt dessen 


„Kreisarzt und Medizinalrat” benannt werden wol- 
len, finde ich unverständlich. Medizinalrat ist 
doch eben jetzt die Bezeichnung für den beamteten 
Arzt; „Kreisarzt und Medizinalrat? wäre aber ent- 
weder eine Wiederholung der gleichen Bezeich- 
nung oder (und so scheint es meist aufgefaßt und 
gewollt zu werden) Amtsbezeichnung (Kreisarzt) 
und Titel (Medizinalrat). Titel aber gibt es doch 
nicht mehr! Es sind auch Stimmen laut gewor- 
den, die im „Kreismedizinalrat” eine Herab- 


‚setzung gegenüber den oft noch ‚recht. jungen 


„Regierungsmedizinalräten” des Versor- 
gungswesens erblicken, nun was sollen denn dann 
die Herren „Stadtmedizinalräte” erst sagen? 
Klingt das nicht an an die kleinliche Titelsucht 
früherer Zeiten? ie NER 

Der Bezeichnung Landesmedizinalrat für die 
bisherigen Oberärzte könnte vielleicht entgegen- 
gehalten werden, daß dies verschiedentlich die 
Amtsbezeichnung des "Medizinalreferenten (im 
Haupt- oder Nebenamt) bei der Zentralbehörde ist: 
nun dann müßte eben dessen Amtsbezeichnung 
auch umgeändert werden, sei es in „Landes- und 
|Ober-] Medizinalrat” (entsprechend Regierungs- 
und. Medizinalrat) oder aber in Oberlandesmedi- 


zinalrat (entsprechend Obergeneralarzt). 


262 


Psychoanalyse und Psychiatrie. 
| Von Dr. J. Bresler. 
(Zugleich Buchbesprechungen.) 


(Fortsetzung.) 


Nicht nur Psychiater sind es, die unter der. Re- 
gierung der Psychoanalyse etwas würden um- 
lernen müssen. Über die Weltanschauung, die vor 
zweitausend Jahren aus dem Orient gekommen, 
würde man sich neu orientieren müssen, wenn man 
an Fortschritt und Segnung der Seelenlöser teil- 
haben wollte, sei es auch nur als stiller Teilhaber 
oder Zuschauer. | | 

Denn Georg Groddeck schreibt in: Inter- 
nationale Zeitschrift für Psychoanalyse, Offizielles 
Organ der Internationalen Psychoanalytischen 


Vereinigung 1920, VI, S. 324 bis 326, unter dem 


Titel: Eine Symptomanalyse: 


„Ich habe vor. einigen Jahren im Kreise meiner 
Kranken Vorträge gehalten, die nachgeschrieben worden 
sind und die der Kranke kennt. 
aus der mein Patient die Vergleiche genommen hat, dem 
Inhalt nach hierher. Ä ga 

„Nimmt man an, daß das Kreuz das umarmende 
Weib ist, so ergibt sich das andere von selbst. Der 
Phallus stirbt im Weibe, er senkt sein Haupt und stirbt; 
Finsternis herrscht dabei, die Erde bebt und der Vor- 
hang des Tempels vor dem Allerheiligsten zerreißt. 
Die Symbolik ‘der Nacht, der Erschütterung und des 
Hymenzerreißens ist deutlich. Die Kreuzabnahme ist 
die Trennung nach. der Begattung, während das Be- 
sräbnis und das dreitägige Verweilen im Grabe Be- 
fruchtung und Schwangerschaft sind. Die Dreizahl der 
Tage ist als Vertretung der neun (drei mal drei) Monate 
gewählt, weil eine Verdichtung des Schwangerschaits- 
symbols neun zugunsten des im christlichen Mythus 
fest verankerten Phallussymbols drei im Interesse der 
Einheitlichkeit nötig war. Die Dreizahl, Penis und 
Testikel, ist in der Dreieinigkeit enthalten, die in dem 
Charakteristischen umistrahlten Dreieck mit dem Auge 


darin altes Besitztum des christlichen Mythus ist, sie 


kehrt in den drei Kreuzen Golgathas, von denen das 
mittlere Christuskreuz das höchste ist, wieder und 'spie- 
gelt sich in den drei Marien, die in Erzählung, Kunst und 


= Legende so oft zusammen gebracht werden. Das andere 


' Phallussymbol sieben tritt in den sieben Stationen der 
Passion auf, in den sieben Schwertern, die Marias Herz 
durchbohren und in den sieben Tagen der Karwoche. 
Das Niederfahren zur Hölle ist eine Verdoppelung des 
Beischlafssymbols; die Hölle ist ja nichts anderes als 


die Projizierung des weiblichen Genitals in die Religion. 


Die Auferstehung ist die Geburt und das neueinsetzende 
` Geschlechtsvermögen, das in der Himmelfahrt die Erek- 
tion darstellt. Charakteristisch ist das Auftreten Christi 
als Gärtner, als einer, der in den Garten des Weibes 


gräbt. Daß der Auferstandene den beiden Marien er- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Ich setze die Stelle, 


‚leitet auch die dort neugegründete psychoat! 


{Nr. aa 


scheint, ist aus der Verdrängung des Inzestwunscs 
und der Libidoübertragung von der Mutter auf Frau 
mit ähnlichen Namen abgeleitet. Die Dornenkrone, uf 
der das blutige Haupt des Gemarterten steckt, der Pır 
purmantel, mit dem er umkleidet wird, das Rohr in s 
ner Hand, all das sind Häufungen, durch die das SymilE 
überdeterminiert wird. Das Kreuz als Weib und weiter | 
hin als Mutter scheint unbewußt — vielleicht auch W 
wußt — allgemein bekannt zu sein, was ebenso aus dt 
üblichen Darstellung des mit blutrotem Rosenkranz ut $ 
wundenen Kreuzes wie aus der Benennung des typ: 
schen Weiberleides, der Kreuzschmerzen, hervorgeit $ 
Daß es sich dabei nicht schlechthin um das Weib, su 
dern um die Mutterimago handelt, spricht sich in «f 
Betonung der Sohnschaft Christi aus, ebenso: wie das f 
Einssein von Gottvater und Goftsohn aus dem Waunsce $ 
des Sohnes, der Vater, der Gatte der Mutter zu st 
herzuleiten ist. Das Wort Erlöser deutet auch auf di 
Phallus hin, und daß die Bezeichnung Menschensohn ul 
bewußt als Symbol des Phallus benützt wird, beweit 
fast jeder Traum. Die Dreieinigkeit ist neben Vatt 
Mutter und Kind Mann, Glied und schaffender Sama g 
Die eigentümliche Verschränkung des Mutterkultus «rf 
Maria mit dem Kultus des Gekreuzigten, wie die kath \ 
lische Kirche sie hat, wird: durch die Deutung des 
Kreuzes als Mutter und des Gekreuzigten als Sohn ve p 
ständlicher, indem der ganze Mythus aus dem Ines 
wunsch hervorgegangen sein mag. Dieser Inzest | 
wunsch scheint mir übrigens damit zusammen zu hatt i 
gen, daß ein jeder sich in den schützenden Leib det 
Mutter zurücksehnt, und davon würde sich leicht da i 
Verlangen nach Schlaf und Tod ableiten lassen, da H 
Bett und Grab Symbole des Mutterschoßes sind. Dr j 
Frage ließe sich wohl am ehesten an Mädchen studiere f 
Ist þei denen der Inzestwunsch außer auf den vani 
auch auf die Mutter gerichtet und wie sind die F i 
dingungen dieses Inzestwunsches? Ganz klar ist g ; 
aber, daß das erotische Verlangen des: Menschen i i 
innigstem Zusammenhang mit dem vorgeburtlichen | 
enthalt im Mutterleibe steht, daß also in gewissem 2 k 
jede Geschlechtsregung dem Inzestwunsch entspringh ° i 
Verlangen nach dem Schoße der Mutter ist. 


- Wir werden um so mehr überlegen MU% a 
ob wir uns mit der neuen Richtung befassen “i i 
sich bereits sogar Regierungen für die Sache nad 
essieren. So wurde S. Ferenczi, als Zens i ; 
präsident der Internationalen Psychoanalytisch l 
Vereinigung, von der ungarischen Räteregietll f 
zu einer der ordentlichen Professur gleichwertß” i 


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Stellung an der Universität Budapest berufen: wd 


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192 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 263 
gi | | 
$ sche Universitätsklinik. Und am 14. Februar 1920 
$ eröffnete die Berliner Psychoanalytische Vereini- 
f rung eine Poliklinik für psychoanalytische Behand- 
F hung nervöser Krankheiten, wobei die außerordent- 
7 lich großen Wohnungsschwierigkeiten erst durch 
i das Entgegenkommen des Kultusministers behoben 
$ wurden. | 
$ Es verdient auch Beachtung, daß am 22. No- 
If vember 1919 an der Universität Berlin Pfarrer 
$ Ernst Jahn zur Erlangung der theologischen 
F Lizentiatenwürde u. a. folgende Thesen vertei- 
-ügte: „Die Kenntnis der Psychoanalyse ist eine 
f wentbehrliche Voraussetzung der Irren- und Kran- 
f kenseelsorge.” | | 
Das kann schöne Verwirrung geben! 
f Prof. Dr. Erwin Stransky schreibt in sei- 
f Im Aufsatz „Psychoanalyse und Kritik” (Wiener 
f Med. Wach. 1921 Nr. 16): Be 
„Ich will es offen heraussagen: Die psychoanalyti- 
Ẹ sche Schule züchtet unter sich leider eine ganz spezifi- 
f sche Mentalität, eine Mentalität sektenmäßig fanatischer, 
Shier grenzenloser sachlicher Unduldsamkeit, die bei 
f manchen zu persönlicher Überheblichkeit sich auswächst 
f sesen jeden, der sich nicht oder nicht vorbehaltlos zu 
| ihr bekennen mag; . Psychoanalyse ist ihnen nicht 
Ẹ ene von vielen, sondern die Erkenntnisquelle schlecht- 
'P weg, Ä | HIER 
Das ist öffentliches Geheimnis, aber es war not- 


August Stärcke hat schon Bd. V S. 285 
in einer Mitteilung: Die Umkehrung des Libidovor- 
zeichens beim Verfolgungswahn, auf den .gleichen 
Ursprung hingewiesen. Was als Liebe verdrängt 
war, kehrt als Haß zurück; dieser wird projiziert 
und stellt den Inhalt des Wahnes dar. Der Inhalt 
des Wahnes ist sehr oft die anale Verfolgung. Die 
Patienten geben darüber erst Auskunft, wenn der 
Arzt ihr Vertrauen gewonnen habe. „Dieser a 
geheimsten gehaltene Kern des. Wahns betrifft 

` meist eine anale libidinöse oder Gewalttat. Nach 
der Aussprache fühlen sich die Patienten oft er- 
leichtert, doch bringen sie leider oft auch eine 
Übertragung des Wahns zustande, wobei dann in 
der Folge der Arzt als Verfolger auftritt oder auch 
mit einer klebrigen Anhänglichkeit beehrt wird.” 

Wir geben am besten August Stärckes 
eigene wertvolle Worte wieder, um recht klar zu 
machen, wie er sich zu diesem dunklen Punkt der 

` Analpsychologie stellt: „Die Umstände, unter 
denen sich diese Übertragungserscheinungen (kli- 
nisch = Ausbreitung des Wahnsystems auf die 
rezente Umgebung) abspielen, machen es höchst 
wahrscheinlich, daß anfänglich eine unbewußte 
Identifizierung des geliebten Ob- 
iektes mit dem Skybalum (zu deutsch: 
Kotballen!) vorhanden war und daß in dieser Iden- 


mn u) Ze NN a nF ae Dil er EEE nn, a en on iD 
Zr RF ee n DER 


wendig, es rundweg und geradeheraus auszusprechen 


FE auf die Gefahr hin, darum durch: Totschweigen oder 


‚durch Fortsetzung persönlicher Polemik bestraft zu wer- 


tifizierung der nähere Grund für die spezielle Am- 
bivalenz der paranoischen Konstitution gegeben 
ist. 


Das Skybalum ist der primäre (reelle) Ver- 
folger, der anale Gewalttaten ausübt, welche zu 
gleicher: Zeit :oft Lusttaten sind. Ihm gilt eine 
der primitivsten Ambivalenzeinstellungen, indem 


I den; angesichts der weitverzweigten und internationalen 
$ Beziehungen der Psychoanalytiker könnte das eine wie 
E das andere manchem immerhin bedenklich erscheinen; 
f "ich kann und wird das nicht anfechten! Ich habe 
f "ich bei aller scharfen Kritik ihrer Auswüchse nie hin- 


P ilen lassen, den ingeniösen Kern in der Psychoana- 


Ẹ Se abzuleugnen, auch zu einer Zeit und in einer Um- 


| | sebung, 


wo es minder opportun scheinen konnte; ich 


f Verde mich ‘aber heute, da die Psychoanalyse eine 


ze 


# a der Empfindúng des: Verfolgtwerdens, Inter- 
I ationale Zeitschrift für Psychoanalyse 1920, VI, 


$ N 8) ist durch die Erfahrung, bei Neurotikern zu 
I sig geführt worden, daß diese Empfin- 


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acht. geworden ist, mit der auch die Gegner rechnen 


® es gibt darum auch mehr und mehr „Novemberpsy- 
ii analytiker”, wie es -seinerzeit Novembersozialisten 
p Segeben i hat 
Ẹ ist!” 


N 


— ‚nicht scheuen, auszusprechen, was 


J. H. W. van Ophuisen (Haag) (Über die 


die in keinem Falle von Psychoneurose fehle, 
m analen Komplex abzuleiten sei, und dies 
ei ihm die Erwartung geweckt, daß der Psy- 
ĉr bei seinen an Verfolgungswahn leidenden 


aus d 


atienten dieselbe Entstehunsgweise werde fest- 


elen können. 


Schmerz und Lust oft sehr kurz nacheinander auf- 
treten. Diese primäre Ambivalenz wird später, bei 
der Reinlichmachung, von den Pilegepersonen ver- 
stärkt (sekundäre Ambivalenz), indem die Strafe 
bei Beschmutzung oder Lob bei der ordentlichen 
Entleerung automatisch Haß bzw. Liebe zur Folge - 
haben.” | | 

„Diese abwechselnd positive oder negative. 
Libidoposition gilt nach den mnemischen Grundge- 
setzen den Imagines der ganzen Situation, d. h. 
sowohl dem betreffenden Teil des eigenen Leibes 
bzw. dem Exkrement, als der aktiven Pflege- 
person’. | 

„Die Ambivalenz gegen diese wird auf den 


- späteren Verlauf der Obiekterotik einen wichti- 


sen Einfluß üben, und ohne Zweifel werden sich 


weitere Bedingungen für das Zustandekommen.. ` 


des Wahns aus ihr ergeben, Ihr Studium wird 
aber erschwert durch den Umstand, daß die Ein- 


beziehung der „normalen” Wahnerscheinmngen 


264 


oder Systembildungen, die psychologisch mit 
Wahn nahe verwandt oder identisch sind (in Wis- 
senschaft, Religion usw.), dazu durchaus erforder- 
lich ist.” 

„Aus der mnemischen Nachwirkung ider Defäka- 
tionsereignisse in frühester Jugend folgt eine 
Prädisposition zur späteren Identifizierung 1. vom 
eigenen Körper, 2. von der Pflegeperson, mit dem 
Skybalum. . Je nachdem mehr Lob oder mehr 
Strafe dabei dem Kinde gespendet wurde, wird 


die. aus der Analerotik dem Narzißmus zufließende | 


Komponente positiver oder negativer Natur sein. 
Der negative Narzißmus findet seine pathologische 
Verwendung in-dem Kleinheitswahn, welcher auch 
sehr oft eine analerotische Nuance trägt”. 

„Die. biologische Formel Freuds für den 
Größenwahn lautet: Regression der sublimierten 
Homosexualität zum Narzißmus. Obige Er- 
wägungen könnten zu der Forderung führen, 
daß dieser Narzißmus analerotischer Herkunft sei. 
Sie werden verstärkt durch die Erfahrung, daß der 
Verfolgungswahn ebenso oft mit Kleinheitswahn 
als mit Größenwahn vergesellschaitet vorkommt 
und sogar mit eigentümlichen Mischungen von 
Kleinheits- und Größenwahn. Das wäre erklärbar 
aus der unumgänglichen Ambivalenz des anal- 
erotischen Narzißmus.” 

Sind das nicht herrliche Gedanken und tiefe, 
ewige Wahrheiten?: Können wir da noch nicht 
verstehen, was A. van der Chiis in seinem 
' Aufsatz: Über Halluzinationen und Psychoanalyse, 
ebenda S. 284 sagt: „Auch die Psychiatrie wird, in 
Beziehung auf Diagnose und Symptomatologie, eine 
Revision durchmachen müssen und unerbittlich 
dieser kräftigen Strömung der Zeit Tribut zahlen, 
die gleich wie die Bolschewisten mit rücksichts- 
losem Drang das zulange dagewesene Alte nieder- 
werfen. Zeus muß entmannt werden. ...” 

Vielleicht gehts diesmal noch ohne Entman- 
nung. Zeus wenigstens war bisher immerhin noch 


einer, von den klaren Köpfen und anständigen, rein- 


lichen Menschen unter den Nationalgöttern. 


=- Es gibt natürlich — bei der Psychoanalyse — 
auch eine Harnerotik, eine Harnliebe, wie es 
eine After- und Kotliebe gibt. So Sadger, Über 
Si  Urethralerotik, Jahrb. f. psychoanalyt. u. psycho- 

| path. Forschungen Bd. U; Hitschmann, Ure- 


5 thralerotik und Zwangsneurose, Internat. Gerlärhr. 
T. Psychoanalyse N 3.263. : 
Von der im’ Psychiatrischen liegenden Studie: 


`. Über den katatonsichen Anfall, von Dr. H. Nun- 


ber 7 (Wien) Intern. Ztschr. f. Psychoanalyse‘ 1920 
VI, S. 25) kann ich wegen Raummangels leider nur 
den Schluß bringen. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


chen, nämlich demjenigen der Geburtsangstf 


stehe der Unterschied darin, daß, während es sich g 


„Die Selbstbeobachtung ist, 


(Nr. S 


wie wir gehört haben, von einem Affekt bee f 
Wenn ferner in Betracht gezogen wird, daß mf 
Vorbewußten sich die eige ntlichen Verdrän i 
gungsvorgänge abspielen, welche biologisch un $ 
zweckmäßige Affektbindungen verhindern sollen, . 
istes klar, daß. nach Abschwächung der Tätig | 
keit der Bewußtseinszensuren die motorischen und l 
sekretorischen Innervationen, die zu Affektentla 
dungen führen, sich ungehemmt bis zum Ausbrud f 
des katatonischen Anfalles fortentwickeln kör $ 
nen. Der Affekt enthält, wie nochmals erwähnt $ 
das Bestreben zur Wiederholung eines wichtigen l 
Erlebnisses, und das Wichtigste ist doch für da 
Einzelnen seine Geburt. Wir erinnern uns, A 
unser Kranker gleichzeitig mit dem Gefühle dsf 
Weltuntergangs eine Mutterleibsphantasie hatt f 
und daß er in der Folge nicht nur die Welt wiede 
beleben, sondern auch selbst wiedergeboren werd 
den wollte. Wie im früheren Zusammenhange di 
lich genug zu ersehen war, stellte er im Atp 
falle seine Geburt dar. _ Patient IE 
auch: „Ich habe einen Weitblick bekommen, wie} 
eine Frau, die ein Kind zur Welt bringt.” Dur} 
das Verzehren bestimmter Speisen (Fleisch vo 
Toten) verwandelt er sich ja in seine Mutter. Dif 
Kot, mit welchem Patient sich identiti f 
zierte, war als Kind aufzufassen, das er Wf 
Welt schenkte. Der vollkommen auss®T, 
bildete katatonische Anfall wäre demnach det f 
großen Affektausbruche des Menschen zu vergie fi 


Eine besonders auffallende Ähnlichkeit des ka 
tonischen Anfalls mit dem hysterischen sei Wf 
Dramatisieren und die Angst. Nur w 


bei der Hysterie um eine Libidobesetzung det 
Objekte handelt, im katatonischen Anfall eint i 
Organbesetzung erfolgt. | 
Was ist mit solch phantastischen Auslegung | 
und Betrachtungen gewonnen? i 
Daß es mit Psychoanalyse nichtsexueller es | 
tung, ohne Anal- und Urethralerotik und ohne 
wir des sonderlichen Augustinus; „inter Ma 
urinam nascimur” im. modern-wissenschaftlit | 
psychologischen Jagdkostüm zu Tode hetzeh, oig 
diese „Vermittlung großen Lebensinhalts” bei en 
chosen auch und recht gut geht, beweist die " 
teilung von Fräulein Dr. L. Rähmi aus der Ži 
cher. kantonalen Irrenanstalt Burghölzl 
Zürich in ihrem immer wieder lesenswertet "i 
in verschiedener, auch ee oi & 
licher Hinsicht verdienstvollen Aufsatz: » | 


w| | 


a A 
a f TERN ia K? 
ee 


f 


FDauer der Anstaltsbehandlu ng der 
Tschizophrenen” (Psychiatrisch - neurologi- 
F che Wochenschrift 1918-19 Jahrg. 20 S. 289: 


7 „Im ersten Jahrfünft wurde die Arbeitstherapie, so 
Pates unter den nicht günstigen Verhältnissen der über- 
filten und für diesen Zweck zu kleinen Anstalt möglich 
Ẹwa, weiter ausgebaut, und: parallel damit stiegen die 


Fintlassungen langsam weiter, um dann von 1906 bis 
1908 ungefähr. gleich zu bleiben. Dann folgt auf einmal 


Ẹ an rasches Ansteigen, das im ersten Jahr 34 v. H. be-- 


] ttägt, um im Laufe der nächsten Jahre 100 v. H. zu er- 
P echen, was bis 1918 angehalten hat. 


7 Man hat jahrelang nach den unmittelbaren Ur- 
Ẹ schen dieses zweiten Anstieges gesucht und nichts an- 
A es gefunden, .als das psychanalytische Studium der 
F Kuken, das, in den ersten Jahren vorher begonnen, 
Finals auf seiner Höhe war. Das Eingehen in die Psy- 
ie der Kranken hat ein besseres Verständnis ihrer 
Fibtormitäten und ihrer Bedürfnisse ermöglicht; man 
Pht ihnen nicht mehr so fremd, in den meisten 
File gar nicht mehr fremd ‘gegenüber wie früher, 
! Mai kann den richtigen Zeitpunkt für Versetzungen 
Fimerhalb der Anstalt und nach außen viel leichter fiu- 
d ‚der, man ist überhaupt viel weniger aufs Tasten ange- 
Ẹ Wiesen, oder man weiß, inwiefern man tasten kann oder 
Fl — kurz, man tappt weniger im Dunkeln als früher. 
Find dabei ist hervorzuheben, daß seit mehreren Jahren 
schon aus Zeitmangel die Psychanalyse in gründlicher 


Weise Nur noch ganz ausnahmsweise angewendet wer- 


Feen kan Es ist das im allgemeinen gewonnene Ver- 
f ständnis der Psychopathologie, das den Fortschritt ge- 
| bracht hat, nicht die genauere Untersuchung des ein- 
zelnen Patienten, die im Gegenteil bei dem rapiden An- 


} a der Aufnahmen immer kürzer werden muß. 


i A ziehen gelernt hat. Nicht ohne Bedeutung ist auch, 
; W das affektive. Verhältnis von Patient zu Arzt und 
| ‚gekehrt ein anderes geworden ist; auch das erleich- 
fet natürlich die Behandlung des Patienten, sowie die 
i aner Entlassungsangelegenheit. Wenn man auch den 


Fanken wenig mehr zu sehen bekommt, so kann man 


N Sim Gesprächen mehr aus ihm herausbringen, in- 
Er die ‚Entlassung mit ihm bespricht und aus 
her lien dabei vielmehr als aus dem Inhalt 
N orte Schlüsse zieht. Nur angedeutet sei, daß 
l En inge nicht hur für die Entlassung an sich, son- 
f auch für die begleitenden Umtände, die zu wäh- 


e Arbeit, den Aufenthaltsort von entscheidender 
3 deutung sind... 1% n | | Be 


| eo frühe Entlassung der Schizophrenen ist 
f Azuwende Jewinn. Unter ‚den zahlreichen Mitteln, die 

Eins n sind, um zu diesem Ziele zu kommen, ist 
der wichtigsten die genaue Kenntnis der Psyche 


4 ‚der Kranke | 
f leichtert 
‚ alle 
Inga 


Nicht nur die frühe Entlassung frischer 
x sondern führt auch zur Entlassung langjähriger 
en, wodurch die Zahl der zum Wechseln verfüg- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


der sie konnte kürzer werden, weil man besser wußte, 
Ẹ auf es ankam, und aus Kleinigkeiten sichere Schlüsse 


n, wie sie die Psychanalyse vermittelt. Sie | 


265 


baren Betten und damit die Aufnahmefähigkeit einer 
Anstalt wesentlich erhöht werden kann.” 


Daß diese Erfolge nicht von psychoanalytischer 
Behandlung derjenigen Richtung stammen, von 
welcher ich oben Proben gegeben habe, ist für 
jeden klar, dem die Stellung Prof. Bleulers, des 
Direktors der Anstalt Burghölzli, aus dessen 
„Lehrbuch der Psychiatrie”, 1916, bekannt ist. Er 
schreibt von der Psychotherapie im Abschnitt: „Die 
Behandlung (der -Geisteskrankheiten im allgemei- 
nen” S. 154: „Aber gerade bei den letzteren (näm- 
lich den Schizophrenen) kommt es sehr darauf an, 
ob man sie verstehe, sich in sie hineindenken 
könne, und das vermag nur eine eingehende Be- 
schäftigung mit der Psychopathologie, den Wahn- 
und Symptombildungen, den Sperrungen und Ab- 
sperrungen zu geben.” In dem Abschnitt: Behand- 
lung der Schizophrenen (S. 329) findet sich so gut 
wie nichts von Psychoanalyse. Zur Freudschen 
Psychoanalyse nimmt Bleuler überhaupt nur 
bei der Hysterie (S. 391) Stellung, und zwar, bei 
aller Anerkennung seiner Verdienste, in durchaus 
kritischer, objektiver Weise; Verdienste, die er- 


‚wachsen sind aus der unentwegten Überzeugung 


und unnachgiebigen Forderung, daß alles Seelische 
durchgängig aus Seelischem verstehbar ist und er- 
klärt werden muß; aus einem Standpunkt, der be- 
kanntlich nicht neu, aber nie so kraftvoll und aus- 
dauernd verfochten worden ist. Dieser Würdi- 
gung der Verdienste Freuds schließe ich mich 
ganz an. 3, 

Daß Freud, indem er das ganze Fahrzeug der. 
Forschung auf das Geschlechtsgleis schob, in eine 
Sackgasse kam, ist verständlich; geradeso wie 


‚ wenn man alles von der Sonne und vom Licht oder 
vom Äther oder von Elektrizität oder von Bewe- 


gung, Kraft, Energie, Mneme, Vitalreihen usw. ab- 
leiten wollte. Der Geist läßt sich nicht vergewal- 
tigen, auch nicht von Sexualpsychologie und Anal- 
psychologie. A ee ln 
In seinen‘ „drei Aufsätzen über den inneren 
Konflikt” (Bonn 1919-20, A. Marcus & E. Webers 
Verlag) S. 27, bei dem Abschnitt: Zum Problem des 
Wahnes — sagt Dr. Otto Groß: „Das höchste 
Resultat auf dem Gebiet des genetischen und in- 
haltlichen Verstehens der funktionellen Psychose 
überhaupt, welches bisher erreicht worden ist, sind’ 
die Entdeckungen S. Freuds und seines genialen 
Schülers, S.Ferenczi, über die Perversion als 
ätiologisches und inhaltliiches Wesensmoment des 
Wahnes,” | | RE 
„Wir haben dadurch erfahren, daß sich die 
Wahnbildung in völliger Analogie mit der des 
Traumes, als eine symbolische, der Wirklich- 


drückens”, des „Flug”- 


266 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT  -[Nr ud 


keitskorrektur entrückte Wunscherfüllung 
eines sexuellen Triebes vollzieht, der 
einerseits unüberwindbar intensiv geworden ist 
und andererseits einen so vollkommenen Wider- 
stand von seiten des Bewußtseins und der Gesamt- 
persönlichkeit begegnet, daß seine Realisierung 
durch wirkliches Erleben unmöglich ist.” 

Da gefällt mir doch besser das, was A. Schüle 
lange vor Freud, 1880, in seinem „Handbuch der 
Geisteskrankheiten” (Leipzig, F. C. W. Vogel) S. 70 


und 71 von der Entstehung des Wahns schreibt: 


„Unter jenen Gemeingefühlsstörungen ist nicht sel- 
ten eine, welcher es gelingt, ihr zugehöriges iso- 
liertes Rapportzentrum zu erreichen, und zwar in 
jener metaphorischen Vergeistigung des sensiblen 
Reizes, wie sie der Traum uns spendet.... Aus 
diesen letzteren Gebieten (d. h. den partiell schla- 
fenden Teilen des Gehirns) bezieht dann unser Be- 
wußtsein die geistigen Schöpfungen dieser jetzt 
entiesselten „diskreten” Zentren und träumt 
wachend in den sensorischen Allegorien des „Alp- 
und- Be S 
traumes”. 


Wenn ferner O. Groß auf S, 39 seiner Studie 


dahin gelangt Zu sagen: „Beherrscht also der Wille 
zur Macht, der Sadismus, die Entstehung der Psy- 
chose, so kommt es zur Paranoia mit Erhaltung 
der orientierenden, die Umwelt beherrschenden 
Geistesfunktionen. . Ist Masochismus (gemeint ist: 


Selbsthingabe) das gestaltende Prinzip... „ so, 
-kommt es zur Schizophrenie mit Selbstüberlas- 
sung an das, was aus dem Unbewußten überwälti- 


send aufsteigt und andere Gesetze hat als die des 
Verstandes und des Geschehens in (der äußeren 
Welt” *)’—, so finde ich das ebenfalls schon bei H. 
Schüle (Klinische Psychiatrie, 3. Auflage, Leipzig 
1886, F. C. W. Vogel) S. 137 und ebenfalls einfacher 


und richtiger ausgedrückt: „Die Wahnerschaffung 
‚an sich wirkt deshalb, wie früher schon hervorge- 


hoben wurde, im Wahnsinn eigentlich ent- 


lastend, aufklärend, in der Melancholie dagegen 
` belastend, nur erklärend.” 
H. Schüle von Symbol und Allegorie bei 
der Entstehung des Wahns, und er spricht (S. 141) 
‘von der „Fata morgana des verdurstenden Wü- 


stenwanderers”, so den Umschlag in das expansive 
Stadium mit gleichgestimmtem Wahn bezeichnend, 
wofür heute „»Wunscherfüllung” gesagt wird.””) 


*) Prof. Dr. Kakre Bet in seinem Referat 
darüber in der „Zeitschr. f. d.’ges. Neurol. u. Psychiatrie” 
Bd. 21, Referate und Ergebnisse, H. 4 S. 179: „Reim 


- dich oder ich fress’ dich!” 


**) S, 448 im Handbuch der Geisteskrankheiien (1880) 
spricht Schüle geradezu von der „Erkr a nkung 


Wiederholt spricht 


nur in dem Maße seelenkundliche Einsichte 


si t7 | 


Denen, welche glauben, das Gebiet der Geiste | 
störungen als ein psychologisch unbestelltes Laif 
anzusehen, empfehle ich, sich zuvor in: der frühere | 
Irrenheilkunde umzusehen; z. B. in der Arbeit vi 
A. Krauß, Der Sinn im Wahnsinn (Allgemetf 
Zeitschrift für Psychiatrie 1858 Bd. 15 S. 617). Daf 
heißt es u. a. S. 656: „Ganz entsprechend dnf 
Traumleben ist der von der Sexualsphänf 
ausgehende Einfluß auf die Wahnbildung der wf 
verkennbarste und ausgeprägteste und zuge 
derienige, welcher den umfassendsten Icieenkrüff | 
hat.” - Ä | 
Nur ist man nicht der Einseitigkeit verili af 
die Quelle des Wahns ausschließlich im Geschledi i 
lichen zu sehen, und nicht der Verzweiflung, a 
Rettung aus dieser Einseitigkeit sich an den Stk 
halm naturphilosophischer Spintisiererei zu kam 
mern. Wo Naturphilosophie anfängt, hört Wise | 
schaft auf. 4 

Denen, die jetzt so schleunig und nach ihrer 4 
die Psychiatrie erleuchten und meistern wollen mit Liig 
zismen, Philosophismen und Psychologismen, empi 
ich doch sehr das Studium nicht etwa der „Geschicht 
der Psychiatrie, sondern ihrer ganzen Literatur im vi 
gen Jahrhundert. Um von den Wurzeln, die.er dortiff| 
det, nur beiläufig eine zu erwähnen: Die Bezeichmif 
Dementia praecox findet sich schon bei Schill 
in seiner Klinischen Psychiatrie, 1886, S. 451, 45 "E 
Kapitel: Hereditäre Neurose; die Überleitu 
zur primären Dementia (S. 211) und Hebephrenie (S. 
ist bemerkenswert. Viel mehr als bei Schüle #f | 
schieht, kann auch heute kaum in der Irrenheilkunde 4 
sexuelle Zusammenhänge Bezug . genommen werda, 
selbstverständlich, daß diese inzwischen klarer $ 
worden sind. 

(Nebenher darf ich vielleicht hinsichtlich. aee 
psychiatrischer Literatur erinnern an den köstlich 
Vortrag von O. Schwartz: „Das Irrenhaus,; eine Wel 
im Kleinen, und die Welt, ein Irrenhaus im Grobenf 
Allgem. Zeitschrift f. Psychiatrie 1857, Bd. XIV, S. nd 


Auch: Dr. phil. Carl Müller- Duos 
schweig in Berlin-Schrnargendori a A 
notwendig, die Ärzte darauf hinzuweisen, da 


psychoanalytische Experiment dem = 
n 


| 
| 
di 
wf 
i 


f 


I 
mittelt, als er gelernt hat, es bei sich u anzi f 
wenden (Über die Schwierigkeiten in der Anët i 
nung der Freudschen Psychoanalyse; Deutsch 
med. Woch. v. 26. Aug. 1920). „Alle die ps | 


on 
der symbolisierenden Sectentunktsl 


welche eben die „Verrücktheit” auf ihrer rad p 
Formstufe darstellt. S. 495: . Wahnideen fer PN | 
nach Ernährung der in drohendem Zerfall best! 


Denkzellen”). . 


'nichtung (dieser een Allegorie „des ie | 


i 


f 
Y 


H 
$ 
Hi 


| 4 = 


den Komplexe, deren Aufdeckung und Bewußt- 
Lf machung in den psychoanalytischen Behandlungen 
im Mittelpunkte steht, sind nicht etwa nur beim 
sen, sondern bei allen Menschen vorhanden.” 
f Krankhafte Bedeutung gewinnen sie erst durch 
ihre Stärke, ihre Verschlungenheit mit anderen 
| seelischen Strebungen und Trieben, seelischen Er- 
F schütterungen und Art und Grad ihrer Verdrängung. 
f Jeder Analytiker ist nur so lange blind gegenüber 
Wien bedeutsamen — allgemein menschlichen — 
Fisychischen Zusammenhängen bei seinen Analy- 
$ sinden, so lange er sie noch nicht bei sich. selbst 
f iteinden hat.” Die Selbstanalyse ist aber noch 
(F Wwieriger als die Analyse anderer. Darum soll 
i sch jeder, der die Analyse ausüben will, zunächst 
f ost analysieren lassen. Die psychoanalytische 
A bsterforschung wird dadurch erleichtert. Dazu 
fmen sich aber nur wenige entschließen und das 
St, nach der Ansicht der Psychoanalytiker, der 
Biisi Grund, warum sich die Anwendung der 
f Psychoanalyse so wenig einbürgert. „In der in- 
A Firktiven Abwehr, sich dem analytischen Experi- 
ent zu unterwerfen, hat der mehr oder weniger 
En vor dem mehr oder weniger Normalen 
i Füchts voraus. Es ist hier ähnlich wie bei der 
O vor der Operation: es wird eine große 


ID: Artikel in Nr. 29-30 der Psychiatrisch-neu- 
tologischen Wochenschrift „Beschäftigung 
p Pileglingen im. Haushalt Anstaltsangestellter” 
J lies eine Frage, die wichtig genug ist sine ira, 
| Aber cum studio behandelt zu werden. Gleich zur 
u. wird bemerkt, daß nur wenige Anstal- 
N, sie.sejen zu zählen, ablegen seien. Genau das 
senteil ist der Fall, außer den Kliniken an Uni- 
'ersitätsstädten sind die meisten Anstalten so ge- 
J IE daß sie mit der übrigen Menschheit möglichst 
it. zu tun haben, zum größten wirtschaft- 
en Schaden der Beamten. Die Hauptschwie- 
“ Hausangestellte in solche Anstalten zu be- 
Fe, liegt aber, abgesehen von der Einsam- 


| fa sich. Au 
Weiblich 
z ) Mische 


F 
4 
] lira 
i fu 
E 
1a 
f 


Berdem wird jeder Hausangestellte, ob 
‚ 0b männlich, sofort den Vergleich ziehen 
t seiner Entlohnung und der des Anstalts- 
es zwischen seiner Freiheit und der jener. 
Sei von den Beamten so gestellt ist, sei- 
È s Ienstpersonal dasselbe bieten zu können 

das Anstaltspersonal bekommt, ist wohl 


n 
| 
i 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


fi dert zu entschiedenem Widerspruch heraus. Es 


in dem abschreckenden Wort „Irrenanstalt” 


den wäre ein schwerer Fehler. 


267 


Menge von Unlust entbunden; es werden alte, un- 
ausgeglichene seelische Spannungen wieder wirk- 
sam gemacht”; der analytische Prozeß stört „bio- 
logisch wie kulturell wichtige und instinktiv ge- 
hütete Mächte, die das seelische Gleichgewicht auf- 
recht erhalten, wie das Selbst- und Wertbewußt- 
sein’, macht sie schwankend, ‚freilich nur für 
Übergangszeiten und nicht ohne einen schließlich 
erheblichen Zuwachs an seelischer Sicherheit”. 

Die Sorge um salche Mächte ist aber meines Er- 
achtens weniger hinderlich als der Umstand, daß streng 
genommen vor der psychoanalytischen Untersuchung 
und Behandlung jedes einzelnen Falles eine neue Selbst- 
analyse stattfinden müßte, da doch ieder Fall psycho- 
analytisch anders liegt. Der vielbeschäftigte Psycho- 
analytiker würde gewissermaßen genötigt Sein, dauernd 
an seine Pharisäerbrust zu schlagen! Ergötzliche Ein- 
und Ausblicke! 


Als ein weiteres Hemmnis für die Psychoana- 
lyse führt auch Müller an, daß ihre Ausübung 
zu viel Zeit raube, in manchem Falle sogar sich 
über Jahre erstrecke In solchen Fällen aller- 
dings — meine ich — wird man kaum unterschei- 
den können, ob die Zeit oder die Psychoanalyse 
geheilt hat; wahrscheinlicher ist ersteres. 


(Schluß folgt.) 


Beschäftigung von Pfleglingen im Haushält Anstaltsangestellter. 


selbstverständlich. Aber dies darf und soll natür- 
lich kein Grund sein, Kranke im Privathaushalt zu 
beschäftigen, aber da es in dem Artikel erwähnt 
ist, mußte darauf eingegangen werden. Nur ärzt- 
liche Gründe dürfen für solche Beschäftigung in 


‚Betracht kommen. Es handelt sich in der Haupt- 


sache um solche Kranke, die bis dahin auf der Ab- 
teilung herumlungerten und sich, so gut es ging, 
die Zeit vertrieben, die einfach nicht arbeitswillig 
waren, und die meist etwas stumpfsinnige und für 
ihr Gefühl erzwungene Arbeit in der Kolonne unter 
Aufsicht verweigerten. Daß solche Kranke die 
freie Tätigkeit als Gartenarbeiter, oder im Haus- 
halt als tausendmal anregender empfinden, als z. 
B. die herzerhebende Arbeit, stundenlang im 
dumpfien Keller Kartoffeln auszulesen, ist so selbst- 
verständlich, daß auch ein Zweifel schon an der 
Möslichkeit solcher Anregung daran nichts ändern 
kann. Solche Kranke, deren Arbeitskraft für die 
Anstalt doch nicht in Betracht kommt, auf sol- 
che Weise wieder an Arbeit gewöhnt zu haben, ist 
ein psychiatrisches Verdienst, und dies zu unterbin- 
Zahllos sind die 


268 | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT ` (Nr. dl 


Beispiele, wo scheinbar verlorene Fälle auf sol- 
chem Wege wieder ans Leben gewöhnt wurden 
und zur Entlassung kommen konnten; in dieser 
Beziehung tatsächlich eine „Probezeit für die 
Rückkehr ins Leben” durchmachend. Es wird 
wohl noch keinem Arzt eingefallen sein, solche 
Zustände, wo Pfleger die Arbeit, für die sie bezahlt 
werden, auf Kranke abbürden, als empfehlenswert 
hinzustellen, oder gar als solche „Probezeit” zu 
bezeichnen. Die Worte von der Bezahlung des 
Klosettreinigens mit einem Zigarrenstummel ge- 
hören auch nicht zum Thema, welches „Beschäfti- 
sung im Haushalt Anstaltsangestellter’” - lautet. 
Fine traurige Anstalt wäre die, wo die etwaige 


Benachteiligung des Arbeitgebers durch -die Ent- 


lassung eines so beschäftigten Kranken auch nur 
die geringste Rolle spielte, wie dies in dem Artikel 
angedeutet wird. In unserer Anstalt ist jedenfalls 
das Gegenteil der Fall. Hier ist tatsächlich einer 
Menge von Kranken die Beschäftigung im Haus- 
halt die Übergangszeit für das Neuhinaustreten ins 
Lieben geworden und wird es noch immer. "Wo 
soll beispielsweise für eine Frau die Anstalt etwas 
gleichartiges bieten, wie es der Umgang mit klei- 
nen Kindern darstellt? Es wäre doch eine völlige 
Verkennung der weiblichen Psyche, die Arbeit in 
Koch- und Waschküche, oder in der Nähstube als 
vollwertigen Ersatz hinzustellen.. Schon mancher 
Frau ist so wieder die Liebe zum eigenen Haus- 


- halt und zu den eigenen Kindern erweckt worden; 


oder die Angehörigen fassen angesichts solcher 
Tätigkeit wieder neuen Mut die Ihrigen abzuholen. 
-= Ein nicht zu vergessender Gesichtspunkt ist 


auch die genaue Beobachtung durch den Arzt in. 


seinem Haushalt, die ihm weit bessere Aufschlüsse 
über den Kranken gibt, als es je eine Beobachtung 
auf der Abteilung geben kann. 


fähige Pfleglinge zu entlassen und in Haushaltun- 
gen einzustellen, dafür hat die Auflösung der An- 
stalt Weilmünster, bei welcher Gelegenheit dies 


_ Experiment in .ausgedehntem Maße gemacht wor- 
den ist, den Beweis erbracht. Die meisten der SO 
Mi ‚Entlassenen sind neu erkrankt, und während sie 
früher für. eine bestimmte Zeit auf. entsprechende 


Abteilungen hätten zurückkommen können, . fielen 
sie jetzt auf ein. ‚halbes. Jahr erst einmal den Orts- 
krankenkassen zur Last, die sich für diese uner- 
wartete. Nabea i bestens bedankten. 


ken auch nur das bieten zu können, was mi 


Schädigung von Anstaltsinteressen leicht zu wf 


Daß es nicht an- 
gängig ist, wie vorgeschlagen, ungeheilte, arbeits- 


die Betonung des Heilfaktors. Vielleicht helient i fi 


len, den Gedanken der Verheiratung und Dal i i 


Etwas merkwürdig mutet es an, man mödid 
fast an Ironie glauben, wenn man den Pasif 
liest, der den Einwand der größeren Ablenkugf 
und Anregung im Privathaushalt entkräften uf 
„Es darf keine Woche : vergehen, in der nicht € | 
ein bis zwei Tagen durch Vorlesungen, Vortri@f 
Vorführungen, ‚Musik, Kino, Spaziergänge auf 
halb der Anstalt u. dergl. etwas Ordentliches af 
Unterhaltung geschieht.” Ja, wo, in welcher Pug 
vinz, in welchem deutschen Land hat sich deig 
seit 1914 die Finanzlage so glänzend: entwickiif 
daß auch nur ein kleiner Bruchteil dieser schönd ; 
Vorschläge verwirklicht werden könnte? Du } 
Etatskapitel „Erholung und Festlichkeiten” ist 
1914 wohl eingeschränkt worden, aber wohl ie i 
gends auf das 20- bis 30 fache erhöht, um den Kai 


ihnen vor dem Kriege bot. Alle solche Veransug 
tungen kosten leider Geld, und wenn es nur Lidl | 
Heizung und Überstunden für das Personal wä 
Es ist natürlich sehr wünschenswert, gegen MP 
Stumpfsinn auf den Abteilungen anzukämpl 
aber nicht mit unerfüllbaren Vorschlägen, deuf 
Ablehnung von den Landtagen schwerlich dp 
„übertriebene Sparsamkeit” aufgefaßt "OE 
würde. i 


Ich komme zum Schluß. Man sol die Ges 1 
tigung Kranker in Privathaushaltungen förp 
wo man kann. Ein geschickter Direktor wird W ; 


meiden wissen. Diesen Heilfaktor anszuschaltdf 
wäre ein arger Rückschritt, so arg, dab der & 
undiskutierbar hingestellte Gedanke der w | 
tung zur Beschäftigung Geisteskranker in Wp 
Privathaushaltungen Anstaltsangestellter tatsill 1 
lich ernster Erörterung wert wäre. ' 


Dr. med. Schn eiden i I 
Oberarzt der Anstalt Herborl 


H N 


f 


Anmerkung der Redaktion De { 
Herrn Verfasser sei bestens gedankt für die & fi 
entschiedene und klärende Herausstellung des & j 3 
gegengesetzten Standpunktes, und besonders # 


Schlußzeilen manchem, selbst älteren Jungs 


standgründung wiederaufnehmen. ‘Breder ? | | 


fC; handelt sich um einen vor anderthalb Jahren 
Un Katatonie erkrankten, an eitriger 
PPkuritis verstorbenen Mann, welcher über ein 
j th Jang beobachtet werden konnte. 

Er bot abwechselnd Zustände hochgradiger 
ori scher Unruhe mit Zerstörungstrieb, 
Flogorrhöe, Grimassieren und solche stark neg a 
üristischen Verhaltens. Die einzelnen Sta: 
; Ün dauerten in der Regel nur wenige Tage, oft 
| älerte sich das Bild von Tag zu Tag. Die In- 
% telli genz blieb bis zuletzt vollkommen in- 
j takt, 

Die Gehirnsektion ergab als Hauptbefund eine 
j nit bloßem Auge deutlich erkennbare, völlige 
I Entfärbung der rechtenvorderenZen- 
talwindung (die linke Hemisphäre wurde zu- 


Br vo 5 -— r -- E — - n un. ra 
mofe TIR 3 = o Fo. = et e, . - 
> ? TE er ne o ar = T 2.224 8 = a oa s 
- - R + Er OERIEN Baí = i n 4 | 
a te en, T + k 
> r, 


D 


[ou 


© Reichsyerband: Am 7. Januar 1922 fand in Berlin 
Deutschlands im „Reichsbund höherer Beamter” statt, 
rach monatelangen Kämpfen und unerfreulichen Zwi- 
f chenspielen. Der im Oktober beschlossene Beitritt ver- 
i Schiedener noch außenstehender Großorganisationen, 
i Hauptsächlich des Deutschen Richterbundes, Preußischen 
ni Richtervereins und mehrerer großer Landesverbände, 


i Änflusse dieser Verbände gewählte Satzungsausschuß 
T ähm eine neue Satzung am 21.Nov. 1921 an und bildete 
en dem alten, aus eigener Machtvollkommenheit einen 
fen vorläufigen Gesamtvorstand und geschäftsführen- 


” eigentlich auch zwei Reichsbünde vorhanden waren; 
Fin der alte geschäftsführende Vorstand gab die Ge- 
If Fit und den Bundesbesitz nicht ab, da die neue Bil- 
1i dng, nicht gesetzmäßig sei und die meisten zuerst vor- 
3 ätdenen. Verbände ihm die Gefolgschaft hielten und neue 
f, H ue verlangten: Es wurde daher vom alten Vor- 


i 4 m 1922 in das Landeshaus der Provinz Branden- 
A R Berlin einberufen, um endgültig und formgemäß 

EE der Satzungen und den Zusammenschluß 
hand) ießen. Mittlerweile hatten hinter den Kulissen 
Mister ungen stattgefunden, auf Grund deren’ die am 
fendon Verbanar Persönlichkeiten der neu aufzu- 
ER ve Verbände, die zweifellos die alten majori- 
| Fi en = ihren Rücktritt aus leitender Stellung an- 
fé hiess ugleich ließ bei Beginn der Versammlung 
I y zter Zeit leider sehr, angegriffene bisherige 
I Orsitzende und überaus verdienstvolle Gründer 


Pie endgültige Aeammenis snk aller höheren Beamten 


Wirde damals tatsächlich nicht vollzogen. Der unter dem 


H i | 
i en Vorstand, so daß nun glücklich zw ei Vorstände 


I eine außerordentliche Vertreterversammlung zum i 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 269 


Kurze, vorläufige Mitteilung über einen positiven Rindenbefund 
bei Katatonie. 
Von Dr. Arthur Adler - Berlin. 


nächst intakt gelassen), anscheinend durch die 
ganze Dicke der Rinde gehend. Dieselbe setzte sich 
außerordentlich schar | 
färbten Rindenpartien der benachbarten Hirnwin- 
dungen ab. 
zeigte sich die weiche Nirnhaut deutlich 
verdickt und getrübt. 


gegen die normal ge- 


Im Bereich der erkrankten Stelle 


Über der rechten Hirnhalbkugel fand sich außer- 


dem eine» frische, dünne, flächenhafte Blutauflage- 
rung von größerem Umfang; auch war das ganze 
` Gehirn von auffallend fester Konsistenz, 


Eine Zerlegung desselben in Serienschnitte und 


Untersuchung der Zellen und Fasern. nach den 
neuesten Methoden der Histopathologie wird 
vorgenommen und darüber seinerzeit berichtet 
werden. 


e Mitteilungen. 


des B.. h. B. in seiner. ursprünglichen Form, Studienrat 
Thiele, seinen Rücktritt vom Amte: erklären, offensicht- 
lich um die Bahn für die Einigungsverhandlungen ganz 
frei zu machen. Zugleich wurde durch einen vermit- 
telnden Verband gemäß dem oben erwähnten Überein- 
kommen die Annahme der vom Ausschuß vorgelegten 
Satzungen und die Wahl einer Vorschlagsliste von Mit- 
gliedern des künftigen Gesamtvorstands verlangt als 
Vorbedingung für..den endlich zu 'erzielenden Zusam- 
menschluß aller bisher noch widerstrebenden Verbände. 
Es blieb den versammelten und in der Mehrheit zum bis- 
herigen Vorstand. haltenden Verbänden nichts weiter 
übrig, als dieses Diktat hinzunehmen, sollte der überaus 
unerfreuliche Streit nicht‘ weitergehen. Es wurde die 
neue Satzung im ganzen angenommen und nach vielen 
Bedenken auch die' Vorstandsliste. Damit wurde ` Mini- 
ster a. D. Scholz zum ersten und der aus der Zeitschrift 
des R. h. B. wohlbekannte Postrat Tapfer zum zweiten 
Vorsitzenden gewählt; Studienrat Thiele erhielt trotzdem 
die Stimmen einer recht erheblichen Minderheit, wenn 
sich die Verbände auch klar waren, daß er nicht wieder 
annehmen würde. — Nach den neuen Satzungen soll der 
R. h. B. nunmehr bestehen aus einer Reihe von „Säulen”, 
als welche verschiedene „Berufsverbände” ohne weite- 
res anerkannt sind, andere nach Zusammenfassung der 
kleineren und bei mindestens 500 Mitgliedern für die 
Übergangszeit vom Gesamtvorstand zugelassen werden 
können; daneben aber sollen „Landesverbände”, be- 
stehend aus den Landesgruppen der in ihrem Bereich 
vertretenen Berufsverbände, den R. h. B. bilden. Es 
würde demnach jedes Einzelmitglied' künftig im R. h.B. : 
doppelt, durch Berufs- wie Landesverband, vertreten 


270 


sein können oder gar müssen. Ob das vorteilhaft ist 
und wie es durchgeführt werden soll, muß der weitere 
Verlauf ergeben. Es wird in dieser Beziehung auch ‘auf 
die demnächst in der Zeitschrift des R. h. B. erschei- 
nenden neuen Satzungen verwiesen. Es besteht leider 
bei der Neuordnung das Bestreben, die größeren Ver- 
bände in den Vordergrund zu rücken und die bisher 
stets gut vertretenen kleineren, zu denen wir ‘auch 
unseren Reichsverband rechnen müssen, in den Hinter- 
grund zu schieben. Zweifellos muß es unser Bemühen 
sein, als Berufsverband durch das ganze deutsche Reich 
unter allen Umständen zusammen zu bleiben und als 
solcher im R. h. B. anerkannt zu werden. Wenn es 
nicht anders möglich ist, wäre ein Zusammengehen mit 
andern medizinischen Beamten des Reiches" und der 
Staaten (es seien hier nur die. Kreisärzte, Regierungs- 
 medizinalräte, die im Reichsmedizinalbeamtenbund or- 
ganisierten Versorgungsamtsärzte. und der Bund deut- 
scher Sanitätsoffiziere genannt) in einer Säule „Medi- 
zin”, die es bisher im R. h. B. noch nicht gibt, zu 
erstreben; Verhandlungen darüber sind schon im Gange; 
ihr Ergebnis wird mitgeteilt werden. Bei dieser Ge- 
legenheit sei nochmals auf die Verpflichtung zum Halten 
der Zeitschrift des R. h. B. seitens unserer E. V. drin- 
gend hingewiesen. Baumann, Landsberg. 


Buchbesprechungen. 


— Chotzen, Hilfsschularzt Dr. F., Breslau: Ein- 
rung in die Kenntnis der geistigen Schwächezustände 
der: Hilfsschüler.  Ergänzungsband zum „Handbuch des 
Hilfsschulwissens”. : Mit einem Anhang: Die Gesund- 
heitspflege in der Hilisschule. 192 S. Mit 23 Abbildun- 
"gen. Halle a. S., Carl Markold Verlagsbuchhandlung. 
Preis 20,00 M. 


Dieses treffliche Buch aus dem. um das Schrifttum 


der Heilpädagogik besonders und mit .bestem Erfolg be- 
mühten Marholdschen Verlag ist vorzüglich geeignet, die 
Kenntnisse der 
beim Kinde zu vertiefen und das. Verständnis für ihre 
Äußerungen und ihre Behandlung zu: wecken. Es be- 
handelt Anatomie und Physiologie des Gehirns und Ner- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Grundlagen: der Schwachsinnsformen 


[Nr. 43h 


vensystems und die verschiedenen Krankheitsiom 
denen der Hilfsschullehrer bei seinen Zöglingen begeg 
Die Darstellung bekundet die reiche Sachkenntnis w 
Erfahrung, auch hinsichtlich der pädagogischen Meth 
den und Ziele. 


——_ 


Iherapeutisches. 


— Eisen-Elarson bei anämischen Zuständen, X 
Medizinalrat Dr. Heinrich Hanke, Ordinarius & 
Klosters Unserer lieben Frau von Sion in Wien. Wi 
med. Wochenschr. Nr. 14 vom 2. April 1921. N 

Die Eisen-Elarsontabletten mit einem Gehalt v 
0,5 mg As. und 30 mg Fe werden zum AllergrößtenT 
vom Darm aus resorbiert, dadurch sind alle Neben vi 
kungen der kombinierten Eisenarsenbehandlung — M 
genbeschwerden und sonstige dyspeptische Störung 
die den Kranken so sehr belästigen — ausgeschaltetä 
ein günstiges Verhältnis für die Assimilation geschat 

— Über die Dosierung der Beruhigungsmittel W 
Säuglings- und Kindesalter. Von Prof. F. Göppel 
Göttingen. Therap. Monatshefte 1920 Nr. 1. 1 

Adalin und Bromural. sind in den angegehäl 
Dosen: 0,1 bis 0,5 — 0,75 bei Säuglingen und Kind 
bis 10 Jahren — unschuldige und wirksame Sci 
mittel; bei allen möglichen Infektionskrankheiten, & j 
weit sie nicht durch starke Schmerzen Unruhe vet 
sachen, und auch vor allen Hustenmitteln beim Ke 
husten anzuwenden. sad 


Personalnachrichten. 


— “Langenhagen. Erster Oberarzt Dr. Rizor W 
der Heil- und Pilegeanstalt in Langenhagen ist W 
1. Oktober 1921 ‘ab auf ein Jahr beurlaubt word 
zwecks Beschäftigung bei der Hauptverwaltung 
Hannover. Apot e 


Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schri r | 
leitung resp. den Verlag über redaktion ; | 
Fragen das Rückporto beizufügen. | 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf etats l4tägig in Doppelnummert j 
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Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von | 
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Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
$i (Rhi), Geh. Med.-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna. (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
| Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
i Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Gen. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, . 
Ber Ohting (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München. Prof. Dr. H. Vogt. Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. oyran, Hamburg. 


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| N Bi | = Schriftleiter: 
(ia Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
r. 45/46. ‚11. Februar SE 1921/22. f 
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4 das Vierteljahr ae Verlag und Ausgabe: sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
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Einhalt: By choanaiyse und ‚Psychiatrie. Von Dr. J. Bresler. Schluß. (S. 271.) — Weiteres zur Prophy- 
np laxe und Behandlung von Tabes und progressiver Paralyse mittels Chinin. Von Dr. Arthur Adler- 
F Berlin. (S, 279) — Flüstersprache. Von Dr. K. Schmelzeis. (S. 279.) — Wahrträume und ErinneranBeia ur 


Von Dr. Schmitz, Sanatorium Rockwinkel, Oberneuland-Bremen. (S. 281.) 


'f Psychoanalyse und Psychiatrie. 
| Von Dr. J. Bresler. 
(Zugleich. Buchbesprechungen.) 


E rE | | z - (Schluß.) 


k: 


im Dale der aa Forschung gleichsam aus uns herausgeschafft, welche das 
Ẹ Stbesonders anziehend zu. verfolgen, wie sich die Kunstwerk in uns erregt hat, aber dieselbe. 
Menschen ohne „Psychoanalyse” geholfen haben Katharsis betrifft mittelbar auch alle 
fu helfen, und darüber findet sich sehr viel Be- gleichartigen, unter denselben Be- 
I erkenswertes in der psychoanalytischen Litera- griff fallenden Affekte, die in uns 
ùr: Hier rollt sich freilich die ganze Menschlich- in Bereitschaft liegen, welche von dem 
"eitsgeschichte auf; aber ich möchte doch noch durch das Kunstwerk erregten Gefühl gleichsam‘ 
f imal daran erinnern, daß bereits Aristoteles von bewältigt und mit diesem zugleich aufge- 
finr Katharsis, einer Reinigung der Ge- hoben werden usf. — Ob ein solcher Grund nicht 
| he wußte (Psych.-neurol. Wochenschr. Jahrg.20 auch heute noch und noch stärker die Menschen 
es in einer. der von mir unter „Seelenkund- ins Theater führt? er er | 
im Unterstand für den Unverstand geschrie- Pfarrer Pfister (Zürich) hat in einem sehr lesens- 
Men Notizen). Es ist die Befreiung vom Affekt, ` werten Aufsatz: „Plato als Vorläufer der Psycho- 
ich durch dessen Ertötung, sondern durch seine analyse“ (Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse 
Ta Anregung (nämlich in der Tragödie) nn ya = E rape ik a RR 
den Ablauf selbst. Und zwar werden durch Liebe (Eros) erinnert, die in allem Seienden wirkt: 


Plato sagt z. B.: „Der Eros ist der menschenfreund-. 

Öre | 
Is der Musik, durch das Anschauen der lichste unter den Göttern und der Menschen Beistand: 
ikte dy & einer Tragödie zunächst diejenigen und Arzt in demjenigen, aus dessen Heilung die. größte 
urch den Ablauf selbst wieder gestillt und. Glückseligkeit für das menschliche Geschlecht er- 


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.. "Leibes“. 


212 


“wachsen wird.“ Ferner: „Die Heilkunde, um es kurz 
‚zu sagen, ist die Erkenntnis der Liebesregungen des 
Der letzte Ausspruch ist eine irrige Verall- 
gemeinerung, auf die man nicht deshalb sich berufen 
sollte, weil ein Philosoph ihn getan, der erstere etwas, 
was schon ältere griechische Dichter in prächtigen unver- 
‚gänglichen Versen uns verkündet haben und was in 
‘der christlichen Lehre wiederkehrt. 

Kennern unserer deutschen Klassiker — in dieser 
ist schon alles Psychoanalyse, Gottseidank nicht in 
Miß- und Steißgeburten heutiger — gestatte ich mir 
eines kleines Preisrätsel aufzugeben. Wer hat Folgen- 
des geschrieben und wo? (Vor reichlich 100 Jahren!) 

„Der Mensch, der sich immer zu selten und Andere 

zu oft befragt, hegt nicht nur heimliche Neigungen, 
sondern auch heimliche Meinungen, deren Gegenteil er 
zu glauben wähnt, bis heftige Erschütterungen des 
Schicksals oder der Dichtkunst vor ihm den bedeckten 
Grund seines Innern gewaltsam entblößen‘. 
Preise habe ich leider nicht zu verteilen;. aber 
‘wenn der oder die Löser der Aufgabe einige brauch- 
‘bare Betrachtungen über Richtigkeit und Anwendbar- 
keit dieses Ausspruchs niederschreiben, so verspreche 
ich ihren Ausführungen die ersten: Seiten der ersten 
'Nummer des kommenden (24.) Jahrgangs der Psychia- 
‚trisch-neurologischen Wochenschrift als Ehrenplatz an- 
zuweisen und ihn mit einer Guirlande festlich zu um- 
ranken. 


Nicht das Donnern und Krachen von Sturm- 
böcken, sondern Worte freundlichen Unterhandelns 
Jassen sich vernehmen an (der Pforte- der Irrenan- 


stalt aus Ludwig Binswangers Referat: 


„Psychoanalyse und klinische Psychiatrie”, erstat- 
tet am 6. Internationalen psychoanalytischen Kon- 
greß im Haag «8. bis 11. September 1920) (Inter- 
nationale Zeitschrift für Psychoanalyse 1921, VI). 
Binswanger zeigt uns hier allerdings nicht an 
Beispielen, was die Psychoanalyse in der Irrenan- 
stalt geleistet hat, sondern auch hier hören wir nur 
Zukunftsmusik, vor der angeblich die Irrenärzte 
sich die Ohren zuhalten oder gar zustopien. 

Was kommt bei jenem munteren Gefecht der 


psychoanalytischen Begrifismarionetten heraus? 
der Trieb. $ 
Binswanger sast dazu (S: 153): - „In 


Freuds Trieb verbirgt sich jenes metaphysische 
 Teufelchen, das in der Psychiatrie in der Hirn- 
rinde sein Unwesen treibt. Der Begriff des Trie- 
bes ist der. eigentliche Kernpunkt der Freud- 
schen Lehre, das Fundament des ganzen Gebäu- 
des, der Gegenstand, auf den er in unermüdlicher 
Forscherarbeit die Hauptenergie seines Denkens 
verwandt hat. In der offiziellen Psychiatrie ist 
dieser wichtigste, folgenschwerste Teil seiner 
Lehre weder in seiner theoretischen Bedeutung 
erkannt, noch in seinen empirischen Grundlagen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


dieses Stillschweigen leider bei Freud selbst sf 


” ökonomische**) Betrachtung als die Aufgabe mf 


Natur bezweckt mit der Arbeit unseres seelisch 


Ne. as i 


gewürdigt. (Erst in den ausgezeichneten Arbeiten f 
Schilders weht, uns eine neue Luft entye- f 
gen!)*) Solange die klinische Psychiatrie die Be 
ziehungen . etwa zwischen Triebperversionen ul f 
ieurotischen Symptomen nicht anerkannt und s- f 
lange sie hartnäckig die Augen verschließt gegen 
die Tatsache, daß eine Menge einzelner Symptom f 
sowie manche Krankheitsphasen und -stuieaE 
irgendeiner Triebbefriedigung dienen, solange -f 
das kann man ruhig aussprechen — hat die kliiP 
sche Psychiatrie den Kern und das Wesen der “ig | 
choanalytischen Forschungsrichtung und ihrer ig 
gebnisse nicht berührt.” | 

Wir Irrenärzte sind leider zu anspruchsvoll; af 
genügt uns ganz und gar nicht und es lockt us 
gar keine Bewunderung ab, zu erfahren, di 
irgendeine Triebbefriedigung manchen Zeichen gt 
stiger Erkrankung zugrunde liegt. Das hatte mal 
wohl in der Irrenheilkunde als vorhanden stil: | 
schweigend vorausgesetzt; stillschweigend, wi 
damit wenig anzufangen ist; und nun müssen wire 


rechtfertigt sehen; denn was ist denn der „Trieb F 
„Leib und Seele und deren Störungen treffen WE 
Freud zusammen im Trieb, d. h. in demia 
gen an den Organismus geknüpften Geschehen, wf 
wir als die Triebhaftigkeit schlechthin bezeicmag 
und nach oben von dem normativen Erleben, nad 
unten" von den- rein physikalisch-chemischen Vorl 
gängen begrifflich abgrenzen können. Im Trieb 
sieht Freud bekanntlich den „Grenzbegrili zw 
schen dem Psychischen und Somatischen”, Wf 
Zusammensein von „organischen Mächten” mif 
deren „psychischen Repräsentationen” (S. 153). | 

Das ist uns zu wenig und zu einseitig; wir WER 
gern uns entschieden, jeden Ausspruch Frei | 
zu bewundern und gläubig hinzunehmen, wie mall- 
che Anhänger dieser Richtung es tun. 

„Das Endziel der seelischen Tätigkeit, das sich 
qualitativ als Streben nach Lustgewinn und Unlust 
vermeidung beschreiben läßt, stellt sich für d 


die im seelischen Apparat wirkenden Erregutf 
größen (Reizmengen) zu bewältigen und Re 
lust schaffende Stauung hintanzuhalten” 
Freud nach Binswanger (S. 134). d 


Wir vernehmen weiter noch deutlicher: ~ 


d 


of 
5 Diese Pmsekaltung ist im Originaltext, nicht 


mir. Be 
**) Ökonomisch im Sinne: auf den BR il 
halt sich beziehend. Brest 


2 


f dung von Unlust”, die „automatische Regulierung 


1 durch das Lustprinzip” (S. 154). 


f Im Verlauf einer kritischen Anwandlung und 
f kräftiger Selbstaufrichtung meint Binswanger 
Ei: 
f sin, daß das Erleben der Persönlichkeit, ihre ent- 
f scheidenden Lebenskonflikte, auf einen Kampf zwi- 
schen zwei Triebrichtungen eingeengt wird. . . . 


man kann ferner darüber betrübt 


7 


f Wir Irrenärzte haben keinen Grund zu Unmut 


über diesen alten Trauerhut, der sich auf Freuds 


| Begrifissystem erhebt, dieser „großen praktischen 
Leistung”, wie Binswanger es nennt (S. 156); 


denn an diesen Kampf sind wir schon als Men- 
| schen, nicht nur als Irrenärzte und als Psychoana- 
f iker nichtt-Freudscher Richtung gewöhnt, 
{ ud wir wissen es schon aus Schillers Welt-Psy- 


thoanalyse: 


nu 


| der 


Doch weil, was ein Professor spricht, 
Nicht gleich zu allen dringet, 

So übt Natur die Mutterpflicht 
Und sorgt, daß nie die Kette bricht, 
Und daß der Reif nie springet. 
Einstweilen, bis den Bau der Welt 
Philosophie zusammenhält, 

Erhält sie das Getriebe 

Durch Hunger und durch Liebe. 


Wen Binswanger meint, „daß das, was 


von den klinischen Psychiatern, mit Ausnahme 


Bleulers und seiner Schule, versäumt wurde, 
Nunmehr von den jungen Revisionisten in der Psy- 


| chiatrie nachgeholt wird”, so wird sich zeigen, daß 
tie Revision sich an der r e u d schen Psychoana- 
lyse betätigen muß, nicht an der Psychiatrie, und 
f nswanger selbst erhofft doch auch eine 

eilsame Revision” der begrifflichen Grundlagen 


ler Psychoanalyse (S. 165), allerdings von seiten 
„Phänomenologischen” Forschungsrichtung 


usserl, Schilder, Jasper), von der wir 


f Yter freilich nichts anderes als Pläne, Worte, 
p orien, 

Grundlagen” 
$ "Warten haben.*) 
 Vbrigens kann man Bleuler 
| Cule weniger für die Freud sche Richtung an- 


Systeme, „wissenschaftstheoretische 
wahrgenommen, mehr auch nicht zu 


"und seine 


i ihren, als vielmehr unter denen, welche mit der 


aian eph) inata a a 


F noti 


sen Selbständigkeit an den Aufgaben klärender, 


k erall die Zusammenhänge suchender Seelen- 
| nde arbeiten. 


F thiatris 
4 f Chiatri 
į gerad 
| i: imm 


) Auch von Kronfelds: Das Wesen der psy- 


i 1920 Bd. 1, muß ich das leider sagen, obgleich 
; lig ses Buch sonst sehr anresend ist und ich selbst 
“T wieder darin lese. Ä 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Chen Erkenntnis, Beiträge zur allgemeinen Psy- 


213 


„Der Psychoanalytiker kann also unter Um- 
ständen da eine Heilungstendenz erblicken, wo der 
Psychiater von einer paranoiden Verblödung. spre- 
chen muß” (S. 160). Der Psychoanalytiker kann 
eben alles! NG 

x i * 

Hatten wir von der Psychoanalyse, und beson- 
ders der eines August St Äärcke , den Ein- 
druck einer triumphierenden Wissenschaft, so tönt 
wie wehmütiger Herbstgesang, wie Abschied, Ver- 
zicht, was Sigmund Freud uns in „Jen- 
seits des Lustprinzips” sagt (zweite, 


durchgesehene Auflage. 64 S. Leipzig, Wien, 
Zürich 1921, Internationaler Psychoanalytischer 
Verlag). 


Wir älteren, und besonders die unter uns älte- 
ren, welche, wie ich, mit soviel Interesse Entstehen 
und Fortschreiten der Psychoanalyse begleitet 
haben, und die wir die Seelenkunde der Zeit vor 
Freuds ersten Arbeiten auf diesem. Gebiet mit 
der heutigen zu vergleichen in der Lage sind, wür- 
den den Schmerz “mitempfinden, wenn es wirklich 
Abschiednehmen heißen soll von all den Hofinun- 
gen dieser jungen Wissenschaft. Und wir sind 
wirklich in solcher Sorge; denn die Geistesstörun- 
gen waren der Prüfstein, wieweit die Stärke der 
Psycholyse reicht; Stärckes Schriftchen lehrt 
uns — nicht freilich ihn —, daß sie auch mit Sturm- 
bock hier nichts ausrichtet. Wir müssen nach an- . 
derer Hilfe ausschauen oder noch besser uns der 
eigenen Stärke erinnern. Aber es ist nicht allein 


darum; es sind die Grenzen der Erkenntnis *) über- 


haupt, an denen Halt zu machen die Psychoanaly- 


tiker sich gezwungen sehen, gleich den anderen 


Sterblichen. Eigentlich sollte uns dies nicht über- 


raschen, da doch den Grenzwächtern nichts Neues 


*) Wie wohl der Mensch zu. diesem Begriff „Gren- 
zen der Erkenntnis” gekommen ist? Im Denken als 
einer Seinsfiorm nehmen wir das Sein unmittelbar wahr 
und bedürfen nicht des Mittels der Erkenntnis. Wahr- 
scheinlich stammt der Begriff aus der sinnlichen. 
Erkenntnis und ist davon auf das Denken an sich über- 
tragen. Alle Fragen, die wir an das Dasein richten, 
tragen ihre Antwort in sich; die Frage stellen, heißt 
hier schon: sie beantworten; also gibt. es da keine 
Fragen. Der Standpunkt, daß ein solches Fragen krank- 
haft ist, bringt uns nicht weiter, denn für das Denken 
als Seinsfiorm wäre es gleich, ob es krankhaft ist oder 
nicht. 

Glücklich, ob er „irrt” oder nicht, ist nur, der den. 
Zweifeln am Dasein mit dem kräftigen, heiteren Sieges- 
gefühl entgegentritt, das nicht. der Bestätigung durch 
Sinn und Verstand bedarf: Die Welt ist nichts 


anderes als ich selbst.. 


274 


und nichts Besonderes (dafür geboten wird, uns ins 
Jenseits der Erkenntnis eintreten zu lassen. Denn 
wir wußten bereits, das, womit obige Schrift be- 
ginnt, und wir wußten sogar schon, daß man da- 
mit nicht weiter kommt: „In der psychoanalyti- 
schen Theorie nehmen wir unbedenklich an, dab 
der Ablauf der seelischen Vorgänge automatisch 
‘durch das Lustprinzip reguliert wird, das heißt, wir 
glauben, daß er jedesmal durch eine unlustvolle 
Spannung angeregt wird und dann eine solche 
Richtung einschlägt, daß sein Endergebnis mit 
einer Herabsetzung dieser Spannung, also mit 
einer Vermeidung von Unlust oder Erzeugung von 
Lust zusammenfällt.” 


Es .widerstrebt uns, zu trennen zwischen 
einem „seelischen Vorgang’ und der. Lust; 
die Einheit des seelischen Geschehens geht 


dabei verloren, und die des Geschehens, des Seins 
überhaupt; denn wir müßten doch diese Trennung 
weiterführen über das hinaus, was wir Menschen 
mit Seele und Lust bezeichnen, also von der Ner- 
venzelle über die ‚Blutkörperchen, die Samenzelle, 
die Bindegewebszellen, die Eßidermiszellen, die 
Tier- und Pflanzenzellen hinweg zur ‚„unbelebten” 
Welt. Dort überall haben schon manche Dichter 
und Weise Grund und Wesen von Lust und Un- 
lust gesucht — und nicht gefunden. Daher hat 
zx B: G. Th. Fechner, worauf Freud hin- 
weist, gemeint, daß Lust oder Unlust mit Stabili- 
täts- und Instabilitätsverhältnissen in psychophy- 
Sischer Beziehung gedacht werden könnte. Freud 
meint daher: Das Lustprinzip leitet sich aus dem 
Konstanzprinzip ab.’ Es ist das „Bestreben des 
seelischen Apparates, die in ihm vorhandene Quali- 
tät von Erregung möglichst niedrig oder wenig- 
-stens konstant zu erhalten” (S. 5), ein spezieller 
Fall des Fechnerschen Prinzips der Ten- 
denz zur Stabilität. (Vergl. Psychiatrisch- 
neurologische Wochenschrift XXI S. 21.) 


-Darf man in Wirklichkeit so scharf unterschel- 


den zwischen Selbsterhaltungstrieb und Realitäts- 
prinzip? Zwischen. Lustprinzip und Realitätsprin- 
zip? Das sind doch künstliche Trennungen, deren 
Linien sich wohl auf dem Papier ganz schön aus- 
nehmen, aber in der Welt nicht vorhanden sind 
(S. 16). | 

Es ist ferner zweifelhaft, ob etwas an der psy- 


choanalytischen, Theorie gebessert oder gerettet 


wird, wenn man. an die Stelle des Gegensatzes: 
Bewußtes und Unbewußtes — bringt: Ich und 
Verdrängtes (S. 16); wenn man dem unbewußten 
Verdrängten den Wiederholungszwang. zuschreibt 
(S. 17), von dem nun. angenommen wird, er könne 
sich wahrscheinlich nicht eher äußern, als bis die 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE. WOCHENSCHRIFT 


nn, 


entgegenkommende Arbeit der Kur die Verdrän F | 


gung gelockert hatte. Wiederholungszwang N 
die Kraftäußerung des Verdrängten (S. 17), HJ 
bringt auch solche Erlebnisse der Vergangenhei f 
wieder, die keine Lustmöglichkeiten enthalten, af 
auch damals nicht Befriedigungen, selbst nicht von 
seither verdrängten Triebregungen gewesen seil 
können (S. 17). 


So müssen wir — sagt Fr 


war. 

Wir kommen also auf die „Wiederkehr alls f 
Gleichen” zurück, wie sie bereits von dem gie f 
chischen -Weisen gelehrt und wie sie von N 
sche wieder gepredigt worden.*) | 


Was ist es z. B. anderes als Wiederholung, wi $ 


Hans Molisch am Schluß seines Vortrages auf di 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Arzt 1 


1905 in Meran von der ‚„„Lichtentwicklung in den Pilat 
zen” (Leipzig, J. A. Barth) sagte: „... 


ist von dl 


fangenes und verwandeltes Licht, es 


Pflanze wiedergeborenes Sonnenlicht.” 


Die weitere psychoanalytische Spekulation iwf 


Bewußtsein, Erinnerung, Reizschutz, wird dadurd l 
etwas in ihrem psychoanalytischen Wert abs 
schwächt, daß sie sich von dem Gebiete der PYf 
choanalyse auf den Boden der Biologie begibt f: 
(das undifferenzierte Bläschen als einfachster I f 
bender Organismus, die Hirnrinde, weil äußerst | 
umhüllende Schicht des Zentralorgans, als Sitz f 
Bewußtseins) und hier Hilfe sucht, während wif 


doch oben bei Stärcke die entschiedene, sets} 


herrliche Ablehnung der Anatomie gehört vo 


Übrigens wird dabei von der: Hirnanatomie 1 
der nicht psychoanalytisch ‚gerichteten Psychonit-| 
siologie eine Anleihe erbeten, die sie garnicht g 
währen können: es ist beiden nämlich nicht be. 


kannt und gehört nicht zum Schatz ihres wisas f 


*) Statt Versenkung in naturphilosophische Be | ) 


trachtungen empfehle ich Studium eines Gebietes 0% j 
ter Naturwissenschaft, des periodischen Sy: 
stems der chemischen Elemente, wie © 
z. B. in der gleichnamigen Schrift (Leipzig 1917) W 
Prof. Dr. Curt Schmidt, Döbeln i. Sa., u i 
Nichtphysiker und Nichtchemiker ziemlich fabbar | 
gestellt ist. Unsere Gedanken werden hier in ! 
wandte, aber festere Bahnen gelenkt. 


INr. 45h 


eud — den Mid 
zur Annahme finden, daß es im Seelenleben witt 
lich einen Wiederholungszwang gibt, der sich übe 
das Lustprinzip hinaussetzt, es zur Seite schiet 
„dem wir doch bisher die Herrschaft über den Akf 
lauf der Erregungsvorgänge im Seelenleben zuge f 
traut haben” (S.20), — welch letzteres eben ir) 


das Licht WF 
Organismus ist im Grunde genommen nichts als straf 
lende Energie der Sonne, es ist-von der Pflanze aug 


C 


- | | daß das Bewußtsein ausschließlich in der 


Hirnrinde seinen „Sitz” hat. 


Das, was Freud von der abstrakten Zeitvor- 


F stellung als einer. Selbstwahrnehmung sagt (S. 25), 
ht Kant vorweggenommen, indem er, wie he- 
kannt, Zeit den „inneren Sinn” nannte, und noch 
mehr die alten Griechen, indem sie Chronos-Zeit 
f as Gott personifizierten, dabei wohl an das innere 


' Ziel des Seins dachten, daß über der Zeit steht, 


-F sie beherrscht. 


foim die Gedankenverbindung mit 
Fit: 
2; 'Wiederholungszwang ist, dann wäre allerdings 
f Freuds Begriffsbestimmung (S. 
mlich, daß Trieb ein dem belebten Organi- 


ng eines früheren Zustandes sei. 


Wiederholungszwang — ist 
dem Be- 
Wenn Trieb 


Beim Begriff: 


Trieb eine äußerliche. 


34) richtig, 


shen innewohnender Drang zur Wiederherstel- 
Doch das liegt 


-f ucht so einfach, wie es den Anschein hat; schon 
Ẹ de Beschränkung auf das „Lebende” ist nicht rich- 


fig, da ein solcher Trieb auch in den kristallbilden- 


den Stoffen wohnt, ebenso wie in den Himmels- 


Körpern, die wir nicht „leblos” nennen, obgleich 


‚sie „lebendiges” gebären. | 


Freud meint (S. 35), wir hätten uns daran 


 sewöhnt, im Trieb das zur Veränderung und Ent- 
 Wicklung drängende Moment zu sehen, und sollen 


Nun das gerade Gegenteil in ihm erkennen, den 
Ausdruck der konservativen Natur des Lebenden. 


| Ich glaube nicht, daß hier zwei Gegensätze sind, 


auch nicht, daß man Trieb immer so auigefaßt 


| hat, und ich erlaube mir auf meine kritischen Be- 


| oen zu Verworns „Staatsphysiologie” 
| Wsychiatrisch - neurologische Wochenschrift, XX 


Nr. 33-34 S. 215 ff.) hinzuweisen, wo ich den Volks- 


stinkt, das Nationalbewußtsein, als die Grund- 


ib 


der Staatserhaltung nachwies, gegenüber der 
E erten Begriffsspalterei des Professors der 
Ysiologie Verworn über „Staatsphysiologie”. 


{ kh hatte diese Betrachtungen an der Front ange- 


d niedergeschrieben, im Hinblick auf die 


| Ange hinterlistige Lähmung dieses Instinkts, 
I "senblick der größten Gefahr, in der Heimat 


f En Menschen, die sich deutsche Staatsbürger 
I ‚nen, aber den Instinkt des deutschen Volkes 


E nic agi 2 Š b 
\ ht besitzen können, weil sie nicht von deut- 


f Ok erst i 


f Insti 


f SC € i è .. . 
Im T Rasse sind oder sie verräterisch verleugnen 
ar emes eigensüchtigen Zweckes willen — eine 


mung, von deren Folgen sich das deutsche 


Ich n Jahrzehnten erholen wird. 

~ Sagte dort (S. 216): „Wo aber jene uralten 

"u vorhanden sind und ganz unbewußt wie 

Seine ea Seele des Volkes wirken, da steht 
urzel so unerschütterlich fest, daß kein 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT - 


"Ähnlichkeit der 


275 


Weltensturm und -strom es von der Erde vertil- 
gen kann, da braucht es nicht einmal einer Staats- 
form und keiner „Staatsphysiologie”, nicht ein- 
mal einer Scholle, um daran zu haften, wie dies 
das Beispiel mancher Völker und Rassen lehrt, 
die in ihren Traditionen ihre Instinkte heilig hal- 
ten und pflegen und, weil darin de konservä- 
tivsten, auch - de konserviertesten 
sind, unbeschadet ihrer aktiven Teilnahme an 
menschlichem Fortschritt jeglicher Art”. Wegen 
der Kopernikusaufgabe in der Seelenkunde: näm- 
lich den alten Irrtum auszurotten, daß Reflex und 


bewußte Handlung im Verhältnis von niedrig und 


hoch zu einanderstehen, verweise ich auf S. 215 
an angeführtem Ort. Siehe hierzu ferner S. 265. 
Freuds weitere Betrachtungen bewegen sich 
in bekannten naturphilosophischen Gedankengän- 
gen, zZ. B.: „Es muß vielmehr ein alter, ein Aus- 
gangszustand, sein, den das Lebende einmal ver- 
lassen hat, und zu dem es über alle Umwege (der 
Entwicklung zurückstrebt. Wenn wir es als aus- 
nahmslose Erfahrung annehmen dürfen, daß alles 
Lebende aus inneren (Gründen stirbt, ins An- 
organische zurückkehrt, so können wir nur sagen: 
„Das. Ziel alles Lebens:ist der Tod 
2... (S. 36); Freud kommt selbst dazu, den 
Trieb als etwas konservatives anzusehen, aller- 


-dings als etwas, das die Umwege zum Tode, dem. 


Ziel des Lebens getreulich festhält (S. 37). 

Ob man nun gerade den Tod als „Ziel” des Le- 
bens ansieht, ist dann Angelegenheit persönlich- 
ster Entschließung, Standpunktsfrage, Stimmungs- 
sache. Ich höre daraus ‘die Stimme des Todes. 

Es kommen bei solchen ernsten Betrachtungen 
wenigstens recht ergötzliche, überraschende Wider- 
sprüche herdus, bei denen unser unmittelbares heite- 
res Lebensempfiinden kräftig hervorquillt und die 
Welle eines sieghaften Lächelns über unser Antlitz: 
gleitet: „Dabei kommt das paradoxe zustande, daß 
der lebende Organismus sich auf das energischeste 
gegen Einwirkungen (Gefahren) sträubt, die ihm: 
dazu verhelfen könnten, sein Lebensziel auf kur- 
zem Wege (durch Kurzschluß sozusagen) zu errei- 
chen, aber dies Verhalten charakterisiert eben ein. 
rein triebhaftes im Gegensatz zu einem intelligen- 
ten Streben” (S. 38). 

Ob sich die von Freud behauptete auffällige 
Weismannschen Sonderung 
von Soma und Keimplasma mit Freuds Schei- 
dung der Todestriebe von den Lebenstrieben (S. 
48) als wirklich vorhanden, in tieferen Zusammen- 
hängen beruhend und aufklärend erweist, muß da- - 
hingestellt bleiben. | | 

Wir glauben vorläufig nicht an die Existenz 


270 


eines „Todestriebes”, außer bei Selbstmördern; 
auch nicht an einen Trieb zum „Abbau”. Wir müß- 
ten ihn sonst in uns verspüren. Noch weniger ver- 
mögen wir die scharfe Scheidung mitzumachen: 
Ichtrieb = Todestrieb, Sexualtrieb = Lebenstrieb 
(S. 52). 

Leider kann ich auf die sehr lesenswerten wei- 
teren Betrachtungen Freuds hier nicht eingehen, 
lesenswert schon um der beständig von strenger 
Selbstkritik begleiteten Tiefsinnigskeit.e Es ist 
äuberst interessant, wie sich bei ihm unter ge- 
schickter Führung durch die Logik die Begriffe 
im Lauf der Jahre mit fortschreitender Erkenntnis 
ändern, und wie alles schließlich bei der einfachen 
Formel ` und Gegenüberstellung: Lebenstrieb — 
Todestrieb endet, wobei der Todestrieb aus dem 
Ichtrieb abgeleitet wird. Ich möchte fast wagen 
zu sagen, dab meine Gedanken einmal einen ähn- 
lichen Weg gewandelt sind, als ich 1917 an der 
Front in. meinem Unterstand schrieb (Psych.-Neur. 
Wochenschr. 1919 Bd. 21 S. 21): „Indem sie nur 
sich selbst leben, sterben sie ohne Nachkommen 
und sind Repräsentanten des allgemeinen Lebens- 
endes,. des :Massentodes, eine Art Selbstmörder 
und als solche gemeingefährlich, denn sie übertra- 
gen das Beispiel der Selbstsucht auf andere, brin- 
gen das Land um: Nachwuchs.” Hinsichtlich des 


Selbstmordes -darf ich auf. meine Ausführungen, 


ebenda (Bd. 20 S. 302, 332) hinweisen. 
Wir wollen schließen mit der Wiedergabe des 
folgenden schönen Satzes Freuds (S. 62): 
05... Das Lustprinzip ist dann eine Tendenz, 
welche im ‘Dienste einer Funktion steht, der es 
` zufällt, den seelischen Apparat überhaupt erre- 
gungslos zu machen, oder den Betrag der Erre- 
gung in ihm: konstant oder möglichst niedrig zu 
halten. Wir können uns noch für keine dieser Fas- 
sungen sicher entscheiden, aber wir merken, daß 
die so bestimmte Funktion Anteil hätte an dem all- 
gemeinsten Streben alles Lebenden, zur Ruhe der 
anorganischen Welt zurückzukehren . . .” 
„Woher wissen wir etwas von der „Ruhe der 
‚anorganischen Welt”? Jean Paul verstand 
mehr davon. 
» Damit fällt die Weisheit dieses ganzen Karten- 
 hauses zusammen. Schade! 

x pi š Š 

Wie wichtig und notwendig anatomisches Ar- 
beiten in der Psychiatrie ist, dafür dienen als Be- 
weis, wenn es wirklich eines solchen bedarf, die 
hochbedeutsamen Untersuchungen F. Mo tts über 
Hoden und Eierstöcke bei-Paralyse 
und Dementia präcox (Journal of Mental 


| 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


lyse der Tod vor dem Rückbildungsalter einget 


und insofern besteht ein Unterschied 8 


[Nr. 45/46 | 
Science, Juli 1921). Selbst in sehr fortgeschrite 
nen Fällen von Paralyse, erworbener wie ange. 
rener, fanden sich in Teilen der Hoden, manchmi 
sogar in den ganzen Hoden Zeichen aktiver $4 
menbildung. In einem Fall von Taboparalyse bwi 
angeborener Syphilis waren die Samenfäden in 
den Samenbläschen noch acht Stunden nach den] 
Tode lebendig. Das Durchschnittsgewicht dr 
Hoden ohne Überzug und Nebenhoden war in I 
Fällen von Paralyse 18 g, in 18 Fällen von Deme 
tia präcox 12 g. Dabei kam noch in Betracht, dl} 
manchmal die Hoden bei Paralyse infolge frühere] 
Entzündung nach Syphilis oder Tripper I 
schrumpit waren. Bei Dementia präcox konnte 
in erheblich mehr als der Hälfte der Fälle Samet 
fäden nicht gefunden werden; in vorgeschritteni 
Fällen und wo das Gewicht 12 g oder weniger st] 
sind die Samenkanäle verkleinert und grau ode] 
grauweiß statt milchweiß und das Bindegewei] 
ist vermehrt. I 

Bei Paralyse sieht man deutlich die L ey dig} 
schen Zellen, bei Dementia präcox sind sie schwef 
zu finden, manchmal überhaupt nicht. I 

Bei den weiblichen Paralyse- und. Dementi 
präcox-Kranken läßt sich der Vergleich nicht % 
sicher ziehen, weil bei den meisten paralytiscii 
Frauen die Fierstöcke schon in Altersrückbilduf" 
begriffen sind. Aber bei. Paralyse nach angebot 
ner Syphilis war der Unterschied gegenüber DJ 
mentia präcox auffallend. Dort sieht man reifent: | 
Graafsche Follikel, bei letzterer nicht; dort zali f 
reiche echte Corpora lutea, hier wenige, selbst be | 
verheiratet gewesenen Patientinnen. Bei Dement | 
praecox sieht man auch selten Primordialfollikel ml | 
Neigung zu Bildung einer Granularzone und noci $ 
seltener zu Bildung der. Anfangsstadien ei 
Graafschen Follikels, während normale Follikel 1? 
allen Entwicklungsstufen bei Paralyse gefundel | 
werden bei ererbter wie erworbener, und selbst} 
nach langer Dauer des Leidens und nach schweilf 
körperlichen Nebenkrankheiten. Wenn bei Parf 


f 


tand. 


ten ist, findet man reichlich Zeichen von Reit | 
der, Primordialfollikel mit Bildung von Narbe | 
follikeln und -körpern. Sie bringen es nicht E 
ganz reifen Graafschen Follikeln infolge des m 


flusses der körperlichen und geistigen Erkrankun I 
egenibe 7 


BEE vef 
der Paralyse bei Männern, wo, wie gesagt, akt 4 


lebende Samenfäden vorhanden sind. | 

Die Schlüsse, welche F. Mo tt zieht, liegen m | 
der Hand. Wir brauchen sie nur kurz ve 
geben. „Mit dem Verlust des Geschlechtsitt F 


versiegt ein wichtiger Quell von Lebenskra 


11922] 


Mensch zieht sich auf sich zurück; denn fast alle 
Gefühle und mitmenschlichen Neigungen  entsprin- 
I gen aus. dem Fortpflanzungstrieb und der Sorge 
fir de Nachkommenschaft.” *) 

Nun meint F. Mott, daß bei Dementia prä- 
wx es sich um Verminderung der Lebenskraft der 
Zellen des ganzen Körpers handelt, die sich aber 
besonders am Gehirn und an den Geschlechtsorga- 
en äußert; und aus diesem Grunde, erklärt er. 
ausdrücklich, besteht Zweifel, ob Demen- 
fia-präcox-Kranke von Psychoana- 
se Nutzen haben (S. 331). 

F. Mott führt weiter überzeugend aus, daß 
de Dementia präcox einem Versagen der Oxyda- 
fon in der grauen Substanz der Hirnrinde ent- 
Spichty dieses Versagen wiederum beruht auf 
[Mangel an Lebenskraft des Nervenzellkerns und 
Mangel in der Erzeugung derjenigen Substanz, 
welche der Vorgänger der Nißl-Körner ist. Die 
PNB-Substanz enthält nach Mac Callum neben 
-[kemmeiweiß Phosphor und Eisen; in der 
kbenden Zelle ist sie aber nicht in Form von 
‚Körnern (Nißl-Körner) vorhanden. 

Inden Kernen und Dendriten finden chemische 


„o ENA 
= `) Es ist zu verwundern, wie wenig Einfluß diese 
“nfache, klare Tatsache auf die seelenkundliche Er- 
Klärung und volkswirtschaftliche Bewertung des Jung- 


E raga: £ ` 
sesellentums bisher gefunden hat! Fin wunder- 
Voller Gegenstand für Sexual psychoanalyse! 
\ l 
i 7 BEE a ER | TE 
uA BR DER, : Far 
ee © N“ 
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4 Der ng: 600.) FIGUR 2, 
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Abbild enspitzenförmi 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


277 


Vorgänge statt, in den Nervenfortsätzen physika- 
lische, nämlich die Reizleitung. Daher der Blut- 
reichtum der grauen Substanz sechsmal größer ist 
als der der weißen. 

Die Lipoidkörner im Zellsaft bei Dementia prä- 
cox und Dementia senilis sind Zeichen mangelhaf- 
ten Stoffwechsels der Nervenzelle. Ähnliches fin- 


‘det sich bei alten Menschen und alten Tieren; dies 


spricht dafür, daß die Zellveränderungen bei De- 
mentia präcox als Zeichen weit ausgedehnten Ver- 
lusts an Lebenskraft und vorzeitigen Verfalls der 
Zellen anzusehen sind, besonders und zuerst der 
physiologisch höchstwertigen. Dabei sind die Zel- 
len nicht tot; je nach dem Grad des Kernverfalls 
ist ihre Tätigkeit bei den einen aufgehoben, bei 
den anderen aufigeschoben. 

Neuerdings hat F. Mott, wie er mitteilt, auch 
in frühestem Stadium von Dementia präcox 
Schwund und Schrumpfung an den Tubuli gefun- 
den, ferner entsprechende Vermehrung des Binde- 
gewebes, zahlreiche Lipoidkörner in den Sertoli- 
schen Zellen, nur spärliche Samenfäden, die ab- 
norm gestaltet sind und sich mit sauren Farben 
besser färben als mit basischen. Der Umstand, 
dab die Sertolischen Zellen Lipoid in Mengen ent- 
halten, während die Samenbildung versagt, weist 
darauf hin, daß dieses Versagen nicht beruht auf 
Mangel ‘an Rohmaterial, sondern daß die samen- 
bildenden Zellen nicht imstande sind, diesen phos- 


—_ 


PER EHE 


Br SER z 3 
VERTRIEB BETREUEN 


Fig. 2. 
‚A=normale Samenfäden. B=entartete Samenfäden aus dem Samenbläschen eines Falles von Dementia praecox; zweites Stadium. 
ie Schnitt von einem Samenkanälchen aus dem Hoden eines Falles von Dementia praecox von weniger als 2 Jahre 
großen kernhaltigen Zellen sind Samenzellen, «die kleineren Körper Samenfäden. Man beachte die unregelmäßige Gestalt anstatt der ei- 
gen mit sat gen. Einige sind hohl. Es scheint kein einziger normaler Samenfaden in diesem Schnitt zu sein. (Vergrößerung: 600.) ‚Beide 
mit gütiger Erlaubnis von Sir Frederick Mott seiner zweiten Maudsley-Rede, 7. Juni 1921 (Journal of Mental Science, Juli 1921, 
London, J. & A. Churchill) entnommen. 


a M 


2 Se. b 
AE FR - rer > a 
Br am ml Pr ma A nn a R nenne Spenge 


278 


phorhaltigen Lipoidester zum Aufbau neuer Kern- 
substanz zu verwenden. 

Entsprechende Veränderungen fanden sich bei 
Dementia präcox in den Eierstöcken. 

F. Mott schließt daraus: Die Dementia 
präcoxistFolgeangeborenerSchwä- 
che der Fortpfilanzungszellen, die 
einhergeht mit fortschreitender Ab- 
nahme der Körper- und Geistes- 
krait, besonders der letzteren. 

Nach F. Mott (S. 315) liegt bei Dementia 
präcox vor eine Verminderung der 
basophilen Substanz und des orga- 
nischen Phosphors in den Nerven- 
zellen des Gehirns im Zusammen- 
hang mit Mangel an Kernphosphor 
in den Fortpfilanzungsorganen. 


Mit der Einfügung vorstehender nicht-psycho- 


logischer Forschungsergebnisse wollte ich nur, ab- 
gesehen natürlich von ihrer Wichtigkeit, eine Probe 
geben, wie aussichtsreich solche Forschung ist, die 
von manchen Psychoanalytikern als nebensächlich 
abgetan wird. Da verliert man sich nicht in Be- 
grifisspielerei, gerät nicht auf die eintönige, un- 
fruchtbare Bahn des logischen Circulus vitiosus, 
des Regressus ad infinitum (zu Deutsch: Katze, die 
sich in den Schwanz beißt), gegenüber dem der 
freilich mühsamere Weg jener mikroskopischen 
Forschung wahrhaite Herzeririschung bereitet. 

Wenn unter solchen Umständen, wie es auch 
bei dem Paralysestudium zutrifft, die Erforschung 
der körperlichen, biologischen, serologischen Vor- 
sänge das Interesse an der seelenkundlichen Seite 
zeitweilig etwas in den Hintergrund stellt, so ist 
daS ebenso erklärlich und begründet. 

Wir verdanken aber diesen Ergebnissen Motts 
nicht nur, daß den bedauernswerten Dementia- 
präcox-Kranken psychoanalytische Inquisitionen 
und Seelentorturen erspart bleiben, die bei der 
eigenen Verbohrtheit mancher Psychoanalytiker 
sich ebenso töricht wie quälend gestalten können, 
sondern unser Augenmerk wird wieder auf die 
Notwendigkeit körperlicher Behandlung die- 
ser Kranken gerichtet. Man braucht sich durch 
die Annahme — es ist nur eine Annahme —, 
daß die der Dementia präcox zugrunde liegende 
‚Störung eine angeborene ist, nicht etwa be- 
stimmen zu lassen, von Erforschung der Mittel und 
' Möglichkeiten einer Beseitigung des Leidens und 
einer Vorbeugung, als von einem für ewige Zeiten 
aussichtslosen Unterfangen, abzusehen, und wir 
müssen von der Meinung ablassen, daß es sich bei 
dem Verlauf des Leidens um etwas Schicksals- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


standen”, heißt nicht „schicksalsmäßig”, „ursa 


K [Nr. 4 i) 


mäßiges, Unabwendbares handelt. Der Arzt yl 
überhaupt das Wort Schicksal nicht gebrauchen 
wie ich in meiner Bemerkung „Schicksal und G 
steskrankheit” (Psych.-neur. Woch. 1918-19 Bd 
S. 302) dargetan habe; es ist ein wissenschaftlich 
Mode- und Verlegenheitsausdruck. | 

„In deiner Brust sind deines Schicksals Stern! 

Dies sagte Schiller, dessen medizinische Dok 
torarbeit betitelt ist: „Versuch über den Zus 
menhang der tierischen Natur ‘des Menschen mi 
seiner geistigen”, und der sich gewiß unter Schick 
sal nicht etwas vorstellte, dem der ‚Mensch unti 
allen Umständen und unbedingt seinen Lauf lassi 
muß oder soll. / | 

Übrigens verzichten wir doch auch bei ander 
angeborenen oder bei „endogenen” Leiden nidif 
auf Versuche der Bekämpfung, und haben wi 
nicht Beispiele „geradezu zauberhafter Wirkung 
(Kraepelin, Psychiatrie, 1909 Bd. 1 S. 573) df 
Thyreoidins bei Myxödem und Kretinismus? „ii 
dogen” heißt nichts anderes als „im Innern af 


K 
u 


los”, „unbedingt”. | 

Es ist dringend nötig, das lehrt Sir F. Moti 
ungeheuer wichtige Entdeckung, durch welche üf 
Psychoanalyse völlig in den Schatten gestellt witl 
auch bei Dementia präcox auf der Bahn der Orf 
ganextrakt- und Serumbehandlung fortzufahtif 
Auch von Natrium nucleinicum hat Lafora H 
Siglo medico 1918 S. 32) gute Erfolge geschtf 
Dieser Arzt nimmt an, daß bei Dementia präulf 
von den regelwidrig arbeitenden Geschlechtf 
drüsen Giftstoffe ins Blut abgesondert werde 
welche eben diese Krankheit verursachen, und wi 
sonders auch in der Beschaffenheit der Blutkor 
perchen kommt das Leiden selbst, in seiner Rück | 
kehr zu normalem Aussehen die Besserung uneg 
Behandlung mit jenem Mittel zum Ausdruck neij 
der geistig-seelischen Besserung. Daß das Mit] 
nicht bei allen Fällen wirkt, ist kein Grund, “f 
nicht in jedem Fall zu versuchen. Überhaupt "f 
es bedauerlich und unwirtschaftlich, bei Dementi 
präcox mit dem Moment der Feststellung diest | 
Diagnose nicht alle, wenn auch nur in einzeln? 
Fällen wirksam gewesenen, Mittel zu versucht] 

Soll man immer wieder auf die so häufig "i 
kommenden, von selbst auftretenden Besserung 
selbst Heilungen, hinweisen? Was ist bei INT 
Ursache und Mittel, Weg? Sollte die Natur W 
plötzlich den Weg törichten Wunders ode 1 
Laune betreten? Und wenn schon — WaS e 
dert uns, solchem Wunder, solcher Laune 1% 
zuforschen? 


t 1922) 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


279 


i l Weiteres zur Prophylaxe und Behandlung von Tabes und progressiver 


f Paralyse mittels Chinin. 
1 | Von Dr. Arthur Adler - Berlin. 
Ki Ich verspreche mir aber am meisten von dem 


pe im Nachtrage meiner unlängst in dieser 
FU Wochenschrift erschienenen Arbeit über Heil- 
iF wrsuche an Paralytikern vermittelst großer Chi- 
IE ningaben, erwähnte Kranke ist als zurzeit :gesell- 
Wf shafts- und berufsfähig am 1. Dezember 1921 aus 
I der Irrenanstalt nach Hause entlassen worden. Die 
gute Remission mit Schwinden aller Wahn- 
“len und völliger Krankheitseinsicht besteht also 
if kit etwa dreiviertel Jahre. 

f Um ein Rezidiv. zu verhindern, welches m. E. 
“pm durch Überschwemmung des Gehirns mit 
UF Siirochätenkeimen, ähnlich dem Malariafieberan- 
I ial, verursacht wird, würde sich am besten in 
Wf Analogie mit der Malariaverhütung die konti- 


Hf mierliche tägliche Gabe von 0,25 bis 0,9. 


1f Chin. muriat. empfehlen, wie sie von erfahre- 
If a Tropenärzten jahrelang ohne jede 
Hlesundheitsschädigung in den Tropen 
ur Verhinderung von Malariaanfällen durchge- 
 flhrt wird. i | 
üf Beim Drohen bzw. den ersten Anzeichen eines 
ruf Paralyse- bzw. Tabesrezidivs (infolge Erholung 
-f und Vermehrung lebendgebliebener, stark resi- 
mg Stenter Spirillen bzw. 
‚ähnlich den abgekapselten Trichinen oder eigen- 
[lügen Malariaplasmodienformen; ev. auch in an- 
ren Organen als dem Gehirn —) werden sofort 
“[iedr große Chinindosen: dreimal 
hf lärlich 0,5 Chin. mur., dreimal in der 
Hf Woche, mindestens sechs Wochen 
P: oder noch länger, bis zum Ein- 
es tıner guten Remission verabreicht. 
E Eine neue Methode zur intravenösen Chi- 
ndehandlung ist von mir ausgearbeitet und wird 
| “erzeit publiziert werden. 


besonderer Dauerformen 


Versuch, überhaupt den Ausbruch der Tabes und 
(oder) Paralyse dadurch zu verhindern, daß. 
jeder syphilitisch Infizierte von dem Moment an, 
wo die Diagnose gesichert ist, prophylak- 
tischtäelich 0,25 bis. 0,3 Chin murtat 
bekommt und (durch viele Jahre ohne Unterbre- 
chung diese Dosis fortnimmt; wie die Beobachtun- 
gen bei Malariaverhütung in den Tropen zeigen, 
eine völlig unschädliche Vorbeugungsart. 

So dürfte es in vielen Fällen, welche sonst der 
Tabes bzw. Paralyse anheimfallen würden, gelin- 
gen, den Ausbruch dieser unheimlichen Krank- 
heiten überhaupt zu verhindern. 

Am allerbesten: aber wäre es, durch 
frühzeitiges Heiraten, wie solches auch 
heute noch beim handarbeitenden Volk zebräuch- 
lich ist, den gefährlichen außerehelichen Beischlaf 
unnötig zu machen oder bei Unmöglichkeit früh- 
zeitigen Heiratens, wie sie in den sog. höhe- 
ren Ständen zurzeit aus wirtschaftlichen Gründen 
noch nicht zu beseitigen ist, wenigstens durch An- 
wendung der Merckschen Chininsalbe die 
Gefahr der Infektion auf ein Minimum zu reduzie- 
ren. Dazu ist es aber dringend notwendig, durch 
Belehrung — und diese liegt wegen der Gemeinge- 
fährlichkeit der Syphilis dem Staate ob — alle 
Voiksgenossen mündlich und schriftlich über die 
Prophylaxe der Syphilis bzw. der Tabes und Para- 
lyse durch die oben angegebenen Verfahren medi- 
kamentöser und sozialer Art in weitgehendem 
Maße aufzuklären. | 
(Abschrift aus meinem wissenschaftlichen Skizzen- 

‘buch vom 29. Oktober 1921.) 


ch Is Flüstersprache. 


1i | Von Dr. K. Schmelzeis, Oberarzt a. D. 


a E e der Schriftleitung Seite 171 
Mi ie. 21-28 der. Psychiatrisch-Neurologischen 
a schrift betreffend Flüstersprache, macht es 
N n. über diese einiges zu sagen. | 
m Be die Erscheinungen der „Geheim- 
| Shatticn, alten und verwandter Gebiete wissen- 
| tiener y erklären, führen zu Ergebnissen, die 
| sen 1; Sind, Wille und Bewußtsein des Men- 
| Scheine in ihrer Alleinherrschaft beschränkt er- 
| N zu lassen. ‚Niemand zweifelt heute mehr, 


daß Hypnose, Suggestion und Somnambulismus in 
einer Tätigkeit des sogenannten Unterbewußtseins 


(Bewußtseinsuntergrund, Triebseele) ihre Erklä- 


rung finden. Für andere sogenannte okkulte Er- 
scheinungen bietet die Annahme unbewußter, un- 
willkürlicher feinster Bewegungen eine Erklärung, 
die Umsetzung angestrengten Denkens in unbe- 
wußte, unwillkürliche, dem Gedankeninhalt ent- 
sprechende Muskeltätigkeit. | 

So z. B. bei den „denkenden” Tieren (,„klug.” 


280 


Hans, Elberfelder Pferde, Mannheimer Hund 


u.a. m.). Daß hier ein menschenähnliches Denken. 


nicht vorliegen könne, war klar, als die Pferde „zu 
klug” wurden (z. B. Kubikwurzeln zogen), wäh- 
rend sie zugleich in nichts eine eigene, von den 


Fragen unabhängige Denktätigkeit verrieten. Fer- 


ner wurde festgestellt, daß sie nur solche Antwor- 
ten geben konnten, die einer der Anwesenden 


wußte. Der Zoologe Pfungst kam deshalb zur 
Ansicht, daß eine unwillkürliche Zeichengebung 
vorliege. Dies klingt schwierig, ist aber in Wirk- 


lichkeit einfacher. Denn da die Buchstaben von 
den Tieren durch Klopfen wiedergegeben werden, 
ist nur ie ein Zeichen für Anfangen und Aufhören 
nötig, oder, wenn das Anfangen automatisch er- 
folgt, sogar nur ein Zeichen für Aufhören. Hierzu 
genügt eine unwillkürliche leichte Bewegung des 
Mundes, des Auges, des Kopfes oder dergl. 

Ähnlich liegt es bei manchen Arten des Gedan- 
kenlesens. Wenn z. B. der sogenannte Gedanken- 
leser jemand auffordert, scharf an eine ihm, dem 
G., gestellte Aufgabe zu denken, und, ihn bei der 
Hand fassend, die Aufgabe löst, dann liegt die Er- 
klärung in unwillkürlichen, unbewußten Bewegun- 
gen dieser Hand. Auch hier sind nur zwei Zei- 
chen, Förderung und Widerstand, vielleicht auch 
nur das letztere nötig. Sobald der Gedankenleser 
sich irrt, widerstrebt die Hand unwillkürlich leise 
und der Gedankenleser merkt dies und ändert sein 
Vorgehen. 

Dasselbe gilt für das Nachzeichnen einer ge- 
dachten Figur, wenn der Gedankenleser dabei die 
 Versuchsperson anfaßt. 

Beim Tischrücken handelt es sich auch um un- 
willkürliche Bewegungen (der aufgelegten Hände. 
Auch hier werden die Buchstaben durch Klopfen 
wiedergegeben. Beim Muskellesen, wie Moll es 
bezeichnet (M oll, Okkultismus, Myst. u. Spirit. 
in der Zeitschrift für ärztl. Fortbildung 1921 Heft 
19 u. 20) schieben die unwillkürlichen Bewegungen 
der Hände einen auf einem aufgezeichneten ABC 
aufgestellten Becher oder dergl. nach den ge- 
wünschten Buchstaben hin. Der sogenannte side- 
rische Pendel wird durch unwillkürliche Muskelbe- 
wegungen der Versuchsperson bewegt. Was diese 
nicht kennt, kann auch der Pendel nicht angeben. 

Zu den unwillkürlichen, an angestrengtes Den- 
ken gebundenen Muskelbewesungen gehört auch 
die Flüstersprache. Dr. Berndt sagt darüber 
in seinem „Buch der Wunder”): „Das sogenannte 
1) Dr. med. G. H. Berndt, Das Buch: der Wunder. 
Zwei Bände. Leipzig 1910, Verlag O. Mutze. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


„Aberglauben und Zauberei” haben über die Fi 


angeführten Berndtschen Buche: in folgen | 


aber das Ergebnis war doch in 30 von 100 Fale 


ohne Einschränkung zur Erklärung herangez08 | 


(Nr. 45l 


stille Denken ist nämlich in Wirklichkeit von eine 
inneren Sprechen begleitet. Taucht irgendein (. 
danke im Bewußtsein auf, so denkt man in Work 
und diese Worte spricht und hört man innerligt 
Noch weniger vermag man ein Musikstück sd 
ins Gedächtnis zu rufen, ohne daß. man inner 
mitsingt. Auf der andern Seite ist die Person, & 
die Gedanken errät, hypnotisiert, und daß in di 
sem Zustande die Sinneswahrnehmungen ib 
haupt und das Gehörsvermögen im Besonded 
außerordentlich verfeinert und gesteigert. sú 
kann, ist bekannt. Es besteht also die Mösglichket 
daß die hypnotisierte Person die unwillkürlid 
Flüstersprache des andern hört. N 

Hansen und A. Lehmann, der Veria 
des bekannten und vorzüglichen Werkes ii 


stersprache Versuche angestellt, nach dem vomi 


Weise: „Werden zwei große Hohlspiegel so al 
gestellt, daß die Achsen in ihrer gegenseitigen Ve 
längerung liegen, so wird jeder Laut, der von deng 
Brennpunkt des einen Spiegels ausgeht, in dem& 
andern gesammelt. Befindet der Mund des Abse 
ders und das Ohr des Empfängers sich in den be] 
den Brennpunkten, so wird der Empfänger ie] 
Laut leichter und deutlicher auffangen, als wei 
er das Ohr am Munde des Absenders hätte. Wi 
experimentieren ausschließlich mit zweiziiingl] 
Zahlen. Es zeigte sich nun bald, daß der Absendif 
nur mit der größten Anstrengung schwackf 
Sprechbewegungen unterdrücken konnte, wem “| 
eine Zeit lang an eine Zahl gedacht hatte. “$ 
konnte den Mund fest geschlossen halten und a 
scheinend nicht den geringsten Laut von sich & 
ben, aber wenn er nicht die Bewegungel def 
Zunge und der Stimmbänder mit aller GeWf 
hemmte, so hörte der Empfänger in dem Brei) 
punkte seines Hohlspiegels .ein schwaches "| 
stern, das leicht, als diese oder jene Zahl ZU dert 1 
ten war. Natürlich verhörte man sich aui e 


richtig. Wir stellten 1000 derartige Versuche an | 
Da in späteren Schriften die Flüsterspra 


wird, so in dem von mir angeführten Buche va 
Hopp über Hellsehen aus dem Jahre 195 " 
stand für mich kein Grund, an ihrem Yorkom | 
zu zweifeln. Daß die letzten zwei bis drei 
Widerlerungen gebracht haben, die mir w 
günstiger Verhältnisse entgangen sind, ist: mögl 
aber wenig wahrscheinlich. 


id In unserer telepathisch angeregten Zeit empfiehlt 
IK les sich, an der Hand von Beobachtungen psy- 
i dinpathologische Phänomene in den Vordergrund 
Ik; w stellen, deren Beachtung bei der Beurteilung 
| F ilepathischer Phänomene, z. B. des Wahrträu- 
iir mens, Fehlerquellen vermeidet. 

i $ Jensen, ) Wiedemeister,°) Sander’) un- 
"ferziehen als erste das Phänomen der Erinnerungs- 
“ülchung einer kritischen Betrachtung. 

„| Jensen sagt: „Es geht soweit, daß wir fast die 
| Überzeugung haben, wir können einen Augenblick 
up \rhersagen, was nun geschehen wird... .’ Zur 
‚Fiiysiologischen Erklärung stellt er die Hypothese 
‚| ti: „Durch die Duplizität der Hemisphären ent- 
if Sehen zwei Wahrnehmungen, die sich einander 
f &cken, die jedoch bei nicht kongruierender Funk- 
f ion beider Hemisphären-. ungedeckt bleiben und 
[iS zwei zeitlich getrennte Wahrnehmungen ins 
pi Dewußtsein treten.” Sander gibt eine psycho- 
‚| Peische Erklärung, es handele sich um eine fehler- 
f afte Ähnlichkeitsassoziation von Gedanken oder 
mf Vorstellungen, durch welche eine Erinnerung vor- 


jif Setäuscht wird, wo keine vorhanden ist. Er weist 


wf uch auf den Zusammenhang von Traum und Fr- 
af Merungsfälschung hin. Kraepelin‘) sieht das 
pf "sen der Erinnerungsfälschung in einer durch 


Mi Auffassungsstörung, in einer Unfähigkeit „zu schar- 
‚| er Erfassung und weiteren Verarbeitung”. Aus- 
j ‚ührlich beleuchtet Behr?) den Zusammenhang von 
ib Ahnerungsfälschungen und Wahrträumen: „So- 
df Ange bei telepathischen Experimenten die Unmög- 
a keit von Erinnerungsfälschungen ausgeschlos- 
i| “t ist, muß die Kritik zweifeln” Nach Behr ist 
| lie Erinnerungsfälschung „der Ausdruck des ge- 
rten inneren Gleichgewichts zwischen der Ver- 
CIG der Sinneseindrücke und der Verknüp- 
Í ung der Erinnerungsbilder”, entstanden auf dem 


gi A “u einer Bewußtseinseinengung durch Auto- 
af Rikation (Ermüdung, originäre Erschöpfung). 
j. 


| ua folgenden gebe ich eine eigene Beobachtung 

aaa die einerseits die affektive Grundlage der 

FE "inerungsfälschung zeigt, andererseits den Zu- 
En 

k e Zeitschr. f. Psychiatrie Bd. 25 Supplement. 

allge Zeitschr. f. Psychiatrie Bd. 27. 

i Arch. f. Psychiatrie Bd. 4. 

. Arch, f. Psychiatrie Bd. 17 und 18. 


Bi °) Allg. Zeitschr. f. Psychiatrie Bd. 56. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


motorische Erregung, 


schen Blumen da, 
träumt.” — „Habe die Krankheit vor- 


‚Imüdung oder nervöse Erschöpfung bedingten 


281 


Wahrträume und Erinnerungsfälschungen. 
Ein Beitrag zur Phänomenologie der Erinnerungsfälschungen. 
Von Dr. Schmitz, Sanatorium Rockwinkel, Oberneuland-Bremen. 


sammenhang von Wahrträumen und Erinnerungs- 
fälschungen beleuchtet: 

25 jährige Frau B., aufgenommen 10. Oktober 
1921 — vor drei Wochen Geburt, seit zehn Tagen: 
zunehmende manische Erregung —; hier: starke 
voll orientiert, ideenflüch- 
tiges Gerede, Stimmung wechselnd: übermütig, 
gereizt, weinerlich. Vom ersten Tage ab ist ihr 
alles bekannt: Ref. in Düsseldorf zesehen, alle 
Schwestern und Mitpatientinnen bekannt, belegt 
sie mit Namen aus der Kunst- “und Literaturwelt. 
13. Okt. Etwas ruhiger, übermütiger, friedlicher 
Stimmung, ideenflüchtis; man solle ihr jemanden 
zeigen, den sie noch nicht gesehen habe. 15. Okt. 
Erzählt ausführlich, weitschweifig, „daß das alles 
schon im Traum vorher war, gefällt mir gar nicht”. 
Bemerkt zwischendurch wiederholt: „Das erzählte 
ich Ihnen schon.” „Das habe ich schon gesagt.” 
— „In Düsseldorf alles schon gesehen, diese fal- 
jeden Baum, gedacht, ge- 


ausgeträumt.” — Erzählt ausführlich Träume, 
„träume immer sehr viel’; — „habe schon 
was mal geahnt”. 18. Okt. Gereizter Stim- 
mung; erzählt geordnet: „Die Häuser sah ich 
im Traum und in Wirklichkeit. Sie haben mich 
schon oft hierher geschickt im Traum. Zeigen Sie 
mir etwas Neues. Was ich hier erlebt, erzählten 
Sie mir schon in Düsseldorf. Das täuschte man mir 
schon im Traume vor. — Alles ging schon vorauf. — 
Nie etwas Neues, selbst die Natur nicht. — Früher 
schon Vorahnungen, sehr empfindlich für Hypnose. 
— Alles bekannt, widerwärtig ist das!” — Es wer- 
den ihr bisher unbekannte Gegenstände gezeigt 
(Tasche): „Die sah ich auch schon, zeigen Sie mal 
was Neues! (Photographie.) „Alle, die da sitzen, 
habe ich auch schon gesehen. Haben Sie gar nichts 
Neues? — Das ist ganz widerlich, wenn man sich 
immer besinnen muß, wer war das denn noch. — 


Sie schwindeln mir immer wieder Träume vor; 


den Garten haben Sie mir auch schon gezeigt, in 
Bremen träumte ich es. — Etwas Neues sieht man 
höchstens mal beim Kastanienblatt, da ist mal ein 
neuer Fleck drin. Die Leute hier habe ich im 
Traum gesehen.” Aus einem Brief: „Nur immer 
dasselbe sieht man hier, was man im Traum mir 
zeigte und in Wirklichkeit oder was-ich mir aus-' 
dachte.” 

21. Oktober. Sichtlich ruhiger, redselig. - „Im 


282 


"Traum war ich ‘schon hier.” 
ich Ihnen schon im Traum.” 

22. Okt. Auf ruhige Abteilung verlegt: ruhig, 
eeordnet; im neuen Haus gleich alles bekannt: 
„Alles bekannt, 'was ich tue, sogar wenn ich die 
alten Damen besuche; nichts Neues; diese Situa- 
tion genau so erlebtim Traume. Nachts auch 
in Wirklichkeit. Immer muß ich dasselbe tratschen. 
(Nach erstem Besuch von Mutter und Bruder): 
„Schrecklich, sogar gestern der Besuch kam mir 
bekannt vor, sogar Mutter, die hab ich schon mal 
mit offenen Augen hier begrüßt, sie haben alle 
dasselbe gesprochen, alles genau so.” 25. Okt.: 
Schreibt viel, freundlich, leicht gereizt, bester 
Stimmung. Erster Besuch vom Hausfräulein 
Schmidt: „Schrecklich, entsetzlich direkt,. selbst 
die Henriette Schmidt genau wie gestern ist sie 
hier-schon einmal hereinmarschiert, selbst die Mett- 
wurst. — Das habe ich Ihnen schon mal erzählt. 
— Da finde ich gar nicht mehr durch, bald weiß 
ich gar nicht mehr, was wirklich . . .. 28. Okt. 
Freundlich, erzählt ruhig, geordnet, bester Stim- 
mung, gewisse Krankheitseinsicht. 30. Okt.: Nach 
erstem Besuch vom Mann: „Grad so ist er schon 
-mal da gewesen!” Sah abends einer Aufführung 
im Sanatorium zu: 
aber alles ist mir wieder bekannt vorgekommen.” 
H. Nov.: „Gestern eigentlich mal so ein bischen 
Neues gesehen.” » 41. Nov... Auf: offene- Abteilung 
verlegt, ruhig, geordnet: „Furchtbar viel Neues 
„gekommen; nur mal so Kleinigkeit bekannt, die 
sich wohl wirklich wiederholen.” | 

Unsere Patientin lebte also vier Wochen hin- 
- durch in einer Welt von Erinnerungstäuschungen 
teils assoziierenden, teils identifizierenden Charak- 
ters. Am 11. November scheinen sich fast kri- 
tisch die Erinnerungsfälschungen zu lösen. — 
Eine Erschöpfung oder Ermüdung wurde während 
dieser Zeit nicht beobachtet, im Gegenteil war die 
Patientin immer aktiv unermüdlich tätig. Die 
Assoziationsstörung, die anfangs im stärkeren 
Grade vorhanden war, ließ bald nach, der Gedan- 
kenablauf wurde geordnet, die Auffassung schien 
nicht wesentlich gestört; dagegen: blieben geho- 
bene Stimmung, leichte Reizbarkeit, Labilität und 
die Erinnerungsfälschungen auch nach Verschwin- 
den der Assoziationsstörungen bestehen. 

„Per exclusionem kommen wir zu der Annahme, 
daß eine Affektstörung sui generis für das Phäno- 
men dieser universellen Erinnerungsfälschungen 
verantwortlich zu machen ist: Wir 
Komponente unseres Vitalgefühls. ein Vertrautheits- 
gefühl annehmen, das unter Umständen bei Affekt- 
störungen als Bekanntheitsgefühl in Aktion tritt 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


„Das Meiste erzählte. 


„Das war alles ganz schön, . 
kanntes. 


. liche Kasuistik der Literatur hinreichend bewieseh 


müssen als „usschließen, wenn (der Wahrtraum erst nach © 


Erlebnis geäußert wird. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 
Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold FREE e AETS, Halle a. 
Druck: raul Wolff & Söhne, Halle a. S. 


[Nr #6 


und den Wahrnehmungen seine Quat mitte ii 
Das Gegenstück finden wir ja nicht selten in De 
pressionszuständen, bei denen zugleich mit dem 
Sinken des Vitaleefühls die Vertrautheitskomm. 
nente bis auf ein Minimum herabsinken kann, J 
daß alle Wahrnehmungen eine Fremdheitsqui i 
besitzen. | 

Die häufige Beobachtung der Erinnerungsif : 
schungen bei Ermüdung und Erschöpfung würde 
auch ohne Schwierigkeit ihre Erklärung in eim 
affektiven Störung finden. Nach Jaspers“) t 
ben experimentelle Arbeiten Kraepelins übe 
die Wirkung der Ermüdung unter anderm ergebe 
subjektiv bestehen innere Gedankenflucht, gesitk 
gerte motorische Erregbarkeit, Sinneserregilf 
und eine gewisse unmotivierte gehobene Stim 
mung, ein Symptombild also, das dem der Maii 
gleicht, so daß weitere affektive Störungen — W 
sie die Grundlage der Erinnerungsfälschungen bi 
den — bei diesen Ermüdungszuständen nicht übt 
raschen. Warum nun so verhältnismäßig sel 
dieses Bekanntheitsgefühl, besonders bei Manie, Ni 
Erscheinung tritt, ist schwer zu sagen. Mögliii 
ist, daß eine spezifische, seltene Affektdispositüt 
diese Affektqualität produziert. Unsere Patient 
sah schon in gesunden Tagen I leicht Ähnliches, Bi 


Unser Beispiel zeigt uns weiter in anschaulich? 
Weise, wie das: Bekanntheitsgefühl sekundär. # 
falschen Schlüssen über das Auftreten der: ver: 
neintlichen Erstwahrnehmungen führt. Unset 
Kranke hat alles Wahrgenommene schon më 
erlebt, gedacht, geträumt. Besonders dei 
Hinweis auf frühere Traumwahrnehmungen: tritt 
immer wieder in den Vordergrund. Tatsäch, 
lich ist sie früher eine lebhafte Träumerin gew 
sen, auch . während ihrer jetzigen Erkrank $ 
träumte sie viel. Angeblich hat sie auch scho 
früher voraus geahnt. Die Kranke kommt f 
Grund ihrer Erinnerungsfälschungen ZU i 
Schluß: „Ich habe die ganze Krankheit vorat 
geträumt.” 

Daß dieses Bekanntheitsgefühl ih bei a 
gesunden Menschen vorkommt, ist durch die reif 


Wir können also mit Behr sagen: „50! langt 
bei den telepathischen Experimenten die Unmik 
lichkeit von Erinnerungsfälschungen ausgeschlf] 
sen ist, muß die Kritik zweifeln.” — Und eine 
lichkeit der Erinnerungsfälschung kann man rid 


6) Allg. Psychopathologie S. 204. 


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Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
. Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting,. Galkhausen 
(Rhi), Geh. Med. -Rat Dr. Itberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 


— | 

$ ee tin (N. Oh Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
J Dr. L. W. EDEN Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 

— | Schriitleiter: | | 

a L Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg. (Oberschlesien). 

wi | Nr. 47/48. 25. Februar 1921/22. 


u Bezugspreis: 
= M750 für das Vierteljahr, die 
i Abonnementspreise für das Aus- 
‚land werden nach der vom Deut- 
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| scheint bis auf weiteres vier- 
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Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
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Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: .Marhold Verlag Hallesaale 
Postscheck: Leipzig 32070. 


Af | Inhalt: Zur Frage der Frühentlassung Geisteskranker. 
württ. Heilanstalt Schussenried. 


Von Dr. med. Gerhard Lang, Anstaltsarzt an der 
(S. 283.) — Einige therapeutische Vorschläge zur Behandlung der . 
Von Arthur Adler - Berlin. (S. 291.) — Mitteilungen. (S. 291.) — Büchbesprechungen. 


= (estskrankheiten. 


urch den unglücklichen Ausgang des Krieges 
77 mit all seinen unseligen und traurigen Folge- 
‚F Auständen ist die Finanzlage unseres Volkes eine 
Po ostlose geworden: Der Geldwert ist enorm ge- 
j sanken, die Preise aller Nahrungsmittel und Be- 


da gestiegen, und größtenteils steht 
y nahme des Einkommens in: schroffem Gegen- 
u 2 zur viel erheblicheren Steigerung der zur 


A eines bescheidenen Daseins nötigen Aus- 
n. 


pe Verhältnisse machen sich auch im Be- 
E Heilanstalten in weitgehendem Umfang 
Ea ar. Die Verteuerung der Lebenshaltung 
nn der Zeit verschiedene und erhebliche 
Wenn Fa der Verpflegungssätze notwendig: 
kas auch im Vergleich zu den Sätzen der 
: Asehen ao als noch recht bescheiden an- 
lichen F md, so haben sie doch auch in den staat- 
® eilanstalten eine Höhe erreicht, daß auch 


s X Se 
; hon eine schwere Belastung des Geldbeutels 


(S. 292.) — Therapeutisches. 


sgegenstände sind um idas Vielfache ihres 


(S. 293.) 


Zur Frage der Frühentlassung Geisteskranker. 
Von Dr. med. Gerhard Lang, Anstaltsarzt an der württ. Heilanstalt Schussenried. 


der Zahlungspflichtigen darstellen. Wenige kön- 
nen das Geld mühelos aufbringen, vielen gelingt es 
nur sehr schwer, sehr viele vermögen es nicht und 


‚sehen sich genötigt, mehr oder weniger weitge- 


hende Ermäßigungsgesuche einzureichen. Diesen 
muß der Staat wohl oder übel meistens stattgeben, 
d. h. er, dessen Finanzen ebenfalls sehr schlechte 
sind, muß gewaltige Summen zuschießen, damit die 
Kranken sachgemäß und ausreichend verpflegt 
werden können. Zahlreich sind die Abwanderun- 
sen Kranker aus der I. in die H., aus der Il. in die 
HI. Klasse, wodurch die Einnahmen der Anstalten 
empfindlich herabgesetzt werden. Viele Patienten 
fallen den Ortsarmenbehörden zur Last, welche 


natürlich ebenso von der allgemeinen Finanznot | 


ergriffen sind. 

Aus all dem geht hervor, daß alle Teile ein 
Interesse daran haben, daß der Anstaltsaufenthalt 
möglichst kurz ist, und wie nie zuvor werden die 
Anstaltsleitungen - mit Entlassungsgesuchen be- 
stürmt. 


! 


von -Alkoholisten entwickeln werde, 


F s ; solche Ar 


284 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Ein zweiter Grund, sich mit der Frage der 
Frühentlassung heute näher zu beschäftigen, ist 


- die Wahrscheinlichkeit, daß in einigen Jahren sich 


die durch Krieg und Revolution bedingten Aus- 
schweifungen in Baccho et Venere durch eine ent- 
sprechende Zunahme der anstaltsbedürftigen 


Krankheitsfälle bemerkbar machen werden. Wird 


bis dahin nicht — auch durch Frühentlassungen — 
genügend Platz geschaffen, so tritt an den Staat 


trotz der Finanzlage die Notwendigkeit des Neu- 


bauces weiterer Anstalten oder doch umfangreicher, 
und somit auch kostspieliger, Erweiterungen der 
bestehenden heran. Ich gebe aber zu, daß bei den 
heutigen Preisen für alkoholhaltige Getränke die 
Gefahr, daß sich, wie befürchtet, eine große Zahl 
vorläufig 
wenigstens gering ist. Ferner sind gegenwärtig 
die württembergischen staatlichen Anstalten nur zu 
etwa drei Viertel besetzt; so könnten denn sehr 
viele Neuaufnahmen stattfinden, ehe ein empfind- 
licher Platzmangel sich fühlbar macht. Dies wird 
aber natürlich sofort ganz anders, wenn infolge der 
bestehenden finanziellen Schwierigkeiten oder aus 
anderen Gründen eine Privatanstalt, wie z. B. 
Pfullingen, geschlossen werden- muß, und deren 
Kranke von den anderen Anstalten übernommen 


"werden müssen! Im Hinblick auf derartige Ver- 
-hältnisse wurde von anderer Seite schon der Vor-. 


schlag gemacht, man solle in größerem Umfange 


“als bisher geschehen Kranke in die Landarmenan-. 
stalten überführen. 


Welche Kranke sind aber 
hierfür geeignet?! Nach unseren Erfahrungen wol- 


len und können jene Anstalten nur völlig ruhige 


und harmlose Kranke übernehmen, und dabei wird 
noch — was ja vom Standpunkt der Landarmen- 
anstalten aus betrachtet verständlich ist — großer 
Wert auf die Arbeitsfähigkeit gelegt! Alles was 
diesen Anforderungen nicht genügte, bekamen wir 
wieder zurückgeschickt! Daß man aber nur die 


- — Ruhigsten und zugleich besten Arbeiter den Heil-. 
en anstalten abnimmt, genügt nicht zur Schaffung von 
- neñnenswertem Raum, und liegt auch nicht im In- 


teresse der Heilanstalten, welche ja selbst in ihrer 
. Ökonomie und den anderen Betrieben bitter nötig 
rbeiter | brauchen. Man dachte daher an 
die. Gründung von Extraanstalten für kriminelle 
Psychopathen und ähnliche, die ein Zwischending 


anstalt und den den Landarmenanstalten angeglie- 
derten Schwachsinnigenabteilungen. Doch: heute 
ist. der Staat leider weniger als je in der Lage, sol- 
che Pläne zu verwirklichen. 


Endlich gibt es zahlreiche und. namhafte Fach- 


-Frage der Frühentlassung ernster ins Auge fasti 


-= Auskunft über den derzeitigen klinischen Beun k 


heute praktisch besonders wichtige Frage nach di E 


=- wartungen ganz erfüllt, ja übertroffen wurden: vu i 


in einem für meine Zwecke genügenden mia 4 


zurückerhalte, als von den oft schreibungewand 
bilden sollen zwischen. einer eigentlichen Irren- “ 


I. r. 47 a : 
ärzte, welche aus therapeutischen Gründen rate 3 
und fordern, man solle mehr als bis jetzt grol I 
teils geschehen, zur Frühentlassung schreit 
Bleuler vor allen hat schon jahrelange günstig 
Erfahrungen in dieser Hinsicht, besonders mit di 4 
Schizophrenen, gemacht, und von mancher Seh A 
wird es geradezu als ein Kunstfehler bezeichn N 
wenn man den Anstaltsaufenthalt allzulange au y 
dehnt. T 

All diese Erwägungen ließen auch uns Ug 


um das Für und Wider genauer abzuwägen. Frit 
entlassungen im therapeutischen Sinn Bleuleng 
sind bei uns so gut wie keine erfolgt; aber af- 
den oben angeführten, äußeren Gründen win 
manches Kranke aus der Anstalt frühzeitig wied B 
weggeholt. Ich habe nun über die in den letzhi k 
acht Jahren, 1913 bis -1920, aus der Verpflegun i 
Schussenrieds ausgeschiedenen Kranken ii $ 
hebungen bei den Ortsbehörden ihrer Heimat al 7 
gestellt, indem. ich genau formulierte Fragebogt a 
verschickte. Ich war mir wohl bewußt, daß ich al E 
diesem Wege zwar keine absolut einwandief- 


bekommen kann, daß aber andererseits wohl ef 
rade der Schultheiß mit seinen Unterorganen di 3 
jenige Stelle sein dürfte, welche über die gerug 


Arbeitsfähigkeit, wie auch über die allgem i 
Führung und Kriminalität am besten Aufschli E 
geben kann. Und ich darf wohl sagen, dab mejt a 
bei der Versendung der Fragebogen gehegten Mg 


668 Anfragen kamen 627 wieder zurück, und & 
von waren die meisten derart beantwortet, úl k 
ich mir den beabsichtigten Einblick in das Ere E 
hen der Kranken seit ihrer Entlassung von Mp 


verschaffen konnte. Von der Möglichkeit di 7 
Fragebogen an die Angehörigen des betreffend a 
Kranken zu schicken, machte ich nur in Ausnahit : 
fällen Gebrauch: einmal fürchtete ich, der W | 
Kranken zu Gesicht kommende Fragebogen Köni ; 
ihn unangenehm berühren und dementsprech@ $ 
allerlei Unerwünschtes im Gefolge haben, d R 
glaubte ich aber auch, daß ich den Fragehogel d 
einer Behörde im allgemeinen wohl eher. wied 


und schwerfälligen Privatpersonen, und en i 
argwöhnte ich, daß Angehörige nicht objektiv * u 8 
tatsächlichen Zustand schildern würden, son 
etwas. schönfärben und Ungünstiges “entstellt í ir 
stellen oder gar verschweigen! Und meine ¥ 
fahrungen gaben mir Recht. | 


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 Entlassenen wurden von verschiedenen Seiten 
l schon derartige Umfragen angestellt und darüber 
E arbeitet, zum Beispiel von einem meiner Vor- 
1 enger. an der hiesigen Heilanstalt (vgl. Uhl- 
mann, Psychiatr.-neurol. Wochenschr. 1914-15 
Nr. 5 bis 7). Ich werde auf diese Arbeiten teil- 
j weise später noch zu sprechen kommen. Ich halte 
; aber für richtiger — wenigstens bei dem meiner 
i Arbeit zugrunde liegenden Thema — in die katam- 
i iestischen Nachforschungen auch die „geheilt” und 


Gesamt- 


30| 24,0] 26 


| EB Ausgeschiedenen einzubeziehen, um 
Esch er en, ob die beim Austritt so Bezeichneten 
En 7 en auch tatsächlich so zeigten und hiel- 
foa y- > der Psychiatr.-neurol. Wochenschr. 
finde, = 4 Veröffentlichte Arbeit von Fried- 
Für nich; z = einzige mir bekannt gewordene, 
E cheil a ae gegen den ärztlichen Rat als un- 
7 Massenen berücksichtigt. | 

F den a es möchte ich nun an Hand verschie- 
I Sammenstellungen ` nachprüfen, welche 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


i d Im Hinblick auf das Schicksal der ungeheilt 


57| 34,1] 71 


"280 


Erfahrungen wir mit unseren im obengenannten 
Zeitraum ..entlassenen Kranken gemacht haben. 
Vielleicht kann man daraus praktisch wertvolle 
Winke für die zukünftige Behandlung der Ent- 
lassungsirage gewinnen. c 
Zuerst habe ich den Abgang jedes ein-. 
zelnen Jahres getrennt für sich festgestellt 
und berechnet, wieviele Prozente des aus dem Män- 
ner- und Frauenabgang zusammengesetzten. Ge- 
samtabgangs jede einzelne Unterabteilung aus- 


macht: 


Zusammenstellung A. 
1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 | Insgesamt 
Zahi| °/o |zanı| °/o [zam] °/o |zanı| 9/0 |zanı| °/0 [zani] . 9/0 fzanı| %/o [zanı| °/o [Zahl] %o 


£X m. |74| 59,2| 72| 58,0| 76| 65,5{114| 68,1l119| 62,8| 62| 56,8| 58| 57,3] 47| 49,4| 622] 60,6 
5% Fr. |51| 41,0] 52| 41,8| 40) 34,7| 53| 31,7| 70| 37,1| 47| 43,0 43| 42,6| 48| 50,5| 404| 39,4 
f os Zus.: [125|100,0]124|100,0]116|100,0|167|100,01189]100,0|109]100,0]101|100,0| 95[100,0]1026|100,0 
| oR 4,3 
N È 7 9,1 
|.s 22,9 
10% 13,0 
/ 3 2 35,9 
8,4 
x 16,3 
O Sa 
`} N Y 1,8 
ae 0,8 
un 2,5 
öl; M. 4| 0,4 
ss ee Fr. 9| 0,9 
ine” Zus. 13) 1,3 
E88 M. 25| 24 
gas Fr. | 6| 0,6 
8 Zus. 05] 4 36 5,9 31| 3,0 
u: .M .15,5l 40| 23,9| 53] 28,0| 28| 25,7| 22| 21,8[ 17| 17,9| 209| 20,4 
1532 Tr 7,8| 17| 10,2| 18| 9,5[ 22| 20,2| 11| 10,9| 16| 16,8| 118| 11,5 
O7 Zus.: 21,0| 27| 23,3 37,5| 50| 45,9| 33| 32,7| 33| 34,7| 327| 31,9 


Ich bemerke, daß wie in dieser Zusammenstel- 
lung, so in der ganzen Arbeit der Begriff „Frauen” 
nicht enggefaßt werden darf als ‚verheiratete 
Frauen”, sondern daß damit stets die weiblichen 
Kranken in ihrer Gesamtheit gemeint sind. 

- In der nun folgenden Zusammenstellung B habe 


ich. die acht Jahresabzänge der Zusammenstel- 


lung A — nach Männern und Frauen getrennt — 
zusammengenommen und berechnete ijederseits das 
prozentuale Verhältnis unter sich: 


= 13,0:213%) mehr weibliche Kranke aus. 
- . möchte ich so erklären, daß die verheirateten 


drei Fünftel der Entlassungen Männer -betreffen 


| ‚gegenüber zwei Fünftel Frauen: 622 bzw. 404. 
Dieses Mehr an Männern verteilt sich im großen 
ganzen auf die Todesfälle und die als gebessert 
Ausgeschiedenen. Diese vermehrte Sterblichkeit 
unter den männlichen: Anstaltsinsassen hängt wohl 


mit der für den größeren Kalorienbedarf des männ- 


lichen Organismus oft nicht ausreichenden Kriegs- 
kost zusammen; dies zeigen ja auch die Ziffern der 
nahrungsknappen Kriegsiahre, besonders 1916 und 
1917, mit ihrer Zunahme der Tuberkulose und dem 
Auftreten des AHungerödems. 

Während wir mehr männliche ‚Patienten als 


% gebessert entlassen konnten, schieden als unge- 


- heilt (absolut 81:86, und besonders auch relativ 
: Dies 


' Frauen möglichst bald von Mann und Kindern in 
die verwährloste Haushaltung zurückgeholt wer- 
den, während bei den Männern das Abwarten 
der Besserung eher möglich ist. Andererseits ist 
aber auch bei den Genesenen das weibliche Ge- 
schlecht relativ stärker beteiligt (8,0 : 10,9%); dies 
dürfte wohl auf-die dasselbe bevorzusenden und 
gerne günstig verlaufenden: RE nen ee 
zurückzuführen sen. ` — 

Die „Nichtgeisteskranken” 


i Tileiet N 


- irontkämpfer, welche nach Feststellung ihrer Py ~ 


286 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT Nr. 4 a 
Zusammenstellung B. 

i In er Nich Ri 
| 2 n Irren- menanstalten, icht | i 

Gesamtabgang Genesen | Gebessert | Ungeheilt | anstalten ee geisteskrankj estort Í 
Zahl | °/o [Zahl] °/o [Zahi] ®/o |Zahl| °/o [Zahl| %0 [Zahl] °/o {Zant} 1 
1913 74Männeru.zw.| 10| 13,5 | -29| 39,2 | 6| sıl 3) 41] af 14| 7495F agai 
1914 72e e ea A-9737 Sak ı0l 390] a 14| ıl 14 4,2 | 13) Mif- 
191576 5-8, 4 5,3| 411 539| 10) 132| 2 26| of oof af 131 ak. 
1916114 =, —, | 6| 53ļ 46| 40,4] 18/158] 2| 181- 0 00| 2 1,81 ah 
1917119  , f 3l 25| 41| 345| 17| 143| 3 25] 1| 081 1| 08] Sal 
1918 62 ; 5 7| 11,3 15| 24,2 71 11,3 01 0,0 lj} 1,6 4 6,41 28 "i 
IOIO SB o a 7| 12,1 | 111 ı89| 9/155] 5 86] 0 | Aa ol 233 
1920747 = 5 i 6| 12,8 15; 31,9] . 4 8,5 2| 4,3 01 0,0 3| 6,4] 17 u sA 
Zus.:622 Männeru.zw| 50| 8,0 | 235| 37,7 | sıl 13.0 f as) 20| al o6 25| 40] zoll 
1913 51 Frauen u. zw| 4 79| ısl 353] 151 2941| i 20| 1il 20] ol o0] 122 
114 52 „. , | 8154| 18 346| 10 192| ı) 19| 2 30| -o| 0,0} 132 
1915::40. a 11--2,5.482121.42,5 9| 22,5 0| 0,0 3| 7,5 H 25] IE 
FOIE 532. 6| 11,31 20) 37,7 | 8| 15,1 | 19] 0) ooj af 19| 17a 
Yan 101 14,3 | 24| 34,31 14.2001 2 29| 2} 29| -ol 001 18 f- 
1918 497 = 4 85|. 111 23,4] 7| 14,9 2| 43 1122253 0) 0,0] 2240] \ 
1919 43 ., „1: 8186| 12) 27,91 10| 233| o 00| 0) oof 2 474 al 
1920 48 ~ a 3| 6,3 EIZA IT TNEI 27,1 11°.:2,1 0f 0,0 2| 4,21 16 3V 
Zus.: : 404 Frauen u. zwi 44 10,9 | Tad 329 | 86] 21 31 gl. 1,9 | o| 22 | 6| 1,5 | 118) Du 
Diese Zusammenätellungen zeigen uns, daß rund liche Baca ik — sind der allgemein 


Kriminalität: entsprechend beim ` männlichen % 
schlechte naturgemäß stärker vertreten. Ei 
falls verständlich erscheint, daß in Landarmell 
stalten und Schwachsinnigenheime mehr weiblich 
Kranke zur Versorgung überwiesen werden kog 
ten. Unter den zahlreichen in andere Irrenanstatt k 
überführten Männern befinden sich mehrere aub 
württembergischen Truppenteilen angehörige Wei i 


chose den Verhältnissen ensprechend allmän 
in ihre Heimat abtransportiert wurden. 


-Soviel über- diese Zusammenstėllungei: k x 
wertlos für die weiteren Betrachtungen scheide #7 
die als. „nicht geisteskrank” Entlassenen und dt 
durch den Tod Abgegangenen aus; es bleiben uf i 
noch 388 Männer und 280 Frauen übrig. 


Ich habe nun, getrennt nach den Geschlecht enf F 
ünd den einzelnen Entlassungsarten, die ko 
heitsformen festgestellt, wobei ich das ! 
die Statistiken der württembergischen | 
ten vorgeschriebene Schema der Kr rankheits a 
zugrunde lege. Der Raumersparnis und Übersidl” 
lichkeit wegen werde ich im weiteren Verlauf di 
Arbeit vorzugsweise die den einzelnen Kran si 
bezeichnungen in der Zusammenstellung aaf 
stehenden Ziffern statt der Namen selbst pentti 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 287: 


Zusammenstellung C. 


In Landar- 
| s k _  Įmenanstalten, P 
ge | Genesen Ge Unge In Irren Schwach- Zu- 
Krankheitsform bessert heilt anstalten sinnigen- sammen . 
z heime . 
M. | Fr. | M. d Fr. | M. Fr. | M. | Pr MAPE a Fr 


J, Idiotie, Imbezillität . . . [1 2 
Fi. Kretinismus . . . . | der. Dir 


zn a) Konstitutionelles Entar- 

pi tungsirresein ki 

b) Hysterie mit Seelen - 
störung 

c) Degenerative Irreseins- 
formen anderer Art*) 


A 


Be ative 
Psychosen 
und zwar: 


| ] N. Affektive Psvchosen**) 


EV 2. 5 a) Hebephrenie 
E ~G b) Katatonie 
I OS c) halluzinator. Demenz 


eme 
ia prä- 


V]. Paranoia 


all Infektions- und EDLER PIE 
chosen | 


1 \il. Traumatische etane 


f K Morphinismus und andere narkoti- 
- sche Vergiftungen 


a) chronischer Alkoholis- 
mus mit Entartung 

b) akute Alkoholpsychosen 

c) chronische Or 
chose 


x 


Alkoholische 
Geistesstö- 
rungen u. Zw., 


f A. Dementia paralytica und Lues ce- 
rebri 


l en as er gi te SR 
f xI. Arteriosklerotische und senile Psy- i 
SI an | 3.73 3 | 29] 558 
AI, Psychosen beischweren organischen | | 
Hirnleiden**) . . 1 


a Pileptische Scelenstörung ? | = | 7| Ta do ioa la 
En ee. sol 44| 235 133| 81|- 86| 18| s| 4 91.388] 280 


fa *) Soweit nicht unter späterer Nummer zu rubrizieren (transitorische Wahnbilduigen in Haft, Queru- 
Alenwahn usw.). 


| ; ee Melancholie, Mischzustände, periodische und zirkuläre normen, 
$ umor, multiple Sklerose usw. | | 
I: Een sich die Resultate unserer Zusam- Entlassung kam, so rührt dies von dem schon oben 
[iron ung C im allgemeinen mit den auch an- besprochenen raschen FHeimholen der Hausfrau und 
| gemachten Erfahrungen: Die große Mehr- Mutter her. Und alles zeigt uns, daß die affektiven - 
ven. engen fällt in das Gebiet der affek- Störungen, wie auch die hysterischen, bei den -weib- 
| [tessera rungen, desgleichen ein großer Teil der lichen Kranken viel häufiger sind als bei den männ- 
Miena Wie schon oben erwähnt, besteht lichen. Diese neigen mehr zu den Erkrankungen 
Pwen En starkes Vorwiegen der Weiblichkeit; der Dementia praecox-Gruppe, ‚welche aber eine 
[o ee weiter noch eine auffallend große Zahl - erheblich ungünstigere Heilaussicht bieten, so daß 
!blichen affektiven Fällen ungeheilt zur wir da nur wenig Genesungen, dagegen viel mehr 


. weiblichen Fällen brauchbar 


288 


sebesserte und ungeheilte Fälle zu verzeichnen 


hatten. Weiter wäre noch zu erwähnen, daß trau- 
matische, alkoholische und epileptische Seelenstö- 
rungen bei uns ausschließlich, Morphinismus und 
ähnliches sowie die luetischen Erkrankungen vor- 
wiegend das männliche Geschlecht befielen. Die 
Resultate all dieser Fälle stimmen mit den hierin 
allgemein üblichen überein; nur noch auf den so 
günstigen Verlauf der Infektions- und Erschöp- 
fungspsychosen möchte ich hinweisen. Für die 
mit den württembereischen Verhältnissen nicht so 
vertrauten Leser dieses Aufsatzes soll noch zur Er- 
klärung der sie wohl befremdenden Zahlen der Zif- 
fer XIV bemerkt werden, daß bestimmungsgemäß 
im allgemeinen die gesamten männlichen und weib- 
lichen Epileptiker des Landes in der Heilanstalt 
Weißenau bei Ravensburg Aufnahme finden sollen, 
soweit sie nicht in den größeren Privatanstalten 
untergebracht werden können. 
=~ Doch nun einen Schritt weiter: wir wollen nun 
einmal sehen, was wir an Hand der beantworteten 
Fragebogen über das Ergehen unserer Entlassenen 
m Erfahrung bringen konnten. 

Unter den verschiedenen Punkten, welche bei 
der - Beurteilung des Zustandes unserer einstigen 


Patienten in Betracht kommen, spielt zweifellos die 


rt rTavwenach der ArbeitsIahigKeit eme 
wichtige Rolle. Die diesbezüglichen Fragen‘ des 
Fragebogens wurden in 273 männlichen und 224 
beantwortet. Ich 
unterscheide vier Grade von Arbeitsfähigkeit; dem- 
entsprechend die folgende 


Zusammenstellung D. 


Arbeitsiähigkeit der 


voll ar- halb ar- nur etwas. en nichts k 

Von beitsfähig | beitsfähig | arbeitend | arbeitend 2 

Zamil % Izanı| % |Zani| % [Zahi] E 

& 
37 Genesenen .. 27| 73,0 RER 11-1257 41 10,8 
176 Gebesserten 98| 55,6 321. 48,2:5: 121. 9,7 29| 16,5 
60 Ungeheilten 30| 50,0 6| 10,0 4| 6,71: 20| 33,3 


273 insgesamt 


Arbeitsfiähigkeit der weiblichen Entlassenen: 


BE voll ar- halb ar- nur etwas | gar nichts 
Von - beitsfähig } beitsfähig | arbeitend f arbeitend 
SSR | zahil Yo tzan o lzan] [Zaki] 
36 Genesenen . 33| 91,6 218,24 © 01.20,0 111.22,7 
‚113 Gebesserten 67| 59,31 21] 18,6 1 13| 11,5 12| 10,6 = 
75 Ungeheilten 41) 54,7] 91 12,0 5-6,7 120| 26,7 


224 insgesamt 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚ keit der ‚weiblichen Entlassenen möchte ich kug 
bemerken, 


Gaildorf, Heidenheim, Laupheim, Neresheim, Sul 


derselben ist voll, 


männlichen Entlassenen: 


{sisas | Aal ıs8 | 22] sol 53] 19,4 


{141| 62,9 | 32] 14,3 | 18| sol 33| 14,7 


M a ni 
-Zwecks richtiger Würdigung der Arber Ẹ 


daß in unserem Aufnahmebezirk, wif 
cher die Oberämter Aalen, Biberach, Ellwangui 


gau, Ulm und Waldsee umfaßt, ziemlich viel Lab 
wirtschaft betrieben wird, so daß also häufig ne k 
den gewöhnlichen Hausgeschäften auch noch a 1a 
strengende Arbeiten in Stall, Garten und Feld a a 
verrichten sind. E 

Sehen wir uns zuerst einmal die männliche 3 
Arbeitsfähigkeit etwas näher an, so wird und 
grobe Anzahl der voll Arbeitsfähigen antali 
drei Viertel der Genesenen und stark die Hati 
der Gebesserten: das ist doch recht erfreulid 3 
wenn man bedenkt, wie nervenaufreibend WE 
heutige Leben und der Kampf ums Dasein für den $ 
Mann ist. Und nun gar die Ungeheilten, die gegel ‘i 
den ärztlichen Rat Entlassenen! Genau die Hatip 
ein weiteres Zehntel halb af 
beitsfähig! Verständlicherweise arbeitet im WẸ 
gleich zu den Genesenen und Gebesserten ein ef 
heblich höherer Prozentsatz der Reversälle wg 
nichts; aber trotzdem können wir mit unser 
Resultat recht zufrieden sein. Ungefähr deci 
sich unsere Zahlen mit den von Uhlmann (P9. 
chiatrisch - Neurologische Wochenschrift 1914 d 
Nr.5-bis-7)-und Treiber (Allgemeine Zeitschl 8 
für Psychiatrie Bd. 72 Heft 1) angegebenen, weli E 
ersterer 66 %, letzterer 71 % der Ungeheilten w E 
„mehr oder weniger arbeitsfähig” angibt; WE 


Müller (Psychiatrisch - Neurologische Woche 


a 


mw _ PSYCHIATRISCH-NEUROLOQISCHE WOCHENSCHRIFT — 28 


l schrift 1916 Nr. 15-16) hat unter seinen Revers- Unterschied zwischen den männlichen und. weib- 
I “kranken 53% als „vollkommen arbeitsfähig” be- lichen Berufsarten und den größeren Schwierig- 
| funden. Wenn Friedländer (Psychiatr.-neu- keiten und Unannehmlichkeiten des täglichen 
; 
k 


$ mi Wochenschr. 1920 Nr. 23-24) auf Grund seiner Lebens für den Mann. 

$ Erhebungen nur 37% aller Entlassenen als „sozial Zuerst möchte ich unter Gegenüberstellung der 
“Fund wirtschaftlich wertvoll’ bezeichnet, so ist diese Männer und Frauen die Beziehungen zwischen den 
I$ Zahl nach unseren Erfahrungen entschieden zu in Zusammenstellung C bereits aufgeführten Krank- 


| 

1 

niedrig. | heitsformen und den vier Graden von Arbeitsfähig- 
Vergleichen wir nun die männlichen und weib- keit tabellarisch festlegen mit Berücksichtigung der 
$ lichen Prozentzahlen der Zusammenstellung D mit- Entlassungsarten (a = genesen, b = gebessert, c 
# nander, so können wir feststellen, daß auf Kosten = ungeheilt): 


Zusammenstellung E. 


a Männer | re Frauen 
f heits- voll ar- halb ar- nur etwas gar nichts voll ar- halb ar- | nuretwas | gar nichts 


E ior- į beitsfähig beitsfähig arbeitend | arbeıtend beitsfähig | beitsfähig- | arbeitend | arbeitend 
albl c sn a alp|e alblc alple alv le albl c 
l 6 4 1 1 


I Bl, 

En ER ee 
f Mal 1) 10 ı 8 2 2,4 
E ; 5 4 | 2 
I vaj os al sa | 15 
Tb |Jıd 5 ie il a 4 6 5:20 ok F aaa Pat 
E c) 1| 15| 9 FA E AT A... 11 0. 9 5771 1:21 

Bu Jo] Io 2 


vinam Io 


== : 


GErEEEEEESESEEEnnGEEGE 
| a = te 
| x RE RD ER ER ER EN DR RE EN 
7 
l 


2 2 | 
ee ST, SertmeszERsE | 


| 7 = = SELF Pe | 
E 5 I er er 


f “s: | 27) os| aof 5| 32] of al ız] a] 4 29) 20 33 67 al 220) 9] ofaial s| 1] 12] 20 


| i der beiden letzten Rubriken der Prozentsatz der Diese a e E kann uns besonders 
I vollen Arbeitsfähigkeit bei allen drei Arten von - auch bei ihrem Vergleich mit den Zusammenstel- 
f Weiblichen Entlassenen — vor allem bei den Ge- lungen C und D viel Interessantes sagen; des 


| senen — ein höherer ist als bei den Männern, Raummangels wegen muß ich mich aber darauf 
I ‚sleichen auch derjenige der halben Arbeitsfähig- beschränken, nur das Wichtigste zu erwähnen. 

e bei den Gebesserten und Ungeheilten. Diese Daß von den Genesenen der größte Teil voll ar- 
I erhältnisse sind begründet einmal in der Vertei- beitsfähig ist, braucht uns ia nicht weiter wunder- 
2 lung der einzelnen Krankheitsfiormen auf die Ge- nehmen; die Krankheit ist überwunden, und so 
A Scnlechter, dann aber auch in dem qualitativen kann sie auf die Arbeitsfreudigkeit und Arbeits- 


RR Anforderungen stellt als an die Frau. 
zwüngen, bei fremden Leuten sein Brot zu ver- 


290 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


fähigkeit keinen Einfluß mehr haben.. Anders nun 
aber bei den nur gebessert Entlassenen: sie sind 
‘ihre Krankheit noch nicht ganz los! Bei den Im- 
bezillen halten sich die Fleißigen und die nur etwas 
oder- gar nichts Schaffenden ungefähr die Wage. 
Bei IHa sind die Verhältnisse — soweit es die 
Männer betrifft — gleich, bei den Frauen aber ent- 
schieden günstiger. - Recht erfreulich sind die Zah- 
len bei den affektiven Fällen, besonders wieder bei 
den Frauen; die beiden Reihen lauten: 19:8:3:3 
bzw. 36:7:4:3. Und auch bei der Dementia 
praecox-Gruppe sind die Verhältnisse günstig zu 
nennen: 37:15:4:9 bei den Männern, 12:6:3:2 
bei den Frauen. Auch die Krankheitsfiormen VI, 
VI, VHI, IX, X und XII zeigen bezüglich der Ar- 


beitsfähigkeit der gebessert Entlassenen befriedi- . 


gende Resultate, während bei XI, XII und XIV die 
Dinge nicht so günstig stehen. Auch die Hysterie 
der Frauen (IIb) gehört diesen letzteren angeglie- 
dert. Zu all dem muß ich aber sagen, daß mit Aus- 
` nahme der Krankheitsformen I Hl a, IV, V, VI und 
X unser Material so klein an Zahl ist, daß man aus 
ihm nicht wohl bindende ‘Schlüsse bezüglich des 
Verhältnisses der einzelnen Erkr ankungen zur 
Arbeitsfähigkeit ziehen dürfte. Im Vordergrund 
des Interesses stehen die affektiven Störungen und 
die Dementia praecox-Gruppe, und da darf man 
‚im. Blick auf.unsere Erhebungen wohl sagen, dab 
beide Krankheitsformen eine entschiedene Neigung 
- zur. Arbeitsfähigkeit aufweisen. Und dieser Ein- 
‚druck wird noch erheblich verstärkt, wenn wir die 
für die ungeheilten Fälle angegebenen Zahlen be- 
trachten. Bei IV (vergl. die Frauenwerte!) ist dies 
günstige Verhältnis noch deutlicher als bei V, und 
wenn wir uns die hohe weibliche Gesamitziffer für 
IV in der Zusammenstellung C vor Augen halten, 
so haben wir nun eine Erklärung dafür, warum — 
laut Tabelle D — die Arbeitsfähigkeit der weiblichen 
Entlassenen so merklich besser ist als diejenige des 
anderen Geschlechtes. 


Fin anderer Grund hierfür ist — wie schon oben 


angedeutet — die Tatsache, daß die Stellungim Beruf 
und öffentlichen Leben an den Mann erheblich höhere 


dienen, so kann es ihm als einem eben aus der 
Irrenanstalt Entlassenen wohl vorkommen, daß er 
von Arbeitgebern mit Mißtrauen und _Voreinge- 


nommenheit behandelt und von Kollegen als „Ir- 


renhäusler” gehänselt oder gemieden wird; er wird 
schwer Arbeit finden und dann oft auch den An- 


Ist einer ge- 


befriedigende Zahlen, während dies bei - 


sehr der Fall ist. 


forderungen nicht genügen, da sich die Arbeitgeber : 
ihm besondere Rücksicht F 
So schi E 
dies alles eine Verbitterung in dem Kranken, u $ 
die vielleicht anfangs vorhandene Arbeitslust wire F 
bald gemindert oder gar ins Gegenteil umschlagen $ 
Anders bei dem ein eigenes Geschäft Umtreibenden, $ 
dem selbständigen Handwerker und dem eigen $ 
Landwirt; W f 
ihnen fallen die oben besprochenen erschwerenda $ 
die Landbewohner, "g 


nicht veranlaßt sehen, 
und Schonung angedeihen zu lassen. 


Grund und Boden  bearbeitenden 
Momente größtenteils fort; 
allem die Bauern, haben keine weiteren Nahrungs f 
sorgen, sie leben ziemlich für sich abseits und Wer 
den nur wenig berührt und abgelenkt von den Auf 
regungen und Verführungen der Stadt und, af 
öffentlichen Lebens. 

Ich habe im Hinblick auf solche a 


meine Fragebogen durchgeschen und fand mang 
Zugleich machte ich aber $ 
daß diejenigen Berui- f 
welche höhere Anforderungen an die kör $ 
‚perliche Leistungsfähigkeit des Betreffenden ste- $ 


Erwartungen bestätigt. 
auch die. Wahrnehmung, 
arten, 


len, ungünstigere Zahlen aufweisen als eic 
Berufe. Verschiedene Berufswechsel wurden sch 
meldet; es handelt sich bei denselben meist um 


Abwanderung aus schweren und nicht selbständ-" 
gen Berufen in leichtere oder 
wo dann die Arbeitsfähigkeit als „Voll bezeichnet $ 
werden konnte. | ER 

Ich habe bis jetzt nur von den Männern ge- 
sprochen; nun zum Schluß noch einige Worte übel 


die weiblichen Entlassenen in der gerade zur Bè- E 


sprechung stehenden Einzelfrage. Bei ihnen sth 
das Verhältnis zwischen Berufsart und Arbeits- 
fähigkeit aufs engste mit ihrem Zivilstand ver 
knüpft: die Verheirateten arbeiten recht Mn 


schlecht in ihrer Haushaltung, viele haben nebenher $ | . 
ihren Mann in der Landwirtschaft zu unterstütze" 


andere putzen, waschen, taglöhnern usw. bei Frem i 


den. Was die Ledigen anlangt, so gehen die I f 


welche wollen und können, ihrem bisherigen Be 
ruf nach, die andern stecken aber denselben: uf 
und gehen nach Hause. Da im elterlichen Haus: 
halt naturgemäß keine allzu hohen Anfor derungen | 
an ihre Leistungsfähigkeit gestellt werden dürften, 
so haben wir auch bei den ungeheilten Fällen E 
solc 

weiblichen Entlassenen, welche sich wohl oder ibl f 
ihr Brot durch Arbeit verdienen müssen, nicht © | 
oa = 


doch selbsiandk k 


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l | Schuß), 


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F Kriegshe 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


291 


| ' Einige therapeutische Vorschläge zur Behandlung der Geisteskrankheiten. 


Von Dr. Arthur Adler -Berlin. 


f .ı.Bäkterientoxine (die Bakterien völlig 
~ abeetötet) in auszuprobierender Dosis bei den ver- 


schiedensten Geistesstörungen (abgesehen von der 


Ẹ progressiven Paralyse), Typhus-Strepto- 
f kokken und Staphylokokken, aber auch 
f Erysipelas-, Diphtherie- und Tetanustoxin sollen 
7 versucht werden. 


Da m.. E. nach nicht das Fieber, sondern die 


F chemische Konstitution des Toxins eine bessernde 
f bzw. heilende Wirkung auf Geistesstörungen aus- 
ibt, können kleinste, ganz unschädliche Dosen in- 
f ziert, dieselben langsam gesteigert, auch chro- 
$ nisch 
von Bakterientoxinen angewendet werden. 


monate- und jahrelang minimale Dosen 


Katatonie, Melancholie, Manie, Paranoia, die 


f periodischen Geistesstörungen, ‚besonders Verwirrt- 
$ heitszustände, auch Absenzen, Dämrmerzustände 
f und Amentia kommen dabei in Betracht. 


Il. Herstellung von Heilseris aus dem Blute 


f ‘on Geisteskranken und Spritzung gleichartiger 
f “eisteskranker mit denselben. 


Und zwar soll das zur Erzeugung von Heilseris 


| - dienende Blut den Geisteskranken auf der Höhe 


a 


(Akme) des Leidens bzw. bei akuten Rekru- 
deszenzen entnommen und näch Art des Diphthe- 
rieserums zur ‘Erzeugung von Antitoxinen ver- 
wandt werden. In geeigneten Fällen kommen auch 
Rekonvaleszentensera in Betracht. | 
Alle Geisteskrankheiten müssen für diese Heil- 
versuche. herangezogen werden, wie sie oben auf- 
gezählt sind; besonders aber‘ auch die semilen 
Psychosen und die m. E. nach auf Anomälien der- 
Stoffwechselvorgänge beruhenden psychopathi- 
schen Konstitutionen. | 
Solche Heilversuche sollen in hierfür geeigne- 
ten oder auszustattenden Anstalten durchgeführt 
werden; ‘die dazu notwendigen Heilstoffe herzu- 
stellen aber ist Pflicht der staatlichen Seruminsti- 
tute, und müßten dementsprechend deren Statuten 
ergänzt werden. 
Wenn Deutschlands politische Macht zurzeit 
auch gering ist, in Wissenschaft und Forschung 
darf es sich mit Rücksicht auf seine schlechten 
Finanzen nicht auch noch ins Hintertreffen drän- 
gen lassen. | RR. 7 


Mitteilungen. 


— Archive aufgelöster Privatheilanstalten. Bedauer- 


$ licherweise ist eine Reihe bekannter Privatheilanstalten 
I für Geistes- und Nervenkranke ein Opfer. unserer trü- 


ben Zeitverhältnisse geworden und hat geschlossen wer- 


I asen. Es entsteht nun die Frage, wo die Archive 
f Ser Anstalten weiter aufbewahrt. werden, da auch in 
E Zukunft. öfters 


x 


Akten und Krankengeschichten früherer 
Se aus diesen Anstalten erbeten werden müssen. 
entliche Bekanntgebung der Aufbewahrungsorte die- 


N h ser ; ; j 
=. Archive — am besten wohl an dieser Stelle — ist 
_ Winschenswert. 


Das Archiv der im Oktober 1921 auf- 


f lösten Anstalt Bergquell, Stettin, ist dem Kreiskran- 


Kenhaus 


x 


in Frauendorf-Stettin zur Aufbewahrung über- 
Mercklin. 


— Mitteilung des Reichsverbandes (Gebühren-Aus- 


seben, 


Q | ; IR 
Nächtenerstattune für das -Militär- 


er % x >» 
| SOfgangswesen durch Anstaltsärzte,. 


Auf Anregung eines Hauptversorgungsamts hatte-das 


| en oeitsminister ium die Frage aufgeworfen, ob nicht 
Zwecks ae der = der Anstalt befindlichen oder 

esutachtung in die Anstalt eingewıiesenen 
schädigten von den Ärzten der Anstalten „von 


$ ; 
wegen” und ohne Bezahlung auszu- 


führen seien. 


Demgegenüber war von ärztlicher Seite ausgeführt 
worden: `, | | Kr 

Die Abgabe derartiger Gutachten durch die Anstalts- 
ärzte „von Amts wegen” muß entschieden abgelehnt 
werden, dazu stehen ja dem Herrn Reichsarbeitsmini- _ 
ster die im Versorgungswesen beamteten Ärzte zur 
Verfügung, deren hauptsächlichste Berufstätigkeit ja ge- 
rade in der Abgabe von Versorgungsgutachten besteht. 
Die Ärzte der Provinzialanstalten sind keine Reichsbe- 
amten, von.iedem Beamten kann aber nur für die 
Zwecke seiner eigenen. Behörde die Ab- 
gabe kostenloser wissenschaftlicher Gutachten verlangt 
werden. Nach einer Verfügung des Herrn Landesdirek- 
tors der Provinz wird von den Anstaltsärzten die Ab- 
gabe kurzer gutachtlicher Äußerungen 
für die der Provinzialverwaltung angegliederte Landes- 
versicherung kostenfrei verlangt, für die beson- 
ders .erforderten ausführlichen Gutachten 
(vertrauensärztliche Gutachten auf besonderem Formu- 
lar) wird ihnen aber die allen Ärzten dafür zustehende 
Gebühr bezahlt. ER en 

Es sei hier besonders noch därauf hingewiesen, daß 
die Gerichte,. also der Justizfiskus, stets die Gebühren 
für die Begutachtung bezahlen, und daß durch :verschie- 
dene oberlandesgerichtliche Entscheidungen © ausdrück- 


— stalt untersuchen kann. 


292 


lich festgestellt ist, daß die Abgabe der Gut- 
achten nicht zu den Amtspflichten der 
Anstaltsärzte gehört, diese werden: „nicht 
aus. Veranlassung - ihres Amtes- SoN- 
dern ;wegen. ihrer Sachkunde’ Zu. dem 
Gebiete. der QCeisteskrankheiten” als 
Sachverständige vom Gericht zugezogen. (Entscheidun- 
sen Thür. OLG. vom 13. Mai 1921; OLG. Rostock vom 

. Mai 1915; OLG. Karlsruhe vom 13. November 1915; 
AI Celle vom 14. Juli 1919 u. a. m.) 


Nachdem sich. die Provinzialbehörde diesen Aus- 
führungen angeschlossen hatte, wurde vom Herrn 
Reichsarbeitsminister die Bezahlung der Gutachten (nach 
dem Reichstarif) angeordnet, und zwar wurden auch die 
zur Begutachtung notwendigen mehrmaligen Un- 
tersuchungen (Vorbesuche) bezahlt. | 

Bald darauf ersuchte das betr. Hauptversorgungs- 
amt die Provinzialbehörde ‚anzuordnen, daß den Ärzten 
des amtlichen Versorgungswesens gestattet wird, Be- 
sutachtungen von Kriegsbeschädigten in den Landesan- 
stalten selbst vorzunehmen, und. daß ihnen einschlägige 
Unterlagen (Krankenblätter usw.) dazu zur Verfügung 
gestellt werden, sowie daß die. betr. Stations- 


~ ärzte zu persönlichen Auskünften und 


Rücksprachen bereit sind”. 

Begründet wurde diese Begutachtung durch die Ver- 
sorgungsärzte statt durch die Anstaltsärzte damit, daß 
„die Abgabe von Gutachten über Kriegsbeschädigte eine 
genaue Kenntnis des Reichsversorgungsgesetzes und 
aller. diesbezüglichen. einschlägigen . Bestimmungen er- 
fordere, um den Staat und auch den Kriegsbeschädigten 
vor Nachteilen zu bewahren’. 


“Die ärztliche Stellungnahme zu diesem Ansinnen des 


Hauptversorgungsamts lautet: 


„Es ist wohl nichts dagegen einzuwenden, daß den 


‚amtlichen Versorgungsärzten die Untersuchung der in der 
Anstalt befindlichen geisteskranken Kriegsbeschädigten 
gestattet wird, wie ia auch gegebenen Falles ein: Ge- 
richts- oder Kreisarzt zwecks Begutachtung in der An- 
(NB. Die Provinzialanstalten 
in Preußen sind nicht wie die staatlichen Anstalten z. B. 
in Bayern und Sachsen besondere Medizinalbezirke.) 
In solchen Fällen kann wohl auch nicht die Vorlage der 
Anstaltskrankengeschichte verweigert werden, natürlich 
nur in. der Anstalt, eine Herausgebe von Krankenge- 


= —  SChichten -der noch in Anstaltsbehandlung befindlichen 
oee res kann nicht erfolgen. 


- Entschieden muß abgelehnt werden, daß die An- 


ee staltsärzte- zu persönlichen Auskünften und Rückspra- 


chen verpflichtet werden sollen; dies würde doch nur 
dazu führen, daß die Anstaltsärzte eine gutachtliche 
Äußerung abgeben würden, die der betr. Versorgungs- 
arzt dann seinem Urteil zugrunde legen würde. Wenn 
die Versorgungsbehörde keine fachkundigen Ärzte hat, 
die nach eigener Untersuchung ein Gutachten erstatten 
können, so soll sie, wie andere Behörden, ein fachärzt- 
liches Gutachten gegen die übliche Bezahlung einholen. 

Zu der Bemerkung des Hauptversorgungsamts, daß 
zur Abgabe der Versorgungsgutachten Kenntnis der ein- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


„schlägigen. gesetzlichen Bestimmungen gehöre, ist ih 3 
auf hinzuweisen, ‘daß doch die Ärzte in den Anstata 
durch diè Begutachtungen für die Gerichte usw. derari $ 


-am Städtischen Rudolf-Virchow-Krankenhaus in 


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in Begutachtungen geübt sind, daß sie auch der Aussee $ 
lung eines Versorgungsgutachtens gewachsen sind: af 3 
sie sich dabei an das Gesetz zu halten haben, ist ihnen 4 
ja aus der gerichtsärztlichen Praxis bekannt. Sicher. s 
wird dem Reich und den Kriegsbeschädigten mehr ge : 
dient sein, wenn die Begutachtung erfolgt durch den ber 3 
handelnden Facharzt, hiér den Anstaltsarzt, der der 2 
Kranken genau kennt infolge längerer Beobachtung, a$ 
wenn ein beamteter, psychiatrisch nicht ausgebildeter 5 
Versorgungsarzt das Gutachten abgibt nur’ auf rui $ 
einer kurzen Untersuchung, der Krankengeschichte -uid 
einer Rücksprache mit dem behandelnden Arzte, der im 
vielleicht erst auf das Wesentliche der Krankeit hin 3 
weisen mußte. 3 a 

Gegebenen Falles könnte ja auch eine gemeinsam f 
Begutachtung (sog. kommissarische) durch Versorgug-§ 
und Anstaltsarzt stattfinden, keinesfalls aber eine, 
Nachbegutachtung durch den doch fachunkundigen f 
Versorgungsarzt, die als Obergutachten erscheinen $ 
könnte.” Reng 


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Buchbesprechungen. 


— Sobernheim, Prof. Dr. G., Bern: Leite | 
für Desinfektoren. Vierte. Auflage, erweitert und nef 
bearbeitet von Prof. Dr. E. Seligmann, Beng Ä 
Preis 7,00 M. 3 

Der bekannte Sobernheim sche Ceiriad i 
für Desinfektoren, der. seit Jahren in Desintekturä 
schulen usw. dem Unterricht mit gutem Erfolge Ale 
grundegelegt worden ist, wurde in seiner soeben er- 
schienenen vierten Auflage von Prof. Seligmani i 
Grund der neuesten Fortschritte und Vorschriften net f 
bearbeitet und erweitert. Er schildert die Eigenschal | 
der Krankheitserreger, die Wege der Ansteckung, das E 
Vorkommen und die Verbreitung der Kranknetisken f f: 
Desinfektion, Desinfektionsmittel und ihre praktische at 


Ss 


wendung, Maßnahmen bei der laufenden Desinfektion i 
Krankenbett, Maßnahmen nach Beendigung der Krank- 
heit, Ungezieferbekämpfung. Das praktische picti f 
wird sich in der 'neuen Bearbeitung zahlreiche n f 
Freunde erwerben und auch künftig nicht nur als Leit ` 
faden für den Desinfektorenunterricht, sondern Vo! a a i 
auch als Anleitung für die praktische Ausführung í a K 
Desinfektion im Privat- wie im Krankenhause Verw ft ! 
dung finden. Mi 3 

IT Leitfaden der Elektromedizin für Ärzte und plek Ei d 
trotechniker. Von Dr. med. August Laqueur U 1 
tender Arzt des physikalisch - therapeutischen i . 
recht A a 


Dr. phil. Otto Müller, Ord, Dozent für Elektrot 
am Friedrichs-Polytechnikum : Cöthen, Dozen 
Technik der Elektromedizin an der Université obee. ; 
und Dr. phil. nat. Wilhelm Nixdori, eil. 
ingenieur und Dozent für Elektrotechnik. 

133 Abbildungen im Text. Halle a. S. 1922, 


WẸ mold Verlagsbuchhandlung. Preis geh. 34,00 M, in Halb- 
F kinen geb. 40,00 M. 

3 E Dieses sehr zeitgemäße und reichhaltige Buch be- 
F tandelt: 

j E l. Physikalische Grundlagen: die elektromotorische 
kraft, die Stromstärke, der elektrische Stromkreis, 
; dr elektrische Leitungswiderstand, das Ohmsche Ge- 
setz, die elektrische Arbeit, die Stromwärme, das Ge- 
F setz von Joule. N 

7 2.Die Anwendungen der Elektrizität in der Medizin. 
Í a) Unmittelbare (direkte) Anwendungen der Elektrizität: 
# Galvanisation, Batterieapparate und Zubehör, Anschluß- 
WẸ parate, Wirkungsweise des galvanischen Stromes, die 
Ẹ Heilwirkung des galvanischen Stromes, Ausführung der 
F Galvanisation, Heilanzeigen der Galvanisation, beson- 
j ‚dere Anwendungsformen des galvanischen Stromes, 
4 Immtophorese, Elektroiyse; Faradisation, Beschaffenheit 


i des faradischen Stromes, Methodik der Faradisation, 
F Wirkungsweise des faradischen Stromes, Heilanzeigen 
Fir Faradisation, besondere Anwendungsformen der 
F Faradisation (der Bergoniesche Entfettungsstuhl); Gal- 
f vano-Faradisation; der sinusförmige Wechselstrom 
F Sinusstrom), Wirkungsweise des Sinusstromes; son- 
F tse besondere Stromarten, der pulsierende Gleichstrom, 
Fr intermittierende Gleichstrom (Leducscher Strom), 


f che Bäder, elektrische Vollbäder, das elektrische 
1 Vierzellenbad. b) Mittelbare (indirekte) Anwendungen 
1 per Elektrizität: Elektrische Lichtheilapparate, Licht- 
l  Wärmestrahlen, Bogenlichtstrahlen, Quecksilberquarz- 
P empen, die Siemens-Aureollampe; elektrische Heizappa- 


: Elektromagnete; durch Elektrizität betriebene mechani- 
l sche Apparate. c) Die Anwendungen der Hochspan- 
f ss- und Hochfrequenzströme: Franklinisation, Appa- 
f ntr, Methodik der Franklinisation, Anhang: Anionen- 
handlung; Hochfrequenzströme, Arsonvalisation, phy- 
:  Skalische Grundlagen, Wirkungen der Arsonvalisation, 
i Anwendungsmethoden der Arsonvalisation, Heilanzeigen 


; Eis; Diathermie, Prinzip und Apparatur, Technik der 
= athermiebehandlung:, Praxis der Ausführung der Dia- 


E " Diathermie, Chirurgische Diathermie. 


E Körpers; die Gefahren des elektrischen Stromes; 
7 Mensch als Elektrizitätsquelle. Die Elektrokardio- 
staphie, | ; Ea Ea 

in 4 ektromedizin wird, wie das Inhaltsverzeichnis 
E i i ; = einer Vollständigkeit dargestellt, wie sie 
; e keinem solchen Werke geboten wurde. 
RR *T Vollständigkeit gesellt sich eine durch die 


$ Wa Ne | 
en der Herausgeber gewährleistete Vielseitigkeit. 
ihre ung und Sachkenntnis, so daß dem Buch eine 


hde Rolle auf diesem Gebiete bestimmt ist 


ETES 
X 
m 


hu | 
fi oh Dr. med. et phil. Fritz, Wien: Grundlagen 
| p, „Petimentellen Magie. 61 S. Leipzig und Wien 


| © "Tanz Deuticke. Brosch. 8,00 M. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚g \ondensatorentladungen; Elektrodiagnostik; hydroelek- 


& ‚Tate; Galvanokaustik; elektrische Beleuchtungsapparate; ` 


herstellbar 


| œr Arsonvalisation, Anhang: Rumpfsche oszillierende 


ermiebehandlung, Wirkungen und Anwendungsgebiet 


% Anhang: Der elektrische Widerstand-des mensch- 


eo Pollak-Rudin, Ing. Dr. techn. Robert, und. 


293 


Eine köstliche Ironie auf den Okkultismus. Sogar 
kuten, zu den Versuchen nach Dr. Pollak-Rudin 
können von ihm, Wien IV, Belvederegasse Nr. 8, be- 
zogen werden. | 


— Stern, Dr. phil-et med. Erich: Die krankhaften 


Erscheinungen des Seelenlebens. Allgemeine Psycho- 
pathologie. Aus „Natur und Geisteswelt” Bd. 764. 


114S. Leipzig und Berlin 1921, B. G. Teubner. Kart. 
0,80 M, geb: 8,80 M. j 

Diese „Sammlung wissenschaftlich-gemeinverständ- 
licher Darstellungen” ist hier um eine sehr gute und 
nützliche Schrift bereichert worden. Sie liest sich sehr 
leicht und bringt das Wissenswerte in zweckmäßiger 
Auswahl. Die einseitige Betonung der Sexualität durch 
Freud wird von Stern entschieden abgelehnt (S. 56). 

(Warum, nachdem: gesagt ist, daß Test Stichprobe 
bedeutet, dennoch weiterhin im Text das Wort Test ge- 
braucht wird — S. 88,89 —, ist nicht verständlich. ` Es 
empfiehlt sich nicht, den zu hypnotisierenden Kranken 
als „Medium? zu bezeichnen — S. 108 —, besonders 
nicht in Schriften iür Laien.) | 


Therapeutisches. 


— Luminial bei Eklampsie. Von Dr. Theodor 
v. Miltner, Assistent der Frauenklinik München, 
(Prof. Döderlein.) Monatsschr. f. Geburtshilfe u. Gynä- 
kologie 1920 Bd. 53 Heft 1: | 

Bei den Fällen, die sich im weiteren Verlaufe nicht 
als ganz schwere Krankheitszustände mit weitgehenden 
irreparabeln Schädigungen innerer Organe erwiesen, 
also von vornherein als sich mit keiner Therapie wieder- 
zeigten, wurde alsbald nach Injektion der 
Mittel (Luminal und Magnesium sulfurikum) und Biut- 
entziehung, Nachlassen oder gar Aufhören der Krämpfe, 
ruhieer tiefer Schlaf und Milderung der allgemeinen Un- 
ruhe festgestellt. Auch gewann man den Eindruck, als 
ob die Cyanose bei den noch einzeln auftretenden An- 
fällen nicht mehr so hochgradig geltend sich machte 
als unmittelbar nach Einbringung der Patientin in die 
Klinik und vor der Medikamentation des Luminals zur“ 
Zeit der Morphium- und Chloralhydratverwendung. Es 
scheint sich "eben hier die atemschonende Komponente, 
des Luminals geltend zu. machen. Ebenso war es mit 
der die Krämpfe und die Bewußtlosigkeit begleitenden 
Salivation und Hypersekretion der Bronchien. Irgend- 
welche schädliche Nebenwirkungen des Luminals, wie 
sie vereinzelt in der Literatur berichtet werden, wurden 
nie beobachtet. Schwangerschaftshygiene heißt die Lo- 
sung der Prophylaxe der Eklampsie. Ist es zum Aus- 
bruch einer Fklampsie gekommen, dann setzte die Be- 


- handlung möglichst bald ein, wenn es die örtlichen Ver- 
hältnisse gestatten; 


Verbringung in eine Klinik oder 
ein nächstgelegenes, erreichbares Hospital. Lichten- 
stein konnte in einer Tabelle zeigen, daß die Krämpie 
um so eher sistieren, und die Patientin der Genesung 


entgegengeführt wird, je früher Aderlaß und sedative ; 


Behandłung einsetzt. 


294 


- Gartenbaubibliothek. Herausgegeben von Professor 
Dr. Udo Dammer. 34 Bände. Berlin SW. 11, Des- 
sauer Str. 13, Verlag‘ von Karl Siegismund. 

Die Not der Zeit fordert gebieterisch, nicht nur jedes 
Fleckchen Erde und jeden Blumentopf, jedes Fenster- 
blumenbrett auszunützen, sondern auch rechtzeitig mit 
den Vorbereitungen für die gärtnerische Arbeit im nahen- 
den Frühiahr zu beginnen. Viele sind es, die sich dabei 
auf eigene Erfahrung stützen können, viele aber, die 
noch recht oft sich aus Büchern Rat holen müssen, und 
da sei auf obige treffliche und bewährte „Gartenbau- 
bibliothek” hingewiesen, die rd. 3100 S. stark mit ihren 
insgesamt über 800 Abbildungen, außerdem Tafeln, ein 
recht nützlicher Führer ist. Nachstehendes Verzeichnis 
der einzelnen Bandtitel gibt einen Überblick über den 
reichen und vielseitigen Inhalt. Prof. Dr. Dammeı 


Monatskalender des Pflanzen- und Gartenfreundes. 
2. Aufl. -64 S. Zimmerblattpflanzen. 2. Aufl. 88 S. 
Balkonpflanzen. 2. Aufl. 88 S. Zimmerblütenpilanzen. 
2. Aufl. 80 S. Nadelhölzer. 100 S.: Palmen. 77 S. 


—-Obergärtner Bode, Gewürzkräuter. 52 S. Garten- 
rasen. 52 S. Das Mistbeet. 52 S. — Gartenbaudirektor 
Goeschke, Die ein- und zweijährigen Gartenpflanzen. 
112 S. Die Staudengewächse. 92 S. Blütensträucher. 
80 S. Bunte Gehölze. -88 S. Einfassungspflanzen. 96S. 
— Inspektor Mönkemeyer, Die Farnpflanzen un- 
serer Gärten. 80 S. Zimmer- und Freiland-Aquarien- 
pflanzen. 80 S. Gartenbaudiektor Koopmann, 
Zwergobstbau. 76 S. Das Weinspalier. 72 S. Rosen. 
2... Aufl. 84 S. — Inspektor Lindemuth, Gemüsebau 
auf Gartenbeeten. 3 Teile. 248 S. Schönblühende Zwie- 
belgewächse. 64 S. Schönblühende Knollengewächse. 
-60 S. — Obergärtner Kotelmann, Pfirsiche und Apri- 
kosen. 84 S. — Inspektor Maurer, Die Beerensträu- 
cher. 2. Auf. 112 S. — Inspektor Lange, Gurke, Me- 
lone, Kürbis. 72 S. — Gartenarchitekt E. Pfiyftfer, 


Der kleine Villengarten. 80 S. — Landschaftsgärtner 
Klawun, Die Gartenlaube 88 S. — Inspektor Le- 
dien, Schönblühende Orchideen. 100 S. Gewächshaus 


— Inspektor Dreßler, Der 
Die Erdbeeren. 100 S. 


des Privatmannes. 62 S. 
Spartels 7275, Di. Zur ir, 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnummert. 
Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Me E Halle a. S. 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


Tabletten 


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Suppositorien 


DR. RITSERT : 


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PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


z=rPrOT, DT. 


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Bonbons bei Angina, Stomatitis, Schluckbeschwerden, Hustenreiz 


5% und 10% bei allen Reizzuständen der Haut, 
| 3 'eruris, Intertrigo, Hautgangrän, bei Pruritis vulvae, Erysipel und Hämorrhoiden 


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„A 
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Rn. 
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Dan  . 

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Ne. 


_ Nr. 47 


Kolbe, Gartenfeinde — Gartenfreunde, 
306 S. ei: 
Wer für seine Gartenarbeit sich die sehr wünschen ; 
werte Grundlage, nämlich einige Kenntnis in Pflanze 
anatomie und -physiologie, erwerben will, dem sei no 
die im gleichen Verlage erschienene „Theorie der Garten 
arbeiten, ein Katechismus des Pflanzenbaues”, von DM 
Udo Dammer, 164 S. empfohlen. # 


SS . 


— Haustechnische Rundschau, Zeitschrift für Haus 
und Gemeindetechnik, für Heizung, Lüftung und Beleuci- 
tung, Wasserversorgung, Abwasserbeseitin und Ka- 
nalisation. Halle a. S., Carl Marhold Verlagsbuchhand 
lung. Bezugspreis 27 M halbjährlich. — Inhalt: Heitı% 
Staublose Entfernung von Schlacke und Asche aus A 
Stubenöfen. Unsere Blitzschutzanlagen. — Heft 23: Ein H 
Weg zur Brennstoffersparnis bei Zentralheizungen. Das 
kommunale Badewesen in der neuen Einheitsgemeind 
Groß-Berlin. 


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Von Dr. Hugo Riemann. Edition Steingräht 
Nr. 60. 416 S. In Leinen 10,00 M (emschl. Ver 
schlag). | 


Inhalt: Hugo-Riemann-Gedenkschrift; Erklärung ad 
musikalischen Kunstausdrücke; Kurzgefaßte Harmonie“ 
lehre; Anleitung zum Studium der technischen Übungen 
Zur Pädagogik des Geigenspiels; Orgel und Harmonium 
Mozartkurse; Der Gesang ist so alt wie die Menschheit 
Katechismus der Musik; Tabellen zur Musikgeschicht 
Das Büchlein vereinigt auf engem Raum eine Fülle ei 
lesenster musikwissenschaftlicher Belehrung und Ar- 
regung. Es ist das beste Handlexikon für jeden Musika 
freund, kurz gesagt: eine Musikerbibel, die auf kein 


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Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schr 
leitung resp. den Verlag über redaktionell] 
Fragen das Rückporto beizufügen. IM 


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3 ‘Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olalı, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 


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1 


u 


N: Anstalt Suttrop wurde seit ihrem Bestehen 
7 zweimal von einer Typhusepidemie heimge- 
f Whit. Die erste fiel in die Sommermonate 1913, 
E ist verhältnismäßig klein geblieben und bietet 
Ta sich wenig Bemerkenswertes. Es erkrankten 
| Zehn Personen. Die Infektionsquelle konnte nicht 
u. werden. Viel ernster und umfangreicher 
| hr. o Epidemie in den letzten Wochen des 
o z Sie verdient ein allgemeines Inter- 

a, a er Art und Weise, wie man sich prak- 
E = zahlreichen, ‚bei dieser Gelegenheit 
i " { azillenausscheidern stellte und wegen 
Maßnahmen, die getroffen wurden 
| ‚oc durchgeführt werden, um ein neues 
5 „.eppen des Typhus und Paratyphus durch 
usscheider, so weit wie möglich, zu ver- 


f Pazillena 


$ Meiden. 

; Bi: Die Kay 3 é z HET > 

| ir Zweite Epidemie breitete sich mit er- 
sender Schnelligkeit in der Anstalt aus, es 


1 @ankten innerhalb weniger Tage 63 Personen. 
mi a konnte die Infektionsquelle nicht 
fans a a festgestellt werden. Da man von 
e nan damit rechnete, daß die Seuche von 


Mtem Bazi] ; 
a Bazillenausscheider herrühre, wurden unter 


11. März 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Malle a. S., Mühlweg 26 
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} u Scheint bis auf weiteres vier- P tsch k: Leinzie 32070 : \ 
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f Inhalt: Erfahrungen über Typhus und Dauerausscheider. Von Dr. Schmitt. (S. 295.) — Über eine anscheinend 
f m typische Schädelasymmetrie beihervorragend intellektuell Begabten. Yon Dr. Arthur Adler-Berlin. (S. 297.) 
Ẹ Zur Frage der Frühentlassung Geisteskranker. Von Dr. med. Gerhard Lang, Schussenried. Fortsetzung. (S. 297.) — 


und bis | 


E Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Ep Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin SW. 48, 


Mitteilungen. IS. 307.) — Buchbesprechungen. (S. 308.) — Therapeutisches. (S. 308.) — Personalnachrichten. (S. 308.) 


E Erfahrungen über Typhus und .Dauerausscheider. 
u... (Aus der Prov.-Heilanstalt Suttrop-Warstein i. Westf. Direktor: Dr. Hegemann.) 


4 Von Dr. Schmitt. 


den Kranken und Angestellten zahlreiche bakterio- 
logische Untersuchungen von Stuhl und Urin aus- 
geführt, besonders bei allen in den Lebensmittel- 
betrieben beschäftigten Personen. Hierbei erwies 
sich ein Viehschweizer als Dauerausscheider, der 


jeden Tag Magermilch aus der Anstaltsküche. in 


einem Eimer zum Gutshofe trug. Mit einiger 
Walhırscheinlichkeit ist die Infektion auf ihn zurück- 
zuführen, dafür spricht die Tatsache, daß nur An- 
staltsangehörige der dritten Tischklasse erkrank- 
ten, dieser Schweizer gab ‘seinen Eimer nämlich 
immer an ein bestimmtes Küchenmädchen ab, das 
nur bei der Zubereitung der Speisen für die dritte 
Tischklasse beschäftigt war. Nebenbei sei be- 
merkt, daß in der nahen Stadt Warstein fast immer 
sporadische Typhusfälle auftreten, auch von hier 
aus kann die Krankheit in die Anstalt eingeschleppt 
worden sein. | 5 

Sogleich wurde eine ganze Reihe von Vorkeh- 
rungen und Anordnungen erlassen, um ein Weiter- 


greifen der Seuche nach Möglichkeit einzudämmen, Ei: 


Einige davon seien erwähnt. Zunächst wurden 
einige Krankenabteilungen als Isolierstationen ein- 
gerichtet, sowohl für Typhuskranke als auch für 


296 


Beobachtungsfälle. Für Neuaufnahmen wurde die 
Anstalt geschlossen. Jeglicher Urlaub wurde ge- 
sperrt, alle Besuche untersagt, die Bibliothek ge- 
sperrt. Es folgten Anordnungen über die Desinfek- 
tion der Abgänge und Aborte, der Kleidung der Er- 
krankten, der Krankenräume, der Küchen- und 
Speiseabfälle usw. Jeder Krankheitsfall in der gan- 
zen Anstaltsgemeinde mußte gemeldet werden. 

Die bakteriologischen Untersuchungen von Kot 
und Urin bei der Suche nach Bazillenausscheidern 
erstreckten sich auf alle Kranken-und das gesamte 
Personal, besonders — wie erwähnt — auf alle 
in den Lebensmitteln beschäftigten Personen, so 
in der Küche, in der Milchwirtschaft, in der Ge- 
müsegärtnerei, Bäckerei, Mineralwasserfabrikation 
usw. Endlich wurde die ganze Anstaltsgemeinde 
prophylaktisch -mit dem damals noch verhältnis- 
mäßig neuen polyvalenten Typhusserum "geimpft, 
auch bei den Erkrankten kam es zur Anwendung. 

Dank dieser Vorkehrungen gelang es, die 
 Epidemie trotz ihres explosionsartigen Ausbruchs 
schnell einzudämmen. Die einzelnen Fälle verlie- 
fen gutartig und wurden in kurzer Zeit überstan- 
den, bis auf zwei Todesfälle bei ohnehin körper- 
lich heruntergekommenen Kranken. 

Durch die zahlreichen bakteriologischen Unter- 
suchungen, die ununterbrochen systematisch (s. u.) 
weitergeführt wurden, stellte sich nun nach und 


nach heraus, daß die Anstalt eine verhältnismäßig 


-große Zahl von Dauerausscheidern beherbergt. In 
Anbetracht der. Gefahr für die Anstalt wurde nun, 
in bezug auf die Dauerausscheider eine Reihe von 
Schutzmaßnahmen angewendet, die m. E. neu sind. 
Diese Maßnahmen haben ein doppeltes Ziel: ein- 
mal zu verhindern, daß weitere Dauerausscheider 
unerkannt in die Anstalt gelangen, dann, die als sol- 
che erkannten Dauerausscheider nach Möglichkeit 
unschädlich zu machen. 
wir dadurch zu erreichen, daß sich alle Personen, 
die neu in die Anstalt eintreten, sei es als Ange- 
stellte oder als Kranke, einer dreimaligen Unter- 
suchung von Stuhl und Urin auf Vorhandensein 
. von Bazillen zu unterwerfen haben. Die alten In- 
sassen wurden damals nachuntersucht. Weiteren 
periodischen Untersuchungen haben sich zu unter- 
ziehen alle Personen, die auf irgendeine Art mit 
den Lebensmitteln in Berührung kommen, auch 
wenn sie nur aushilisweise in diesen Betrieben 
arbeiten. Hierher gehören: die Küche, die Kar- 
toffelschälstube, die Bäckerei samt ihren Fuhr- 
leuten, die Metzgerei, die Milchwirtschaft, die 
Gärtnerei, der Kartoffelkeller usw. Bei jedem ein- 
zelnen dieser Leute finden in halbjährigen Zeitab- 
ständen je drei Untersuchungen nacheinander statt. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚gegnen, mußten diese streng von den übrigen Ar 


Dieses erste Ziel suchen 


[Nr om 3 


Über den Ausfall der Untersuchungen wer ! 
Listen geführt, und zwar von den für die einzeln $ 
Betriebe verantwortlichen Personen. Für die Gi 
steskranken und das Pflegepersonal führen def 
Oberpfleger bzw. Oberpflegerinnen diese Liste $ 
Außerdem werden Personal wie Kranke in der itf 
lichen Weise periodisch mit dem polyvalenten 1f 
phusserum geimpft. Auf diese Weise ist dd 
immerhin eine gewisse Gewähr vorhanden, dl f 
richt ein Dauerausscheider mit den Gefahren, def 
er für sie bringt, unerkannt in die Anstaltsgemeink 3 
aufgenommen wird. E 

Durch diese zahlreichen bakteriologischen UF 
tersuchungen wurden nun, wie erwähnt, eine über 4 
raschend große Zahl von Dauerausscheidern e 
mittelt, auf der Frauenseite, der überall gemacht 
Erfahrung entsprechend, weit größer als au if 
Männerseite. Während sich -auf der Männerseti 
nie mehr als zwei Dauerausscheider befand 
wuchs die Zahl auf der Frauenseite im Laufe drif 
Zeit auf 28 im Jahre 1919. Um der Gefahr eins 
neuen Ausbruches einer Typhusepidemie zu Wf. 


staltsangehörigen abgesondert werden. Die Isold 
rung der beiden Männer machte keine Schwierig: t 
keiten, für die Frauen mußte eine Krankenabt up 
lung geopfert werden. # 
Da die Absonderung so vieler sonst körperlil 4 
gesunder und arbeitsfähiger Frauen ihre therapi 
tischen und wirtschaftlichen Bedenken hat, sute 
ten wir nach Wegen, um hier Abhilfe zu schafen g 
indem wir versuchten, gegen das Bazillenaussche E 
dertum medikamentös vorzugehen. Die in den 3 
Fachzeitungen angepriesenen Mittel und Method f 
wurden ohne jeden sichtlichen Erfolg versucht, Wf 
das von Herrn Dr. Stuber, Freiburg, aneo E 
bene Cystin-Quecksilber ;,Cystinal” erschien. "" 
wandten es in großem Maße bei fast allen Danag 
ausscheidern an, ‚soweit sie die Tabletten willig ei d 
nahmen. Da den einzelnen bei der Kur ziemi | 
beträchtliche Mengen von Quecksilber zU8® ni : 
wurden, wurden die Patienten sorgfältig aui ME 
scheinungen von Quecksilbervergiftung hin beorg 
achtet. Dennoch traten einzelne Fälle von Stomz | 
titis auf. Die Kur- wurde dann sogleich ae | 
chen und erst nach Abklingen sämtlicher Ersche f 2 
nungen fortgesetzt. Der Erfolg der Kuren wue f 
nach dem Ausfall der bakteriologischen um 
suchungen von Stuhl und Urin, die jeden Mona! A 
folgen, bewertet. Waren sie zehnmal nachet 
der negativ ausgefallen, so wurde der | 
der Isolierabteilung in eine der anderen Krank 
abteilungen verlegt. Natürlich bietet dies® e| 
gehen keine sichere Gewähr, daß der petrefe 


poa  _ 


i Patient keine Bazillen mehr beherberge,') aber 


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N) + 
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EB 


irgendwo muß doch eine Grenze festgesetzt wer- 
f dn. Die aus der Isolierung entlassenen Patienten 
bleiben dauernd unter Kontrolle insofern, als sie 
F periodisch immer wieder auf das Vorhandensein von 
Typhusbazillen in Stuhl und Urin untersucht werden. 
= Wenn auch an dieser Stelle ein endgültiges Ur- 
tälüber den Wert des Cystinals nicht gefällt wer- 
den soll, so ergaben doch die Krankenbewegungen 
! in der Isolierabteilung so überraschende Ergeb- 
f usse, daß es gerechtfertigt erscheint, wenn über 
# die hiesigen Erfahrungen berichtet und zu weiteren 
Versuchen angeregt wird. Nachdem sich die Be- 
egungsziffer der Isolierabteilung 


in den Jahren 


‚p DIT bis 1919 immer ungefähr auf derselben Höhe 


è 
è 


j 


Untersuchung am lebenden Objekt zu unterziehen. 


7 


| fen auf den Schädel des zu Untersuchenden blickt. 


yS 


PP. 


=!) In den letzten Wochen hatte die bakteriologische 


Untersuchung bei einem Manne, bei dem die Unter- 
suchungen seit vier Jahren negativ ausgefallen waren, 
wieder einen positiven Befund ergeben. | 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


297 


gehalten hatte, nämlich auf etwa 26 Patientinnen, 
ging die Zahl nach Verabreichung des Cystinals 
binnen weniger Monate auf sechs herunter, bei 


denen trotz wiederholter Kuren, oder weil sie nicht 


zum Einnehmen der Tabletten zu bewegen waren, 


bis heute keine Aussicht besteht, daß auch sie ver- 


legt werden könnten. Es sei hervorgehoben, dab 
es sich bei allen um alte Fälle von Daueraus- 
scheidertum handelte, weitaus die meisten hatten 
keinen Typhus durchgemacht. 

Sollte demnach Herr Privatdozent Dr. Stü- 
ber mit seiner Ansicht, daß sein Cystinal eine 
bakterizide Wirkung auf die Typhusbazillen aus- 
übe, recht haben, so dürfte er den Ruhm für sich 
in Anspruch nehmen, ein Spezifikum gegen .das 
Dauerausscheidertum gefunden zu haben. Jeden- 
falls bedeutet nach unseren Erfahrungen das Cysti- 


nal einen bedeutsamen Schritt vorwärts im Kampie - 


gegen das Bazillenausscheidertum. 


| | Über eine anscheinend typische Schädelasymmetrie bei hervorragend 


ə intellektuell Begabten. 


E | Von Dr. Arthur Adler - Berlin. 
i T letzter Zeit habe ich Gelegenheit gehabt, die 


- Schädelbildung einer Anzahl hervorragender 
Arzte, Rechtsanwälte und Richter einer näheren 
| Es hat sich dabei, als anscheinend typisch für 
diese Intellektuellen, eine deutliche H ypertrophie 
des gesamten linken Schädeldachs ergeben. 
Am besten ist dieselbe zu sehen, wenn man von hin- 


Von der Stirn bis zur hinteren Grenze des 
Scheitelbeins ist die stärkere Ausbildung der 
inken Schädelhälfte in die Augen fallend. Am 


f Meisten aber ist die Gegend des Schläfe- 


eins, unter welchem die erste Schläfewindung 
legt, wọ die sensorischen Sprachbilder lokalisiert 
nd, und ebenso oder noch mehr die benachbar- 
3 Gegenden des unteren und oberen 
heitelläppchen vorgewölbt. 


E- Offenbar ist bei diesen hervorragend begabten 


I Al das, w 
| Nännlichen y 
| Neitsfähigikeit 


ý 


I und tätigen Intellektuellen der Schläfelappen für die 
. enge und die Verbindungen der Wortbilder unter- 


= 


’ 


einander und mit anderen Rindenfeldern nicht aus- 


reichend, und zur: Aufstapelung und Verarbeitung 


derselben auf Grund und mit Hilfe der abstrakten 
. Denktätigkeit werden die benachbarten Scheitel- 


läppchen(windungen) mit herangezogen und. sind 
gleichfalls hypertrophisch. 

Das ist auch nicht verwunderlich; ist doch die 
Entstehung und weitere Ausbildung der auf ab- 
straktem Denken beruhenden, vermehrten und bis 
zu bewundernswerten Leistungen hinauf entwickel- 
ten Intelligenz nur auf Grund feinster Ausarbeitung 
der durch die Sprache symbolisierten abgezogenen 
Begriffe möglich, und vermehrt diese ihrer- 
seits wieder die Menge und Schärfe der Wortbilder 
durch die von ihr gemachten haarscharfen Nüanzen 
(Unterschiede), zu deren präzisem Ausdruck die 
Sprache (bzw. die sensorischen Sprachvorstel- 
lungen) aus dem groben psychischen „Rohstoff 
des Volkes zu dem komplizierten und feinen psy- 
chischen „Gewebe” der geistig Arbeitenden und 
Schaffenden umgebildet wird. 


2 Zur Frage der Frühentlassung Geisteskranker. 
Von Dr. med. Gerhard Lang, Anstaltsarzt an der württ. Heilanstalt Schussenried. 


as ich nun über die Beziehungen der 


gesagt habe, in allen Einzelheiten 


nd weiblichen Berufsarten zur Ar- 


(Fortsetzung.) * 


noch in Form von Tabellen hier zu belegen, ver- 


bietet der Platzmangel, da solche Zusammenstel- ~ 
lungen mit ihren 52 männlichen und 18 weiblichen 


298 


Berufsarten, die in meinen Fragebogen vertreten 
sind, recht umfangreich würden.‘ Nur einige mir 
zur Charakterisierung der Verhältnisse wertvoll 
crscheinende Beispiele mögen — in Prozenten be- 
rechnet — folgen. 

‚Zuerst die von 76 größtenteils wohl selbständi- 
gen Landwirten einerseits und 9 nicht selbständigen 
landwirtschaftlichen _ Dienstknechten . andererseits 
gewonnenen Werte, sodann diejenigen von 27 teils 
selbständigen, teils angestellten „Kaufleuten” und 
weiter von 41 „Arbeitern und Taglöhnern”; end- 
lich lasse ich noch die Zahlen, welche aus 46 Ver- 
tretern körperlich nicht besonders anstrengender 
Handwerke errechnet sind, folgen und — als 
Gegenstück hierzu — die von 41 schwereren Hand- 
werken gewonnenen. Diesen männlichen Beispie- 
len seien die Werte von 112 Hausfrauen, 40 „Haus- 
 töchtern”, 11 Näherinnen und 6 „Arbeiterinnen und 
 Taglöhnerinnen” angefügt. 


Zusammenstellung F. 
(Wie in Tabelle E: a = genesen, b = gebessert, c = ungeheilt entlassen). 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Frauen, welche mit den Gesetzen imp 
Konflikt gekommen sind — mit Proza 
angabe. | ee: 
Zusammenstellung G. Í 
Ent- Männer Frauen saf 
lassungsart | 0/0 | ofo | 
(jenesen 2 von 42| 4,76|0 von 390,00 24 


ER: * 
J m W Pe Bi- 
SAR f 


A “ 


Nr. saf 


Zuerst, eani nach den Entlassung A 
eine Zusammenstellung derienigen Männer m 


201410;453 , 
70110,00|3 3; 


1252,40 731$ 
8313,61) 6545 


Giebessert.|21 ,, 
Uneeheilt 12, 


Zusammen ls0 von 313|10,43] 6 von 247! 2,43 6 F 


Daß das weibliche Geschlecht weniger statif 
beteiligt ist als das männliche, deckt sich mit dem $ 
was ich oben schon bezügl. der Rubrik „Nicht ge“ 
steskrank” der Zusammenstellung B sagte, wif 
darf nicht weiter auffallen. Dagegen ist interessati 


voll halb nur etwas gar nichts g 

Berufsart arbeitsfähig arbeitsfähig arbeitend arbeitend | 

a Be Ba ee a re a re 2: 

Landwirte .| 71,4| 70,3| 57,8| 28,6| 24,4| 7,7 2,7| 11,5 27 200 
landwirtschaftliche Dienstknechte 21.933501, > i 66,6 33,3 330 33,3101% 
Kaufleute 50,0] 55,0] 40,0 15,0 50,0| 10,0] 20,0 20,01 AUF 
-~ Arbeiter und Taglöhner 7501|- 57,2} 53,6 23,1| 91 3,8 25,0| 15,4 3 
leichtere Handwerker 87,5) 62,91100,0 | 22,9 8,6 125) Si 
‚schwerere Handwerker 71,4| 48,1] 42,8] 14,3) 18,5] 14,3 Sn 14,3] 29,6 sl 
Hausfrauen 95,0) 63,5 5,01 9,6 9,6 7a) 4 3 
Haustöchter 100,0) 35,0) 56,2 50,0 12,5 15,01 6,3 il 
Näherinnen . 100,0] 33,31 25,0 50,0 16,6| 25,0 ul = 
Arbeiterinnen und Taglöhnerinnen 50,0) 50,0 25,0] 50,0 1 25,0 I 


< Nachdem ich nun die so wichtige Frage der Ar- 

beitsfähigkeit von verschiedenen Seiten aus be- 
leuchtet und im wesentlichen wohl erledigt habe, 
möchte ich mich der Besprechung dessen zuwen- 
den, was uns die Fragebogen sonst noch über das 
Verhalten unserer einstigen Kranken berichten. 
 NVerschiedentlich ist davon die Rede, daß die Be- 
treffenden „aufgeregt”, „reizbar”, „sonderbar”, 
„gedrückt”, „scheu” und ähnliches seien. In vielen 
Fällen fehlen aber alle derartigen Hinweise; so will 
und kann ich hierauf — weil unvollständig und wohl 
auch ziemlich belanglos — nicht näher eingehen; 
anders steht es natürlich bei.den Fällen, wo diese 
Charakteränderungen derart gesteigert sind, daß 
= sich das Betreffende zu Gewalthandlungen hinrei- 
Ben ließ. Ich komme somit zu den kriminellen 
Fällen, zu den für sich und andere Gefährlichen. 


den Gesamtentlassenen 4% 
Umgebung lästig und unsozial’”; unter Mülle 


andere gefährlich und 2 = 2,8% haben Sachs? | 


daß die Prozentzahl der kriminellen Fälle bei af 
Ungeheilten sich nur wenig von derjenigen der ef 
besserten unterscheidet, ja bei den Männer soil | 
etwas niedriger ist. Wenn dies letztere mi 
auch nur ein Zufall ist, so dürfen wir trotzdem all 
jeden Fall sagen, daß nach unseren Erfahrungen ai 
Kriminalität der ungeheilt Entlassenen keines f 
so groß ist, wie. vielfach befürchtet wird, ag 
liche bzw. noch günstigere Zahlen konnten F riet | 
länder, Müller, Uhlmann in ihren sch 

erwähnten Arbeiten angeben. Ersteret fand vO I 
der Männer i | 
10,43% !) und 7% der Frauen (ich 2.43 % ), | & 


i K 
70 Reverskranken waren 3 = 4,3% für sich odet 


re 
den verursacht,. zusammen also 7,14%, W vn 


-4 ea A p ias 
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2 a NEE 

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TO £ wi ¿t ri 5 
| Ag f 4 
I s . 


je] 
3 

F sich in der Zusammenstellung G bei den ungeheil- 
Een Männern und Frauen ein Durchschnitt von 
654% errechnen läßt. Während ich für meine Ar- 
heit die aus unserer Anstalt in den Jahren 1913 bis 
1190 erfolgten Entlassungen benützte, legte mein 
F Vorgänger Uhlmann die Jahre 1902 bis 1912 zu- 
if stunde, und er brachte bei seinen Ungeheilten nicht 
l wie ich durchschnittlich 6,54%, sondern nur 1,69% 
if heraus! Wo es sich beidemal um Schussenrieder 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


299 


heitsformen -sich die in Zusammenstellung G ge- 
nannten 36 Fälle verteilen. Ich werde die beiden 
Hauptgruppen „Männer“ und „Frauen“ je in die 
Unterabteilungen „genesen”, „gebessert” und „un- 
geheilt” gliedern und in jedem Fall die absolute 
Zahl der: betreffenden Krankheitsform bringen, so- 
wie angeben, wieviele Prozente dieselbe von der 
aus Zusammenstellung C ersichtlichen Gesamtent- 
lassungszahl der betreffenden Kategorie beträgt. 


Zusammenstellung H. 


Kranke: Männer Frauen | 
I heits- | genesen gebessert ungeheilt genesen .| gebessert ungeheilt 
i m | Zanı | % | zanı | % zan | % zan | 9% | zanı | % | zanı | % 
$ H.a) | ES 2 o | | ee 
| c) 1| 100,0 ai 
| woo za load ee a 
| V.a) 1| 4,76 | | 
| b) 2. 5,55 | | 
J c) .2| 6,06 1| 7,69 
| ee A 10 EEE a ee eh: 
E SE Ba DEE I EEE Ra I a a a an 
E u] ee 
Ze En: ee 
 SOBEEFRCHEEEE 
N c) 1} 50,0 
| 3: |] ee] 
ji XIV. | | | 1| 14,28] 1) 100,0] | | | | | | 


| Material handelt, sollte man solch großen Unter- 
| hied kaum erwarten! Woher kommt dieser nun?! 
i nmal möchte ich die im allgemeinen leider zu beob- 
1 ‚chtende Zunahme der Verrohung, Zügellosigkeit 
Ind Kriminalität während der letzten Jahre hierfür 
EN Anspruch nehmen, die natürlich auch auf unsere 
d aa von Einfluß war; dann aber dürfte von 
N A aeebender Bedeutung für den Ausfall der 
Fi: r Strenge des Maßstabes sein, den man 
I et ( eurteilung der einzelnen Fälle anlegt. Um 
un als mir den Vorwurf zu verdienen, daß ich 
| günst Sins ‚des Themas die Statistik möglichst 
| orde, "siere, nahm ich auch alle mir bekannt ge- 
Í a leichten und leichtesten Fälle auf, welche 
i = Sar nicht die Gerichte beschäftigten, son- 
| E die Polizeibehörde erledigt werden 
E iie Ich werde nachher tabellarisch die ver- 
i Vorher = Vergehen und Verbrechen aufführen, 
j er aber noch feststellen, auf was für Krank- 


wu sun 


Hierzu möchte ich nur sagen, daß die für die 
Frühentlassungen ja vor allem in Betracht kommen- 
den Erkrankungen. der Dementia-praecox-Gruppe 
(V) sowie die affektiven Störungen (IV) an der 
Kriminalität nur mit kaum erwarteten niedrigen 
Prozentsätzen beteiligt sind. Andere Krankheits- 
formen, wie die degenerativen (III) und. Alkohol- 
psychosen (X) sind in dieser Hinsicht schon ernster 
aufzufassen. | 

Und nun wollen wir in einer neuen Zusammen- 
stellung sehen, was bei jedem der 36 Fälle die Art 
des Vergehens war; vielleicht lassen sich dabei für 
einzelne Krankheitsformen bestimmte Eigentüm- 
lichkeiten feststellen. Über die Art und Höhe der 
verwirkten Strafen kann ich infolge Versagens der 
Fragebogen leider nichts mitteilen, doch gebe ich 
noch an, ob das betreffende. Kranke wieder an- 


Staltsbedürftig wurde (+) oder nicht 2 Die imit s 


W bezeichneten Fälle sind die weiblichen. 


300 
Zusammenstellung J. 
Krank- Ent- Ku des 
heits- lassungs- 
Form, A Vergehens 
Ill. a) Gebesser nes Zuhälterei 
Pr Betrug und 
Vagabundieren 
x Beleidigung und 
Schlägerei 
j =? (Zuchthaus, 


aaa !) 


Ungeheilt er und 


Tätlichkeiten 


w Diebstähle u. Totschl. 


(durch Erschießen) 
Unzucht und 
Landstreicherei 
IH. c) II. c) |Gebessert [Hehlerei (Zuchthaust)| Hehlerei Zuchthaus]. 


“IV. | Genesen | Bedrohung und | 


Wi, 


Tätlichkeiten 
(1 Jahr Gefängnis) 
Bedrohung 
Gewalttätigkeit 


Frachtbriefen 
Bestimmungen der 
nn, Zwangswirtschaft | _ 
Einbruchsdiebstahl 
Einbruchsdiebstahl 
Abtreibung 
Bedrohung 
Schlägerei 
Schimpfen und 
pr | Hausitiedensbruch [2° 


V.a) 
V.b) 


Gebessert 


V. c) 


Genesen 

et 

; Ruhestörung 

z Alarmblasen 
W_, Fälschungen aui 
W , Verstöße gegen die 


Vi |Gebessert | für Kinder sexuel | + für Kinder sexuell 
gefährlich 

Ungeheilt Tätlichkeiten 

W öffentliche Sittlich- 


-keit gefährdend 


Gebessert 


| gefährdend durch 
Revolvertragen 


Zusammenstellung K. 


Ent- Männer Frauen Durch- 
 lassungsart | | %o | | 0% T l 
Genesen 2 von 42 4,70 0 von 39 0,00 2,47 
Gebessert . . r EEAS SN 3,84 a DAT 0,00 2,15 
Ungeheilt . . 850 EERS E. 1,21 5,88 
EEE E S EES E e N | E E NST e] Seren: ER 
Zusammen | 17 von 313 | 5,43] 1 von 247 10,40 | 3,21 : 


öffentliche Sicherheitl- 


Bedrohung und 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Anstalts- 
bedürf- 
tigkeit 


ae | Er er 


 nesenen und Gebesserten andererseits feststellen $ 


daß dieser Mann nicht wieder in eine Heilanstal’ 


. ben Gesichtspunkten wie den letzten bearbeiten. $ 2 


(Nr. | 4915 \ 
mm 


Anstalt: $ 


Krank- Ent- 3 
| Art des a 
heits- lassungs- bedür. f; 
form art Vergehens u \ 
Fi 
VII. | Gebessert E ni 
VIII. *  Diebstähle und F 
Beleidigungen f! 
fi 
IX. Ungeheilt | Diebstähle, Betrug Fa 1; 
| Urkundenfälschung | I 
X. a) |Gebessert| 3 Diebstähle + 
Ungeheilt Ehezerwürfnis — 
__X. c) |Gebessert Diebstahl — 
XI. | Ungeheilt | Diebstahl | + Fi 
XIV. | Gebessert Diebstahl und 1 
Landstreicherei 
Ungeheilt Diebstahl = 


Sehen wir uns die Aufstellung näher an, so wer 
den wir keinen besonderen Unterschied ri 
den Vergehen der Ungeheilten einerseits, der Qe- 3 


können; nur der Totschlag des ungeheilten Ila $ 
Patienten nimmt hier eine Sonderstellung ein, wo 
bei ich noch besonders darauf hinweisen möcht, 


eingewiesen wurde, was zu dem Schluß berechtigt; 
daß-das Verbrechen von maßgebender Stelle niat 
als der Ausfluß einer geistigen Störung angesehen ` 
vielmehr der Täter als gesund und zurechnungsii 
hig betrachtet wurde. So sagen uns denn die A 
sammenstellungen H und J, daß sich die Kriminal- f; 
tät ungeheilt Entlassener quantitativ und qualitativ F 
nicht oder wenigstens nur unwesentlich von de-F 
jenigen Genesener und Gebesserter unterscheidet 
Und auf Grund der Tabelle J möchte ich nicht vol p, 
einer auffälligen Neigung einzelner Krankhes g f 
men zu bestimmten Vergehen sprechen. f 

Nachdem ich nun. die „Für andere Gefährlichen | 
besprochen habe, käme ich jetzt an die „Für sich $ | 3 
selbst Gefährlichen”, an die Selbstmord“ 
frage. Ich möchte diesen Abschnitt nach dense | 


So käme denn zuerst, getrennt nach den Entlas- | R 
sungsarten, eine Zusammenstellung der an Suiz E 
zu Grunde gegangenen Männer und Frauen. 


er 7 Te 
2 f nn) Aa nz k 
£r FR] et ea i 
2 ART i 
RYS DRESA 
- Ace vw a r 
X ME age a k 
Y E A o 


Eee 


o A 
eN E > 


Im 


IA ist hier das entschiedene Überwiegen 
| Fir Männer auffällig; und doch sind die zum 
Fbstmord besonders neigenden affektiven Stö- 
f ungen bei den Frauen viel stärker vertreten als 
iii den Männern! (Laut Zusammenstellung C 
kamen 76 männliche und 132 weibliche Fälle zur 
Entlassung.) Man kann den Eindruck gewinnen, 
Ẹ vie wenn das weibliche Geschlecht die zur Aus- 
Führung der Tat nötige große Energie weniger 
Fecht aufzubringen vermöchte, und ich werde in 
dieser Auffassung durch ein weiteres nachher noch 
fa besprechendes Moment noch bestärkt. Die 
Flöhe des Prozentsatzes bei den Ungeheilten ist 
Tin Vergleich zu den beiden anderen wohl zu er- 
Fyarten gewesen und. dabei auch nicht als allzu 
foch zu bezeichnen. Verwunderlich erscheint da- 
Fegen, daß wir bei den Geheilten relativ mehr 
[selbstmordfälle haben als bei den Gebesserten! 
Weist uns dies nicht darauf hin, wie unberechen- 
| bar und für uns noch dunkel die Psychosen und 
fire Prognose sind?! ‘Und was soll man sagen, 
fem Uhlmann bei seinen Ungeheilten nur 
56% Selbstmörder hatte, ich als sein Nachfolger 
Fiber 588%?! Sind hier vielleicht die teuren Zei- 
| a mit ihren Existenz- und Nahrungsorgen und die 
Fi jedem deutsch Fühlenden schwer lastenden 
: Dolitischen Zustände bzw. Mißstände Schuld, wes- 
Fialb dann auch gerade bei den Männern dieser 
F he Prozentsatz auftritt?! Wer will es wissen? 
1 Nur von einem der 18 konnte ich erfahren, was ihn 
pam Selbstmord getrieben: die Bezahlung des 
Reichsnotopfers. Hatte Uhlmann solch niede- 
Pen Wert errechnet, so hatte Müller mit 11,4% 
\ nen entschieden höheren Prozentsatz. _ Und 
Ffriedländer hatte unter 


Í e durchschnittlich 3%, während bei mir die 
f "sprechenden Werte 5,43, 0,40, 3,21°/, betragen. 
J a nun weiter! Wir wollen entsprechend der 
a menstellung H sehen, auf was für Krankheits- 
Í men die Suizidfälle sich verteilen: 


Zusammenstellung L 


\ N 
u - TTS 
í 


Krank- Männer 
Ja genesen gebessert | ungeheilt 
[| — 2h | % | zanı | %0 | Zant | % 
Be | I 05 de 
$ IIl. a) | | à | 11 20,0 
Eoo _ a 
ol | azy 2| 513| a| 37,5 


NQEsEce 
I il 2771 A1176 
4 | | | af 8sal = 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Er seinen gesamten 
Ẹ Männlichen Entlassenen 2%, unter den: weiblichen 


301 

krank. Frauen 

heits- genesen gebessert ungeheilt 
form | Zahı | 3o = 9/0 o 9/0 
w ee eea 
o Dies o z 

b) 

worte 
a 
ae 1| 5,88 
re Te 


Und nun noch gleich in einer weiteren Tabelle 
die von (den einzelnen Selbstmördern gewählte 
Todesart, und dazu.noch zwei Angaben, welche 
mir für unsere Stellungnahme gegenüber der gan- 
zen Frage von erheblicher Bedeutung zu sein schei- 
nen: einmal die Angabe der Zeit, welche von der 
Entlassung aus der Anstalt bis zur Tat verstrichen 
ist, und dann die Angabe, ob vorher einmal Selbst- 
mordgedanken geäußert worden waren (+) oder 


nicht (—). 
| Zusammenstellung M. 

Krank- Ent- | ZEN Äußerung 
heits- | lassungs- Todesart Entlassihig N; 
form art Salbetnotd danken 

I. Gebessert | Erhängen |3'/zJahr| — 
Ungeheilt | Erhängen |5 Jahr | + 
3 Erhängen. |5 Jahr | — 
HI. a) | Ungeheilt | Erhängen |1°/sJahr| — 
b) |Gebessert [Erschießen |1 Monat| —. 
IV. Genesen | Erhängen |4/2Jahr| — 
Re Erhängen |5 Jahr T 
Gebessert | Ertränken |1/2 Jahr| + 
= Erhängen |2 '/.Jahr| — 
Ungeheilt | Erhängen |2 1/4 Jahr +t 
s Erhängen 4⁄4 Jahr] + 
a Erhängen |3 Tage = 
V. a) | Gebessert| Erhängen |5 Tage| — 
b) Erhängen |2 Mon. pi 
| Ungeheilt Erhängen |10 Tagel| + 

= Sturz aus 
{| d. Fenster. | YzJahr | — 

WW, Überfahren| einige 


durch Zug |Stunden| + 
X. a) | Gebessert | Erhängen l6 !/> Jahr] 


Nun einige Bemerkungen zu den beiden letzten 
Zusammenstellungen. Wie andere Autoren, SO 
können auch wir im Hinblick auf Tabelle L sagen, 
daß die für die Frühentlassung in erster Linie in 


an . Fällen 


302 


Betracht kommende Dementia-praecox-Gruppe (V) 
keine besondere Neigung zeigt, dagegen die dege- 
nerativen und affektiven Erkrankungsformen (III 
und IV) häufiger zum Selbstmord führen. Außer 
bei den genannten Psychosen können natürlich 
auch bei anderen Suizidfälle vorkommen; beson- 
ders denke ich an die senile Demenz, die Erschöp- 
fungs- und Schwangerschaftspsychosen. So könnte 
man streng genommen fast jedes Geisteskranke als 
mehr oder weniger suizidverdächtig ansehen, und 
man müßte dementsprechend ängstlich in der Ent- 
lassungsirage sein! Die Zusammenstellung L und 
die sonstigen Erfahrungen zeigen uns ja, daß die 
verschiedensten Krankheitsformen, und nicht nur 
die Ungeheilten, sondern auch Gebesserte und. so- 
gar „Geheilte” suizidfähig sind! Leute, bei denen 
wir nie — oder richtiger gesagt — nie mehr daran 
gedacht haben, erhängten sich (daß sich von den 
18 Fällen 14 erhängt haben, ist ein eigenartiges Er- 
gebnis der Zusammenstellung M)! Sehen wir näm- 


-lich in der letztgenannten Tabelle die Zeiträume 


näher an, die zwischen Entlassung und Selbstmord 
liegen, so finden wir, daß dieselben neben einigen 
kürzeren, bezeichnenderweise vor allem auf die 


gegen den ärztlichen Rat entlassenen Ungeheilten 


fallenden, größtenteils mehrere Jahre umfassen, so 
.. daß sich also die Anstaltsleitung keineswegs den 
Vorwurf zu machen braucht, daß sie in diesen Fäl- 
len vielleicht mit der Entlassung zu weitherzig oder 
“unvorsichtig gewesen war! - Vielmehr liegt hier, 
und besonders bei den affektiven Kranken, der Ge- 


. danke nahe, daß es sich um einen neuen Krank- 


heitsausbruch, um eine erneute Verschlimmerung 
der bestehenden Erkrankung handeln dürfte, und es 
drängt sich einem die Frage auf, ob die Angehöri- 
gen, die Umgebung des Kranken, diese neue Ver- 
schlechterung im Befinden desselben nicht hätten 
erkennen und durch rechtzeitig eingeleitete zweck- 
. mäßige Schritte den Selbstmord hätten verhindern 
können?! 
Rubrik der Zusammenstellung M, daß in 10 von 18 
Selbstmordgedanken geäußert worden 
waren! Wären diese Äußerungen ernster genom- 
men worden: gar mancher Selbstmord hätte ver- 
hindert werden können! Aber in 560 Fragebogen 
werden in weiteren 23 Fällen (10 weiblichen und 
2 männlichen IV, 4 weiblichen und 3 männlichen V 
und 4 weiblichen III) Äußerungen von Selbstmord- 
gedanken gemeldet, von denen nur 3 männliche 
und 3 weibliche Kranke schwächliche Suizidver- 
suche machten! 
in die Anstalt verbracht, während 6, und darunter 
sogar eine von den 3 weiblichen Suizidversuchen- 
den, heute noch draußen sind! So können wir also 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Und in der Tat zeigt uns die letzte 


Von diesen 23 wurden 17 wieder 


verstehen, wenn Angehörige solche vielleicht zum 
Überdruß häufig geäußerten Reden nicht allzu ernst 


nehmen, und besonders bei den Frauen braucht man f 
— nach unseren Erfahrungen wenigstens— nicht | ö 
ängstlich zu sein: Während der letzten 18 Jahre I 
haben Uhlmann und anschließend daran ich nur hi 
einen weiblichen Selbstmordfall in Erfahrung ge’ 3 
Bei diesem handelte es sich (vergl, m 
sammenstellung M) um eine junge Katatonikerin $ 
die gegen die ernstesten Vorstellungen unserersäß $ 
vom unvernünftigen Vater heimgeholt wurde; ta 
Kranke ging dem Manne wenige Minuten nach Ver f 


bracht. 


lassen der Anstalt durch, versteckte sich im nahen $ 


Wald und ließ sich vom nächsten vorübertahreni M i 
Nehmen wir einmal alle oben wtf 
in Zusammenstellung M aufgeführten Fälle, welk 
von Suizid gesprochen haben, zusammen, so er 


Zug überfahren. 


halten wir folgende interessante 


Zusammenstellung N. 


Von [Selbstmord Selbstmord unter- 


redeten | Zahi | 0/0 | Zahl |. 9/0 |Zaht| % 


Männer . 14 |. 9164,28 3121,43 a i 
Frauen . 19 5,26} 3115,79| 19 


Zusammen | 33 | 10[30,30| 


Wenn auch fast zwei Drittel der Männer it 
Worte in die Tat umsetzten, so unternahmen doch F 
Im Reden} 
sind sie aber den Männern überlegen (14:9). 
Dies läßt mich den schon oben angedeuteten Mag 


beinahe vier Fünftel der Frauen nichts! 


gel an Initiative vermuten. 


Nach allem möchte ich mit Tomaschi) 
1912 N. 3 


Wochenschr. 


(Psychiatr.-neurol. 
Uhlmann und anderen sagen, da 


Treiber, 


man im allgemeinen in der Selbstmordirage bisher $ | 
zu ängstlich war, und ich glaube, dab Manen 
schwarz sieht, wenn er sagt, dab „ein seb 2 
ril E 
entlassungen abschrecken muß, als ein geglückt?! | 
Ich möchte eher raten, mag 


mit zehnfach schwererem Gewicht von den 


Fall sie empfiehlt”. 
soll zwar jeden Anstaltsinsassen scharf auf Suiziti 
verdacht prüfen, vor allem die Psychosen mit & 
pressiven Zügen, aber dann, wenn. die Vorgè | 


schichte und die Anstaltsbeobachtung nichts | 


fälliges ergeben hat, und die häuslichen “= 
nisse halbwegs günstige sind: dann dari mal 


ef 
' meines Erachtens ruhig an die Frühentlassufg ! 


jal 
angehen. Das vorstehend besprochene Materne 


zeigt uns, und Bleuler sagt es auch al 
seiner reichen Erfahrungen, daß nur eine 
Minderzahl der gegen den ärztlichen RE 


il 


[Nr. e | l 


À h 
#4 | 


Selbst- i E 
R begingen |versuchten aaa | 


lıs,ıs] 1751 


or | | 


F lassenen ein Unglück angestellt hat; oft erst nach 
$ iahren. Ganz solche Fehlgriffe bei den Entlassun- 
F ren zu vermeiden, vermögen wir — so erstrebens- 
F wert es natürlich ist — heute noch nicht: wir sehen, 
F iab auch Gebesserte, ja Genesene kriminell wer- 
7 den oder Selbstmord begehen können, und daß an- 
Ẹ iererseits „Ungeheilte” viele Jahre draußen ohne 
Ẹ irgendwelche Schwierigkeiten leben und arbeiten 


F können! 
f eben — wenigstens teilweise — noch nicht genau 


Die Ursachen der Psychosen kennen wir 


f ind wir vermögen noch nicht tiefer in ihr Wesen 


T. 


4  einzudringen; resieniert müssen wir daher immer 


7 wieder eingestehen, wie wenig sichere Anhalts- 


f punkte wir für die Beurteilung des voraussicht- 
lichen klinischen und sozialen Verlaufes einer Psy- 


F chose haben. 


Ich will hiermit die Besprechung der kriminellen 


Fund Selbstmordfälle, der für sich und andere Ge- 


7 ührlichen abschließen. 


Ich sprach oben zuletzt 


f noch von Äußerungen von Selbstmordgedanken; 
Ẹ des bringt mich auf die Frage der Sinnes- 


täuschungen und Wahnideen, 
ir wohl bewußt, daß beides bei den verschie- 
| nsten Krankheitsfiormen vorkommt und nichts 
f Besonderes bietet, doch glaube ich dennoch, der 
$ Vollständigkeit wegen, in Kürze berichten zu sol- 
f len, was in meinen Fragebogen darüber von-Laien- 
seite beobachtet und gemeldet wurde: 


Ich bin 


Zusammenstellung O. 


Männer 


34 158 53 


Genesene Gebesserte Ungeheilte 


Zahl| % |Zant| %6 |Zahl| 9/0 


| EN EEA Kreta art SE NOE RESSE AS APAS EIS RS: 


Sinnestäuschung. 5114,71| 17/t0,76 aa 
ahnideen 720,59| 43|27,21| 1630,19 
i | Frauen 
35 125 29 


f "“ständlicher 
| die Hälfte der 


A 


sonders auch 
Mel stärker 


$ übe 
E erhaupt solch hohe Zahlen aufweisen; das Über- 


baitas ATEI 


f hen W 


Genesene |Gebesserte| Ungeheilte 
[Zahl | 0/0 Zahl | Oo Zahl | 9/0 


l Er aaa AE ESN ANAE aa EEEE E EE EEA ARa 
f ‚mestäuschung, 2| 571l 11) 88 | 1448,27 
Nideen 2| 571| 17113,6 | 2586,55 


Auffallend ist, daß bei den Gebesserten und be- 
bei den Genesenen die Männer so- 
vertreten sind als die Frauen und 
Wegen. der Frauen bei den Ungeheilten und die 
sind nach den sonstigen Erfahrungen 
. Ich habe noch anzufügen, daß etwa 
als mit Sinnestäuschungen oder 


erte 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT _ 


303 


Wahnideen behaftet Bezeichneten anstaltsbedürftig 
wurden. Das Gros der Fälle gehörte den Krank- 
heitsformen IV-und V an, der Rest verteilte sich auf 
Ill, VI, XII und etliche andere Krankheitsarten. 

Die folgende Zusammenstellung P möge einen 
Überblick über die bei unseren einstigen Patien- 
ten eingetretenen Zivilstandsänderungen 
geben: 

Zusammenstellung P. 


ver- | En: | Garen; 
heira- |. schei- Anstahtee 
tungen | dungen bedürftige 
Genesene Männer 
| Frauen 5 0 
Gebesserte Männer 19 l 1 bzw. 0 
. Frauen | -3 12,21: 0-DZ0 
Ungeheilte Männer ð 3 0 bzw. 1 
Frauen 


Hiernach können wir sagen, daß die Verheiratun- 
gen und Ehescheidungen an unseren Kranken, be- 
sonders an den weiblichen, spurlos vorübergegan- 
gen sind. 

Von anerkannt größerem Einfluß auf das psy- 
chische Befinden der Frauen sind die Entbin- 
dungen. Es ist nun interessant, 
Fragebogen zu ersehen, daß keine einzige der in 
den Jahren 1913 bis 1920 entlassenen weiblichen 


Kranken im Anschluß an eine durchgemachte Ge- 


burt wieder anstaltsbedürftig oder auch nur ver- 
schlechtert worden wäre! Andererseits sind fol- 
gende sieben weibliche Entlassene entbunden 
worden: | | 
Zusammenstellung Q. 


Vor Wieviele | 
ns Ent- wieviel Entbin- |Zivil- 
form lassungsart Jahren dungen |stand . 

| entlassen | seitdem 
IV. _ Gebessert 7 1 ledig 
IV. Ungeheilt | 1 verh. 
IV. Ungeheilt 4 1 verh. 
V.a) Geheilt 7 2 verh. 
V. c) | Gebessert 4 | verh. 
V. c) | Ungeheilt 3 ] ledig 
VI. Ungeheilt 8 3 verh. 


Mit Ausnahme des letzten. Falles, einer Para- 
noikerin, handelt es sich um lauter affektive oder 
Dementia-praecox-Fälle, und es ist beachtenswert, 
daß unter den sieben Frauen sich vier Ungeheilte 
befinden und daß zwei von den sieben sogar zwei 
bzw. drei Geburten durchmachten. Eine ungeheilte 


aus meinen 


verließen. 


304 


Aifektive hat bereits ein Jahr nach ihrer Entlassung 
ohne Schaden zu nehmen geboren! 

Darüber, wie es mit der Entmündigung 
bei unseren einstigen Kranken steht, kann ich lei- 
der nichts berichten, da meine diesbezügliche Frage 
in den meisten Fragebogen unbeantwortet blieb. 

Ich besprach bis jetzt der Reihe nach den Ab- 
gang, die ‚Arbeitsfähigkeit, die Kriminalität, die 
Selbstmorde, die Sinnestäuschungen und Wahn- 
ideen, die Zivilstandsänderungen, die Entbindungen, 
die Entmündigung aller unserer in den Jahren 1913 
bis 1920 zur Entlassung gekommenen Anstaltsin- 
sassen. In Zusammenstellung B sind als genesen, 
 gebessert und ungeheilt insgesamt 366 männliche 
und 263 weibliche Fälle aufgeführt. Es wäre nun 
anzugeben, um wieviele Einzelpersonen es sıch 
hierbei handelt, wer von ihnen sich seitdem drau- 
ßen halten konnte, wer wieder in Anstaltsbehand- 
lung genommen werden mußte und wer gestorben 
ist. Demgemäß die folgende Tabelle: 


Zusammenstellung R. 


Ein- en a Todesfälle 
t zej- {sich draußen] Anstaltsbe- fauina- - 
nr B Ber halten handlung | tür- | durch | insgesamt 
liche >. 

Sonen Zahi | % | zanı | % [Weise] """ | Zahi | % 
Genesen . . Er 50 las 20 |5363 13 aaa 3) 2| 511316 
Gebessert ..| 235 | 170 | 100 |58,82| 55 [3235| s| 7| 15| 882 
Ungeheilt >. . .| 81] 63| 26 141,27| 2814444 ı| 8| 914,20 
Männer 1366 | 271 | 146 |53,87|: 96 |35,42| 12 | 17 [ 29 | 10,70 
Genesene  >2.3.44 [234 1: 23 167,651... 8423,53 -3| :-01.-31 8% 
Gebessert 21133. 90| 50.150,50) 37 137.371 12:1: 01: 12 112% 
Ungeheilt . . . .| 86| 76| 47 l61,84| 2513289 3| ı] 4) 526 
Frauen .| 263 | 209 | 120 57,42} 70 |33,49| 18| ı| 19| 909 


Das Verhältnis zwischen Gesamtentlassungen 
und Einzelpersonen beträgt rund 4 : 3 und rührt da- 
von her, daß verschiedene Patienten in den zu- 
grunde liegenden acht Jahren mehrfach die Anstalt 
wieder aufsuchen mußten und aber auch wieder 
Das Nähere darüber nachher -bei der 
Besprechung der Rubrik „wieder in Anstaltsbe- 
handlung”. Jetzt zuerst einiges über dieieni- 
:gen, welche sich draußen halten 
konnten, d. h. also seit ihrer Entlassung nicht 
wieder krank wurden oder doch wenigstens nicht 
derartig, daß sie wieder anstaltsfähig wurden. 
Was uns oben die Zusammenstellung D bezüglich 
der Arbeitsfähigkeit zeigte, gilt sinngemäß auch 
hier: die höheren Anforderungen, die das Leben 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


bessert” Erscheinenden sind eben doch oft nad 


ae A | 
Be. 4 
a a I WE A 

Ji 

IA 

í 

4 


i 


[Nr. 495 


IF 
an die Männer stellt, sind schuld daran, daß deal 
Arbeitsfähigkeit nicht so günstig ist, wie diejenig | 
der Frauen; der Ernst des Lebens sorgt auch af 
für, daß das männliche Geschlecht sich nicht wf 
zahlreich draußen halten kann wie das weibliche, f 
er bewirkt also — anders ausgedrückt —, daß jens f 
häufiger rückfällig wird und wieder in Anstalt 
handlung sich begeben muß als dieses! Dies zeigen 
uns die Prozentzahlen der Zusammenstellung R 
Der Vergleich der entsprechenden Werte unteren 
ander und mit denjenigen der Tabelle D. erscheiff 
mir recht lehrreich. Die uns „genesen” oder „gs 


recht labil, empfindlich, so daß die Widerwärtigkeitf 
des Lebens häufig hinreichen, den Wiederausbrdi 
der Krankheit, das Wiederaufflackern des oft gr ; 
nicht ganz verschwundenen Krankheitsprozess 
zu bewirken; andererseits aber dürfen wir mif 
Freude und Genugtuung feststellen, daß eine statt 
liche Anzahl von: „Ungeheilten” mit Erfolg duf 


Stürmen des Lebens zu trotzen vermochte: Bei o 4 
Männern finden wir bei diesem Kampf etwa gerat} 
soviele Sieger wie Besiegte (41,27: 44,44%), wi \ 
den Frauen ist das Verhältnis etwa wie 2:1 7 
: 32,89%). Nehme ich unsere ungeheilten Mame 
und Frauen zusammen, soweit sie sich draei f 
halten können, so bekomme ich als Durchschn" E 
wert 52,52%; Müller :dagegen hat bei a ; 
70 Reverskranken sogar 72,86%! Bei uns mub = 
durchschnittlich wieder 38,13% unserel ungebel p 


= talt a} 
entlassenen Männer und, Frauen in die Ansie 
rückkehren; bei Müller nur 15,71%! a m 

u 1 


rend bei uns laut Zusammenstellung R 3% sale 
Männer und 33,49 % der Frauen wieder i ya i 
bedürftig wurden, gibt Friedländer 5 f 


f auch h 


j 
N 


Di 
BB 
1 


g 
A 


p 
i 
p 
g 
$ 


= 
1 


f auch 


annern, 


f2 an. Doch nun genug davon! Es interessiert uns 
f mnnoch zu erfahren, wie lange die einzelnen Kate- 
f orien von Entlassenen sich außerhalb der Anstalt 
f befinden, und wie die einzelnen Krankheitsformen 
f daran beteiligt sind. Dies in der 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


305 


zu werden, aber ich muß weiter eilen, und wende 
mich drum der nächsten Rubrik der Zusammen- 
stellung R zu, nämlich denen, die wieder an- 
staltsbedürftig wurden. Was dazu im 
allgemeinen zu sagen ist über das Verhältnis der 


Zusammenstellung S. 


Männer Frauen 
Krank: Genesen Gebessert Ungeheilt Genesen Gebessert Ungeheilt 
heits- durch- durch- durch- durch- durch- durch- 
form schnitt- schnitt- schnitt- schnitt- schnitt-f ` schnitt- 
Zahl | liche | Zahl | liche | Zahl | liche § Zahl | liche | Zahl | liche | Zahl | liche 
Zeit (in Zeit (in it (in Zeit (in eit(in Zeit (in 
Jahren) Jahren) Jahren) Jahren) Jahren) Jahren) 
I. | | | | | o) 5 | 3l 4 | | | 2 6l | | 
9| 5 !/a 2| 2°/4 
Hcg 4| 2°% 21: 8 
|: 2/4 I| 3/4 
tal syd af avd io 4 | af ea) 2s| 5 
51: 3°/a 2| .5°/4 er 21 -5 1/3 172 
78.248 6| 7 '/a 8| 4/2 
4| 6 1| 1a 71..3°/4 5| 43 


Um nur das Wichtigste hervorzuheben, sei dar- 
‚gewiesen, daß wie in Tabellen C und E so 
en die affektiven Störungen (IV) und die 
o 4-Praecox-Gruppe (V) stark vorherrschen, 
te besonders bei den Frauen, letztere bei den 
Und dabei durchschnittlich mit erfreu- 


l ; 
ch hoher Zeitangabe. Dies darf ich auch bei den 
a ngeheilte 


nim allgemeinen feststellen. Es ist noch 


(hes Interessante aus der Tabelle herauszu- 


‚ das wert wäre, jetzt hier noch mit erwähnt 


3l 6 ?/3 


einzelnen Prozentsätze untereinander und zur vor- 
hergehenden Rubrik, ist schon bei der Bespre- 
chung dieser bzw. der ganzen Tabelle erwähnt 
worden, und ich kann mich daher gleich mit den 
Spezialfragen beschäftigen: Zuerst nach dem Prin- 
zip der Zusammenstellung S eine Übersicht dar- 
über, wer nach der Entlassung wieder in die An- 
stalt aufgenommen und seitdem in derselben be- 
lassen werden mußte, und wer im Verlauf der acht 
Jahre mehrfach (aus- und) eintrat. 


[Nr o 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


306 


a o T. 


a) Männer-Eintritte: b) Frauen-Eintritte: 
Krank- Genesen Gebessert Ungeheilt Krank. | Genesen Gebessert i En Ungeheilt 
ak einmal | mehrfach einmal | mehrfach einmal | mehrfach [reits- einmal | mehrfach einmal | mehrfach einmal | mehrfach 
Zahl | Zeit | Zahl | Zeit [Zahl | Zeit | Zahl | Zeit į Zahl | Zeit wi ak Zahl | Zeit | Zahl | Zeit | Zahl | Zeit | Zahl | Zeit I Zahl | Zeit | Zahl | Zeit 
Nr u RE N SE FIT 
JEBEBEZEUEE Su [a'ad 
ERTA AAN. TENSE 
, O SN O SS S S E N E E EEEE 
II. a) 41 1451-51. 2, Lie? /, I.a) ahak A e e hT eo 
b) | b) al ı!/ 1) 8/4 141 Mon. 
a > 1 v2 | c) 
v| dl EUEHEPEU. E JERE ol A 3% 
Veaye ll. 75 4 1 Al 3a | V.a) 112 Tag 112 Tage 
b) 51:9 1, 5114 4l 1 al: 2], b) | 2| 3%/s 214 Monj  2I 1t} 
c) 1 51 5/11 5| 144a} 5| 10 47 Mon c) 1| 2 31 1th 2 17 
Mon.| Mon. 
ZRIBEZEEEREZIEE So a | 
a a ER © mE 
Oea pa | 
SBEREN ERBE o | 
X.a) zT 102 Tae 1l ', | 
b) 
c) | 
TERSANE, o U | 


Zus.: | 13 Männ.; stark 1.J.|55 Männ.; stark 1 J. |28 Männer: 10 Mon. | Zus.: |8 Frauen; 11/s Jahre] 37 Frauen; 11, Jahr] 25 Frauen; stark 1 J. 


N SEE RER 
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b pS é 
l -h 


~ Wie in den Tabellen C, E und S, so überwiegen 
Fauch hier bei der Anstaltsbedürftigkeit bei den 
7 Männern die Erkrankungen der Dementia-praecox- 
F Grippe, bei den Frauen die affektiven Störungen. 
Ẹ D die Krankheitsform IV verhältnismäßig rasch 
Far Besserung oder Heilung und somit zur Ent- 
fasung aus der Anstalt zu führen pflegt, so ist 
f dadurch bei der Neigung zu Rückfällen auch die 
f Möglichkeit gegeben, daß ein affektives Krankes 
f inerhalb eines bestimmten Zeitraumes öfters 
7 krank und gesund wird, während dies bei der meist 


# hngsamer verlaufenden Dementia praecox (V) in 


f sochem Umfange nicht möglich ist. Demgemäß 
F mben wir in Zusammenstellung T 21 einfach und 
Fl mehrfach wieder anstaltsbedürftig werdende 
F fälle von IV, gegenüber 31 und 28 bei V, und wäh- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


rend wir unter unseren Affektiven zwei Patienten 
mit sechsmaliger und drei mit viermaliger Entlas- 
sung haben, befindet sich unter unseren Dementia- 
praecox-Kranken nur ein Mann, der viermal in 


den acht Jahren aus der Anstalt schied. Der Voll- 


ständigkeit wegen wäre noch zu erwähnen, daß 
ein männlicher Xa-Fall und eine weibliche III a- 
Kranke ebenfalls im Zeitraum 1913 bis 1920 je sechs- 
mal zur Entlassung kamen, desgleichen zwei weib- 
liche IIIb-Fälle je viermal. Bei allen anderen 
mehrfach ausgeschiedenen Patienten handelt es 
sich um zwei- oder dreimalige Austritte. Selbst- 
verständlich ist die Art des Austrittes (genesen, 
gebessert oder. ungeheilt) bei ein und demselben 
Kranken oft verschieden. (Schluß folgt.) 


Mitteilungen. 


© — Auf Seite 272 dieser Zeitschrift hatte ich mir er- 
I hubt eine kleine Preisirage zu stellen. 
Auf meine Bitte hat der Verlag der Gesammel- 
‚fen Briefe des betreffenden deutschen Klassikers 
geh in dankenswerter Weise bereit erklärt, als Preis 
gen Stück der bisher erschienenen zwei 
finde (Wert einige hundert Mark) zu stiften. 
E Von diesem Klassiker, dessen Werke eine Zeitlang 
den Hintergrund geraten waren, sagt die Besprechung 
E „Briefe” in einer angesehenen, gut deutschvölki- 
| Shen Tageszeitung, daß er ein geeigneter Helfer zu 
I Deutschlands Erneuerung sei und: viele in ihm-mehr als 
5 2 unseren Weimarer Klassikern den typisch deutschen 
I Eier erkennen wollen, und daß diese Ausgabe wie ein 
Eu: aus den trüben Schlammfluten zeitgenössi- 
f "en Literaturtreibens hervorragt. Bresler. 


A — Presseausschuß des Reichsverbandes. Eine in Leip- 
i s Vorgefallene „widerrechtliche Internierung” scheint die 
E durch die Presse machen zu wollen. Es wird 
| in alle diesbezüglichen psychiaterfeindlichen Zei- 
N a einzusenden an: Priv.-Doz.. Dr. Ritters- 
| Ha amburg-Friedrichsberg. Auch sonst bittet der 
I De um etwas regere Unterstützung. 
E. e die kommende Urlaubszeit erlaube ich mir 
E.. o Kolegen die Erwägungen und Vorschläge 
Fkeitichen. Med.-Rats Dr. Dannemann in seinem 
ice, ; Aufsatz: Irrenärztlicher Erho- 
Ear aub, ein: zeitgemäßer Vor- 
fms > Wochenschrift Nr. 9-10 vom 4. Juni 
f > %, freundlicher Beachtung zu empfehlen. 
Bresler. 
es Innern 
0. Januar 1922, Irrenfürsorge betreiiend, 
An die Bezirksämter! ° 


| Poni Erlaß des Badischen Ministeriums d 


f emac j 2 
ES, in seitens eines Bezirksamts das gemäß 
E o G. und $ 14 der Vollzugsverordnung dazu 


ir haben in einem Einzelfalle die Wahrnehmung 


ya 


ausgestellte ärztliche Zeugnis der Ehefrau eines Kran- 
ken zugänglich gemacht, und daß dasselbe weiterhin 
mit den bezirksamtlichen Akten dem für die Ausstel- 
lung des ortspolizeilichen Zeugnisses zuständigen Bür- 
germeisteramt übersandt wurde. Demgegenüber wei- 
sen wir darauf hin, daß, wenn ein solches Verfahren 
auch mit den Bestimmungen des I. F. G., das hierüber 
keinerlei bestimmte Weisungen enthält, nicht in direk-= 
tem Widerspruch steht, und wenn es sich auch nach 
S 8 der Verfahrensordnung vom 31. August 1884 formell 


rechtfertigen läßt, den Angehörigen eines Kranken Ein- 


sicht in das ärztliche Zeugnis zu gewähren, dies doch 
mit dem Sinne des I, F. G. in Widerspruch steht. Das- 
selbe geht zweifellos — wie übrigens auch aus der Fuß- 
note zu dem Vordrucke des ärztlichen Zeugnisses er- 
hellt — von dem Gedanken aus, daß es nicht erwünscht 
und regelmäßig deshalb zu- unterlassen‘ ist, den An- 
gehörigen eines Kranken den ganzen Inhalt eines sol- 
chen Zeugnisses bekannt zu geben. Dies kann, ganz 


abgesehen von der Frage der Wahrung des Berufsge- 


heimnisses der Ärzte, besonders in solchen, Fällen zu 
einer weitgehenden Störung des Familienfriedens füh- 
ren, in welchen in dem Zeugnis Krankheitsursachen ge- 
nannt sind, die den Kranken im Ansehen seiner Familie 


herabzusetzen geeignet sind. Es empfiehlt sich deshalb, 


daß sich die Bezirksämter bei Ausküniten über eine 


‚Geisteskrankheit weitgehende Zurückhaltung auferlegen 


und in Zweifelsfällen mit dem das Zeugnis ausstellenden 
Arzt ins Benehmen treten. 

Die Bürgermeisterämter benötigen das. ärztliche 
Zeugnis zur Ausstellung des ortpolizeilichen Zeugnisses 
jedenfalls nicht; -es ist daher den bezirksamtlichen Ak- 


ten vor deren Absendung an das Bürgermeisteramt je- 


ae 


weils zu entnehmen. 
 Hiernach ist künftig zu verfahren. 


Der Ministerialdirektor © 
LA: gez. (Unterschmt)J 7 


307. 


Fi 


308 


Buchbesprechungen. 


— Kispert, San.-Rat Dr. Gustav, ehemaliger deut- 
scher Botschaftsrat in Madrid: Das Weltbild, ein Schwin- 
sungserzeugnis der Hirnrinde. Eine naturwissenschajit- 
liche Grundlage der Psychologie. 392 S. München 1920, 
J. Mich. Müller Verlag. 

Dem stattlichen Werke sind folgende Worte voraus- 
geschickt: „Simplex sigillum veri! Allen Jüngern der Philo- 
sophie, der experimentellen Psychologie wie den jungen 
Psychiatern offenen Geistes gewidmet aus der Erfah- 
rung heraus, daß meist alte Gelehrte gewohnte Denk- 
seleise nicht mehr gern verlassen mögen.” 
| Da beurteilt K. doch die alten Psychiater falsch; 

denn sie bewegen sich wohl alle in demselben Denk- 
seleise, wie -es K. so sehr geschickt durch Philosophie, 
Naturkunde, Medizin, Biologie, Psychologie gelegt hat, 
und stimmen der Auffassung voll bei, die im Titel des 
Werkes ausgedrückt ist. Wie diese der Verf. im 
Einzelnen. begründet, möge in dem geistreichen, um- 
fänglichen Werke selbst nachgelesen werden. B. 

— Jones, Ernst, London: Therapie der Neurosen. 
luternationale Psychoanalytische Bibliothek Bd. 11. 175 
Seiten. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Leip- 
zig-Wien-Zürich, 1921. 

-  Abgehandelt werden: Hysterie, Arenio i, Angst- 
= hysterie, Neurasthenie, Zwängsneurose, FHypochondrie 
und Fixationshysterie, traumatische Neurosen einschließ- 
lich der Kriegsneurosen, Prophylaxe der Neurosen, 


psychische Behandlung anderer, den Neurosen nahe- 
stehender- Zustände. 
Für die Ausgangsstellung ist kenen „die 


_ Neurosen entstehen aus dem Konflikt zwischen Indivi- 
duum und Gesellschaft, die übrigen Krankheiten aus 
dem Konflikt zwischen Mensch und Natur” (S. 6). 

-- Die an den Neurosen gewonnenen Aufschlüsse haben 
überraschend viel zur Aufhellung des vorher unver- 
ständlichen Gewirrs der psychischen Vorgänge bei Zu- 
ständen wie der Dementia praecox und dem manisch-de- 
pressiven Irresein beigetragen (S. 6) —, wofür leider 
keine hinreichenden Beweise angeführt werden. 


- Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnu 
Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a.-S. 


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PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


INe. oii 


Das Vorhandensein abergläubischer, mystischrä 
spiritistischer, kurpfuscherischer Bewegungen wird denii 
Mangel psychologischen Verständnisses auf seiten der | 
Ärzte zur Last gelegt (S. 7), — als ob nicht täglich | 
und überall auf Erden die menschlichen Unvollikommen 
heiten neu geboren werden. Danach müßten Erzieher 
Lehrer, Rechtspfleger auch für menschliche, d. h. soziale l 
Gebrechen verantwortlich sein! a 

Das Ganze baut sich auf der F r eud schen Psyc 
analyse auf, deren Hauptvertreter in England Jong 
ist und die er aufs angelegentlichste verteidigt, ol 
neue Verteidigungsmittel beizubringen. B, 


Therapeutisches. 


— Therapeutische Erfahrungen mit der Derd 
Muchschen- Partialantigenen. Von Dr. M. Landoli 
gewes. Direktor der. aarg. Heilstätte für Tuberkulosi 
Barmelweid. Schweiz. med. Wochenschr, 1921 Nr. ME 

Mag das Deycke-Muchsche Prinzip der Id 
berkulosebehandlung auch in einzelnen Beziehungen no \ 
verbesserungsbedürftig sein, so haben diese Forsch | 
und ihre Mitarbeiter doch das große Verdienst, Ib 
einen Weg gezeigt zu haben, der uns zuverlässiger ak | 
die bisherigen unserm Ziel’ entgegenführt: die [mm 
kräfte des Kranken wachzuhalten und zu steigern. 


Personalnachrichten. 


— Baden. Oberarzt Medizinalrat Dr. August tent h 
zweiter Arzt an der Heilanstalt in Wiesloch, wurde il ' 
gleicher Eigenschaft an die Heilanstalt in Emmendingtl I 
versetzt. — Oberarzt Medizinalrat Dr. Walter Fuchs 4i 
der Heilanstalt in Emmendingen wurde als zweiter An A 
an die Heilanstalt in Wiesloch versetzt. i 


Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schr | 
leitung resp. den Verlag über redaktionele| i 
Fragen das Rückporto beizufügen. | : 


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| | Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


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Redigiert von 
Sanitätsrat Dr. Wikel, 
Baina in Beffen, Bez. Cajiel 


Alleinige- Anzeigen: Annahme Bans 
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Wichtige Entscheidung 


auf dem Gebiete der 


Re 
nebst Verfügungen auf dem Gebiet | 


des Irrenwesens und Verwandtes: 
' Sechzehnte Folge. 


Zusammengestellt von 


Sanitätsfat Dr. Joh. Bres 
Kreuzburg O.-S. 


ler | 


Preis M. &— 


Nr. 51/52. 


Bezugspreis: 
M 10,— für das Vierteljahr, die 
Abonnementspreise für das Aus- 
land werden nach der vom Deut- 
schen Buchhandel vorgeschrie- 
benen Verkaufsordnung für das 
|| Ausland berechnet. Zu beziehen 
I durchjed. Buchhandlung, d. Post 
|| u unmittelbar vom Verlage. Er- 
scheint bis- auf weiteres vier- 
zehntägig in Doppelnummern. 


N O Schussenried. Schluß. 


E 


Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer., 
(Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil ‘Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Nr. 


Mauer-Öhling (N. vr): „Ob, -Med.-Rat Dir. 
. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 


Postscheck: Leipzig 32070. Wilhelmstraße 28. = 


i Inhalt: Georg Ilberg: (S. 309.) — Zur Frage der Frühentlassung Geisteskranker. Von Dr. med. Gerhard Lang, 
(S. 310.) — Zur Pathologie und Therapie der Geisteskrankheiten. Von Dir. 
Dr. Oetter, Kutzenberg. (S. 316.) 


GEORG ILBERG. 


pe langjährige Mitarbeiter dieser Zeitschrift, 


|| Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med,- 
Littenweiler b. KEENE A Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 


Schriftleiter: 


Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler., Kreuzburg (Oberschlesien). 


25: März 


Verlag und Ausgabe: 


Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


San.-Rat Dir. 


W. Weygandt, Hamburg. 


Marhold Verlag Hallesaale 


1 


A. Pilez, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 


Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


1921/22. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin SW. 48 


fürsorge übernahm, bot sich Geheimrat Ilberg 


| Herr Geheimer Medizinalrat Dr. Georg Gelegenheit, auf der Männer- und aut der Frauen- 


berg in Sonnenstein, begeht 
an 7, April ds. Jahres seinen 
| ai Geburtstag. Geboren in 
f "imar widmete er sich nach 
I bgeschlossener Gymnasialbil- 
dung in Tübingen und Leip- 
f !ig dem Studium der Medizin 
| ind war nach erfolgter Appro- 
tation Zwei Jahre Assistent bei 
“anser in Dresden und vier 


Eii bei Kraep elin in Hei- 
7 Elberg, 


Aa iS CoE LAST kT VSA 


En Jahre. 1893 trat er in 


i l. Sächsischen Anstaltsdienst 
3 in Sonnenstein unter Ge- 
mat Weber. In den Jahren 


Stei 


Jâhri 


E20 war er I- Oberarzt | 
tz ellvertretender Direktor in Großschweid- 
2, um dann Webers Nachfolger in Sonnen- 
i iis werden, der ältesten Heilanstalt Deutsch- 
iges r bald nach seiner Übernahme ihr 100- 
estehen' feiern konnte (1911). 
Sder sächsische Staat 1912 die gesamte Irren- 


Mit der 


seite mehrere Häuser für ruhige 
und unruhige Wachbedürftige 
in modernster Weise zu bauen, 
desgleichen offene Häuser, ein 
Ärztehaus und ein Heim für die 
Schwestern. 


Im Frühjahr 1914 entstand 
auf seine Anregung das Maria- 
Anna-Heim, eine der Irren- 
anstalt angereihte Nervenheil- 
anstalt für Minderbemit- 
telte, die sich sehr güten Zu- 


-spruchs erfreut und die den 


Ärzten willkommene Abwechs- 
lung durch die Beschäftigung 
mit der Neurologie neben der 
Psychiatrie bietet. 


Den Weltkrieg machte Geheimrat Ilberg als 
Oberstabsarzt teils im Felde, teils inder Klinik mit. 
Übernahme der Direktorstelle im 
Sonnenstein war auch die Mitgliedschaft in 
Sachsens höchster Medizinalbehörde, dem Lan- 
desgesundheits amt in Dieste n, ver- 


310 


bünden, für das er eine große Anzahl psychiatri- 
scher Obergutachten zu erstatten hatte. 

Unter seiner tätigen Mitarbeit erstand 1894 die 
Forensrisch-psychiatrische Vereini- 
gung zu Dresden, deren 1. Vorsitzender er 
zurzeit ist. 

Lebhafte Anteilnahme zeigte er stets tur- die 
Histopathologie des Gehirns und er 
fand zu wiederholten Malen in gemeinsamer Ar- 
beit mit Nißl und Alzheimer vielfach Ge- 


legenheit, auf diesem Gebiet zu forschen und sich 


selbständig zu betätigen. 

Sein reiches wissenschaftliches ak legte 
er ferner in einer Reihe von Veröffentlichun- 
gen nieder, von denen hier die TOR enuen genannt 
sejen: 

Über Kochsalzinfusionen bei kollabierten nah- 
rungverweigernden Geisteskranken. Zeitschrift 

= für Psychiatrie Bd. 48. 

Ein Gumma in der Vierhügelgegend. Archiv für 
Psychiatrie Bd. 26. 

Die Geisteskrankheiten im Heere. 
1895. | | 
Die Dementia paralytica. Volkmanns klinische Vor- 
träge. 

Die Bedeutung der Katatonie. 
chiatrie Bd. 55. 

Über verminderte Zurechhungsiählgkeigs 
boten’ 1898. 

Das Jugendirresein. Volkmanns klin. Vorträge. 

Der akute halluzinatorische Alkoholwahnsinn. 
Festschrift zum 50 jährigen Bestehen des Stadt- 
krankenhauses zu Dresden. Er 

Über geisteskranke Brandstiftung. . Mitteilungen 
für die öffentlichen Feuwerversicherungsanstalten. 

Zentralnervensystem eines sechstägigen syphiliti- 
schen Kindes usw. Archiv f. Psychiatrie Bd. 34. 

Das Zentralnervensystem eines anderthalb Tage 
alten Hemizephalus mit Aplasie der Nebennieren. 

Archiv für Psychiatrie Bd. 30. 

Die strafrechtliche Bedeutung der Epilepsie. Zeit- 
schrift f. d. ges. Strafrechtswissenschaft Bd. 21. 

Die Prognose der Geisteskrankheiten. Halle, Carl 
Marhold Verlagsbuchhandlung. 

Statistische Untersuchungen über die durch Alko- 


„Grenzboten” 


Zeitschrift für Psy- 


„Grenz- 


Zur Frage der Frühentlassung Geisteskranker. 
Von Dr. med. Gerhard Lang, Anstaltsarzt an der württ. Heilanstalt Schussenried. 
(Schluß.) 


Ich hae in der ganzen Arbeit nach Möglichkeit 
resp. Zweckmäßigkeit neben den tatsächlichen 
Zahlen auch die Prozentzahlen errechnet und an- 
gegeben, da letztere nach meiner Meinung beson- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[Nr 51/5 f 


holkrankheit veranlaßten Aufnahmen ins State $ 
irrenhaus zu Dresden usw. Zeitschrift für Psy- I 
chiatrie Bd. 59. | 
Subkutane Ölinfusionen. 
trie Bd. 60. | 
Das Gewicht des Gehirns und seiner Teile von im 
an Dementia paralytica verstorbenen Sachsen | 
Zeitschrift für Psychiatrie Bd. 60. 
Über Geistesstörungen in der Armee zur Friedens $ 
zeit. Halle, Carl Marhold Verlagsbuchhandung $ 
Der Lustmord und Lustmörder. Monatschrift für P 


Zeitschrift für Psychia ' | | 


Kriminalpsychologie von Aschaffenburg Jahrg $ 


Die ersten 100 Sitzungen der forensisch-psychia f 
trischen Vereinigung Dresden. Juristisch-psy- $ 
chiatrische Grenzfragen von Finger, Hoche usw. f 

Geisteskrankheiten. 
151. Bändchen. 1. Aufl. 1907, 2. Aufl. 1918. $ 

Soziale Psychiatrie. Monatsschrift für soziale Me- f 
dizin 1903-04 Jahrg. 1. I 

Krankheit oder Sünde. Berlin, Verlag v. Darts P 

Irrenärztliche Wünsche zur neuen -Strafprozeßord a 
nung. „Grenzboten” 1909. F 

Irrenanstalten, Idioten- und Epileptikeranstalte I 
Jena, Verlag von Fischer. { 

Morphinismus und Urkundenfälschung. -Monats E 
schrift für Kriminalpsychologie Jahrg. 4. E 

Psychose bei Endarteritis luetica cerebri. Ze 


schrift t:di.ges. Neurologie u. Psychiatrie Ba 4 f 


Die forensische Bedeutung der Dementia patap 
lytica. _Groß’ Archiv 1912. E 
Ein patholoeischer Lügner und Schwindler. Zeit 5 
schr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 1913 Bd. b I: 
Die der Irrenanstalt angereihte Nervenheilanstall 4 
Zeitschrift für Psychiatrie Bd. 77. e 
Ernst Pienitz. „Deutsche Irrenärzte” 1921 Bd. 1. f 
Friedrich Hermann Lessing. „Deutsche Irrenärzte 
1921 Bd. 1. E 
Brandstiftung einer Heimwehkranken. 
burgs Zeitschrift 1922. e o 
Die besten Wünsche begleitet 
Herrn Geheimrat Ilberg beim DE 
tritt in das siebente Dezenniutip 
möchten ihm geistige und körpe 
liche Frische noch recht lange M i 
Ye em Maß erhalten bleibet 


Aschaflel- Ẹ 


ders geeignet sind, die bestehenden Verhäli I 
und Beziehungen untereinander klar vot Auge! a i 
führen. So möchte ich denn nun dies noc 2 
das, was die Zusammenstellungen R, S m 


„Aus Natur und Geisteswel F 


| 1922) 


F handeln, in einer Tabelle vereinigt nachholen; nur 
F de Männer und Frauen muß ich, dem Umfang der 
f Tabelle wegen, wie in der letzten Zusammenstel- 
Jung, trennen. 
N früher „genesen”, mit „b” 
F ‚ungeheilt”. 


Mit „a” bezeichne ich, wie schon 
„gebessert”, mit ,„c” 


Wir sahen oben, daß es sich bei un- 


J seren 366 männlichen Entlassenen um 271 Einzel- 
f personen handelte, bei den 263 weiblichen Entlas- 


f senen um 209, 
$ Grunde. 


Diese Zahlen lege ich also zu 


Sehen wir uns die hohen Prozentsätze der 


f aliektiven und Dementia-praecox-Fälle, welche 


Ẹ sich draußen halten konnten, an (besonders auffäl- 
Fig sind diejenigen der 


ungeheilten affektiven 


f Frauen gegenüber den genesenen und gebesser- 
F ten!) und vergleichen sie mit den wieder anstalts- 
$ bedürftig : Gewordenen, so bekommt man erneut 
den Eindruck, daß diese beiden für die Frühent- 
f assung vor allem in Betracht kommenden Krank- 


Fi heitsformen hierfür keine ungünstig zu nennen- 
f &n Aussichten bieten. 


Nur so. viel möchte ich 


f von der Zusammenstellung U hervorheben, im 


übrigen ist ja das Wichtigste schon bei der Be- 
# prechung der Tabellen R bis T erwähnt worden. 


f Bezüglich der auf natürliche Weise Ge- 
Storbenen kann ich keine näheren Angaben 
Ei Machen, da sich die Fragebogen bezüglich der To- 


7 &esursache oft nur ganz allgemein äußerten. Die 


f Sanze Frage ist ja für unsere Zwecke auch ziem- 


f ich belanglos. Zwei Genesene (Va und VII) und 


1 ‚wei Gebesserte (IIIa und X b) fielen im Feld. 


Ich habe nun das ganze Material bearbeitet, 


I (as mir meine Fragebogen zur Beurteilung des 
| Sthicksals unserer sämtlichen in den Jahren 1913 


is 1920 ausgeschiedenen männlichen und weib- 


I ichen Anstaltsinsassen bieten, und wenn 'ich im 


inblick auf das Thema meinen Standpunkt 


I kurz präzisieren soll und darf, so möchte ich sagen, 
I Cab man im allgemeinen in der Frage der 


iv RR 
$ "Oistehenden zu zeigen versuchte, daß die von 


Tühentlassung wohl noch etwas zu ängst- 
Unsere Erfahrungen lehren, wie ich im 


f manchen Autoren ausgesprochenen Befürchtungen 
f “neswegs in solchem Umfange einzutreten brau- 


Id 


Mlassung berechtigen würden. Durch die Wahl 


ee VRR EEE TEE 


en, daß sie zur prinzipiellen Ablehnung der Früh- 


dieser meiner Worte deute ich bereits einen Punkt 


| „> auf den ich im Verlauf der Arbeit verschiedent- 


7 ich hin . RER 7 
f. hingewiesen habe: Das Wesen. der Geistes- 


gm Bm me anne 


ana 


7 Sankhe; X Ä ae, 

= nkheiten ist uns zum Teil noch nicht so völlig 
F ‘ar, daß | 
f “len vermögen! 
| 2 »Üenesenen” 
F vie] ie Potak a 

f e der „Ungeheilten” oder „Gebesserten” zeig- 


wir eine absolut sichere Prognose zu 
Auch wir erlebten bei unseren 
teilweise Überraschungen, und wie- 


A ten si | 
g "sich außerhalb der Anstalten doch ganz anders 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Sinne besprochen ist. 


311 


als wir dachten! Diese wohl nicht abstreitbare 
Unsicherheit in der Beurteilung des Verlaufes der 
Psychosen könnte einerseits ja dazu veranlassen, 
daß man, um Fehlgriffe zu vermeiden, nur solche 
Patienten entläßt, welche sichere Gewähr dafür 
bieten, daß sie sich draußen einwandfrei halten. 
Die allgemeinen und durch unsere eigenen bestä- 
tigten Erfahrungen zeigen aber andererseits, dab 
man auch bei den „Genesenen” nicht absolut sicher 
ist vor unangenehmen Überraschungen, wie auch 
bei den „Ungeheilten” vor angenehmen! Und wenn 
man dies alles gegeneinander abwägt, und die ein- 
gangs erwähnten Punkte mit in Betracht zieht, so 
ergibt sich als Ceterum censeo: Wir dürfen ja sol- 
len die Frühentlassung häufiger anwenden, wir 
brauchen bei der Entlassungsirage besonders schi- 
zophrener Fälle nicht mehr so ängstlich zu sein. Ich 


stimme hierin mit vielen Autoren überein, und ich 


möchte noch besonders auf die trefflichen Ausfüh- 
rungen Roemers (Psychiatrisch-Neurologische 
Wochenschr. 1920-21 Nr. 45-46) hinweisen, in wel- 
chen die Frage der Frühentlassung ganz in meinem 
Mit Roemer stehe auch 
ich auf dem Standpunkt, daß gleichzeitig mit dem 
weiteren Ausbau .der Frühentlassung auch derje- 
nige der Fürsorge und der unauffälligen. Beauf- 


sichtigung der Entlassenen in irgendwelcher Form ~" ~ 


Hand in Hand gehen sollte. Des Näheren hierauf 
einzugehen, würde viel zu weit führen; ich möchte 
nur in Kürze hier noch andeuten, daß ich es trotz 
einiger nicht zu leugnender Mängel für sehr zweck- 


mäßig halten würde, wenn man der Entlassung eine 


Beobachtungs- und Bewährungsirist in der der 
Anstalt angegliederten Kolonie oder Familienpilege 
vorausgehen ließe. Beides hat sich hier in Schus- 
senried recht gut bewährt, und namentlich die letz- 
tere Einrichtung sollte, besonders in Gegenden mit 
viel Landwirtschaft, weiter ausgebaut werden, wo- 
durch auch einer etwa drohenden Überfüllung der 
Anstalt wirksam und zweckmäßig entgegenge- 
arbeitet würde. Weiter möchte ich vorschlagen, 
daß das Ausscheiden aus der Anstalt nicht gleich 
in der Form der alle Beziehungen lösenden „Ent- 


- Jassung” erfolgt, sondern daß vielmehr nur eine 


„Beurlaubung” stattfindet, welche die jederzeitige 
formalitätenfreie Rückkehr in die Anstalt gestattet. 
So hielt und hält man es in hiesiger Anstalt, wenig- 


stens bei den genesen oder gebessert Austretenden, 


und diese Gepfilogenheit bewährt sich recht gut. 
Endlich will ich noch auf einen Punkt etwas 


‚ausführlicher zu sprechen kommen, über welchen 
‘ich in. der Literatur kaum etwas finden konnte } 
und der doch meines Erachtens von ziemlicher 
ich meine. die Haftpflicht 

der Anstaltsleitung für irgendwelchen 


Bedeutung ist: 


~ ar Fun are | - 
-rasai nr ee Sr po rea 


'olfe,] Juesassuj 


ang [> ale ea 
a AIX | IHX FIX į IX | X x | x I XI JHAJ TA JS TAT A TA A u I IT. rl WIOISNOUNUEIY 


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314 


Schaden, den ein aus der Anstalt Entlassenes sich 
oder anderen zufügt. 
zu infolge Verlangens der Angehörigen oder aus 
anderen Gründen Kranke zur Entlassung, bei wel- 
chen die Anstaltsleitunge hinsichtlich Kriminalität 
oder Suizidgefahr ernstliche Bedenken hatte; und 
jetzt, wo die finanzielle Lage mehr wie früher 
solche verfrühte und unzweckmäßige Heimholun- 
gen veranlaßt, wird die Frage der Haftpflicht wohl 
häufiger und dringlicher laut als bisher. Da wir ja 
keine Straf- sondern eine Neilanstalt sind, so kön- 
nen wir nur in seltenen Fällen die Herausgabe 
des Kranken verweigern, und 
Entscheidung der zuständigen Behörde (in Würt- 
temberg der Kreisregierung) abhängig machen, näm- 
lich nur dann, wenn von dieser seinerzeit die Ein- 
 weisung verfügt worden war, oder wir sichere An- 
haltspunkte dafür haben, daß der Kranke für sich 
oder andere gefährlich oder für die öffentliche Sitt- 
lichkeit anstößig ist, oder endlich: wenn Pilegebe- 
dürfitiskeit bzw. die Gefahr der Verwahrlosung 
oder Gefährdung vorliegt. 

Bei allen den gegen den ärztlichen Rat erfol- 
genden Entlassungen ist die Ausstellung eines Re- 
verses üblich geworden, in welchem besonders be- 
stätiet wird, daß die verlangte Zurücknahme des 
Kranken „im ausdrücklichen Widerspruch mit der 
- Ansicht des Anstaltsarztes und lediglich auf eigene 

Verantwortung geschieht”. Die auch von mir auf 
Grund meiner Erhebungen empfohlene Frühentlas- 
sung wäre aber keine solche Entlassung, wie sie 
im Revers näher charakterisiert ist! Und wenn ich 
auch an Hand der Literatur und unseres hiesigen 
Materials nachzuweisen versuchte, daß die Gefah- 
ren bei Frühentlassungen auch keine größeren sein 
werden, so glaube ich doch, daß mancher Anstalts- 
leiter sich infolge Bedenkens hinsichtlich seiner 
Verantwortlichkeit und Haftbarkeit den Frühent- 
lassungen gegenüber ablehnend oder wenigstens 
abwartend verhält und sorgt, ob ihm nicht eben 
doch größere Unannehmlichkeiten entstehen wer- 
den, wenn er ungezwungenerweise Ungeheilte oder 
Gebesserte aus der Anstalt entläßt, und diese dann 
draußen irgend etwas anstellen. Und so möchte 
ich denn auf diesen Punkt noch näher eingehen; 
ich kann natürlich nur meine rein persönliche An- 
schauung wiedergeben und würde es warm be- 
grüßen, wenn einmal von berufener juristischer 
Seite die für uns Psychiater so wichtige Frage auf- 
gegriffen und klargestellt würde. 

Daß $ 832 BGB. den zur Aufsicht Verpflichteten 
schadenersatzpflichtig macht, ist ja bekannt; aber 
ebenso auch, daß auch bei aller Vorsicht ein Un- 
fall nicht absolut vermieden werden kann, vollends 
nicht bei der heutzutage als zweckmäßigste und 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Schon immer kamen ab und 


sie von der 


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[Nr. 518 | 


förderlichste Methode angesehenen freien Behand F 
lung! Daß aber die Grundsätze moderner ärzt F 
licher Behandlung mit ihren sonstigen großen Er f 
folgen umgestoßen werden und jeder Kranke hin- $ 
ter Schloß und Riegel gebracht wird wie ein Ver F 
brecher, kann wohl niemand verlangen oder er f 
warten! Aber nur so könnte man Gewalthandlin- 
gen oder Entweichungen einigermaßen unmöglich P 
machen! Der erwähnte $ 832 BGB. steht auf dem $ 
Standpunkt des Verschuldungsprinzips, welche $ 
Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Haftenden fordert, $ 
und dieser Nachweis muß in allen Fällen gelingen $ 
in denen eine Verurteilung ausgesprochen werde $ 
soll. Diesen Nachweis kann aber der Richter nicht 
selbst führen, sondern er bedarf hierzu der Hile f 
Sachverständiger, die unter ähnlichen oder glei- f 
chen Verhältnissen gearbeitet. haben oder arbeite f 
wie der Angeklagte. E 

Entsprechend diesen allgemeinen Bemerkungen 
denke ich mir die Sache folgendermaßen: Wenn eit 
Krankes in die Anstalt eingeliefert wird, so wid 
dabei gewissermaßen ein Vertrag zwischen def 
Angehörigen und der Anstaltsleitung abgeschlossa f 
wonach erstere sich zur Bezahlung verpilichteif 
und letztere die Verpflegung und Behandlung Sf 
Kranken sowie dessen Sicherung vor fremden Ap 
eriffen, eigenen Beschädigungen und Gesetzeskoi 
flikten übernimmt. Kommen nun die Angehöriga f 
eines schönen Tages und holen das Kranke heil; 
so treten sie von dem Vertrag zurück und entbi f 
den damit auch den Anstaltsleiter von seinen el 
stens übernommenen Verpflichtungen. Stellt da f 
Kranke nun draußen etwas an, so kann die Anstalt f 
hierfür nicht mehr verantwortlich gemacht werden d 
denn sie wurde ja anläßlich der Abholung seme p 
zeit von dem Vertrag entbunden! Es ist aber wol 
denkbar, daß gegebenenfalls die Angehörigen trot 
dem mit Vorwürfen und Ansprüchen an die g 
staltsleitung herantreten und vielleicht sogal a i 
richtlich gegen dieselbe vorgehen! Es kann dapi 
aber wohl nur die Klage auf Fahrlässigkeit "E 
hoben werden, ob nämlich nicht der Direktor di I 
durch sich einer Fahrlässigkeit schuldig machte | 
daß er seinerzeit in die Abholung des Kranke! | 
einwilligte und nicht von seinem Recht der Zi i 
rückhaltung desselben und, Anrufung der m 
scheidung der vorgesetzten Behörde Gebrait I 
machte! Diese Fahrlässigkeit dürfte aber | 
kaum einmal nachgewiesen werden können, el 2 


; i à ; sita sotia eiea 
die prognostische Beurteilung der Fälle ist r no 
recht unsichere, einen klaren Fall wird : ni | 

S iR 


wissenhafter Direktor aber kaum nach Hause” f 
sen! Wenn die Klage so auch ziemlich siche! m 
gewiesen wird, so dürfte es doch, um sich e | | 
solche Unannehmlichkeiten und Aufregung®! 4 


f a 


f vornherein zu decken, empfehlenswert sein, wenn 
f de Anstaltsleitung sich in allen den-Fällen den be- 


f kannten Revers ausstellen läßt, 


in welchen die 


f Möglichkeit solcher Schwierigkeiten besteht; durch 
Ẹ de Unterschrift bezeugen die Abholenden, daß der 
f Anstaltsarzt sie warnte, dadurch auf die Gefahren 
f aimerksam machte und die Verantwortung ab- 


EE NIEA 2 m 


« 


kint. Dadurch wird die Möglichkeit zu einem ge- 
fichtlichen Vorgehen, zur Klage auf Fahrlässigkeit 
$ genommen. | 


Wie steht es nun aber bei einer Frühentlas- 


f sung?! Da gibt es zwei Möglichkeiten: die eine, 


f wohl hauptsächlich in Betracht kommende, wäre 


f ogende: Die Anstaltsleitung hat den Eindruck, 


fab man es mit dem Kranken .wohl wieder zu 


f Hause versuchen könnte, und sie schreibt daher in 


f desem Sinne an die Angehörigen. 


Obwohl hier 


f aso im Gegensatz zur vorhin besprochenen Ent- 


f asung die Anstalt selbst den Anstoß zur Heim- 
lung gegeben hat, so könnte ihr eintretenden. 
dills nach meiner Meinung auch nichts weiter ges 
schehen als die Klage auf Fahrlässigkeit; denn da- 
f mit, daß die Angehörigen seinerzeit auf die Auf- 
f Orderung der Anstalt hin kamen und freudig das 
f fanke holten, haben sie sich mit der von der An- 
f Salt vorgeschlagenen Vertragslösung einverstan- 
f &n erklärt, wonach dann beide Teile von ihren 
I Verpflichtungen befreit sind! 
[ Machweis hätte die gleichen Schwierigkeiten wie 
S wen auseinandergesetzt; man darf wohl anneh- 
į men, daß ein Psychiater nur in- bester Absicht und 
f Mur bei unverdächtig erscheinenden Fällen von sich 
į s den Rat zur Abholung erteilt! 


Der Fahrlässigkeits- 


Wesentlich anders aber und schwieriger liegt 


(er Fall bei der zweiten Möglichkeit der Frühent- 
I assung, die dann gegeben wäre, wenn die Ange- 
f hörigen der Aufforderung der Anstalt auf Abholung 
I des Kranken nicht nachkommen wollen, hierzu 


f = dann doch noch veranlaßt, gezwungen wer- 
f en 


Diese Abholung wäre dann also keine frei- 


f Vise, die Angehöriger fügen sich nur dem auf sie 
4 PR eibten Druck und sind also mit der Lösung 
] a Vertrages nicht einverstanden! | 
| 8 vorkommt, werden sie die Anstaltsleitung 


Sobald nun 


{$ für verantwortlich machen, und da die bei der 


u 


he nahme einstens von derselben übernommenen 
"Dllichtungen vom Kläger noch als bestehend 


u. eichnet werden, so dürften daraus dem Direktor 


hebliche Schwierigkeiten entstehen. 


I e kann mir aber kaum denken, daß es einmal 


aktisch vorkommt, daß eine Anstaltsleitung 


ji sen die ausdrückliche Weigerung der Angehöri- 


f sendi Pi N 
u. Entlassung eines Kranken durchführt, da- 


M; 
g al b 
1 


kann es wohl einmal sein, daß später ein- 
Sn Eintreten eines Unglücks auch solche 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


solche Überraschungen und Schwierigkeiten 


315 


Angehörige, welche einst freudig der Aufforderung 
zur Heimholung Folge leisteten, nun doch plötzlich 
erklären, daß sie eben damals veranlaßt, gezwun- 
gen worden seien, das Kranke abzuholen, daß sie 
nichts dagegen eingewandt hätten, weil sie ge- 
glaubt hätten, daß der Direktor doch wohl den Rat 
nur gegeben habe, weil er garantieren konnte, daß 
nichts passieren und der Kranke vollends gesund 
werde usw., und daß sie also der Meinung seien, 
daß die Anstalt verantwortlich ist. Um sich gegen 
zu 
decken, möchte ich vorschlagen, daß man bei teder 
Frühentlassung einen Revers unterschreiben läßt 
des Inhalts, daß die Abholung zwar von der An- 
staltsleitung vorgeschlagen wurde, daß dieselbe aber 
keine Garantie übernehmen könne, ob die ange- 
strebte erhoffte Besserung auch tatsächlich ein- 
tritt und von Bestand ist, daß weiter die Angehöri- 
sen sich ausdrücklich mit der Meimholung einver- 
standen erklären und eintretendenfalls keine An- 
sprüche an die Anstaltsleitung erheben. Trotz 
alledem halte ich den Beitritt zu einer Naftflicht- 
versicherung für empfehlenswert. 

Ich bin am Ende. Ich hoffe, haben zeigen zu 
können, daß man — wenigstens nach unseren Er- 
fahrungen bei Gebesserten und Ungeheilten 


— 


durch den Austritt. aus.der Anstalt gar oft eine teil- 


weise erhebliche Anderung des Zustandsbildes im 
Sinne einer Besserung wahrnehmen darf, daß also 
ein großer Teil der früh Entlassenen keineswegs 
zu früh aus der Anstalt ausschied, und daß kein 
Schaden, sondern ein Nutzen dadurch geschaffen 
wurde. Besonders gilt dies für die Erkrankungen 
der Dementia-praecox-Gruppe Wir sehen aus 
dem großen der Arbeit zugrunde gelegten Material, 
daß -die Kriminalität- und Selbstmordstatistiken 
keine nennenswerte Steigerung in quantitativem 


'und qualitativem Sinne zu erfahren scheinen, dab 


andererseits die gebessert und ungeheilt Entlasse- 
nen großenteils recht wertvolle und für die Allge- 
meinheit wichtige Arbeit zu leisten vermögen, SO 
daß die entsprechenden Befürchtungen Fried- 
länders . durch unsere Erhebungen keine Be- 
stätigung finden. Und wenn Friedländer | 
in diesem Zusammenhang noch sagt, daß durch die 
Bewachung Frühentlassener zahlreiche Personen 
von nutzbringender Arbeit abgehalten werden 
würden, so erscheint mir dieses Moment durch die 
Arbeitsfähigkeit so vieler anderer Frühentlassener 
zum mindesten ausgeglichen. | 
Alles in allem genommen denke ich, unter Hin- 
weis auf die.auch sonst vielfach erzielten therapeu- 
tischen Erfolge der Frühentlassungen und im Hin- 
blick auf die heutige finanzielle Lage, welche uns 
eine möglichste Abkürzung des Anstaltsaufenthal- 


316 


tes zur Pflicht macht, dem von vielen Seiten so 
warm empfohlenen, von manchen aber auch ange- 
fochtenen Entlassungsmodus neue Freunde zu er- 
werben. 

Zum Schluß ist es mir noch ein Bedürfnis, mei- 
nem verehrten Chef, Herrn Obermedizinalrat Dr. 
Groß, für die Anregung zu dieser Arbeit und 


Zur Pathologie und Therapie der Geisteskrankheiten. 


Vorläufige Mitteilung. 


p bisherigen Versuche, dem Wesen und be- 
sonders der Therapie der Geisteskrankheit 
durch pathologisch-anatomische Untersuchungen 
des Zentralnervensystems, d. i. der Substanz des 
Gehirns und Rückenmarks, näher zu kommen, 
brachten hierüber nicht den gewünschten Auf- 
schluß und ist die Forschung gewissermaßen auf 
einem toten Punkt angekommen. Schweren psy- 
chisehen Erkrankungen steht ein auffallend ge- 
ringer oder gar kein histologischer Befund gegen- 
über, weshalb man schon längere Zeit auf den Ge- 
danken kam, daß es sich um schwere Stoffwech- 
selstörungen handeln müsse. Von den vielen ein- 
schlägigen Untersuchungen interessieren hier wohl 
am meisten die Alzheimerschen Befunde über 
die lipoiden Abbauprodukte in den Hirnzellen, be- 
sonders der Glia, bei Geisteskrankheiten. 

Es erhebt sich nun die Frage, ob bei Geistes- 
kranken nicht sonstige regelmäßig wiederkehrende 
krankhafte Organveränderungen zu finden sind und 
in welchem Zusammenhange diese mit der Gei- 
=- steskrankheit stehen. 

- Beobachtet man strenge den Grundsatz, daß 
bei der Obduktion von Geisteskranken die Kopf- 
höhle in jedem Falle zuerst zu eröffnen sei und 
die übrigen Körperhöhlen geschlossen ‚bleiben, so 
werden wir ein ganz anderes Bild über den Grad 
der Blutfüllung der Gefäße, über Ödeme der wei- 
chen Häute, über hydrozephalische Erscheinungen 
u. dgl. erhalten, als bei den allgemein üblichen Me- 
thoden. Wird nämlich durch Herausnahme des 
Herzens das Gefäßsystems eröffnet, so fließt aus 
dem Schädel der größte Teil der Flüssigkeit in 
wenigen Minuten ab, wie sich jeder bei Sektionen 
überzeugen kann. 

Bei frisch Erkrankten beobachten wir fast 
durchweg eine ausgesprochene Hirnhyperämie, 
- die sich äußerlich dadurch kundgibt, daß auf den 
Hirnwindungen die Endarterien fadenförmig sicht- 
bar sind und auf dem Durchschnitt zahlreiche Blut- 
punkte im Gehirne zutage treten. Des weiteren 
finden wir starke Füllung der Venen, manchmal 
bis zu Bleistiftstärke, und offenbar von den Venen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Von Direktor Dr. Oetter, Kutzenberg. 


‚gedickt. 


waren die Venen nicht erweitert und wenigef ge 
füllt. 


[Nr. su | 1 
$ 
die wertvollen Winke zu ihrer Abfassung meine f 
gehorsamsten Dank auch an dieser Stelle ausm 
sprechen. Zugleich danke ich auch herzlich al 
den Kollegen, Ortsvorstehern und Privater i 
welche mir ihren Rat und ihre Unterstützung u y 
Teil werden ließen. 


; 
3 
‘| 


ausgehend ödematöse Ausschwitzungen in de F 
weichen Häute, die Meningitis serosa. Bei älteren P 
Fällen kommt es dann zu Verdickungen der wei F 
chen Häute (Leptomeningitis) und der harten Him $ 
haut (Pachymeningitis chronica diffusa). Rege- $ 
mäßig finden sich außerdem bei ausgesprochen $f 
Geistesgestörten Veränderungen der Leber ui p. 
der Nieren. Bei der Leber können Veränderungei® ; 
festgestellt werden, welche die Stufenleiter von @ ff 
Stauungsleber bis zu den zirrhotischen Erkra $ 
kungen durchlaufen, ebenso finden sich Nieret- 
veränderungen, beginnend mit der Stauungsniere, | 
bis zu den verschiedenen chronischen N 
In sehr vielen Fällen ist die Galle teerarug eit, 


Zwei interessante Beobachtungen führten mi $ 
zu der Annahme, daß das Blut und das Gefáb- f 
system hauptsächlich bei der Auslösung der Krank | 
heitserscheinungen mitbeteiligt sein müssen. Dies $ I 
waren folgende: i 


Patientin H., welche wegen maniakalischer $ 
Erregungszustände wiederholt in Anstaltsbehatd F 
lung kam, klagte immer über heftige linksseitigt $ 
Kopfschmerzen, die schon vor Beginn der Er 
krankung auftraten und während des Paroxysm $ 
mehr oder weniger anhielten. Bei der Sektion $ | 
fanden sich über’ der linken Hirnhemisphäte die | | 
verdickten weichen Hirnhäute in Fingerstärke $ 
ödematös durchtränkt und die Venen Si 
stark erweitert und gefüllt. Auf der rechte | 
Hemisphäre dagegen lagen die weichen Häute den f 
Hirnwindungen an, waren nicht ödematös, atle 


Da in diesem wie im folgenden Falle | 
Leichen auf dem Rücken lagen, konnten die Be 
funde nicht durch einseitige Lagerung “ a 
werden. Be 


Bei einer anderen Kranken, die in einem | 
kalischen Erregungs- und Verwirrtheitszustall® 
aufgenommen war, trat nach einigen Wochen | 
tus letalis ein. Einige Stunden vor dem Tode St 


ten sich bei derselben heftige, enileptlont 


22 
Ad Fr 


u. S; ? 
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u. 

“2 

{| 

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WARO ý 


F Kämpfe ein, die sich hauptsächlich auf die linke 
F Körperhälfte beschränkten. Bei der Sektion fand 
F sich nun die über die Zentralwindungen der rech- 
Fin Hemisphäre laufende Vene bis zu Bleistift- 
Ẹ ürke erweitert und stark gefüllt, während die 
ihrigen Venen keine auffallenden Veränderungen 
igten. Links und rechts der prall gefüllten Vene 
varen nun die weichen Häute ödematös, besonders 
Fiber den Zentralwindungen, von da ab verlor sich 
is Ödem. Es unterliegt deshalb keinem Zweifel, 
Faes sich um eine eben beginnende ödematöse 
Fäisschwitzung aus der Vene in die weichen Häute 
handelte, Damals drängte sich mir der Gedanke 
Fa, daß Blutveränderungen hierbei eine Rolle spie- 
f kn müßten, welche die Durchlässigkeit der Venen- 
Fvandungen bedingen. 
I Die Tatsache, daß nach dem Genusse von Toll- 
f schen öfters geistige Störungen auftreten, eben- 
fV bei Menschen, die von einem tollwutkranken 
Ẹ Tiere gebissen werden, muß zu dem Schlusse füh- 
fen, daß auf dem Wege der Blut- und Lymphbahn 
f as Gift zu den Nerven gelangt. Von diesen Er- 
f Wägungen ausgehend, befaßte ich mich von 1904 
7 O mit Blutserumuntersuchungen, und da die Leber 
f alen Sezierten Veränderungen aufwies, wurde 
FM Blutserum auch nach Gallensäuren gefahndet. 
l Bekanntlich lehrt uns die Physiologie, daß - nor- 
Ẹ nalerweise Gallensäuren im Blute nicht vorkom- 
[ia sollen. Das Resultat der bisherigen Unter- 
f Sichungen ist nun dies, daß bei allen Formen von 
4 Chronischen Geisteskrankheiten Gallensäuren im 
I Blut nachgewiesen werden können. Gallensäuren 
f "i bekanntlich für den Organismus ein Gift, weil 
Se blutlösend wirken, sobald sie in stärkerer Kon- 
| “tration-in den Körpersäften auftreten. 
i Der Nachweis derselben erfolgt vermittels der 
į “ttenkoferschen Gallensäureprobe mit dem 
I Rickstande aus dem- Blutserum. Die Gewinnung 
leses Rückstandes aus dem Blute oder serösen 
f Säigkeiten erfordert einen ziemlich umständ- 
| 4 en chemischen Prozeß und. wurde nach der 
-a von Hammarsten, wie sie dieser in 
E aldens Handbuch der biochemischen Ar- 
| u Bd. 2 S. 666 im. Jahre 1910 ver- 
u, x hat, verfahren. Die Untersuchungen, 
i E.. durchschnittlich 100 bis 200 ccm Blut- 
$, Verwendet wurden, wurden im chemischen 


DA a a A Ne Mt 


Te en E NA 


7 “Oratorium von Dr. Gareis, Nürnberg, durch- 


J selüh 
l Stine 
F ipzig 
f &len 


tt und danke ich diesem besonders noch für 
aufopfernde Mitarbeit. Professor Paal, 
‚ hatte die Liebenswürdigkeit, bei den ein- 


$ Dif 4 ; F | 

E.. und konnte in allen Fällen das Vorhanden- 
= on 
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ĉi gestörten Tieren (Dummkoller bei Pferd 


A 


_ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Krankheitsgruppen die Befunde nachzu- 


Gallensäuren im Blutserum bestätigen. 


317 


und Rind, Lyssa bei Rind) konnten in jedem Falle 
Gallensäuren im Blutserum nachgewiesen werden. 
Hier möchte ich gleich folgendes erwähnen: 
Bei einem Katatoniker, der sehr starken Spei- 
chelfluß hatte, wurde ein Liter Speichel aufgefan- 
gen und dieser auch auf Gallensäure untersucht. 
Die Reaktion war positiv. Nun ist be- 
kannt, daß kleine Mengen von Gallensäuren auf 
die Gallenabsonderung anregend wirken. Die 
Möglichkeit ist daher nicht ausgeschlossen, daß nor- 
malerweise im Blute kreisende kleinste Mengen 
von Gallensäuren durch Speicheldrüsen ausgeschie- 
den und mit dem Speisebrei vermischt anregend 
auf die Gallenabsonderung wirken könnten. Wün- 
schenswert wäre, daß von den Physiologen Unter- 
suchungen in dieser Richtung hin angestellt wür- 
den, und interessant wäre es, wenn dieser Kreis- 
lauf der Gallensäuren bestätigt werden könnte. 
Das Blut ist der Nährsaft der Zellen im viel- 
zelligen Organismus, durch das sie leben, atmen 
und sich nähren; es gewährt denselben möglichst 
gleichmäßige Lebensbedingungen, indem es in 
Temperatur, Gasgehalt, chemischer und osmboti- 
scher Zusammensetzung konstant gehalten wird. 
In den letzten Jahren hat sich nun die Erkennt- 
nis mehr und mehr Bahn gebrochen, daß neben der 
chemischen Konstitution auch der physikalischen 
Struktur der Körpersäfte und-Gewebe und ihren 
Veränderungen eine wesentliche Bedeutung zu- 
kommt. Es ist deshalb für den normalen Ablauf 
der Lebensvorgänge wichtig, daß die physikalische 
Struktur des Blutes möglichst wenig Veränderun- 
gen erleidet. | | 
Die physikalische Chemie lehrt uns nun, daß 
die Hauptmasse "aller Leibessubstanz der Zellen 
sich in einem typisch kolloidalen Zustande befindet, 
ebenso, daß die Säfte des Körpers, das Serum des‘ 


Blutes und der Lymphe in hohem Maße kolloid- 
haltig und daher gleichfalls kolloiden Erscheinun- 


gen unterworfen sind. Wie die Nebel die Zwi- 
schenstufe zwischen den Aggregatzuständen des 
Gasförmigen und Flüssigen darstellen, so ist auch 
beim Übergang vom Flüssigen zum Festen eine 
ähnliche Zwischenstufe vorhanden, indem sich in 
feinster Verteilung zahlreiche kleinste, mit physi- 
kalischen Grenzflächen gegen ihre Umgebung ab- 
gesetzte völlig flüssige Tröpfchen bilden.t) 

Nach Bechhold?) ist beim Erythrozyten das 
Proteingerüst der Außenhaut ausgefüllt mit einer 
homogenen Mischung von adsorbiertem Lezithin 
und Cholesterin, gequollen in physiologischer Salz- 
lösung. Diese Stoffe, Lipoide genannt, erfüllen 
also das Proteingerüst wie die Haut einer Seifen- 
lösung die Maschen eines Drahtnetzes. Hämo- 
lyse tritt ein, sobald eine Entmischung der. drei 


TG 


„erkranken. 


318 | | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE. WOCHENSCHRIFT 


Komponenten: gequollenes Protein, gequollenes 
Lezithin, Cholesterin, erfolgt. 


„Somit muß ieder physikalische oder chemi- 


sche Eingriff Hämolyse bewirken, der durch Ad- 
sorption das Lipoidgemisch von dem Proteingerüst 
löst, den Quellungszustand des. Lipoidgemisches 
und des Proteingerüstes durch physikalische Mit- 
tel ungleichmäßig verändert, z. B. durch konzen- 
trierte Lösungen von Neutralsalzen, durch viele 
verdünnte Schwermetallsalzlösungen, wie z. B. 
Sublimat; der eine Entmischung von Lezithin und 


Cholesterin bedingt (Wasser und hypotonische 


Salzlösungen), Fette löst (Äther, Alk 0 - 
hol, gallensaure Salze, Chloroform), 
eines der Lipoide koaguliert, aus dem Verband 


reißt oder mit ihm eine Verbindung eingeht. 


Hämolyse ist also die Folge der Entmischung 
der drei in der Blutkörperchenhülle vereinigten 
Bestandteile, des Proteingerüstes, des Lezithin und 
des Cholesterin.” 

Die Ursachen, welche zu geistigen Störungen 
führen, sind nun ziemlich zahlreich und müssen 
wir solche unterscheiden, die in kurzer Zeit Psy- 


chosen auslösen können und solche, bei denen die 


Entwicklung der Krankheit eine mehr chronische 
ist. Von den ersteren, den sogenannten Vergiftun- 
gen, sind- am. bekanntesten. die Wirkungen des 


Alkohols, des Athers, des Chloroforms und ande- 
‚rer Narkosemittel, ferner pflanzliche Gifte, wie 
' Atröpin,. Kokain, Opium, Haschisch, des weiteren 
-Pilzgifte, von denen wir die hämolytische Wirkung 


der Helvellasäure und die noch stärkere des Phal- 
lins kennen, ferner arzneiliche Gifte und schließlich 
Gasvergiftungen, z. B. durch Kohlenoxydgas , 
Kriegsgase u. dergl. Öfters sehen wir Störungen 
bei Überhitzung des Körpers, die beim Sonnen- 


stich und hohem Fieber auftreten, des weiteren 


nach Träumen. Ebenso löst das große Heer der 
Infektionskrankheiten vielfach Psychosen aus. 
Liegt nun bei den akut einsetzenden geistigen 


Störungen Ursache und Wirkung unserem Ver- 


ständnisse näher, so klaffte bei den chronisch sich 
entwickelnden Psychosen bisher immer eine Lücke, 
da der Zusammenhang nicht klar war. 


Nun ist bekannt, daß immer nur in einem 


bestimmten Prozentsatze bei Einwir- 


kung der gleichen Schädigung auf den Körper gei- 


stige Störungen auftreten. So wissen wir, daß von 
allen Luetikern ungefähr nur 6 v. H. an Paralyse 
Die Spirochäte -allein oder die ver- 
schiedenen Erreger des Typhus, der Grippe; der 
Malaria, des Scharlachs usw. tun es also nicht, es 
fehlt hier noch ein Zwischengelied. 

Bei Alkeholikern können wir die akute Giftwir- 
kung in Form der Rauschzustände, aber auch die 


-schen Giftwirkung zu einer chronischen Hämolys 1 


Leber kommt. 


[Nr. 51/521 
Psychosen als Folge des chronischen  Alkoholge 
nusses beobachten. Letztere gehen immer mit 
krankhaften Veränderungen der Leber einher, 

Nun ist es sicherlich nicht Zufall, daß ein gro- 
Ber Teil der Gifte, welche, soweit bisher bekannt, 
geistige Störungen auslösen, hämolytisch wirkt | 
vor allem infolge der fettlösendeng 
Wirkung, die ihnen innewohnt, wel 
z. B. Alkohol, Äther, Chloroform; es ist deshalb 
nicht unwahrscheinlich, daß es infolge der chroni- 


und infolgedessen zu Funktionsstörungen in der 


Die Lebensdauer eines roten Blutkörperchen f 
des Menschen wird auf vier bis fünf Wochen em- f 
geschätzt. Demnach gehen täglich eine Unzallf 
solcher zugrunde, und das Organ, welches dies} 
hauptsächlich zu verarbeiten hat, ist die Leber 
Kommt es nun zu einer massenhaften Lösung drf 
roten Blutkörperchen durch verschiedene physik} 
lische oder chemische Einwirkungen, welche def 
kolloidale Beschaffenheit des Blutes alterieren, OF 
wird die Leber derart mit den gelösten Blutmassel! i 
überschwemmt, daß schwere Stauungserscheinif‘ 
gen, andere Funktionsstörungen und anschließen] 
krankhafte Veränderungen der Leber entstehen. |" 

Diese betreffen wohl in erster Linie die Gallet: 7 
sekretion. Durch die in Lösung gegangenen rowtip 
Blutkörperchen und das der Leber zugetühntji 
Hämoglobin erfährt die Galle eine sehr erheblich. 
Eindickung, wobei sie so zähe wird, daß sie uE 
schwer durch die engen Gallengänge abflieltlf‘ 
kann. Bei dem. geringen Drucke, unter welchen 
bekanntlich die Galle sezerniert wird, wird es desp 
halb zur Stagnation kommen, und hierbei ist die) 
Möglichkeit nieht auszuschließen, daß Gallensäurelf 
anstatt mit -der Galle in den Darm abgeführt 4 
werden, direkt in die Blutbahn übertreten und Wf 
stärkerer Konzentration wieder hämolytisch wo i 
ken. Bei dauernder Stauung entarten bekanntiaiii 
die Leberzellen, wodurch die Leberfunktion weißt 3 
hin beeinträchtigt wird. „fh 

Nach de Crinis?) baut sich das Cholestent! i 
aus Cholalsäure und das Lezithin aus Glykol Be 
Gallensäuren entstehen aber in der Leber. | 
Erkrankungen der Leber ist deshalb die Keule 
scheinlichkeit einer Störung im Aufbau der Be fi 
wichtigen Lipoide Cholesterin und Lezithin a 1 

Wie schon erwähnt, sind die Körpersälte Bi 
loidhaltig und daher kolloidalen Erschein a 
unterworfen. Der menschliche Körper nn ie 
fertig, in seinem Serum allen störenden Ein % E 
zum Trotz stets bestimmte lebenswichtis® zeit | 
in bestimmter Menge und in bestimmtem ei 
seitigen Verhältnis zu erhalten und dabel A I 


me ar Haa a a a E: MAN aa a aT a oree nn he FRE Te A a aa ern i E s 


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de Gesamtsumme aller Lösungsteilchen mit nicht 


 {mnnder wunderbarer Exaktheit auf eine fast abso- 


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— DD ı >" co E a 


fute Konstanz einzustellen. 


fds an Jonen gekennzeichnet, 
er Isotonie die Konstanterhaltung des osmotischen 


Vom Blute, als dem 
imspielenden Milieu der Zellen, müssen vor 
lem drei große, für die Lebensvorgänge unerläß- 
ide Bedingungen verwirklicht sein; die Isoionie, 
die Isotonie und die Isothermie. ; 
Mit dem Begriffe der Isoionie des Serums ist 
die konstante Einhaltung eines bestimmten Bestan- 
mit dem Begriffe 


Druckes auf der dem menschlichen Serum spezifi- 


[schen Höhe; ein Analogon auf dem Gebiete der 
Wärme ist die Isothermie. 


_ Ohne Isoionie keine hinreichende Aufrecht- 


Ferhaltung der kolloiden Zustandsform des Proto- 
Pasmas, ohne Isotonie kein Gleichbleiben von 
jüröße, Form, Wasser- und Salzgehalt der Zellen, 
fne Isothermie schließlich für den Organismus 
[feine Unabhängigkeit der physikalischen und che- 


mischen Leistungen von den Zufälliekeiten der 


„mosphärischen Temperatur.‘) 


Könnte nun die gestörte Funktion der Nerven- 


fellen nicht eine Folge der geschädigten Isoionie, 
„| Sotonie und Isothermie der Körpersäfte und der 
Hiolgedessen veränderten Zustandsform ihres Pro- 
[plasmas sein? | 

| Mit Störungen der Isotonie könnten Verände- 
ungen an den Endothelien der Gefäße, besonders 
[€r Venen, in Zusammenhang gebracht werden, 
[0 dab die Durchlässigkeit der Gefäßwände beein- 
ut wird und es infolge des veränderten osmoti- 
allen Druckes. zu ödematösen Ausschwitzungen 
die Umgebung kommt (Meningitis serosa). Auch 
-f infiltrate, die zwischen Endothel und der übri- 
A Gefäßwand liegen, wurden beobachtet, beson- 
‘ts bei Paralyse. | 
| k ird die Isothermie des Blutes alteriert, so 
nen Sich bei den Betroffenen ebenfalls geistige 


| Örungen entwickeln. Beispiele hierfür sind. die 


„erdelirien, wie sie hauptsächlich im. Kindes- 
„älter beobachtet 


-[Sonnensti # 
| en und längerem Gebrauch heißer Moor- 


werden, ferner Psychosen nach 


H RI" 
u 


"Hi u die Schädigungen das Blut in aüsge- 
abe, so werden die kleinsten mit physi- 
P lischen Gr | 
| setzten flüssi 
| au es wird ne 
1 Pannungsunterschieden kommen. 


mu 
$ 
A 


| r Blutbrei wird hauptsächlich in Leber und Nie- 
E heer und führt zu den schweren Stau- 
f o Scheinungen und den obenerwähnten Folge- 


, auptsächlic 
| 


enzflächen gegen ihre Umgebung ab- 
sen Iröpfchen massenhaft zerstört 
ben den Störungen der Isoionie auch 
Der amor- 


Wiederholt konnte ich beobachten, 
h bei schweren tobsüchtigen Er- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


-pathologie Virchows verdrängt, für 


319 


regungszuständen, wie sie bisweilen im Anfangs- 


stadium bei Paranoikern und Paralytikern vor- 


kommen, daß das Serum des aus der Vena mediana 
entnommenen Blutes rötlich gefärbt war und daß 
sich auf der Oberfläche desselben eine dünne Fett- 
haut bildete. 

Sobald das Blut nicht physiologisch rein ist, 
arbeitet das Herz pathologisch. So finden wir denn 
bei Geisteskranken in der großen Mehrzahl der 
Fälle den zweiten Ton an der Herzspitze mehr 
oder weniger stark akzentuiert. Mit zunehmen- 


der Besserung ändert sich auch die Herztätigkeit 


und kehrt wieder zum Normalen zurück. Diese 
langjährigen Beobachtungen seien hier nur einst- 
weilen angedeutet, hängen aber jedenfalls mit der 
dynamischen Beanspruchung des ganzen Gefäß- 
systems zusammen. Jeder Fabrikherr verlangt 
von seinem Maschinisten, daß er aus dem Gange 


der Maschinen oder Pumpen höre, ob dieselben 
‚ überlastet sind oder ob sonstige Störungen vor- 


liegen. Leider können wir diese Forderung im 
allgemeinen beim menschlichen Herzen infolge 
mangelnder Schulung noch nicht stellen. 

Über den Stoffwechsel des. Nervensystems ist 
noch nichts Genaueres bekannt. Nach F. H. 
Lewy®°) handelt es sich bei den Lymphräumen 
des Gehirns nicht um ein röhrenförmiges‘ Kanal- 
system, sondern um durch Septen gegeneinander 
abgeschlossene Kammern, innerhalb deren der 
Transport der Flüssigkeit nur durch Osmose und 
Diffusion vor sich gehen kann. Ist die Isotonie des 
Blutes beeinträchtigt, so wird es zu Störungen der 


“Osmose kommen und zur Imbibition des Gehirnes 


mit Stoffwechselgiften, Wie bei der Narkose das 
Blut als Träger des Mittels zum Zentralnerven- 
system in Betracht kommt, so ist es denkbar, daß 
chronische Veränderungen des Blutes chronische 
Störungen in den Nervenzellen verursachen. 

Seit mehreren Jahrzehnten ist in Deutschland 
die alte Humoralpathologie durch die Zellular- 
den es 
keine allgemeinen Krankheiten, sondern nur ört- 
liche Erkrankungen gab. Sprachen unsere Erfah- 
rungen über Gicht, Diabetes usw. schon bisher 
gegen die Zellularpathologie, so wurde durch die 
Forschungsergebnisse der physikalischen Chemie 


ein weiterer Wandel in diesen Anschauungen vor- 


bereitet. Vielleicht gelingt es dieser in nicht allzu 


ferner Zeit, den letzten Aufschluß darüber zu er- 
bringen, daß ein gesunder Geist nur in einem ge- 
sunden Körper wohnen kann. 


san Zusammenfassung: 
Die Natur hat für die Hauptmasse aller Leibes- 
substanz der Zellen und für das flüssige Gewebe 


‚unserer Körpersäfte den kolloidalen Zustand ge- 


320 


wählt, da durch denselben die Stoffwechselvor- 
sänge offenbar am sichersten gewährleistet wer- 
den. Störungen der Isoionie, Istotonie Oder Iso- 
thermie bedingen qualitative Veränderungen des 
Zellprotoplasmas und des Blutes. 

Von einer Reihe von Ursachen, welche für die 
Auslösung von. Geisteskrankheiten in Betracht 
kommen, ist jetzt schon bekannt, daß sie fettlösend 
wirken, daß sie also den kolloidalen Zustand der 
Zellen und der Körpersäfte zu schädigen vermögen. 
- Unterernährung, speziell der Mangel an genügen- 
der Fettzufuhr, vermag die nervöse Konstitution 
eines ganzen Volkes zu untergraben, wie uns der 
Krieg’ gelehrt hat. 

Es ist nicht ausgeschlossen, 
schütterungen (Traumata) und hohe Hitzegrade 
besonders bei Prädisponierten ebenfalls die Kol- 
loidstabilität des Blutes zu ändern vermögen und 
auf diese Weise als auslösende Momente für Gei- 
steskrankheit in Betracht kommen Können. 

Inwieweit die Erreger oder Toxine der Infek- 
tionskrankheiten, nach denen geistige Störungen 
beobachtet - werden, hämolytisch wirken, muß 
durch Untersuchungen klargestellt werden. Bei 
Scharlach und Masern scheint dies der Fall zu sein. 
Auch bei Grippe wurden in letzter Zeit schwere 
Störungen im Blutbilde festgestellt. 

Bei chronisch sich entwickelnden Geisteskrank- 
heiten scheinen Funktionsstörungen der Leber, 
‘welche hauptsächlich die Gallensekretion und den 


daß heftige Er- 


-—- Aufbau von Cholesterin und Lezithin betreffen, 


mitzuwirken. Wahrscheinlich Kommt es infolge 


von hochgradiger Hämolyse zu schweren Stau- 


ungserscheinungen in der Leber und anschließend 
zu Funktionsstörungen derselben. 

Was die Therapie anlangt, so können die bis- 
herigen Versuche, welche .beachtenswerte Erfolge 
brachten, hier nur kurz gestreift werden. Als 
wirksam erwiesen sich: 


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A 
en. 
er. 
K 


Nr. sil 


Monatelange Bettbehandlung, die so N 
gesetzt werden muß, bis eine erhebliche geistige 
und körperliche Besserung eingetreten ist, Die 
Bettruhe kommt vor allem dem geschädigten Ge 
fäßsystem zugute. d 

Wiederholte größere Aderlässe, die einersä 
die Stauungserscheinungen im Körper günstig be 
einflussen, andererseits einen Teil des kranken Ble 
tes entfernen und die Blutneubildung anregen. i 
mehr denn zehnjährigen Versuchen “es Mi 
wirksame Menge festgestellt. l 

Reichliche Fettzufuhr, besonders in der Ford 
reiner Milchdiät. Da die Gallensäuren bei der Ver: 
seifung der Nahrungsfette mitwirken, käme hiet 
bei vielleicht eine chemische Bindung derselben i 
Betracht. E 

Injektionen von Natrium nucleinicum oder a fi 
fremdem Serum, um eine Reizwirkung zu il 
und den Organismus umzustimmen. | ; 

Ableitende Behandlung im Sinne Quin ckesil 
Je nach der Wirkung, die man erzielen will, wird 
entsprechend verdünntes Kalkwasser unter ú 
Haut injiziert. Hat sich der nekrotische Schon 
der sich danach bildet, abgestoßen, so sezermiel 
die. Wunde reichliche seröse Flüssigkeit woche 
lang. 


Literatur, 
l. Schade. Die Kolloide als Träger der Lebens 
erscheinungen. „Die Naturwissenschaften” 1921 Nr 


2.Bechhold, Bau der roten Blutkörperchen und H 
molyse. Münch. med. Wochenschr. 1921 Nr. % 

3. De Crinis, Ref. Münch. med. Wochenschr. m 
Nr.:15: S: 473. 

4. Schade, Die physikalische Chemie in der men 
Medizin. 1921. S. 141. 

.F.H.Lewy, Die Lymphräume des Gehirns, ihr Bal 
und ihre Geschwülste. Virchows Archiv f. = 

` Anat. u. Physiol. Bd.. 232 S. 400. | 

6. Quincke, Über ableitende Behandlung. Mind 
med. Wochenschr. 1921 Nr. 30 S. 935. | 


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Vixol. 


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Nr. 1/2. 1922/23. | 


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Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 


Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 


Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 
Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roderbirken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, Sanitäts- 
Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Medizinal-Rät Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler 
b. Breiburg i. Br., Sanitäts-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen (Rhl.), Geh. Medizinal-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
Sanitäts-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, Prof. Dr. Sh. Kure, Tokio, Sanitäts-Rat Dir. Dr. Lehmann, Hartheck, Geh. Sanitäts-Rat Dr. Merck- 
lin, Treptow a. R., Hofrat Prof. Dr. E. E. Moravcsik, Budapest, Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Regierungs-Rat 
Dr. H. Schlöß, Wien, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, 
Regierungs-Rat Dr. Starlinger, Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ober-Medizinal-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, 
Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Vierundzwanzigster Jahrgang 1922/23. 


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Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. 


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Sachregister. 


(Die Zahlen bedeuten die Seiten.) 
= Achtstundentag in der Irrenpflege 125 


Adrenalinuntersuchungen bei Geisteskranken 337 
Alkoholfrage, Grundriß (Wlassak) 222 | 
Alt, Konrad, Nachruf 281 

Ansbach, Anstalt, Verpflegsätze 28 
Anstaltspflegebedürftigkeit, Strafvollzug dabei 185 
Arteriosklerose, Rest-Stickstoff 288 

Askese 53 


`- Atomlehre 144 


Ausenleiden, Züsshmenkang mit anderen Erkrankungen 
264 


Auslese, menschliche, und Rassenkyeiene 127 
Aussage, Psychologie 59 
Autosuggestion 223 


Baden, Ärztliche Fortbildung 208; Ausbildung des 
Pflegepersonals 208; Entlassenenfürsorge 208; Ir- 
renstatistik 1914 bis 1921 124 

Bäder in Irrenanstalten 8, 209 

Bakteriologische Untersuchungen im Philippshospital 287 

Beamtenrätegesetz 57 

Begabung für mehrfäche motorische egunen 126 

Beköstigung 209 

Berufsberatung 127- 

Besoldungsordnung 27, 69, 163, 194, 231, 236 

Betäubung, örtliche 55 x 

Bienenzucht in Irrenanstalten 183 

Bismarckstiftune in Kreuzburge O.-S. 190 

Blutuntersuchung, minimetrische 303 

Bolschewismus 147 


- Börners Reichsmedizinalkalender 236 


Chinin bei Paralyse und Tabes 76 


“Chirurgie, Wiederherstellungschirurgie 55; Operations- 


kurs 55 


Dämonölogie 29] 

Darmparasiten bei Geisteskranken 289 

Deiters, Nachruf. 95 

Dementia praecox 14; chronische Infektionen 12; Samen- 
faden 207; Serologie 250; 196 

Denken, ärztliches Denken, Normbegriff 278; Krankeiten 
des D.s 43 


Dermatitis 291 


Dezernentenfrage 157 
Diabetes insipidus, -Pituglandol 106 


 Diagnostikum, analytisches 28 
- Diagnostisch-therapeutisches Vademekum 55 


Differentialdiagnostik innerer ‚Krankheiten 28 
- Dieitalisstoffe 265 

Diphtheriebazillenträger 289 
Direktorenkonferenzen 231, 234 

Domjüch þei. Strelitz, Jahresbericht 209 


Eichberg, Jahresbericht 11 

Einstein s. Relativitätstheorie 

Eiweißpräparate 266 

Empfindungsqualität als Abbild des Reizes 105 

Entartung 54; Taubstummheit als E. 183 - 

Entfettungskur. Fiypophysenpräparate 279 

Enzephalitis lethargika 71, 

Epiglandol 128, 142. 

Epilepsie 14; Luminal 42, 128, 142; Neb ennerenreduktion 
330; Xifalmilch 19 

Epiphysenerkrankung 128; E.-Präparate bei Mastkuren 


estiischait deutscher Nervenärzte 53 


Großkapitalismus 149 


"Haarkrankheiten, Lehrbuch 42 


Irrenstatistik, Baden 124; Domiüch 209 


Erlangen; Anstalt, Bericht über die Fürsorgetätigki 
110; Verpilegsätze 28 4 
Erblichkeit der Handschrift 92 i 
Ernährung in Irrenanstalten 8, 26, 48, 139; künstl, all 
Erscheinung und Kraft (Haas) 222 
Erziehungszweck im Strafvollzug 339 


Flüstersprache 77, 305, 317; s. a. Okkultismus A 
Fortbildungskurse 11; Hessen 338 3 
Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens e 


Ganser, S., 70. Geburtstag 269, 271 | 
Gastrointestinalerkrankungen, Wirkungen auf die šin i 
mung Geisteskranker 295 . 
Gebührenordnung 27, 53, 65, 219, 235 
Geheimsucht 37; s: a. Ökkultismus | 
Geisteskranke, entlassene, Fürsorge 157, 209, 219; Ki } 
pergewicht -in der Kriegszeit 116; Wirkung der 
Magendarmerkrankungen auf die Stimmung 2 
Tötung lebensunwerter G.r 215; Bildnerei Gr 1% 
Geisteskrankheiten, Einteilung 43; Ovobrol 279 | 
GeSchlechtsieben der Hysterischen 278 | B 
Geschlechtstrieb, und Schamgefühl 279; und Gottes- | 
glaube 218 | 


Glandole 81 
Gosh, van 40 
Gottesglaube und Sexualität 218 


Gynäkologie, Repetitorium 279 


Handschrift, Erblichkeit 92: Deutung 236; Untersuchung 
mittels Mikroskops 236 l 

Haustechnische Rundschau 238, 268, 303, 328 

Heilgartenschule 128 

Hellsehen, s. Okkultismus 

Hessen, Fortbildungskurse 338 

Hilfsschule, Pädagogik und Unterricht 237; Spradk 
pflege 237 

Hilfsverein für Geisteskranke, rheinischer 219; Bespre- 
ehung der Vertreter der Hilisvereine 272 


Hirnbau, Entwicklung 15 


Hirnbewegung, rhythmische 54 

Hölderlin 40 

Hypnotismus 40, 42, 54, 104, 223, 251, 271 (Tierhypnose 
Hypophysenextrakt 56; bei Fettsucht 279 

Hysterie, Geschlechtsleben 278 


Innere Sekretion und Psychiatrie 211 _ 
Jodostarin 93 
Irrenanstalten, ärztliche Leitung, einheitliche 233;. Bi 
schäftigung von Pfleglingen im Haushalt Angestel 
ter 79; Ernährung 8; Landwirtschaft 2, 11, 13; La 
Träger‘ sozial-hygienischer Bestrebungen 199 
Irrenärzte, Amtsbezeichnung 209, 233, 316; Besoldur 
27: Dienstwohnungen 234; deutsche IL, Einzelbild: 
(Kirchhoff) 117; Fortbildung 208 
Irrenfürsorgegesetz 27, 157, 232 
Irrenheilkunde, Lehrbuch f. d. Pilesepersonal 81 
Irrenpflege, Leitfaden (Scholz) 250 


Jugendfiürsorge, Psychiater u. J. 150, 


 Katatonie unter dem Bilde der ‚Hysterie und. Psych 


pathie 290 


zn S 


Kinderlähmung, zerebrale 47 

| Klinisches Wörterbuch 53 

te Störungen und Wahnideen 83 

Piraft und Erscheinung (Haas) 222 

? Äkräpelin, E., Möbiuspreis 193 

4 ätzemittel 266 

Prebsbüchlein 127 

ftieg und Geisteskrankheiten 124 

Aktiegsneurose 14; gibt es heute noch eine? 221 
f Kropf, Prophylaxe 93, 279 

elei Fficheneinrichtungen 57 

Kickenmühler Anstalten 278 

H Kihlanlagen 266 


J ; 
Er 


f 

F landwirtschaft in Irrenanstalten 2, 13 

Fo 93 

Liebe, freie 117 

‚Undenhaus, Jahresbericht 125; 
Pilegepersonals 125 

En Verbleib der Krankeousesfhlehlen 11 

Flinorprobieme, neuere 30 


häufiger Wechsel des 


Eiasikuren Epiphysenpräparate 279 

i Piiaterialisation 40, 41; s. a. Okkultismus 

f Meditation 53 

F Medium, Malen 99 

A Nembranänderung und Neisienerrösung 209 

P Menschenökonomie 303 

ı f Metalues 291 

E Möbiusstiftung 193 

Fivelozytenbefund bei inneren Krankheiten 250 


| -PNarrenspiel Bilder aus dem neuen Deutschland, Ge- 
#, dichte von Alfred Erich (Hoche) 264 ` 
ie Naturforscher- u. Ärztetag, 100. deutsch. 92, 116, 125, 144 
FNatirphilosophie (Ziehen) 144, 210 
i N bennierenreduktion bei Epilepsie 330 
E nabteilungen, offene in Irrenanstalten 157 
Fefvenerregung und Membranänderung 209 
Nervenpunktmassage 223 
FR Nervosität 41; der Zahnärzte 319 
f Neuritiden 82 
f eurologische Forschungsrichtung in der Psychiatrie 122 
T y ropathie, Ulcus pepticum 251 
5 urosen 14, 41 
| Ben, sind Innendrüsen 126 
Į ormbegriff, ärztlich 278 


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| Obersteiner, Nachruf 239 
| hrenheilkunde, Lehrbuch 54 
un 22, 32, 34, 37, 39, 40, 41, 52, 53, 80,. 89, 
f 5 9, 101, 103(2), 104, 119, 126, 136, 207, 208, 248, 
Ovat 263, 278, 290, 300, 305, 317 
| rol 56, 279 


E 291 


289: 7 
| Paranoia nahme 12 
„apsychologie < O 
P S. Okkultismus 
a Erkrankungen der Bauchhöhle 237 
arta a bazillenträger 288 
erfahre 
Fu iveraphie 40 an nach Deycke-Much 93, 339- 
br 
Perlina oit Nachruf 293 
Tèeepersonal Achtstundentag 125; Unterricht 11, 209, 
‚hlippsh 1; häufiger Wechsel 125, 209 
n% Be Bericht über das Laboratorium 287 
Aisurie, Behandlung 106° 
Eskri Einführung in die ps. Klinik (Kraepelin) 13; 
uch (Pilcz) 55: (Schlomer) 93; P. und Jugend- 


Eh L Li 


PA 4’ 


3 Forschungsrichtung in der P. 122 


Pie 13; Chininbehandlung 76; Rekurrensimpfung | 


ursorge 150; P, und innere Sekretion 211; neurologi- 


SACHREGISTER | II 


Psychische Faktoren bei organischen Krankheiten 250 

Psychisches, Dynamik des P.n; (Haas) 222 

Psychoanalyse 92, 105 (Gefahren), 150, 172, 220, 251, 278 

Psychographieren 104 

Psychologie der Aussage 59; experimentelle, Kongreß 
235; Farbenps. 81; Geschichte von Maß und Zahl in 
der Ps. 278; konstruktive (Haas) 222; medizinische 
(Kretschmer) 92; Ps. der Vogalehre 53 | 

Psychologisches Profil 237 

Psychopathen, Beratungsstelle 157; Erziehung 251 

Psychopathologie der Ausnahmezustände und des All- 
tags 56; Grenzen d. phänomenolog. Erkenntnis 194 

Psychosexueller Infantilismus 105 

Pupillenstörung, isolierte, u. Liquor cerebrospinalis 264 


Rassenhygiene 54, 127 
Reichsirrengesetz 157 
Reichskonferenz der Irrenanstaltsdirektoren 231 


‚Reichsverband beamteter deutscher Irrenärzte 11, 27, 


103, 142, 162, 219, 290, 315; Jahresversammlung 229; 
Organisation 230; Kassenbericht 230; Beitrag 315, 
327; Richtlinien 230, 290; Presseausschuß 230; psy- 
chiatrische Aufklärungsarbeit 230; Besoldungsfrage 
194, 231; Ruhrhilfe 316, 327, 328; Amtsbezeichnung 
316; Vorstandswahl 235; Kliniker als Mitglieder 231 

Reiztherapie 278 

Relativitätstheorie 105, 116, 145, 155,164, 168,179, 188, 201 

Religiosität als physiologisches Problem 156, 222; R. und 
Sexualität 218 


. Rezepttaschenbuch 54 


Rhythmische Hirnbewegung 54 
Röntgendiagnostik 264 


Salzbergsthal, Sanatorium, -verkauft 207 

Sarscato, Krätzemittel 266 

Säuglingspflege 264 

Schamgefühl, und Geschlechtstrieb 279 

Schlaflosigkeit, Behandlung 54 

Schölzel, Nachruf 29 

Schriftdeutung 236; Mikroskop dabei 236 

Schuldgefühl 14 

Sedobrol 142 

Sekretion, innere 81; u. Psychiatrie 211; Nieren 126, 197 

Sexualität, u. Gottesglaube 218, Geschlechtstrieb und 
Schamgefühl 279; bei Hysterie 278; physiolog. Ur- 
sachen der geistigen Höchstleistungen bei Mann ung 
Weib 56; Infantilismus 105, 142 

Sexuell abnorme, Untersuchungen (Hübner) 221 

Sioli, Nachruf 107 

Solarson 82 | 

Sozialhygiene, Irrenanstalten als Träger derselben 199 

Sozialismus 147, 303 | 

Spiritismus 41, 98; s. a. Okkultismus 

Straigesetz- und -vollzugreform 157 


. Strafvollzug, Erziehungszweck 339 


Strafvollzugsunfähigkeit ohne Anstaltspflegebedürftigkeit ; 
185 | 
Strindberg 40 
Suggestion 42, 223; 
Swedenborg 40 
Syphilis 56, 117 


s. a. Hypnotismus 


Tabes, Chininbehandlung 76 

„Taubenkönig” 271 

Taubstummheit, Entartungszeichen 183 

Telepathie 97, s. a. Okkultismus 

'Therapeutisches 42, 56, 81, 93, 105, 117, 128, 142, 173, 
210, 223, 237, 265,. 279, 291, 339 

Thonberg, Aufbewahrung der Krankengeschichte der An- 
stalt T. in Dösen 28 

Thymobronchin 265 

Tierhypnose 271 

Traumleben 40, 41, 54 

Tremor, Intentions-, nach ser: Kinderlähmung a 


p 
f aN AR A| I 


IV 


Trunksucht, Ursachen, Bekämpfung 263 


Tuberkulin 223 


Tuberkulose, Behandlung 93, 117, 223, 236, 242. 244, 289, 
339; Bauchfellerkrankungen 251; Bekämpfung in der 


Irrenanstalt 131, 209 
Tuberoid Möller 244 


Typhus, Bazillenträger 288 


Verantwortungsangst 14 


NAMENREGISTER 


Wahl, Dr., Nachruf 70 


Wahnideen, und körperliche Störungen 83 
Wassermannsche Reaktion 117 

Weilmünster, Anstalt, Auflösung 11 | 
Wirtschaftliche Neuorientierung in der Psychiatie t 


Wochenbettpflege 279 
Wünschelrute 41 


Yogalehre 53 


Verbrecher, geisteskranke 46 


Verein der Irrenärzte Niedersachsens und \Westtalens 28; 
norddeutscher Psychiater und Neurologen 116 

Verwaltungsorganisation in Krankenanstalten 278 

Visionen des Neuen Testaments 119 

Vogt, Cäcilie, zum Arzt approbiert 316 


Ackermann 272, 286 
Adler 46 
Alexander 220 
Alrutz 104, 127 
Auerbach 54 


Bartsch 237 
Baudouin 223 
Baumann 229 
Baumgärtel 117 
Becker 19, 69, 96 
Behrend 264 
Bergmann 89, 300 
Beyer, Alfred, 303 
Bickel 221 
Binding 149 
Blomberg, von 237 
Brackett 41 
Braun, H., 55 
Brennecke 250, 263 


Bresler 9, 37, 96, 126, 144, 


ZU 
~ Bruck 103, 126, 136 
‚ Brühl 54 
Brühl-Kiedrich 128 


Cohn, P., 156, 183 
Cornelius 223 


Dahl 41 

Dannemann 250 

D’Esperance 41 

“ Dornblüth 53 
Dresel 263 

- Dreyfus 264. 
Driesch 96 


Ebbecke 209 
Ebeler 279 — 
Ehringhaus 54 


- Einhorn 263 


Einstein 105, 116 
- Eliger 339 
- Ellis, 11.279 


Erich, Alfred (Hoche) 264 


Falkenberg 283 
Faltlhauser 116 
Fehlinger 54 
Ferenczi 172 
Finkelstein 251 


Kirchhoff 117 


Zahnheilkunde 55 


pression 253 
Zirbeldrüse 128 


Namenregister. 
(Die Zahlen bedeuten die Seiten.) 


Fischer, Max 276 - Kraft 28 

Fischer, H., 21l, 225, 244, 255 Kräpelin 13, 117 
Franke 15 Kratzeisen 251 | 
Frenzel 237 Kreß 42 

Freud, S., 220 Kretschmer 92 
Friedländer, A., 32, 34, 52, Krömer: 157, 165, 175 


101, 103 Kugler 41 
Fuchs, W., 2, 294 Kühnemann 28 
Getey 40 Künzel 242 
Gerhardt 54 Lachmund 122 
Geßmann 41 Lange, Ludwig, 116, 154, 
Gigon 263 168, 179, 188, 201 
Gotthold 71, 85 Langelüddecke 104 
er nr 279 
Lenz 127 
Grötzinger 291 Lenzmann 291 
Gruber 251 Levy-Suhl 251 
Gruhle 208 Lexer 55 
Grützmacher 41 Lomer 40, 236 
Löw 116, 131 4 
Haas 53, 222 2 | 
Hauptmann 42 Löwenifeld 40 
laymann 81, 263 
Heyer 250 Na ER 218 
Hippel 319 arena. 
Mörchen 40 
Hirschlaff 54 Mott. Fr.. 207 
Hoche 264 Much 278 
Hollos 172 en | 
Hübner 221 Müller, Franz, 54, 127 
Hussels 229 Ostwald 81 
Jacobi 47, 251 š / 
Jacobi, W., 99, 119 ` Pandy 43 
J . Parreidt 55 
aspers 40 
Illert 287, 294 Petri 13 
Joseph 42 nn 
Placzek 278 
Kafka 30 Pikler 105 
Kehl 237 Pilcz, A., 55, 239 
Kellner 117 Pohl 56 


Ponndorf 236 
Kleinert, Kurt 265 Prinzhorn 195, 220 


Klieneberger 83 


Klinger 93 Raecke 109 

Kluge 220 Rein 65 

Klüwer 286 Ries 54 
‘Knabe 117 Rittershaus 59 

Knapp 264 Robertson 12 

Kofika 54, 127 Rohr 251 

Kolb 272 Ä 


Ph 


Druck: Emii Wolff & Söhne, Halle. 


Zahnarzt, Beruisnervosität 319 


Zentralnervensystem, Schädigung nach rascher Dei 


` Spengler 149 


| Surya 278 


Wittig 105 5 


"Zahn 40 
Römer 250, 276, 285, 286 - 


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Roscher 250 
Rust 119 % 


Schlomer 93 A 
Schmelzeis 305, 317 
Schmieden 55 ı 
Schmidt 128, 164 
Schmidt, W., 278 4 
Schmitz 220 
Scholz, Ludwig 250. 
Schönfeld 330 1 
Schrötter, H. von, 253 
Schubart 269 
Schuckmann, v. 185 
Schulte 282 
Schwabe 276 

Seck 290 

Seeling 42 

Sinn 218 

Sopp 42 


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Stanojevic 295 
Stekel. 41, 105 
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Stransky 56, 194- | 
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Sünner 22, 32, 34, MN | 
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Thumm 150 
Trömner 42 


Urstein 290 | 


Valier 40 
Värting 56 
Voges 278 


Wachsmuth 12 
Wauschkuhn 215 
Weber: (Chemnitz) T 
Werner 199, 285 
Wittermann 41 


Wlassak 222 
Wolf, Fr., 271 


Ziehen 210 


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)  Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift | 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, MHerzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Proi. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
W (Rh), Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 

Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
= Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof, Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


Schriftleiter: 


Nr. 1/2. 


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Bezugspreis: 


Abonnementspreise für das Aus- 
land werden nach der vom Deut- 
schen Buchhandel vorgeschrie- 
|| benen Verkaufsordnung für das 
El Ausland berechnet. Zu beziehen 
Ei durchjed. Buchhandlung, d. Post 
Fi unmittelbar vom Verlage. Er- 
scheint bis auf weiteres vier- 
zehntägig in Doppelnummern. 


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FI Mi0,— für das Vierteljahr, die 


8. April 


Verlag und Ausgabe: 


Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.:: Marhold Verlag Hallesaale 


Postscheck: Leipzig 32070. 


Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Profi. Dr. med..et phil. W. Weygandt, Hamburg. 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


1922/23. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin SW. 48, 


Wilhelmstraße 28. = 


Einhalt: Zum Beginn des 24. Jahrgangs. (S. 1.) — Wirtschaftliche Neuorientierung in der Anstaltspsychiatrie, 
"re on Medizinalrat W. Fuchs, Emmendingen. (S. 2.) — Der derzeitige Stand der Ernährung in den 
Irrenanstalten. (S. 8.) — Mitteilungen. (S. 11.) — Referate. (S. 12.) — Buchbesprechungen. (S. 13.) 


Zum Beginn des 24. Jahrgangs 


N erlauben wir uns, die ergebenste Bitte an die verehrlichen Anstaltsleitungen und Herren Anstalts- 
| ärzte und Nervenärzte ebenso höflichst wie dringlichst zu erneuern, unter den obwaltenden 
I Verhältnissen ganz besonders der Schwierigkeiten zu gedenken, welche die Wochenschrift, 
I vie alle Fachzeitschriften, zu durchkämpfen hat, und uns in der Überwindung dieser Schwierig- 
I seiten in tatkräftiger und wohlwollender Weise zu unterstützen, auch die immer weitere 
| Verbreitung der Zeitschrift freundlichst fördern zu helfen. 

| Insbesondere bitten wir um recht häufige Zusendung von Mitteilungen über den Wieder- 
f| bau und die Weiterentwicklung der Anstalten, auch in wirtschaftlicher Beziehung, über 
| 'emerkenswerte Vorkommnisse und Personalveränderungen, ferner um Überlassung von Jahres- 
| Perichten (nicht zu umfangreiche, mit nicht zu vielen Tabellen, können auch im Manuskript 
| gesandt und unter den Originalien abgedruckt werden), Sonderabzügen, Eigenberichten 
| ber Abhandlungen, Vorträge . und wichtigere Diskussionsbemerkungen, Tagesordnungen von 
N Sammlungen (die Tagesordnungen immer direkt an den Verlag), von Ausschnitten aus der 
i igespresse, die unser Fach interessieren, usw. 


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| der Psychiatrisch-Neurologischen Wochenschrit. Io 


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2 “  PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT (Nr, 1/2 i 


Wirtschaftliche Neuorientierung in der Anstaltspsychiatrie. 
Von Medizinalrat W. Fuchs, Emmendingen. 


„Die Routine sirbt am Wechsel 


der Betriebsform“. F. Haber. 
„Wehe denen, die das Maß ver- 
kürzen“. 83. Sure. 


Fs könnte sein, daß die erhabene Sinnlosigkeit, 
welche die Weltgeschichte beherrscht, auch 
zum Motto, und zwar zum Abbaumotto für die Psy- 
chiatrie wird. | 

Speziell für die Anstaltspsychiatrie. Kaum 
war, etwa seit der Jahrhundertwende, die An- 
staltspsychiatrie in eine Blütezeit eingetreten, wel- 
che von den Gesichtspunkten des materiellen, 
hygienischen und ästhetischen Überflusses ihren 
blitzenden Stempelglanz erhielt, da ruinierte die 
als Michel maskierte Firma Loki & Hödur alles 
wieder in beispiellosem Bankerott. Jetzt weiß nie- 
mand was werden wird. Die erhöhten Taxen trei- 
ben die Kranken hinaus, die erhöhten Betriebs- 
kosten, Gehaltsanforderungen usw. treiben die 
Ausgaben in schwindelnde Höhen und die Finanz- 
minister treiben notgedrungen eine Sparpolitik, 
welche am liebsten die Anstalten als scheinbar 
nicht produktive Betriebe auflassen möchte. 

Aber diese Beurteilung ist ein schweres Proton 
pseudos, die Anstalten fallen durchaus ins mate- 
rielle Gewicht im positiv produktiven Sinne! Wenn 
wir auch noch so skeptisch denken über den Pro- 
zentsatz von wirklichen Heilungen, welche unsere 
Behandlung bzw. der Anstaltsaufenthalt mit sich 
bringt, so ist doch nicht zu bestreiten, daß jährlich 
eine beträchtliche Zahl von Anstaltsinsassen nach 
einer Zeit, während welcher sie draußen in Freiheit 
belassen materiellen Schaden gemacht hätten, er- 
werbsfähig und sozial in eben diese Freiheit zu- 
 rückentlassen werden. Nehmen wir ohne irgend- 

welche Bindung an die absolute Richtigkeit der 
Zahlen an, daß etwa 160000 (einhundertsechzig- 
tausend) Geisteskranke die Anstalten Deutsch- 
lands bevölkern +*+) und nehmen wir weiter an, daß 
wir jeweils jährlich, ganz vorsichtig berech- 
„net, den zehnten Teil dieser Einhundertsech- 
 zigtausend erwerbsfähig entlassen, so kommt 
bei einem jährlichen Existenzminimum ie Kopf 
von zehntausend Mark schon eine recht ge- 
wichtige Summe heraus, die wir dem Volksein- 
kommen bzw. Volksvermögen zurückerstatten. 
Denn selbst, wenn man nur die Hälfte jener 16 000 
Entlassenen, von denen ja die weiblichen und 


t) Man rechnet auf 1000 Einwohner drei anstalts- 


bedürftige Geisteskranke, das wären auf 60 Millionen. 


Deutsche sogar 180 000. 


_ desanstalten imstande sind, durch 5è 


manche männliche wenigstens zum Teil außer {ili 
Anschlag gelassen werden müssen, als erwerbs pui 
fähig gelten lassen will, so bleiben immer nodi 
80 Mill. M je Jahr, was als Zinsertrag einem Kapi per 
tal von mindestens zwei Milliarden entspricht P48 
Denkt man sich die Anstalten fort, so bleibt dieser PW 
Posten dauernd gefährdet; er entfällt jeweils meh pai 
oder weniger und wird überdies ausbalander 
durch den positiven Schaden, mit welchem di 
freien Kranken das Passivkonto belasten. 

Während wir also übel beraten wären, liehui" 
wir die Anstalten versinken, so werden wir doch. E 
andererseits um gründliche Wandlungen, ‘Na 
orientierungen und Neugestaltungen im Anstalts- A 
betrieb nicht herumkommen. Das Idyll der bs 
herigen Ideale dankt ab und an seiner Stelle er 
heben sich rauhe, aber klare Pflichten, die Pilici i 
der Leistungssteigerung bzw. Rentabilitätssteige 4 
rung, die Pflicht der Sparsamkeit und die Pilidif 
zu einer gewissen psychiatrischen Robustheit, 0g 
beispielsweise Dinge wie Massenbetrieb, Über” 
lung, Überlastung nicht mehr fürchtet, die auf Kondu.. 
fort, Schönheit, Üppigkeit und vieles zierlich ei y 
schmeichelnde der vom Alt-Scherbitzer Vorbild sf 
leiteten Blütezeit verzichtet. Das wird auch datif; 
zu geschehen haben, wenn, was sehr möglich ef 
scheint, eines Tages in Deutschland nur noch def 
großen Industrie- und Bankkonzerne über Mit 
verfügen und aus wohlerwogenem eigenen Inf 
esse ihrer Arbeiter und Angestellten die Landes” Hein 
anstalten in ihren Großbetrieb einfügen sollten. hr 

Jeder Abbau findet aber seine Grenzen in dnf | 
vitalen Notwendigkeiten. Dinge vE 
Heizung, Kleidung, Nahrung, Arznei und Bäder ER 
sowie, was das Ganze umspannt, Behausiis N 
sind und bleiben unerläßlich. Die nicht minder UT 
erläßliche Besetzung der Landesanstalten mit Fun 
schulten Pflegekräften sei hier lediglich erwäll l k 
Jene Faktoren nun sind zwar einer gewissen H ch 
schränkung zugänglich, aber sie sind nicht » 
zu entbehren. Wenn man sie nicht hat, mub e: | 
sie kaufen. Da gerade bei diesen. Objekten i Ka 
enorme Preissteigerung besteht, so wird alles r Kir 
die Frage hinauslaufen, inwieweit die groben Lar fric 


versorgung inre Lebensfähigke!t i ” 
erweisen. Be A. 
feliche f Her 


Es werden mithin alle nicht landwirtscha i ita 
Anstalten von vornherein ausscheiden a 4 i 
gleichen alle Zwergbetriebe. Die lebenst i a 


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Fire Minimalgröße des ertragsfähigen Anstaltsge- 
Findes hängt von zu vielen Bedingungen ab, um 
| lkemeingültige Normierung zu gestatten. Doch 
Fair läßt sich folgendes sagen: Wenn wir wieder- 
An von der Zahl 160 000 als von der Gesamtziffer 
Fir in Deutschland vorhandenen Anstaltsinsassen 
ausgehen und wenn wir annehmen, daß von diesen 
E00 etwa 40 v. H. dauernd landwirtschaftlich 
ütig sind, so haben wir in ganz Deutschland einen 
Bindigen Stamm von 64000 Garten-, 
Btall- und Feldarbeitern (= 16000 nor- 
fmen landwirtschaftlichen Arbeitern, die Arbeits- 
Festung des Kranken, wiederum äußerst vorsich- 
Fig, aut 25 v. H. der Arbeitsleistung des Normalen 
Feschätzt). Da nun die Leistungsfähigkeit eines 
Findwirtschaftlich tätigen Anstaltskranken 
iler Erfahrung etwa je 1 ha Gelände angemessen 
fsi so würde der genannte Arbeiterstamm zur Be- 
feling eines Geländes von 64000 ha ge- 
Flügen, das wären 128 Anstalten zu 500 ha. 

f Das ertragsfähige Areal von Alt-Scherbitz be- 
gt unter 300 ha. Die Anstalt Haina verfügt über 
360 ha, aber davon sind 6700 ha Wald, nur 350 ha 
erden agrikol bzw. hortikulturell bewirtschaftet. 
flana dürfte also Selbstversorgerin auf dem Ge- 
dete dr Beheizung sowie teilweise der B e- 
Pausung sein und überdies sich in der Lage be- 
Finden, aus seinem Reichtum abzugeben. ‘Dafür 
[eht sich ein großer Teil der anderen Landesan- 
[alten auf ein bei weitem geringeres ertragfähiges 
Areal beschränkt. So verfügt beispielsweise Em- 
Mendingen nur über knapp 60 ha, Wiesloch über 
Kichlich 60 ha, Teupitz inkl. Wald etwa 110 ha, 
Ohrawalde 8, Großschweidnitz weit über 100, 
Weinsberg noch nicht 80, Eglfing 183 ha, von den 
acht theinischen Anstalten (im ganzen 5000 In- 
sen) durchschnittlich jede 44 ha. Diese Ziffern, 
f Velche auf aktuelle Genauigkeit nicht ausnahmslos 
Spruch erheben, zeigen den außerordentlichen 
Mantitativen Unterschied in der Ausstattung der 
Kutschen Anstalten mit dem wichtigsten sämt- 


s 


her Wirtschaftskoeffizienten, mit Grund und 
e Diese Spannung ist so erheblich, daß 
ir „enzen in bezug auf Schwere des Bodens, 
; | Tagsfähigkeit, Düngungsmittel, Kulturstand, 
an nandensein geschulter Hände usf. sie 
auszugleichen vermögen. | 

en. . vorhin, daß wir auf ein in seinen 
mi; Eu Ichkeiten natürlich wechselndes, zah- 
oe, 5 aber gleich stark bleibendes stehendes 


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Sins ; i SIE 
N sassen in Deutschland zählen können und 


Esser Zahl entsprechen würden 128 Anstalten 
4 a. Für jede solche Anstalt stehen dem- 


nach 


‚von 64000 landwirtschaftlich tätigen An- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 3 


nach 500 landwirtschaftlich tätige Händepaare zur 
Verfügung, was nach dem obigen Schlüssel eine 
Gesamtkopfzahl von 1250 Kränken für die einzelne 
Heil- und Pflegeanstalt ergäbe. Die Größe des 
ertragslähigen Geländes würde also der Zahl der 
Arbeiter entsprechen, die Zahl der Arbeiter der 
Größe des ertragsfähigen Geländes. Die Arbeiter- 
ziffer dürfte der Wirklichkeit nahe kommen, die 
Arealziffer ist, wie wir sahen, imaginär. Wir hät- 
ten in dieser 1250 Köpfe-500 ha-Anstalt eine Art 
Modellanstalt vor uns und in gewisser Beziehung 
eine Idealanstalt. Freilich erscheinen die angege- 
benen Zahlengrößen recht hoch, vornehmlich die 
des Areals, nachdem bisher 100 ha guten Bodens 
als ausreichend für 1000 Köpfe galten. 

Es handelt sich um die Lösung der Frage: 
Wodurch können die Landesanstalten zur Selbst- 
versorgung, zur produktiven Unabhän- 
gigkeit gelangen?, und weiter: Ist die Selbst- 
versorgung bei den genannten Areal- und Arbeiter- 
ziffiern gesichert? Denn mit dem (Gegebensein 
dieser beiden Faktoren ist das Problem erst er- 
öffnet. i 

Wir werden uns in diesem Zusammenhange des 
Standpunkts von M. H. Cassel, München, zu 
erinnern haben, der die bestimmte Erwartung aus- 
spricht, daß bei höchster Steigerung des Nutz- 
effektes, des Reinnährwertes unserer pflanzlichen 
Nahrungsstoffe, bei höchster Steigerung der Sorg- 
falt in Anbau, Bearbeitung und Pflege seitens der 
Landwirtschaft sowie durch Bevorzugung von 
Weizen, Kartoffeln und Zuckerrüben im Bewirt- 
schaftungsplan, endlich, und nicht zuletzt, durch 
Verzicht auf Viehhaltung Ernten zu erzielen wären, 
welche den deutschen Boden befähigen müßten, 
125—155, ja 162 Millionen, äußerstenfalls sogar meh- 
rere hundert Millionen Menschen zu ernähren. 
Diese Zahlen sind als phantastisch zu betrachten. 
Die Fruchtfolge Weizen, Kartoffeln, Zuckerrüben 
war schon einmal in Sachsen eingeführt, aber ge- 
rade die hohe Intensität führte sich da selbst ad 
absurdum, weil der Aufwand an Düngung und die 
starke Ausnützung des Bodens, überdies, was uns 
ja weniger berühren würde, Schwierigkeiten in der 
Beschaffung der Arbeitskräfte und hohe Arbeits- 
löhne dem Versuch sehr bald ein Ende bereiteten. 
Auch ist für die Anstaltsbedürfnisse ein völliger 
Verzicht auf Viehhaltung nicht diskutabel. Immer- 
hin glaubt selbst Aereboe, daß 100 Millionen 
Menschen vom deutschen Boden ernährt werden 
können. Nur ist bei diesen agrikolbetriebswissen- 
schaftlichen Fragen erstes Gesetz, die Einseitig- 
keit zu meiden, die‘ Vielseitigkeit zu pflegen und 
die Zusammenhänge zu berücksichtigen, also, wie 


4 2... PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT Nj” 


sich die Arbeiten verteilen, wie sich die Kultur- 
pflanzen ergänzen, wie Acker und Wiese eventuell 
Acker, Wiese und Weide zusammenwirken u. dgl. 
mehr. Der echte Landwirt darf nicht ungeduldig 
werden und nicht zu viel experimentieren wollen. 
Andererseits rächt sich alles schematische Vor- 
gehen. Daran ist stets zu denken. 

Wie immer dem im einzelnen sei, wir werden 
für die großen Anstalten in Zukunft mindestens die 
gleichen Ergebnisse wie bisher erwarten und dem- 
nach die errechneten Normen der landwirtschaft- 
lichen Nutzungsstatistiken ohne Bedenken als 
Mindestziffer in Anschlag bringen dürfen. Da un- 
sere 64000 landwirtschaftlich tätigen Anstalts- 
pfleglinge eine Kopfzahl von, wie wir sahen, im 
ganzen 160 000 Menschen durch ihrer Hände Arbeit 
erhalten sollen, so spitzt sich die weitere Kalkula- 
tion- auf die Frage zu, ob und inwieweit 
das vorhandene er tragsfähige Areal 
der deutschen Anstalten genügt, jene 
Menschenmenge zu ernähren. Da uns genaue An- 
gaben über dieses Gesamtareal nach Hektaren 


nicht zur Verfügung stehen, müssen wir die Be-: 


rechnung in anderer Weise in Angriff nehmen; wir 
müssen festzustellen suchen, wieviel er- 
traesfähiges Gelände von vornherein Vor- 
aussetzung ist für die bloße- Möglichkeit einer 
Lösung ienes Problems der Selbstversor- 
gung der groben Landesanstalten. 

-- Wir könnten vom Kalorienstandpunkt ausgehen 
und uns ins Gedächtnis rufen, daß der Erwachsene 
täglich 3000 Kalorien, allermindestens 2000 Kalorien 
braucht, daß also für unsere Pflegschaft von 160 000 
Menschen täglich die Produktion von 480 Millionen 
Kalorien gesichert sein müßte und im Jahr von 
365 mal soviel. Diese Größen schwanken bekannt- 
lich gewaltig nach der Form und Art der Verkörpe- 
rungsform der Kalorien. In Gestalt von Schweine- 
fleisch z. B. braucht der Erwachsene das fünffache 
der Kalorien aus Korn und Milch, w.e wenn er sich 
‚diese Stoffe direkt assimiliert; 1 kg Rindfleisch lie- 


E ïert 1719 Kal., 1 kg „Getreidewert” 3000 Kal., 1 kg 


Nährhefe 4250 Kal., sogenanntes vollständiges Ei- 


, weiß, ferner Fette bieten hohe Werte, sind gewis- 


sermaßen Kalorienkonzentrate, Kalorienakkumula- 
toren, Gemüse, Obst, noch mehr Pilze leisten 
wenig. Indes die kolossalen Zahlen bei der Kalo- 
rienberechnung wirken unhandlich, ihre Benutzung 
erscheint also unpraktisch; und da überdies die 
Kalorienfrage in keiner Weise erschöpiend iden- 
tisch ist mit der Ernährungsfrage (Vitamine, psy- 
chische Momente, Qualitatives, Nährsalze), so wer- 
den wir vorziehen, auf einem anderen Wege 
unsere Berechnung zum Ziele zu führen. 


h -EN Fe 4 


Die Zahl der Menschen, welche ein ertrag 
fähiger Hektar ernähren kann, ist errechnet; sie nt 
schwankt natürlich enorm mit der Art des Prof" 
dukts und seiner Verwertung. Danach ernährt, be Fir 
Mittelernte, 1 ha Weizen oder Roggen fünf Merg“ 
schen, 1 ha Hafer vier a 1 Hektar Kur. | 
toffeln 7,7 Menschen, 1 ha Raps acht Menschen wn 
und 1 ha Zuckerrüben 19,5 Menschen, während mo 
I ha Futter als Veredlungsprodukt, also als Fleis! 
verbraucht, nur zwei Menschen ernährt. Dis ® 
Erträge sind in gewissen Grenzen zu steigern, z E 
sogar sehr erheblich, so daß 1 ha Kartoffeln W w 
39, 1 ha Roggen bis 9,4 Erwachsene soll ernährt! 
können. Wir dürfen hiernäch ohne weiteres sagen 
daß wir unsere 160000 Schutzbefohlenen mif" 
unsern 64000 Händepaaren auf den suupponiertl a 
64000 ha glatt selbst erhalten könnten und meh" 
als das. Wenn wir beispielsweise die 64000 hif 
anbauen mit Weizen 10000 ha, Roggen 10000 uf"! 
Hafer 10000 ha, Kartoffeln 20 000 ha, Zuckerrübe X 
10.000 ha und Raps 4000 ha — realiter würden wie" 
natürlich auch in reichster Fülle Hülsenfrüchte, ier E 
ner Mais, Wälschkorn bauen unter Einschränkung 
des Hafers — so ernähren wir’nach der obige 
Lesart bzw. 50.000, 50 000, 40.000, 140.000 (niedigf g 
geschätzt) 190000 (niedrig geschätzt), 32000 =f % 
502000. Menschen, also 342000 mehr, über in 5 
Doppelte mehr, als die Forderung beansprucht E 
Selbst wenn wir, was aber das Gesetz der Spat: [165 
samkeit strengstens untersagt, reichlich Futter als 
bauen würden, würden wir noch mit enormel = 
Überschüssen arbeiten und weitgehend ausfuhrfde E 
hig sein. Mithin sind unsere imaginären Normal e 
anstalten mit ihren 500 ha für Anstalls 
zwecke übermäßig und überflüssig grob, “is 
Drittel des Areals würde ausreichen. Für eine 
Anstalt von 1250 Köpfen genügt waährscheinlilff & 
ein ertragfähiges Gelände von 160 bis 170 T 4 
[Das macht auf 1000?) Köpfe etwa 130 ha] 


Für diese 165 ha könnten wir folgend pu y 


entwerfen: 

| š Mit 

60 ha Kartoffeln . . . . . 2. + 20 Em 

40 ha Weizen E S OUA e EAA KEE AA A] 200 e Mmi 

20 ha Roggen . . 5200 

20 ha Zuckerrüben (davon 4 ha als nt f. 
Fatterboden).. ; -= < Ca md = 

5 ha Flafer- . D r a 

20 ha Ölfrucht (Raps, 'Leinsamen) 160 1 ag 


i. S. 165 ha ER Bee r 


pi 
°) Kolb fordert für 1000 Köpfe miese Al 
(Gütige schriftliche Mitteilung.) | ; 


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l D as ur > x 
= INC T A AA Th RN y - 3 

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ru, ur, 
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en ar Be 
um‘ Eee S Ñ e 
nG ie] 9 


f _ 
Í Das wäre ein Modus der Bepflanzung. Er 
at Nachteile. Der Futterbau tritt sehr zurück. 
Warum wissen wir. Aber, obwohl das wenigstens 
{r die Beschaffung des Stallmistes keine Beden- 
ken birgt, da wir diesen durch Gründüngung er- 
wizen können, — fraglich möchte es doch erschei- 
fin, ob eine derartige Reduktion zulässig ist, 
fohlgemerkt für den Betrieb der 
Einzelanstalt. 

Wir können ja selbstverständlich noch ganz 
andere Pläne entwerfen. Lassen wir z. B. mehr 
Kartoffeln und Zuckerrüben bauen, etwa je 10 ha 
ehr, so vermögen wir noch weitere 140 -+ 190 
=3%0 Leute zu ernähren, von welchen nur die in 
Abzug kämen, die infolge Fortnahme vom Ge- 
‚finde andrer Anbaupflanzen entfallen müßten, also 
twa bei Hafer (entsprechend 10 ha) 40, bei Wei- 
im (entsprechend 10.ha) 50 = 90 Köpfe, so daß 
i merhin noch ein Mehr von 240 bliebe. Die Mo- 
Wllanstalt dürfte also möglicherweise ruhig 1500 
Köpfe (statt 1260) zählen, ohne Sorge, daß diese 
Mangel leiden müssen. 

2 Oder nehmen wir etwa folgende Einteilung vor: 


2 1. 

o RRE GT E A A 46bleen 
Ela Weizen oe a 0°... 2250 
‚ha Zuckerrüben . . . 1045198 
a Ölteichte ... ....2......2:_160 pE 
[65 ha 1815 | 


lo 500 bis 600 über den Bedarf! 


4 Ës ist klar, daß weitere Steigerungen der An- 
quote jener höchstleistenden Kulturpflanzen 


# tiesige Erhöhungen der denkbaren Anstalts- 
opizahl gestatten würden. Wir haben ja gesehen, 


E @rstalt gesprochen! — ihre Grenzen fin- 
Eeo soll doch auch führend nicht der Ge- 
R möglichst viel aus dem Boden heraus- 
E aiten, sondern die uns anvertraute Kran- 
E en gut, wenn auch möglichst ein- 
t de = ernähren. Es läßt sich ja direkt Unfug 
Merlich tatistik treiben, so wenn wir die küm- 
ki 60 ha Emmendingens FN- tO tO- ums 
tzählen re rüb en bepflanzt denken und nun 
E00 ab wir Selbstversorger für 1140 Köpfe 


Mr eu Aber auch hier wird dieser Unsinn 
eh u zur Vernunft, wenn wir den Be- 
lan e ürinisse und Stoffwechsel der Ein- 

a Stalt zuschneiden. Wir werden sehen, 
om 5 ganze Geschichte ein anderes Gesicht be- 


Aigen ausgehen. 


‚Kartoffeln und besonders Zuckerrüben) weitere, 


ab diese Pläne — allerdings immer für die Ein- 


men) wird uns obliegen. 


Mt, x . 
“o Wenn wir von großen neuen Vorausset- 


-_ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 5 


Im Kleinbetrieb der selbst arealreichsten Ein- 
zelanstalt werden wir uns raten lassen, und das 
Hauptgewicht auf Erzeugung von Kartoffeln und 
Brot bzw. Kartoffeln, Brot, Hülsenfrüchten und 
Zucker legen. An dieser Stelle müssen wir uns 
mit allgemeinen Hinweisen begnügen. Es: wird 


wichtig sein zu wissen, daß der Brotkonsum vor - 


Einführung der Kartoffeln ein unvergleichlich viel 
höherer war als jetzt; daß das Eiweiß des Brotes 
durch das Eiweiß von NHülsenfrüchten, daß Fett 
durch Kohlehydrate weitgehend ersetzt werden 
kann, daß die Notwendigkeit der Abwechslung in 
der Nahrung nicht so unbedingte Dringlichkeit be- 


sitzt wie der Verwöhnte glaubt, daß man lange 


Zeit ausschließlich von monotoner Nahrung leben 
kann, wenn sie nur der vital wichtigsten Bausteine 
nicht entbehrt (z. B. sogar lediglich von Kartoffeln 
+ Leinöl oder -+ Fett), daß der wirklich dring- 
liche physiologische Eiweißbedarf hinter den frü- 
heren Schätzungen bei weitem, um drei Viertel der 
ursprünglichen Menge, zurückbleibt, daß die Zu- 
sammenstellune Brot (dunkles, kleiehaltiges) -+ 
Fett + Zucker + Obst (oder Gemüse) eine voll- 
kommen ausreichende Kraftquelle darstellt, daß 


Erbsen, Bohnen, Linsen überaus eiweißhaltig, dab 


von den Gemüsen am eiweißreichsten (und eisen- 
reichsten) Spinat ist usw. Aber ebenso wichtig 
ist für uns das ständige Bewußtbleiben, daß wir 
es mit Kranken zu tun haben, die Individualitäten 
sind, die z. T. (viele von den restierenden 60 v. H. 
unsrer Gesamtmenge s. oben) eine besonders kräf- 
tige und dabei leicht assimilierbare Nahrung brau- 
chen, und die schon deshalb Rücksichtnahme auf 
seelische Bedürfnisse heischen, weil sie eben see- 
lisch krank sind. Daß auf Mastviehhaltung, auf 
Schlachtvieh, auf irgend reichlichen Fleischgenuß in 
Zukunft seitens der Anstalten aufs rigoroseste ver- 
zichtet werden muß, darüber herrscht zurzeit kei- 
nerlei Zweifel mehr. Milchwirtschaft”dagegen, so- 
wie Kleintierzucht, werden sorgsamst zu pflegen 
sein, weil ohne Milch, Butter, Eier und zartes Fett- 
fleisch . empfindlichere Organismen, Riekonvales- 
zenten usw. nicht bestehen können. Man be- 
denke, daß z. B. mit 1,5 1 Milch der Fettbedari 
des Erwachsenen schon ganz und sein Eiweißbe- 
darf halb gedeckt ist! Auch Schweinezucht, die 
allein mit Küchenabfällen und Speiseresten aus- 
kommt (je 100 ha darf man 40 Schweine anneh- 
Hühner laufen so mit; 


fahrbare Hühnerställe wirken 


ertragssteigernd. 


Daß die Fignung des Betriebslejivers ii Hart 
höchste Bedeutung besitzt, versteht sich. Die An- 
stalten sind in erster Linie. Krankenanstalten, keine i N ; 
Arbeitshäuser. Auch für alle diese Dinge bietet at 


6 ©  _ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


sich auf den 165 ha ertragsfähigen Bodens unserer 


Normalanstalt noch Platz genug.?) 

Freilich bewegen sich unsere bisherigen Aus- 
führungen in der Hauptsache um das Thema 
„Selbstversorgung in der Ernährung” Zur 
vollen Selbständigkeit, zur Unabhängigkeit von 
Valuta, Preistreiberei usw. gehört, wie wir ein- 
gangs schon aufzählten, auch die Selbstversorgung 
in Behausung, Beheizung, Beleuchtung, Bekleidung 
und in Arznei und Getränken. Sogar auf Entwick- 
lung einer eigenen Industrie würde da schließlich 
Bedacht zu nehmen sein. Ob diese volle sowohl 
. Selbstherrlichkeit wie Selbstbedienung à la Robin- 
son Crusoe durchführbar ist, bleibe dahingestellt. 
Haina mit seinen großen Forsten wäre gewiß in 
der Lage, auf dem Gebiet der Beheizung und des 
Häuserbaus, zum mindesten der Zimmermannsar- 
beit und der Schreinereiarbeit, aus Eigenem sich 
zu helfen. Aber die wirklich ganz selbständige An- 
stalt würde darüber hinaus noch Bedarf haben 
nach eigener Kraft (Strom), nach Textilien (Flachs- 
bau, Hanfbau — für das sich wohl einige Hektar 
erübrigen ließen "—, Schafzucht), nach pharmako- 
logischen Drogen, ev. nach Rebgelände, nach 
Hopfen und Malz. Auch dann bleibt noch die Auf- 
gabe der Lederbeschaffung (Beschuhung) ungelöst. 
Unter solchen Ansprüchen allerdings würde der 


von uns angenommene Normalschlüssel 1250 Kran- 


ke — 165 ha, ins Wanken kommen, und wir wür- 
den gut tun, schon aus diesem Grunde 
beträchtlich mehr Gelände zu fordern, wieviel 
mehr, das zu errechnen muß landwirtschaftlichen 
Experten überlassen bleiben. Aber es gibt ja auch 
noch eine andere Lösung: Tauschhandel, 
um primitiv zu sprechen, Verkauf bzw.Lom- 
bardierung, um modern zu sprechen, derjeni- 
gen Objekte (Goldwerte), welche die Anstalt über 
ihren Bedarf hinaus erzeugt. Darüber gleich und 
zum Schluß mehr. 


Nun aber erheben sich mit Eindringlichkeit drei 


Fragen. Zunächst: was soll mit den überschüssi- 
sen Arbeitskräften geschehen? Wir waren doch 
ausgegangen von der imaginären Normalanstalt 
500 ha — 1250 Köpfe — 500 landwirtschaftliche 
Arbeiter, waren dann aber im Verlauf unserer 
Nachweise zurückgehuft bis auf 165 ha. Sonach 
besitzt doch = T’ha = 1 Arbeiter — jede unsrer 
imaginären Normalanstalten über 300 (335) Arbei- 
ter zuviel. a T 

Die zweite Frage der Kritik hat zu lauten: was 
sollen alle diese Bewirtschaftungs- und Anpflan- 
zungspläne, wenn zahlreiche unsrer deutschen An- 


3) Siehe jedoch oben die Fußnote Kol a 


-.steht, wenn z. B. auch die Bodenart für so manif 


sondern gegen Entgelt ausleihen kann. Nu 


durch direkten Eintausch (entsprechende V 


stalten auf ein so geringes Gelände beschrälif 
sind, wie wir das oben an einer Reihe von Bif 
spielen gesehen haben, wenn vielerorts gar kemi 
Möglichkeit zur Realisierung des Skizzierten te 


Anbaupflanze, wie etwa Zuckerrüben, in ken 
Weise tauglich ist u. dgl. m. 4 

Daß aber hiermit unsre ganze Darlegung dif 
müßige Spielerei entlarvt sei, trifft nicht zu, ME 
gesehen davon, daß auch Arbeitshypothesen, af 
Fiktionen ihren heuristischen Wert haben, und alf 
viele unsrer Einzelheiten in ihrer positiven Of 
tigkeit für unsre Fragestellung von jenen Einwirg 
fen unberührt bleiben, werden wir sogleich Wf 
merken, daß alles nicht unüberlegt und nicht wf 
begründet war. f 

Der dritte Einwurf nämlich muß darauf ai 
merksam machen, daß ein völliger Verzicht af 
Viehhaltung, also auf Futtererzeugung tl ! 
Unding sei. Wir werden dem beipflichten, wig 
unsre Antwort auf diese Frage 3 wird gleichzeitig 
Antwort geben auf Frage 2. Wir brauchen nmg 
lich Zugvieh, Milchvieh und ev. Wollvieh (Schattig 
Was die letzteren betrifft, so fallen sie für die Wif 
teilung der HMektarbepflanzung kaum ins Gewidl ä 
man pachtet Weggelände, Raine, Unland usw. iE 
kommt damit aus. Das Zugvieh läßt sich duroi i 
Verwendung von Kleinmotoren weitgehend, u 4p 
eanz ersetzen, schwierigere Geländestellen wif 
den durch unsre reichlichen menschlichen Arbeng 
kräfte von Hand (Umspaten) besorgt. Diese Mig 
toren (Pflüge usw.) werfen nebenbei direkten yi 


4 
zen ab, da man sie nicht das ganze Jahr bad | 
n abeh 
Natürlich kann man - schlieBldF 


das Milchvieh! i 
Ti 


auch auf dieses verzichten, nämlich dann, y 
man dessen Produkte (Milch und Butter, eV. Kas | 
welche für Anstaltszwecke unbedingt. beschi 1 
werden müssen, aus den Überschüss 
des eigenen Betriebes erwirbt, sei A 
ertr 
mit andern Produzenten), sei es aus den Bae 
winnen der versteigerten oder verkauften eigelt 
Bodenerträge. Wir werden sehen, dab die ER 
zügige Organisation, die wir am Schluß peang 
gen, diesen Weg als-gangbar, ja vielleicht als T 
einzig praktischen erscheinen läßt. Während | 
überall Arbeitspersonal fehlt, erfreuen sich dies | 
ßen Landesanstalten eines Überangebots, W Ji 
drängt sich der Gedanke geradezu aui, | en 
Überfluß nutzbar zu machen durch stärkste n E 
sivierung der Bodenkultur, vor allem durch ah 
nung des Hackfrüchtebaues, also von Rice m 
sonderheit von Zuckerrüben. Erinnern. WI OT 


| 
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| 
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A 
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Br Fr. 3 Dur 


IN 1922) 


Aab wir, wenn wir alles mit Zuckerrüben bebau- 
dfn mit den 60.000 ha, für welche die deutschen 
"f Anstalten Händepaare besitzen, mehr als eine Mil- 
Klon (statt 160.000!) ernähren könnten! Gerade 
Hauch für weibliche Patienten ist die Arbeit auf die- 
uf sen Feldern außerordentlich geeignet, sie ist eben- 
Tu bekömmlich wie produktiv. Überdies würde 
fin gewisser Viehstand seine Lebensbedingungen 
finden, weil die Abfälle (Rübenblätter, ev. einge- 
df suert, Rübenschnitzel) zur Verfütterung sich eig- 
fen, was vom Standpunkt der Betriebsrentabilität 
if wichtig ist, nachdem die Sache unverhältnismäßig 
tf kuer wird, sowie Kraftfutter zugekauft werden 
mu. Endlich führt der Hackfrüchtebau ganz all- 
Fsemein zur Hebung der Bodenkultur, zur Beseiti- 
gung von Unkraut und Schädlingen, darf also auch 
Faus staatlichen und völkischen Rücksichten auf Be- 
up vorzugung Anspruch erheben. 

uf Wir sehen, daß zwar alle Einwände voll be- 
üfrechtigt sind, daß sie uns aber nicht tangieren, und 
If zwar deshalb nicht, weil es sich eigentlich gar 
Fpnicht um Einwände handelt, sondern um Ergän- 
ug ungen und um Weiterdenken.: Selbst wenn es sich 
“nämlich herausstellen sollte, daß unsre ziffermäßi- 
I ‚gen Schätzungen und Berechnungen an den gröb- 
n ‚sten Fehlern leiden, so würde doch an der einen 
“Fstindlegenden Tatsache nicht zu rütteln sein, daß 
tie meisten, wenn nicht alle Anstalten ihre Kran- 
if ken nicht voll oder doch nicht alle Kranken voll 
Wf beschäftigen, daß sich aus den Anstaltskranken 
foch weit mehr herausholen ließe, daß viele Ar- 
f Veitskräfte in den Anstalten brachliegen. Das 
Wort „die Anstalten erziehen zum Nichtstun” ent- 
i ehrt nicht einer gewissen tragischen Wahrheit. 
T Wenn jetzt Ansichten sich vernehmen lassen, man 
fd die akuten Kranken schärfer zur Arbeit 
| leranziehen müssen, weil man sich mit Rücksicht 
Fl die Armenverbände, verarmenden Familien 
FW. genötigt sehen werde, möglichst viel chro- 
f sche Kranke zu entlassen, so ist darauf nichts 
f "seben. Die Idee, die Ertragsfähigkeit der gro- 
| 4 Anstalten durch die Arbeit der akuten Fälle in 
| pen heutzutage unerläßlichen Grade zu erhöhen, 
y utet phantastisch an. Nein, wir werden im Ge- 
Fetteil den größten Wert darauf legen, den alten 


| En uns zu erhalten, und den Druck der Zah- 


f “teichtern. 

; a bleibt also dabei, daß zahlreiche menschliche 
Ehe einheiten in den Anstalten feiern, müßig ge- 
PaM 
o Mangels an Gelände. 
| "real, um so mehr Müßiggang und um so mehr 


P ngspilicht in anderer Weise, am sachgemäßesten 
f “valent der Arbeitsleistung in der Anstalt, zu. 


‚steril liegen, und dies in allererster Linie 
Je weni- . 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 7 


wirtschaftliche Abhängigkeit. Das ist das eher- 
ne Landgesetz! 

Wir- brauchen, daran sei festgehalten, für 
unsere 160 000 Anstaltsinsassen = 64000 landwirt- 
schaftliche Arbeiter insgesamt mindestens etwa 
10- bis 20 000 ha und könnten brauchen die 
vollen 64000 ha. Das eine wäre das Existenz- 
areal, das andere das Arbeitsareal. Wie 
lösen wir nun das Problem, an dem 
die groben Landesanstaltenlaborie- 
ren: Überfluß von Arbeitskräften 
bei Mangel an Gelände? 

Wir dürfen in Deutschland uns den Luxus 
der lässigen, der feiernden Arbeit nicht mehr lei- 
sten. Daß die Anstalten aussterben, erweist sich 
als Märchen, schon steigen die Aufnahme- und die 
Bestandziffern wieder an. Wir haben also auf der 
einen Seite einen ständigen Stamm von rd. 60 000 
nicht voll beschäftigten Landarbeitern, auf der an- 
dern Seite — eine freielandwirtschaftliche Bevölke- 
rung, die zum Teilin einem sich verschärfenden Maße 
das Gemeinwohl beiseite setzt und bei ihrem Be- 
trieb nur an Hochzüchtung des allerpersönlichsten 
pekuniären Gewinns denkt, mithin nicht das an- 
baut, was dem Allgemeinwohl frommt, sondern 
das, was am meisten Geld bringt. Häufig um- 
schnürt das Gelände dieser Privatbesitzer das An- 
staltsgeelände in entmutigender Weise. Dieser 
Bann sollte gebrochen, den Anstalten die Mög- 
lichkeit der lebensnotwendigen Ar- 
rondierung gewährt werden. 

Daß die Erfüllung dieses Gedankens soziale Be- 
deutung besitzt, leuchtet ein, wenn wir uns ver- 
gegenwärtigen, was die großen Landesanstalten, 
welche öffentliche (staatliche oder solche der 
Selbstverwaltung) sind, für die Volksernährung 
und Volksversorgung bedeuten könnten, sobald 
man ihre Kräfte voll entfalten, d. h. vereinigen und 
nach einheitlichen, einander ergänzenden, à. la 


Taylor arbeitenden Maßgaben ansetzen würde. 


Und so formulieren wir denn zum Schluß folgenden 
Antrag, der die Ergebnisse unsrer Überlegungen 
zusammeniaßt: 

1. Die Bestrebungen in Sachen Reichsirren- 
gesetz sind im Sinne einer wirtschaftlich 
orientierten Gesamtorganisation des 
ganzem deutschen Irrenwesens u 
benützen und zu leiten. | 

2. Die großen Landesanstalten werden Reichsan- 
stalten. ERRE 

3, Eine Reichszentrale, welche über alles 

statistisch Erfaßbare im großen informiert ist, 
ordnet und leitet in großen Zügen den wirt- 


1 o bader zu nehmen. 
= ganz ausgeschlossen und 


8 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


schaftlichen Betrieb sämtlicher öffentlichen 

deutschen Heil- und Pflegeanstalten nach ein- 
heitlichen Grundsätzen wie einen 
einzigen aufausgleichende under- 
sänzende Gegenseitigkeit einge- 
stellten Betrieb. | 

4. Die Reichszentrale setzt nach Anhörung der 
‘Landeszentralen, die wiederum auf die 
Direktionen der Landesanstalten zu- 
rückgreifen, alljährlich einen Bewirtschaftungs- 
plan fest, der nach einheitlichen Gesichtspunk- 
ten über das ertragsfähire Gelände aller deut- 
schen Heil- und Pflegeanstalten und seine Aus- 
nützung im-Sinne höchstmöglicher Ertragsstei- 
gerung verfügt. 

5. Die Heil- und Pflegeanstalten erhalten das Recht 
der Enteignung. 

6. Den Umfang des Enteignungsverfahrens be- 
stimmt im Benehmen mit der Reichszentrale 
und auf Vorschlag der betreffenden Direktion 
die vorgesetzte Behörde (Regierung, ev. die 
Landeszentrale). | 

7. Ein besonderes Gesetz bewirkt den Vollzug. 


Jede Zentralisierung birgt die Gefahr der Bu- 
reaukratisierung, der Schematisierung, der Entar- 
tung. Die moderne Psychiatrie ist das Werk, das 
eigenste Werk der Psychiater, vor allem der 
deutschen (Paetz). Wenn wir nicht wollen, 


Der derzeitige Stand der Ernährung in den Irrenanstalten. 


A em die Bäderbehandlung ') durch die Um- 
frage in Nr. 33-34, XXIII der Psychiatr.-Neu- 
rolog. Wochenschrift einige Klärung erfahren 


1t) Im Zusammenhang mit der Bäderbehandlung 
taucht eine andere Frage auf, die nachträglich erwähnt 
sei. Vor dem Kriege, als wir noch reich waren und 
freigebig sein durften, mag es in einzelnen Anstalten 
- Brauch gewesen sein, Angestellten und deren Familien- 
` mitgliedern, sofern in der Wohnung keine Badeeinrich- 
tung vorhanden, zu gestatten, in der Anstalt Reinigungs- 
Dies ist heute selbstverständlich 
unzulässig und bei den 
von Öffentlichen Badegelegenheiten weit entfernten An- 
stalten natürlich nur gegen angemessene Bezahlung 
statthaft. Personen, die mit der Krankenpflege unmit- 
telbar zu tun haben, wie Oberpflegepersonal und Pflege- 
personal, müssen aber auch weiterhin kostenlose Reini- 
gungsbäder in der Anstalt gewährt werden, und Ärz- 
ten, soweit sie in ihrer Wohnung kein Bad haben. 

Ähnlich verhält es sich hier und da vielleicht noch 
mit manchen anderen, wenn auch kleinen, zum Ge- 


wohnheitsrecht gewordenen Vergünstigungen, LI p EE h a OS 


entgeltliches Rasieren. 


nicht stattfindet, im allgemeinen schätzt 


er 


daß. der grüne Tisch zum Prokrüstesbett für def 
Anstaltspsychiatrie werde, muß -die ausschlagge 
bende Bedeutung der Ärzte unangetastet di 
stehen und in der Neuorganisation neu gewälrl | 
stet werden. Nur dann, aber dann auch bestimni | 
werden die Worte des Meisters von Alt-Scherigf 
ihren Klang behalten: „Die Rücksicht auf das gif 
stige und körperliche Wohl der Kranken mub «f 
wichtigste Grundsatz in jeder Anstaltsver waltu ii 
bleiben.” ] 

4. Dezember 1921. 


Bemerkung bei der Korrektur: Menel 
Vorschläge entbehren nicht ganz der Vorgäneif 
In seinem Artikel: „Die Kranken- usw. Anstalt 
als Selbstversorger“ (diese Zeitschrift 21. Jain 
1919, Nr. 23/24) schlägt der Herr Herausgebif 
ebenfalls Enteignungsmaßnahmen (Punkt 5 bis? 
bei mir) vor. Seine Ausführungen, die auch eii | 
Übersicht über die Geländegröße der deutschäf 
Anstalten enthalten, haben damals schon die Zi 
stimmung des Reichsministers des Innerif 
gefunden, der freilich die Schwierigkeiten Wf 
tonte, welche aber sicherlich nicht ùnüberwing 
lich sind. $ 

In diesem Zusammenhang sei noch yerwiesti ! 
auf Bresler: Die wichtigsten ‚landwirtschalt i 
lichen Zahlen und Tabellen. Halle 1906, Verl ; 
Marhold. 


A AS an rt zit 
$ n i >, 4 ee -- wa 
ne EEE F a t ha 


hat, schien es zeitgemäß, die noch wichtigere Frag 
der Beköstigung und des Ernährungsstandes 2 zul 
kurzen, aber möglichst vielseitigen Aussprache A al 
bringen. Zu diesem Zwecke hatte ich an eine Ar 
zahl Anstalten ein Rundschreiben mit folgend i 
Fragen gesandt: #4 

Welche Nährwertziffern wurden in den ea 
Jahren oder werden gegenwärtig errechnet f 
Arbeitende, Erregte, ruhige Unbeschäftigie, . 
Bettlägerige usw., für Pfleglinge der unterstäl 
Beköstigungsklasse, in etwa vorhandenen nane 
Klassen, bei den Angestellten usw.? 


Wie ist, falls Feststellung der | 


| 
| 


die Ernährung zu beurteilen? he 

Wie wird der Teuerung und den Mangal W 
gegnet? pi 

In welcher Weise wird gewährleistet, dal ; 
einzelnen Beköstigungsklassen und -formen gona , 
nach den für sie getroffenen Anordnungen um Be 
stimmungen hinsichtlich der Menge sowie hin u 


ina 
D Br . 
> Dur ” 
= 5 ’ 
A Be 

Bir v 

me ETY 
AF 107 
7 ` 17u A D > 
k 


4 ich Er Art der Zubereitung auf die Abteilungen 
nd zu den Kostteilnehmern gelangen? 


Quittiert die Köchin über die empfangenen Roh- 
Mnerialien- im ganzen oder empfängt sie die Roh- 
| mterialien getrennt für die einzelnen Bekösti- 
1 fingsgruppen und quittiert sie demgemäß im ein- 
i ae? 

In welcher Weise werden die Speisen auf den 
Ei Ihtelungen geprüft (hinsichtlich Geschmack, Ge- 
i wicht)? 

t -Erhalten Ärzte und Oberpflegepersonal den 
gi iglichen. Beköstigungsnachweis mit Angabe der 
i Kopf und Tag zu liefernden Menge regelmäßig 
f igchändigt? 


Finden regelmäßige Körperwägungen statt? 
lie oft? Welche Ergebnisse, welche Beobach- 
i i gen? 

1 Weitere bemerkenswerte Erfahrungen und et- 
i Waige Vorschläge (z. B. Fischgerichte, Fischwurst; 
! } file: Bezugsquellen usw.). 


i Den Einsendern der nachfolgenden Beiträge sei 
l Bestens gedankt. Weitere sind willkommen; um 


g baldige Einsendung wird höflichst ge- 
; ften. 


 Derselbe Gesichtspunkt wie bei den Bädern, kommt 
ach hier in Betracht: Zuerst die Kranken! 
l An Angestellte dürfen Produkte der Anstaltslandwirt- 
| Schaft und -gärtnerei nur verkauft werden, wenn die 
| i itiorderniisse einer guten und reichlichen Krankener- 
l k E: restlos erfüllt sind. Danach ist wohl heute 
‚in Anstalt mehr in der Lage, Erzeugnisse, besonders 
ich und Eier abzugeben, sie müßte denn ausnahms- 
Weise eine im Verhältnis zur Krankenzahl sehr umfang- 
I ih Landwirtschaft und Gärtnerei haben. 

| k B PESTET. 


d 


Ich Schicke voraus eine Aufsteliuie des Statisti- 
Bien Amtes über den Nähr-Geldwert der 
"tbensmittel, welche in den „Breslauer 
Neuesten Nachrichten” Nr. 70 vom 12. März 1922 
A öiientticht ist (s. nebenstehende Tabelle). 


Das Statistische Amt bemerkt dazu: Betrach- 
| T nun unsere Nahrungsmittel daraufhin, wie 
L Prei iir Gehalt an Brennwerten gegenüber dem 
Se verhält — das ist der Nähr-Geldwert 
l foer man mit Erstaunen wahrnehmen, dab 
F ni teis manches hochgeschätzten Nahrungs- 
In S in keinem Verhältnis zu seinem Nährwert 
Ex daß man z. B. für 1 M bei den verschie- 
l Piren, tungsmittein ganz verschieden große 
f vid & Timengen kaufen kann. Nur allzu häufig 
i geringer Nahrungswert für einen höheren 


Ain 
u Eee eingetauscht, Aber auch hier mit Un- 


| 


| 


Lebensmittel. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT | 9 


TE- Für 1 M erhält 

Es kosteten am 1. März 1922 |s2,,| ma 

500 g oder 1 Pfund n. Se PE 

durchschnittlich ea? 5 855 

FM... 5 |£8? 

Apielsinen . 15,-—| 180] 33 12 

Hühnerei = 50 g Stek, 3,60 30; — 1 -709 |: T420 

WeiBkohi im s ; gaei: T2000 24 
Schellfisch, groB, 

im Ausschnitt: x ...13,— A10 i39 32 
Sauerkrauts..: 2." 35-007 33 
Rindfleisch, Koch- 20, 5.7001: 29=12.35 
Äpfel, EB- 6,— 1 240183 740 
Mohrrüben 3,501 160] 143 46 
Feigen, Kranz- . 16,—|1190] 31 74 
Butter, Melkerei- 50,— 13800] 10 76 
Schweinefleisch, Bauch . 26,—]|1990]| 19 77 
Butter, Land- . . 45,—1|3800| 11 | 84 
Speck, Räucher- . 40,—14100| 13 | 103 
Milch (Vollmilch) 

We. D i TFAA REDL AN iE kok ESEA E ES 
Linsen“. ‘; 11,50]1360| 44 | 118 
Käse (Weilikäse) 5,—1! 650! 100 | 130 
Margarine, mittl. 285137304. :1821:284 
Nudeln 9,5011600] 53 | 168 
Kartoffeln . 1,90 | 3501| 263 | 184- 
Erbsen . 6,9011355| 72 | 196 
Weizengrieß 7,5011600] 67 | 213 
KOLS er 8,—117051| 63 | 213 
Roggenbrot i. ir. H. 5,—111001.100 4-220 
Graupen, grobe 7,25|1640| 69 | 226 
Weizenmehl i. fr. H. 7,— 116251 71 | 232 
Haferflocken 6,501 17001 77 | 262 
Bohnen ; 5,5011590|. 91 | 289 
Hering, norweg. Salz ; 2:4.0:1::7834 LSS A-290 
Roggenbrot a. Ms -< = 3,4011100]147 | 324 
Weizenmehl a. M. . . . 4,20]1025] 119 | 387 


| terschied. Die Feigen enthalten z. B. für dasselbe i 


Geld fast doppelt soviel Brennwerte wie die Apfel 
und mehr als sechsmal soviel wie die Apfelsinen. 
Die vorstehende Zahlentafel ergibt einen Überblick 
über den Nähr-Geldwert der gebräuchlichsten 
Auffällig ist dabei der geringe Nähr- 
Geldwert der Hühnereier, der nur etwa ein Sech- 
stel des Nähr-Geldwertes des Räucherspeckes 
und nur ein Zehntel der Erbsen beträgt. Natür- 
lich schwankt die Zahl «der Brennwerte, die man 
für 1 M in jedem Nahrungsmittel erhält, nach dem 
Preise. Es ist deshalb beabsichtigt, die Über- 
sicht mit den nötigen Änderungen von Zeit zu Zeit 
zu wiederholen. Für die denkende Hausfrau und 
auch für die Belieferung der Anstalten kann die 
Tafel eine gute Unterlage sein, um mit wenig Geld 
möglichst viel Nährwerte kaufen zu können. 


10 Eh CE A ERCO CE WOCHENSCHRIFT 


I. Wir haben keine Nährwertziffern in den letz- 
ten Jahren bei der Beköstigung errechnet. 

Seit dem 15. Juni 1921 ist in allen Provinzial- 
Heil- und Pflegeanstalten eine sogenannte Ein- 
heitskost für alle Klassen eingeführt worden. Es 
besteht nur nebenher noch eine Krankenkost. Bei 
Verabreichung der Einheitskost haben wir in den 
letzten Monaten durchschnittlich je Tag und Kopi 
verbraucht: 300 g Brot, 50 g Fleisch, 30 g Fett, 700 
bis 750 g Kartoffeln, 200 g Mühlenprodukte, 25 bis 
30 g Zucker, ein Viertelliter Milch usw. 


Im Sommer und Herbst wird sehr viel frisches 
Gemüse aus dem Anstaltsgarten gegeben. 

"Neuerdings ist auch wieder eine verbesserte 
Verpflegung für Kranke und Personal gegen Zah- 
lung eines erhöhten Satzes eingeführt worden, 
doch soll sich diese im wesentlichen nur durch die 
Art der Zubereitung von der Einheitskost unter- 
scheiden. 

Die Köchin erhält täglich die Rohmaterialien im 
ganzen vom Materialienverwalter zugewogen und 
bescheinigt den Empfang in dessen Tagebuch. 

Der Beköstigungsnachweis wird im voraus für 
eine Woche fertiggestellt und von der Direktion 
geprüft. Die zu liefernde Menge wird hier nicht 
eingetragen. 

Das Essen wird mittags in der Regel vom An- 
staltsdirektor und vom Inspektor in der Küche auf 
seine Schmackhaftigkeit geprüft, ebenso öfter von 
den Ärzten auf den Abteilungen. Die Menge des 
Essens ist stets reichlich bemessen. 

Bemerkenswerte Erfahrungen in bezug auf 
billige Bezugsquellen sind nicht gemacht worden. 

Fischgerichte werden hier bei den kleinen Kin- 
dern und wegen Mangels an den nötigen Einrich- 
tungen wie Fischsieben usw. nur selten verab- 
folgt. 

Wir verwenden bei der Eigheitskost nur Mar- 
garine und Schmalz, keine Butter und keinen 
Kaffee. Das Fleisch wird unserer eigenen Land- 
wirtschaft entnommen und besteht meist aus gutem 
fetten Schweinefleisch. 

Sämtliches Gemüse und Obst wird in der gro- 
Ben Anstaltsgärtnerei gewonnen. 

Der Anstaltsgarten nebst Rieselfeld, welche zur 
 Gemüsekultur benutzt werden, sind über 40 Mor- 
gen, rund 10 ha, groß. 

Ein Teil der Kartoffeln, Steckrüben und Kohl 
sowie ein Teil des Brotgetreides wird von der 
Ökonomie geliefert. Eier, Geflügel und Milch lie- 
fert die Ökonomie selbst. 

Regelmäßige Körperwägungen finden statt, sie 
werden je nach der Art der Kranken in Zwischen- 


 Oberpflegepersonal, Anstaltsdirektor. 


| 
[Nr ik ui 


räumen von acht Tagen bis zu einem Vierteljahr j 
vorgenommen. Die Ergebnisse sind zufrieden | 
stellend. Nötigenfalls erhalten die Kranken ei 
Zulage von Brei u. dgl., doch brauchen solhet 
Maßnahmen nur in beschränktem Maße ange 
wandt zu werden. 


= 


Il. Die Ernährung genügt zur Erhaltung dsf 
Lebens; qualitativ zur Befriedigung bescheiden 
Ansprüche. | 

Der Teuerung wird begegnet durch periodi 
weise Anpassung des Verköstigungssatzes an iaf | 
verminderten Kaufwert des Geldes. ii 

Die 

mäßigen 


'Speisenabgabe untersteht einer regi 
Kontrolle durch Verwaltungsbeanäfl 
Die Köchin quittiert über die empfangenen Rol: | 
materialien im ganzen. { 
Die Speisen werden geprüft durch die Bet ci 
gung des Pflegepersonals und der Ärzte an dt 
Kost dritter bzw. zweiter Klasse und durch té 
liche Kostproben des Anstaltsvorstandes. 
Der Speisezettel liegt auf. 
Die Abgabenmenge wird kontrolliert. ] 
Regelmäßige Körperwägungen finden statt im j 
natlich, bei besonders wichtigen Fällen 14 tägig i 
- Seit Beendigung des Krieges steigt das durkf 
schnittliche Körpergewicht an. Es bleibt aber nug 
erheblich hinter dem durchschnittlichen Gewillf 
vor dem Kriege zurück. 
Tunlichst allen Kranken, die bei den einzel | 
Wägungen durch besondere Verhältnisse nicht 
klärte Körpergewichtsrückgänge zeigen, werd 
Ausnahmen verordnet. | 


| 
| 
wa 


1 
ci | 
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ri $ 
PB 


-— 2. — 


Ill. Nährwertziffern werden bei uns iM | 
letzten Jahren ‚nicht mehr errechnet, da sich wi 
Wert als recht problematisch erwiesen hat; wip 
begnügen uns mit teils wöchentlichen, teils monat | 
lichen Wägungen der Kranken und stellen k 
Zeit zu Zeit das Durchschnittsgewicht jeder Al 
teilung fest. Dabei zeigt sich, daß jetzt die Frie hu 
densgewichte im allgemeinen wieder erreicht sk | 
die Ernährung zurzeit also allen billigen agor 
rungen entspricht. 

Die einzelnen Beköstigungsformen W 
wöchentlichen Speisezettelkonferenzen fes al 
an denen auch die Oberpfleger teilnehmen. e 1 
kontrollieren auf den Abteilungen die gleichmä I 
Ver teilung und überzeugen sich durch Kostptod® «| 
von der entsprechenden Zubereitung der spee 1 
Die richtige Menge wird durch Schöpflöftel 1 


erden nf 
gestelt f 


u 


fie immten Inhalt gewährleistet, soweit die Por- 
„kinen (wie bei Fleisch, Nudeln u. ä.) nicht schon 
efi der Hauptküche abgeteilt wurden. 

ef Die Köchin quittiert über die empfangenen Roh- 
: materialien im ganzen, was bisher noch zu keinen 
Phanstandungen Anlaß gegeben hat. | 
f Ein Bedürfnis, den täglichen Beköstigungsnach- 


ef 


n ~ — Reichsverband. 
f 1. Diejenigen Herren, welche in diesem Jahre an 
fenem Fortbildungskursus in somatischer Medizin für 
1 Psychiater in Marburg teilzunehmen wünschen, werden 
feeieten, sich recht bald bei uns anzumelden. — 
h = 2 Der geschäftsführende Vorstand des Reichsver- 
4 tandes hat den vorläufigen Beschluß gefaßt, für das Jahr 
H92 einen Mitgliedbeitrag von 20 Mark für die Person 
{o erheben. Die Einzelverbände werden gebeten, die 
i Beiträge gesammelt bis zum 1. Juli an unsern Schatz- 
A Meister, Herrn Regierungsmedizinalrat Dr. Maaß-Leipzig, 
a Teilanstalt Dösen, Postscheckkonto Nr. 58055 gelangen 
; M lassen, Wir bitten dringend, diesen Termin einzu- 
Falten, da wir sonst nicht imstande sind, zu übersehen, 
d A ind in welcher Höhe Zuschüsse für Teilnehmer an 
g Hauptversammlung im Herbst bewilligt werden 
) Können, Dr. Hussels. 
f 7 Landesanstalt Sonnenstein bei Pirna a. E. Die 
| ankengeschichten der vor zwei Jahren aufgelösten 
„[vatirrenanstalt Dr. Piersons in Lindenhof bei 
| ; wis, früher in Pirna, werden in der. Heil- und Pflege- 
1 Psali Sonnenstein aufbewahrt. 
E Die Sächs. Irrenpflegerschule wird am 
| April d. J. von der Landesanstalt für Epileptiker zu 
der Heil- und Pfileganstalt Son- 


üochweitzschen nach 
if !enstein verlegt. 
E. Es dürfte noch einige Anstalten geben, deren 
fii erland zur Ernährung der = Pfireg- 
f en ausreicht und die Schwierigkeiten 
Be; weiteren Flächen haben. Da verdient viel- 
ki ein Hinweis erwogen zu werden. Ein Blick in das 
fi a ins der Preußischen Gesetzsammlung von 
1 riole rt, daß Privatunternehmen und Kommunen mit 
| E ausgiebigen Gebrauch von dem Enteignungsver- 
| BE ea so Elektrizitäts-, Montanwerke, Uber- 
4 Se Überlandbahnen, Braunkohlenwerke, 
E Er = Werften usw. Sollte der gleiche Weg — 
E on für Irrenanstalten beim Erwerb von 
E Se Wiesen gegeben sein? Es wäre erwünscht, 
| Kollegen n die verdienstvollen Ausführungen des Her rn 
|  eitschrig uchs, der auch Enteignungen nahelegt, in dieser 
i aii eingehende Aussprachen über den landwirt- 
i chen Betrieb der Anstalten anschlössen. Bresler. 
| ala ee Bericht der Landes-Heil- und Pilege- 
Eon ı chberg im Rheingau für das Rechnungsiahr 
En April 1920 bis 31. März 1921. 

| w te Auflösung der Landes-Heil- und Pflege- 
| © Meilmünster wurden 24 Männer und 21 Frauen 


Im \\ 
Er 
wi 


| PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 11 


weis den Ärzten und Oberpflegern regelmäßig aus- 
zuhändigen, ist bei uns noch nicht hervorgetreten. 
Der Teuerung wird, wie überall, dadurch zu 
begegnen versucht, daß wir die besonders teueren 
Nahrungsmittel, wie z. B. Fleisch, möglichst ein- 
schränken. Fische sind bei uns ebenfalls sehr 
teuer geworden. (Fortsetzung folgt.) 


I Mitteilungen. 


übernommen, 32 ruhige, weibliche Kranke wurden in das 
St. Valentinushaus in Kiedrich überführt. 

Trotz der großen Kohlenknappheit war es bisher 
immer noch möglich geworden, die für die psychische 
und hygienische Behandlung so ungemein wichtigen Bä- 
der zu geben, wenn auch zuweilen mit Einschränkungen. 

Die Aufnahmezahlen sind im Steigen begriffen (257 
gegen 151). Der Aufnahmebezirk hat sich durch Schlie- 
Bung der Anstalt Weilmünster vergrößert. Von Frank- 
furt a. M. wurden mehr Kranke wie früher überwiesen. 


Durch Beurlaubungen, Entlassungen und Verlegun- 
gen in das benachbarte St. Valentinushaus in Kiedrich 
ist es gelungen, den Bestand an Kranken ungefähr auf 
der Höhe des Etats zu halten. 

Bei den zahlreichen Entlassungen hielt es schwer, die 
Familienpflege aufrecht zu halten, immerhin ist eine Ent- 
lassung eine größere finanzielle Entlastung für die An- 
stalt als die Unterbringung in Familienpflege. 


Abgänge waren 206 (gegen 146 im Vorjiahre), davon 
58 Todesfälle (gegen 56 im Vorjiahre). Absolut hat sich 
die Zahl der Todesfälle vermehrt, relativ vermindert. 

Durch die gehäuften Aufnahmen akuter, erregter 
Kranker und die gehäuften Entlassungen ruhiger, ar- 
beitsfähiger Elemente wird naturgemäß die Zahl der 
ruhigen und arbeitenden Kranken immer mehr verrin- 
gert, die Zahl der erregten Elemente vergrößert, das 
Verhältnis von Unruhigen zu Ruhigen in einem den An- 
staltsbetrieb erschwerenden Sinne beeinflußt; das führt 
zu einer Überfüllung der Abteilungen für die akut Kran- 
ken und zu erhöhten Leistungen für Ärzte und Personal, 
der Charakter “als Heilanstalt tritt mehr und mehr in 
den Vordergrund. 

* Bei dem Wechsel an Personal und dem zeitweisen 
Personalmangel steigert sich die Verantwortung für den 
Betrieb außerordentlich, eine: Vermehrung des Personals 
läßt sich nicht mehr umgehen. 

Von schweren Epidemien sind wir im Berichtsiahre 
verschont geblieben. 

Bei der verbesserten Kost, die allerdings immer 
noch wenig Abwechslung bietet, sank die Zahl der an 
Tuberkulose Erkrankten und Verstorbenen; es starben 
an Tuberkulose: 11 gegen 16 im Vorjahr. Entweichun- 
gen fanden 18 statt, neun Kranke wurden der Anstalt 
wieder zugeführt; Schaden wurde durch die Entwei- 
chungen nicht verursacht. Ein an Dementia praecox 
leidender Kranker, der seit Jahrzehnten fleißig arbeitete 
und frei behandelt wurde, ertrank an einem schwäülen 


12 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Tage beim Baden im Rhein. Im übrigen’ blieb die An- 
stalt von Unglücksfällen und Selbstmorden verschont. 


Zwei Kranke, die gegen ärztlichen Rat auf Drängen ` 


Ger Angehörigen entlassen wurden, starben außerhalb 
der Anstalt durch Selbstmord; ein Paralytiker fand den 
Tod im Rhein, ein Katatoniker erhängte sich. 

Festlichkeiten wurden nicht abgehalten, dagegen 
wurden Kranke in weitgehendster Weise auf längere 
oder kürzere Zeit beurlaubt und soweit es ihr Zustand 
erlaubte, mit oder ohne Begleitung auf Spaziergänge in 
der Umgebung geschickt, oft wurden Kranke, die noch 
aufsichtsbedürfitig waren, in Begleitung anderer zuver- 
lässiger Kranker auf größere Touren beurlaubt; eine Art 
der freien Behandlung, die von den Kranken als Wohl- 
tat empfunden wurde und bisher zu keinen Mißständen 
führte, ein weiterer Schritt in der freiheitlichen Behand- 
Jung der Kranken; auch wurden häufig unter der Auf- 
sicht von Angehörigen Ausgänge gestattet. 

Es empfiehlt sich, wenn man in größerem Maßstabe 
wie bisher die Kranken in die Familie zurückgeben will, 
auf diese Weise das Selbstvertrauen der Kranken zu 
heben und auch den Angehörigen Mut zu machen, die 
Kranken wieder bei sich aufzunehmen. 

Besuche von Angehörigen in der Anstalt, die von der 
Anstalt möglichst gefördert werden, fanden 1585 statt. 

Auffällig ist die Zunahme der Paralysen; im Vor- 
jahre wurden 14 Paralytiker aufgenommen, 10 Männer, 
4 Frauen, im-Berichtsiahre 27:20 Männer, 7 Frauen. 

Mit einer weiteren Zunahme an Paralysen ist zu 
rechnen, weil die Syphilis im Zunehmen ist und die 
Hauptwelle der durch den Krieg bedingten Paralysen 
noch zu erwarten ist. 

Da die Pflege der Paralytiker besonders viel Kosten 
verursacht, 
Ausgaben zu rechnen. Das klinische Bild der Paralyse, 
das in den letzten Dezennien immer blasser wurde, 
‚scheint wieder farbiger zu werden, ob das mit der Sal- 
varsantherapie oder mit einem veränderten Virus zu- 
sammenhängt, oder welche Momente hierbei verant- 
wortlich zu machen sind, läßt sich bei der Kürze der 
Beoachtung nicht entscheiden. 

Eichberg im Rheingau, im August 1921. 

Der Direktor: gez. Dr. Wachsmuth. 


Referate. 


.— Chronische Infektion bei Dementia praecox. Von 
‚Dr. W. Ford Robertson, Pathologe der Schotti- 


schen Irrenanstalten, Edinburg, Northumberland Street 60. 


„Journal of Mental Science Jan. 1922. 
R. stützt seine Behauptung, daß Dementia praecox 
‚durch chronische Infektion verursacht wird, besonders 
caut die Untersuchung von 32 Fällen im Anfangsstadium, 
ferner von 30 Fällen anderer Formen von Geistesstörung 
und von über 300 Fällen anderer Erkrankungen, dar- 
unter solcher des Nervensystems, aus der Bevölkerung. 
Untersucht wurde vorzugsweise mit Hämoglobin- 
agar mit Azidität verschiedenen Grades: 
wurden regelmäßig sowohl tnter anaërobe als unter 
aërobe Bedingungen gebracht. | 


ist mit einem erheblichen Anwachsen der 


die Kulturen_ 


Die Feststellung der mit chronischer Darminfektion fanden N i 


[N N} 
Bakterienart geschah nach den von R. in seinem Buil 
über therapeutische Immunisierung angegebenen Gf 
sichtspunkten. 
Bei jedem Fall von Dementia praecox, den R, uk 
sucht hat, wurde schwere Infektion, besonders im Dan 
festgestellt; aber keine dieser Infektionen ist charakte 
ristisch für Dementia praecox. Sie können genii 
werden bei akuter und bei manisch-depressiver Ge 
störung und nicht selten bei Gesunden. Jedoch si 
es fest, daß die Infektionen, welche sich bei Demenif 
praecox finden, mit Gesundheit durchaus unverträgli | 
(incompatible) sind. E. 
Obgleich die chronischen Infektionen bei Dementi 
praecox stets vielartige sind, kann man drei Hawig 
arten erkennen, den Pneumokokkus, den neurotoxischä 
Diphtheriebazillus und die anaeroben Streptothrixarkif 
Die wichtigsten Mischinfektionen sind Streptocowi 
pyogenes, Streptococcus anginosus, Bazillus Friedin 
Staphylokokken, Influenzabazillus und anaërobe Formif 
von Micrococcus catarrhalis. E 
Nach R. ist bei nichtgeisteskranken Personen af l 
nische Pneumokokkusinfektion des Darms eine seht tf 
wöhnliche und äußerst wichtige Ursache von GesuE 
heitsstörung. Indem R. dabei Fälle von por 
Anämie unberücksichtigt läßt, findet er bei 27 Untersil 
ten -in erster Linie Neurasthenie, ferner Anfälle yi | 
Durchfall, Leibschmerzen, Unbehagen, Gewichtsverli | 
und Anämie. Verhältnismäßig selten bewirkt Pneunig 
kokkusinfektion der Lungen Nervenstörungen; etei 
schwanden unter therapeutischer Immunisierung. 


Die neurotoxische Wirkung von aöroben und aig 
aöroben Diphtheriebazillen bei Nichtgeisteskranken ii ji 
sehr häufig und bekannt; sie betrifft die Atmungs-, wef 
genitalen und Verdauungsorgane. Chronische Infekt } 
des Darms mit anaëroben Diphtheriebazillen jst op | 
wichtigste toxische Ursache von Neurastheniß, aber € 5) | 
gibt aërobe Arten von gleicher oder sogar starke 
neurotoxischer Wirkung. J 

Bei zahlreichen Fällen von Exophthalmus mit Kol | 
fand sich Darminfektion mit anaeroben oder aërobe 
Diphtheriebazillen, Überempfindlichkeit bei Klein 
Dosen von autogener Vakzine und schrittweise Besi N 
rung unter therapeutischer Immunisierung. i 

Anaërobe Streptothrixarten fand R. zunächst piit 
bei Diabetes mellitus; er hält diese Infektion für 9 
Ursache des Diabetes, und zwar wirke sie aul 
besonderen Herd im Bulbus. Auch sonst fand er = 
anaërobe neurotoxische Streptothrixarten oft bei man 
sonen außerhalb der Anstalt, die an nervösen rn 
litten, an Neurasthenie, Neuritis, Paralysis agitans © 
Paraplegie; ferner fand sich Anämie, Gewichtsve 
und Glykosurie. Ratten, die gefüttert waren mit 
tothrixkulturen von Diabetes-mellitus-Fällen = fi 
Glykosurie, Schlafsucht und Stumpfheit, einige “i 
choreatische - Bewegungen und Inkoordinatiol; > kr 
magerten ab und einige verendeten in komatöset © 
stand. 

Bei den erwähnten 32 Fällen von D 


ementia Be 
in a 


Preumokokkus, in neun neurotoxischer Diphtheriebazil- 
is, ‚in dreizehn ana@rober Streptothrix; drei Fälle konn- 
| L i nicht in einen dieser Typen untergebracht werden. 
1 lictinfektion war die Regel; obige drei Mikroorganis- 
men waren dabei die überwiegenden. 
l “ Der ursächliche Zusammenhang zwischen Dementia 
Praecox und chronischer Darminfektion wird von R. er- 
i üttert; er widerlegt die Vermutung, daß letztere von 
irsterer abhängt oder daß beides von einander unab- 
if längig ist. Ausschlaggebend ist die Tatsache, daß Be- 
Felisung der Infektion in frühem Stadium der Dementia 
praecox den Geisteszustand bessert. Diese Infektionen 
d ind nach R. die direkte Ursache des krankhaften Pro- 
: sses im Gehirn. Die indirekte Ursache ist die spezifi- 
À “F she Reaktion des Patienten, genauer gesagt, seiner 
| Assoziationszentren, und der psychische Traumatismus; 
hi dher erkrankt nicht jeder Mensch mit chronischer 
i jo rminfektion an Dementia praecox. Auch sonst gibt 
i doch die Widerstandsfähigkeit des Einzelnen dem Bilde 
i fe Infektion die jeweiligen verschiedentlichen Züge. 
Als sichersten Beweis für seine Behauptung be- 
; tichnet R. die Wirkung der therapeutischen Immunisie- 
aping gegen diese Infektionen in frühem Stadium, wo 
| das Gehirn noch nicht unheilbar geschädigt ist. Die 
| üsherigen Erfolge waren ermutigend; in sieben Fällen 
Wirde Besserung erzielt. R. setzt seine äußerst inter- 
| ssanten und verdienstvollen Untersuchungen fort. 
# Bresler. 


of 
IN} 


6: 
m 
I 


— 


Buchbesprechungen. 


5 Karl, Lehrer an der Landwirtschaft- 
5 lichen E anstalt in Hohenwiedt (Holstein): Der Guts- 
Sekretär, Geschäftshandbuch für den deutschen Land- 
virt, Praktische, durch Beispiele erläuterte Anleitung 
je Abfassung aller schriftlichen Arbeiten des Land- 
Witts in Beruf und Verwaltung. Sechste, neubearbeitete 
f Auflage, Mit 636 Mustern und Formularen. Text 348 
if iten. (Die Muster und Formulare nehmen über diesen 
r U niang hinaus noch nahezu 400 Seiten ein. Berlin 1922, 
1 Fetlagbuchhandlung Paul Parey, Verlag für Landwirt- 
sA shaft, Gartenbau und Forstwesen, SW. 11, Hedemann- 
1 Wahe 10 und 11. Geb. 110 M. 

i \ io aus dem Originalaufsatz in dieser Nummer er- 
h cn, nimmt die Landwirtschaft in den Heil- und 
legeanstalten für Geistes- und Nervenkranke nächst 
Mt Krankenpflege die wichtigste Stelle ein. Die An- 
E haben ausnahmslos einen größeren landwirt- 
i Xhaftlichen Betrieb. Die Verwaltung des letzteren 
iE. det wiederum einen umfangreichen und heute ganz 
E e schwierigen Aufgabenkreis. Da den Direk- 
a ie Oberaufsicht auch über diesen obliegt, so wird 
ia ielleicht willkommen sein, wenn ich auf oben ge- 
: ng vorzügliches, durch soviele Auflagen als be- 
a erwiesenes Buch hinweise, das sich jeder An- 
i; seiter anschaffen sollte. Auch die Steuersachen 
| U besprochen: ebenso die Obliegenheiten des Guts- 
fstehers USW. B. 
Dei hc a Dr. Emil, Professor an der Uni- 
u ünchen: Einführung in die Psychiatrische 


| A Er sp etr 5 


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gi 
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geglaubt, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 13 


Klinik. Vierte völlig umgearbeitete Auflage Bd. 
Allgemeine Übersicht. 252 S. Bd. Il: Krankenvorstel- 
lungen, 1. Reihe. 306 S. Bd. HI: Krankenvorstellungen, 
2. Reihe. 309 S. Leipzig, Verlag von Joh. Ambr. Barth. 
Preis Bd. 14 38,00M, Bd. II 44,00 M, Bd. HI 52,00 M. 

Es ist ein erfreuliches und gutes Zeichen, daß das 
Bestreben, sich Kenntnisse in der Irrenheilkunde anzu- 
eignen, über Repetitorien, Leitfäden, Abrisse, Grundrisse | 
und Lehr- und Handbücher hinweg zur Wahl und Be- 
vorzugung eines Unterrichtsmittels geführt hat, das es 
in den übrigen Fächern der Medizin nicht gibt und nicht 
geben kann, eines Lehrmittels, bei welchem dem Be- 
dürinis Rechnung getragen wird, „sich ein Bild von der 
persönlichen Gestaltung der einzelnen Krankheitsfälle 
zu machen”. Damit ist in der Tat der große und We- 
sensunterschied der Psychiatrie von den übrigen Son- 
dergebieten zum Ausdruck gebracht und praktisch durch- 
geführt. Ich hatte, offen gestanden, damals, 1900, nicht 
daß dieser „Einführung? mehr beschieden 
sein würde, als das Schicksal eines allerdings beachtens- 
werten Meilensteins auf der Balın unseres fachlichen 
Schrifttums, und nun freuts mich, den Irrtum einge- 


stehen zu müssen, daß es kein toter Stein war, sondern 


ein lebendiger und lebensirischer Führer ist und dazu 
— wie bei der Bedeutung des Verfassers — ein- ge- 
schickter und sicherer. Möge er es recht lange bleiben. 
Der erste Band stellt ein Lehrbuch der Psychiatrie 
dar, der zweite und dritte Band enthalten die Beschrei- 
bung und Bsprechung der Krankheitsfälle. 
ersten Bands wird ieweilig auf diese Fälle verwiesen. 
Eingeleitet wird der erste Band durch „Psycho- 
logische Vorbemerkungen” Man muß sie 
lesen schon aus dem Grunde, zu sehen, wie es auf 
sründliche, klare Weise und in schlichter Sprache, frei 
von ismen und anderen verstiegenen Fremdwörtern, 
die manchmal schon wahre Paraphasien, zu deutsch: 
Kauderwelsch, sind, möglich ist, eine brauchbare Dar- 


stellung der: WIERuESteN Tatsachen des Seelenlebens zu 


geben. 

Es folgen ie klinischen Formen des tesem,” alo 
die Beschreibung der Krankheitsbilder (S. 16 bis 124) 
und S. 124 bis 165 „Zustandsbilder und Krankheitsfor- 
men”: in letzterem Abschnitt werden die Merkmale für 
die häufigsten Zustandsbilder zusammengestellt, aus 
denen sich jeweils die Zugehörigkeit zu dieser oder 
iener klinischen Krankheitsfiorm erkennen läßt. Dieser 
Abschnitt scheint mir sehr nützlich. Dann kommen: 
IV. Krankheitszeichen und Krankenuntersuchung, V. 
Einige Maße. und Gewichte, VI. Fragebogen zur Prüfung 
des ‚Geisteszustandes, VII. Assoziationsversuche, VII. 
Verstandesprüfung, IX. Arzneimittel und Behandlungs- 


maßnahmen. 
Register sind allen drei Bänden beigegeben. 
Um von einigen Finzelheiten zu sprechen: 


Von der Ursache der Paralyse wird gesagt: 


„Obgleich sich sehr häufig, bald in größeren Schwärmen, aR 
Spirochäten im paralytischen Gehirn 
sprechen doch die angeführten E $ 


bald vereinzelt, 


nachweisen lassen, 
Gründe dafür, daß die Paralyse von der Hiren abge- 


Im Text des 


14 | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


trennt werden muß und in einem andersartigen, aller- 
dings noch ungeklärten, aber doch streng ursächlichen 
Verhältnisse zur Lues steht („Metasyphilis”)” (S. 43). 


Bei der Behandlung der Paralyse werden durch- 
schlagende Erfolge bei allen Verfahren noch vermißt; 
„man hat den Eindruck, daß der entscheidende An- 
sriffspunkt für unsere Behandlungsversuche noch nicht 
gefunden ist“ (S. 49). 


Bei der Dementia praecox wird S. 61 hinsichtlich 
der körperlichen Symptome auf das — noch immer zu 
wenig beachtete — „häufige Schwinden der Pupillen- 
unruhe, der fortwährenden feinen, nur mit der Lupe 
wahrnehmbaren Schwankungen der Pupillenweite und 
damit zusammenhängend der psychischen Pupillen- 
reflexe“ hingewiesen und der Erweiterung bei Schreck 
und geistiger Tätigkeit. 

Das Ablehnen der Geschlechtsbeziehungen (meist 
mit Onanie) bei Dementia praecox als frühzeitiges Sym- 
ptom wird S. 60 erwähnt. 


Die Dementia praecox wird in sechs Formen ge- 
schildert (S. 62): a) Dementia simplex, b) läppische Ver- 
blödung (Hebephrenie), c) depressive und stuporöse 
Verblödung, d) agitierte und zirkuläre Formen, e) Kata- 
tonie (Spannungsirresein), f) paranoide Formen (Demen- 
tia paranoides). 


In einzelnen Fällen (20 v. H.) von Dementia praecox 
sind die Anfälle so häufig, daß sie eine genuine Epi- 
lepsie vortäuschen können- (S. 61). Ich möchte dazu 
bemerken, daß ich mich der, freilich unklaren und im 
einzelnen nicht scharf begründeten Vorstellung engster 


Verwandtschaft, einer Geschwisterschaft, von Dementia 


praecox und „genuiner” Epilepsie nicht erwehren kann. 


Sicher ist die Verwandtschaft ebenso groß wie die 
‚zwischen Dementia praecox und Paraphrenie, die 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummert: 
— Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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Rein-Aluminium-Índustrie o 


Hugo Geck, Lüdenscheid 


Billigste Bezugsquelle für 


schwere Anstaltsgeschirre, 
Taieigeräte, Eßteller, Trink- 
becher, Bestecks usw. 


Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 


Sauberste, solide Ausführung. 


T e 


[Nr, | 


Kraepelin als besondere Krankheit „vorläufig, wa 
er sagt, von der Dementia praecox abgrenzt (S. B | 

Unter den „Psychogenen Erkrankungen” wird OR 
Kriegsneurose (S. 78) neben Schreckneur 
traumatischer Neurose, Erwartungsneurose und Rad 
tenneurose behandelt. E 

Die Paranoia (Verrücktheit) ist in vollem mia | 
beibehalten (S. 90). Es handelt sich hier „nicht eigen | 
lich um eine Krankheit, sondern um eine abnorme Bi 
wicklung”, die der persönlichen Eigenart reichen Sp | 
raum läßt, daher ist die Mannigfaltigkeit der klinisch 
Gestaltungen sehr groß (S. 91). | 

Sehr treffend ist die Abgrenzung der „Verani | 
wortungsangst” in dem Kapitel: Zwangsnem 
(S. 101), wie sie in so manchen absonderlichen Bi 
fürchtungen sich bekundet wie: nicht zuverlässig 1 
schließen, einen Brief nicht geschlossen zu haben, Sig 
über den Inhalt jedes Gesprächs Rechenschaft geben 
müssen usw. Vielleicht finden wir in der nächsten Mi 
lage etwas berücksichtigt, was die psychiatrischen Li 
bücher, die Psychiatrie überhaupt, hartnäckig übergeht 
das transzendentale — man kann auch sasi 
transkortikale — Schuldgefühl, das, WE 
Minderwertigkeit einzelner stammend, seit Jahrhunii 
ten wie eine Seuche die menschlichen Seelen verpeiä 
Es sollte in jedem Lehrbuch über Geistsestörungen Wig 
Nervenkrankheiten Re behandelt werden (veit 
„Irrtum und Irrsinn”, in „Die Irrenpilege” A Oktober M | 
NE T-S LIO) 

Die Krankengeschichten sind selbstversid 
nicht etwa einfache Wiedergabe solcher, sondern es si 
eingehende klinische Erörterungen von Entstehung, SI i! 
ptomen, Verlauf, Aussichten sowohl wie auch Bei | 
nahmen auf alle in Betracht kommenden wissenschal 


lichen und praktischen Zusammenhänge des A | 
Bresler. gi 


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; Vierundzwanzigster Jahrgang. Nr. 3/4. 1922/23." 
4 Psychiatrisch-Neurologische 
| Wochenschrift. 


Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 


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Anlagen #8 | Wichtige Entscheidung 


auf dem Gebiete der 


Sch Maschinen rum, Aich, Hamam GEE -|| gerichtlichen Psychiatrii 


Aktiengesellschaft 


nebst Verfügungen auf dest oa 
des Irrenwesens und Verwandtes | 


———— 


Sechzehnte Folge. 
0 


Zusammengestellt von 


Sanitätsrat Dr. Joh. Bresier r 
- Kreuzburg O--5. 


Preis M. 10, — 


N Gen, Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. 
| | Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, 
I Ri), Geh. Med.-Rat Dr. liberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
I Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Ol 


| Psychiatrisch- Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


3 | Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
= Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 
Medizinal-Rat Prof. Dr. 


| birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 


a 


G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 


Dr. 
Prof. 


San.-Rat Dir. 
ah, Budapest, 


Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. 
Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. 


Lehmann, 
H. Schlöß, 


i. i Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 


| Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. 


Nr. 3/4. 22: Ap 
I Bezugspreis: 
wp y 10,— für das Vierteljahr, die Verlag und 


Abonnementspreise für das Aus- 
land werden nach der vom Deut- 
= schen Buchhandel vorgeschrie- 
A benen Verkaufsordnung für das 
#| Ausland berechnet. Zu beziehen 
 Qurchjed. Buchhandlung, d. Post 
7 unmittelbar vom Verlage. Er- 
scheint bis auf weiteres vier- 
zehntägig in Doppelnummern. 


et ; i EER SE i: at re a an, 
en BL Veen — us a Pan a a en BEE - 
En -Á 
- x TORRI y DA ze ` 
H t -E „I 


IS. 15.) — Heilerfolge der Epilepsiebehandlung 


1i \jeine Arbeit bezeichne ich als Ideen zu einer 
“ Theorie des Gehirnbaues. Es ist vielleicht 
. finesen wenn ich, als einfacher Arzt, mich an 
fe solche Aufgabe wage, aber ich habe das Ge- 
h k eine Art Formulierung gefunden zu haben, und 

Fu: an zur Prüfung. Ist sie falsch, so wird 
k uch nicht nutzlos sein, weil sie einen Irrweg 
ttt, ist sie richtig, so bringt sie uns wohl einen 
4 Aka Weiter. 
| (e Se Tatsachen möchte ich zunächst hin- 
Ei. 16 mir entwicklungsgeschichtlich nicht ge- 
i Auf den Übergang 
fis E auf das Land, die Verwandlung des 
is Eon Amphibium und die Unterscheidung 

[eea Ohrinnern in die Gebiete des 
f io = und Cochlearis acusticus. 

ha: . dafür, daß hier noch eine gründlichere 
ki i Ta ist. Edinger und seine Schule, 
Arm. SE samer Arbeit uns den Aufbau des Ge- 
f telle markes von den Fischen bis zu. uns 
I n, haben die Unterscheidung von Paläenze- 


Vocke, Eglfing b. München, 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prot. 


Schriftleiter: 
nitätsrel Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 
Postscheck: Leipzig. 32070. 


hai: Gedanken in Entwicklung über Bedeutung des Hirnbaues. 


98 19) — Eine Disputation über „Okkultismus und Wissenschaft . 
= Der derzeitige Stand der Ernährung in den Irrenanstalten. 
F Buchbesprechungen. 


Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 

Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 
ril 1922/23. 
Zuschriften für die Schriftleitung 
Ausgabe: sind an San.-Rat Dr. Bresler in 


Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin SW. 48, 
Wilhelmstraße 28. 


Marhold Verlag Hallesaale 


Von Sanitätsrat Dr. Franke, Torgau. 
mittels Xifalmilchiniektionen. Von Oberarzt Dr. Becker. 


Gedanken in Entwicklung über Bedeutung des Hirnbaues. 
Von Sanitätsrat Dr. Franke, prakt. Arzt in Torgau. 


(Übersandt der Hallenser Nervenklinik Sommer 1921.) 


Von Dr. med. Paul Sünner, Berlin. (S. 22.) 
Fortsetzung. (S. 26.) — Mitteilungen. (S. 27.) — 

(S. 28.) = 
phalon und Neenzephalon eingeführt, ausgehend 


von Meynerts grundlegenden ‘Anschauungen. 
Edinger betrachtet als Beginn der Neenzepha- . 
lonbildung die Riechsphäre und seinen sogenann- 
ten Oralsinn. Wir stehen damit mitten in meinem 
Problem. Die Umwandlung des Fisches zum Am- 
phibium ist ein ganz ungeheurer Vorgang. Die 
Bildung des Neenzephalon ist durch das neue 
Milieu der Luft beeinflußt. Es müssen riesige 
Zeiträume vergangen sein, ehe eine so grund- 
legende Änderung zustande kam. Wie der Über- 
gang von den Appendikularien zum Amphioxus ge- 
waltigste Rätsel birgt, siehe Gaskellsche Theo- 
rie, so der jetzige vom Fisch zum Amphibium. 
Man stelle sich ernstlich den Wechsel von Wasser 
und Luft vor. Alle Sinnesorgane müssen neu ge- 
formt werden für das neue Medium. Die unge- 
heuerliche Umwandlung der Schwimmblase zur 
Lunge, die neuen Luitwege! Die Umwandlung des 
alten Fischmaulskeletts zu Gehörknöchelchen, die 
Gegenbauer ia schon bis ins einzelne gibt, be- 


16 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE RSS Ne 


trachte man, und es muß einem klar werden, daß 
hier die Wegmarke zum Verständnis des Gehirns 
der Landtiere, also auch des Menschen, sich an- 
bahnt. Gegenbauer bringt in der vergleichen- 
den Anatomie eine erdrückende Masse von Tat- 
sachen, aber in der Deutung irrt er manchmal und 
mußte irren, weil vieles und wichtiges erst nach 
ihm entdeckt wurde. Die Entwicklungslehre ist 
wirklich, wie Haeckel sagt, ein Zauberstab, 
der alles scheinbar Verwirrte in eine wunderbare 
Ordnung bringt. Es .wäre meiner Ansicht nach 
auch hierin an der Zeit, daß gerade die Ärzte sich 
ihrer Pflicht bewußt würden, dem Volk die Wahr- 
heit der Wissenschaft zu vermitteln. 

Flechsig stellt in seiner Rektoratsrede die 
Forderung auf, daß die ärztliche Wissenschaft zu 
arbeiten habe an der biologischen Be- 
srundung:. des Sittengesetzes.. Was 
die Lösung dieses Problems für unsere Zeit be- 
deutet, wird ja Anton nicht müde, öfters zu be- 
tonen, daß der Mensch nicht nur Mensch, sondern 
daß er in der Anlage schon als Mitmensch ausge- 
rüstet ist. 

Verstehen wir dies Werden des eeo 
im Anschlusse an das neue Milieu der Luft, so kön- 
nen wir sofort über E dinger weitergehen. Der 
Irrtum, der in der Entwicklungslehre ausgemerzt 
werden muß, ist die Bezeichnung Akustikus für 
Vestibularis und Kochlearis. Der erste ist der 
‚ Vestibularis und auf ihm baut sich beim Übergang 
in die Luft der Kochlearis aus. 

Ich habe während des Krieges mit Hensen 
in Kiel über diesen Irrtum gesprochen. Hensen 
ist es ja, der diesen Irrtum noch vertritt. Es 
ist klar, daß die großen Bahnbrecher der Entwick- 
Jungslehre nicht alles auf einmal erfassen konnten. 
Es ist also kein Vorwurf, der ihnen gemacht wird. 
Im Gegenteil muß man ihnen dankbar sein, daß 
sie uns Epigonen noch allerlei zu tun übrig lassen. 
Die Entstehung des Vestibularis ist ziemlich klar- 
gelegt. Schön sind die Versuche mit den Kreb- 
sen, denen statt Sand Eisenfeilspäne gegeben wur- 
‚den, und wo der Versuch mit dem Magneten er- 
wies, daß das sogenannte (Gehörbläschen das 
Organ für die Schwerkraft ist, demnach 
ein Gleichgewichtsapparat. 
bläschen” ist also falsch. Die Entwicklung des 
einfachen Gleichgewichtsapparates zum wunder- 
baren Dreibogengang bei den Fischen beginnen 
wir zu durchschauen. 
abgewöhnen deduktiv zu sein, den Menschen 
immer schon in allen Tieren zu sehen und zu deu- 
ten. Wir müssen Bacons Forderung gemäß 
induktiv vorgehen, oder wie Edinger sagt: 


"Verstehens. 


'stehung der Bogengänge als des Empfangsorgalt | 


‚sammenhang mit dem Kleinhirn ist- evident. 


Der Ausdruck „Hör- 


Wir müssen uns ernstlich - 


` per N 
’ HD r 


M | 
erst einmal fassen was das Tier nicht kann, wif 
den Menschen als höchste Summation begrefil 
Die jetzigen Untersuchungen von Heß in Mimi 
chen zeigen, daß das Auge der Fische ganz ander | 
gebaut ist als das der Landtiere. Das ist doch 
von vornherein klar bei Anwendung der Entwik 
lungslehre. Der Übergang vom Wasser i in def 
Luft erzwingt eine Umwandlung sämtlicher Si | 
nesorgane von der Anpassung an das Wasser m n | 
der Anpassung an die Luft. 4 

Wir können jede Sinnesqualität Aurcheeh a ‚| | 
zuerst Edingers Olfaktorius. Was uns Rif 
chen ist, wissen wir annähernd. Was der Olfakto f 
rius beim Fische bedeutet, ist noch recht utah 


Ein wichtiger Apparat! Sicher! Wofür? Zip 
Nahrungssuche, Lebensfürsorge. Aber im Waf 
ser?! Ist es ein Gassinn, der dem Tier mittel l 


ob genügend Atemgas vorhanden ist? Wird u 
zum Witterungssinn für Fraßobiekte? Das al 
sind Fragen, die hier auftauchen. Ein ebenso 
ches Problem sind die über den Körper der Fist 
verstreuten Geschmacksknospen (G e genb auell I 
Wittern wäre auf alle Fälle besser als Rieck 
Wir stehen hier durchaus am Anfang eines no | 
Die Umwandlung der Augen wird i 
erwähnt. Der Hauptpunkt für mich ist die Ei 
für den Vestibularis in der Verknüpfung mit d | 
Kleinhirn, diesem wunderbaren Gebilde, df 
nach Machs und Breuers Funden die Orit il 
tierung im Raum ermöglicht. Dieses Organ, Wif 
dem Kant, Schiller und unsere Philosopkif 
noch nichts ahnen, kann gar nicht hoch geil qd 
bewertet werden. Und dieses Bogenorgan ist wif 
den Fischen schon in wunderbarster Vollendif f 
vorhanden. Seine Entstehung aus den Kopikatiif 
len (lateralis) ist wohl sichergestellt. A 
nun möchte ich darauf hinweisen, was der 
bularis neu zí leisten hat beim Übergang vonj 
Wasser zur Luft. Wir können es ja förmlich M 
den Händen greifen, wie schwierig der soaa da J 
Gleichgewichtshaltung in der Luft war A 
Schwere des Wassers, die Leichtigkeit der Lit 
— Wir sehen die Schlangen, die die Extremiti#] 
abwerfen als Hindernis der Fortbewegung. 7 
sehen dasselbe noch einmal bei der Blindschleicl® 
Der Schwanz ist das einzige Fortbewegungsolk? f 
Edinger macht bei den Fischen darat Du 
merksam, wie die guten Schwimmer ein wande 
bares Kleinhirn haben, wie aber die Faulpelze, “5 4 
die. Flundern, dies Organ verkümmern | 
nicht zu sprechen von den Tieren, die ein se 
rotzerleben führen. 


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"7 Sehen wir die Entwicklung auf dem Lande in 
“fir Luft, so muß die Wichtigkeit des Vestibularis 
F Kleinhirn einleuchten. Das Neenzephalon ist 
Fin Neuerwerb in der Luft, hauptsächlich auf der 
"Prichmäßigen Neuverknüpfung von Kleinhirn und 
a wachsendem Großhirn beruhend. Welch ein Weg 
afon der trägen Ruhe des Amphibiums bis zur 
Ticheren Beweglichkeit der Vögel und Säugetiere. 
lie wird die Aufgabe, das Gleichgewicht zu hal- 
Fin, also sich im Raume sicher zu orientieren, 
Fiunderbar gelöst. | 
7 Nun aber zurück zum Hören! Zum Gehör- 
y hläschen! Wir sehen beim Krebs, wie unpassend 
Puas Wort ist. Hensen hat gefunden, daß die 
pbtolithen bei Tönen vibrieren. Wenn sie, nicht 
f iorierten, wäre das ein Wunder. Aber Er- 
fscütterungen gleich als „Hören” zu deuten, geht 
f dochnicht an. Hören ist großenteils eine Funktion 
N ‚der Luft. Die nichttönende Glocke im luftleeren 
E Daß die 


Raum ist wohl genügender Beweis. 
1 (Daß wir im Wasser hören, ist kein Beweis da- 
een) Wer Fische hält, dem ist das nicht einen 
i Augenblick zweifelhaft. Was soll der Fisch mit 
A em Hören? Gegenbauer gibt alles Grund- 
A sende für die neu auftretende Funktion des 
i Hörens in der Luft. Daß es unklar bleibt, liegt 
A Caran, daß man zu seiner Zeit noch nicht so gute 
i Kenntnis hatte von der Funktion des Dreibogen- 
f nges, wenigstens noch nicht von der bedeu- 
1 lingsvollen, wie sie die neuen Forschungen 
| Meniere u. a.) an den Bogengangprüfungen 
‚| "gaben, 

f Der Zusammenhang der Schwimmblase mit 
f&n Dreibogengang, der Webersche Apparat, 
\ de Umwandlung des Maulskeletts in Gehörknö- 
f chen, zugleich der Schwimmblase in Lunge 
: A Kehlkopf, also den lautgebenden Apparat, ist 
4 % Problem, das zu lösen ist, und das uns viel- 
f cht Aufklärung gibt über den Bau des Neenze- 
Eo Hören hat nur Sinn in der Luft, Hören 
a n gehören untrennbar zusammen als 
| “ de Verknüpfung. Flechsig sagte 
E i einer Unterredung, daß. der Vestibularis 
f œT frühesten Zeit seine Fibrille mit Mark um- 


f hi 7 5 
$ Ile, während der Kochlearis das erst sehr spät, 


a tue. Flechsig schätzt die psychische 
E- utung des Gehörsinnes hoch ein. 3 

R sind wir mitten in dem, was ich eine 
E eerie "ung der Sinnesorgane” nenne. Die On- 
| Werde zeigt hier in Wiederholung den uralten 
Ein. ng und die langsame Summation der 
Í tis- ; maul, Edinger). Der Vestibula- 
\ Dparat, Dreibogengang und Kleinhirn, war 


Br 
23 
k: 
OSE.: 
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BA, 


iV % > , . . . . . 
af sche nicht hören, sollten wir endlich einsehen. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 17 


schon in höchster Vollendung da bei den im Was- 
ser lebenden Wirbeltieren, ehe auf dem Lande in 
der Luft sich auf ihn der neue spezifische Luft- 
sinn, der Cochlearis acusticus aufbauen konnte. 
Wir müssen uns doch ernstlich klar werden, welch 
ein ungeheurer Apparat im Labyrinth ohne Schnek- 
ke schon vorliegt. Daß das Auge ein wunderbarer 
Apparat ist, darüber sind sich alle einig. Daß aber 
das Labyrinth ohne Schnecke schon ein ganz er- 
staunlicher Apparatist, das muß erst ernstlich der 
Menschheit ins Hirn gehämmert werden. Dieser in- 
nere Sinn muß verstanden werden als ein Ausdruck 
für den gelungenen Erwerb der Kunst der sicheren 
Körperhaltung. Wir stehen eben am Eingang des 
Verständnisses der Natur. Die Klagen über unser 
Nichtwissen, die bei Sokrates erhoben sind, klin- 
gen jetzt hofinungsvoller. Was die Wissenschaft 
geleistet, ist erstaunlich. Was in der Astronomie 
Leverrier, jetzt Einstein errechnet haben, 
gibt uns eine Sicherheit, die das Gewaltigste ver- 
spricht, wenn sie ernsthaft auf das Leben auf 
Erden angewandt wird. Was. die Mathematiker 
errechnet, das muß über Darwin-Haeckel 
endlich auch biologisch erarbeitet werden. Aber 
dazu ist es nötig, daß wir Ordnung in die Ent- 
wicklungslehre bringen. Das Material ist da in 
Hülle und Fülle, es bedarf nur frischer Köpfe, die 
unbelastet von dem Aberglauben früherer Jahr- 
hunderte ernstlich an die Arbeit gehen, den Bau- 
plan der Welt zu entwerfen. Die Astronomie ist 
hier wirklich ein Vorbild, und Kants wunder- 
bares Wort von den zwei Dingen, die das Gemüt 
mit immer neuer Verwunderung erfüllen, je öfter’ 
und anhaltender sich das Nachdenken damit be- 
schäftigt, der gestirnte Himmel über uns und das 
moralische Gesetz in uns, sind Anfang und Zweck 
dieser wissenschaftlichen Arbeit, sind erstes und 
letztes Problem der Wissenschaft. Makrokosmos - 
und Mikrokosmos, Welt und Mensch wollen be- 
griffen werden. Und mir scheint, über die Ent- 
wicklungslehre ist es leicht, beide Welten in eine 
zu verwandeln und den Dualismus in jeder Form 
zu verbannen. Mit dem Worte Kants bin ich 
bei Flechsig. Das moralische Gesetz in mir 
ist nur ein andrer Ausdruck für das, was Flech- 
sig die ethische Aufgabe der Medizin nennt, das 
Sittengesetz biologisch zu begründen, die Aufgabe 
Holbachs und Diderots naturwissenschaft- 
lich statt philosophisch zu lösen. Eine Aufgabe, 
die dringend ihre Lösung fordert und meines Er- 
achtens aus der endlich in Ordnung gebrachten 
und verstandenen Entwicklungslehre gelöst wird. 
Daß wir Menschen behaarte Wirbeltiere sind, da- 
gegen wagt ein ehrlicher Naturforscher kein Wort 


18 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


mehr. Seit Darwin ist darüber nicht mehr zu 
streiten. Es handelt sich darum, festzustellen, wo- 
rin wir von unseren Blutsverwandten, den Men- 
schenaffen verschieden sind. Edinger faßt das 
in einen Satz: „Die Sprache hat die Keime der In- 
telligenz zur Entfaltung gebracht. Mit dem Ein- 
setzen der Sprachfähigkeit vergrößert sich das 
ganze Gehirn. Offenbar aber handelt es sich, we- 
niestens wenn man die Unterschiede zwischen 
Mensch und Anthropoiden betrachtet, nicht um 
eine Vergrößerung der Sinnessphären, sondern 
sehr deutlich um ein Wachsen des Stirnlappens 
und der zwischen den Sinnessphären liegenden 
Felder.” | | 

Wollen. Sie bitte die Entstehung des Neenze- 
phalon als ein Produkt des neuen Milieus der Luft, 
des Landlebens einsetzen "und Vestibularis und 
Kochlearis in die richtige Reihenfolge bringen, so 
können- Wit- über -» Edinger; -Meynert 
Flechsig und Wernicke weiterbauen: 

In der Luft im Gegensatz zum Leben im Was- 
ser, wo auf dem hauptsächlich auf dem Labyrinth 
(ohne Schnecke) beruhenden, mit dem Auge usw. 
(Optostatik — Edinger) verknüpften Apparat 
schon eine gewaltige Höhe der Bewegungsfähig- 
keit, der Sicherheit bei aller Lebensführung, er- 
langt war, muß diese Fähigkeit neu erarbeitet wer- 
den. Der: Ausdruck für die Anpassung an das 
neue Milieu findet sich auch am langsam werden- 
den Neenzephalon, was Edinger trefflich be- 
schreibt, nur auch in den alten Fehler des „acu- 
sticus’ verfallend. Er nennt den Vestibularis Acu- 
; sticus. Das verdirbt die ganze klare Linie des 

Aufstiegs. Um es nochmals zu wiederholen: die 
im Wasser erlangte, erarbeitete Kunst der vollen- 
deten Bewegung, Schwimmen, Angreifen, Nah- 
rungaufnehmen, Fortpflanzung, Spielen beruht in 
der Hauptsache auf dem wunderbaren Apparat 
Dreibogengang, Kleinhirn, primäres Großhirn + 
Auge usf. (Paläenzephalon + Rückenhirn, Fisch). 

In der Luft beginnt auf diesem relativ gewalti- 
gen Apparat ein neuer Aufbau, ein neues Lernen, 

‚Sichanpassen, dessen Ausdruck das werdende Ne- 
 enzephalon ist. Und in der Luft tritt eine ganz 
neue Sinnesqualität auf: das Hören. Hören ist 


En ein Produkt der Luft. Wie der Vestibularis-Appa- 


rat erst im Wasser als Tonus — Muskel — stati- 


scher Sinn wurde (mit seinen Verknüpfungen), so 


‚bleibt er das in der Luft, nur muß er sich gewaltig 
vervollkommnen, und über ihn, oder besser mit 
ihm entsteht der Kochlearis als der Sinn für das 
Gleichgewicht in der Luft für Geräusche, Töne, 
das Hören. Schwimmblase, die Lunge wird, Kie- 
menatmung, die Lungenatmung wird, entwickeln 


-ernstlich verhandelt. Unsere Zeit schreit danac 


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[Nr. ai 
zugleich den lautgebenden Apparat. Schwint 
blase, ein Teil des statischen Apparates, wi 
Lunge + lautgebender Apparat, also statisch 1 
Bezug auf Luftschwingungen. Mir liegt dara 
das klarzustellen, um dann endlich zum Wesend 
Sprache zu kommen, zu ihrem Werdegang, ul 
damit, zu Edinger und Flechsig, Anto 
die alle die ungeheure Wichtigkeit des Stil 
betonen. Wernicke ist dabei mein Führen 

Die Entwicklungslehre zeigt uns den Aufsta 
vom Fisch zum Amphibium, von hier zum Repi 
— Vogel, zum behaarten Wirbeltier. Wir sei 
endlich im Affen den ungeheuerlichsten Bew@ 
eungskünstler. Eine Kunst der Gleichgewicht 
haltung, der nichts an die. Seite zu stellen ist, Un 
nun der Unterschied zwischen Anthropoiden uig 
Mensch ist der wie Laut zu Wort. A 


? 


Hansen fand die Gleichung: höchstes W 
haartes Wirbeltier zu Mensch wie Laut zu Wi 
annehmbar. Die Lautsprache der Tiere (die Voi 
versuche bei den Insekten gehören nicht hiert 
wandelten sich endlich — wo, wann, ist zu 
forschen — in die Wortsprache der werden 
Menschen. Das Wie wird uns über Wernick 
klar. Die besten unter den Philologen, wie ma 
Müller, Oxford, haben über Laut- und WE 
sprache schon das Nötige gesagt, und gerai 
Müller hat über das Problem mit D arwiif 


Nia 


endlich die Wahrheit zu erfahren. Alle Autor 
ist ins Wanken geraten. Wer soll führen? Es Ni 
doch kein Zweifel, daß nur ernsteste Wissensäll 
das Recht hat, Gehör zu heischen und Gehorsall 
zu verlangen. Die Achtung vor ihren Leistung 
zwingt jeden zur Unterordnung. Sehen wit IN 
Flechsigs Bild, sein Hirnschema.. Die Pri 
kenbahnen zwingen sich doch auf als ein Ausdrl 1 
für ein Zusammenarbeiten von Klein- und Grof 
hirn. Sehen wir die Kleinhirnentwicklung gebut 
den an das Labyrinth erst ohne, dann a 
Schnecke, so wird uns die ungeheuer kompliziet 
Unterlage klar, die die Natur bauen mufte, " 
endlich über Lautsprache die Wortsprache 2 2 
möglichen. Edinger weist auf Untersuchuns 
von Kleist hin, daß Störungen der Kleinin 
Brücken-Stirnhirnbahnen auf psychischem Ge 
Ausfälle schaffen. Hier sind wir mitten in e 
nickes Spekulationen, der uns zuerst Pr 
Kußmaul das Sensomotorische der Sprahè ni 
vor Augen stellt. Es wird ja alles so einfach, p 
wir den Menschen entwicklungsgeschichtlich nn 
stellen. Auf die erstaunliche Kunst des a 
gebens, man denke an den musikalischen 3 ui 
der die lonleiter sang, baut sich endlich ar 


Be 
zN 
SEMS 

2% 


af Ks auf, die Wortsprache. Ding gleich.Wort. 
in Müllers mäh, mäh usw. Theorie ist sicher 
d ichtig. Es wird in mühsam langer Arbeit so etwas 
ne cine Wortsprache. Man kann sich den Anfang 
| jr nicht schwierig genug vorstellen. Sehen wir 
Wich bei jedem werdenden Menschlein, was Spre- 
denenen bedeutet, und hier ist das wunderbare 
"F Qeti fertig vererbt, und beim Aufstieg zum Men- 
Asien mußte erst das Organ langsam geschaffen 
Peden. Herder faßt den Aufstieg des Men- 
den über den Affen in drei Tatsachen: aufrech- 
Fer Gang, Freiwerden der Hand als Werkzeug und 
verb der Sprache. Dieser zu Unrecht verges- 
Pw Mann wird jetzt von uns als erstaunlicher 
Denker anerkannt werden müssen. Der aufrechte 
bang ist wirklich eine Steigerung über den Affen 
Inalogie bei den Laufvögeln). Edinger zeigt 
fen Olivenapparat als Unterlage für den aufrech- 
p a Gang, den Akustikus-Apparat sehen wir mit 
Ai einen Nebenoliven als Abkömmling des Vestibu- 
li-Apparates. 

Zum aufrechten Gang gehört das Freiwerden 
il (r Hand, Über dies sog. Werkzeug der Werk- 
E ige ist gerade von den Anatomen geschwärmt. 
A Pigen wir dem Handzentrum nun das Mundzen- 
‚im hinzu, das sich über die Freß-Beiß-Qualitä- 
r, Mn hinweg über das Lautmaul zum Wortmund 
Hi imt, so sehen wir die Brokasche Windung als 
T ii Neuerwerb des Menschen über den Affen. Die 
E Srechfähigkeit ist der Erwerb eines letzten, des 
A dsten Werkzeuges zur Theoriebildung. Man 
Bi Muß Sich doch endlich klar werden, was Worte 
J d: Wirklichkeiten aus Luftbewegungen. geformt. 
Preis Vergleich der Großhirnrinde mit einer 
] i "Mographenplatte ist weit mehr als ein Gleich- 
(f> Das Verständnis der Elektrizität ging Kant 
ah ab. Wir haben diese wunderbare Urenergie 
1 i Verigstengs annähernd verstehen gelernt. Die Er- 


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I N teeregı durch die Veröffentlichung Döll- 
3 e (Zur Therapie und Pathologie der Ab- 
fin = en des Nervensystems. Heilwirkun- 
in y Tooo auf die Epilepsie. Berl. 
$ N enschr. 1920 Nr. 38-39) habe ich das 
fe € Serumwerk um einige Versuchsquanten 

Is stal z: bei einigen Epileptikerinnen unserer 
a & as Mittel auszuproben. Fast gleichzeitig 
i m Eintreffen der Probeampullen hatte ich 


_PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


++ 


19 


findung gerade des Phonographen zwingt uns den 
Versuch auf, uns die Mechanik der Sprache klar- 
zumachen. Wernicke bringt alles Notwen- 
dige ausführlich hinzu. Über den alten groben 
Vogt, der die Produktion der Worte von seiten 
des Gehirns mit der Produktion der Galle von 
seiten der Leber verglich, geht der Weg wirklich 
weiter. Wir verstehen endlich über Flechsig 
das Werden dieser letzten großen werdenden 
Menschheitskunst, und unser Gehirn als magnet- 
elektrischen Apparat. (Flechsig wurde nicht 
müde, die Analogie des Telephons heranzuziehen.) 

Der sog. psycho-physische Parallelismus ist 
doch wirklich nur ein Ausdruck dafür, daß man 
nicht weiterfand und wußte. Und Ziehens 
Lösung als immanente Philosophie, beruhend auf 
der sog. erkenntnistheoretischen Fundamentaltat- 
sache, dem großen Satz Berkeleys, ist nur 
das Ende der Philosophie. Über Kant-Fichte 
seht der Weg weiter in Darwin-Haeckel- 
schem Sinne. Wir sind Tiere, die sprechen gelernt 
haben und Menschen werden sollen, für das Leben 
auf Erden die höchste bewußte Anpassung darstel- 
lend. Die-Wortsprache ist nichts anderes als die 
höchste Funktion zur Lebensfürsorge: die Kunst 
der Wortsprache die Unverlierbarmachung aller 
in Generationen gemachten Erfahrungen und ihre 
Meranbringung an jeden Neugeborenen. Bewußt- 
sein nichts anderes als das Gewußtsein von mir 
und der Umwelt. Rückerts Lob der Sprache 
tabt: das ja und Anton freut sich der Verse: 
„Als ich von dem Schlaf erwachte, noch nicht 
wußte, daß ich dachte, schenktest du mich selber 
mir. Begreifen wir die Entstehung der Sprache: 
Wort gleich Ding, so wird alles wunderbar klar 
und durchsichtig und der Irrtum Zur Kinderkrank- 
heit dieser neuen Menschenkunst. 


 Heilerfolge der Epilepsiebehandlung mittels Xifalmilchinjektionen. 
Aus der Landesirrenanstalt Herborn” (Dillkreis) in Nassau. 
Vorläufige Mitteilung. Von Oberarzt Dr. 


Becker. 


Gelegenheit in der Praxis eines mir befreundeten 
Nervenarztes einige Fälle vorgeführt zu sehen, die 
bereits durch dieses Mittel recht weitgehende 
Besserung erfahren hatten. Mit Erlaubnis dieses 
Herrn Dr. W. in E. übergebe ich zunächst seine 
Fälle. der Öffentlichkeit. | 
ER REIN Ts 
1901. 


wohl gelegentlich monatelang aussetzten, 
fi: ir I k 
H o N $ { E 


Arbeiter A. B. aus E., geb. 17. Februar 
Seit dem zweiten Lebensjahre Krämpfe, de 
dami = 


20 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


aber in Serien wiederkehrten, bei zunehmendem 
Mond (?) mehr. Objektiv kein Befund. Am 23. 
August 1921 Beginn der Behandlung mit salzarmer 
Kost, Luminal und Xifalmilchinjiektionen. Blieb zu- 
nächst vom 23. August bis 24. Oktober, wo ein 
Anfall sich einstellte, frei davon, dann wieder. bis 
heute, während sonst seit dem 14. Lebensjahr nur 
eine Pause von -mehr als sechs Wochen, der dann 
jedesmal eine Serie zu folgen pflegte, bemerkt wor- 
den war. 

Fall 2. Schlosserlehrline H. S. aus E., geb. 
19. Januar 1903. Häufig behandelt wegen seit 1911 
bestehender Epilepsie. Nur nachts Anfälle; bei Be- 
handlung weniger, dann wieder mehr. Brom, Lu- 
minal, salzfreie Kost mit wechselndem Erfolg von 
August 1919 bis Anfang Mai 191. Am Himmel- 
fahrtstag eine Serie von fünf Anfällen („sonst etwa 
iede Woche ein bis zwei Anfälle”). 
„ginn der Behandlung mit salzarmer Kost, Luminal 
und Xifalmilchiniektionen. Am 9. August ein An- 
fall, am 19. August ebenso, seitdem aber anfallirei. 

Fall -3:.»Landwirtsohn:E. S- aus G. geb. 26. 
Oktober 1905. Beginn der Epilepsie nicht festzu- 
stellen. Leichte Imbezillität. Bis 19. Juni 1918 in 
der Psychiatrischen Klinik zu X., dort täglich Lu- 
minal bekommen, dennoch „oft Anfälle”. Vom 19. 
Juni bis 2.- Juli 1918 anfallfrei, 2. bis 6. Juli sechs 
Anfälle, eine Woche Pause, dann Serie von drei 
Anfällen. Nunmehr drei Jahre aus der Beobach- 
tung gekommen, brauchte vielerlei Kuren, aber alle 
ohne Erfolg, behielt jede Woche drei bis sechs An- 
fälle. Am 1. Juni Beginn der Behandlung mit salz- 
armer Kost, Luminal und Xifalmilch. Anfang 
August ein Anfall, ebenso am 20. August, dann eine 
Serie von drei Anfällen am 17. ee seit- 
dem anfallirei geblieben. 

Ermutigt durch diese Erfolge habe ich mir drei 
Fälle aus der Frauenaufnahmeabteilung unserer 
Anstalt herausgesucht, um sie mit diesen Injek- 
tionen zu behandeln. Luminal gab’ ich auch dabei, 
mit der Salzarmut der Kost nahm ich es weniger 
genau. Trotzdem diese Individuen zum Teil psy- 
chisch nicht mehr intakt waren, erreichte ich fol- 
gendes: 

Fall 4. Frau P: S., geb. 20. November 1877. 
Psychisch nicht erheblich belastet. Mit dreiviertel 
Jahren Unfall mit Gehirnerschütterung. In der 
Jugend jähzornig und bösartig.: Seit dem 26. Le- 
bensiahre Anfälle. Mit 32 Jahren Heirat, Ehe blieb 
kinderlos. Ehemann fiel im Kriege. Seitdem Ver- 
schlimmerung, besonders seit sie die Nachricht 
bekam, daß- er möglicherweise in Gefangenschaft 
sei. Am 8. November 1916 in Verwirrungszustand 
sich auf offener Straße ausgezogen. Darauf in die 


Am 9. Mai Be- - 


[Nr af 


nach drei Wochen gebessert ef 


Anstalt, aber Ä 
lassen; während dieses Anstaltsaufenthalts di 
Anfälle. Am 4. November 1918 wieder Einlieferug 


in die Anstalt, die aus äußeren Gründen öfters ge 
wechselt wurde. Mehrfache Wassermannproba 
fielen positiv aus, aber sonst keine Anzeichen of 
Lues. Nach mehrfachem Wechsel der Anstalt amg 
23. Oktober 1920 uns zugeführt. Hier wurde if 
gende Anfallsfrequenz beobachtet: November 4 
Dezember 7, Januar 3, Februar 9, März 4, Aprilf 
Mai 11, Juni 9, Juli 8, August 4, September 10, ic 
tober 3. I 
Hierzu ist zu bemerken, daß die niedrige Antal 
zahl im Januar und Oktober je durch tägliche Lik | 
minalgaben erreicht wurde. Eine weitere Lumin 
kur von kurzer Dauer fand im Mai im Anschluß al | 
gehäufte Anfälle statt. | 
Am 31. Oktober abends Beginn mit tolen 
Therapie: Fortsetzung der Luminaldarreich 
(zweimal täglich 0,1 g), dreimal wöchentlich int 
glutäale Injektion von 2 ccm Xifalmilch und a 
einzige Koständerung: einmal wöchentlich -o 
auf der Speisekarte stehenden Gerichts von Pef 
kartoffeln und Salzhering iedesmal Karoti 
Reis- oder Grießbrei. | 
Dre Patientin Ist Mar aufhin seil | 
dem -27..0&ktober anta PS0 g eblief 
ben, auch haben keine geistigen Verändern 
gen sich gezeigt, die als Äquivalente aufzutassilf 
gewesen wären. Die Xifalmilchdosis ist Antaii 
Dezember aus äußeren Gründen auf zweinlf 
wöchentlich 5 ccm, also 10 ccm je Woche, statif 
vorher 6 ccm, erhöht worden. Auf die Psyche nf 
das Mittel keinen weiteren Einfluß gezeigt. IF 
schon vor dem Auftreten der Epilepsie bemerkt | 
Hetz- und Klatschsucht der Patientin sowie ix] 
eänzliche Darniederliesgen des Beschäftigungstiä 
bes, der sich nur regt, wenn der behandelnde Atag 
erscheint, bestehen fort. Diese Charaktereigel‘ | 
schaften der Kranken im Verein mit dem Mange 
einer geeigneten Verwandtenfamilie, die ‚sie all | 
nehmen würde, sind noch .die ‚Hinderungsgrünl® ; 
für eine sonst wohl schon angebahnte Entasi 
der Kranken. A 
Fall 5. Fr A: M geb. 3. Februar 1894; i 
Schwester vieriährig an Gehirnentzündung unter f 
Krämpfen gestorben. Mit zwölf Jahren mver 
telt erster Anfall, nach einem halben Jahre 
zweite. Nach Schulentlassung als a 
mehrfach in der Woche Anfälle, mußte nach k ' 
einhalb Jahren wegen der Anfälle diese Beschå f A 
gung aufgeben. Dann nur. noch im Haushalt j i 
Mutter beschäftigt: Zu Beginn des- Jahres Me 
weitere Verschlimmerung, so daß bis zu WEL! | 


TE 


” N 


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filen an einem Tage gezählt wurden und selten 
lin Tag ohne Anfall verlief. Wurde launischer, 
i nizbarer (besonders zur Zeit der Menses), das Ge- 
efichtnis ließ nach. Nach den Anfällen war sie 
efmist eine Stunde lang verwirrt. Speichelfluß, 
üklingenbisse, Verletzungen beim Hinschlagen. Des- 
mub 18. Juni 1914 in die Anstalt, aber 8. September 
if 05 als gebessert entlassen in eine freiere Anstalt, 
Afon wo sie zweimal von der Mutter nach Hause 
Weholt, aber immer wieder gebracht werden mußte, 
kvel es zu Hause nicht ging. Da sie schließlich 
fuch aggressiv wurde, wurde sie am 6. August 
EM abermals der ersten Anstalt zugeführt, von 
fwo sie uns am 3. November zu weiterer Pflege 
ifiberwiesen wurde, Hier ergab sich folgende An- 
üfülstrequenz: November 10, Dezember 2, Januar 2, 
Fiebruar 3, März 7, April 8, Mai 9, Juni 10, Juli 17, 
Kfkugust 26, September 22, Oktober 6. 

Wf Vom 1. Dezember 1920 ab wurde der Patientin 
@eilabendlich 0,1 Luminal gereicht. Im Laufe des 
Nlanar dann nach jedem Anfall Verstärkung der 
üf luminaldosis bis zu 0,2 pro die. Als im Februar 
Hiemoch wieder drei Anfälle auftraten, wurde die 
l agesdosis auf 0,3 erhöht. Trotzdem am 1. März 
eich wieder ein Anfall. Deshalb von da ab, da 
| 


ft der Dosierung, und am 1. April wurde das Lu- 
Klin ganz abgesetzt. Erst die Häufung der An- 
fälle im August und September ließ es geraten er- 
einen, wieder Luminal zu reichen. Sie erhielt 
f 0m 22. September ab einmal täglich 0,1 Luminal, 
j m J. Oktober 0,15 pro die. Am 31. Oktober dann 
IP Beginn mit der Xifalmilchkur (dreimal wöchentlich 
f s intramuskulär). Am 2. und 5. November je ein 
| iall (Nachwirkung von am 1. November abends 
f etossenem Salzhering?), weshalb ab 8. November 
glich wieder zweimal! 0,1 Luminal und all- 
f Wöchentlich wie bei Frau S. statt der Heringsspeise 
| ost ‚Am 27. November nochmals ein leich- 
À a Anfall, weshalb von da ab 0,3 Luminal pro die. 
i n Xifalmilchdosis wurde ab Anfang Dezember 
| > l0 ccm, auch wie bei Frau S., je Woche er- 


Í 


7 oht 


g i oder Äquivalente sind Seti 
N 2T. November nicht wi eder 
I. rt worden. Die Psyche hat sich 
nen Weise geändert, wenn man nicht dahin 
Mit Kot will, daß Patientin — früher vereinzelt 
Fre ie; und Urin unrein, auch ohne Anfall! — nun- 
N Ve die nötige Reinlichkeit beachtet. Der 
f Licht 5 z der sich durch Einsichtslosigkeit, 
an eidigtes Wesen, Unfähigkeit zu Handar- 
F en pe; anderen komplizierten weiblichen Arbei- 
| -Sestige Bedürfnislosigkeit u. dgl. kundgibt, hat 


PDiererfolg nicht zu erzielen, langsamer Rückgang‘ 


- PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 21 


sich in keiner Weise gebessert. Aber die Eltern 
wollen sich, nun sie anfallfrei ist, ihrer annehmen. 
Nachdem sie sich verpflichtet haben, die Kranke 
zu Hause in meinem Sinne weiter zu behandeln 
bzw. ärztlich behandeln zu lassen, ist die Patientin 
am 18. Februar entlassen worden. 

Fall 6. Frl. M. S., geb. 22. November 1900. 
Angeblich erblich ganz unbelastet, auch kein Kopf- 
unfall. Seit April 1919 epileptische Krämpfe. 
Wurde vergeßlicher. Am 11. Juli 1919 deshalb 
zum ersten Mal der Anstalt zugeführt, am 22. Aug. 
1919 als gebessert entlassen, aber am 6. September 
wegen schwerer Anfälle bereits Wiedereinliefe- 
rung. Nunmehr wurden mehrfach hysterische An- 
fälle neben den epileptischen festgestellt; am 19. 
Juli 1920 abermals gebessert entlassen. Diesmal 
hielt sie sich nur elf Tage draußen, wurde am. 30. 
Juli von der Mutter wegen Häufung der Anfälle 
und wegen Unverträglichkeit wieder gebracht. Am 
8. Oktober 1920 uns zu weiterer Pflege übergeben, 
hatte sie hier folgende Anfallsfrequenz: Novem- 
ber 7, Dezember 6, Januar 8, Februar 8, März 11, 
April 8, Mai 18, Juni 15, Juli 16, August 7, Septem- 
ber 8, Oktober 8. | 

In den ersten vier Wochen ihres Hierseins Ver- 
such mit Luminalkur, die dann als nutzlos aufge- 
geben wurde. Seit dem 22. September wieder 
Versuch, die Anfälle mit Luminal zu unterdrücken. 
Am 31. Oktober dann Beginn mit den Xifalmilch- 
injektionen (zunächst dreimal wöchentlich 2 g, ab 
Anfang Dezember zweimal wöchentlich 5 g). Am 
3. November, anscheinend aus gleicher Ursache 
wie bei Frl. M. ein Anfall. Daraufhin statt Salz- 
hering Breikost und Erhöhung der Tagesdosis Lu- 
minal von 0,1 auf 0,2 g. Am 30. Dezember noch 
einmal ein Anfall aus unbekannt gebliebener Ur- 
sache, weshalb nochmalige Erhöhung der Lumi- 


 naldosis aut 03 g 


Die Anfälle dieser Patientin charakterisierten 
sich immer als besonders schwer. Auch schlossen 
sich oft lange Verwirrungszustände an, so dab sie 
meist das Bett hüten mußte. Jetzt aber schon seit 
Ende November außer Bett, arbeitet fleißig mit 
und macht sich nützlich. Ihre Entlassung ist am 
22. Februar erfolgt, da sie seit 30. Dezem- 
ber anfallsfirei. Die Mutter hat sich ver- 
pflichtet, einen Arzt hinzuziehen, für den ich einen 
Brief über die Weiterbehandlung mitgegeben habe. 

Die Erfahrungen, wann man gegebenenfalls auf- 
hören darf, Xifalmilch zu spritzen, sind noch zu 
kurz. Auch ich wage darüber noch nichts vor- 
zuschlagen. Das aber kann ich jetzt schon sagen: 
eh kenne kern Mittel, das so ’ener 


gisch die Anfälle zu beseitigen ver- 


22 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


mag, das keinerlei Nebenwirkungen allgemeiner 
(wiederholt habe ich mit negativem Ergebnis den 
Urin untersucht) oder lokaler Natur macht, das fast 
schmerzlos injizierbar ist und das dennoch keine 
. Gefahren wie Bromismus, Luminalexanthem u. dgl. 
in sich birgt, und das deshalb zu den schönsten 
Hoffnungen für die Zukunft berechtigt. Wenn nach 
langer anfallsireier Zeit — sagen wir drei bis vier 
Monate — kein Anfall wieder aufgetreten ist, so 
würde ich anraten, zunächst mit der Luminaldosis 


herabzugehen, die Xifalmilchtherapie aber noch 
fortzusetzen. Bezüglich der salzarmen Kost 
braucht man weniger ängstlich zu sein. Salzent- 


ziehung ist bei psychisch nicht mehr intakten Indi- 
viduen eine recht zweischneidige Behandlungsart, 
wie ich seinerzeit an einem eklatanten Fall be- 
weisen konnte (Eine ungewöhnlich starke Reak- 
tion auf Anwendung der Methode nach Toulouse- 
Richet bei einem "alten Epilepsiefall; Allgemeine 
Zeitschr. f. Psychiatrie Bd. 68). 

Ich habe in unserer Anstaltsküche die ver- 
brauchten Salzmengen mehrfach nachwiegen las- 
sen. Sie waren so groß, daß auf den Kopf der 
zentral Verpilegten 18 bis 20 g je Tag sich heraus- 
rechnen ließen. Diese Menge scheint unschädlich 
zu sein, wenn sie sich auch in jenem erwähnten, 
von mir publizierten Falle als unzulänglich erwies. 

Weitere Ergebnisse meiner Xifalmilchtherapie 
„behalte ich einer späteren Veröffentlichung vor. 
- Nur das eine möchte ich noch erwähnen: Bei 
zwei Fällen von Dementia praecox katatonica, die 
schon einige Jahre bestehen und bereits — wenn 


Eine Disputation über „Okkultismus und Wissenschaft“. 
| Von Dr. med. Paul Sünner, Nervenarzt in Berlin. 


m 10. Februar fand in Berlin im alten Langen- 
beck-Haus ein Vortragabend statt, an dem 
über obiges Thema sich vor der Berliner Ärzte- 


a = - schaft ein Gegner und ein Anhänger okkultisti- 


"scher Bestrebungen gegenübertraten, und zwar 


- Herr Geh. San.-Rat Moll und Herr Dr. Aigner, 
© welch letzterer vor kurzem aus München nach 
Berlin übersiedelte, 
=~ War eine überaus große Zahl von Ärzten gefolgt, 


Der erfolgten Ankündigung 
der alte Saal des ehrwürdigen Hauses, Schauplatz 
so mancher berühmten Kongresse, war mit seinen 
nahezu 500 Sitzplätzen gefüllt. Das Interesse der 
Arzteschaft auch in Berlin war also gegenüber 
der Aussprache, die das Thema verhieß, ein recht 
großes, 


Über das Zustandekommen des Abends teilte 


 hebliche Besserung, wie das bis jetzt noch kei. 


= 
Re) 
u 


das Lebensalter auch noch 32 bzw. 18 Jahre be 
trägt — Anzeichen von Verblödung bieten, so dl 
Hirnabbau mit einiger Wahrscheinlichkeit ann“ 
nehmen ist, habe ich vergeblich mit Kita 
injektionen einzuwirken versucht. Weder di 
ältere noch die jüngere Kranke (bei letzterer wer 
den die Versuche noch fortgesetzt) zeigte in ihren 
Verhalten irgendwelche Änderung. Eo 


Nachschrift bei der Korrektur 

Im Fall 4 habe ich zunächst die Xifalmilds 
dosis von 2 mal wöchentlich 5 g auf 2 md 
wöchentlich 2!/, g herabgesetzt, und zwar sel 
dem 1. März, was anstandslos vertragen wurd, 
Am 10. März habe ich dann experimenti caus 
die Luminaldosis von 2 auf 1'/, Dezigramm redif 
ziert: darauf am 17. und am 21. März je ein Auf | 
fall, weshalb Patientin seit dem 22. März wieder 
die frühere Dosis Luminal bekommt. n 

Einen neuen Fall behandele ich seit dem ni 
Februar.in gleicher Weise mit Luminal und Xia | 
milch, auch mit gleich gutem Erfolge, so da 
auch diese Patientin ihrer Entlassung entgegen 
reift. In einem weiteren, seit erst 10 Tagen mg 
Behandlung stehenden Fall von zerebraler Kinde 
lähmung mit Epilepsie eines 9 jährigen Knabe 
der vor 7 Jahren fast jener Enzephalitis erlegenf 
wäre, ist mir- völlige Befreiung von den Antällenf | 
bis jetzt noch nicht gelungen, wohl aber s0 erf 


der angewandten Kuren vermochte. 
Herborn, 27. März 1922. 


der Leiter -der er aO, Herr Prof. A dam 
vom Kaiserin-Friedrich-Haus’ für ärztliche Fortbil 
dung, kurz folgendes mit: Im Oktober vorigen Jal 
res seien in der Zeitschrift für ärztliche Forti 
dung zwei Aufsätze von Geheimrat Moll erschie- 
nen über „Okkultismus und Wissenschaft’, zur 
deren Inhalt sowohl im allgemeinen, als aut 
wegen verschiedener persönlicher Angriffe tiert 
Dr. Aigner Protest erhoben und um eime Ge- 
genveröffentlichung ersucht habe; man habe sch 
schließlich auf den Weg der mündlichen Ass 
geeinigt, und das Resultat sei der heutige ! 

Jedem Redner seien 45 Minuten Vortragsdauet m 


ih 
HA 


es 
gebilligt, darauf noch ein kurzes gezenseii 
Schlußwort. ; “e : 
Herr Dr. Aigner eröffnete .den Kampi 


N Ikinungen, indem er in sehr ruhiger und wohl- 
2 Fügemessener Rede einen kurzen Überblick über 
& „ge augenblicklichen Stand der okkultistischen 
E i orschung gab. Ausgehend von seinen Erfahrun- 
N fe in den verschiedensten Städten Deutschlands, 
wer wiederholt vor ärztlichen Vereinigungen 
F inon und wo er immer wieder 
E [teresse an okkulten Dingen gefunden und zu- 
4 glich den lebhaften Wunsch nach Aufklärung in 
Tin verschiedenen Kreisen, auch der Gebildeten, 
‚| be Ieklagte er, daß die Naturwissenschaftler und 
izte sich vielerorts noch so skeptisch, ja direkt 


ich inerklärten Dingen gegenüber verhielten, und 
i f dringend, doch als geistige Führer des Volkes 
„gäch die Berührung mit diesem Gebiet nicht zu 
t En, das vor dem Forum der Wissenschaft 
n „f tider noch allzu sehr mit dem Makel des nicht 
mst zu Nehmenden behaftet sei. 
g$ Bezeichne man doch heute bereits den Hypno- 
If Asmus als den Okkultismus von gestern, und sei 
N doch heute auch das fesselnde und wunderbare Ge- 
i. hi et der Hypnose — einst ebenfalls viel geschmäht 
i ind auch heute noch nicht einmal in seinen Zu- 
Menneancn klar gelegt — bereits trotzdem ein 
pf etkanntes wissenschaftliches Gemeingut. Aig- 
1 ter gab dann einen kurzen Überblick über die 
Nauptgebiete okkultistischer Forschung, nämlich 
2 lie Spukphänomene, das Hellsehen und die Wün- 
pf telrute. Zum Teil von: eigenen Erfahrungen 
Peo verweilte er‘ nach chronologischer 
i Jersicht solch seltsamer Erscheinungen bei den 
, po der letzten Zeit, insbesondere dem be- 
unten Fall von Dietersheim. Er streiftte den 
1 i linchener Prozeß vom September v. J., nannte 
Fi: ärztlichen Zeugen, die sich — zum Teil wissen- 
Fichaftliche Kapazitäten — unter ihrem Eid für das 
Fsichliche der beobachteten unerklärlichen Be- 
| f e resvorgänge eingesetzt hatten, und gab für 
: ese und die schon früher bei berühmten Medien 
| ! o e Vorgänge der Telekinese (Bewegung 
f “Senständen ohne Berührung) die Definition 
Ei wieder: Sichtbarwerden einer psy- 
; Piysischen Energie außerhalb des Organismus, 
k ek kurz das vielumstrittene Problem 
tings o erpaAbomen Schrenk-Not- 
rien eiterhin ging Aigner in seinen scharf 
z z en Ausführungen auf die Hellsehver- 
} des Münchener Arztes Tischner ein, 
“ gab eigene Erlebnisse eindringlicher Art, die 
wer und Münster und anderswo auf 
sie = Gerichtsbehörden mit Hellsehern im 
Sul u er Kriminalität gemacht hatte. Zum 
B umriß er die Wünschelrutenforschung, in 


== & 


ein so grobes: 


E irena all diesen geheimnisvollen und zum Teil 


noch in ernsten Worten 


m _  PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 23 


der er seit 20 Jahren tätig ist, und brachte posi- 
tive Resultate, die vom wissenschaftlichen Forum 
der Geologen in Hannover anerkannt worden 
waren, und erwähnte den bekannten Fall im Sen- 
king-Werk in Hildesheim, wo die geologischen 
Sachverständigen wegen vorhandener Liasiorma- 
tion bis zu 300 m das Vorhandensein von Wasser 
in ihren Gutachten bestritten, zwei Bohrungen bis 
zu erheblicher Tiefe vergeblich waren und wo 
doch ein Wünschelrutengänger an zwei genau be- 
zeichneten Stellen in geringer Tiefe Wasser fest- 
stellte und fand. Dr. Aigner betonte die Not- 
wendigkeit, an die Erforschung all dieser Pro- 
bleme vorurteilsfrei heranzugehen, sie des Über- 
natürlichen zu entkleiden und dadurch in unsere 
natürliche Auffassung des Weltbildes einzuglie- 
dern. Er sprach von geistigen Epidemien, die sich 
mancherorts gezeigt hätten, von dem Unfug, den 
so manche Naturheilkundige, Psychotherapeuten 
und Mellseher anrichteten, die sich mit der Materie 
beschäftigten und auf Kosten der gläubigen Zu- 
hörer weidlich ausnutzten. Zum Schluß wies er 
auf die Wirkung hin, die 
möglicherweise die Klarlegung der in Rede stehen- 
den psychischen oder psychophysischen Kräfte auf 
die Philosophie, die Religion und unsere ganze 
Weltanschauung haben könnte. i 

Reicher Beifall lohnte dem Redner seine durch 
die Abmachung nur zu knapp gedrängten Ausfüh- 
rungen. Wohl auch der kritische und skeptische 
Berliner Arzt, dem Aigner und seine von ihm 
vertretenen Thesen bisher fremd waren, lernte in 
ihm einen Kollegen kennen, dem ebenso ruhige 
Sachlichkeit wie übersichtliche Beherrschung des 
Gebietes eigen war, und der frei und durch keine 
Rücksichten gehindert und von Wahrheitsdrang 
geleitet, für seine Überzeugung eintrat. 

Leider verlief der Abend nicht so, wie er be- 
gonnen. 

In schreiendem Gerck zu der vornehmen 
Zurückhaltung des ersten Redners stand der 
zweite, Herr Moll, dessen Name — obwohl’ es 
sich doch eigentlich um eine Verteidigung handelte 
— in dem ganzen Zusammenhang auch nicht ein- 
mal genannt worden war. Dieser Umstand allein 
schon bezeichnete das Vorherrschen des sachlichen 
Momentes gegenüber dem persönlichen, das nun- 


mehr Platz griff. 


Von innerer Aufregung unruhig hin- und her- 
getrieben, erging sich Herr Geheimrat M o11 in so 
heftigen Verunglimpfungen und Angriffen gegen 
Dr. Aigner, gegen Dr. Tischner, Freikerrn 
von Schrenk-Notzing 
scher, daß zunächst einige Verwunderung ob die- 


und andere For- 


24 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ser Schärfe bei der Mehrzahl der Erschienenen 
Platz griff, dann sich in unwilligem Scharren kund 
machte, bis endlich ein Kollege, dem die Geduld 
riß, empört aufsprang und in temperamentvollen 
Worten die genannten Kollegen in Schutz nahm 
und Verwahrung dagegen einlegte, daß man solch 
Schauspiel der Berliner Ärzteschaft überhaupt zu 
bieten wage. Mit Mühe gelang es dem Leiter des 
Abends, den entstehenden Tumult zu besänftigen, 
er bat aber auch gleichzeitig den Vortragenden, 
sich in seinen Ausführungen zu mäßigen. Was 
aber brachte Herr San.-Rat-M oll als Zurückwei- 
sung der Ansichten seines wissenschaftlichen Geg- 
ners? Er bestritt alles im ersten Teil Gehörte, er 
ließ nichts von alledem gelten, er war der Geist, 
der alles verneinte. s 

Die meisten Okkultisten seien Psychopathen, 
die Verfechter positiver Resultate auf dem okkul- 
tistischen Gebiete hätten die Fehlerquellen nicht 
beachtet. Medien, soweit es sich um jugendliche 
Personen handelte, ständen in den Flegeljiahren, 
das bekannte Medium eines längst verstorbenen 
berühmten Forschers sei homosexuell gewesen, 
Klopftöne würden mit den Zehen gemacht (Moll 
scheint noch nie derartige echte Phänomene ge- 
hört zu haben), Wünschelrutenerfolge ließen sich 
statt mit Haselnußstauden auch mit Knackwürsten 
erzielen, Bewegungen von Tischen (Levitationen) 


würden durch mitgebrachte feste Stöcke der na- 


türlich betrügenden Medien gemacht, und ähnliche 
derartige Witze und Mätzchen mehr! Bezüglich 


Dietersheim glaube er trotz der beeidigten Aus- 


sagen prominenter Kollegen an Bindfäden und 
Schnüre von seiten des kleinen Bauernmädchens. 
Die von Schrenk-Notzing beschriebenen 
Materialisationen seien längst als unmöglich und 
als Betrug seines Mediums nachgewiesen. 
Tischner sei nicht ernst zu nehmen, er habe ihm 
in dessen Buche Unrichtigkeiten nachgewiesen, da 
er die Zahl seiner positiven Fälle verschieden an- 
gebe und die negativen weglasse. (Diese ganz 
willkürliche ° und übelwollende Auslegung hat 
Tischner längst in der Frankfurter Zeitung. auf 
einen langen Artikel Molls hin richtig zu stellen 
versucht, seine kurze Erklärung wurde aber auf 
die Hälfte zusammengestrichen und noch mit einem 
Zusatz Molls versehen, dann eine abermalige 
Entgegnung überhaupt nicht gebracht.) 
Wiederholt rief der Vortragende, durch un- 
willige Äußerungen einiger Zuhörer veranlaßt, mit 
zitternder Stimme und drohenden Händen in den 
großen Raum hinein (etwa dorthin, wo Pressever- 
treter saßen): „Ja, schreiben Sie nur jedes Wort 
auf, was ich sage; da oben sitzt eine Clique, die 


liche Verdächtigungen statt sachlicher Argument 


 teilslosigkeit auf der andern Seite vor. 


Ach 
T 
& 


ma 


ist mir schon lange bekannt, ich bitte die Ve 
sammlung, mich zu. schützen!” — Was wol 
Moll eigentlich damit sagen? Sprach er nuri 
seine Anhänger und Freunde? Waren ihm Kollega 
mit gegenteiliger Auffassung nicht willkommen 
Kam der Widerspruch nicht vielmehr aus dem gii 
zen Saale und war die Ankündigung nicht an 
gesamte Ärzteschaft ergangen? Warum reizte 
fortwährend seine Zuhörer und bat sie dann ui 
Schutz? Warum vertraute er so wenig & 
Schlagkrafit seiner Gegengründe? — 3 

Die Ausführungen des polemisierenden Gehe 
rats wurden mehr und melır mit starkem Kork 
schütteln aufgenommen. Immer wieder persi 


Besonders trat die Verärgerung zutage, dab u$ 
Medium des bekannten Ingenieurs Grunewald W jd 
ihm nicht zur Nachprüfung der physikalischen Er 
scheinungen zur Verfügung gestellt hatte. f 

Bekanntlich hat die Deutsche okkult. Gesellschä 
in Berlin im Sommer 1921 eine diesbezügliche Waf 
nung erlassen, um wegen vorangegangener öllell 
licher Beschimpfungen von Forschern und Melk 
den Versuchspersonen unliebsame Enttäuschung 
zu ersparen. Und diese Warnung scheint Frici 
getragen zu haben, so daß die so kräftig angekitg 
digte Kommission M o 11s zur Enthüllung aller %§ 
heimnisse klägliches Fiasko erlitten hat. Ma 
aber brachte er vor? Daß Grunewald und silf 
Medium, Herr J., befreundet seien, zusamndß 
wohnten und sich sogar duzten. Darum also IE | 
nach seiner Ansicht Betrug auf der einen und U | 
Den Hawig 
trumpf glaubte Moll auszuspielen, indem ef 
die sich beschaffte Abschrift der Preußischen saf 
logischen Landesanstalt in Berlin an Dr. Aigndf 
Bezug nahm, derzufolge die beiden erbohrten Brug 
nen im Senking-Werk nunmehr versiegt se 
Triumphierend schwang er dieses Schrittstüäf 
gegen seinen Gegner, den er nunmehr auf dest 
eigenstem Forschungsgebiete tapfer erschlagen ff 
haben glaubte. Kaum aber hatte er seinen Vorti 
beendet, bei dem ihm auch mancher angegeiitt 
Berliner Kollege einen empörten Zwischenfü ng 
geworfen hatte, wobei wohl nur die Rücksicht a 
den Ernst des Ortes und den Zweck des Aben 
bei manchem mäßigend einwirkte, als N 
Aigner sich erhob und in ebenso kühler ad 
vornehmer Ruhe wie zu Anfang die autgerest 
Worte seines Antipoden  zurückwies W" 
kräftete. 

Er sprach von dem älteren Kolle 
achten müsse und dem er seine Überzeugung N a 
— wenn sie auch zu der seinigen ZU passen SEN 


gen, den 7 y 


am 


E 


a | jie Feuer zum Wasser —, und treffend bemerkte 
li f die Schwäche seines Gegners sei ja seine 
if yi irke! 

gaf Man fühlte fast etwas wie Mitleid heraus, daß 
i fer Moll ein so aufgeregtes Bild geboten. 
Silagfertig aber konnte er den letzten Hieb parie- 
| rn, indem er spontan und mit Zustimmung der 
firanming den angezogenen Originalbrief be- 
miend die Wünschelruteneriolge im Senkingwerk 
d kis aus dem hervorging, daß die Bohrungen 
ik erfolgt, außerordentlich ergiebige Brunnen 
f feierten, die erst 1920, also nach acht Jahren, 
E Arch Verschlammung der Filter infolge des Ton- 
d iiebodens nachließen. Mit Schweigen, das wohl 
eier Hochachtung gleichkam, wurde dieses uner- 
irtete Resultat, das doch den offensichtlichen 
a einwandirei darstellte, entgegen- 
Moren und es erhob sich kein Widerspruch, 
als Herr Aigner erklärte: „Nehmen Sie 90 v. H. 
Misc und lassen Sie mir den Rest von 
a “fiy. H., dann will ich Ihnen den Beweis liefern!” 
Awch in seinem Schlußwort vermochte Herr 
Mol] das Schicksal nicht mehr zu seinen Gun- 


d 


s Wersteckte Verdächtigungen bis zuletzt nicht 
i [iterdrücken, indem er meinte, in einigem Zusam- 
Y menhang zum Geschäftsokkultismus ließen sich 
if och die Vortragsreisen nennen, bei denen der 
if T Redner so mancherlei Aufklärung bringen 
f s0 vielerlei Fragen wissensdurstiger Gebil Ide- 
dr stillen konnte. 
- Wäre es in diesem Zusammenhang nicht ge- 
| late gewesen zu fragen, ob Herr Moll etwa 
T ‚och verärgert war, weil bei dem Vortrag Molls 
je vorhergehenden Abend in der Philharmonie 
f% srobe Saal nur zu einem dritten Teil gefüllt 
f var, und noch ein Teil der Anwesenden den Vor- 
1 ag verließ, unwillig darüber, daß man mancher- 
Mi dort Gehörtes einem gebildeten Publikum zu 
ten wagte? Witze wie Monsieur le Baron für 
fi a berühmten Münchener Kollegen sind nicht 
1 3 e ermanns Geschmack. Vielleicht wirkte 
oe über das erlittene Fiasko noch 
fa oe Abend nach. Jedenfalls hatten wohl 
[te a Tage die meisten der Zuhörer, auch 
Varen, = Moll bis dahin durchaus wohlgesinnt 
1: ken ie Empfindung von einer verlorenen 
[Wer u Man sagt im Berliner Volksmund: 
Pon, Impft, hat Unrecht” — und ersteres hatte 
ie ie besorgt. Er konnte dadurch nur 
Ei nn seiner Position verraten, und es ist 
ie a lege Kröner bereits im vorigen Jahre 
»Sychischen Studien” ausführte: „Die Ge- 
eit und durchaus unsachliche Kampiesweise 


i 


sigk 


ei sten zu wenden, und konnte er Anspielungen und | 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT | 25 


Molls bezeichnet am. besten seine wankende 
Stellung, es ist der Prestigeverlust, der ihn be- 
seelt.” — Und auch an diesem Abend im altehr- 
würdigen Langenbeck-Haus verließ wohl die Mehr- 
zahl der erschienenen Ärzte den Saal in der Über- 
zeugung, daß Herr Moll während der wiederholt‘ 
betonten 30 jährigen Forschertätigkeit auf dem um- 
strittenen Gebiete es nur in der radikalen Negie- 
rung sehr weit gebracht hat, eine Geistesverfas- 
sung, de Schrenk-Notzing in seinem letz- 
ten Buch als „eine negativ monomanisch wirkende 
Einbildungskraft” bezeichnet. 

Aber Aigner hat Recht, es gehört heute noch 
viel Mut dazu, so frei aufzutreten, wie er und an- 
dere Forscher es tun, und die Freude an seinem 
Bekennermut war nicht der geringste Gewinn die- 
ses Abends. Es gehört sich dazu Charakterstärke, 
und man lese, was Prof. Mikuska in seinem 
wundervollen Aufsatz im Januarhefit der „Psychi- 
schen Studien” ausführt: „Von ihrer Ehrlichkeit, 
von ihrem Fleiß und Opfermut — denn wahre Hel- 
den des Charakters müssen es sein, die einem der- 
artigen Ansturm der offiziellen Wissenschaft, wie 
wir ihn gegenwärtige erleben, entgegenzutreten 
wagen —, von ihrem Opfermut hängt die weitere 
Entwicklung der okkulten Biologie, die Lösung 


‚des Lebensproblems und last not least des Men- 


schenrätsels ab”. 

Wenn Herr Moll einen Autoritätenglauben 
nicht gelten lassen will und damit die bewiesenen 
und bereits vielfach anerkannten Forschungen be- 
rühmter Männer der Wissenschaft einfach mit 
stolzem Hochmut beiseite schiebt, dann darf er 
auch nicht den Glauben an seine eigene Autorität 
in Anspruch nehmen. Um diese — allzu sehr wan- 
kende — Autorität aber kämpfte er mit schlecht 
verhohlener Angst, es war eine Rückzugskanonade 
schlimmster Art. Von diesem Kampie des 10. Fe- 
bruar wird man vielleicht auch einstmals sagen, 
daß von diesem Tage und diesem Orte eine neue 
Epoche der Wissenschaft, der religiösen Auffassung 
und der Weltanschauung begonnen habe. 

Vielleicht waren es gerade die diesbezüglichen 
Worte Aigners, die ihn so in Harnisch brach-, 
ten, mit dem Erfolge, daß er sich, obwohl hoch zu 
Roß ansprengend, schließlich seibst platt auf den 
Boden setzte. Hätte es eine Diskussion gegeben, 
die aber, wie bei früheren Gelegenheiten, peinlichst 
vermieden wurde, so wäre er mitleidslos zerpflückt 
worden. Und wenn er zum Schluß pathetisch aus- 
rief, er werde auch weiterhin dafür eintreten, dab 
Unsinn Unsinn sei, so wird er vielleicht nach dem 
Verlauf dieses Abends sich von seinen eigenen 
Freunden besser sagen lassen, daß seine Rolle aus- 


@191 gle 
OÖ 


az 


26 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


gespielt sei, und die anwesende Berliner Ärzte- 
schaft verließ jedenfalls in ihrer überwiegenden 
vorurteilslosen Mehrheit den Schauplatz der Szene 
mit dem tröstenden Bewußtsein, daß ein ähnlich 


Der derzeitige Stand der Ernährung in den Irrenanstalten. 
| (Fortsetzung.) 


IV. Hier wurden und werden Nährwertszifiern 
nicht errechnet. Dem erhöhten Nahrungsbedürf- 
nis der arbeitenden Kranken wird dadurch Rech- 
nung getragen, daß sie Kostzulagen in eingescho- 
benen Zwischenmahlzeiten in Form von Wurst 
oder Käse erhalten. 

Die Ernährung der Kranken und des Personals 
ist als ausreichend zu bezeichnen. 

Der Teuerung wird durch Vereinfachung des 
Kostzettels begegnet. Die erste Verpflegungs- 
klasse hatte früher mittags zwei Fleischgänge, jetzt 
einen, in der zweiten und dritten Klasse gab es 
täglich Fleisch, heute nur jeden zweiten Tag. 
Mangel haben wir nur an Kartoffeln. 
durch Verwendung von Hülsenfrüchten und Teig- 
waren ausgeglichen. | 

Für die einzelnen Unterabteilungen werden 
täglich Kostzettel mit den einzelnen Kostklassen 
und allen ärztlich verordneten Zulagen durch das 
. Oberpersonal gefertigt und von (den Abteilungs- 
ärzten geprüft und unterzeichnet. 

Diese Kostzettel gelangen am Vorabend in die 
Küche. Danach werden die Rohmaterialien ausge- 
geben und gekocht. Ebenso wird dann der richtige 
Empfang der verordneten Art und Zahl von Kost- 
formen von dem Abteilungspflegepersonal kontrol- 
liert und etwaige Unstimmigkeiten dem Oberper- 
sonal gemeldet und von dort aus geregelt. 

Die Köchin quittiert in der Magazinausgabe- 
liste täglich über die erhaltenen Rohmaterialien im 
ganzen. Ä 

Die Speisen werden teils vom Direktor und Ver- 
walter in Stichproben, außerdem regelmäßig durch 
eine gewählte Küchenkommission, bestehend aus 
einem Arzt, einem Verwaltungsbeamten und je 
drei Pfilegern und Pilegerinnen, auf ihre Beschaf- 
fenheit geprüft. 

Körperwägungen werden bei frischen Kranken 
monatlich zweimal, bei älteren einmal regelmäßig 
vorgenommen. 

Die. Durchschnittsgewichtskurve ist seit 1920 
in ständigem Ansteigen begriffen; in keiner Abtei- 
lung ist ein Sinken festzustellen gewesen, in 
wenigen hielt sich die Kurve stationär. 


—— 


Er wird. 


Ky 
8 


(Nr. J 


scharfes Wort der Abwehr auf so manche Austi 
rungen Molls mit vollstem Recht unerbittlich ar 
zuwenden war. 3 


V. Nährwertziffern werden. nicht mehr e 
rechnet. Die Anstalt nähert sich einer Einheit 
kost. Es wird im allgemeinen eine zureichend 
wenn auch einfache Hausmannskost verabfolgti 
leider kann dieselbe infolge des Fett- und Fleisch. 
mangels nicht immer mit dem genügenden Fet 
und den genügenden Eiweißstoffen versehen self 
Dieses gilt für alle Patienten. Für Sieche uf 
Kranke gibt es zwei Diätformen. Die Arbeiter e-f 
halten außerdem Zulagen in Bier und Wurst, ebeg 
so die in Handwerksbetrieben. Von den frühere? 
drei Klassen ist die erste eingegangen, von KM 
zweiten Klasse sind nur wenige Patienten vog 
handen, die an einigen Tagen der Woche (beso 
ders am Sonntage) bessere Kost erhalten, an ar 
deren Tagen Zulagen in Käse, Wurst, Schinkel 
und ähnlichem. | 

Die Angestellten müssen, wenn sie von der AH 
stalt — in zweiter oder dritter Klasse — verpikalf 
werden, dafür bezahlen. Der Preis wird jedet f 
Monat errechnet. i 

Ob die den Patienten gebotene Kost genügh 
wird durch Feststellung des Körpergewichts wi 
Beobachtung des Allgemeinbefindens ermittelt. 

Die erforderlichen Nahrungsmittel werden ge 
kauft, wo immer sie zu erhalten sind, und für cu 
Preis, der verlangt wird. 

Es wird für jede Woche ein Speisezettel alli 
gestellt. Nach dem Speisezettel, der vom Direkto 
begutachtet wird, werden die Rohmaterialien ab 
gewogen, jeden Tag der Kiüchenvorsteherin über | 
geben, und zwar entsprechend der Zahl der Panien 
ten, wobei etwa noch unerwartet hinzukommend i 
berücksichtigt werden. Die Küchenvorsteneri | 
quittiert beim Empfange über jede Gattung j 
Rohmaterialien. Die Speisen werden nach em 
Speisezettel, zuweilen nach besonderer Anwen 
der Ärzte zubereitet. Die Prüfung der Speisen nati | 
Menge, Gewicht und Geschmack erfolgt jeden m 
durch den Direktor, die Ärzte und das Oberpiles® 
personal. a. den | 

Beköstigungsnachweise mit Angabe der, ir on 
Kopf und den Tag zu liefernden Menge werden ® 


x£ ; b- 
Ärzten und dem Oberpflegepersonal nicht v 
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legt. Jedoch liegt ein Speisezettel 1m Ko 


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A 1922) 


f immer zur Einsicht vor, während ein zweiter 
Wf Speisezettel der Küchenvorsteherin zur Informa- 
fon übergeben wird. 

f Die Patienten werden alle vier Wochen ge- 
MP vogen. Wenn auch freilich das Gewicht noch 


Fiiedriger ist als vor dem Kriege, so ist doch eine - 


Fitetige Zunahme festzustellen. 
In der Regel gibt es wöchentlich ein Fischge- 


ef 

tf — Mitteilungen des Reichsverbands (Gebührenaus- 
i Schub), e 

if Erhöhung der 


U 


‚vor Gericht (vgl. Ärztl. Mitteilungen 1921 Nr. 11). 


up 

IfA Reichsgebührenordnung für Zeugen und 
r ‚Sachverständige vom 10. Juni 1914, abgeändert durch 
p} Gesetz vom 10. März 1922 (RGBI. S. 242), gültig ab 
nh 10. März 1922. IE 
kitversäumnis für Sachverständige (8 3): Für jede an- 
E 


Sachverständigengebühren 


Leistungen (dazu sind z. B. schwierige Begutachtun- 
$ n zu rechnen) bis 30,— M. 

„4 ‘eseentschädigung ($ 7) für Fußweg je Kilometer 0,50 M. 
F\üwandsentschädigung (§ 8): Für jeden Tag bis zu 
| 0,— M, für Nachtquartier bis zu 30,— M. 

fB. Gebühren der preußischen Medizinalbeamten 
pf „setz vom 14. Juli 1909 Anl. I Tarif A; erhöht durch 
Finisterial-Erlap vom 3. März 1922 (Pr. Ges. Sammieg. 
iir >. 60) um 900 v. H., gültig ab 1. März 1922. 

f mnsgebühren bis 2 Stunden 60,— M, jede weitere 
| angefangene halbe Stunde 10,— M. 

Untersuchung zur Vorbereitung eines Gutachtens (Vor- 
“P besuch) in der Wohnung oder Anstalt des Arztes 
m f M 2, M, außerhalb der Wohnung des Arztes 50,— M. 
Bi teneinsicht außerhalb des Termins 15,— bis 100, — M. 
‚| Kichenschau 80, — M. 

ef “henöfnung 240,— M. 

tton von Leichenteilen 130, — M. 

f tndschein 30 — M, 

T lundattest 50,—- M 
si eiriftlich wissenschaftl, begründetes Gutachten 100,— 
a bis 300,— M. 

E aos eines Nahrungs- oder Genußmittels nebst 
t 1 TR tlicher Äußerung 30,— bis 100, — M. 

T Ich Sims mikroskopisch-physikalische, einschließ- 
Finen n zer gutachtl. Äußerung 60,— bis 200,— M. 
I f o suchung, bakteriologisch, chemisch, einschließlich 
BE achten 120 — pis Ten M o 

E ` bis 750, M 

4 NB. Wie vo 
Erd 
À Besti 


t 


f o mungen über die Mil.- - 
| DIORORI, 229) il.-Vers.-Ger. vom 18. Februar 


W 


; bei Begutachtungen für die Versorgungs- 
Reichs-Tarif. Die neuen Gebührensätze 
n Gebührenordnung hat ja wohl jeder 
Händen. Rein, Landsberg a. W. 


gefangene Stunde 15,— M, bei besonders schwierigen ` 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT | 27 


richt. Versuche mit Fischwurst sind nach dem 
Kriege noch nicht wieder gemacht worden. Die 
Fische werden von einem Fischereipächter oder 
aus den Seestädten bezogen. Gemüse wird in der 
mit der Anstalt verbundenen Landwirtschaft ge- 
baut und kann den Patienten reichlich gegeben 
werden. (Fortsetzung folgt.) 


Mitteilungen. 


— Reichsverband. Auf eine Anfrage bei dem Mi- 
nister für Volkswohlfahrt betr. Beteiligung an den Be- 
ratungen eines Preußischen Irrenfürsorgegesetzes ging 
folgende Antwort des Herrn Ministers ein: 


Der Preußische Minister 
fir Volkswohliahrt. 
J.-Nr. II 944/22. 


Auf das Schreiben vom 8. März 1922 


Vor etwa 1!⁄2 Jahren wurde im Preußischen 
Ministerium für Volkswohlfahrt ein Referenten- 
entwurf für ein Preußisches Irrenfürsorgegesetz 
vorbereitet, die Arbeiten wurden abgebrochen, 
weil das Reich die Nachricht hierher gelangen ließ, 
daß eine reichsgesetzliche Regelung des Irren- 
rechts beabsichtigt sei und Vorbesprechungen un- 
mittelbar bevorständen. 

Sollte bis zum Sommer eine Einladung durch 
das Reich nicht erfolgen, so wird das Wohlfahrts- 
ministerium, wie die anderen interessierten Organe 
und Verbände, auch den Reichsverband beamteter 
deutscher Irrenärzte um Abordnung von Vertre- 
tern zu eigenen Beratungen bitten. 

Es war von vornherein beabsichtigt, den Ge- 
setzentwurf nur im Einvernehmen mit allen wissen- 
schaftlich daran interessierten und sachlich betei- 
ligten Stellen durchzuberaten und fertigzustellen, 
wie denn auch zwischen dem Reich und Preußen 
Einigkeit darüber bestand, daß bei einer reichs- 
gesetzlichen Regelung Vertrauensleute der Fach- 
kreise hinzuzuziehen seien. 

IL A.: gez. Gottstein. 
Beglaubigt. 
gez. Zabel, Ministerialkanzleisekretär. 
| l. A.: Dr. Hussels. 


Berlin W 66, den 22. März 1922. 
Leipziger Straße 3. 


Aus dem Verband der Berliner Städtischen Irren- 
ärzte wird uns mitgeteilt: Dank der unermüdlichen und’ 
verdienstvollen Tätigkeit des Herrn Direktors San.-Rat 
Dr. Falkenberg, Herzberge, als Vertreter im Beruisverein 
höherer Kommunalbeamter wurden die Irrenärzte in die 
Groß-Berliner Besoldungsordnung folgendermaßen 
eingestuft: Direktoren: Gruppe XIII; dirigierende Ärzte: 
Gruppe XI; Oberärzte Gruppe XI mit Aufrücken nach 
XII; Anstalts- und Assistenzärzte: Gruppe X mit 
Aufrücken nach XI. In liberaler Weise plant der 


Magistrat, in die Aufrückungsgruppen über das plan- - 


‚28 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


mäßige oberste Drittel hinaus eine größere Anzahl 
wegen der Überalterung der gegenwärtigen Stellen- 
inhaber zu versetzen. l. A. Dr. Hussels. 


— Heil- und Pilegeanstalten Mittelfrankens (Ansbach 


und Erlangen). Ab 1. April 1922 gelten folgende Ver- 
pflegssätze: 
II. Klasse: 1. für Kreisangehörige täglich 24,— M; 


2. für sonstige Bayern und Deutsche. 39,— M; 3. für 
Nichtdeutsche und für Kranke, die größeres Vermögen 
besitzen oder erhöhte Anforderungen stellen oder größeren 
Aufwand verursachen, wird der Kostensatz von Fall zu 
Fall festgesetzt. 

III. Klasse: 1. für kreisangehörige Selbstzahler’ und 
für deutsche Armenverbände täglich 18,— M; 2. für Ver- 
sicherungsträger nach der R. V. O. und für den Staat 


täglich 23,-— M; 3. für nichtkreisangehörige Deutsche 


täglich 33,— M; 4. für Ausländer und für Kranke, die 
Anstaltsbehandlung nicht mehr nötig haben, wird der 
Kostensatz von Fall zu Fall festgesetzt. 

Die I. Verpflegsklasse ist zur Zeit aufgehoben. 
(Die Maßnahme, in bestimmten Fällen einen außer- 
tariifmäßigen Kostensatz zu fordern, erscheint sehr zweck- 
dienlich und nachahmenswert. Vergl. S. 31 XXIII dieser 
Zeitschrift. Red.) 


— Verein der Irrenärzte Niedersachsens und West- 
falens. 54. Versammlung am 6. Mai 1922, nachm. 2 Uhr 
in Hannover, Lavesstraße 26 ptr. — Tagesordnung. 
1. Schultze, Göttingen: Psychiatrische Bemerkungen zu 
den Sicherungsmaßnahmen des_.,Vorentwurfs zu einem 
Deutschen Strafgesetzbuch 1919. 2. Loewenthal, Braun- 
schweig: Über die Heilbarkeit der Migräne. 3. Dietrich, 
Göttingen: Zur. sozialen Bedeutung der Encephalitis 
epidemica. 4. Stern, Göttingen: Ungewöhnliche Krank- 
heitsbilder der Encephalitis epidemica. 5. Rehm, Bremen: 
Ist das manisch-melanchol. Irresein eine klinische Einheit? 
6. Holzer, Suttrop: Über den Bau des Neuroglia in der 
Großhirnrinde. 7. Bremer, Göttingen: Die spastische 
Heredodegeneration in klin. und erbbiolog. Bedeutung. 
8. Stapel, Göttingen: Assoziationsreflexe. 

Der Vorsitzende: Snell. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.), — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in PB 


— Heil- und Pilegeanstalt Leipzig-Dösen, j 
Krankengeschichten der im Jahre 1920 aufgelösten Priv 
irrenanstalt Leipzig-Thonberg werden in der Landes 
anstalt Leipzig-Dösen aufbewahrt. | 


-c 


Buchbesprechungen. | J 
- Kühnemann, Sanitätsrat Dr. Georg, Bar 
Zehlendorf: Dirterenhäldiaenostik der inneren Kran 


heiten. 6. und 7. durchgesehene Auflage. 242 S Er 
zig 1921,-Joh, Ambr. Barth. 2 
Die Darstellung geschieht großenteils in an 
artigen Übersichten, aber diese nicht etwa unter | 
wendung von Ziffern und Stichworten, sondern in si 
ausführlicher Form. Dies macht das Buch offenbar s d 
beliebt und ist auch wirklich praktisch; esist heute nid 
häufig, daß Lehrbücher von Nichtakademikern vi 
Auflagen erleben. Es wird sicherlich auch fernen 
seinen Platz unter den Lehrbüchern behaupten. B 
— Kraft, Dr. Ernst, Besitzer des bakteriologisi 
chemischen Laboratoriums in Bad Kissingen: Anaig 
sches Diagnostikum. Die chemischen, mikroskopisci 
und bakteriologischen  Untersuchungsmethoden 
Harn, Auswurf, Magensaft, Blut, Kot usw.. Ein Hai 
buch zum Gebrauche für Ärzte, Apotheker, Chemi 
und Studierende. Dritte, neubearbeitete Auflage. 40 
Mit 147, teils farbigen Abbildungen im Text und ig 
farbigen Tafeln. Leipzig 1921, Joh. Ambr. Barth 4 
Der Titel gibt schon ausführlich den Inhalt atd 
der neuen Auflage sind folgende Kapitel dazu gou 
men: Kolloide, kolorimetrische Bestimmungen 1 
Autenrieth-Königsbereer, Funktionsprüfung der Ne 
Konjunktivalsekret. Stickstoff-, Reststickstoff-, Eiwed 
und Zuckerbestimmung im Blut, Viskosität, Senkunf 
geschwindigkeit der roten Blutkörper, Sachs- -Georg 
veaktion, Blutbild bei Infektionskrankheiten, ferner i 
neue farbige Abbildungen eingefügt. 1 
Das Buch behandelt seinen Stoff ungemein anschl 
lich und ausführlich und verdient beste "A 


elnummert: 


Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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über „Jesu Persönlichkeit” zur ven 
ständigung und Versöhnung geeignil 
Nicht als klügelnder Theologe, i 
Stoff und Paragraphen für eine bi 
liche Theologie sucht, schreibt der 
Verfasser, sondern als einer, den d 
gewaltige Gestalt des Einzigartig 
gepackt hat und der deshalb imstande 
ist, in so eindrucksvoller und packet 
der Weise sein Bild vor uns ersten 
zu lassen, daß es uns mit Notwendig- 
keit in seinen Bann zwingt. Es en 
nicht viele Bücher aus der neueren w 
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empfehlen könnte.“ (Preußische A 
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IE Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. / 

Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 


Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh, Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
El birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler; Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
$| Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
E| Ril), Geh. Med.-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
$ Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Fi Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
F Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München. Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: | 


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der okkultistischen Forschung. 


d A" l2, April verschied der Landesrat und 
«a Stellvertreter des Landeshauptmanns von 
ni Schlesien, Herr Geheimer Regierungsrat Gustav 
‚FR Schölzeı in Breslau. Der Entschlafene war 
pr Jahre 1903 aus der Stellung eines Landge- 
ni ichtsrats zur Schlesischen Provinzialverwal- 
N lung übergetreten. Bei der letzteren hat er 
uf sich in der Bearbeitung der verschiedensten 
t | Verwaltungsangelegenheiten aufs hervorragend- 


a te bewährt, Er vereinigte schäristes juristi- 


1 ‚sches Denken mit ausgezeichnetem Verständ- 
r i n für die Zusammenhänge und Erfordernisse 
Bi Re praktischen Lebens und insbesondere für 
ai A und Ziele der Irrenfürsorge und Irren- 
| mit Spilege, eine unermüdliche Pilichttreue 
| a außergewöhnlichen Schaffenskraft. 
},,. Mur beherrschte er in bewundernswerter 
| o bis in jede Einzelheit die zahl- 
F Gep; ufgaben der Verwaltung auf diesem 
i iet, sondern er hatte auch die großen Ge- 


FA sich , ; 
1 ‘htspunkte, von denen aus dieser Zweig der 


6. Mai 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale 
Postscheck: Leipzig 32070. 


= Inhalt: Gustav Schölzel T. (S. 29.) — Neuere Liquorprobleme. Von V. Kafka. 
Fr Von Oberarzt Dr. Paul Sünner, Berlin-Herzberge. 
Y Siteitirage der okkultistischen Forschung. Von Prof. Dr, A. A. Friedländer, Freiburg i. Br. 

| sucht, Von Dr. J. Bresler. (S. 37.) — Mitteilungen. (S. 39.) — Buchbesprechungen. (S. 40.) — Therapeutisches. (S, 42.) 


Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


1922/23. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
 Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin SW. 48, 


Wilhelmstraße 28. = 


Gustav Schölzel f. 


Wohlfahrtspflege zu betrachten ist, stets im 
Auge und hat sie zur Richtschnur seiner Tätig- 
keit gemacht. | 

Als Mitglied der Anstalten-Verwaltungs- 
kommission hat Herr Geheimer Rat Schölzel 
besonders in der schwierigen Kriegs- und 
Nachkriegszeit durch großzügige und praktisch 
aufs beste bewährte Organisation für die Be- 
schaffung wirtschaftlicher Bedürfnisse der An- ` 
stalten segensreiche Einrichtungen und Maß- 
nahmen von dauerndem Wert schaffen helien. 
-= Persönlichen Wünschen Untergebener hat 
er stets hilfbereites Entgegenkommen erwiesen 
und sich dabei von der ihm eigenen vornehmen 
Gesinnung und großen Warmherzigkeit leiten 
lassen. 

Sein Heimgang bedeutet einen schweren 
Verlust für die Irrenpfilege Schlesiens. 

Alle, die unter seiner sachkundigen und wohl- 
wollenden Führung arbeiten durften, werden ihm 
ein treues und ehrendes Andenken bewahren. 


tS. 30.) — Zur Streitfrage 
(5:32. Zu 
(S. 34.) — Geheim- 


30 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


- 


| direkt beim Verlag. 


(Aus der serologischen Abteilung der Staatskrankenanstalt und psychiatrischen Universitätsklinik 
Hamburg-Friedrichsberg.) 

Neuere Liquorprobleme. ') 

Von V. 


Tor eifriger Bearbeitung des Liquorforschungs- 
gebietes sind viele Fragen der Theorie und 
Praxis einer endgültigen Lösung noch nicht zuge- 
führt worden. Strittig sind noch die Meinungen 
über den Ursprungsort des Liquor cerebrospinalis, 
seine Zirkulation, Funktion und Resorption. So 
hat Monako w in jüngster Zeit eine Theorie aus- 
gesprochen und sie anatomisch zu begründen ver- 
sucht, die mit den seitherigen Anschauungen wenig 
gemein hat. Ernimmt an, daß der Liquor vom Plexus 
chorioideus sezerniert wird, dann aber durch die 
Lücken des Ventrikelependyms in die Hirnsubstanz 
eindringt, hier die Nervenzellen umspült, sie auf 
Grund seiner eigenartiscen Zusammensetzung funk- 
tionstüchtig erhält, ihre Abfallstoffe aufnimmt und 
mit diesen beladen durch die Hisschen Räume in 
den Subarachnoidealraum (des Gehirns übergeht, 
sich in diesem verbreitet und zum Teil resorbiert 
wird, zum Teil in den Subarachnoidealraum des 
Rückenmarks übergeht. Eine Kritik dieser Theorie 
soll hier nicht geübt werden, sie soll nur zeigen wie 
Liquorprobleme die ganze Gehirnphysiologie be- 
rühren können. 

In diesen Zeilen wird aber nun auf Probleme 
eingegangen werden, die die Praxis berühren und 
unsere heutige Liquordiagnostik zu beeinflussen ge- 
eignet sind. 

An den Anfang gestellt sei ein. Problem, das 
in Jüngster Zeit wieder aktuell geworden ist: Ist 
der Liquor spinalis einheitlich oder 
bestehen Differenzen in seiner Zir- 
sammensetzung in verschiedenen 


1) Vortrag, gehalten am 5. November 1921 bei der 
17. Jahresversammlung des Vereins norddeutscher Psy- 
chiater und Nervenärzte, abgekürzt. 


——— Bezieher der Zeitschrift, 


denen diese durch die Post zugestellt wird, wollen sich im Falle unregelmäßiger Zustellung : 
stets an die Postanstalt ihres Wohnortes bzw. ihres Postbezirkes wenden. Bil 
Wohnungswechsel ist ebenfalls sofort die Bestellpostanstalt zu benachrichtigen und die | 
Überweisung an. die neue Adresse zu beantragen. | i 

Bezieher, die die Zeitschrift bei einer Buchhandlung bestellt haben und durch diese zu- | 
gestellt erhalten, müssen ihre Reklamation bei der betr. Buchhandlung anbringen. Be 
Auslandsabonnenten, welche die Zeitschrift durch Kreuzband erhalten, reklamieren | 


; 3 : mE 
Stellen wir uns den subarachnoidealen Liquorfalf 


lischen Eigenschaften fließende Übergän 


Kafka. 


Höhen der Liquorsäule? Diese Fra 
haben Neu und Herrmann im Jahre 1908 bg 
rührt, sie ist ferner von Walter in einer ausge 
zeichneten Arbeit im Jahre 1910 gestreift, fermi 
im Jahre 1911 von mir bearbeitet worden, u 
aus der jüngsten Zeit datieren die Arbeiten von 
Weinberg und Weigeldt. Festgestellf 
wurde, daß häufig die Zellzahl unten höher ist sy 
oben, doch kann in seltenen Fällen auch das Ung 
eckehrte vorkommen, in zweiter Linie fanden si 
Differenzen im Gesamteiweißgehalt, viel gering] 
waren jene der Globuline, während bezüglich &f 
Antikörper und ähnlicher Stoffe (Wa.-R.-Reasiisf 
Hämolysine) Differenzen kaum gefunden wurd] 
und auch, wie wir festgestellt haben, Unterschied 
in der Figur der Kolloidkurve in den verschieden 
Höhen praktisch nicht in Betracht kommetj 


als eine Flüssigkeitssäule vor, die sich ganz lang 
sam von oben nach unten bewegt und die nur durig 
die respiratorischen und pulsatorischen Schwaig 
kungen erschüttert wird, so ist es klar, dab in diese | 
Flüssigkeit vorhandene Teilchen sich je nach a 
Größe verschieden verhalten werden. Salze "a 
den sich schnell auflösen und hierbei nicht A 
Gesetze der Schwerkraft folgen, denn wit "n 
daß in Lösung befindliche Teilchen von Moleku | 
größe sich im Lösungsmittel verteilen, Wie ai 
im Raum. Von diesen kleinsten Teilchen eo 
sehen wir in bezug auf die erwähnten p | 
ge u ‘g 
Antikörper, die an feindisperse Globuline gs a 
den sind, gröber disperse Globuline, A 
zu den ganz grob dispersen Teilchen, den z | 
Diese letzteren werden sich je nach ihrer Meng A 


K je 


| stärke der Exsudation längere Zeit an der Aus- 
| Fsheidungsstelle aufhalten und dann entsprechend 
TürSchwerkraft sich zu Boden senken. Hier spielt 


Für de feineren Teilchen nicht in Frage kommt. So 
Third es uns nicht wundernehmen, wenn wir grö- 
Tiere Unterschiede in der Liquorzusammensetzung 
For allem im’ Zellgehalt sehen, vielleicht noch in 
Fien Albuminen, während nach anderer Richtung Un- 
F eschiede kaum aufzudecken sind. Es wird uns auch 
richt wundernehmen, wenn gelegentlich in einem 
frl die Zellzahl in einer höheren Stelle größer ist 
is in einer tieferen. Dieses Faktum werden wir 
fam eventuell lokalisatorisch verwenden können. 
wir die Liquorpraxis empfiehlt es 
wich, Anfangs- und Endportion zu 
Aittersuchen, die Korrelation der 
Fliquorreaktionen zu beachten und 
möglichst das Gesamtbild der Li- 
Aiuorreaktionen aufzustellen, dann 
frird man finden, daß die früheren 
“Fdiagnostischen Grundłagen auch 
Weite nicht erschüttert, sondern 
Feier erweitert sind. 
I Eine andere Frage ist die, wie verhalten 
ichVentrikel- und Spinalliquor zu- 
d tinan der? Dieses Problem, das Schmorl 
J A W. zuerst angeschnitten hat, ist 1911 von mir, 
1 Pr kurzem ausführlich von Dahlström und 
Fideröe bearbeitet worden. Letztere Autoren, 
1 Ü in ganz geringem Zeitabstand Lumbal- und 
i eirikelpunktionen ausführten, fanden die Ergeb- 
e| - der Ventrikelliquoruntersuchungen fast immer 
a| Eo als jene des Spinalliquors, und zwar so- 
a| k in bezug auf Zellen, Globuline, wie die Wa.-R., 
a| rend die Goldsolreaktion auffallenderweise in 
item Falle gleich, in einem anderen nur etwas 
| Ee war. Halten wir uns vor Augen, daß 
l pa Fall von Paralyse z. B. der Plexus chorioi- 
‚| Ei und auch das Ventrikelependym Infiltrationen 
oi ee daß es nur zu gliösen Veränderungen 
En a dann können uns diese Befunde, die wir 
| Be wenn auch nicht so ausgesprochener 
r d l on gefunden haben, nicht wundernehmen. 
i i “arakteristische Beschaffenheit bekommt eben 
Si pathologische Liquor erst, wenn er durch die 
A enodearsum mit ihren Infiltrations- und 
ationsquellen strömt. Vielleicht sind diese 
u Se eine Bestätigung der Monakow- 
i a ee Für die Praxis heißt e S, bei 
fo. Furreilung:.. des: Ventrikel- 
1 hin vorsichtig. sein und erst 
if o aus beiden Flüssigkeiten, 
4 "und Ventrikelliguor ziehen. 


| 


Tielich die Bewegung des Patienten eine Rolle, dies 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 31 


Ein drittes Problem ist vor kurzem aufgetaucht. 
Rizzo und vor allem Eicke und Löwen- 
berg haben gefunden, daß sich de Wa.-R.des 
inaktivierten Liquors in verschie- 
denen Stadien der Lues verschie- 
den verhält, indem nach Inaktivierung die 
Wa.-R. bei Paralyse meist gleich bleibt, bei Lues II 
verschwindet, bei Lues cerebri eine Mittelstellung 
einnimmt. Eicke findet die Wa.-R. bei Paralyse 
in vielen Fällen auch gegenüber höheren Tempe- 
raturen stabil und konstruiert einen Parallelismus 
mit der Stärke der von Kafka angegebenen 
Euglobulinfraktion und ev. dem Normalambozep- 
torgehalt nach Weil und Kafka. Wir fanden 
bei unseren bisherigen Versuchen tatsächlich einen 
deutlichen Unterschied zwischen Paralyse und 
Lues cerebri, wir fanden ferner, daß eine Inakti- 
vierunge von 56° durch 15” genügt. Um den Be- 
ziehungen zu den Euglobulinen auf die Spur zu 
kommen, arbeiteten wir mit großen Liquormengen 
eines Paralysefalles, indem wir die einzelnen Frak- 
tionen vollkommen isolierten, auflösten, besalzten 


und dann zur Wa.-R. neben den aktiven Liquor 


ansetzen. In gleicher Weise wurde der inaktive 
Liquor behandelt. Es zeigte sich nun, daß die 
Wa.-R. der Euglobuline am hitzebeständigsten war, 
so daß Eickes Annahme eine Unterstützung er- 
fährt. Für die Praxis muß gefordert werden, daß 
der Liquor aktiv und mach 1. MM 
Inaktivierung zur Wa.-R. angesetzt 
wird. Ferner scheint festgestellt, 
daß die hitzebeständige Wa.-R. im 
L1WOT sich nur: perder Paralyse 
findet. Es werden sich daher diagnostische und 
prognostische Schlüsse ergeben, die über unsere 
jetzigen hinausgehen: durch die Inaktivierung er- 
fährt die Bedeutung der Wa.-R. im Liquor eine 
Erweiterung. 

Ein letztes Problem sei hier berührt, das C. 
Lange jüngst aufgerührt hat. Auf Grund einer, 
Studie über Liquorbilder bei Hirntumoren kommt 
er zu der nicht ganz klar geäußerten Anschauung, 
daß in iedem Fall von Meningitis 
einer Wa.-R. im Liquor eine lokal- 
diagnostische Bedeutung nicht zu- 
kommt, da infolge der entzündlichen Quellung 
des Filters Blutplasmabestandteile und mit ihnen 
Wa.R.-Reagine in den Liquor übergehen sollen. 

Daß bei der akuten nichtsyphilitischen infek- 
tiösen Meningitis des Luikers Wa.-R.-Reagine in 
den Liquor übergehen, ist eine gemügend bekannte 
Tatsache. Daß aber in jedem Falle meningitischer 
Prozesse die Wa.-R. des Liquors jede lokaldiagno- 
stische Bedeutung verliert, muß energisch bestrit- 


32 | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ten werden. C. Lange sind hierbei anscheinend 
die Permeabilitätsuntersuchungen entgangen, denen 
besonders W eil und Kafka, sowie Kafka viel 
Arbeit und Mühe geschenkt haben. Den besten 
Indikator für den Übergang von Stoffen aus dem 
Blut in den Liquor bildet die Hämolysinreaktion, 
da Hämolysine im Blute so gut wie immer anzu- 
treffen sind, im Liquor aber nur bei Paralyse und 
akut entzündlichen Prozessen. Gerade aber für 
die Paralyse negiert Lange die exogene Entste- 
hung der Wassermannschen Reagine im Liquor. 
An dieser Stelle sei nicht ausführlich auf die 
vielen hier in Betracht kommenden Fragen einge- 
gangen, sondern nur betont, daß durch Langes 
Arbeit kein Grund gegeben wordenist, 
die Wa=-R. im: Liduor anders zu DE- 


Zur Streitfrage der okkultistischen Forschung. 
Von Oberarzt Dr. P. Sünner, Berlin-Herzberge. 


BE Dezemberheft Nr. 37/38 brachte einen Auf- 
satz von Herrn Prof. Friedländer, Frei- 
burg, über Telepathie, auf den ich einiges erwidern 
möchte. Zunächst erfuhr ich daraus, daß wir es 
einer Anregung des Genannten verdanken, daß 
Herr San.-Rat Bresler als Herausgeber der 
Zeitschrift diese den Anhängern und Gegnern des 
Okkultismus zur Verfügung stellt. Dafür gebührt 
beiden genannten Herren aufrichtiger Dank, und 
zwar um so mehr, als das geplante „Archiv für 
. wissenschaftlichen Okkultismus” von Prof: K a u ff- 


mann, Halle, und Dr. v. Wasielewski einst- ` 


weilen infolge der schwierigen Zeitumstände noch 
nicht ins Leben getreten ist. Jedenfalls haben wir 
zunächst in der vorliegenden Wochenschrift einen 
guten Ersatz und ein wissenschaftliches Forum, wie 
wir Ärzte es bisher noch nicht hatten, und das ist 
in der Tat erfreulich. Weniger einverstanden aber 
kann ich mich damit erklären, wenn Herr Prof. 
Friedländer schon gegen den Titel des ge- 
planten Archivs Bedenken äußert, da dieser vor- 
weg nähme, was durch die Untersuchungen erst 
-zu beweisen wäre: nämlich, daß es einen Okkul- 
 tismus gäbe! Diese Redewendung setzt mich bei 
einem so geschätzten Autor in Erstaunen. Wahr- 
scheinlich meinte er etwas anderes, denn der Be- 
grif „Okkultismus” an sich wird doch wohl nicht 
umstritten. Er umfaßt doch das ganze noch un- 
geklärte Gebiet der psychischen und psychophysi- 
schen Vorgänge, soweit sie auch für uns Ärzte 
und Naturwissenschaftler in der Tat noch ver- 
borgen sind und soweit für uns das Menschen- 


WIRT) 


werten als früher. Einen Vorteil 4 
haben Langes Auseinandersetzungen, indem s 
uns anstacheln, mit erhöhtem Eifer festzulegen 
was an pathologischem Liquor „endog m 
„exoren” ist. 

Wir sehen aus obigem, daß die besprochal 1 
Liquorprobleme für den Praktiker keine Veran b 
sung geben, die heutigen Errungenschaften dr 
Liquordiagnostik anzuzweifeln. Im Gegenteil durd 
ihre kritische Betrachtung wird die Deutung i 
Liquorbildes verfeinert, es werden neue Frage 
aufgerührt und’ wir befinden uns auf dem Wer 
zum Ausbau der pathologischen Physiolgt 
des Liquors, die freilich nur durch die Zusammet: 
arbeit des Klinikers und des Serologen mög 
sein wird. | 


rätsel und das Welträtsel noch nicht völlig go 
erscheint. Dieser Ansicht sind doch immer n 
nicht wenige Menschen. Der Dramatiker Friedd 
rich Freksa schrieb kürzlich in der D. A4 
unter „Hygiene der Seele” den Satz: „Mit Sw 
wurde die Existenz der Seele so lange geleugil 
bis sie sich selbst durch das Bedürfnis von Milit 
nen Menschen bewies, die ihren Hunger teils durdi 
reuige Rückkehr zur Religion, teils durch moderi 
Surrogate derselben zu stillen suchten” und j 
spricht von Giften, die der Seele eingegeben we: 
den —, „denn die Beschaffenheit der eigenen Set 
ist den Menschen zumeist noch mehr verschil 
sen als der Bau seiner inneren Organe.” Die Ar 
hänger der okkultistischen Forschung wollen ihre 
seits ja auch das Gift für die Seelen möglichst as 
der Welt schaffen, indem sie das noch Verborge | 
und Ungeklärte der Erfahrungswissenschaft eintel 
hen und zu dem mit dem Verstande Eriabbaf 
gestalten wollen. Dem Übersinnlichen und dent 
Mystischen entrückt erscheint ihnen das Result 
das ihnen vorschwebt und auf das sie zuversicl 
lich hoffen, als ein Gewinn der Wissenschaft e 
allein, sondern als eine Bereicherung des 1 
schentums überhaupt. 

Herr Prof. Friedländer befürchtet ! s 
daß es zu einer der Wissenschaft und reinet ; 
kenntnis dienenden gemeinsamen Arbeit Me | 
kommen wird, indem er zwei Namen nennt, © | 
in Opposition zum Okkultismus stehen. He pi 
dizinalrat Kolb, dessen Interesse a! den and 
gen immerhin sehr zu loben ist, hat anschel 4 


it}, i 
A 


a wonders wenig Sympathie für den ersten Vor- 
= denden der Forschungsgesellschaft in Nürnberg, 
L md würde vielleicht in anderer Umgebung seinen 
Fstandpunkt schon revidiert haben. Was Herrn 
Foheimrat Moll anbetrifft, so dürfte nach dem 
Fingehenden Bericht, den ich kürzlich in diesem 
fbate über die Berliner Disputation geben durfte, 
„foch dem Außenstehenden klar sein, warum mit 
4 dr ein Zusammenarbeiten in Zukunft noch mehr 
pie bisher unmöglich ist. Nach dieser eklatanten 
„fud zum größten Teil selbstverschuldeten Nieder- 
Age dürfte er nicht nur in Berlin als maßgeblich 
P mf dem okkultistischen Gebiete ausgespielt haben. 
Fbst ein Herrn Moll so wohlwollender Kollege 
af e der Berichterstatter des B. T. meint, daß seine 
i Ausführungen unter einer ganz unverständlich er- 
a Rgten und scharfen Polemik gelitten hätten, und 
Fe glaubt, daß die ganze disharmonische Erörte- 
f ung gezeigt habe, daß das Thema zur öffentlichen 


o 
X 


 F Behandlung noch nicht reif sei. Darin wird er 


a sch ebenso irren, wie Herr Moll, der vor dem 
fond im Langenbeckhaus in einem Vortrag er- 
i ‚Nlärte, „daß die okkultistische Bewegung, die in 
ir letzten Zeit sich so sehr bemerkbar machte, 
df eicht schon den Höhepunkt überschritten 
be” Auch hier war der Wunsch der Vater des 
jif Yelankens, und es wird wohl bei diesem frommen 
e Ninsche bleiben. Dafür werden andere, berufe- 
I ‚dere Arzte und sonstige Gelehrte sorgen, und daß 
‚er Berichterstatter jener Zeitung, die sich in eitler 
K Nlbstgefälligkeit „Weltblatt” zu nennen beliebte, 
i Nich berufen war, in dieser Materie zu berichten, 
i ben seine Ausführungen bewiesen. Denn wenn 
$ 8 auch begrüßt, daß derartige öffentliche Ge- 
; hrtendispute nicht mehr wie früher in Lateinisch 
pf dern in Deutsch geführt würden, scheint er 
mf "Ct viel verstanden zu haben, und ergeht sich 
| er in derben Späßen über die Ausführungen 
3 A Herrn ‚Dr. Aigner, oder bringt auch zum 
H Ei Falsches, da er die Literatur über Wünschel- 
i Eee und den Dietersheimer Fall anschei- 
iR icat kennt. Darum hätte er die Vertretung 
if einem belesenen Nur-Journalisten aus seiner 
E &laktion überlassen sollen. | 

2: Nicht mit Unrecht sagt Franz Wugk in 
i En trefflichen Aufsatz in der „Tägl. Rundsch.” 
' h $ bmg bei Besprechung der neuen Bücher 
Notzin ichs, Tischners und Schrenk- 
E 0.028 folgendes: „Die Hauptsache ist: man 
| X Wert nicht mehr und lacht nicht mehr, sondern 
a 4 | lernt. Man besinnt sich dar- 
ee Volk Böhmes, Kants, Schopenhauers, 
Mn So ners sich selbst schuldig ist, Uner- 
„ches nicht von vornherein mit. schnoddrigen 


a Britt 
A A 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 33 


Witzen aus der Welt hinausulken zu wollen. Es 
handelt sich hier nicht um Hutzelmännchenaber- 
glauben, wie noch der große Wundt sagte, es 
handelt sich auch keineswegs immer um Gespen- 
sterseherei, sondern um strenge Wissenschaft.” 
Darin sind sich die Anhänger der okkultistischen 
Forschung allerdings einig, und darum freute ich 
mich über den wackeren Aufsatz des Kollegen 
Holub aus Wien (in demselben obigen Hefte), 
der ebenso wie ich noch Respekt und eine gewisse 
Ehrfurcht hat vor den vielen großen Namen, die 
auf unserem, dem okkulten Gebiete nicht nur ge- 
forscht haben, sondern auch mannhaft für das Tat- 


'sächliche eingetreten sind. Namen in großer Menge 


habe ich ja in meinem vorjährigen Aufsatz ge- 
nannt (Heft 23-24 vom 10. Sept.), unter diesen auch 
einige psychiatrische, allerdings ausländische, Fach- 
kollegen. 

Ich kehre zurück zu den Ausführungen Prof. 
Friedländers und muß seine Schlußworte 
wiederholen: Er werde öffentlich erklären, von 
dem Bestehen okkultistischer Erscheinungen über- 
zeugt zu sein, wenn ihm solche ein einziges Mal 
auf Grund einer von ihm getroffenen Versuchs- 
anordnung nachgewiesen würden. — Mir scheint, 
diese Worte kenne ich doch! Ich möchte sagen: 
„Das ist Mo1lls Geschoß!” — Verehrter Herr Pro- 
fessor, so geht es nicht, leider nicht! „So hat ja 
auch Herr Moll die ganzen Jahre hindurch ge- 
sprochen, mit dem zutage liegenden negativen Re- 
sultate. Wenn Sie aber zu positiven Zielen gelan- 
gen wollen, dann wird es erforderlich sein, sich 
anzupassen (ein verpöntes Wort!), was durchaus 
in einer gemischt zusammengesetzten Kommission 
geschehen kann, die auch von uns: hier in Berlin 
aufrichtie gewünscht wird.” 

Aus welchem Grunde aber Friedländens 
Standpunkt, so leid es mir tut, nicht der richtige 
ist, beliebe man in dem lesenswerten „Einstein”- 
Buch von A. Moszkowski nachzulesen, das 
aus persönlichen Unterhaltungen mit jenem Ge- 
lehrten zusammengesetzt ist. Der Herausgeber 
setzt da seine Ansichten denen des anderen gegen- 
über und gibt uns als eigene Auffassung manch 
Interessantes zu lesen. So z. B., daß vor drei Jahr- 
zehnten der Wundermann Hansen in Dresden, 
nachdem er als einer der ersten in seinem Fach 
hypnotische und telepathische Experimente ver- 
anstaltete, zu langer Gefängnisstrafe verurteilt 
wurde, nach dem Gutachten von Wissenschaftlern, 
welche erklärten: diese Experimente sind nur auf 
der Betrugsbasis möglich, folglich ist Hansen ein 
Betrüger, der eingesperrt und unschädlich gemacht 
werden muß! | Í 


34 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Es ist ferner da zu lesen, daß damals das be- 
rühmte amerikanische Medium Henry Slade un- 
ausgesetzt die Kontrolle wirklicher Physiker und 
Physiologen verlangte, denen die Seltsamkeiten 
seiner Natur als Studienobjekte dienen sollten, mit 
dem Ergebnis, daß Männer wie Dubois-Rey- 
mond, Helmholtz, Virchow sich weiger- 
ten ihn zu sehen, geschweige denn, mit ihm zu ex- 
perimentieren! 

Und es ist da schließlich zu lesen, daß die Elek- 
trizität wohl früher nicht entdeckt worden wäre, 
wenn sich jemand gefunden hätte, der dem Ent- 
decker vor seiner Anerkennung seine eigene Beob- 
achtung mit der von ihm, dem Skeptiker, gewähl- 
ten Versuchsanordnung aufigezwungen hätte Es 
heißt bezüglich des für unser Gebiet so vortreii- 
lichen Vergleiches da folgendermaßen: „Denkbar 
wäre doch folgendes: Es könnte plötzlich ein Mann 
auf die Bildfläche treten, der sich im Besitze einer 
noch unerforschten Naturkraft befände; wie einer, 
der etwa mit Elektrizität umzugehen wüßte, bevor 
noch die anderen Menschen irgendein elektrisches 
Phänomen erfahren hätten. Der könnte uns hun- 
dert Schauvorstellungen vormachen, die für uns 
sämtlich ins Gebiet unerklärbarer Magie fielen. 
Wir würden z. B. sehr erstaunen, wenn er aus 
einer lebendigen Person Funken herauszöge. Nun 
äußern sich zwei Gelehrte gutachtlich. Professor 
A. erklärt die ganze Angelegenheit für Firlefanz 
und lehnt jede Beobachtung prinzipiell ab. Pro- 
fessor B. will die Leistungen des X. untersuchen, 
falls dieser sich von vornherein allen vorher fest- 
zulegenden physikalischen Bedingungen unterwirit: 
und er faßt die Bedingungen derart, daß sie dem 
Auftreten elektrischer Phänomene widerspre- 
chen. Gesetzt nun, sämtliche Gelehrte verhiel- 
ten sich wie A. und B., so wäre die Folge sehr be- 
trübsam. Denn hier lag ein wichtiges Forschungs- 
gebiet klar vor Augen, und dieses Gebiet verschloß 


Zur Streitfrage der okkultistischen Forschung. 
Von Prof. Dr. A. A. Friedländer, Freiburg i. Br. 


2 den Ausführungen des Herrn Sünner, wel- 
che mir von der Schriftleitung freundlicher- 
weise zugesandt wurden, habe ich einige Bemer- 
kungen zu machen, wobei ich es für meine Pflicht 
halte, die Leser dieser Zeitschrift dafür um Nach- 
sicht zu bitten, daß ich die Kritik einer Kritik 
bringe. Es ist aber hohe Zeit, daß wir uns über 
die Begriffe einigen, denen unser Streit gilt. 
Nicht nur „wahrscheinlich”, sondern ganz ge- 


(Nr. ik 


sich durch das Mißtrauen oder den Starrsinn dr 
Gelehrten, die es eigentlich hätten öffnen müssen! 

Sollten wir nicht alle aus diesem Vergleich kr 
nen und beherzigenswerte Folgerungen ziehe 
Mir scheint, es würde sich lohnen! 

Will man wirklich im Ernst behaupten, m 
wir am Ende aller Erkenntnisse bereits angelangt 
seien, oder daß uns bisher Verborgenes auf ewig 
verborgen bleiben muß? Warum bricht man nicht 
endlich auch in den Kreisen der offiziellen Wissen 
schaft mit dem lähmenden „Iegnorabimus” einer 
überwundenen Zeit? Auf anderen Gebieten set] 
doch die Erkenntnis täglich neue Wege. 

Einstein hielt hier kürzlich einen Vortag 
über: „Neue Ergebnisse auf dem Gebiete de 
Lichterforschung”, in welchem er sich eingehen 
mit den Anschauungen der neueren Physik von) 
dem Wesen und den Eigenschaften des Lichts au 
einandersetzte. Er schloß seine bedeutsamen Aw 
führungen mit dem tiefen Wort, daß Nat} 
und Menschengeist so innig und unlöslich ineinat 
der verschlungen seien, daß es der Forschug 
mehr und mehr gelingen müsse, auch scheint 
unvereinbare Widersprüche doch endlich zu einet 
Weltbild zu runden und zu vereinigen, und er ett 
ließ seine Hörer in der Gewißheit, daß die modern] 
Physik auch auf dem Gebiete der Lichterforschut 
vor neuen umwälzenden Erkenntnissen stehe. 

Ich führe das hier nur an, weil ich die Frag 
daran knüpfen möchte, warum es nicht eben! 
auf dem Gebiete der Seelenforschung neue Br 
kenntnisse geben sollte, die geeignet wären, eben 
falls das Weltbild zu ändern, und sei es auch al 
die Gefahr, daß überlebte Weltanschauungen ar 
über in Trümmer gingen?! | 

Ich richte hiermit an die Lese! 
dieser Zeitschrift die Frage: „MM 
will bei dieser Forschung mit dabei 
sein?” | 


wiß verstehe ich unter „Okkultismus” etwas and 
res, als-Herr Kollege Sünner und diejenige 
welche, wie er, dem Okkultismus einen SO 
ja ich möchte sagen grenzenlosen Umfang ? ; 
ligen. wl 

Ich darf wohl mit Rücksicht auf die wona a 
objektive Form, in welcher Sünner seine 
gensätzliche Stellung zum Ausdruck bringt 5 
bei den freundlichen Worten, welche ef für mi 


REN = ©. 

Fer BR 
5 

Ai 4 

Kor. Rasa 

| a: A 


i f 1922) 


ir indet, voraussetzen, daß er mich zu den „doch 
lf immerhin nicht wenigen Menschen” zählt, welche 
tf is Gebiet der seelischen und körperlichen Vor- 
U inge weiterer Forschungen für wert halten. 
E Mich befriedigt der Stand unserer Heilbestrebun- 
Aferim allgemeinen und der seelischen Erkran- 
Wfkungen im besonderen, soweit ursächlich e 
ji Behandlung in Betracht kommt, so wenig, daß ich 
A nich der ernstesten Hoffnung hingebe, wir oder 
"f insere Nachfahren mögen zu sichereren Erkenntnis- 
Mn gelangen. Damit aber hat der Okkultismus 
A im engeren Sinne nicht das Geringste zu tun — 
Ẹ vie ich vorläufig noch glaube. Zum Okkultismus 
Sf im weiteren Sinne gehört aber letzten Endes alles, 
er Was uns heute noch verborgen ist, und das dürfte 
fiicht wenig sein. Rückt Herr Sün n er von jenem 
UT Okkultismus ab, zu welchem u. a. Stern- und 
ST Traumdeuterei, Spiritismus, Alchemie, Telepathie, 
SF Teleplasie, Hellsehen, Theosophie und Anthroposo- 
f hie gerechnet werden, so steht unserer Einigung 
Inf nichts im Wege. 
WẸ Ich vermag nicht zu sagen: Es gibt kein Hell- 
MẸ hen; ich sage nur, was die Okkultisten Hellse- 
Mh hen nennen, das ist für mich noch unbewiesen. 
ich sage nicht: Forschungen nach uns bisher dun- 
Mp elund unerklärlich erscheinenden Vorgängen sind 
Sp richt oder überflüssig, ich sage nur, selbst wenn 
[ie bisher mitgeteilten Ergebnisse bei „Hellschern” 
“f üviesen sind, so haben sie uns in streng wissen- 
"faitlicher Beziehung bezüglich allgemeiner Er- 
di Kenntnisse seelischer Vorgänge keinen Schritt wei- 


"fr gebracht. Somit stimme ich mit Herrn Sün- 


Fer überein, wenn er für die weitere Forschung 


a ‚ahnter, angenommener, meinetwegen in weni- 
d N Fällen sogar festgestellter Erscheinungen ein- 
hi a aber dabei bleiben, daß der Name „Ar- 
iM ur wissenschaftlichen Okkultismus die Sam- 
I Nestelle für eine Wissenschaft darzustellen 
u welche es noch nicht gibt. Es ist Sün- 
f ° sicherlich ebenso bekannt wie mir, daß kein 
1 l ziger Fall aus neuerer Zeit angeführt werden 
= N, in welchem von Hellsehern irgend etwas 
Für einen Menschen, für eine Fami- 
D a nn Volk wirklich Wertvolles festgestellt 
i igin ergesagt worden wäre. Der mir zur 
E ere Fi g stehende Raum verbietet mir, auf wei- 
T inzelheiten einzugehen. Ich darf wohl auf 
-4 = un was ich in dieser Zeitschrüt mehr- 
fi 7 ~ habe, auch auf eine Besprechung 
A btztere Sr ee betreffenden Frage. Was 
Ai inasi rifft, möchte ich auf zwei Mitteilungen 
ifi ter Zeit verweisen. Ein wissenschaft- 


f icher Vera: 
T Verein, welcher sich mit der Erforschung 


= 
E 


i ünschelruten-Erscheinungen befaßt, bat Ru- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 35 


tengänger um ihre Mitwirkung. Diese wurde in- 
folge der für den Verein unerschwinglichen Forde- 
rungen unmöglich. Der letzte Bericht der geolo- 
gischen Landesbehörde verhält sich nach einge- 
hender Prüfung nach wie vor ablehnend. Beide 
angeführten Tatsachen beweisen an sich nichts 
gegen die Möglichkeit, daß es Menschen gibt, wel- 
che mit Hilfe der Wünschelrute Wasser, Kohlen 
oder Erze finden. Die Weigerung der Rutengän- 
ger, ihre Kunst auch kostenlos, wenn es sein muß, 
inden Dienst der Wissenschaft zu stel- 
len, ist aber jedenfalls sehr auffallend. 

Sollte, wie ich selbst hoffe, zunächst einmal aui 
Grund scharfer Begriffsbestimmung dauernden 
Mißverständnissen der Boden entzogen sein, so ist 
es, wie ich ebenfalls aus den Darlegungen meines 
verehrten Herrn Kollegen entnehmen muß, des 
weiteren notwendig, Aussprüche von Gegnern oder 
Anhängern daraufhin genau zu prüfen, worauf sie 
sich beziehen. Es wird sofort klar sein, was ich 
damit sagen will. Herr Sünner bezieht sich auf 
Wugk und dessen abfällige Bemerkungen über 
Wundt, der von Hutzelmännchen-Aberglauben: 
gesprochen hat. 

Wer die betreffende Arbeit Wundts nicht 
kennt, muß annehmen, dieser habe den Okkultis- 
mus, also die Forschung nach uns noch verborge- 
nen seelischen und anderen Erscheinungen ge- 
meint. Das ist nicht der Fal. Wundt hat es 
vielmehr abgelehnt, sich mit dem Spiritismus 
zu befassen, solange dieser keine anderen 
Geister hervorzurufen verstehe, als solche, die sich 
durch Klopftöne und andere Scherze bemerkbar 
machen, wie sie im Märchen von Hutzelmännchen 
berichtet werden. Ich glaube, daß Merr Sün- 
ner in dieser Beziehung mit Wundt einig geht. 
Herr Sünner verweist auf das „Einstein- 
buch von A. Moszkowski” und auf dessen 
Bemerkungen über den Hypnotiseur Hansen 
und das Medium Henry Slade. Zur Ergän- 
zung verweise ich auf Seite 121 dieses Buches. 
Dort antwortet Einstein auf fantastische Fragen 
Moszkowski: In Gedanken mit Unmöglich- 
keiten zu operieren ist gestattet, d. h. mit Dingen, 
die unserer Erfahrung widersprechen, nicht aber 
mit vollendetem Nonsens; auf Seite 140 sagt E in- 
stein: „Die vierdimensionale Welt im Spiriti- 
stensinne ist Humbug’. Moszkowski, wel- 
chen Sünner im gewissen Sinne als Mitstreiter 
in Anspruch nimmt, besitzt nicht nur eine glän- 
zende Darstellungsgabe, sondern reiches Wissen 
und erstaunliche Belesenheit. Es ist darum ver- 
wunderlich, daß er bei seiner Unterhaltung mit 
Einstein nicht an die Aufklärungen der von 


36 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Slade in Anwesenheit Zöllners gemachten 
Versuche gedacht hat, aus denen zu erkennen ist, 
daß man ein großer Physiker und sehr schlechter 
Beobachter sein kann. Die Stellung Mosz- 
kowskis ist überhaupt keine eindeutige, denn 
auf Seite 135 lesen wir: „Im Felde Ignoranz gibt 
es kein Bedenken, und so hat man tatsächlich an- 
gefangen, Einstein zu zitieren, wo es sich um 
mediumistische Experimente mit dem Beige- 
schmack des Vierdimensionalen handelt.” 


Gerade Moszkowskis Buch, welchem ich 
außerordentliche Anregung zu verdanken habe, 
zeigt, wie bedenklich die Heranziehung von „Auto- 
ritäten” ist, wenn aus ihren Aussprüchen oder For- 
schungen etwas für oder gegen eine Sache bewie- 
sen werden soll. Auf Seite 143 sagt Mosz kows- 
ki mit Bezug auf einen der berühmtesten ,Hell- 
seher”: „Immanuel Kant hat sich ernst und 
tieferündige mit den Wundern Swedenborgs 
beschäftigt.’ 

Kant hat dies in einem großen Aufsatz 
„Lräume eines Geistersehers’ getan. Wer diese 
Schrift nicht kennt, wird und muß zu der Ansicht 
gelangen, daß Kant „die Wunder Sweden- 
borgs” als solche anerkannte. Die bezügliche 
Arbeit ist tiefgründig wie alles, was dieser Philo- 
soph geschrieben hat, sie ist aber so -wenig ernst, 
d. h. sie nimmt die Hellseherei im allgemeinen und 
die Swedenborgs im besonderen so wenig 
ernst, daß Kant diejenigen als „Kandidaten des 
Hospitals” bezeichnet, welche einem Geisterglau- 
ben oder ähnlichem huldigen, und daß er am 
-Schlusse seiner tiefgründigen Untersuchung er- 
klärt, er sei mit diesen Sachen ein für allemal 
fertig und werde sich mit ihnen nicht mehr be- 
fassen. Die Ausführlichkeit, mit welcher ich auf 
den durch Sünner herangezogenen Mosz- 
kowski einging, scheint mir gerade mit Bezug 
auf Kant gerechtfertigt. Dieser hat im Gegen- 
satz zu Dubois-Reymond, Helmholtz, 
Virchow (und Einstein) nicht abgelehnt, mit 
Okkultisten in Verbindung zu treten. Er hat, wie 
ich zum zweiten Mal (in dieser Wochenschrift) her- 
vorheben möchte, an Swedenborg einen Brief 
gerichtet und um unmittelbare Aufklärung ge- 
beten. Und sogar ein Kant wurde keiner Ant- 
wort gewürdigt. 


Die Okkultisten können zufrieden sein, denn es 
blieb unserer Zeit vorbehalten, die Weisagungen des 
Nostradamus wieder auszugraben und auf Grund 
des entdeckten (?) Schlüssels ihre Bedeutung für 
Gegenwart und Zukunft zu erweisen. Der 
Schlüssel selbstist dem Buche nicht 


lesungen „glauben”, 


[Nr. 5 


beigegeben, nur bemerkt, daß er bei einen 
Notar niedergelegt sei. 5 
Unserer Zeit und einem deutschen Gerichte 
hof blieb es vorbehalten (in, der Mordsache k 
pen), eine Hellseherin heranzuziehen. Wir wol l 
abwarten, was sie leistet. 2 
Es ist nun einmal so: Die Überzeugung ein 
Menschen beruht, von allem anderen abgesehen 
auf seinen persönlichen Erfahrungen. Mir haben 
bisher Gedankenleser, Hellseher, Spiritisten keit 
Gelegenheit geboten, mit ihnen wissenschaftlich 
Versuche zu machen; ich hörte immer wieder da) 
Einwand, „wenn Sie nicht glauben, dann werd 
Sie sich auch nicht überzeugen lassen”. Wisser 
schaft und Glauben decken sich aber nicht immet 
Auch die Freudschen Traumdeuter strengstt 
Richtung verlangen Glauben, statt Wissen und Be 
weis zu geben. 
Eines aber darf ich als Ergebnis dieser ul 
daß Kollege Sünner mu 
nicht neuerdings mißversteht und von meinem all 
richtigen Willen zur Anpassung überzeugt I 
Also: „Ich werde öffentlich erklären, von dem Be 
stehen okkultistischer Erscheinungen überzeugt u i 
sein, wenn mir solche ein einziges Mal auf Grug 
einer von mir getroffenen Versuchsanorduif 
nachgewiesen worden sind.” Ich denke nicht &t 
an, einem Hellseher etwas aufzuzwingeh 
noch ihm-etwas bezüglich der von ihm zu bietet: 
den Erscheinung vorzuschreiben. Was wi 
sage, scheint mir ganz klar zu sein, wenn wir U 
über Grundbegriffe geeinigt haben. Die Zweit 
wären an sich durchaus berechtigt, von jemati 
der behauptet, hellseherische Fähigkeiten zu Wi 
sitzen, zu verlangen, er möge ein einziges Ereigi 
scharf umschrieben und auf den Tag genan b 
stimmt angeben, welches innerhalb eines Jahres i 
Erscheinung treten wird. (Der besagte Nostre 
damus hat seine Weissagungen über hunderte vol 
Jahren erstreckt!) Dies wäre erzwungell 
Versuchsanordnung, ich dagegen verlange vot 
einem Hellseher, der erklärt, er könne irgend etwa 
leisten, beispielsweise eine in einem Umschlag 
findliche Niederschrift lesen, ohne den ni 
zu Öffnen, nur daß er sich folgender Versuchs Ä 
ordnung unterwirft: u 
1. Das Schriftstück umfaßt fünf bis zehn e 
von mir in Abwesenheit des Hellsehers nieder" 
schrieben und in einem undurchsichtigen Umso 
eingeschlossen, verschnürt und versiegelt. 
2. Der Hellseher gibt den Inhalt vermöge en | 
okkulten Fähigkeit in meiner Gegenwart M 
ter meiner dauernden Aufsicht wieder. 


Herr Sünner wird sich davon u 


Wiene Vorurteilslosigkeit, welche er besitzt, der 
iehrzahl seiner okkultistischen- Freunde nicht zu 
i en ist. Er wird sich davon überzeugen, daß er 
F nit seinem etwaigen Antrag, mich einer gemisch- 
Ji t i Prüfungsstelle zuzuziehen, nicht durchdringt. 


E Alan bezeichnet den Okkultismus als Wissen- 
ap schaft von der Erforschung noch unbekann- 
„Für seelischer Erscheinungen bestimmter Art. Ich 
apime ihn einen seelischen Zustand; es ist eine 
uf igenartige Gemütsverfassung. Daß vielen Men- 
yf hen diese Gemütsverfassung eigen ist, sogar 
4 sehr vielen, wenn man den okkultistischen Zustand 
„Ein weiteren Sinne und namentlich auch die künst- 
ii iche Einimpfung der Vorstellungen von Hinter- 
ig ünlichem und die künstliche Erzeugung ihm ent- 
st | Srechender Gefühle darein faßt, — das beweist 
a Nichts gegen die Sonderart des Zustands und seine 
Mtr- und Regelwidrigkeit. - Denn die Mehrheit 
[weist bekanntlich gar nichts. 
Ich möchte für diese Gemütsverfassung den 
Namen Geheimsucht vorschlagen. 
Das Wesentliche darin ist die Sucht, ein Wort, 
fi nicht von suchen, sondern von siechen stammt. 
u lir gegenüber steht das muntere, lebenbejahende 
Mi ind lebenfordernde Spiel der menschlichen Phan- 
kt sie, die in königlicher Freigebigkeit unter men- 
úf Ktenähnlich gedachte Wesen Amt und Herrschaft 
ap Oer Natur und Welt verteilt. Geheimsucht ist 
ih Ach wesensverschieden und unabhängig von 
g Vissenschaftlichem Streben nach Erweiterung und 
örderung der Erkenntnis und ihrer Mittel. Man 
en diesen Zustand anreihen dem Grübeln und 
sen, der Zweifelsucht und den Zwangsvorstel- 
gen, auch der paranoiden Denkart. Es liegt 
‚hm m Grunde eine Unruhe des Gemüts und Den- 
keng, eine Ängstlichkeit und Furcht, welche alles 
= und Selbstempfinden begleiten und von 
Fils en zu Vorstellung treiben. Auch wenn 
4 en = en nach Dingen, die hinter der Welt der 
inner gen sollen, restlos erfüllt wäre, würde 
I u wie Leiden anderer Art, Ge- 
5 iger t bei den Menschen auftauchen und neue 
i Stellen, 
l an a geltend gemacht, daß auch andere Na- 
U en x eelenkräfte erst geahnt und unvollkom- 
E Kieser wurden, ehe der wissenschaftliche 
i n en Das ist richtig. Ich gehe sogar 
er: Dieser Erkenntnisweg ist der ge- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 37 


Ichrichtehiermitan.ihn die Frage, 
ob er Gelegenheit nehmen will, mir 
behilflich zu sein, die Grundlage 
für. jene - öifentliche "erkiir un za 
gewinnen: 


Geheimsucht. 
Von Dr. J. Bresler. 


gebene für Kundwerden neuer, bisher vorborgener 
Kräfte der. vermuteten Art. Aber eben wegen 
dieser Sonderart, wie sie behauptet wird, und der 
tiefreichenden Folgerungen, die man schon jetzt, 
aus aller Unklarheit heraus, an Vermutungen und 
regellose, unbestätigte Einzelbeobachtungen knüpft, 
und wegen des plumpen Betrugs, der sich auf die- 
sem Gebiete schamlos spreizt, muß strengste Inne- 
haltung aller von der psychologischen und physi- 
kalischen Wissenschaft für nötig gehaltenen Beob- 
achtungsvorschriften und -vorsichten gefordert 
werden. | | 

Die häufigste und dringlichste Frage bei Ge- 
heimsucht ist seit alters die nach den Geistern 
Verstorbener, ihrem Aufenthalt und ihrer Daseins- 
form. Man denkt sich, sie seien in einer anderen - 
Welt; man möchte sich mit ihnen verständigen, sie 
ausfragen. Wenn schon die Toten durchaus in 
ihrer meist wohlverdienten Ruhe gestört werden 
sollen oder sich stören lassen wollen, welche Ge- 
heimnisse können sie uns mitteilen? Lohnt es sich, 
ihre Ruhe zu stören? Doch wohl nur für die, 
welche Geschäftsgeheimnisse bei den Toten ver- 
muten. 

Die Toten, die etwas von uns wissen und haben 


wollen, werden schon von selbst den Weg zu uns 


finden, wenn es einen gibt. Ihre Seelen leben in 
anderer und viel zweckmäßigerer Weise in uns 
fort: in unserem Gedächtnis, und die der Eltern 
außerdem viel deutlicher erkennbar in den Nach- 
kommen, nämlich in deren körperlicher und gei- 
stiger Art; die zu pflegen und zu fördern, ist wich- 
tiger, als sich über Tote den Kopf zu zerbrechen, 
und die Pflicht der Dankbarkeit erfüllen wir so 
besser. 

Kann man von den Toten allen Ernstes Neuig- 
keiten wissenschaftlicher, erkenntnismäßiger Art 
erwarten? Man könnte solche Auskunft doch eher 
zu erlangen suchen von dem Neugeborenen, das 
den Weg und Aufbau aus dem Reieh des Leblosen 
und Toten soeben zurückgelegt und überstanden 
hat, und am ehesten von uns selbst, die wir stünd- 
lich und sekündlich Werden aus dem Leblosen und 


38 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Vergehen ins Leblose in uns erfahren, schon da- 
durch, daß wir Nahrung aus Totem in unseren 
Körper aufnehmen und Totes ausscheiden. Be- 
rührt sich nicht dauernd in uns selbst „End- 
liches” und „Unendliches’ ? 

Wenn Edison einen Grabfernsprecher erfindet, 
so wird gewiß mancher letztwillig die Bestim- 
mung treifen, daß man ihn von jeder Belästigung 
nach dem Tode verschone, sofern nicht solche 
Störung der Grabesruhe polizeilich verboten wer- 
den sollte; und er wird damit recht tun, denn des 
Fragens durch Geheimsüchtige würde sonst kein 
Ende sein. Auch das Schiebertum würde bald aui 
den Friedhöfen sich tummeln und seine Bureaus 
einrichten. 

Es mag zugegeben werden, daß es schwer ist, 
jene Ruhe des Gemüts, jene innere Festigkeit und 
Geschlossenheit der Seele zu erlangen, die erfolg- 
reiches Ankämpfen gegen solche Fragesucht ver- 
bürgen, ein starkes Selbstempfinden, das in seinem 
Bewußtsein die Welt als „Nichtich” setzt wie einen 
Gegenstand und sich keinen Kummer macht, daß 
es selbst auch als Gegenstand gesetzt wird; jene 
Kraft des Selbstbewußtseins, das schauend und 
wirkend in sich das ganze Sein erlebt. 

Der Gedanke, daß sein Ich mit dem Tode sich 
auflöst, um zum Aufbau anderer Ichs zu dienen, 
vermag manchem den selbstsüchtigen, meist wenig 
berechtigten Anspruch auf „Unsterblichkeit’’ nicht 
zu erfüllen, obwohl er doch recht erhebend wirken 
sollte. | | 
Möge man ihm die kleinen Heil- und Hilfsmittel- 
chen lassen, da wir es doch nicht ändern können. 
Suchen wir ihn nur zu warnen und zu schützen vor 
den Seelenfängern, die solche Mittel ausnutzen und 
die Bedauernswerten, die ihrer bedürfen, ausbeu- 
ten und zu geistigen Sklaven machen? 

Es wird auch immer vergessen, daß das 
Recht, das, aus Kraft und Macht geboren, Zu- 
sammenhalt und Zusammenleben von Menschen 
und Völkern gewährleistet und regelt, z. B. das 
römische, ganz unabhängig von Gedanken über 
Hintersinnliches zustande gekommen ist und ge- 
wirkt hat; und so ist es noch heute. — 

Leider erlebt — in einer anderen und bedenk- 
licheren Richtung — die Seelensklaverei in. un- 
serem traurigen Jahrhundert, das man das Jahr- 
hundert der Lüge nennen muß, ihre Auferste- 
hung. Ort derselben ist Moskau. Dem nach An- 
lage und Bildung ‘besonders zu Geheimsucht nei- 
genden russischen Volk, dessen Gedankenwelt 
reichlichst von Geheimsucht beherrscht ist, wur- 
den plötzlich und gewaltsam die Seelenblitzableiter 
und -schutzdächer, unter denen es sich wohl und 


[Nr 56 


sicher gefühlt hatte, zerstört und dafür Lügenket- 
ten angelegt, von Habsucht und Haß geschmiedet 
aus Vorspiegelungen von anderen-geheimen Krii 
ten, die dem Menschen innewohnen und ihn be 
fähigen sollen, sich aus allen ererbten und natir 
lichen Zusammenhängen zu lösen, von allen not 
wendigen Ordnungen zu befreien und eine neie 
Lebensform zu schaffen. Die Vortäuschung von 
Hintersinnlichem wird hier nicht mehr benötigt; 
es wird plump gelogen. Die geschichtliche Er 
kenntnis und Erfahrung, daß die Menschheit naci 
ihrer Entwicklung und Art an bestimmte geistige 
gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedingungei 
und Formen gebunden ist, daß die schon so oil 
von Gaunern: und Schwärmern unternommenei 
Lösungs-, Auflösungs- und Erlösungsversuck 
kläglich gescheitert und den Menschen zu Scha 
den und Verderb, jedenfalls nicht zu wahren 
Segen gereicht sind, diese Erkenntnis und Erfa 
rung wird unterschlagen. Der geistig und seelisdi 
Freie sieht mit Ekel und Schaudern große Mense 
heitslügner wieder ihr Haupt erheben, und die 
Menschheitslügen, wie sie als unumstößlicie 
Wahrheiten und Gewißheiten Menschen und Vol 
kern wieder eingehämmert oder eingeimpit wer 
den unter dem Vorwand, ihnen Vollkommenhei 
Freiheit, Glückseligkeit und andere schöne um 
wohltuende Dinge zu sichern, wo doch Unvolk 
kommenheit, Unfreiheit und Not mit jeder Se: 
kunde auf der Erde neu geboren werden wi 
in dem ersten Schrei des Kindes sich uns M 
mer wieder von neuem künden; Menschheitslüge 
die in Wirklichkeit dazu dienen, die Angst der 
Menschen zu steigern und sie damit zu knechten. 

Die schauderhaften Dinge, welche die 0% 


schichte berichtet von den geistigen Vergewalls 


gungen und Verseuchungen früherer Jahrtausend: 
von dem geistigen Stacheldraht, der um die Seol 
sanzer Völker, wenn’s möglich gewesen wäre, aen 
ganzen Erde, gezogen wurde, um sie ZU schützel 
in Wirklichkeit, um sie zu zähmen, alles das tritt 
in diesem Jahrhundert lebensfrisch vor unse 
Augen; wir vermögen den Widersinn besse! m 
ermessen und zu erfassen, indem wir das Gegel" 
wärtige neben das Vergangene stellen. | i 

Kinder sollen zu Wahrheit und Wahrhaftige i 
erzogen werden; die Menschheit aber wird "i 
Lügen gespeist. a ’ 

Die Kultur fängt mit Lug und Trug an, mil 
menhören und anderen Schlichen vorgetäusehfl 
Gieisteskrankheit. | 


Das „Gefühl der unbedingten All 
gigkeit” (welch törichter Widerspruch 5 i 


selbst!), die Furcht vor Unbekanntem, V 


An Wilossenen Welten, ist der Anfang aller Torheit. 


‚ap Jon diesem Gefühl, dieser Furcht müssen wir die 
pe Menschen befreien; immer wieder müssen wir 
ip men sagen: die ganze Welt liegt offen 
‚wor uns und ist in uns. 

a Der Menschheit ist der Weg vorgezeichnet, sich 
vor der immer weiter fortschreitenden allgemeinen 
igt stigen Versklavung und Verherdung durch 
p wangsmäßig auferlegte- sogenannte Weltanschau- 
„pug zu retten: das ist die natürliche Gliederung in 
ige assen, Von Natur ist ihr ein Dasein in Rassen 
ge 


Mitteil 


- Bericht über die Gründung eines Ausschusses 
Miur Prüfung und Erforschung der okkulten (parapsychi- 
al Jschen) Phänomene und zur Bekämpfung der offen- 
sölllarungsspiritistischen Gefahren. Im Februar dieses 
ch-jlahres hat die forensisch-psychologische Gesellschaft 
defit Hamburg im Anschluß an zwei Vorträge des Ab- 
chejelungsarztes Dr. Brennecke, Friedrichsberg, über die 
/gj.jPXkulten Phänomene und die spiritistische Hypothese 
‚om Lichte der Naturwissenschaft und der Philosophie 
ei losen, einen Ausschuß einzusetzen, dessen Auf- 
I m l. die wissenschaftliche Nachprüfung und Er- 
chung der okkulten Phänomene (Telepathie, Hell- 
0 ften, Psychoskopie, Psychometrie, Levitation, Tele- 
Se tinese, Materialisation usw.) und 2. die Bekämpfung des 
und Iienbarungsspiritistischen und kurpfuscherischen Schwin- 
imajtels auf okkultistischem Gebiete sein sollen. 

re] Der eingesetzte Ausschuß hofft durch objektive 
def tokollarische Prüfung angeblicher Phänomene im Sin- 
„ fr des Okkultismus, durch Beteiligung an entsprechen- 
je en Sitzungen und Demonstrationen, durch Gewährung 
Beer Feststellungen und wissenschaftlicher Prü- 
den vermeintlicher Medien der ersten Aufgabe ge- 
tr ‚werden. Ferner soll der Ausschuß eine Auf- 
ei in naturwissenschaftlichem und philo- 
© Og Sinne. entfalten durch Vorträge und Ver- 
ala ungen in der wissenschaftlichen und in der 
MA Sespresse, Es ist außerdem eine Sammelstelle ein- 
gre ichtet für Meldungen von Fällen gesundheitlicher 
ai tädigung durch okkultistische, spiritistische und laien- 
ar], "tische Machenschaften u. dgl., ferner eine bereits 
|, “ser Entwicklung begriffene Sammlung von Litera- 


á 
p 
t 


Al e, Zeitungsausschnitten usw.) über den Ok- 
nit] | 
Eoo urgen Ausschuß wurden gewählt die 
n Schläge, e relkior Dr. Ertel, Landrichter Dr. 
er nen, u rof. Dr. Schäfer, Oberarzt Dr. Cimbal, Dr. 
fie beiden T Prof. Dr. Weygandt und Dr. Brennecke; 
milin = etzteren (Staatskrankenanstalt und psychia- 
Eine, aesklinik Friedrichsberg) verwalten die 
s Meldunge, ammlungen, an deren Adresse einschlägige 
Derden seitens aller Kreise des Publikums erbeten 
| ©; Als Beiräte wirken die Herren Oberarzt Dr. 


f 
i N - 
f 


{i 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


39 


vorgeschrieben. In der Freiheit der Völker, der 
Art ihres Selbstempfindens gemäß sich eine eigene, 
bodenständige Weltanschauung zu schaffen und in 
aller Mannigfaltiekeit und in Einklang mit den 
Denkregeln und den Erfordernissen des Verstan- 
des zu gestalten, darin liegt die Gewähr, daß die 
Menschheit nicht als Ganzes einem Herdenwahn 
zum Opfer fällt, wie sie wirtschaftlich jetzt schon 
genug unter der Tyrannei des Weltvalutaschwin- 
dels seufzt. 


ungen. 


Trömner und Oberarzt Dr. Sinell, während noch die 
Zuwahl weiterer Sachverständiger vorgesehen ist. 

Eine Arbeit von Dr. Brennecke über den Okkultis- 
mus der Gegenwart und seine Gefahren befindet sich 
zurzeit im Druck für die „Zeitschrift für die gesamte 
Neurologie und Psychiatrie“. 

— Ärztliche Gesellschaft für parapsychische For- 
schung. Das zunehmende Interesse, das man den para- 
psychisch genannten Erscheinungen entgegenbringt, 
macht auch eine Stellungnahme der Ärzte ihnen gegen- 
über nötig. Wir als Ärzte wollen hierbei von allem, 
was nach geschäftlicher Ausnutzung einer Modeströmung 
aussieht, auch in der Öffentlichkeit abrücken, insbeson- 
dere einen Trennungsstrich zwischen uns und dem Kur- 
pfuschertum ziehen, das auch auf diesem (Gebiet die 
Unkenntnis und Urteilslosigkeit der Massen ausnutzt. 

Andererseits aber wollen wir für unsere Überzeu- 
gung eintreten, daß die Erforschung der parapsychischen 
Probleme eine Aufgabe der Wissenschaft ist, und daß 
wir besonders für uns Ärzte einen Gewinn an Erkenntnis 
erhoffen, wenn wir ohne Voreingenommenheit nach 
irgendeiner Seite hin an dieses noch ungeklärte 
Forschungsgebiet herantreten. | 

Aus diesen Erwägungen hat sich am 17. März 1922 
die „Ärztliche Gesellschaft für parapsychische Forschung 
gegründet, die etwa die gleichen wissenschaftlichen 
Ziele verfolgt wie die bekannte, bereits Seit 1882 be- 
stehendee „Society for psychical research‘. Mitglieder 
der Gesellschaft können nur Ärzte werden, doch können 
auch andere Personen als Gäste eingeführt werden. 
Sitzungen sollen monatlich einmal und zwar im Vereins- 
haus Deutscher Ingenieure, Berlin, Sommerstraße 4a, 
stattfinden. 

Ärzte, die sich für die Erforschung der Grenzgebiete 
des Seelenlebens interessieren, werden zum Beitritt zur 
Gesellschaft aufgefordert und gebeten, sich zwecks 
Finführung bei einem der Unterzeichneten anzumelden. 

Im Auftrag der Gesellschaft: 
San.-Rat Dr. P. Bergmann, W., Potsdamer Straße 45. 
San.-Rat Dr. Bruck, NO, Prenzlauer Allee 25. San.-Rat 
Dr. Koerber, W 15, Meinekestr. 7. Mar.-Generalarzt a. D. 
Dr. Richter, Werder (Havel), Chausseestr. 1. Nerven- 


40 | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


arzt Dr. v. Rutkowski, N, Schönhauser Allee 49. Ober- 

arzt Dr. Sünner, Vorsitzender, Schöneberg, Grunewald- 

straße 40. Oberregierungs-Medizinalrat Dr. v. Tobold, 
Charlottenburg, Hardenbergstraße 14. 


Buchbesprechungen. 


Die Mystik des 
53 S. Pfullingen 


— Lomer, Dr. med. Georg: 
Traumes. Die Okkulte Welt Nr. 34. 
i. Wrttbg., Johannes Baum Verlag. 

Das Büchlein bringt nichts Neues und wir setzen 
die Richtung als bekannt voraus. Folgen können wir 
ihr nicht. Es sei lediglich sein Erscheinen an dieser 
Stelle bekannt gegeben. 

Dasselbe gilt von: 

Lomer,Dr. med. G.: Traumleben und Traumdeu- 
tung. Verlag „Das Wissen dem Volke” Bd. 26. 32 S. 
l. bis 10. Tausend. Chemnitz, Verlag Otto Uhlmann- 
Siegmar. 250 M. 

Die Bezeichnung des Traumes als PER der 
Nacht” (S. 5) ist eine sehr treffende. 

— Zahn, Dr. med. H. W., Nervenarzt in Baden- 
Baden: Die okkulte Frage. 60 S. Diessen vor München, 
1922, Verlag Jos. C. Huber. 8,00 M. 


„So scheinen sich denn auch in den medialen Fähig- 


keiten noch vereinzelte Urinstinkte zu offenbaren, die 
den Menschen im Laufe der Entwicklung verlustig gin- 
gen” (S. 59). Erörterungen über und Beispiele von 
Hellsehen, Weissagen u. dgl. 

— Moerchen, Dr. Friedrich, Nervenarzt, Wies- 
baden: Geheimwissenschaften? Ärztliches über Okkul- 
 tismus und Spiritismus. 31 S. Essen 1922, Lichtweg- 

Verlag. 
| M.s Schrift verdient zur Aufklärung und zur Wider- 
legung und Abwehr der okkultistischen Bewegung 
weiteste Verbreitung. „Was dem Okkultismus mit allen 
seinen Auswüchsen so bedingungslos anheimfällt, das 
ist, wie wir schon andeuteten, die große Masse der see- 
lisch und nervös schwächer veranlagten Menschen, der 
Psychopathen und Hysterischen, der übermäßig Phanta- 
sievollen, der innerlich Unsicheren und Haltlosen” (S. 29). 

— Geley, Dr. Gustave, Paris, früher Assistent an 
den Spitälern in Lyon: Materialisationsexperimente mit 
M. Franek-Kluski. In deutscher Übersetzung durch 15 
Tafeln illustriert und herausgegeben mit einem Anhang: 
„Die neuere Okkultismusforschung im Lichte der Geg- 


ner” von Dr. Freiherrn von Schrenk-Notzing, 
prakt. Arzt in München. Leipzig 1922, Verlag von Os- 


wald Mutze. 
| Die Versicherung, daß die Experimente an dem 
Dichter und Schriftsteller M. Franek-Kluski aus War- 
schau ausgeführt wurden im metaphysischen Institut zu 
Paris in engster Zusammenarbeit mit Professor der 
‚Physiologie an der Universität Paris und Nobelpreis- 
träger Charles Richet und M. A. de Gramont, beide Mit- 
glieder des Institut de France, sowie mit Oberst Okolo- 
vicz, Mitglied der Gesellschaft für psychische Studien 
in Warschau, soll, aber wird nicht die Überzeugung von 
der Richtigkeit der Ergebnisse schaffen, noch das Vor- 


(Nr, i | 


nandensein von „Primordialsubstanz. und Leu 
menen” beweisen helfen. 

— Jaspers, Dr. med. Karl, Professor der Pi 
sophie an der Universität Heidelberg: Strindberg i 
van Gohg, Versuch einer pathographischen Analyse u 
ter vergleichender Heranziehung von Swedenborg in 
Hölderlin. Arbeiten zur angewandten Psychiatrie, it 
ausgegeben von Dr. W. Morgenthaler, Priv.-Doz. and 
Universität Bern, Bd. V. Bern-Leipzig, Verlag Em 
Bircher Aktiengesellschaft. 45, 00 M. 

Es ist wohl zu weit gegangen und lediglich Soc 
lation, wenn behauptet wird, daß, in den geschildert 
Fällen, in der Geisteskrankheit eine Produktivität al 
tritt und Kräfte frei werden, die vorher gehemmt wart 
daß das Unbewußte mehr zur Geltung komme, die zivil 
satorische Verengung gehemmt werde und so die Alt 
lichkeit mit Traum und Mythus und kindlichem Seeli 
leben entstehe, daß man bei van Gogh und Hölden 
sogar „neue Kräfte” spüre, die selbst geistig weder & 
sund noch krank sind, aber auf dem Boden der Kran 
heit gedeihen (S. 127, 128). Von van Gogh sagt J. S. 1 
sogar: „Es ist, als ob eine letzte Quelle der Existe 
vorübergehend sichtbar würde, als ob verborge 
Gründe alles Daseins hier sich unmittelbar aus wirktel! 

„Wir sehen das Tiefe, Offenbarende dort, wo% 
echt ist, aber wir sehen es bei den Schizophrenen inu 
nachahmlicher, unvorbildlicher Gestalt. Sie sind wi 
wohltätig, wenn wir den Appell von ihrer Existenz, Ü 
Infragestellung erfahren, und wenn wir uns in iht 
Werken, wie in allem, das erst geboren ist, den DIN 
in das Absolute finden, das uns immer verborgen, If 
in dem endlichen Gestalten sichtbar wird. Sie aber All 
Vorbild nehmen, ist gefährlich” (S. 131). Das ak 
scheint mir recht überschwänglich. Richtig ist abe 
was J. von den Expressionisten sagt, daß unter Im 


viele verrückt sein wollen, aber nur allzu A 
Bresler. 4 


sind (S. 130). 

— Valier, Max: Dinge des Jenseits. Zet 
Ewigkeit. Raum — Unendlichkeit. Die Eigenschaft 
reiner Geistigkeit. Faustbücher. Erste Reihe. Me 


physische Probleme Bd. 2. 146 S. München 192], Faust 


verlag, G. m. b. H. 

Eine sehr ’geistreiche, tiefsinnige Studie, die sich 
von okkultistischen Wendungen frei hält, aber in bedeikı 
lichen Idealismus ausschwärmt, wenn am Schluß gesa 
wird: „Und so wird die All-Weisheit auch die Aul-LIe® 
zeugen.” Es erfordert einiges angestrengtes Nu 
denken, den Betrachtungen des gelehrten Verfassers #4 
folgen, und doch bereitet es reichen Genuß, den streit 
logischen Aufbau entstehen zu sehen. Darum soll 
dieses Buch fleißig gelesen werden. i 


— Löwenfeld, Hofrat Dr. L. Be 
München: Hypnotismus und Medizin. Grundrib y. 
Lehre von der Hypnose und der Suggestion mit bes A 
derer Berücksichtigung der ärztlichen Praxis. 
München und Wiesbaden 1922, Verlag von J 
mann. Brosch.. 30,00 M, geb. 36 M. 

Eine neue, etwas gekürzte, aber auf de t 
Stand dieses Forschungsgebiets sebrat ta Auflage $ 


n ul | 


Trys 


4 = =  PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 41 


ph unten größeren, längst vergriffenen Handbuchs des 
fipnotismus. 

È Besonders sei auf die trefflichen Ausführungen: 
E Miretisches, S, 78 bis 91, hingewiesen, da es gerade 
EN ik Erklärung der Hypnose ist, von der noch manches 
istitten wird. L.’s Schrift gehört zu den erstklassi- 
A pi unter den vielen Büchern auf diesem Gebiet. 

(l E Kugler, Dr. Emil, Gmunden: System der Neu- 
E en. 188 S. Berlin-Wien 1922, Urban & Schwarzen- 
ir. 42,00 M. 

In den letzten 20 Jahren ist bei dem Studium der 
| ac die seelische Verursachung so einseitig in den 
5 Vordergrund gestellt worden, daß in manchen Schriften 
A ta tiber nur noch von dem seelischen Konflikt mit sich 
„pl der Umwelt die Rede war. Wenn dieses Buch auf 
“hin ersten 66 Seiten, also ungefähr dem dritten Teil, 
"fesomatische Ätiologie behandelt, so erhellt 
Aus schon, daß der Verf. sich den Gesichtskreis nicht 
Pi cinengen lassen. Das kommt daher, daß Verf., nach 
fin glänzenden Stil und dem Gedankenreichtum der 
petit besonders zu weiterfassender und gründlicher 
pandung des Themas befähigt, neben seiner großen 
run als Nervenarzt auch in langjähriger Tätig- 
E ni üt als praktischer Arzt und besonders Landarzt mit 
age allgemeinmedizinischen Wissenschaft in enger Füh- 
i ng geblieben ist. Diesen Vorzug findet man selten in 
„peiroseschriften. Kuglers Schrift verdient daher be- 
A undere Beachtung und eingehendes Studium. B. 
hr u: 
g" : Eine Darstellung der Symbolik und Deutung des 
ames in ihren Beziehungen zur kranken und gesun- 
uf in Seele für Ärzte und Psychologen. 2. verbesserte 
ei: 447 S. München und Wiesbaden 1922, J. F. 
ap smann. 75,00 M. 

mif Stekels ungeheurer Fleiß 'nötigt uns Bewunde- 
1j] fung ab und wir zollen sie ihm gern und aufrichtig, auch 
: venn nicht alles, was er schreibt, reif und richtig ist; 
F in vorläufig können wir es nicht besser, wenn wir 
u Merhaupt den Inhalt des Traumes für erforschenswert 
fh und als überzeugte Determinationspsychologen 
sen wir ihn dafür halten. 

1 Bemerkenswert ist die Wendung, den H aß — sonst 
af Bars die Liebe — als Grundlage alles seelischen Ge- 


zu wm z das Primäre, „Die Neurose ist die endo- 
ew ae Wahrnehmung dieses Hasses durch die Brille 
‚ch l mden ewußtseins” (S. 444). S. meint, daß es der 
2 = zu danken sein wird, wenn es gelingt, 
denn der als Schuldbewußtsein am 
ifi ite b elsten der Menschheit frißt und die besten 
e Enge unschädlich zu machen” (S. 447). 
‚ Hermann: Verschlossene Welten. 

En Pa räumliches Fernsehen. 93 S. München 
A »äüstverlag, G. m. b. H. 
N u -:; Begeisterung für Mystik und 
i tene i seschrieben, bringt das Buch des Verf.s 
; seherische Ahnungen und schildert, wie sie 


L Lrtüllu 
Fauben.. ag gingen. Es wird viele Leser finden, die es 


Mi un 


Dr. Wilhelm: Die Sprache des Trau- - 
immer! 


Wetens und der altruistischen Regungen anzusehen. 


Über 


— Wittermann, Ernst, Oberarzt an der Heil- 
anstalt Winnenthal, Wrttbg.: Der nervöse Mensch in 
den geistigen Nöten der Gegenwart. 182 S. Stuttgart 
1922, Verlag von Strecker & Schröder. Brosch. 13,00 M, 
geb. 22,00 M. 

Herr Kollege W. hat nicht nur der Laienwelt, son- 
dern auch uns ein treffliches und nützliches Buch be- 
schert. Denn wir sollten solche Bücher in den Besuchs- 
zimmern in einem Schränkchen ‘mit Glastür ausstellen 
und eine Aufforderung zum Ankauf seitens Angehöriger 
unserer Kranken anbringen mit dem Zusatz: Zum Besten 
unbemittelter Geisteskranker. Es würde dann ein dop- 
pelter guter Zweck erfüllt: Verbreitung solcher Schrif- 
ten beim Publikum fördern und den Geldbestand der 
Hilfsvereine mehren. Das Buch vermeidet Übertreibung 
und Angstmacherei und ist klar und für jeden verständ- 
lich. Der Weg zum Schlußkapitel: Der harmonische 
Mensch — ist in anregender Weise geführt und dieses 
selbst eindrucksvoll und überzeugend. 


— Grützmacher, Prof. Dr. R. H., Erlangen: 
Okkultismus und Spiritismus. . Ein kritischer Vortrag zu 
Dinters Geistlehre. 20 S. Leipzig und Erlangen, A. 
Deichertsche Verlagsbuchhandlung Dr. Werner Scholl. 

Wir müssen uns beschränken, die Schrift einfach 
anzuzeigen, da es zu weit führen würde, zu allen den 
zahllosen Schriften auf diesem Gebiet Stellung zu neh- 
men oder ihren Inhalt anzugeben. G. sagt — frei nach 
Goethe: „Was Ihr den Geist des Jenseits nennt, ist meist 
der Herren eigener ‚Geist” = Er Er ist es aber 


— Geßmann, Gustav W.: Die geheimnisvollen 
Erscheinungen der Sensitivität und deren Zusammen- 
hang mit Wünschelrute und siderischem Pendel. Eine 
historische und sachliche Zusammenstellung der ein- 
schlägigen Beobachtungen und Erfahrungen. Geßmanns 
okkultistische Handbücher. 148 S. Mit 38 Abb. Berlin 
1922, Verlag von Karl Siegismund. 

DEsSperance, Es Im Reiche der Schatten. 
Licht aus dem Jenseits. Mit einer Einleitung‘ von A. 
Aksakoff. 2. Auflage. 302 S. Mit 28 photographischen 
Aufnahmen. Berlin 1922, Verlag von Karl Siegismund. 

Brackett, E. A.: Materialisierende Erschei- 
nungen. Wenn sie nicht Wesen aus einer anderen Welt 
sind, was sind sie sonst? Aus dem Englischen ins 
Deutsche übersetzt von Bernhard Forsboom und Karl 
du Prel. 3. Auflage. 107 S. Berlin 1922, Karl TO 
mund. 

Die drei Bücher seien hier wählt ale Zeichen für 
das rapide Anwachsen der okkultistischen Bewegung, dem 
Suchen nach der „anderen Welt”, nach dem „Jenseits”. 

Das Buch der d’Esperance enthält ein interessantes 
Kapitel: „Unsere Besucher aus der Geisterwelt” (S. 100), 
ferner Geister orrai und Wissenschaft”; „Ixora cro- 
cata”, „Werde ich ‚Anna’ sein oder ‚Anna ich’? usw. 

Geßmanns Buch bringt einen Hinweis auf Un- 


‘tersuchung der Wirkung eines Heilmittels „Haimakaini- 


zon” mittels des Pendels usw. (S. 148). 


Die erste Auflage der deutschen Übersetzung von | 


Brackett erschien bereits 1889, Seidem hat sich in 


El 
z 
PN 


der Tat an der ganzen Bewegung nichts geändert, nur 
ist sie kräftiger geworden. 

— Trömner, Nervenarzt Dr. E.: HAypnotismus 
und Suggestion. „Aus Natur und Geisteswelt, Sammlung 
wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellung” Bd. 
199. 4. verbesserte Auflage. 124 S. klein 8°. Leipzig 
und Berlin 1921, Verlag von B. G. Teubner. Kart. 6,80 M, 
geb. 8,80 M; Preisänderung vorbehalten. 

Behandelt im einz®nen die Geschichte des Hypno- 
tismus, die Einschläferungsmethoden, die Frage der 
Hypnotisierbarkeit, die Erscheinungen der Hypnose in 
ihren verschiedenen Graden, besonders des Nachtwan- 
delns, ferner die Wach- und Autosuggestion. Endlich 
wird kurz die Bedeutung der Suggestionslehre für 
einige der wichtigsten Kulturgebiete, z. B. für die Psy- 
chologie, besonders die des Verbrechens, für die Heil- 
kunde, die Mystik, die Kurpfuscherei, für Konsi Erzie- 
hung u. a. erörtert. 

— Sopp, Dr, Frankfurt a. M.: Suggestion und 
Hypnose. 75 S. Leipzig 1920, Verlag Kurt Kabitzsch. 
5,40 M. 

Suggestion und Hypnose, die ia bekanntlich wesens- 
gleich sind und ineinander übergehen, werden vom Verf. 
in ihrem Wesen, in ihren Wirkungen und in ihrer Bedeu- 
tung als Heilmittel geschildert. Da das Büchelchen für 
Laien bestimmt ist, so ist der Inhalt allgemeinverständ- 
lich gehalten. Mit- Recht wird verschiedentlich betont, 

daß die Hypnose nur in die Hand von Ärzten gehört. 
Kürbitz, Sonnenstein. 

-— Seeling, Otto, Hypnose, Suggestion und Erzie- 
hung. Eine Handreichung für jeden Gebildeten. 124S. 
Leipzig 1922, Verlag von Dr. Max Gehlen. 22,— M. 

„Für die nächste Zeit wird vorerst nur dafür zu 
sorgen sein, daß der experimentelle Aypnotismus in 
der Lehrerschaft als Grundlage für weitere Forschun- 
gen allgemein bekannt wird‘ (S. 122). Auch davor 
kann nicht genug gewarnt werden; die Schule soll m. 
E. überhaupt von hypnotischer Forschung ferngehalten 
werden; sie hat wirklich anderer Aufgaben genug. 
Und für die Gebildeten — heute ist Jeder „gebildet“ -— 
wird viel zu viel über Hypnotismus geschrieben. B. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14 tägig 
Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: 


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Dr. Theinhardts a echa, A.-G., Seige Can efo- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


mit Luminal. 


E 


— Joseph, Dr. Max, Berlin: Lehrbuch der tiur 
krankheiten. Für Ärzte und Studierende. Zweite va 
besserte Auflage. 162 S. Mit 25 Abbildungen im Te 
112 Rezepten und einem Anhang von 98 Rezepten, Le 
zig 1921, Verlag von Joh. Ambr. Barth. | 

Es verdient Beachtung, daß in diesem empfehle 
werten Buch das Kapitel: Nervöse Haarkramk 
heiten einen breiten Raum einnimmt: fast: 30 Seiten 
darin spielt die Alopecia areata auf nervöst 
Grundlage eine bedeutsame Rolle. Man hat ul 
nach epileptischen Anfällen Haarveränderungen be 
achtet. Viele von den „atrophischen Haarkrankheii 
gehören sicher auch zu den auf nervöser Grund 
entstandenen. Erblichkeit liegt meistens vor. Bi 


Therapeutisches. 


— Die Epilepsiebehandlung mit Luminal. Von% 
H. Kreß, Facharzt für Nervenleiden und Psychiati 
Rostock. Therap. Halbmonatshefte 1920 Nr. 7. 7 

Das Luminal bleibt bis jetzt als therapeutisdi 
antiepileptischer Wert an erster Stelle neben den Bio 
präparaten und ist diesen, wie ich gezeigt habe, viell 
überlegen. 3 

Alle bisherigen Erfahrungen sind so außerordenilk 
günstig, daß Luminal als Antiepileptikum sehr wal 
empfohlen werden muß. Im Interesse des Mittels t 
der Kranken erscheint es mir aber vorläufig immer m 
zweckmäßig, wenn mindestens die einleitende Belat 
lung Fachärzten und entsprechenden Kliniken und N 
kenhäusern vorbehalten bleibt. | 

—- Erfahrungen aus der Behandlung der Epie 
Von Prof. Hauptmann aus der I 
chiatrischen und Nervenklinik der Universität Frei 
(Geh.-Rat Hoche.) Münch. med. Wochenschr. Ni. 4 
vom 14. November 1919. 

Es genüge, summarisch zu berichten, daß das Luth 
nal in der Epilepsiebehandlung seinen festen Platz & 
kommen hat und neben dem Brom das einzige Medi 
ment bildet, das der Arzt bei dieser Erkrankung" 
der sicheren Voraussicht eines Erfolges verordnen & 
in Doppelnummer: | 
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Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


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diesem Gebiete ist diese iiberaus feint 
und zarte „Psychologische Studi? 
- über „Jesu Persönlichkeit“ zu! Ver 
ständigung und Versöhnung gecin 
Nicht als klügelnder Theologe, ji 
Stoff und Paragraphen für eine i 
lische . Theologie sucht, schreibt 
Verfasser, sondern als einer, de # 

gewaltige Gestalt des Pinzigartin 
sepackt hat und der deshalb imstanlt 
ist, in so eindrucksvoller und en 
der Weise sein Bild vor UNS en dig 
zu lassen, daß es uns mit Nos 
keit in seinen Bann zwingt. = je 
nicht viele Bücher aus der nener | 
susliteratur, die man SO e 
empfehlen könnte.“ (Preußisch? 
chenzeitung, Berlin.) 


Air 


5 
Psychiatrisch- Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


| Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 
Fi Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 


birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh, Med.- 
Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 


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Bezugspreis: 
M15,—für das Vierteljahr, die 


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Verlag und Ausgabe: 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 


I (Rhl), Geh. Med.-Rat Dr. Hberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
| Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
7 Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
A Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München. Prot. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Es Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 
4 Schriftleiter: 

I Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 

| aaa nn 

e 7/8. 20. Mai 1922/23. 
28 

| 

nf 


" Abonnementspreise für das Aus- 
land werden nach der vom Deut- 
‚schen Buchhandel vorgeschrie- 
| benen Verkaufsordnung für das . 
Ausland berechnet. Zu beziehen 
m | durchjed. Buchhandlung, d. Post 
sel: ii W unmittelbar vom Verlage. Er- 
a i Scheint bis auf weiteres vier- 
f L zehntägig in Doppelnummern. 


[Inhalt Die Krankheiten des Denkens, 
mezö. (S. 43.) 

ae i D Arthur Adler-Berlin. 
| Atmung. Von Dr. Jacobi, Münster i. W. 
P ortsetzung. (S. 48.) — Mitteilungen. 


Von Direktor Dr. 


Net altersher hat sich die Psychiatrie nicht der 
Klarheit ihrer Begriffe rühmen können. Schon 
Be (1838) betont die Notwendigkeit, 
Sakte Ideen zu bilden und den Wert des Wortes 
Fübnuschätzen: trotzdem beklagt sich Wer 
ficke ') im Jahre 1900 über die Begriffsverwirrtt- 
E Mt (siel), die in unserer Nomenklatur herrscht. 
S Nieder der Begriff — besser gesagt Name — 
“E mentia praecox, noch das manisch-depressive 
je A ee hat hier Wandel geschaffen. 
je} Mm Ss liest man die Zeilen von Hecker 
up Manie, Melancholie, Verrücktheit, Verst: 
= Kin!) und Blödsinn keine eigentlichen Krankhei- 
Ai in, Sondern bloß Zustandsformen?) seien, und 
de je eynerts alles bisher in der Psychiatrie 
ihr Se überragendem scharfen Geiste sehen 
np aufe der Zeiten Manie, Melancholie und 
>~ +aranoia von der Bildfläche beinahe ganz zu 


wer I$ 
£ Sehwinden und mit Ausnahme der progressiven 


| 


A 3 = Einführung. S, 319. | 
ak Das Wort ist auch in seiner Form: „Zustandsbild" 
"j u  „Teilerscheinung” ist richtig. | 


Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 
Postscheck: Leipzig 32070. W 


ilhelmstraße 28. = | 


Begriffe und Einteilung. Von Direktor Dr. K. Pändy, Budapest-Lipöt- 

— Über die Unschädlichmachung der sogenannten .geisteskranken“ Verbrecher. Von 
(S. 46.) — Einseitiger Intentionstremor als einziges Residuum einer zerebralen Kinder- 
(S. 47.) — Der derzeitige Stand der Ernährung in den Irrenanstalten. 
(S. 52.) — Buchbesprechungen. (S. 53.) — Therapeutisches, 


Die Krankheiten des Denkens. 


Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 


Marhoid Verlag Hallesaale Hans Pusch, Berlin SW. 48, 


(S. 56.) 


Begriffe und Einteilung. 


K. Pándy, Budapest-Lipötmezö. 


Paralyse sämtliche übrigen Seelenstörungen in den 
zwei noch immer unscharf demarkierten neuen 
Begriffsgruppen Dementia praecox und manisch-de- 
pressives Irresein sich zu verlieren.) — Selbst die 
Grenzen dieser zwei Krankheitseinheiten (?) sind 
verschwommen; sie bewältigen teilweise die 
Paranoia, sogar die Paranoia completa (Ma- 


gnan, Mendel), die Epilepsie, von der Amen- 


tia ganz abgesehen *), — und somit sind wir wieder- 


um dem Neumannschen Standpunkt nahege- 


») „Jedenfalls besteht heute noch in nicht unerheb- 
licher Ausdehnung die Möglichkeit, Fälle von Amentia 
oder manisch-depressivem Irresein der Dementia prae- 
cox fälschlich hinzuzurechnen und umgekehrt.’ Krae- 
pelii, Psychiatrie... VI... 868. -= 

4) Unlängst habe ich von einem älteren Universi- 
tätsassistenten gelegentlich eines wissenschaftlichen 
Vortrages gehört, daß er bei einer hysterischen Dame eine 


mit hohem Fieber einhergehende Gesichtsrose beobach- 


tete: es entwickelten sich bei der Dame typische Zei- 
chen von Dementia praecox: die sorgfältigst ausgeführte 


Abderhaldenreaktion wies freilich einen Abbau 
der Thyreoidea nach. — (Amentia erysipelatosa?) 


+- PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


rückt — wo es nur ein „Irresein””) gab und dazu 
noch die Paralyse. 

Ich hatte in den neunziger Jahren Meynertskli- 
nischen Vorträgen beigewohnt,seitetwa 30 Jahrenist 
die Psychiatrie meine lagesbeschäftigung, ich hatte 
die Literatur verfolgt, doch konnte ich mich der 
neuen Richtung niemals anschließen. Meine Auf- 
fassung wollte ich trotzdem nicht veröffentlichen, 
bevor ich nicht den ganzen Gegenstand durchge- 
arbeitet habe, — nun ist das geschehen, ich möchte 
nur, bevor meine ganze Arbeit erscheinen kann, den 
Kern derselben auch weiteren Kreisen zugänglich 
machen. | 

Unter den vieltausend Geisteskranken, die ich 
zu behandeln hatte, haben meine Einteilung und 
die scharf präzisierten alten Begriffe mich nie im 
Stich gelassen, sie scheinen sogar manche didak- 
tische £) und praktische Vorteile zu bieten. 

DieGeisteskrankheitensindihrem 
Wesen nach Krankheiten des Den- 
kens. 

Das Denken ist krank und fehlerhaft entweder: 


A. bei erhalienem Zusammenhang oder 
B. bei Auflösung des Zusammenhanges, wie 


es uns bei allen Formen der Verwirrtheit wohl- 


bekannt ist. 
A=aS. zusammenhängende 
Denken kann: | 


kranke 


l. vermindert oder von abnorm geringem 


Wert sein Dementia, Schwachsinn, 
Blödsinn). 

2:Das: zusammenhängende Denken 
a: Srleic htert Mania. und mani- 


sche Erscheinungen). 

3. Das zusammenhängende Denken 
isterschwert (Melancholia und me- 
lancholische Erscheinungen). 

4. Das zusammenhängende Denken ist frem- 
den, krankhaften Einflüssen (Reizungen, 
Ahnungen usw.) völlig untergeordnet (P a- 
ranoia und paranoische Erscheinungen). 


B,:Auilösung des Zusammenhanges 
des Denkens (Amentia und- amentia- 
ähnliche Erscheinungen — Verwirrtheit, Zer- 


fahrenheit, Zerstreutheit, Ratlosigkeit). 

Niemand kann bezweifeln, daß es reine Fälle 
der wohldefinierten Dementia, der Melancholia, 
der Mania, der Paranoia und der Amentia gibt; alle 
diese Störungen und selbständigen Krankheiten des 


5) „Außschließen kann man eine Schizophrenie direkt 
niemals.’ Bleuler. Il. Aufl. 334. 

6) Die heutige psychiatrische Formenlehre ist he 
friedigend, oft diagnostisch und prognostisch unklar, 
für den Unterricht unbrauchbar.” Hoche. 1906. 


Alkohol, Erschöpfung, Ernähru.ngsmangel 


Kal) ® 
Denkens kommen aber auch als nnwèseni i 
Teilerscheinungen vor, ebenso als z. B. die Kal J 
tonie, die Verbigeration, der Negativismus, dei" 
Perseveration, die Manieren oder die Bewegung 
stereotypie leilerscheinungen aller Psychosen, si 
gar der progressiven Paralyse sein können, -P 
doch stören jene Grundformen der Denkstörgf 
unsere auf das Wesentliche gestützte Diagnuef 
nicht, indem, wie es schon M e y nert betont hi k 
— a potiori fit denominatio — das Dominieren 
entscheidet. s E 3 
Ebenso wie diese Begriffe, ist meine weiter = 
Einteilung einfach und allgemein verständlich: E 
A. Zusammenhängendes Denken: 7 
Verminderung; abnorm geringer Wei, 
des Denkens E — mens = minus haben) 


a) Dementia cequisita. Erworbeif 
Schwachsinn; a des früher nor IR 
malen Denkens. T 


l. Dementia luetica (vulgo sogenat j i 
progressive Paralyse). Diese Krankheit Mg 
nur zwei unentbehrliche Kennzeichen, & ie 
Demenz, welche schon den ersten Beschuigh, 
bern der Krankheit aufgefallen ist, und fiiy 
‚luetische Bedingtsein dieser Demenz hk 
2. Nichtluetische, durch -andere intag 
tiöse Krankheiten verursachte Dementi tic 
3. Alkoholische und anders abstammal d 
toxische Demenz. ii 
4 Aus nicht infektiösen und nich 
toxischen körperlichen Kran 
heiten (Arteriosklerose, Erschöpfung, N { 
rasmus) entstandene Demenz 7 


5. Dementia involutionis, Demi 
tia senilis. Bi; 
6. Dementia aus sychischer Ui 


sache (Dementia inactivitatis, asylum u 
mentia). | Ei 

b) Dementia evolutioniis. Schwachsige 
aus fehlerhafter Entwicklung. Diese Schwa ; 
sinnform kann wieder luetischen, alkon 

genen, glandulogenen (Kretinismus, Dysthyre 3 

dismus, Infantilismus, Gigantismus, Eunuch k 

dismus), hypotrophischen usw. Ursprungs T 

(Hungerkinder). 

Die Manie sowie die Melanch | 
zwei sehr ‚seltene Krankheiten in der Anstalt f ° 
kommen jedoch unleugbar sowohl als reine d A 
vorwaltend reine, selbständige Krankheiten 


und können durch Degeneration oder ae ‚a 
ode 


e. 

ai ML 

m Be 
peme 
u Bi, 


olie sl F 


) „Französische Autoren sprechen ei 
précoce sous forme de paralysie générale. 
Geisteskrankheiten im Kindesalter 1917 S. 


Inychisch bedingt sein. Eine genuin epileptische 
Find eine. genuin hysterische Manie und Melancholie 
Tiommt auch vor. 

#4 Die periodische Manie und Melancholie 
4 wmt man richtiger Mania und Melancholia 
Trecidiva ns, indem (die Krankheitserscheinun- 
fen selten periodenweise, d. h. selten in gleichen 
iitabständen, sich wiederholen.) 

EDs zirkuläre Irresein sollte man M e- 
j Macholia cum mania alternans (oder 
„ingekehrt) nennen und Fälle, wo Manie und Melan- 
i hole sich untrennbar mischen, nennt man konse- 
| lienterwese Mania cum Melancholia 
‚Pixta, womit man nichts präjudiziert und den 
t itankheitsvorgang treu schildert. 

% In die große Ordnung der 

men alle die Fälle des krankhaften Denkens, wo 
is Denken wohl zusammenhängt, jedoch völlig in 
$ lie Macht fremder, falscher Reize, Eindrücke, Ge- 
Ühe gerät.?) 

Ẹ Ob diese Halluzinationen, Illusionen oder Wahn- 
i Men — meistens nur Ahnungen — zusammenhän- 
J gen oder nicht, ob sie systematisch oder systema- 
fien ob sie fix oder ob sie veränderlich sind, 
f iibi nebensächlich; das Wesentliche ist das zu- 
Pinmenhängende Denken, das vom Normalen ver- 
i icht auf falsche Bahnen geraten ist. 

| Die Par anoia (Verrücktheit) kann wieder: 

$ r irn Alkohol, 

‚durch Lues, 

f irch andere Gifte und Krankheiten, 

* durch epileptisch . und hysterisch degenerierte 
f Himfunktion und 

Fychisch bedingt sein (z. B. Pror 


j 3 Zusammenhangloses Denken. Verwirrtheit. 
7 Amentia — a — privativum, kein Verstand.) 
Sie kann entstehen: 


haus Alkoholvergiftung (Alkoholrausch, 
7 Delirium tremens, Epilepsia alkoholica), 

1 haus Vergiftung durch andere Gifte, 
i "aus Lues (Amentia luetica), 

Asanderen infektiösen und körper- 
| lichen Krankheiten, 

Fa biologischen ‚Prozessen (Men- 
| . Snuatio, Graviditas, Lactatio, Klimakterium, 


5 # num — Amentia involutionis,; Er- 
—ehöpfuug), 


. a ugsdan, Perjiodizität. 1911. 


in ine ähnliche Definition hat schon Leupoldt 
Kr Kranken (Werner); höchstwahrscheinlich war. 

in) en schon Aretaeus bekannt: is 

l} Mowi E ng Wrohnnpos N uavin uovvov Ta. de AALO. 

I vg, (Peoi 0. %. 0. y m B a Ep. L) 


2 net m 3} 


Paranoia Kom- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 45 


6. aus psychischer Urs 
T. aus Degeneration: 


ache, 


a) organische Degeneration (Amentia epileptica 
gentina), 

b) funktionelle Degeneration 
rica genuina,) 

c) Incapacitas congenitalis. — Amentia ex incapa- 
citate cerebri, Amentia pubertatis, Amentia 
iuventutis (Hebephrenia). 


X- Me 
Gig > 


> 


(Amentia hyste- 


Es ist leicht einzusehen, daß in dieser Ein- 
teilung sämtliche Denkstörungen und — a potiori 
fit denominatio — sämtliche Geisteskrankheiten 
ihren Platz finden. Es ist in den allermeisten 
Fällen nicht schwer, die Grundstörung fest- 
zustellen, und erst wenn die Zugehörigkeit 
der Krankheit. klar ist, kommt die manchmal 
viel schwerere Aufgabe: die Ursache der Denk- 
störung zu finden. — Eine Amentia alkoholica 
oder die von Plaut so sorgfältig seeschilderte 
luetische Halluzinose (recte Paranoia luetica) ist 
eine Krankheit, womit ein jeder Arzt etwas be- 
ginnen kann, welche er versteht, über welche er 
denken und Ratschläge zu erteilen imstande ist. 
— Ebenso sind eine Dementia thyreogenea. oder 
eine‘ Dementia luetica bei einem Kinde, eine 
Amentia scarlatinosa oder tubercu- 
losa bei einem Jüngling, eine Amentia pu- 
bertatis') (ex insuflicientia genuina cerebri), 
wenn es solche überhaupt gibt, einem jeden frei- 
denkenden Arzt quoad diagnosim, quaod decur-- 
sum, quoad auxilium zugänglich. 


10) Bleuler sagt wörtlich: „Eine Zeitlang wollte 
man an eine besondere Pubertätspsychose glauben; es 
gibt aber keine solche, was man so nannte, waren mei- 
stens Schizophrenien.” II. Aufl. S. 130. — „Eine der 
Entwicklungsperiode eigentümliche Pubertätspsychose 
kennen .wir bis jetzt nicht”, vergl. ferner S. 154: „Die 
Hebephrenie bildet jetzt den großen Topf, in den die 
Formen geworfen werden, die nicht bei den anderen drei 


Formen der Dementia praecox unterzubringen sind“ 


(S. 327). Und betreffend der Schizophrenie auf S. 333: 
„Zur Schizophrenie gehören . . .. die meisten halluzina- 
torischen Verwirrtheiten, vieles was man anderorts 
Amentia nennt.“ (Vergl.noch:Bonhoefier, Infektions- 
psychosen S.43 und: das Referat von HellmutMüller: 
Man.-depr. Irresein und Dementia praecox im Alzheimer 
Zentralblatt 1922.) — Ich selbst kann mit Wagner 
v. Jaurege die Grenze zwischen Schizophrenie und 
Amentia kaum finden. Meynert hat seinerzeit zwi- 
schen Katatonie und Amentia ebenfalls keinen wesent- 
lichen Unterschied gefunden, die neuerdings gezogenen 
künstlichen Grenzen erscheinen von Tag zu Tag mekt 
gezwungen zu sein. 


46 = PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT. 


- Über die Unschädlichmachung der sogenannten „geisteskranken‘“ Verbrecher : 
Arthur Adler- Berlin. 3 N 


Von Dr. 


W ie bekannt, sind die wenigsten Verbrecher als 
eigentlich geisteskrank zu bezeichnen, son- 
dern es handelt sich um Psychopathen mit 
derenerativem, antisozialem Cha- 

FA Erei r, welche, wie alle Psychopathen, vor- 
i bergsehend Zustände geistiger Erkrankung 
aufweisen. 

Der „gemeingefährliche” Verbrecher, 
welchem der § 51 zugebilligt worden ist, kann zur- 
zeit einer Irrenanstalt überwiesen werden; sobald 
aber die episodische Geistesstörung abgeklungen 
ist, was häufig schon wenige Wochen nach der 
Aufnahme der Fall ist, müssen diese gefährlichen 
Elemente nach den gesetzlichen Bestimmungen aus 
den Irrenanstalten wieder entlassen werden, sie be- 
eehen dann, in die Freiheit gelangt, wieder Ver- 
brechen, machen der Polizei eine Menge Schwierig- 
keiten infolge ihrer Niedertracht und Raffiniertheit 
und kommen bald wieder vor den Strafrichter, 
§ 51 wird ihnen von neuem zugebilligt, und in die- 
sem Zirkel geht es usque ad finem. 

Die Anstalten, die Behörden und die. anständige 
Bevölkerung leiden gleicherweise schwer durch 
' diese vielfach intellektuell recht begabten, aber 
„jenseits von Gut und Böse” stehenden mensch- 
lichen Scheusale. | | 

Wie kann diesem heutzutage kaum mehr er- 
träglichen Übelstande ein Ende gemacht werden? 

Der Weg ist ein relativ einfacher, wenn es 
auch fraglich erscheint, ob er unter den heutigen 
schwierigen Verhältnissen begangen werden wird: 
Es ist nämlich notwendig, diese originär de- 
generierten Menschen dauernd aus der Ge- 
meinschaft der ehrlich arbeitenden und moralisch 
und sozial empfiindenden Bevölkerung abzusondern, 
und in ‚Kolonien degenerierter Ver- 
brecher” zu sammeln und unterzubringen; sie 
sollen dort unter strenger Beaufsichtigung und Anlei- 
tung in den verschiedensten Berufen ie nach Neigung 
‚und Bestimmung tätig sein und ihren Lebensunter- 

halt bzw. die Kosten der Kolonien selbst erwerben, 

auch das zum Ankauf und der Einrichtung aufge- 
wendete Kapital durch den Ertrag ihrer Arbeit 
selbst amortisieren. 

Über die beste Lage und Einrichtung sowie den 
Betrieb solcher Kolonien degenerierter Verbrecher 
läßt sich diskutieren und kommen dabei die ver- 
schiedensten Gesichtspunkte in Betracht, je nach 
der Intelligenz, den Gewohnheiten, der Beschäfti- 
‘gung und dem Charakter der Schichten und 


2H 


[N n - 


NEJ E 
P A "C 
t- hr‘ 


Stämme, aus welchen sich diese „geborenen” Ver A 
brecher rekrutieren. 4: 
Das Leben in den Kolonien soll den Insasel h 
keinewegs zur Hölle gemacht, sie sollen nid 
schikaniert und zur Verzweiflung getrieben, Sol S 
dern wohlwollend, menschlich, aber mit Strenge y 
behandelt und, soweit das möglich, zu nützlicher i 
Mitgliedern der Kolonie erzogen werden. W 
Die Hoffnung, sie in den Stand zu setzen, in dfs 
Freiheit ehrlich und in Frieden mit ihren Mitme ú 
schen ihrem Beruf nachzugehen, ist äuberst germg £ 
Disziplinarstrafen, ähnlich denjenigen beim Mil H 
tär, sind unvermeidlich und erfahrungsgemäß nitr 3 
lich, wirksam und erträglich. E 
Zur frühzeitigen Feststellung zweifelt E 
Geisteszustände und Überwachung bzw. Inter 3 
nierung in der Freiheit unheilstiftender Geiste] 
kranker und Psychopathen würde es sich ef 
piehlen, bei den Untersuchungsgefängnisst A 
der Landgerichte besondere Abteilungen mg 
psychiatrisch durchgebildetem Ärztepersonil | 
einem Büro und den nötigen Hiliskräften einak N 
richten. u 
Die Detention geschieht auf De na N 
richterlichem Urteil, sobald ein romena k 
Verbrecher” auf Grund des § 51 StGB. ein-, houi 3 
stens zweimal freigesprochen bzw. ihm wegelf y 
verminderter Zurechnungsfähigkeit mildernde I Um k 
stände zuerkannt worden sind. 


Aber nicht alle degenerierten Charaktere Ù j u 
gehen Verbrechen, für welche sie auf Grund W p 
Strafgesetzes vor Gericht gestellt werden könt h e 
Die meisten kommen in ihrem ganzen Leben T 
dem Strafgesetz nicht in Konflikt, weil sie ZI" 
schlau sind, um gesetzlich. strafbare Handlung Ml 
zu begehen. Aber sie sind eine wahre Krux FR 
ihre Familien und ihre Mitmenschen. Sie sine 3 
intrigieren, hetzen alles durcheinander und se 
tern selbst im Leben oftan ihrer auf ir 
Basis beruhenden Unstetigkeit, Mangel an mpi 
dauer und leichten geistigen Ermüdbarkeit sovi f An 
wegen der zeitweise bei ihnen auftretenden A 
stände geistiger Störung. 

Diesen in der Freiheit zu belassen 
rierten muß von. Staats oder Gemeinde u 
„Fürsorger”, kein Pfleger bestellt Wes det 
ein wohlwelländer kluger Freund, welcher z 
die in ihrer Dispositionsfähigkeit nicht Beschf! 
ten dauernd kümmert und ihnen mit Rat un 3 
zur Seite steht; an welchen sie sich in jeder $ "1 ef 


ye BL: u 


an 


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ri.» RSG 

Tiya h 

Degen * 
en $ FDR 
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2 
À qa 
: 4 Lage, wo sie selbst weder ein noch aus wis- 
: en, wenden und von dem sie jederzeit in taktvoller 
$ Weise Rat und Hilfe bekommen können. 

"Aufmerksam machen möchte ich noch auf die 
; Mivo Rolle, welche die Psychopathen im 
4 A ientlichen Eben im und nach dem großen Kriege 
| jöpielt haben und vielfach noch spielen. 

Sie aus allen einflußreichen, besonders leitenden 
i sale, wo ihnen Er geboten ist, die All- 
eE emeinheit. durch ihre Maßnahmen auf das inten- 
jg siste zu schädigen, zu entfernen, ist die Aufgabe 
Türienigen Kreise, welche solche Stellen zu be- 
sitzen haben. Leider ist das ziemlich schwer, denn 
| diese Elemente verfügen oft über eine große Suade, 
5 streuen anderen Sand in die Augen, sind mit einem 


O Von Dr. Jacobi, 


D o 
En, 


l is Residuen zerebraler Kinderlähmung werden 
$t oft athetotische, choreatische und Mitbewe- 
j ungen beobachtet. Es ist bekannt, daß diese Er- 
wheinungen desto ausgiebiger und intensiver auf- 
3 teten können, je mehr die Lähmungen und die 
Posmen schwinden. Bei Willensanstrengungen 
4 M psychischer Alteration sind sie besonders stark 
Anseprägt, 2) 

| In manchen Fällen kommt es zu einer fast voll- 
1 Nommenen Heilung der Lähmungserscheinungen 
l ind tur eine gewisse Ungeschicklichkeit der einen 
t A land, eine geringe Neigung zu athetoiden und Mit- 
E wegungen können die einzigen dauernden Sym- 
t Mome sein.) Tremor als Restsymptom ist außer- 
rdentlich selten und bislang nur in wenigen Fällen 
| h schrieben worden. Als kasuistischer Beitrag sei 
l Fall mitgeteilt, den ich gelegentlich psychiatri- 
her Untersuchungen in einer Fürsorgeerzie- 
l \ Mungsanstak beobachten konnte. 

I A 20 Jahre alt, aus H. Litt im Alter von 
iin anren während mehrerer Wochen an Krämp- 
1 soll dabei stark sefiebert haben. Seit jener 
h Er Art „Lähmung” der rechten Seite zu- 
| 1 o ieben. Die rechte Hand ist zittrig. Wurde 
1 we MR em Jahre der Fürsorgeerziehung überwie- 
| st er arbeitsscheu war und seine Angehörigen 
en hatte. Entschuldigt sich jetzt öfters da- 


5 Ibrahim, „in Curschmanns Lehrbuch der Ner- 
ankheiten. £ 


Oppenheim, 
iten, 


Lehrbuch der Nervenkrank- 


Oberarzt -an= def 


dessen bedeutend grobschlägiger. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 47 


Wort große „Blender”, welche aber zu Führern 
aut irgendeinem Gebiet ungeeignet sind und, wie 
die letzte Vergangenheit zeigt, früher oder später 
zeitweise oder dauernd vollständig versagen und 
andere, die sich in ihren Charakter- und Geistes- 
gaben getäuscht haben, ins Unglück stürzen. 

Den sozialen Übeln vorzubeugen, ist wichtiger 
und oft leichter, als sie zu heilen, aber die allen 
Menschen anhaftende Trägheit und Scheu vor 
Neuerungen muß überwunden und der gute Wille, 
zu helfen, gestärkt werden. 

Dann wird das: „Caveant consules, ne detrimenti 
capiat res publica” nicht ungehört, wie so oft schon, 
verhallen und die wahren Volksfreunde nicht zur 
Abseitsstellung und Untätigkeit verdammt sein. 


Einseitiger Intentionstremor als einziges Residuum einer 
zerebralen Kinderlähmung. 


Provinzialheilanstalt Münster i. W. 


mit, daß er .nicht arbeiten könne, weil seine rechte 
Hand so zittrig sei. 

Befund: Kräftiger Mann mit gesunden inneren 
Organen. Nervensystem: Schädel nicht druck- 
oder klopfempfindlich. Keine Störungen von seiten 
der Gesichts- und Augennerven. Sämtlicke Haut- 
und Sehnenreflexe normal auslösbar und beider- 
seits gleich. Die motorische Kraft der Extremi- 
täten ist beiderseits gleich und vorzüglich. Störun- 
sen der Sensibilität fehlen vollkommen. Streng auf 


die rechte Hand lokalisiert, besteht ein starker 


Schütteltremor, der bei intendierten Bewegungen 
und psychischer Alteration sehr stark wird, aber 
auch in der Ruhe nicht vollkommen zum Schwin- 
den kommt. Im 'Schlafe soll er vollkommen sistie- 
ren. Er ähnelt dem der Paralysis agitans, ist in- 
Die linke Hand 
ist absolut ruhig und hat auch früher nie Zitterbe- 
wegungen gezeigt. Auch das übrige Nervensystem 
zeigt keinerlei Abweichungen. 


Es ist also in vorliegendem Falle nach einer 
schweren fieberhaften Erkrankung des jugendlichen 
Alters mit gleichzeitigen „Lähmungserscheinungen’ 
als einziges Restsymptom ein einseitiger Tremor 
zurückgeblieben. Die ungezwungenste Erklärung 
ist die, daß es sich um eine zerebrale Kinderläh- 
mung gehandelt hat, und daß mit dem immer voll- 
kommeneren Schwinden der Halbseitenlähmung 
der Tremor desto mehr in den Vordergrund trat. 


Die absolute Einseitigkeit des Tremors läßt auch a ; i 
den Gedanken an eine andere Affektion des Ner- 


r 


48 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


vensystems nicht aufkommen. Oppenheim?) 
faßt den halbseitigen Tremor als posthemiplegische 
Reizerscheinung auf, während schon Rhein 
Potts*) Erweichungsherde in den Linsenkernen 
als die Grundlage postapoplektischen Iremors an- 
spricht. Als einziges Restsymptom einer zerebra- 
len Kinderlähmung ist er jedenfalls enorm selten, 
wenn man im Vergleich dazu das vielfach be- 
schriebene Weiterbestehen von -Mitbewegungen 
bzw. athetotischen und choreatischen Bewegungen 
betrachtet. Nach dem jetzigen Stande unserer Un- 
tersuchungen beruht der Tremor auf einer Störung 
in der normalen Gleichzeitigkeit und Gleichmäßig- 
keit der myostatischen Innervation, und zwar der- 
art, daß die Innervation der Antagonisten nicht 
mehr gleichzeitig, sondern abwechselnd stattfindet, 
so daß das typische Zittern, der Antagonisten- 
tremor, entsteht (Strümpell)?) Die anatomi- 
schen Grundlagen der zerebralen Kinderlähmung 
sind offenbar recht verwickelt. Jedoch hat man 
schon öfters auch eine schwere Destruktion der 
Basalganglien gefunden. Jakob*°) stellte fest, 
daß sich die zerebrale Kinderlähmung zusammen- 
setzt aus Fällen von postenzephalitischen Herden 
in motorisch stummen Mirnregionen, aus Fällen mit 
allmählich zunehmenden spastischen Erscheinungen 
und fortschreitender Degeneration der dritten Rin- 
denschicht; auch- in der vorderen Zentralwindung 


3) Lehrbuch der Nervenkrankheiten. 
*) Journ. of Neur. 1907. 
5) Strümpell, Neur. Zentralblatt 1918. 
- 8) Jakob, Zentralbl. f. d. ges. Neur. u. Psych. 1921. 


Der derzeitige Stand der Ernährung in den Irrenanstalten. 
(Fortsetzung.) 


VI. Nährwertziffern werden hier nicht mehr 
errechnet. Man ist bestrebt, im allgemeinen den 
Kranken unter Berücksichtigung der bewilligten 
Mittel eine gute gemischte Kost zu verabreichen, 
und sich den besonderen Verhältnissen ijeweilig 
durch größere Mensen, Zulagen u. dgl. anzupassen, 
soweit nicht besondere Wünsche oder Forderun- 
gen der Abteilungsärzte zu berücksichtigen sind. 
Es erhalten ‘deshalb die Männer etwas mehr als 
die Frauen, arbeitende Männer oder Frauen, un- 
ruhige Kranke wieder mehr als nicht arbeitende, 
ruhige oder : bettlägerige Kranke. Die gewöhn- 
liche Durchschnittsmenge der einzelnen. Mahlzeit 
ist 1,5 Liter. Doch kommen Klagen gelegentlich 
über die zu kleine Menge der einzelnen Mahlzeit, 
besonders wenn die Speise beliebt ist, regelmäßig 


N 


„lassen. sich- dafür 


-00e 


ohne Pyramidenbahndegeneration, ferner aus Fal fn 
len mit begleitenden Athetoseerscheinungen, wobei n 
diese fortschreitende Degeneration auch auf da PW 
Striatum übergreift, und schließlich aus den häufig 4K 
sten Fällen schwerster zerebraler Hemiplegie, bei A 
denen der enzephalitische Prozeß neben einer ah 
eedehnten Rinden- und Markzerstörung auch de fv 
gleichseitigen basalen Stammganglien in hochga fu 
digster Weise mit zerstört. Andererseits ud 
Bielschowsky‘’) gezeigt, daß im Anschluß afi 
einen in früher Kindheit einsetzenden herdförmiga ü 
Prozeß, der eine weit abliegende Lokalisationipvo 
haben kann, auch die Zellen des Striatums einfs! 
elektiven Nekrose verfallen, was zu dem Vogtfw 
schen Status fibrosus des Striatums führt.“ Die“ 
elektive Striatumnekrose hat Bielschowskgü 
in drei Fällen sogenannter zerebraler KinderälP 
mung festgestellt. Klinisch gibt sie- sich nur WM 
selbständig zu erkennen, wo die striäre Störugi lie 
nicht durch eine gleichzeitige spastische Hemiplegie i 
verdeckt ist. So würde unser Fall als Resultat 
einer Stratiumnarbe anzusehen sein, während den 
gleichzeitige Hemiplegie eine Restitutio ad integru 
erfahren hat. Sicherlich besteht eine gewist u 
Gesetzmäßigkeit zwischen Schwinden der hemiji 
plegischen und Auftreten der Tremor-, chor 
oder athetoseähnlichen Bewegungen. Vielleicht di 
noch anatomische Grundlage k 


schaffen. F 
| pi 
7) Zit. nach Foerster, Ztschr. î, d. ges. Neut Ugia 


Psych. g. 


über die geringe Menge des Brotes, selten nur üg 
die Zubereitungsart der Speisen. Man dari dabei E 
nicht vergessen, daß manche Kranke ganz orhe- 4 
liche Mengen zu essen gewöhnt sind, daß manatas 
dauernd eben mit allem unzufrieden und Vernunit 3 
gründen natürlich unzugänglich sind. Die gurzi 3 
noch festgesetzte Brotmenge ist ohne Zweifel ancii 3 
für unsere Kranken zu klein. Es fehlt ihnen e x 
das Sättigungsgefühl, das ehedem mit einem > E 
Brot leicht erreicht. wurde. Solche Mängel Be, ® 
also eigentlich nur eine Folge der allgemein 3 
Teuerung und diesem Übelstande in der Küche" 3 
wirtschaft kann nur durch Bewilligung ee i : 
chend höherer Mittel abgeholfen werden. Es 8! i k 
hier nur noch zwei Kostklassen, eine obere E $ 
eine untere. Das (beamtete) Schwesternperso T 


3j 


| 

| 

AA 
Te; 
rey = 
Ai O | 
| 


mt Kost oberer Klasse gegen Bezahlung, die 
| uriimähig entlohnten Wärterinnen, Haus-, Küchen-, 
Waschmädchen erhalten freie Kost der unteren 
Alase die (beamteten) Pfleger essen alle in ihren 
fien 
- Der Speisezettel für die kommende Woche wird 
f fon Wirtschaftsbeamten mit der Küchenaufseherin 
Jasunmengestellt und dem Direktor vorgelegt. 
Ärzte und die „Küchenkommission” des weiblichen 
Pilegepersonals, eine Einrichtung der Neuzeit, 
| ómen Einsicht nehmen und Wünsche äußern, was 
Tim seiten der Kommission äußerst selten ge- 
| shieht, Die Mengen der nötigen Rohmaterialien 
ferden vom Wirtschaftsbeamten, meist auch zu- 
ammen mit der Küchenaufseherin, bestimmt und 
‚dieser täglich gegen Quittung verabreicht. Der 
schaftsbeamte überwacht die sachgemäße Ver- 
Prine, kostet auch selbst die Gerichte nach Be- 
; Fieben. Verpflichtet zur täglichen Prüfung der 
i krtigen Speisen in der Küche selbst ist der Arzt 
om Tagesdienst; Stichproben macht des öfteren 
f irich auch der Direktor. Auf den Abteilungen 
riolgt die Verteilung durch das Pflegepersonal. 
Fs Oberpflegepersonal überwacht, wenn auch 
Ficht regelmäßig, diesen Dienst. 
| E Was etwa auf einer Abteilung übrig bleibt, wird 
eer Arbeiterabteilung angeboten oder für den 
f Jüchsten Tag zu einem Frühstück verarbeitet. 
[fügen können jederzeit beim Abteilungsarzt oder 
Plirektor angebracht werden, welcher je nach Be- 
1 Ur mit dem Wirtschaftsbeamten darüber Rück- 
$ rache nimmt. 
Besondere Nachweise über Nenze usw. wer- 
I en für das Anstaltspersonal nicht ausgegeben, 
l oh aber von der Wirtschaftsverwaltung für das 
Fechningswerk geführt. Im Wochenspeisezettel 
| Shd die ausgegebenen Mengen der Rohmaterialien 
7 ‚lach Gewicht, Maß und Stückzahl angegeben. Die 
Eo haben der Küche jede Veränderung in 
rankenzahl usw. zu melden. 
f “örperwägungen werden bei fast allen Kran- 
i poea vorgenommen, nötigenfalls natürlich 
| l a Je nach Bedarf wird der Abteilungs- 
i. ilch, Fettzulage u. del. verordnen, soweit 
fa letzt nicht durch die Kostenfrage beschränkt 
| k o es in der zweiten Hälfte von 1919 end- 
| en e wurde, wieder eine bessere und vor 
ar Kost zu geben, nahmen die Kör- 
kan > auffallend zu, die Sterblichkeit ab. 
I = 921 ist für uns wieder etwas ungünstiger 
I a Em infolge der erheblichen Preissteigerun- 
| le Oberbehörden haben unter dem Druck 
! Verhältnisse Überschreitungen verboten, aber 
= bewilligten Sätzen ist es auch hier ausge- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 49 


schlossen, eine ausreichende Ernährung zu beschaf- 
fen und so sind Überschreitungen eben nicht zu 
vermeiden. Es betragen hier zurzeit die bewillig- 
ten Kostsätze für die obere Klasse täglich 8,50 M, 
für die untere Klasse 6,50 M. Der Durchschnitts- 
wert der Rohmaterialien stellte sich im Dezember 
1921 für die obere Klasse auf 9,87 M, für die untere 
Klasse auf 6,91 M. Man darf dabei nicht vergessen, 
daß so kleine Überschreitungen nur möglich waren, 
weil man noch von alten, verhältnismäßig billigen 
Vorräten zehren konnte. Als Ersatz für das teure 
Fleisch werden hier Fischgerichte sehr gern ge- 
gessen; es gibt fast jede Woche einmal mittags 
Seefisch und abends . einmal eine Heringsspeise. 
Der Seefisch wird von Richard Hertrampf, Geeste- 
münde, direkt bezogen und kann die Firma durch- 
aus empfohlen werden. Auch Fischwurst wurde 
hier früher ab und zu gegeben. Es durfte aber 
nicht zu oft geschehen, weil man dann bald Klagen 
hörte. 

Billige und vor allem gute Bezugsquellen zu fin- 
den, gehört zum Geschick des Wirtschaftsbeamten, 
der sich nach und nach die nötige Erfahrung auch 
auf diesem Gebiete verschaffen muß. Von unbe- 
kannten Firmen wird hier nur mit großer Vorsicht 
gekauft. Es können auf Grund guter Erfahrungen 
empfohlen werden: Kunstmühlen (Krietsch) Wur- 
zen; für Butter, Käse u. dgl. Karl Leipert, Leipzig, 
Windmühlenstraße; Einlegerei Sarfert & Stüver, 
Leipzig, Berliner Str.; Diamant-Akt.-Gesellschaft, 
München. 


VIIL Die Nährwertziffern werden nicht festge- 
stellt. Die Ernährung paßt sich in der Hauptsache 
den zur Verfügung stehenden Erzeugnissen der 
eigenen Landwirtschaft an. Demnach sind wir in 


‘der Lage, bis in den Winter hinein frisches Ge- 


müse zu wverabiolgen. Gedörrtes sowie einge- 
machtes Gemüse kommt vorwiegend in der ge- 
müsearmen Zeit des Frühjiahrs zur Verwendung. 
Da wir den Bedarf an Fleischwaren aus der eige- 
nen Landwirtschaft fast immer voll decken können, 
haben sich Mängel, wie wir sie während der 
Zwangswirtschaft kennen gelernt haben, eigentlich 
nicht mehr fühlbar gemacht. Der ‚Teuerung kann 
im allgemeinen nur durch Aufstapelung größerer 
Vorräte an haltbaren Lebensmitteln wie Hülsen- 
früchten, Graupen, Reis usw., die unter Ausnutzung 
günstiger Konjunkturen billig eingekauft werden, 
und durch sparsamste Wirtschaft” auf allen Ge- 
bieten des Krankenhausbetriebes begegnet werden. 
im einzelnen seien erwähnt: Volle Ausnutzung der 
Knochen durch mehrmaliges Kochen, Überwachen 


Lebensmittel empfängt die- Küchenvorsteherin al- 
täglich auf Grund des Wochenbedarfszettels, in 


der Speiseausgabe dahingehend, dab 


50 


das Essen 
ausreicht, aber möglichst wenig Essenreste ver- 
bleiben, Ölen der Parkettfußböden statt des lästi- 
sen Kratzens mit Stahlspänen und kostspieligen 
Bohnerns mit Bohnerwachs, Wiederverwendung 
der in der Waschküche gebrauchten keimfreien 
Lauge zum Reinigen der Stein- und Platteniuß- 
böden, ständiges Dichthalten aller Dampfhähne, 
Ventile, Flanschen usw. zwecks Kohlenersparnis, 
scharfe Kontrolle durch den Nachtwächter über 
den Lichtverbrauch, teilweise Einführung von 
Emaille- und Aluminiumgeschirr statt Porzellan 
und Steingut, häufiges Nachzählen der Wäsche- und 
Bekleidungsstücke sowie des übrigen Inventars 
zum Schutze gegen Diebstahl usw. Wenn auch 
damit viel Selbstverständliches gesagt ist, so darf 
doch angenommen werden, daß ein häufiger Hin- 
weis auf: die Sparsamkeitsmöglichkeiten immer 
einigen Erfolg haben wird. Die Gewährleistung, 


daß die einzelnen Kostteilnehmer die ihnen zuge- 


dachte Kost auch bekommen, wird dadurch er- 


‘reicht, daß für jede Klasse besonders gekocht und 


die einzelnen Kostarten in besonderen Gefäßen zur 
Verteilung kommen. Die Einzelverordnungen wer- 
den neben der eigentlichen Speiseausgabe beson- 
ders an die einzelnen Stationen verausgabt. 

Die zur Herstellung der Speisen notwendigen 


dem die auf die einzelnen Klassen entfallenden 


Mengen besonders aufgeführt sind. Am Wochen- 


schluß wird über die erhaltenen Mengen quittiert. 


-Die Ärzte und das Oberpflegepersonal erhalten all- 


~s 


stig 


wöchentlich eine Abschrift des Wochenspeisezet- 
tels. Eine Angabe über die zur Verabreichung 
kommenden Mengen findet nicht statt. Die Kost- 
teilnehmer erhalten diejenigen Mengen, die auf 


Grund langjähriger Erfahrung zur Sättigung aus- 


reichen. Wenn der Fall einmal eintreten sollte, daß 
eine Station mit den ihr zugewiesenen Mengen 
nicht auskommt, so können in der Küche die feh- 


 „lenden Mengen nachgefordert werden. 


. Die Körperwägungen finden jeden Monat regel- 
mäßig statt. Die Ergebnisse sind durchweg gün- 
Allgemein konnte beobachtet werden, daß 
mit dem Abbau der Zwangswirtschaft, d. h. mit 
dem Freiwerden der wichtigsten Lebensmittel, die 
Gewichtszunahmen gleichen Schritt hielten. 


VII. Der anhaltenden, fast unerträglichen Teue- 
rung wird durch entsprechende Erhöhung der 
Verpflegs- und Plansätze begegnet, auch haben 
nicht zu vermeidende Überschreitungen der Plan- 
sätze bisher ministerielle Genehmigung sefunden. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


dem während der Sommermonate ein halbes LWI U 


und in beschränkter Zahl ein viertel bis ein 1 nats] 1: 


el 
Sind die Rohstoffgewichte zugrunde gelegt wort i 


Nährwertziffern wurden in- den letzten N 1 : 
nicht errechnet. Die Ernährung der Kranken war | 
im verflossenen Berichtsiahre (1921) im ini 
nen günstig zu beurteilen. ra 

Die Verwendung aller bei der Zubereitung d if k 
Speisen nötigen Beköstigungsgegenstände muß un 
bedingt als eine Vertrauenssache angesehen Wer 
den. Seit Beseitigung des früheren Kostregulatis f 3 
an das man gebunden war, und Einführung der 4 
freien Kost, gibt man die auf Grund praktischug 
Erfahrungen erforderlichen Mengen an Rohmat 
rialien der Küchenvorgesetzten zur Verwendung 4° 

Die Küchenvorgesetzte empfängt die einzel 
Beköstigungsgegenstände am Sonnabend auf vi » 
lage und am Mittwoch auf drei Tage im ganze, ; 
Sie verwendet die Mengen nach den von eg" 
Wirtschaftsverwaltung aufgestellten, nach Kos 
klassen geordneten täglichen Kostzetteln. Über 
den Empfang der Lebensmittel leistet die Küche: 
vorgesetzte keine Quittung. 4 # 

Beköstigungsnachweise an Ärzte und an In 8 
Oberpflegepersonal werden nicht ausgegeben. 2 k 

Regelmäßige Körperwägungen (in Abständifi 
von ein bis vier Wochen) finden bei den Krankdfj, 
statt. Dieselben haben in den Jahren 1920 u. ai, 
großen und ganzen günstige Ergebnisse gezeitigi ) 


=- l U IMÁ 


IX. Die hiesige Heil- und Pilegeanstalt if $ 
nur die dritte Verpfleesklasse, Die den erregteis i 
ruhigen unbeschäftigten und ruhigen bettlägerigel y 
Kranken verabfolgten Kostmengen sind gleich i; ‘ 
390 sich beschäftigende Kranke erhalten eine IF i 
Wurst oder Magerkäse bestehende Zulage, auher i 


Mager- oder Buttermilch, während der Wintif 
monate ein halbes Liter gesüßten Milchkaftee E] d 
satz). ti 

Körperlich Kranke, insbesondere fiebernde 14 Ar 
berkulöse und solche mit geschwächtem Maget- S 
Darmkanal erhalten an den Tagen, an veda ti 
Gesunden schwer verdauliche Speisen bekommi 
leichtere Kost: Fleischbrühe, Milchsupp®, Sei 


Liter Vollmilch. | 

Die täglichen Wärmeeinheiten, die für die. & 1 
wöhnliche Kost ohne „Arbeiterzulage” errechi! 
wurden (nach König) betrugen vor dem = 
durchschnittlich: für männliche Kranke 2999 N Br " 
für weibliche Kranke 2869 Kal.; nach dem Krie fe $ 
(Oktober 1921): für männliche Kranke 3234 N ei 1 
für weibliche Kranke 3149 Kal. Bei diesen abet y 


die durch die Abfälle verloren gehenden wa im“ 


E- en 
Or Ber 
J ei, į 
ur 5 SER - 
Zi e 4 
Br H 
a Ees 
=< wg 
ES y 


fennoiten sind nicht berücksichtigt. Der Unter- 
schied bei Männern und Frauen ist nur quantitativ, 
E: Männer wird etwas reichlicher geschöpft. 
Für 350. beschäftigte Kranke kommen täglich durch- 
Snittlich 115 Kal. hinzu. 
| Die Nährwertziffern der sogenannten Kranken- 
k host und der Personalkost sind nicht berechnet 
| Vorden. Diese lehnt sich an die Kost IH. Klasse 
m doch sind einige suppenförmige Gerichte durch 
fi it ersetzt worden. Der Nährwert ist bei beiden 
| Kostiormen als annähernd gleich zu schätzen. 
$ Zur Deckung des Bedarfs an tierischem Eiweiß 
| verden auf 800 Kranke etwa 500 Liter Magermilch 
Į tilich verwandt. Zweimal in der Woche gibt es 
#150 g Fleisch (Rohgewicht), einmal 75 g ge- 
| Tallenes Fleisch mit 30 g Rindertalg, möglichst 
Finmal Seefische und zweimal gebratenen oder ge- 
Mirenen Hering. Von Pferdefleisch ist bisher ab- 
4 Feschen worden. Ein Teil des Eiweißbedarfs wird 
| durch reichlichere Verwendung von Hülsenfrüchten 
; feckt. Von Fetten werden Kuhbutter, Marga- 
| ne und Rindertalg verwandt. Der durch die bé- 
4 Shränkte Brotmenge bedingte Ausfall an Kohle- 
J iydraten wird durch Haferflocken in Form einer 
Fit Margarine gefetteten Morgensuppe ersetzt. 
| D se gibt es viermal in der Woche anstatt Kaffee. 
| Außerdem werden Kartoffeln, Wrucken und Mohr- 
| iben i in größerer Menge gegeben als früher. 
2 Die Kontrolle darüber, daß die vorschriftsmäßi- 
ga Kostmengen nach den getroffenen Anordnun- 
gen zu den Kostteilnehmern gelangen, ist bei der 
| ünheitlichen Verpflegungsform verhältnismäßig 
| fach, Die einzelnen Abteilungen melden täg- 
fih ihren Krankenbestand der Küchenvorsteherin. 
, e deren und der Oberköchin Aufsicht werden 
fi Speisen in die Essenkübel, Schalen und Kannen 
Fr Stationen gefüllt von den Pflegern und Pflege- 
fien mit Hilfe von Kranken in die Häuser ge- 
1a. Die Verteilung an die Kranken nimmt das 
Fationspflegepersonal vor. Der Küchenvorstehe- 
E werden die Rohmaterialien für die Mittag- und 
Wendkost der Kranken und getrennt davon des 
| sonals täglich vom Ökonomieinspektor‘ zuge- 
1 ogen; sie nimmt sie, ohne die Richtigkeit zu be- 
einigen, unter Verschluß. 
E Speisen werden hinsichtlich Geschmack 
N lm Uewicht. durch den Anstaltsdirektor, die Ab- 
I: Ban und das Oberpflegepersonal geprüft. 
I: fen t wöchentlich stattfindenden Küchenkonfe- 
“Spricht der Direktor mit Ärzten, Ökonomie- 
3 wu Küchenvorsteherin, Oberpflegepersonal 
1, nehmern an der Personalkost die Bekösti- 
a der vergangenen Woche, Klagen werden da- 
eee und neue Wünsche möglichst be- 


. E 


bald 3 sich nähernd, steht die 


- Frühstückszulagen, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 51 


rücksichtigt. Durch regelmäßigen Austausch der 
Speisepläne des vergangenen Monats sind die ost- 
preußischen Anstalten in der Lage, ihre Kost nach 
Art, Menge und Preis zu vergleichen, so daß Ge- 
legenheit zum Ausgleich gegeben ist. 

Im Februar 1922 war hier bei einer Belegung: von 
500 Kranken der tägliche Durchschnittspreis für 
die Kost Hl. Klasse 7,93 M. Dazu kam die Arbei- 
terzulage für 350 Personen mit täglich 1,08 M. 

Von der Aushändigung eines täglichen Bekösti- 
gungsnachweises an die Ärzte und das Oberpflege- 
personal wird mit Rücksicht auf die notwendige 
Einschränkung des Schreibwerks abgesehen. Die 
Nachweise können jedoch täglich im Bureau der 
Ökonomie und in der Küche eingesehen werden. 

Monatlich einmal, in besonderen Fällen auch in 
kürzeren Zeitabschnitten, finden regelmäßige Kör- 
perwägungen statt. Hierbei hat sich gezeigt, dab 
die Kost ausreichenden Nährwert besitzt. Im all- 
gemeinen haben die Durchschnittsgewichte, die 
während des Krieges und in der Nachkriegszeit 
stark gesunken waren, den Friedensstand wieder 
erreicht. Auffällige Gewichtsabnahmen finden ihre 
Erklärung in Erregungszuständen, Nahrungsver- 
weigerung oder körperlichen Leiden, 


Außer auf die Sicherung durch regelmäßige 
Wäeungen wird der Hauptwert auf die eingehende 
Beachtung und Prüfung der Klagen und Wünsche 
gelegt, die von den Kranken vorgebracht werden. 


ee m Iņ IMIM Ii‘ IMiIMIMIIIais 


X. Nährwertziffern wurden hier nie und wer- 
den auch jetzt nicht errechnet. Die Patienten 
werden in drei Formen entsprechend der Höhe des 
Pflegegeldes verköstigt. Zwischen 2 und 3, bald 2, 
Personalsform. Kör- 
perlich Arbeitende erhalten reichlichere Kost und 
Erregte desgleichen an Brei 
und Milch usw. Unsere Kontrolle über die Ver- 
köstigung bilden regelmäßige wöchentliche Wägun- 
ven. Sie zeigen uns, daß der Friedensernährungs- 
zustand fast allgemein erreicht, von manchem 
iibertroffen ist. Danach ist unsere jetzige Verkösti- 
gung ausreichend; geklagt wird berechtigt von 
Personal und Kranken über Mangel an Brot (zur- 
zeit täglich 275 g), das ihnen früher in beliebiger 
Menge zur Verfügung stand. Daneben herrscht 
Mangel an Fleisch, Eiern und Butter. Als Ersatz 
für erstere geben wir Hülsenfrüchte — immer noch 
das Billigste — bis nahe das Doppelte der Frie- 
densration, auch in Form von Suppen, Brei, bald 
gemahlen, bald durchgeschlagen. 
Verstärkung der Suppeneinlagen 
täglich bis über 1 kg. 


ur 


Hosted py," NE Woni gle 
Ç) 


Brotersatz bildet 
und Karni N 


52% PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Der Speiseplan wird wöchentlich festgestellt, 
an jede Abteilung ein Abzug gegeben. Die Küchen- 
anweisung enthält die Anzahl der auf jeder Kran- 
kenabteilung anstehenden und dort abzugebenden 
Kostformen. Nach dem Kostbogen kann das 
Wartpersonal auf den Abteilungen ersehen, ob die 
richtige Zahl und Art der Portionen dahin gelangt 
ist. Die Speisen werden in besonderen Trans- 
portwagren und -geschirren, letztere aus Alumi- 
nium, durch Kranke unter Aufsicht von Wartper- 
sonal, das wöchentlich wechselt, nach den Abtei- 
lungen verbracht. Die Güte und richtige Zube- 
reitung der Speisen wird öfters vor ihrer Abgabe 
aus der Zentrale durch den Direktor kontrolliert. 
Über die Rohmaterialien, die im Küchenmagazin 
aufbewahrt werden, quittiert die Haushälterin vor- 
läufig. Die für die einzelnen Verköstigungsgrup- 
pen und -formen erforderlichen Mengen gibt sie 
auf Grund der täglichen Berechnungen aus. 

Sehr viel kommt auf schmackhafte Zuberei- 
tung der Speisen an, besonders wenn man in der 
Wahl und Abwechslung der Lebensmittel be- 
schränkt ist. Man scheue auch teuere Suppen- und 
andere Würzen zu dem Zweck nicht, sie machen 
sich bezahlt. Fischwurst hat sich auch im Frieden 
hier nicht einbürgern können, andere Fischge- 
richte, früher wegen ihrer Billigkeit angebracht 
“und auch fast allgemein beliebt, verbieten sich 
jetzt öfter wegen ihres hohen Preises, mit Wurst 
kommt man zeitweise besser weg. Hat man gute 
Quellen, decke man sich für längere Zeit ein; 
schade nur, daß auch neuere Anstalten infolge de 
früheren Leichtigkeit der täglichen Beschaffung zur 
Aufbewahrung größerer Vorräte an Kartoffeln, 
Gemüse, Kolonial- und Fleischdauerwaren nicht 
genügend eingerichtet sind. Wer noch nicht ge- 
nügend kühle, trockene Keller besitzt, beeile sich, 
diese zu beschaffen und decke sich gleich nach der 
Ernte für das ganze Jahr. ein. 


' Sehr empfehlenswert ist Haltung eigenen Viehs 


(Ziegen, Hühner, Schweine), die größtenteils mit 
den früher billig abgegebenen Abfällen unterhalten, 


M i itteilungen. 


= Nachtrag a der Korrektur zu dem Aufsatz „Zur 
Streitirage der okkultistischen Forschung”. 

In Nr. 3-4 dieser Wochenschrift bringt Herr Kollege 
Sünner die zwischen Aigner und Moll stattge- 
habte Auseinandersetzung. Das Ergebnis zeigt, wie 
notwendig’ die Schaffung von Grundlagen ist, auf wel- 


che sich Anhänger wie Gegner zu einigen hätten. Dani 


erst kann eine ernste, gemeinsame Arbeit beginnen, die 
eine genaue Umgrenzung des Forschungsgebiets zur 


Ziffern nicht errechnet. 


[Nr. R N 


d mi 
A u 


neben Fleisch usw. noch reichlich Dünger tieien f i 
Billige tuftige Ställe für diese kann man durch 
eigene Handwerker aus Balken, innen und auben l 
mit Brettern beschlagen, dazwischen mit Kohlufy; 
asche ausgefüllt, rasch und leicht herstellen lassen f w 
das Dach aus Holz und Dachpappe. | m 


XI. In der hiesigen Anstalt werden Nährwerfi ; 
Der Speisezettel ist nach 
dem Prinzip der Einheitskost gestaltet. Im Durel : 
schnitt ist die Ernährung als ausreichend zu bi 
zeichnen. Gewichtsabnahmen sind nur ın ge k | 
ringer Zahl und Größe zu verzeichnen, im allge, 
meinen ist die Gewichtskurve in den letztiffe. 
Jahren gestiegen. Der Teuerung wird durch Ere 
höhung der Pflegegeldsätze und durch Zuschüsef 
begegnet. Ein Mangel macht sich hauptsächlich t 
erst am Fleische bemerkbar. Kartona und Gef 
müse sind reichlich vorhanden; */; der Kosten für def ir 
Küche werden buchmäßig aus der Landwirtschai 
der Anstalt errechnet. Zu den eigenen Erzeigf 
nissen gehören: Brot, Eier, Milch, Gemüse und at fr 
Teil des Fleisches. Eine Überwachung der rid N 
tigen Verteilung der Beköstigungsklassen und Diät vi 
formen geschieht durch Ärzte und Pilegepersoniif | 
Zur sonstigen Kontrolle besteht eine Küchenkon- N 
mission, außerdem werden wöchentlich mehrer ha 
Male vom Direktor und den Ärzten Proben aii 
den Kesseln entnommen. In der Küche wird dasi ki 
Essen in Bottiche von bestimmter Größe und al h 
den Stationen mit Schöpflöffeln von bestimmten 
Inhalt verteilt. Für die Rohmaterialien quite 
die Küchenvorsteherin im einzelnen. Zur Orientit fi 
rung über Art und Zahl der einzelnen Klassen und et 
Formen hängt ein Nachweis öffentlich in der Küche iyi 
aus. {t 

Körperwägungen finden jeden Monat statt 
Ei oben berichteten Ergebnis. 

Besondere Erfahrungen über Fischgerichte, | de ; 
alle ein bis zwei Wochen gereicht und von af 
Patienten gern gegessen werden, sind nicht vog 
handen. a. toig 


- 


Voraussetzung hat. Jeder Forscher, dem besonders bif 
gabte „Medien” zur Verfügung stehen, mübte der Eo 
fungskommission” behilflich sein, mit seine! A 
suchspersonen zu arbeiten. Nur dieser Weg kann arf 
Ziele führen. Auf allen anderen laufen wir ae 102 
vorbei. (Siehe: Materialisationsphänomene; siehe $ 
mer, welcher die Lehren Einsteins — — und » z 
lebensgeschwindigkeit” der Seele in Beziehung bringt! i i 
Prof, Friedländer, Freiburg i” 


| 


f - Gesellschaft Deutscher Nervenärzte. Die dies- 
(irige (XI) Jahresversammlung der Gesellschaft Deut- 
4 ter Nervenärzte wird am 13. und 14. Oktober in 
go S. abgehalten werden.!) Das Referatthema ist: 
ie Topik der Großhir nrinde in ihrer klinischen Bedeu- 
ing. Referenten: Kurt Goldstein, Frankfurt a. M., 
Po. Foerster, Breslau. 
7 Anmeldungen von Vorträgen für diese Versammlung 
wie von etwaigen der Versammlung zu unterbreiten- 
Tin Anträgen werden bis zum 1. Juli an den 1. Schrift- 
j E Dr. K. Mendel,- Berlin W., Ausburgerstr. 43, 
Tebeten. 
7 - Ärztliche Gesellschaft für parapsychische For- 
i Schung, Berlin. Am Mittwoch, den 19. April gründete 
ich im Vereinshaus Deutscher Ingenieure die ärztliche 
Fürsellschaft für parapsychische Forschung. Die Be- 
Í A kiligung von seiten der Ärzteschaft war eine unerwartet 
‚oe, und besonders ist die Zahl der interessierten 
[erze und Psychiater in der Gesellschaft eine 
A sireulich hohe. Schon diese Tatsachen sprechen da- 
. ‚Für dab es allgemein als eine dringende Aufgabe emp- 
Finden wird, dem Problemgebiet, wełches sich hinter 
f&r Bezeichnung „parapsychisch” verbirgt, mit den Ar- 
ivcin der voraussetzungslosen Empirie und ins- 
i tesondere mit den Methoden und Gesichtspunkten der 
i Medizin, Biologie, Psychopathologie und Psychiatrie 
y f klick näher zu kommen. Voreingenommenheit für 
nd wider die Sache sind einem solchen Unterneh- 
foen in gleicher Weise gefährlich; und gerade von ihnen 
! fe Sich die bisherige Arbeit, wenigstens in Deutsch- 
and, bis heute nicht frei zu halten vermocht. Dieser 
Pee Gesichtspunkt gegenüber den parapsychischen 
A Problemen wurde in besonderen Richtlinien zur Norm 
Fiir die Gesellschaft erhoben. Zum Vorsitzenden wurde 
F Oberarzt Dr. Paul Sünner, Irrenanstalt Herzberge, 
F wählt, an welchen auch alle diesbezüglichen Zuschrif- 
fe zu richten sind. Schriftführer wurde Dr. med. 
int Kronfeld, Nervenarzt, Kassenführer Dr. med. 
von Rutkowski, Nervenarzt. Mitglied kann jeder 


fia werden, welcher den Richtlinien der Gesellschait 
P stimmt, 


F ivatdozent der Psychologie Dr. phil. Haas, Köln: 
E etologie der eYo8atehre:;r Die 
jè e und meditativen Übungen der Yogapraxis 

en Be oder nur emotional bedingt. Sie 
E ein immanentes Ziel, und dieses Ziel 
u aus allen Einzelheiten der Yogapraxis her- 
[miene S ist die Loslösung des Ich aus allen seinen 
n und zeitlichen Bindungen sowie aus seinen 


3 J ; 


poe dem Beschluß der vorjährigen Jahresver- 

f a sollte die diesjährige in Danzig stattfinden. 

[eung and der Gesellschaft ist jedoch in eingehenden 

Jahre a zu dem Schlusse gelangt, daß 

aan aus äußeren Gründen zur Abhaltung der 
ung nicht geeignet sei: er glaubte, im Sinne 

ta n zu handeln, wenn er einen möglichst zen- 
Senen Ort wählte. 


Den ersten Vortrag in der neuen Gesellschaft hielt 


in diesem . 


i 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 53 


innerseelischen Relationen +und Veränderungen. Das 
zeitlose, absolute Ich soll zur reinen Entfaltung gelangen. 
Die asketischen Übungen dienen der erlebnismäßigen 
Trennung des Ich von den coenästhetischen Grundlagen 
seines empirischen Gegebenseins. Vortr. weist den 
Werdegang dieses Erlebens an vielen Einzelzügen von 
anscheinend zunächst sinnlosen asketischen und physio- 
logischen Yogaübungen überzeugend nach. Die Medita- 
tion vollzieht etwas Gleiches auf innerseelischem Ge- 
biet. Vortr. weist auf die im Psychischen überall gül- 
tige Tatsache hin, daß die zur Produktion eines seeli- 
schen Phänomens erforderliche psychische Kraft mit 
jeder Reproduktion abnimmt. Wird diese psychische 
Kraft auf die Erzeugung oder Festhaltung eines Phä- 
nomens verwandt, welches inhaltlich keine Mannigfaltig- 


keit, sondern etwas Einfaches darstellt, so kommt ein 
solcher Kraftüberschuß — der sich bei jeder ey- 
neuten Wiederholung steigert — ins Spiel, daß sich aus 


ihm mindestens erlebnismäßig iene Fülle von Gebilden 
sestaltet, die wir in den ekstatischen Zuständen, in der 
religiösen oder mystischen Versenkung oder Entrückung 
als ein Spontangeschehen gleichsam neben und jenseits 
des aktiven Ich auftreten sehen. Aus diesen psycho- 
logisch-dynamischen Konstellationen könnten sich auch 
die. psychologischen p Peeleierschemungen von mög- 
lichen metaphysischen (Geltungen, auch im Sinne 
transnaturaler RER entwickeln. Diese Zustände 
seien daher parapsychische im engeren Sinne. 

In der Diskussion wies Kronfeld auf Analogien 
der Yogadynamismen mit den. psychischen Erlebens- 
formen primitiver Völker und schizophrener Kranker 
hin. Körber zeigte die nahen Beziehungen der 
Haasschen Auffassungen zu der Freudschen Ver- 
drängungslehre. Kronfeld, Berlin. 

— Berichtigung betreffend Gebührenordnung. Nach 
der Neuregelung des Reichsgesetzes für Zeugen und 
Sachverständige A werden dem Sachverständigen 20 M 
ie Stunde gezahlt (nicht 15 M, wie irrtümlich in Nr. 3-4 
der Psych.-neurol, Wochenschr. geschrieben). 


c m Ñ- — a 


Buchbesprechungen. 


Dornblüth, San.-Rat Dr. med. Otto, Wies- 
baden: Klinisches Wörterbuch.. Die Kunstausdrücke der 
Medizin. 10., wesentlich vermehrte Auflage. 446 S5. 
Berlin und Leipzig 1921, Vereinigung wissenschaftlicher 
Verleger, Walter de Gruyter & Co. Geb. 32,00 M. 

Es braucht nur zum Ausdruck gebracht zu werden, 
daß bei dem zunehmenden Umfang der ärztlichen Wis- 
senschaft und dem daraus sich ergebenden Bedürfnis 
nach neuen Bezeichnungen das Erscheinen einer neuen 
Auflage dieses fast zu einem Handbuch angewachsenen, 
bestens bewährten Wörterbuchs stets willkommen ist. 
Dem Studenten wie dem Professor und dem praktischen 
Arzt ist es unentbehrlich. 3 | 

Vielleicht empfiehlt es sich bei einer späteren Auf- 
lage, die griechischen Stammworte in lateinischen Buch- 
staben zu: schreiben und daneben durch „gr.” auf dc 
sriechisehen Ursprung hinzuweisen. Das wäre für die 


54 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 
vielen vom Reformsymnasium kommenden. Mediziner 
von Vorteil und die Herstellung des Satzes würde er- lich kritischer Darstellung” 
- Jeichtert. | Bresler. | 
— Brühl, Prof. Dr. Gustav: Lehrbuch und Atlas Hypnotismusfrage 


-Geisteskrankheiten. 


Unter Mitwirkung von Hofrat Pro- 
rin Wien. 3., völlig umgearbei- 


Ohrenheilkunde. 
A, Politze 


der 
fessor Dr. 


tete und verbesserte Auflage. 499 S. Mit 270 farbigen 
Abbildungen auf 56 Tafeln und 187 Textabbildungen, 


München, J. F. Lehmanns Verlag. (Geb. 42,00 M. 

Sehr zweckmäßig ist die eingehende Behandlung der 
normalen Anatomie und der Physiologie des Gehöror- 
cans-(81 S.); der Untersuchung ist ebenfalls ein grober 
Raum gewidmet, über 100 Seiten; gerade darin ist wohl 
mancher Nichtspezialist unsicher. Der sehr ausführ- 
lichen Erörterung der Ohrerkrankungen und der Be- 
kandlung, besonders der operativen, schließen sich u. a. 
an: Neurosen, Soziale Bedeutung der Ohrenkrankheiten. 
Die Abbildungen sind, wie überall in Lehmanns Atlanten, 
vollkommen. : Brühl-Politzers Lehrbuch, das in 
fünf fremden Sprachen erschienen ist, bedarf keiner Emp- 
fehlung mehr; nur möchten :wir daran erinnern, daß es 
sei Vervollständigung der Bibliothek verdient besonders 
berücksichtigt zu werden. 

— Auerbach, San.-Rat Dr. Siegmund, Vorstand 
der Frankfurter Poliklinik für Nervenkranke, Frankfurt 
a. M.: Die Behandlung der nervösen Schlaflosigkeit. 
27 S. München 1921, Verlag der Ärztlichen Rundschau 
Otto Gmelin. 3,50 M. 

Eine nützliche Anleitung zum 


richtigen Verstehen 


und Behandeln dieses die Lebensfreude so v ieler in hohem 


PS 


Grade beeinträchtigenden Leidens. | 
Ries, Julius, Bern: Die rhythmische Hirn- 
kewegung. Beiträge zur funktionellen Bedeutung 
der Hirnhäute und Furchen für die Zirkulation des 
Liquor und die Ernährung des gesamten Nervensystems. 
107 S. Bern 1920, Paul Haupt, Akademische Buchhand- 
lung vorm. Max Drechsel. 

Eine sehr eingehende, beachtenswerte Arbeit über die 
noch nicht genügend aufigeklärten anatomischen und physi- 
kalischen Beziehungen der Hirnhäute zur Gehirnbewegung 
und -ernährung nebst Mitteilungen serologischer Unter- 
suchungen und Ausblicken auf eine Behandlung von 
Wir empfehlen das Buch zum 
Studium, da ein selbst längeres Referat dem Inhalt nicht 


—_— 


i gerecht werden könnte. B. 


‚Lehrbuch für Ärzte und Studierende. 


7 


— Hirschlafi, Nervenarzt Dr. med. 


Berlin: Hypnotismus und Suggestivtherapie. Ein kurzes 


er Auflage. 320 S. Leipzig 1921, Verlag von Joh. Ambr. 
l Barth. Geh. 23,00 M. 
-Die zweite Auflage erschien im Oktober 1918. Das 


i a an Hypnotismus und Suggestion ist in unge- 


ahnter Weise ‚gestiegen. Dennoch wird der Gegenstand 


in Kliniken oder Polikliniken gar nicht oder nur neben- 


her behandelt, Vorlesungen darüber, wie es scheint, 
nicht gehalten, obgleich die „allerorten emporschießen- 
den Volkshochschulen fast sämtlich Hypnotismus und die 
verwandten Disziplinen zum Gegenstand theoretischer 
Vorträge und praktischer Demonstrationen .machen; 


das Bedürfnis fühlen, sich wieder einmal das Wise 


ansprucht auch kein großes Geldopfer. 


et phil. Leo, 


Dritte verbesserte 


w 
auf geht er über zur Erörterung der Beseitisuls 7 


r v 
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r AIN a 
5 ' » 
.« IK J| 
Oi. Dg 
u - A 
2 
Ka 


leider nicht immer in fachmännischer und wissenschait % 
(Vorwort S-.IX). Une 
mehr ist es für den praktischen Arzt nötig, sich über N ia 
auf dem Laufenden zu halten, | 
Das Buch sei bestens empfohlen. TENA BI 

— Müller, Prof. Dr. Franz, Berlin, und Kotikii 
Oberapotheker A., Berlin-Wilmersdorf: Rezepttaschei 2 
buch der billigen Arzneiverordnunsen für Privat in I 
Krankenkassenpraxis. 56 S. Leipzig 1921, Verlag vor i 
Georg Thieme. Geh. 900 M. E n 
Nach einem allgemeinen Teil, der auch die Arbeit N 
preise des Apothekers aufführt, folgen die Rezepte nui 
den Krankheitshauptgruppen*geordnet. Der Preis, nni 
dem Stand vom Februar-März 1921, ist jedem Rezept 1: 
beigefügt. So ist dies ein, sehr praktisches und nitt H: 
liches Büchlein, besonders auch für die Krankenanstk “ 
ten, die keine eigene Apotheke haben und mög d 
billig wirtschaften müssen. B 3 
Gerhardt, Dr. F., Frankfurt a. M.: Une fi Li 

Träume und ihre Deutung. Ein Blick in. unser Seeler- i 
leben. 67 S. Langensalza, Wendt & Klauwell. s : ) 
Man mag den Träumen eine tiefere Bedeutung 2 3 
billigen oder nicht, sicher sind zwischen ihnen und den k 
Denken und Fühlen im Wachen innere Zusammenhán ll 
und diese können nicht zwecklos sein, da es in di k 
Natur nichts Zweck- und Zusammenhangloses und 4 vi 
tälliges gibt. # 
Nach dieser Äußerung im Schlußwort ist man ihn E 
rascht, daß Verf. an telepathische Träume glaubt. 3 A 
sa Ehringh aus, Dr. phil., A., Göttingen: Dips! 
Mikroskop, seine wissenschaftlichen Grundlagen ud 
seine Anwendung. Mit 75 Abbildungen im Text. nei 
Leipzig-Berlin 1921, Verlag B. G. Teubner. a S 
6.80 M, geb. 8,80 M, Í 
Vielmehr als vor dem Kriege, beginnt sich daa 
halben auch in den Irrenanstalten emsiges mikroskop! E 
sches Arbeiten zu regen und die wohlausgestattettiji 


Laboratorien sich wieder zu beleben. Da wird manch E: 
i 


von Theorie und innerem Bau des Mikroskißf 
ins Gedächtnis zurückzurufen. Das oben genami p 
Büchlein ist in solcher Zeit sehr willkommen und wg 
Möge es a 
einen Platz in! jedel 


se 
1 


viel benutzt werden; es verdient 


Laboratorium. 


— Fehlinger, Hans: Rassenhygiene; Bei 
zur‘ Entartungsfrage. 62 S. Langensalza 1919, Verl 
Wendt & Klauwell. 2,75 M. ” 


Verf. bespricht zuerst die Gesetze der organisch 
Entwicklung und die mannigfachen Rasseschäden. 


Rasseschäden; er führt uns kritisch die gesetzlichen DE 
stimmungen in England, in den Vereinigten 
Nordamerika und in der Schweiz über Beschränkl® 


der Eheschließung und Sterilisation VOT; mehr = Mi 
tung legt Verf. Bestrebungen bei, die eine a da | 
wa 


von tradionellen Hemmungen bei der Gatten 
worten, er. weist ferner auf die Wichtigkeit au T 
rn hin und betont mit Recht, von we u 


Ex Sllaggebender Rolle 
j i emn sie -bei beiden Gatten vorliegen, 
jap! t die meisten Entartungsmerkmale rezessiv sind. 
Aut diese Tatsachen müsse man Rücksicht nehmen, 
T man zu positiven Ergebnissen kommen. 

; 2 Kürbitz, Sonnenstein. 
E Parre 


i eidt, Hofrat Julius, prakt. Zahnarzt in’ 
Flimi: Zahnheilkunde. Ein kurzes Lehrbuch für Stu- 
f derende, Ärzte und Zahnärzte. Vierte, umgearbeitete 
f Aiilage, 346 S. Mit 79 Abbildungen. Leipzig 1922, 
A erlag von Johann Ambrosius Barth. 3 
If Der eben ergangene „Erlaß des Preuß. Wohlfahrts- 
y Ministeriums. lenkt die Aufmerksamkeit auch auf die 


de IT Tr aIes LAT ten: 
XXI 1919-20 in seinem Auf- 
Irrenärzte', 


Mhnbehandlung in 
immer hatte im Jahrg. 
Ft: ‚Grundzüge der Zahnheilkunde für 


Wn Gegenstand ausführlich behandelt. 


7 Leider heißt es auch bei dieser Sache in erster 
Uinie: Woher das Geld nehmen? Über die Notwen- 
digkeit und Wichtigkeit bestanden . wohl nirgends 


; Iweitel, 

| ~ Jedenfalls wird man jetzt hier und da Umschau hal- 
fen nach einer neuesten Darstellung der Zahnheilkunde. 
| im darum sei auf die eben erschienene vierte Auflage 
ir bekannten Parreidtschen Zahnheilkunde hinge- 
Ji lesen, Einer besonderen Empfehlung bedarf sie natür- 
3 I nicht mehr. | B. 
T — Diagnostisch-therapeutisches Vademekum für 
Studierende und Ärzte. Von H- Schmidt, E. Eb- 
| Mein, L.Friedheim, M. Wolfram, J. Doönat, 
N MM Hohlfela. 20. Sei TN und umgearbeitete Auf- 
fe 498 S. Leipzig 1921, Joh. Ambr. Barth. 

7 1895 erschien das Vademekum zum ersten Male, 
; s 913 erschien es.in jedem Jahre neu, 1920 sogar 
4 ema; Beweis, daß es sich fest eingebürgert hat. 
Bi der kleinen Druckart ist es in Anbetracht der Seiten- 
F all ungemein inhaltreich. Auch die Spezialfächer sind 


r } 
; Mricksichtigt; Vergiftungen, künstliche Ernährung usw. 


E Lexer. 
a“ Chirurgischen Universitätsklinik zu Freiburg Br: 
f Micderherstellungschirurgie. 361 S. Mit 798 Abbildun- 
: in, Text. : Leipzig 1920, Verlag von Joh. Ambr. 
Mit den nicht wenigen geisteskranken Kriegsver- 
kam, = Sich in den Anstalten befinden, ist nicht sel- 
| ing nr gegeben, nach dem Stand der Wiederherstel- 
T. e Umschau zu halten, um die Beschaffen= 
i i liige vərgefundenen Wiederherstellungsleistung und 
E o Erfordernisse beurteilen zu Können. 
fe, i uch sei dafür als Grundlage bestens emp- 
fe a insichtlich Abbildungen und Ausstattung gilt 
r n Schmiedens Werk Gesagte. 

Die Abschnitte „Verwachsungen der Gehirnober- 


che” 
f und „Nervendefekte” interessieren den Neuro- 
7°" besonders. B. 


f R Geh. Med. Rat Prof. Dr. Heinrich, Di- 
m e$ Krankenstiftes in Zwickau: Die örtliche Be- 
$, E wissenschaftlichen Grundlagen und prakti- 


D 


~ dern. 


Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Erich, Direktor. 


Schmieden, 


- ziellen Psychiatrie für Studierende und Ärzte. 


‚besserte Auflage. 315 S. Leipzig und Wien 1922, Ei aa 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 55 
rezessive Merkmale sein können, sche Anwendung: Ein Hand- und Lehrbuch. Sechste 
und daß über- ergänzte Auflage. 508 S. Mit 213 zum Teil farbigen 


Abbildungen. Leipzig 1921, Verlag von Joh. Ambr. Barth. 

Statt einer Empfehlung, deren dieses Buch nicht 
mehr bedarf, wollen wir uns darauf beschränken, aui 
die neue mit den Forschungen und Erfahrungen in jeder 
Beziehung und vor allem unter Brauns eigener 
Führung mitgegangene Auflage hinzuweisen und die 
Titel der einzelnen Abschnitte anzugeben: 1. Die. Ge- 
schichte der örtlichen Betäubung bis zur Entdeckung des 
Kokains. 2. Empfindlichkeit und Schmerz. Die Betäu- 
bungsverfahren. 3. Die. schmerzstillende Wirkung der 
Nervenkompression und der Blutleere. 4. Die örtliche 
Betäubung durch Abkühlung. 5. Die osmotische Span- - 
nung. wäßriger Lösungen. (uellungs- und Schrump- 
fungsanästhesie. 6. Indifferente und „differente Stoffe. 
Resorption und örtliche Vergiftung. Prüfungsverfahren, 
allgemeine Eigenschaften und Anwendungsformen örtlich 
betäubender Mittel. Die örtlich betäubenden Arznei- 
mittel. 8. Weitere Hilfsmittel der örtlichen Betäubung. 
Über den Einfluß der Vitalität der Gewebe auf die ört- 
liche und toxische Wirkung örtlich betäubender Mittel 
(Suprarenin usw.). 9. Die verschiedenen Arten der Ver- 


wendung örtlich :betäubender Arzneimittel. 10. Bedeu- 
tung, Indikationen, Kontraindikationen und allgemeine 


Technik der örtlichen Betäubung. Die Operationen 
am Kopfe, 12. am Halse, 13. an der Wirbelsäule und im 
Brustkorbe: 14. Bauchoperationen, 15. an den Harn- und 
Geschlechtsor&anen und am Mastdarm; 16. an den Glie- 
Das Literaturverzeichnis umfaßt 39 Seiten in 
kleinem Druck. | 
Erschöpfender und besser kann die örtliche Betäu- 
bung (Lokalanästhesie) kaum behandelt werden. 
Brauns Buch ist schon in seiner fünften Auflage 
von berufenster Seite als das Standardwerk der 
Lokalanästhesie bezeichnet worden. B. 


| — Schmieden, Prof. Dr. Victor, o. 6. Professor 
der Chirurgie, Direktor der chirurg. Universitätsklinik ` 
zu Frankfurt a. M.: Der chirurgische Operationskurs. 
Ein Handbuch für Ärzte und Studierende. 7. und 8. um- 
«earbeitete Auflage. 436 S. Mit 486 Abbildungen im 
Text und einem Vorwort von Prof. Dr. A. Bier, Berlin. 
Leipzig 1920, Verlag von Joh. Ambrosius Barth. 

Es gibt in unseren Anstalten auch mancherlei zu 
operieren und darum sei nicht unterlassen, an dieser 
Stelle prächtige‘ und vorzügliche Handbuch von 
Schüler Biers, zu erwähnen, das 
nun in siebenter und achter Auflage vorliegt. Es ist 
erstaunlich, mit welcher Vollkommenheit die bildliche 
Wiedergabe und die Ausstattung besorgt sind. 

Über Inhalt und Darstellung im einzelnen braucht 
hier nichts bemerkt zu werden, da darüber fachärztliche 
Urteile anerkennendster Art in großer -Zahl vorhanden 
sind. BB; 

— Pilez, Prof. Dr. Alexander: Lehrbuch der Spe- 
6. ver- 


das 


Deuticke. Brosch. 80,00 M. 


Es ist erfreulich, daß dieses ausgezeichnete Lehr- a 


® 


.meinpraxis. 


G>Ledde 
DeeP Mulze 

G. mann 
sämtlich in 


volle Zunahme erfahren, 


56 


buch sich immer mehr einbürgert; 
verdankt, daß die Wiener Psychiatrie 
vH. -PEO «VON Wawer Sich. von 
Hypothesen und. Spekulationen, 
eanze Bände ausgefüllt werden, 
Tatsachen hält. 


Ein kurzes Kapitel über Hypnose ist eingefügt (P. 
klagt im Vorwort über die epidemische Aypnosesüchtig- 


keit unserer Zeit. Sie ist ein Teil der Geheimsucht). 


den treffliche Dienste. 

— 'Vaerting, Dr. M.: Physiologische , Ursachen 
geistiger MHöchstleistungen bei Mann und Weib. Ab- 
handi- a. d. Geb. d. Sexualforschung Bd. IV H. 1. 235 


Bonn 1922, A, Marcus & E. Webers Verlag. 
6,00 M, Vorzugspreis 4,50 M. 

Eine treffliche Übersicht über dieses 
tage gefördert sind. 
che werden betont. 

E.STLENSKY. :-Br01.::.Dr:. Erwin; Wien: 
des Alltags. 
chiatrie. 35 S. Leipzig- 1921, Verlag Ernst Bircher. 


Im Fluge, 


steslebens 
geführt. Von der völkerkundlich bedeutsamen 
daß die hellenische Kultur — die wir doch 


doppelung, Affektlogik, Hysterie, 
Ben Probleme der Seelenkunde aufgerollt. Strans 
und fesselnden Weise. 

— Die syphilitischen Erkrankungen 
Bearbeitet von Prof. Dr. 
Priv.-Doz. Dr. J. Husler, 
rhose, Prof. Dr. E. v..-Malaise, 
‚Proi. Dr. A. Neumayer, 
Hofrat Prof. Dr. 
München. “Herausgegeben 
München 1922, 


von 
Mulzer..» 366 S. 


lag. Geh. 90,00 M, geb. 110,00 Me- 

‚Diese Gesamtübersicht ist recht nützlich und zeit- 
gemäß; die Syphilis hat nach dem Kriege eine unheil- 
und zwar auch in Kreisen, in 
Es ist 
wichtig, daß man über die Beiandling, dauernd auf dem 


denen der Arzt sie früher. Kaum angetroffen hat. 


Laufenden gehalten wird. . ~ 


Der Gehirn- und Nervensyphilis einschließlich Para: 


lyse und Tabes ist der vierte Teil des Buchs gewidmet. 


Auch die Vererbung der Syphilis und die Erbsyphilis 


ist gründlich behandelt. 


. Dem Buch gebührt ein Platz in der Bücherei jedes 
Arztes und 5 


ieder Anstalt. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


es wird dem Umstand 
unter Führung 
unfruchtbaren 
womit anderwärts heute 
frei und exakt an die 


P.s Lehrbuch leistet dem Arzt wie dem Studieren- 


Einzelpreis 


interessante 
Gebiet, auf dem schon manche positiven Ergebnisse zu- 
Wichtigkeit und Vorteil der Früh- 


Psycho- 
pathologie- der Ausnahmezustände und Psychopathologie 
SE der Arbeni HL angewandten PSY lang frequent (100—110), profuser, stundenlanger Schweil fi i 
und dennoch nicht flüchtig, werden hier 
außerordentliche Dinge und Zusammenhänge des Gei- 
in großzügiger Übersicht an uns vorüber- 
Tatsache, 
noch heute 
der zu bildenden Jugend eifrig zu gewinnvollem Ver- 
ständnis zu bringen bestrebt sind — von der byzantini- 
schen Weltanschauung glatt niedergelogen wurde (S. 17), 
bis zu Psychoanalyse, Persönlichkeitsspaltung und -ver- 
werden alle die gro- 
sky 
-behandelt dies alles in der bei ihm ernten geistvollen 


in der Allge- 
W.GTlb.er;t, 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 
Prof. 
Prof.-Dr. 
Fr. Wanner, 
Paul 
J. F. Lehmanns Ver- 


"Männern in Fällen von Urtikaria ohne toxische Ur 


Therapeutisches. ER | | 4 


— Zur Verwendung von Hypophysenextrakt T 
Herztonikum. Von Dr. A. Pohl, Berlin. Dtsch. nei it 
Woch. 1921 Nr. 39 S. 1162. FE 


Die Literatur über Hypophysenextrakte ist auch N 
wo es sich darum handelt, eine allgemeine Blutdruck a 
senkung mit diesen Mitteln zu behandeln, ausschlielich fy 
gynäkologisch. Es wird nun ein Fall beschrieben, inf $ 
dem Hypophysenextrakt lebensrettend wirkte, wo andere fi 
Mittel versagten, und zwar handelt es sich um eine fir 
5Siährige Frau mit Krebskacħexie. Der Exitus letalis fi 
wurde unmittelbar erwartet. Koffein und zuletzt Kamp = 
fer ohne Erfolg. Die Patientin war ohne Puls, Reflexe fa 
waren nicht hervorzurufien, die Atmung setzte aus, die p 
Herztöne waren kaum hörbar. Auf Injektion von 1 com # 
Hypophysenextrakt (Pituitrin) in die Interkostalmuskeliäy, 
in der Richtung einer Interkostalvene, stellte sich nad. 
ungefähr 30 Minuten Puls und Atmung schwach aber fa 
regelmäßig wieder ein. Nach einer halben Stunds C 
wurde wieder 1 ccm injiziert. Der Erfolg war iber A 
raschend. Der Puls wurde kräftig, blieb 6 Stunde 


trat ein. Nach 4 Stunden kam die Kranke zum Bewulk È 
sein. Puls und Schweiß blieben noch mehrere Stunde ei 
von gleicher Qualität. Die Patientin blieb hiernadifiei 
ohne besondere Komplikationen noch fast 5 Woche | 
am Leben. 


In zwei Fällen wurde Hypophysenextrakt als Herz: Mi 


tonikum vergeblich-angewandt, einmal bei einer Verondp 


Morphiumintoxikation, das andere Mal bei einer schw er 
ren Arteriosklerose mit einer seidenpapierdünnen, zehn“ E 
pfennigstück großen Stelle am linken Ventrikel, welche > 
nach kurzem Weiterleben zur Herzruptur geführt hätte % 
Derartige Fälle sind natürlich auszuscheiden. Ferner 
behandelte Verf. eine Studentin, die nach überstandelkt F 
Grippe, verbunden mit hochgradiger Überarbeitung, 4 $ 
einer quälenden depressiven Herzangst litt. Eine arfi 
malige Injektion von 0,5 ccm Pituglandol reichte ai % 
um die Erscheinungen vollkommen und ohne andet P 
Mittel zu beseitigen. Bei einem zweiten Versucht al 
mehrere Monate später, war die Wirkung ebenso günstig & 
bei einem dritten Versuche blieb sie aus. Ferner vers Aa 
wandte Verf. bei einem 26 jährigen Mädchen mit feich p 
tem Spitzenkatarrh, das seit zwei Jahren wegen einet ý 
durch nichts zu bekämpfenden Ermüdung und Schwäi J 
in den verschiedensten ärztlichen Behandlungen r 3 
wesen war, 1 ccm Pituglandol morgens subkutan. 47 
dem versieht sie ihren Dienst. Sie fühlt sich wer i t 
guter Stimmung. Ob das Pituglandol usw. diese 
Wirkung als Herztonikum bei Männern erzielen kanti I 


wurde nicht festgestellt. Dagegen braucht Verf. ai f 


worüber er ein andermal zu berichten gedenkt. 


— Die Behandlung der ovariellen Ausfalls 
nungen unter Anwendung des sedativen er I 
„Ovobrol.“ : Von Dr. Eugen Guttmann, Frauenarzl 5 IT 
Charlottenburg. Deutsch. med. Wochenschr. 1920 Ni 


erschel i 


a AR 
A 
& if, 
I ia 
T oa 7; 
{ 


‚Ovobrol“ (Chemische Werke Grenzach) besteht 
Ts einer Kombination von Ovoglandol und Sedobrol. 
Ji Tablette Ovobrol enthält 1 ccm Ovoglandol und 
de übliche Dosis Sedobrol, d. h. 1 g Bromnatrium, dem 
| izige, pflanzliche Extraktivstoffe beigemengt sind. 
ich Art der Bouillonwürfel mit heißem Wasser (100 
200 ccm= einer Tasse auf eine Tablette) übergossen, 
Iifert das Präparat eine schmackhafte Brühe. Es kann 
Fach ungesalzenen Suppen oder anderen ungesalzenen 
ieisen als Würze zugesetzt werden. Von den Patien- 
wird es wegen seiner angenehmen und verdeckten 


ge erwiesen hat. 

$ G's Beobachtungen erstrecken sich auf annähernd 
a i mit günstigem Resultat behandelte Fälle, vorwiegend 
| Fille mit klimakterischen Ausfallserscheinungen, bei 
iF ienen gewöhnlich nach Darreichung von 20 Tabletten 
uwoh! eine subjektive, als auch eine obiektive Bes- 
l srung deutlich sichtbar war, ferner einige Fälle von 
1 Amenorthöe mit Erscheinungen sexueller Insuffizienz, 
I Üilrose mit nervösen Symptomen einhergehend und 
i Mehrere Fälle von Basedow, bei denen die Symptome 
f merklich gebessert wurden; Fälle allgemeiner, körper- 
f icher und geistiger Erschöpfung jüngerer Frauen, mit 
Tischöpfungszuständen in der Laktationsperiode, auch 
| a Fall von quälender Herzangst. Erst durch Ovobrol 
Wigte sich eine auffallende Besserung der. Angstzu- 
finc, die nach weiterer Ovobrolbehandlung vollkom- 
Ẹ zum Schwinden kamen. In einem ähnlichen Falle, 
P Wi dem aber Depressionen bis zu Suizidgedanken im 


Vordergrund standen, war gleicher Erfolg zu verzeich- 
3 n, 


Mi: 


E — Zum Beamtenrätegesetz. Nach den Ausführungs- 
; Finmungen vom 19. August 1919 zu den Vorschriften 
tt Bildung und Aufgaben der Beamtenausschüsse des 
[has Finanzministers und Ministers des Innern (Preuß. 

t-B| f. d. inn. Verw. 1919 S. 382 bis 384) sollen die 
i | der Ausschüsse in geheimer Wahl mit Stimm- 
f sewählt werden, wenn nicht einstimmig eine an- 
ee Art der Abstimmung beschlossen wird. Letzterc 
Fiame ist unzweckmäßig und widerspricht dem Sinn 
' Úr X inrichtung, da die Beamten unter sich in dienst- 


sl D: 


EEEE ETO ES 


U S En 
ze 
gritá - 


Tabletten 


Chloroio:nınarkose 


rt an 


Salbe 
Suppositorien 


Bu EIS Fr Je SEE 
r pow 


IDR. RITSERT 


lmeiform gern genommen, zumal es sich als gut be- 


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Bonbons bei Angina, Stomatitis, Schluckbeschwerden, Hustenreiz 


5% und 10% bei allen Reizzuständen der Haut, I l 
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ee | 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 57 


licher Abhängigkeit und Rangordnung stehen. Es ist 
daher dringend nötig, daß sie im bevorstehenden 
Beamtenrätegesetz wegbleibt und, wo sie bisher vor- 
geschrieben, alsbald abgeschafft wird und, wo sie ange- 
wandt wurde, sofort Neuwahlen angeordnet werden. 


5 Jahre erfolgreicher Arbeit. 


Eine Firma, deren Namen allen Fachleuten wohl- 
bekannt ist, deren Kraft nicht innerhalb der deutschen 
Grenzpfähle zum Stillstand gekommen, sondern weit 
über dieselben hinausgedrungen ist und sich nicht allein 
über den Kontinent, sondern über den Erdball verbreitet 
hat, deren Güter Achse und Schiff nach allen Richtun- 
gen der Windrose tragen, feiert in“diesen Tagen das 
Fest ihres 25 jährigen Bestehens. 

Wenn von der Firma Gebr. Schwabenland 
gesprochen wird, so weiß jeder Fachkundige, daß es 
sich um ein Unternehmen handelt, welches mit seinem 
Fache sozusagen zusammengewachsen und als führende 
Firma auf dem Gebiete des Kücheneinrichtungswesens 
längst anerkannt ist. 

Das von denHerren Wilhelm Schwabenland 
senior und seinem inzwischen verstorbenen Bruder 
Karl Schwabenland vor 25 Jahren begründete 
Unternehmen wuchs, wie fast alle gesunden Gründungen 
der Vorkriegszeit, aus kleinen Anfängen heraus zu sei- 
ner jetzigen Größe und Bedeutung heran. Das durch- 
aus reelle Geschäftsgebaren und die Betriebsamkeit 
der Firma, geleitet von dem klaren, ausgebreiteten und 
weitschauenden Geiste des Herrn Wilhelm Schwa- 
benland senior, ließen das iunge Reis bald erstar- 
ken und tiefere Wurzeln fassen. Der Grundsatz der 
Firma, in ihrem Fache nicht nur universal zu sein, nicht 
nur alles zu bieten, dessen die Hotel-, Herrschafts- und 
Schiffsküchen, die Anstalts- und Krankenhaus-Großkü- 
chen, die Kaffee- und Konditoreibetriebe an Geschirren, 
Geräten, Apparaten und Maschinen bedürfen, sondern 
auch jeden einzelnen der tausenderlei Gegenstände in 
nur bester Ausführung und. Güte zu lie- 
fern, haben den Ruhm der Firma und das Vertrauen zu 
derselben in weiteste Kreise hingetragen und dauernd 
befestigt. Gute Lieferung ist die beste Empfehlung! 
das war von jeher der Wahlspruch des Hauses. 


t ee ne e e a ne = 
\ a 
| NNERERSSSEEERNENNESEREEENNENEENGHNNNERERSNEENNNEEEESSENNNEnEEEnnNnNnnEE 


[Dr Ritser's Anaesthesin- 


bei Brandwunden, Ulcus 


Bewährter Ersatz für Tukker & 
Vixol. 


—— 


Als starker Baum mit weithin verzweigtem 
steht das Unternehmen heute da. 
im Gebäudekomplex des Mannheimer 


schon mancher Fachmann 


tren sind bedeutende eigene Niederlassungen 
durchweg eigenem Grund und Boden geworden, 
Berlin, Köln, Hamburg und Zürich. 
Niederlassungen, wie diejenigen in Genua und Wien, 
folge des Krieges und seiner Nachwehen 
werden, 
lange wieder eriolgreich 
den eingerichtet in Frankfurt a. M. 
tretungen in London und ’s Gravenhage 
während der Norden und Osten Europas durch 


wie 


bearbeitet, Musterlager 
und Hannover, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


(jeäst 
Die mächtigen Lager 
Stammhauses hat 
bewundernd durchschritten. 
Aus den ursprünglichen Vertretungen in den Fachzen- 
auf fast 


in 


Mußten auch einige 


in- 


auigelassen 
so werden die betreffenden Gebiete doch schon 
wur- 
Ver- 
geschaffen, 
das 


Berliner Haus vermittels eines weitverzweigten Reise- 


und Vertretungsbetriebes versorgt wird. 

Der Altherr der Firma, Herr Wilhelm 
benland senior, hat sich, infolge, angegriffener 
sundheit, vom Geschäft zurückgezogen. 
Herren Wilhelm Schwabenland 


Schw 


iunior 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummern. 
— Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. 


s Fe 


Ge- 
Die Mitinhaber, 
und 


Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 


Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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Otto. Volker-Schwabenland bauen an deng 
Unternehmen in voller Kraft und Rüstung im alten enten f 
Geiste unter Anwendung der bewährten Grundsätze a 
Hauses weiter, umgeben von einem Stabe tüchtiger ind l 
emsiger Mitarbeiter. Von den alten, seit vielen Jahren 
teilweise seit der Gründungszeit, am Gedeihen du 
Firma mitschaffenden Kräften werden die Namen wi 
Herren Michael Henninger, ältester Prokurist der Fitm i 
und Leiter des Züricher Hauses, Ernst Euler, Prokuristi 
und Vorstand der bedeutenden Berliner Niederlassung 
Friedrich Wegmann. der: das italienische und bayerisct 
Geschäft seit einer langen Reihe von Jahren meister 
und Heinrich Scherer, der die frühere Wiener Filial N 
durch die Fährlichkeiten des Krieges steuerte und I 
mehr die Exportniederlassung in Hamburg leitet, in duii 
betreffenden Fachkreisen wohlbekannt sein. | 


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| Rat Dir. Dr.‘ Fischer, Wiesloch (Baden), 
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Prof. Dr. Friedländer, 


| Mar-öhin (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. 


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Tea r a N a L a a ner 


l m Biräns zur Psychologie der Aussage. 


; An Psychiater? Von Dr. 
Fsoldung der beamteten Irrenärzte. 


D Ergebnisse der Psychologie der Aussage, 
wie sie durch W. Stern ausgebaut wurde, 
Polten eigentlich selbstverständliches Gemeingut 
fler Juristen und Psychiater sein. 
fii der Fall, und so ist es wohl nicht ganz über- 
E immer wieder auf dieses Thema zurück- 
| mmen, auch wenn man ihm kaum etwas 
"Sentlich Neues mehr hinzuzufügen vermag. 
fear das berühmte Experiment im v. Lisztschen 
ren; ist noch nicht einmal so bekannt, daß man 
TPA Dan wieder mit dem gleichen Erfolge 
l am Önnte, Bei einem in meiner Vorlesung 
h Mrde z nen Versuche dieser Art 
Ak der Revolver, eine 7,65-mm-Dreyse- 
pa kleinen Westentaschenbrowning, von 
p “tern für eine große Mauserpistole gehalten 
X von einem meiner Zuhörer sogar, wohl unter 
= des damaligen allgemeinen Waffen- 
|; ltdings z r eine Pappatrappe. Einen Schuß hatte 
= niemand fallen hören, dagegen hatte kein 
unter allen Teilnehmern das Knacken der 
eim Losdrücken gehört, ein Irrtum, der 


Psychiatrisch- Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


'Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


| och. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr, G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
liberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
Dr. v. Olah, Budapest, 
I Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil: Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Dr. Vocke, Eglfing b. München. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


3 Ju 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S, Mühlweg 26 
Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 


Postscheck: Leipzig 32070. dorf-Mitte, Georgstraße 3. sn 


Von Priv.-Doz. E. Rittershaus, Hamburg -Friedrichsberg. 
S. 59.) — Was bringt die neue preußische Gebühren-Ordnung vom 15. März 1922 dem Neurologen 
Oscar Rein, Landsberg a. W. 
Von Oberarzt Dr. Becker, Landesirrenanstalt Herborn i, . Nassau. (S. 69.) — 

‚Personalnachrichten: 


Leider ist das. 


adepistole, von den einen der Hörer für 


San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Prof. Nr. H. Vogt, 


Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


1922/23. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin-Zehlen- 


Marhold Verlag Hallesaale 


(S. 65.) — Zur Anwendung des Sperrgesetzes auf die 


tS. 70.) 


Beiträge zur Psychologie der Aussage. 
Von Priv.-Doz. E. Rittershaus, Hamburg-Friedrichsberg. 


unter Umständen bei einer Zeugenaussage äußerst 
wichtige Folgen haben könnte. Die Personalbe- 
schreibung des Täters war, wie gewöhnlich, voll- 
kommen ungenügend, und daß er beim Hinausgehen 


hinkte, war nur den wenigsten aufgefallen. 


Um bei einem solchen Versuche eine möglichst 


-sroße Objektivität und die absolut gleiche Wieder- 


gabe eines zu reproduzierenden Vorganges bei 


' der Kontrolle zu erzielen, hat Weygandt eine 


früher schon einmal von W. Stern geäußerte 
Idee wieder aufgenommen und in dem photographi- 
schen Raum unserer Klinik einen eigens dazu von 
Ärzten der Anstalt gestellten Film aufnehmen las- 
sen; die kinematographische Exposition des Rei- 
zes wäre also ein Mittelding zwischen dem alten 
Sternschen Bildversuch und der lebenden Szene, 
ein Versuch, der die Vorzüge beider Methoden in sich 
vereint, dem aber natürlich einmal die Farbe fehlt, 
wenigstens vorläufig noch, dann das gesprochene 
Wort und vor allem das Unwissentliche des Ver- 
suchs und die Affektwirkung des Wirklichkeits- 
experimentes. 


Wie demonstrabel aber derartige Versuche 


60 


trotzdem sind, zeigt das Ergebnis eines solchen, der 
in einer Sitzung der hiesigen forensisch-psycholo- 
gischen Gesellschaft angestellt wurde. 

Es handelt sich bei dem Film um eine Szene in einem 
Gasthause; es kommt zu einer Prügelei, einer der Gäste 
zieht ein großes Taschenmesser, klappt es auf, wird aber 
von den übrigen hinausgeworien, bevor ein Unglück ge- 
schieht. Einer der zurückbleibenden Gäste bemerkt 
dann, daß ihm vorher sein Hut vertauscht wurde, ein 
Vorgang, der mit der Messerstecherei nicht das ge- 
ringste zu tun hat. Als der letzte Gast gegangen, hängt 
noch ein einsamer Zylinderhut an dem Hutständer, der 
keiner der auf dem Bilde sichtbaren Personen gehört. 

Von einer Spontänschilderung war in diesem Falle 
aus äußeren Gründen Abstand genommen worden; man 
hatte sich nur auf ein kurzes Verhör von 20 Fragen be- 
schränkt, da es ja nicht auf die Lösung neuer Probleme 
und auf wissenschaftliche Exaktheit ankam, sondern nur 
auf eine möglichst überzeugende Demonstration. Vier 
Teilnehmer wollten möglichst kritisch und vorsichtig 
sein -und beantworteten nur ein Viertel der gestellten 
20 Fragen oder noch weniger; trotzdem hatten auch sie 
zusammen 26 v. H. falscher Antworten, 16 Teilnehmer, 


die 6 bis 10 Fragen beantworteten, hatten sogar 43 v. H.. 


Fehler. 22 Teilnehmer, die Maiorität, die immerhin 11 
bis 15 Fragen beantworteten, also die Hälfte bis drei 
Viertel der gestellten Fragen, hatten 36 v. H. falsche 
Antworten, und. die letzte Gruppe, 13 an der Zahl, die 
mehr als drei Viertel aller Fragen beantworteten, hatten 
darunter doch noch 32 v. H. Fehler. Die einfachsten 
Fragen (z. B. wann das Vertauschen des Hutes bemerkt 
`. worden war, wo der ganze Vorgang spielte) wurden 

immerhin in 80 bis 100 v. H. richtig beantwortet. Die 
wichtige Frage, wer den Streit begonnen, war 
26 v. H; der Fälle falsch beantwortet. Die Frage, wie- 
viel Personen auf dem Bilde erschienen waren, erzielte 
sogar 30 v. H. Fehler. Die Suggestivfrage: „Wem ge- 
hörte der Zylinderhut?” hatte 52 v. H. Fehler; die. viel- 
leicht wichtigste Frage, wer das Messer gezogen habe, 
von manchem. anscheinend als Suggestivfrage auige- 
faßt, hatte 47 v. H. falsche Antworten, und die Sug- 
gestivfrage, ob es ein im Griffe feststehendes Messer 
gewesen sei, erzielte sogar 70 v. H. Fehler. Die Frage 
vollends, wie lange der ganze Film gedauert habe, 
wurde von keinem der Teilnehmer auch nur annähernd 
richtig beantwortet, entsprechend der bekannten psy- 
chologischen Tatsache, daß Zeit- und Entiernungsschät- 


Bi zungen in solchen Fällen fast immer falsch sind. 


Ähnlich waren die Resultate bei einer Reihe 


vi von Wirklichkeitsfragen, bei denen nur 53 v. H. rich- 


tige Antworten- erzielt wurden. Hier hatten die Vor- 
sichtigsten, die nur fünf der gestellten Fragen oder 
noch weniger beantworten zu können glaubten, sogar 
48 v. H. Fehler, während die besten Beobachter, die 
drei Viertel oder mehr aller Fragen beantwortet hatten, 
nur 40.v. H. falscher Antworten absaben. Es war 
also auch hier nicht etwa so, daß die Fragen an sich 
zu schwer zu beantworten gewesen wären, und man 
sich durch eine möglichst umfassende Beantwortung 


in 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


nimmt. 


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der Gefahr zahlreicher Irrtümer ausgesetzt hätte, Ei i 
verlangte Entfernungsschätzung war, wie nicht anders 
zu erwarten, auch hier bis zu 80 v. H. falsch, wo 
ebenso wie vorher bei der Zeitschätzung eine vertilt 
nismäßig recht große Streuung noch als richtig gë 
wertet wurde. Die Frage nach der Zahl der sul | 
in der Vorhalle des Hauptgebäudes, das die Besuch 7 
vorher passiert hatten, war in 45 v. H. der Antworif, 
falsch, die nach dem Material derselben (Kacheln) s j 3 
gar in 90 v. H. nicht richtig beantwortet, Sehr sik a 
gestiv wirkte die Frage nach der Ehrentafel der geh | l 
lenen Angestellten der Anstält in der Eingangshalli i 
die 80 v. H. falsche Antworten erzielte. Sogar ùi f 
Material und die Zahl der darauf befindlichen Nana : 
wurden in 80 v. H. der Antworten fälschlichernäb 
angegeben, denn diese Ehrentafel wurde leider en 
neun Monate später enthüllt und nicht in der Eingat 
halle, sondern einige hundert Meter davon entfernt i | 
Parke der Anstalt auf einem Findlingsblock. Nur ii 4 
Material derselben (Bronze) war von den meisten Ve A 
suchspersonen vorahnend richtig angegeben. Die A, 
wort mußte aber trotzdem als falsch bewertet werde A 

In der sich. anschließenden eingehenden Di T 
kussion wurde unter anderem zur Frage der wifi 
Stern seinerzeit schon verlangten ,„Wankodiu 
frontation” über einen irgendwo einmal vorgeniß i 
menen praktischen Versuch dieser Art beriei® 
wobei der Zeuge prompt den Verdächtigen ui 
kannte; wie sich nachher herausstellte deshali 3 
weil die übrigen ihm vorgeführten Personen, lautet 
Schreiber des Gerichts, an ihren Schreibärmeln # sf 
fort als solche erkenntlich waren, ein Versuch, df i 
wohl mehr die Notwendigkeit einer weiteren Afi 
klärung in juristischen Kreisen als die praktise 3 
Undurchführbarkeit der Stern schen Forderut I 
dartut. Ferner wurde auf scharfe und Gr us 
richtige kindliche Beobachtungen hingewiesen Vf, 
fant terrible), — eine vollständige Verkenning Ú W | 
Tatsachen, da die Aussagepsychologie doch keines f, 
Wegs 100 v. H. Fehler bei Kinderaussaget 4 


paing yangan Jag 
en OTEA 
Sad A il ur — Ye“ 4 at 


= te Fl N 
Be 


Are HE 


A) 

Welchen Wert kindliche Aussagen haben ! ] l 
nen, zeigen zwei aus der hiesigen Presse bekant 
gewordene Vorfälle der letzten Zeit. 
Vor einigen Monaten wurde bei Hamburg die # y 
stückelte Leiche einer Frau aufgefunden; der uwi 
liche Täter, ein Arzt Dr. F. ist flüchtig. In der PR 
war viel davon die Rede, daß ein vor Jahren ne w 
gangener Knabenmord, bei dem die Leiche in ähnlici et 
Weise zerstückelt aufgefunden wurde, und der g 
geklärt worden war, möglicherweise auf den glei T 
Täter zurückzuführen sei. Prompt ‚meldete a 
Mutter, deren Knaben jener Dr. F. kurz Vor nib 
Flucht ebenfalls an- sich gelockt und unsittlich et not WE 
braucht haben soll. „Der Zeuge konnte iedot! i sl 
nicht näher vernommen werden, da er bei He | 
Verhörs Schreikrämpfe bekam.” Ob a 


a weitere Ergebnisse gebracht hat, ist mir nicht bekannt; 
af mn wird sich aber als Psychiater wohl seine Gedan- 
ifen über die Glaubwürdigkeit dieses wahrscheinlich 
ed iisterischen Kindes machen, 

d$ Dies letztere psychopathologische Moment fehlt 
afier Anscheinend bei dem nächsten Vorfalle 
: ‚ünzlich. 

' - Fast gleichzeitig mit dieser Notiz meldeten näm- 
ih Kinder, daß in den Jenfelder Tannen bei Wands- 
ik eine zerstückelte Kindesleiche in einem Pappkar- 
„pin verpackt liege. Ein in Harburg am selben Tage 
i Vermißtes Mädchen kam sofort in Frage, und die Poli- 
ki arbeitete fieberhaft. An Ort und Stelle konnte lei- 
fir von der Kindesleiche nicht das Geringste vorge- 
Finden werden, nur ein alter Pappkarton, Überreste 
eies zerrissenen Hemdes und ein abgebrochenes rosti- 
„gs Messer fand man dort an einem Platze, an -dem 
„A wahrscheinlich Zigeuner gelagert hatten. Auch Polizei- 
„| nde hatten keinen Erfolg. Zu allem Überfluß wurde 


piter in Bremen - aufgegriffen. Sonst war in diesen 
J lagen weit und breit kein Kind vermißt worden. Die 
I rch die Greuelgeschichten der Presse und wohl auch 
IM ‚Äirch Erzählungen Erwachsener aufgepeitschte kind- 
h ‚liche Phantasie wurde offenbar durch die vorgefunde- 
ie Gegenstände lebhaft angeregt, und bis zur Rück- 
} khir zur Stadt hatten sich die Hemdfetzen, der alte 
if karton und das „blutige” Messer zu einer zerstük- 
' Aelten Kindesleiche verdichtet, 

} e Ein weiterer Fall sei hier etwas ausführlicher 
nj Migeteilt, vor allem weil er so recht die Schwierig- 
| Kiten zeigt, mit denen man in der forensischen 
(f atis zu rechnen hat. Eine völlige Aufklärung ist 
dj It sogar überhaupt nicht erfolgt. Doch möge der 
‚Al für Sich selbst sprechen. 

a| Am 19. Dezember 1919 wurde im Warenhause 
etz in Hamburg ein Mann festgenommen, der 
f telällen war, weil er einen größeren Gegenstand 


ıchte er zu entiliehen, wurde aber festgenommen, 
7, Man fand bei ihm unter dem Mantel einen gro- 
ý m Kristallteller, der noch das Drahtgestell trug, 


e eingepackt, sowie eine Gänsebrust, in Klo- 
| Ma per eingewickelt, ferner Packpapier, das 
7 "aus dem Warenhause Tietz stammen sollte, 
4 vend die Herkunft der übrigen Gegenstände aus 
f sem Geschäfte einwandfrei feststand. Der Kri- 


u fehlte ganz nahe der Stelle, an der der 
' Er zuerst bemerkt worden war. Es han- 
„sich bei dem Festgenommenen um einen auf 


f, le befindlichen Angestellten der Reichs- 
f Nalverwaltung Philipp X., geboren am 15. 


En | Bei der Festnahme war er auber- 
ke ch verwirrt und aufgeregt und gab auf Be- 


en den TA; 
: n den Diebstahl und alles andere unumwunden 


A amn auch noch das verschwundene Kind einige Tage 


i ter seinem Mantel verborgen trug. Auf Anruf 


j dem er aufgestellt war, ganz lose in Seiden- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT | 61 


zu. Leider wurden die Vernehmungen des Be- 


schuldigten und der Zeugen nicht unmittelbar pro- 
tokolliert und unterschrieben, sondern von dem 
vernehmenden Kriminalbeamten erst einige Stun- 
den nach dem Vorfall aus dem Gedächtnis nieder- 
geschrieben. 

Bei seiner ersten amtlichen Vernehmung war 
nun X, außerordentlich erstaunt über sein Geständ- 
nis, widerrief es und erklärte folgendes: Er habe 
ein Verhältnis mit einer gewissen Frau Da., die 
Verkäuferin bei Tietz sei. Diese habe ihm ange- 
boten, ihm Gegenstände zù überlassen, die sie als 
Angestellte zu ermäßigten Preisen kaufen könne, 
und habe ihn an jenem Tage zum Empfang dersel- 
ben dorthin bestellt. Sie sei aber schon in Hut . 
und Mantel gewesen und sehr eilig, weil sie zum 
Mittagessen habe fahren und den damals nur selten 
verkehrenden Alsterdampfer noch habe erreichen 
wollen. Deshalb habe sie ihm die Sachen und das 
nötige Packpapier nur schlecht verpackt überge- 
ben können. Wenn er nun ein schlechtes Gewis- 
sen bezüglich des Diebstahl gehabt hätte, so meint 
er, wäre es doch für ihn das Nächstliegendste ge- 


wesen, das Warenhaus so schnell als möglich und 


auf dem kürzesten Wege zu verlassen, nämlich 
über die Haupttreppe, die sich direkt: neben der 
Stelle befand, wo der Kristallteller fehlte. Er sei 
aber quer durch den ganzen Verkaufsraum zu einer 
Seitentreppe hingegangen, während Frau Da. den 
Ort auf der Haupttreppe verließ. Er habe eben 
nicht mit ihr zusammen gesehen werden wollen, 


da sie beide anderweitig verheiratet waren. 


Eine Person dieses Namens war nun nie bei 
Tietz angestellt, konnte auch in Groß-Hamburg 
nicht ermittelt werden, und auch auf dem Jungfern- 
stieg, wo der Beschuldigte sie oft getroffen und 
auch zuerst kennen gelernt haben will, war sie in 
der nächsten Zeit trotz eifrigen Suchens nicht zu 
finden und ist auch bis heute nicht ermittelt worden. 

'Bis dahin schien also die Sache ganz klar zu 
liegen: eine recht fadenscheinige Ausrede mit Hilfe 
der großen Unbekannten. Nun meldete sich aber 


plötzlich freiwillig eine weitere Zeugin, eine Frau 


M., eine Freundin und Nachbarin der Schwieger- 
mutter des Beschuldigten, die diesen selbst ober- 


- flächlich kannte, und die zufällig von dem ganzen 


Vorfalle und der erhobenen Anklage gehört hatte. 
Diese sagte aus: An jenem Tage habe sie den X. 
zuerst am Eingange des Warenhauses getroffen und 
dann einige Zeit später am Ausgang der Kristall- 
abteilung neben einer jüngeren weiblichen Person 
stehen gesehen. Etwas neugierig, was der doch 
mit der Tochter ihrer Freundin verheiratete X. mit 
anderen Frauen hier zu tun habe, sei sie vorsichtig 


62 


näher geschlichen, habe gesehen, wie jene dem X. 
einen lose in Seidenpapier eingewickelten Gegen- 
stand, wohl jenen Kristallteller, übergab und habe 
dabei gehört, wie X. fragte: „Muß ich Dir noch 
etwas zuzahlen?”, worauf jene antwortete: „Ja, 
aber das ist nicht so eilig, ich habe den Scheck 
nicht bei mir, wir treffen uns ja heute Abend.” 
Diese Verabredung für den Abend und das vertrau- 
liche „Du” seien ihr besonders aufgefallen. Sie 


selbst sei dann unbemerkt an den beiden vorbei 


und die Haupttreppe hinabgegangen; von dem wei- 
teren Vorfalle, insbesondere von der Festnahme 
-des X. habe sie nichts mehr beobachtet. 

Frau M. machte, soweit ein Urteil nach ihrem 
Verhalten bei der Verhandlung des Landgerichts 
möglich ist, einen durchaus ruhigen, glaubwürdigen 
Eindruck und war auch während der ganzen Zeit 
der sich aus äußeren Gründen über viele Monate 
hinziehenden Angelegenheit stets bei der gleichen 
Aussage geblieben. Die Annahme, daß sie sich nur 
aus Freundschaft für ihre Nachbarin und deren 
Schwiegersohn den Folgen eines .bewußten Mein- 
eides aussetzen würde, erschien recht unwahr- 
scheinlich. 

Dagegen änderte nun, offenbar unter dem Ein- 
druck dieser Zeugenaussage, die Hauptbelastungs- 
zeugin, eine Frau De. ebenfalls Verkäuferin bei 
Tietz, die den Angeklagten zuerst beobachtet hatte, 
ihre Aussage plötzlich ab. | 

Zum Verständnis des ganzen Sachverhaltes sei 
eine kurze Schilderung der Örtlichkeit eingefügt. 
Es handelte sich um die Kristallabteilung des 
 Warenhauses im zweiten Stock des Gebäudes. 
Rechtwinklig zur Straßenfront des Verkaufsrau- 
mes stehen mehrere parallele Tischreihen, die zu- 
sammen gewissermaßen ein Rechteck ausfüllen. 
Die der Straßenfront gegenüberliegende Seite die- 
‚ses Viereckes ist ein Gang, der am Rande des gro- 
Ben Lichthofes entlang läuft. Ungefähr an der 
vorderen westlichen Ecke dieses Viereckes, an der 
Straßenseite, stand die Zeugin De., ihr diagonal 
gegenüber an der östlichen Ecke beim großen 
Lichthof ist die Stelle, wo der Kristallteller fehlte. 
Dort ganz in der Nähe war auch eine Zahlkasse, 
neben der Frau M. das Gespräch des X. mit der 
Da. belauscht haben will, und neben dieser Kasse 
befindet sich auch der Ausgang zur Haupttreppe. 

Bei der ersten Vernehmung, unmittelbar nach 
der Tat und auch im Anfange der schöffengericht- 
lichen Verhandlung vom 19. August 1920 hatte nun 
die Zeugin De. dem Sinne nach ausgesagt: Sie habe 
an der östlichen Seite des Rechtecks von ihrem 
Platze aus entlangblickend den X. beobachtet, wie 
er (rechtwinklig zu ihrer Blickrichtung) am Rande 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Nr. Mt if l 


des Lichthofes entlang von links nach rechts vor y 
überging. Dabei sei ihr aufgefallen, daß er eine í 
größeren Gegenstand unter seinem Überrock be, i 
borgen trug. Sie habe sofort angenommen, di fi 
der Gegenstand wohl hier im Hause entwëndetsi fl 1 
obgleich sie das nicht beobachtet habe, da derglich 
chen Sachen in ihrem Revier nicht zum Verkal i 
auslagen. Deshalb habe sie seine Festnahme vet U 
anlaßt. — Es sei hier gleich vorweggenommen, difi 
diese allerletzte Angabe anscheinend ein Mißverft 
ständnis des vernehmenden Kriminalbeamten wai k 
der, wie erwähnt, das Resultat erst einige Stify 
den nach der Vernehmung aus dem Gedächtni T 
niederschrieb; denn der Teller fehlte ja geradeilf, 
dem Revier, das die De. zu beaufsichtigen half y 
Dieser Punkt wurde von ihr selbst später in a e 
Verhandlung sehr stark betont. | 
Dagegen hatte eine andere Zeugin, die Leiter | 
des Personalbureaus, die bei der entscheidendif% 
Verhandlung leider nicht mehr geladen war, sifi 
nerzeit ausgesagt, die Zeugin De. habe den Afe 
beobachtet, wie er eine große Kristallfruchtschd@f« 
unter seinem Paletot trug und habe daraufhin sei 
Festnahme veranlaßt. Diese ersten Aussalify 
stimmen also bis auf jenen einen Punkt volks 
men miteinander überein. I 
Während der Verhandlung des Schöftengeri J 
tes am 19. August 1920 änderte nun die Zeugin De, y 
ihre Aussage plötzlich dahin ab, sie habe geseit 
wie X. den Teller von dem Tische nahm und un 
seinem Mantel versteckte, und sie blieb bei dest] 
letzteren Aussage auch bei der zweiten Sit 
des Schöffengerichtes am 7. September 1920 un j 
später in der Berufungsinstanz bei der Verhandug | 
des Landgerichtes am 19. November 1920. Shaif 
der ganzen Sachlage nach erscheint diese Aussa 
nicht recht glaubwürdig, denn sie hätte dam vo 
ihrem Platze aus, wie oben näher geschildert, di 
der Diagonale über sämtliche Tischreihen hinwel ' 
durch ‚das ganze Gewirr der dort aufgebaute Kii y 
stallstücke hindurch den Diebstahl bemerken mis : 
sen. Auf meinen diesbezüglichen Einwand pebat| i 
tete sie allerdings, unterstützt von einem Geschå 
führer, der gleichfalls als Zeuge geladen Wa! 
seien zu jener Zeit auf diesen Tischen keine 
bauten gewesen, sondern sämtliche Kristalle} i 
stände hätten auf den flachen Tischen gestal iiA e 
so daß ein ungehinderter Blick darüber miea i 
möglich gewesen sei. Leider hat das Gericht w | 
Angabe nicht noch einmal nachgeprüft; mir P sh 
sönlich erscheint es recht unwahrscheinlich Ei 
die sonst stets an dieser Stelle vorhandene h 3 
bauten der Tische gerade damals in der We à 
zeit nicht vorhanden gewesen wären, und IC ch g T 


| 


MER SBi 


a tümen, da beide offenbar unter der stark affektiv 
Mfietonten Suggestion standen, daß der offensicht- 


HPirteil erster Instanz für nicht glaubwürdig erklärt, 
find es heißt dort ausdrücklich: „Frau De. ist mit 
Fieser Bekundung erst im Laufe der Verhandlung 
Wirausgekommen, während sie bisher immer nur 
Kgschen haben wollte, daß der Angeklagte den 
Wfeler unter seinem Mantel hatte. Die Aussage 
ver ferner unklar und’ enthält mehrere Wider- 
Ef rüche.” — Ä 

© Über diese weiteren Widersprüche ist in dem 
Firteil selbst leider nichts angegeben; doch be- 
ÜFhiptete X. unter Bestätigung durch seinen Ver- 
"Fiidiger, die Zeugin De. habe in jener Verhandlung 
“Pia, auch ausgesagt, er habe den Gegenstand unter 
Kf inem Lodenumhang verborgen getragen, während 
sssich in Wirklichkeit um einen zweireihigen Win- 
“Femantel handelte; einen Umhang dieser Art be- 
[iz er überhaupt nicht, und der Vorsitzende des 
Frlöttengerichts habe die Zeugin wegen aller 
| ‚ser Widersprüche auch mehrfach ernstlich ver- 
1 Varnt. — 

i a Das erste Urteil lautete auf drei Wochen Ge- 
Pa wegen Hehlerei, eine Auffassung, die meines 
j | tachtens bei den vorliegenden Zeugenaussagen 
{M mindesten inkonsequent ist und offenbar einen 
i Verlegenheitsausweg der nichtrichterlichen Bei- 
Fr darstellt, die von der Schuld des Angeklagten 
| neigt waren und ihn verurteilen wollten, trotz- 
' n er Beweis nicht erbracht war. Entweder 
| = x man der Zeugin M. glauben und ihn frei- 
l En en oder der Zeugin De. und ihn wegen Dieb- 
i verurteilen, eine Auffassung, die dann auch 
i hter bei dem Landgericht ausschlaggebend ge- 
fen zu sein scheint. 

I Bei der Berufungsinstanz wurde dann auf Antrag 
| e eidigung zur Lösung der verschiedenen 
i. ‘Sprüche Referent als psychologischer Sach- 
I "ständiger geladen. | 
er Sitzung des Landgerichts am 19. No- 
I a war nun bei der Zeugin De. jegliche 
j Aimmthei n ee und mit aller Be- 
Ee. HE auptete sie, den Diebstahl des Tel- 
f < selbst mit angesehen zu haben. 

| Endlich erstatteten Gutachten des Re- 
[ity ag nun ausgeführt, daß es allerdings 
in... wie der Herr Vorsitzende soeben ein- 
i. ausgeführt habe, daß nämlich notwendiger- 
| "er ein bewußter oder zum wenigsten ein 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 63 


grob fahrlässiger Meineid bei einer der beiden 
Zeuginnen M. oder De. vorliegen müsse, — und es 
wurde auf die große Literatur über die Psychologie 
der Aussage verwiesen und betont, daß es sich 
hier keineswegs noch um umstrittene Theorien, 
sondern um Tatsachen und Erfahrungen handele, 
die schon seit vielen Jahren nach allen Richtungen 
hin sorgfältigst und experimentell nachgeprüft und 
durchforscht seien. Es wurde weiterhin auf die 
Möglichkeit einer. gutgläubigen Erinnerungsfäl- 
schung, die namentlich bei Frauen recht häufig sei, 
hingewiesen, vor allem aber auch darauf, daß erfah- 
rungsgemäß bei abgeänderten Zeugenaussagen die 
erste unbeeinfilußte Aussage bei weitem die größere 
Wahrscheinlichkeit bezüglich Sicherheit und Aus- 
sagetreue besitze; die spätere, häufig, und so auch 
hier, immer bestimmter werdende Aussage sei 
vielfach nicht mehr die Erinnerung an den Vorfall 
selbst, sondern die an eine frühere Aussage oder 
an anderweitige Gespräche über das Thema. Ins- 
besondere wurde auf die verfälschenden Suggestiv- 
einflüsse der Außenwelt hingewiesen und auf die 
verhängnisvolle Rolle, die diese in solchen Fällen 
zu spielen pflegen, auf die ganze Einstellung der 
Zeugin diesem Vorialle gegenüber, auf ihre sicher- 
lich zahlreichen Besprechungen desselben mit Kol- 
leginnen und Vorgesetzten und die dabei doch 
sicherlich auch gefallene Suggestivirage, ob sie 
denn nicht den Diebstahl selbst beobachtet habe, — 
und wie sich erfahrungsgemäß alle solche Vor- 
gänge im Laufe der Zeit in der Erinnerung ver- 
wischten, so daß die Zeugen schließlich fest glau- 
ben, das Besprochene selbst mit erlebt zu haben, 
Alle diese in Fachkreisen ja selbstverständlichen 
Ausführungen wurden natürlich viel ausführlicher 
und mit entsprechenden Erklärungen und Beispielen 
vorgetragen. Alles aber, ebenso wie die oben be- 
reits angeführten Einzelheiten des Vorfalles selbst 


machten auf die Zeugin und auf das Gericht nicht 


den geringsten Eindruck. Die Zeugin blieb mit der _ 
gleichen Bestimmtheit bei ihrer Behauptung, und 
das Gericht glaubte ihr diesmal, offenbar ganz unter 
dem Bann dieser Sicherheit. Den Widerspruch 
ihrer Aussagen selbst stellte sie als ein Mißver- 
ständnis des Kriminalbeamten hin, der sie seiner- 
zeit zuerst vernommen und unglücklicherweise die 
Aussage nicht sofort protokolliert hatte. 

Fin weiterer Punkt kommt hier noch hinzu, der 
m. E. sogar Grund zu einer Revision des Ur- 
teils hätte geben können, eine Möglichkeit, die von 
der Verteidigung anscheinend nicht ausgenutzt 
wurde, um bei einer etwaigen nochmaligen 
Verurteilung die erhöhten Kosten zu sparen. 
Ich hatte nämlich die Akten nur ganz.. kurz 


64 = _ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


vor dem Termin einmal zur Einsicht er- 
-halten und hatte nicht mehr alle Einzelheiten 
gegenwärtig. Ich bat den Herrn Vorsitzenden, 
aus den Akten doch festzustellen, ob die Zeugin 
De. ihre erste nicht selbst unterschriebene Aus- 
sage, die sie dem Kriminalbeamten gegenüber ge- 
macht hatte, nicht später noch einmal bei einer 
amtlichen Vernehmung wiederholt habe, ich 
glaubte mich dessen bestimmt erinnern zu können. 
Daraufhin. wurde mir von dem Vorsitzenden er- 
.widert, daß die Zeugin bei ihrer ersten amtlichen 
Vernehmung, der Sitzung des Schöffengerichtes 
am 7. September 1920 die gleiche bestimmte Aus- 
sage gemacht habe wie vor dem Landgericht, 
nämlich, daß sie den Diebstahl selbst mit angese- 
hen habe. Der Herr Vorsitzende hatte dabei offen- 
bar die erste Sitzung des Schöffengerichts vom 
19. August 1920 und die dort zunächst abgegebene 
Aussage der Zeugin übersehen, die mit ihrer aller- 
ersten Bekundung gleichlautend gewesen war. 
Daraufhin nahm das Gericht an, daß das ganze 
Mißverständnis auf einer mangelhaften Protokol- 
lierung durch den Kriminalbeamten W. bei der 
ersten Vernehmung beruhe, erklärte die Zeugin für 
glaubwürdig, ließ den Widerspruch ihrer Aussage 
mit der Zeugin M. dahingestellt?) und verurteilte 
X. wie hier vorweggenommen sei, unter Aufhe- 


bung des schöffengerichtlichen Urteils wegen Dieb- 


stahls zu drei Wochen Gefängnis. 

Die zweite Frage, über die sich der Sachver- 
‚ständige zu äußern hatte, war bei diesem Sachver- 
halt mehr nebensächlicher Art; sie ging dahin, wie 


das verdächtige Verhalten des X. bei der Festnahme, 


die versuchte Flucht, und wie das erste Geständnis 
des Angeklagten und die spätere Widerrufung des- 
selben zu erklären seien. Es wurde hier im ein- 
zelnen ausgeführt, daß X. ein schwer psychopa- 
thischer Mensch sei, der wohl zur Gruppe der 
Hysterie im ` weiteren Sinne gerechnet werden 
müsse. (Einzelheiten würden an dieser Stelle zu 
weit führen.) Seine Angaben bezüglich seines 
Verhältnisses mit der nicht aufzufindenden Da. 
könnten zwar ein Produkt seiner hysterischen 


A Phantasie sein, sind aber andererseits, so wie er 
‚sie schildert, durchaus im Bereiche der Möglich- 


keit. Insbesondere erscheint das, was er mit ziem- 
lichem Affekte über die sexuelle Hörigkeit erzählte, 
in die er jener Person gegenüber geraten war, 
seinem ganzen Wesen nach-durchaus glaubhaft, so 


1) Zwei verschiedene Vorfälle an verschiedenen 
Tagen kamen nicht in Frage, da beide Zeuginnen 
ganz bestimmt den Tag, einen Adventssonntag, be- 
zeichneten. | | | 


erledigt ist. 


[Nr mi ; 


N 
en 4 


daß man unter Berücksichtigung der Zoue ; 
sage der Frau M. das Vorhandensein jener Daf 
wohl als richtig voraussetzen könnte. Er gibt weitet i 
hin an, er sei bei seiner Festnahme in eine derd f 
artige Verwirrung und Erregung geraten, daß: Ji 
wahrscheinlich jede Frage mit „ja” beantworkif! 
habe. Auch das ist keineswegs unwahrscheinlich 
Außerdem ist aber eine andere Möglichkeit vof 
handen, nämlich daß es sich um ein einfaches Mi 
verständnis gehandelt hat, hervorgerufen durch, ji 
seine völlige Kopflosigkeit und fortgeführt durch] 
die mehrfach erwähnte Unterlassung der sofort. 
gen Protokollierung seiner Aussagen, Er erzähl 
nämlich später in ganz anderem Zusammenhang 
u. a.: „Als ich plötzlich so angerufen wurde, eaf 
mir mit einem Male der Gedanke, hier könne etwas 
nicht richtig, die Sachen könnten am Ende gest a 
len sein. Diese Idee und die Vorstellung der U% J] 
fahr und der ganzen Situation, in die ich mich be n 
geben hatte, kam so plötzlich über mich, daß mif i 
alles Blut zu Kopfe stieg, Ich verlor den gani h 
Kopf und lief davon.” Sein Fluchtversuch e 
iedenfalls auf diese Weise ganz gut zu erkläre 
In anderem Zusammenhange erzählte er dann wie 
der: „Als man mich dann fragte: „Was haben 3 
sich denn eigentlich gedacht, als Sie davonleiel | Í 
Warum sind Sie denn nicht stehengeblieben, ai 
man Sie anrief?” da konnte ich nur sagen, dafi il ! 
ganz den Kopf verloren hätte.” r 
Es dürfte vielleicht immerhin möglich sein, ul a 
hier die Erklärung des Widerspruches liegt, nå "E 
lich, daß er, ohne sich dessen jetzt noch bDeowiiji 
zu sein, damals auf diese Fragen im Sinne si! | 
ersterwähnten Äußerung antwortete, und dab 4 dsf g 
bei der selbstverständlichen Voraussetzung, vond 
man bei diesem ersten Verhör naturgemäß zusgi, 
und bei seiner maßlosen Erregung, die ein ei 
henderes Verhör natürlich sehr erschwerte, T 
Geständnis aufgefaßt und später so niedergeschtell 
ben wurde. Man könnte vielleicht auch daran deti 
ken, daß sein erstes Geständnis nur eine Schonk i 7 
iener Da. bezweckte, wie er auch selbst sie: 
einmal behauptet hat, und daß er sich in seiner DI f 
regung im ersten Augenblick gar nicht ganz Mi y 
war, wessen er sich selbst damit beschuldigte U ul: 
welche Konsequenzen das für ihn als Beans F 
haben könnte. p T 
Die Gefängnisstrafe wurde dann später anf ae | 
Gnadenwege in eine Geldstrafe umgewandelt 
Disziplinarverfahren wurde auf Onadenges 5 
Verurteilten hin und auf Grund eines nachiräß 
eingeforderten schriftlichen Gutachtens ee 
geleitet, so daß der Fall praktisch jetzt Y 


P 
U 
N 


\ 
; 


3 
Hy 1 


N 4 Dadurch verliert er aber nicht seine theoreti- 
„fohe Bedeutung. Es ist zwar der objektive Tat- 
r stand noch völlig ungeklärt. Entweder ist die 
m ssage der Zeugin M. richtig, dann sind die An- 
A oben des X. richtig, und er ist unschuldig verur- 
eilt; oder die Aussage der M. ist eine bewußte 


A: 


9i 


ent 


Si 


„$ nwahrheit, eine genau abgekartete Lüge, und sie 


y 


mf kistete aus Freundschaft zu ihrer Nachbarin einen 
I wußten Meineid. Aber selbst in diesem Falle 


NRA : 4 1 
ij Stmeiner Überzeugung nach immer noch die letzte 


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IT ie bisher geltende preußische Gebühren-Ord- 


II 
$ 


7° nung vom 1. September 1920 ist außer Kraft, 
Fire Geltungszeit war ja von vornherein ($ 5) nur 
8 zum 1. April 1922 festgesetzt. Wie sich Psy- 
Wf iater und Neurologe mit der bisherigen Gebüh- 
Ordnung abfinden konnten, ist von mir früher 
3 Dsprochen. („Wie liquidiert der Psychiater und 
gurologe nach der neuen preußischen Gebühren- 
; Ordnung” — Psychiatr.-neurol. Wochenschr. 1921 
1.34), Was bringt uns nun die neue Gebühren- 
IE Ordnung? 

i Zunächst eine Erhöhung der Sätze; ob diese im 
; Algemeinen zeitgemäß ist, soll hier nicht erörtert 
Veen, betrifft ja auch alle Ärzte und nicht uns 
ee für Psychiatrie und Neurologie allein. 
d auch sei hier nur kurz hingewiesen auf den weg- 
]  Wallenen Unterschied zwischen erster und folgen- 
o Beratung und Besuch, sowie auf die teilweise 
1 ordnung der Positionen unter „Allgemeines” der 
i ‚siesonderen Verrichtungen” statt bisher unter 
Allgemeine Verrichtungen”. Wohl aber verlohnt 
E der Mühe, einmal einzugehen auf die allgemei- 
i n Bestimmungen und besonders auf die Bewer- 
ekr psychiatrisch-neurologischen Verrichtun- 
EN im Verhältnis zu den übrigen Verrichtungen; 
. 1 will ich nicht das wiederholen, was unver- 
gr ist gegenüber der früheren Gebühren-Ord- 
ya n was ich bei deren Besprechung (Il. c.) 
f ortert habe. 

l e enine der Mindestsätze ist jetzt im 
Fi c ausgedehnt auf die Gemeinden bei 
E ($ 942 RVO.); im gleichen Paragraph ist 
D ES e daß Kassenpatienten nur bei 
Ti, A > durch Kassenbescheinigung zu dem 
1. 2s ze behandelt zu werden brauchen, auber 
is senden Fällen. 

7 "sind die §§ 5 bis 9 und 11 bis 13; zum Teil 


Rn E 


-` Patienten gehe. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 65 


Aussage der De. falsch, daß sie den Diebstahl selbst 
mit angesehen habe, und wir haben es trotz allem 
wohl sicherlich mit einer jener interessanten Er- 
innerungstäuschungen zu tun, wie sie so oft die 
Gerichte beschäftigen und so außerordentlich ver- 
hängnisvolle Folgen nach sich ziehen können. Die 
praktische Bedeutung und die Schwierigkeiten, die 
sich einer Lösung der ganzen Fragen entgegen- 
stellten, waren iedenfalls derart, daß eine Ver- 
öffentlichung wohl nicht unangebracht erschien. 


Was bringt die neue preußische Gebühren-Ordnung vom 15. März 1922 
4 dem Neurologen und Psychiater? 
Von Dr. Oscar Rein, Oberarzt der Landes-Irrenanstalt Landsberg a. W. 


sind sie aus dem Abschnitt über die Gebühren in 
die allgemeinen Bestimmungen übernommen. Die 
SS 5 und 6 kommen für uns wohl nicht in Betracht, 
da die psychologisch-neurologischen Verrichtungen 
wohl jede als selbständige Leistung anzusehen 
sind; allerdings wäre immerhin ein Zweifel mög- 
lich bezüglich Nr. 21a: kann neben der neurologi- 
schen Untersuchung die psychiatrische besonders 
berechnet werden? oder ist wenigstens in der psy- 
chiatrischen Untersuchung auch die neurologische 
jedesmal mit einbegrifien? Ich möchte diese Frage 
verneinen (im Gegensatz zu der von mir früher 
geäußerten Ansicht), denn einmal heißt es in § 21a 
oder, wodurch diese beiden Untersuchungen als 
zwei gleichwertige hingestellt werden, außerdem 
ist für diese Doppeluntersuchungen jetzt im $ 9 eine 


besondere Ermäßigung vorgesehen (s. u.). 


Nach 8 7 fällt die Gebühr für Beratung jedesmal 
weg, wenn eine besondere Verrichtung stattfindet 
(bisher nur, wenn diese eine Mindestgebühr von 
30 M überschritt, II. A. Nr. 4 Abs. 3, hier auch Weg- 
fall der Besuchsgebühr!). | | 

Im $ 7 ist nicht vom Wegfall der Besuchsgebühr 
die Rede, also kann die Gebühr für den Besuch 
(Nr. 2) besonders neben der Gebühr für Verrich- 
tung berechnet werden, das ist ja auch logisch, denn 
sonst würde doch z. B. eine neurologische Unter- 
suchung in meiner Sprechstunde ebenso hoch 
bezahlt werden, als wenn ich dazu in das Haus des 
Allerdings könnte man gegen diese 
Auffassung anführen, daß es in Il. A. Nr. 3 Abs. 2 
heißt, die Verrichtungsgebühr sei zu zahlen neben 
Beratungsgebühr außerhalb der Sprechstunde und 
neben Gebühr für einen sofort zu ër- 
ledigenden Besuch, ferner ist bei den 
frauen-, augen- und ohrenärztlichen Untersuchun- 
gen (II. B. Nr. 64, 91a, 113 a) ausdrücklich gesagt: 


66 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


„außer der Gebühr für Besuch”. Daraus könnte 
man doch schließen, daß bei anderen Verrichtungen 
des Tarifs, also auch bei der neurologischen und 
psychiatrischen Untersuchung die Gebühr für einen 
gewöhnlichen Besuch nicht zu berechnen ist. 
Somit ergibt sich: für Besuch und neurologische 
oder psychiatrische Untersuchung 40 bis 400 M 
(Nr. 21a), für Besuch und gynäkologische, ohren- 
ärztliche oder augenärztliche Untersuchung aber 
50 bis 700 M (Nr. 2a und Nr. 64, 91 a, 113a). 

M. E. ist diese zweite Auslegung falsch, selbst 
wenn man in Betracht zieht den Zusatz „außer der 
Gebühr für Besuch” in Nr. 64, 91 und 113 (bisher 
lautete der Zusatz „außer der Gebühr für Beratung 
und Besuch”). Bei näherer Durchsicht der neuen Ge- 
bühren-Ordnung finden sich noch verschiedene 
ähnliche Unklarheiten und Widersprüche, auf die 
hier einzugehen zu weit führen würde. 

§ 8 bestimmt, daß im Verlaufe derselben Krank- 
heit wiederholte Verrichtungen von der vierten an 
nur noch mit zwei Dritteln zu bezahlen sind (psy- 
chotherapeutische Sitzungen! s. u.); eine Aus- 
nahme findet bei gleichzeitigem Zusammentreffen 
mehrerer Verrichtungen statt, wobei nach § 9 die 
höchstbewertete immer voll, die anderen immer 
nur zu zwei Dritteln zu berechnen sind. Beispiel: 
Lumbalpunktion und Untersuchungen dazu: 


'Lumbalpunktion Nr. 38e: 200—2000 M. 

Zählung der Zellen Nr. 20a 2: 26—260 M. (statt 
(40—400) 

qualit. Eiweißuntersuchung Nr. 20c1: 13—130 M 
(statt 20—200) 

quantit. Eiweißuntersuchung Nr. 20c2: 20—200 M 
(statt 30—300) 

Wassermann Nr. 20e: 16—160 M (statt 25—250) 


oder neurologische und psychiatrische Untersu- 
chung und elektrische Untersuchung: 


neurologische Untersuchung Nr. 21a: 40—400 M 

psychiatrische Untersuchung Nr. 21a: 26—260 M 
' (statt 40—400) 

elektrische Untersuchung Nr. 


21b: 26—400 M 
(statt 40—600) | 


Die Bestimmung des $ 11, daß dem Arzte Mate- 
rial- und Unkosten (z.B. elektr. Strom) besonders 
zu ersetzen sind, stand bisher unter II. A. Nr. 30 
und bei verschiedenen Einzelverrichtungen; auch 
§ 12 über die Sonntagspreise ist herausgenommen 
aus Abschnitt II (Nr. 31) und gleichzeitig sind sie 
erhöht auf das Doppelte (statt bisher auf das Ein- 
einhalbfache). 

S 13 spricht von der Prüfung der Gebühren- 
sätze durch einen vierteljährlich zusammentreten- 


1 > EN 
und, wie es im politischen allgemeinen Leben © 7 


Anpassung der Sätze an die jeweilige allgemein f, 
Teuerung (Teuerungsindex) gemeint, nicht aber #7 
eine Änderung von einzelnen Sätzen im Verhältnis f; 
zu anderen; das letztere wäre aber meines Erad f 
tens sehr notwendig, wie sich aus dem Nachstehen- $, 
den ergibt. ; 

Wie sind denn die psychiatrisch.J 
neurologischen Verrichtungen bewer. 
tetim Verhältnis zu anderen Verrich- 
tungen? Ob dabei eine besondere Besuchs 
gebühr wie bei anderen fachärztlichen Unter 
suchungen berechnet werden kann, habe ich scho f 
oben: auseinandergesetzt. Unsere Verrichtungei 
werden ja auch nicht als fachärztliche, sondern al f 


schnitte geschaffen werden; aber sehen wir si 
einmal einige Gebührensätze an: I 


Nr. 21a. Eingehende neurologische oder psychia f 
trische Untersuchung: 40 bis 400 M. 
Nr. 22f. Psychotherapeutische Sitzung (Hypnos f 
Psychoanalyse, psychotherapeutische Übungen) 
40 bis 600 M. 3 
Nr.21 d: “Ärztliche Tätigkeit bei der Anwendig/f 
des Röntgenapparates jedesmal: 50 W 
750 M. A 
Nr. 33a. Gipsabdrücke oder Modellverbände M$ 
das ganze Bein, den ganzen Arm mit Schulter | 
75 bis 750 M; für Becken mit Oberschenkel F 
150 bis 1500 M. I 
Nr. 33e. Anlegen von Gipsverbänden für Arm uni I 
Bein: 60 bis 600 M; desgl. mit Schulter oder | 4 
Beckengürtel: 600 bis 1000 M. i 
Nr. 40e. Einrichtung und Verband des gebroche 1 
nen Vorderarms: 75 bis 1500 M. i 
Nr. 70a. Entfernung der Nachgeburt durch äubert 
Handgriffe ohne Entbindung: 50 bis 500 M. 1 


Diese Beispiele mögen genügen, ich will absicht 
lich operative Eingriffe nicht heranziehen, das Ate 
geführte genügt ja wohl, um zu zeigen, daß die ver 
fasser der neuesten Gebühren-Ordnung gan m i. 
gar im Fahrwasser unserer Zeitrichtung fu w N 
schieht, so auch hier die mechanische T | 
beit höher bewerten als die geistis® A 
weiß sehr wohl, daß die angeführten chirurgisch" i 3 
Verrichtungen nicht rein mechanisch sind und n T 
Umständen eine große medizinische Leistwiê = I 
fordern, aber andererseits glaube ich, wird jel 1 
Chirurg und praktische Arzt zugeben müsse, = f 


2) 


ImDurchschnitt doch nicht Einrichtung und 
"Verband eines gebrochenen Unterarmes eine so 
{el wichtigere oder anstrengendere ärztliche 
Afitigkeit ist als eine Hypnose, daß eine Bewertung 
fin Mindestsatze um fast das Doppelte und im 
“Tlöchstsatze sogar um das Zweieinhalbfache be- 
Trechligt wäre. Und warum findet auf wiederholte 
F iypose u. dgl. der $ 8 Anwendung, auf wieder- 
Viote Röntgenbestrahlung aber nicht? Ist die ärzt- 
'{ che Tätigkeit hierbei so erheblich gegenüber den 
-f ısychotherapeutischen Verrichtungen, daß nicht nur 
“de Gebühr im Mindest- und Höchstsatz größer, 
f ondern auch die öftere Wiederholung höher zu 
ewerten ist? Ä 

N Ich frage einmal alle Psychiater und Neuro- 
f gen: Ist eine psychotherapeutische Sitzung wirk- 
fih so minderwertig gegenüber einer Lumbal- 
A unktion, die wohl die meisten von uns schon oft 
i ausgeführt haben und daher genau kennen, daß für 
f üe psychotherapeutische Sitzung im Mindestsatze 
Ar ein Fünftel und im Höchstsatze nur drei Zehn- 
f © dessen gezahlt werden, wie für die Lumbal- 
Funktion (Nr. 38 c)? 

f Besonders aber springt diese neuzeitliche Be- 
$ etung aller sichtbaren, mehr mechanischen Ver- 
Fichtingen gegenüber den rein geistigen in die 
f en bei Gegenüberstellung der neuesten und der 
f iher gültigen preußischen Gebühren-Ordnung. 


4 pP, ame r O æ g 
Ja K ug 


E -1922 1920 
Tiypmose , . . . 40—600 20—200 
f liche Tätigkeit bei Rönt- 

f Senbestrahlung 50-750 15—300 
Fpsbäruck fürs ganze Bein 75-750 20—200 
| Üpsabdruck für Becken mit 

| Oberschenkel . 150—1500: 25—250 
| Anlegung von Gipsverband 

f Ù Arm oder Bein . . 60—600 20—200 
i Öirichtung und Verband des 

f 'Orderarms 75—1500 25—500 
| nbalpunktion . . 200—2000 40—400 
j A eterismus beim Mann 25—500 6—60 
7 mung der Nachgeburt | 

$ durch äußere Handgriffe 50—500 10—100 


i. a bei psychotherapeutischen Maßnahmen 
Ei o um das Doppelte im Mindestsatz, 
E kun reifache im Flöchstsatz, bei den anderen 
| E. dagegen über das Dreifache bis zum 
] i chen im Mindestsatze und um das Drei- 
$ er das Achtfache im Höchstsatze. 

| m F Gebühr für die neurologische Unter- 
i o: eibt prozentual in ihrer Steigerung weit 
F uchun x Gebühr für andere fachärztliche Unter- 
j sen zurück: 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 67 


Steige- 
1922 1920 rung 
neurologische Unter- 
suchung . 40—400 20—200 2fach 
gynäkologische Unter- 
suchung x 80-3002 5 50 a 7OTacı 
augenärztliche Unter- 
suchung . 30—300 6—60  5fach 
ohrenärztliche Unter- 
suchung >= 30—300 5—50 -6 fach 


Sind die Neurologen und Psychiater weniger 
von der Teuerung betroffen? Nein, das kann wohl 
niemand behaupten, aber in der neuen Gebühren- 
Ordnung kommt wieder einmal zum Ausdruck, wie 
gering in Ärztekreisen die neurologisch - psy- 
chiatrische Tätigkeit, insonderheit alle Psychothe- 
rapie eingeschätzt wird. Die Ansicht, welche vor “ 
25 bis 30 Jahren noch von medizinischen Autori- 
täten vertreten wurde, daß die Hypnose kein medi- 
zinisch-wissenschaftliches Heilmittel sei, spukt 
offenbar noch nach und wirkte wohl auch bei der 
Neuaufstellung der Gebühren-Ordnung mit. 

Mat die preußische Staatsregierung denn keine 
Ärzte gehört vor der Abänderung der Gebühren- 
Ordnung? oder wer waren diese? Können bei 
solch wichtigen gesetzlichen Maßnahmen nicht Ver- 
treter aller beteiligten Kreise gehört werden, 
hier also auch der Neurologe und Psychiater. Viel- 
leicht können die neurologischen und psychiatri- 
schen Fachvereine durch ein Zusammengehen doch 
dahin wirken, daß auch sie gehört und berücksich- 
tigt werden und daß im September 1922, wenn der 
in § 13 vorgesehene Prüfungsausschuß zum ersten 
Male zusammentritt, die ärztlichen Vertreter auch 
unsere Interessen vertreten und eine Heraufsetzung 
der uns betreffenden Gebührensätze erreichen. Zu 
empfehlen wäre wohl, sich an den Ärztekammer- 


-ausschuß zu wenden. 


Es handelt sich hier nicht nur um eine rein 
preußische Angelegenheit, sondern um eine für das 
ganze Deutsche Reich gültige, denn wie bekannt 
sein dürfte, ist die preußische Gebühren-Ordnung 
die Grundlage für die allgemeinen Verhandlungen 
und Gebührenfestsetzungen zwischen Ärzten und 
Krankenkassen des ganzen Reiches, und darum ist 
ja gerade auch die Höhe der Mindestgebühren von 
ausschlaggebender Bedeutung; die Kassenpraxis 
nimmt auch für den Spezialarzt mehr und mehr zu 
mit der Erweiterung der Viersicherungsgrenze; in 
der noch verbleibenden Privatpraxis mögen die 
beati possidentes nach Höchstsätzen oder nach 
freier Vereinbarung liquidieren. | 

Nicht uninteressant dürfte noch die Äußerung 
eines praktischen Arztes (Mitglied der Ärztekam- 


68 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


mer) sein, der auf Vorhalt der oben beschriebenen 
Bewertung der neurologischen und nichtneurologi- 
schen Leistungen die darin liegende Ungerechtig- 
keit zwar anerkannte, aber der Meinung war, die 
Ursache dafür liege darin,. daß heutzutage, beson- 
ders in Großstädten, sich allzuviele Ärzte als psy- 
chotherapeutische Spezialisten niederließen, denen 
durch diese Gebührensätze die doch oft recht „ge- 
schäftsmäßige” Praxis beschnitten werden sollte. 
Zugegeben, daß in Großstädten solche „geschäfts- 
tüchtisen” Spezialisten für Psychotherapie vor- 
kommen, soll darum aber auch die doch oft recht 
aufreibende und anstrengende Tätigkeit der wis- 
senschaftlich tüchtigen und praktisch erfahrenen 
Neurologen und Psychiater als minderwertig (im 
Verhältnis zu anderen) gekennzeichnet und unge- 
nürend bezahlt werden? Denn das Volk urteilt 
doch nur nach dem Preise. Und warum, frage ich, 
sollen wir leiden, damit Außenseiter unseres Faches 
vielleicht gemaßregelt werden, die aber doch durch 
Vielgeschäftigkeit trotzdem verstehen werden, auf 
ihre Kosten zu kommen; warum wird das gleiche 
Prinzip nicht. auch angewendet bei den vielen 
polypragmatischen Licht- und Bestrahlungsthera- 
peuten ? 

Meines Erachtens müssen alle Neurologen und 
Psychiater einmütig Front machen gegen- diese 
Herabwürdigung unseres Spezialfaches, wie sie in 
der neuesten preußischen Gebühren-Ordnung zum 
Ausdruck kommt. | 

Zum Schlusse möchte ich nicht verfehlen, auch 
auf eine Änderung der neuen Gebühren-Ordnung 
hinzuweisen, die zu begrüßen ist, das ist die Neu- 
einteilung der schriftlichen Begutachtungen -in 
Nr. 15. In der bisherigen Nr. 16 war eine Drei- 
teilung vorgesehen in „kurze Bescheinigung über 
Gesundheit oder Krankheit”, „ausführlicher Krank- 
heitsbericht’' und „Gutachten mit Angabe der 
Gründe”. Die größte Schwierigkeit, die hierdurch 
entstand, war die der „Formulargutachten”; viel- 
fach wollten Behörden und Berufsgenossenschaften 
diese nur mit 6 M bezahlen, also als Krankheits- 
bericht, da ia bei diesen Formulargutachten keine 
„Gründe” angegeben werden, sondern nur die gut- 
‚achtliche Außerung über Erwerbsbeschränkung, 
Arbeitsfähigkeit, deren Zusammenhang mit einem 
Unfall u. ä& m. Es fehlte in der bisherigen Gebüh- 
ren-Ordnung tatsächlich eine Rubrik, wo ohne wei- 
teres ein Gutachten, das nicht die wissen- 
schaftlich notwendigen Erwägungen schriftlich. ent- 
hielt, eingereiht werden konnte. In der verlang- 


ten schriftlichen Niederlegung der 


Gründe lag die Schwierigkeit, diese allein sollte 
nach dem Wortlaut die höhere Gebühr rechtierti- 


[Nr. 2) ; 


N h | 
0 | 


gen, nicht die wissenschaftlich-ärztliche tatwa 
der gutachtlichen Erwägungen. Dem ist eni 
glücklicherweise abgeholfen durch die neue Fin 
teilung in: e 


a) kurze Bescheinigung ; en. N | 

b) ausführlicher Krankheitsbericht 20—200 | N 

c) Befundbericht mit Gutachten . . 30— —300 | 

d) Krankheits- und Befundbericht 
mit Gutachten 

f) Ausführliches wissenschaftlich 


begründetes Gutachten . 100—1000. "i 


i ki 
fi 
5 
I 
Die Formulargutachten werden wohl met} y 
unter c und d fallen, während bei ausfükrlicheret r 
Gutachten nach f zu liquidieren ist, soweit für N EAN 
richtliche u. .a. Gutachten nicht andere. Tarife ii j 
Betracht kommen. E p 
Gebühren für eine nur zum Zwecke der Begi- 1 
achtung ausgeführte Untersuchung können besot S 
ders neben den Gebühren zu 15a und f berechnet d 
werden (siehe meine früheren Ausführungen 1 ol à 
Der Zeitaufwand bei längerer Dauer einer Bi i 
ratung oder eines Besuches (über eine halbe Stundi, T 
wird jetzt mit 15 bis 30 M für die halbe Stunde, N bil E 
Nacht mit 30 bis 60 M berechnet. fi 
Bezüglich der Gutachten sei hier noch hinge il 
wiesen auf das „Abkommen des Leipziger Verbat-f 
des mit dem Verband der gewerblichen Beruisge f } l: 
nossenschaften“ (Ärztl. Mitteilg. Nr. 16 v. 15. Ap 1}. 
1922), wo genau die Gebühren für die verschiedene 4 
Formulargutachtenin Untallssachf l 
aufgestellt sind; danach wird das eingehend oe D 
gründete wissenschaftliche Gutachten (nicht For R 
mulargutachten) von den Berufsgenossenschattti t 
mit 200 bis 500 M bezahlt, also über die in ir 
preußischen Gebühren-Ordnung nach $ 3 zeit] ; 
Höchstgrenze von 300 M hinaus. 
Im ganzen betrachtet, bringt die neue proud i 
sche Gebühren-Ordnung allen Ärzten und’ us 1 


Psychiatern und Neurologen besonders nicht valf i 


Erfreuliches; vieles ist unklar und teilweise wide | 
sprechend, da ließe sich außer dem oben Gosar d 
noch manches anführen. Wie kommt es 2. Bu di i 
für eine Lumbalpunktion (Nr. 38 c) 200 bis a 
angesetzt sind, für eine Lumbalanästhesie ( (Nr. 22 f 
die doch auch eine Punktion des Wirbelkanals | 
nur 100 bis 1000 M? In der alten Gebühren i 
nung waren diese beiden Verrichtungen, m. = 7 1; 
Recht, gleich bewertet. Mn 
Solcher und ähnlicher Unverstndiek ii 
gibt es noch mehr; alles in allem ist au Ze 
gründliche Revision der Gebühren-Ordnung € ie 
derlich; sehen wir zu, daß auch wir dabei a r 
Worte und zu Anerkennung kommen! 


Ber; 
A 
N 
zu 
En 
E: 


1 N Reichsfinanzminister hat bekanntlich das 
|L Recht, gegen die von Kommunen, Provinzen 
(fud einzelnen Bundesstaaten erlassenen Besol- 
Äingsordnungen innerhalb einer gewissen Frist 
Einspruch zu erheben. Wenngleich damit einer 
eliverschwendung seitens kleiner, finanziell doch 
i ieder vom Reich gespeister Verwaltungen wirk- 
Fun vorgebeugt wird, so bietet die rücksichtslose 
a Durchführung des Sperrgesetzes doch manche 
Pirten, die auch wir beamteten Irrenärzte am 
k, ‚genen Leibe erfahren müssen. 
o habere malorum. Ebenso geht es nämlich 
Fuch anderen Beamten, die das Unglück haben, 
keinen Verwaltungskörpern anzugehören. Ich 
mie einige Beispiele heraus. 
| - Der Bürgermeister einer kleinen Stadt hat von 
der Pike auf gedient, ist kein Akademiker, selbst 
f tessere Schulbildung fehlt ihm, aber er hat sich 
viel Fachkenntnisse angeeignet, ist ein talentier- 
kr Organisator und vorzüglicher Verwaltungs- 
i ttamter, der der Stadt schon mannigfach genützt 
| an h auch direkt pekuniär. Man reiht 
‚Fine XI ein und sagt sich, der Mann sei der 
Stadt mindestens soviel wert, und bei geringerer 
Pore ginge der Stadt diese bewährte Kraft 
1 poen. 
Eine städtische Sparkasse sucht einen Direktor. 
I. sie nimmt einen ehemaligen kleinen Bank- 
| beamten, 
i f chkenntnis, Umsicht und Scharfblick ersetzt; 
1: soll bei Übernahme der Stelle von Gruppe IX 
Wch XII aufrücken, wenn er aus seiner bisherigen 
A ovinzialverwaltung ausscheidet. Sollte ihm das 
u werden vom Reichsfinanzminister? —- 
Pie Stadt, verschuldet und nahe der Besetzungs- 
i pe bekommt eine bewährte Kraft nicht ohne 
w nohe Einstufung und kann ohne solche Mög- 
keit nur ihre Sparkasse schließen, ein Institut, 
| = äußerst wertvoll für den Stadthaushalt 
hi Ähnlich gehts uns beamteten Ärzten. J e kleiner 
Verwaltung, desto schlechter die Beförderungs- 
a desto unsicherer die Garantie für dau- 
1 € Gehaltsauszahlung, desto höher müßte. des- 
eigentlich die Einstufung sein, aber — desto 
[es ist. sie. Wenn die betreffende Verwal- 
k t gerade eine freie Stadt ist, der man sei- 
vy es Reiches anscheinend weniger dreinredet, 
P vertritt der Inhaber des Finanzportefeuilles den 


= oee daß je weniger Untergebene ein Be- 


ji 


Solamen miseris,’ 


-den Direktoren großer Verwaltungsbezirke. 


deutscher 


ihn in. 


‚der mangelnde Schulzeugnisse durch 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 69 


Zur Anwendung des Sperrgesetzes auf die Besoldung der 
beamteten Irrenärzte. 
Von Oberarzt Dr. Becker, Landesirrenanstalt Herborn i. 


Nassau. 


amter hat, ie kleiner sein Bureau ist, desto niedri- 
ger muß er eingereiht werden. Und diese herab- 
gedrückten Verwaltungsbeamten (Landesräte usw.) 
drücken wieder auf die beamteten Irrenärzte, in 
erster Linie auf die Direktoren, dann die Oberärzte 
usw. Während in anderen größeren Verwaltungen 
der Anstaltsdirektor ohne Schwierigkeit von vorn- 
herein in Gruppe XIII ist, wird ihm selbst ein Auf- 
steigen im höheren Dienstalter nach Gruppe XI 
in der kleinen Verwaltungen sehr erschwert, weil 
eben dort die Landesräte nicht gern tiefer stehen 


als die Direktoren, auch wenn der letzteren Arbeits- 


feld und-Verantwortlichkeit ebenso groß ist wie bei 
Und 
das ist die schreiende Ungerechtigkeit, gegen die 
ich hier im Organ des Reichsverbandes beamteter 
Irrenärzte meine Stimme erheben 
möchte. 

Unsere ehemaligen Altersgenossen des Pennals 
und. der Hochschule pflegen ‘gern aui unsere 
etwaige höhere Einstufung voll Neid zu blicken 
oder zu schimpfen. Nichts ist kurzsichtiger als das, 


denn der Amtsgerichtsrat oder Studienrat —.Jetz-, 


terer, soweit er an staatlichen Anstalten fungiert 
— sitzt fest im Sattel, er wird erst brotlos, wenn 
der ganze Staat bankrott geht, er bekommt alle 
Aufbesserungen der Beamten aus erster Hand, 
wenn wir noch monatelang darauf warten müs- 
sen, er genießt alle Vorteile des direkten Staats- 
beamten, insbesondere die reiche Beförderungs- 
möglichkeit, die Versetzungsmöglichkeit in andere 
Landesteile, die ihm sebührende Amtsbezeichnung 
u.a. m. . Und wir? — 

Vergeblich haben wir nassauischen Irrenärzte 
z. B. darum gekämpft, daß uns die von der An- 
stalt gelieferte Zentralheizung so berechnet werde, 


wie das Reichsgesetz es für: die Reichsbeamten 


vorsieht. Abschlägirer Bescheid, weil dieses 
Reichsgesetz in Preußen noch nicht eingeführt 
sei! — Jetzt will man uns die Dienstgärten erheb- 
lich beschneiden und möglichst auf 250 qm redu- 
zieren. Welcher Richter mit Dienstgarten oder 
welcher Oberförster hat bereits den jahrelang 
innegehabten Dienstgarten reduziert bekommen? 

Wie ich nicht ienen Bürgermeister und ienen 
Bankdirektor beneide und seine hohe Einstufung 
verurteile, so sollten die, die mit mir dieselbe Schul- 
bank gedrückt oder an derselben Alma mater Wis- 
senschaft gesogen haben, nicht “meine Stellung 
scheel ansehen und bei jeder en sich be- 


70 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


schweren: „Ich bin nur in X, warum ist denn der 
in XI und der gar in XII?” Wenn der Reichsbund 
höherer Beamter nicht. mehr Zusammenhalt zu 
schaffen vermag, möge er sein Bureau schließen. 

Der deutsche Beamtenbund läuft Sturm gegen 
das Sperrgesetz. Der Schlesische Provinzialland- 
tag hat mit Recht eine Entschließung losgelassen, 
daß das Sperrgesetz ihm seine Tätigkeit erschwere 
und einen Eingriff in sein selbstverwaltungsrecht 
bedeute. 

Ob es richtig ist, daß das Sperrgesetz ganz be- 


Personalilnachrichten. 


Landesheil- und Pilegeanstalt Gießen. Am 18. 

Mai 1922 ist Assistenzarzt Dr. Herm. Wahl nach 

nur dreitägisem Krankenlager an akuter Sepsis, 

ausgehend von einem anscheinend unbedeutenden 

- Halsfurunkel, verstorben. Er war ein äußerst zu- 

verlässiger, tüchtiger, lieber Kollege, ein Mensch 

von großer Liebenswürdigkeit und Herzensgüte; 

ein großer Verlust für unsere Anstalt und die hes- 

sische Psychiatrie, in der er zu bleiben die Ab- 
sicht hatte. 


Dr. Bockhorn, Oberarzt der Lan- 
des-Heil- und Pilegeanstalt Nietleben ist zum Direktor 
der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Uchtspringe ernannt. 

— Bendorf a. Rh. Geh. San.-Rat Dr. Erlenmayer 
feiert sein 50jähriges Doktorjubiläum. Herzlichsten 
Glückwunsch! 


=e Uchtspringe. 


— Provinz Brandenburg, Unter dem ärztlichen 
Personal der Brandenburgischen Provinzialanstalten 
sind in der Zeit von Anfang Dezember vorigen Jahres 
bis Ende April dieses Jahres folgende Versetzungen ein- 
getreten: Oberarzt Dr. Lahse von der Brandenburgi- 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummert. 
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[Nr. g/ | | l l 


seitigt wird, so dab jede kleine Verwaltung unbe W 
schränkt eingruppieren kann, wage ich nicht zul 
unterschreiben. Eine mildere und weniger schema 4i 
tische Einteilung wäre aber unbedingt am Platu M 
Und vor allem soll man gerecht verfahren, nici 
die selbständigen Staaten glimpflicher behandelı 

als die Selbstverwaltungsorgane größerer Staa 
körper. Auch da scheint ja noch wieder ein Un 
terschied gemacht zu werden; oder hat der Heri 
Reichsfinanzminister etwa auch in Groß-Berlin voit 
seinem Einspruchsrecht Gebrauch gemacht? "i 


schen Provinzialanstalt für Epileptische in Potsdam ad ; 


die Brandenburgische Landesirrenanstalt in Teupitz wi 
von letzterer Oberarzt Dr. Joachim an die Branden 
burgische Landesanstalt Görden. — Außerdem hat ein, | 
Wechsel einiger Assistenz- und Volontärärzte statige I 
funden. Ä I 


Änderungen und Berichtigungen für die bevorsie- # 
hende Neubearbeitung des Verzeichnisses: „Heil mg 3 
Pilegeanstalten für Nerven- und Psychisch- Kranke A ; 
Trunk- und Morphiumsüchtige usw., jugendliche Schwach‘ 
sinnige, Epileptische, sowie Heilerziehungsanstalten MIN | 
Anstalten für Sprachleidende” (Beiheft II des Reich | 
medizinalkalenders, begründet von Dr. Paul Börte |: 
Verlag G. Thieme in Leipzig) werden us eh i 
erbeten an Dr. Bresler, Kreuzburg, Oben 
schlesien. | 


al EE Bm f 
Mit Rücksicht darauf, daß es manchem nicht mög" | 
lich ist, kostspielige Zeitschriften zu halten, wird WẸ- 
Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift von jetzt a 
mehr als bisher auf schnelle und möglichst vollständig | 
Berichterstattung über die Fachliteratur bedacht seit | 
Es wird daher gebeten, von Vorträgen und Auis ätzen! 
immer recht bald einen kurzen Eigenbericht at die 


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vom Anfangsgrundgehalt. Dat 
ben der zuständige Ortszuschäf 
und Ausgleichszuschlag. F 
58 Wohnung und Verpileguip 
wird in den Anstalten gef 
Zahlung der dafür festgeles®f 
Sätze gewährt. Auf die Mg 
setzung der Stellen findet ans 
Gesetz über die Unterbringtji 
von mittleren Staatsbeamten IT 
Lehrpersonen (Unterbringung 
setz) vom 30. März 1920 Anw 
dung. Falls Gesuche Parson g 
berechtigter nicht eingehen, fin I 
freie Auswahl der Bewerber S% 
Gesuche katholischer jinge i 
Bewerber sind an den Dite m 
der Provinzialheilanstalt ne f 
hannesstift bzw. an den P K 
der Provinzialheilanstalt zu Ma 
berg umgehend einzureichen | 
Münster i. W., 12.JuM eE 
Der Landeshaupti E 
der Provinz Weste“ | 


I Schriftleiter: 

Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 

J 3A — maeme a 

TI Nr. 11/12. 17. Juni 1922/23. 
1 Bezugspreis: ; RRT, ee 

X, ofi ; : , Zuschriften für die Schriftleitung 
{i 2 Vierielichr,, die Verlag und Ausgabe: sind an San.-Rat Dr. Bresler in 


4 || land werden nach der vom Deut- 

|| schen Buchhandel vorgeschrie- 
benen Verkaufsordnung für das 
Ausland berechnet. Zu beziehen 
dürchjed. Buchhandlung, d. Post 
U. unmittelbar vom Verlage. Er- 
scheint bis auf weiteres vier- 
zehntägig in Doppelnummern. 


A 

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Be: iS 
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Bo: 

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(] ===  tialdiagnose. 
7 tchandlung von progressiver Päralyse und Tabes. 
7 Prache? Von Dr. P. Sünner, Berlin-Herzberge. 


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N, 5 


Mi zu den schwierigen Aufgaben des psychiatri- 
7° schen Gutachters gehört die Differentialdia- 
“I se zwischen Psychoneurosen und rein körper- 
i e lungen, zwischen Psychoneurosen 
N A ie ttionellen Psychosen und zwischen ersteren 
4, SEinnenden organischen Psychosen. Nament- 
i | die Unterscheidung dann häufig Schwie- 
ER n, wenn sich gewisse Krankheitsbilder und 


gs 1) 
i gH 
4 


f tome finden, welche sowohl funktionell wie 
{f fganisch 


d hier keine 


N = 


swegs immer so scharfe, In vielen Fäl- 
l En e Zweifel sein, ob eine körperliche 
ri egt Zi en eine rein nervöse Störung vor- 
A Derlich. - doch häufig diese letzteren durch kör- 

k er = en ausgelöst, wie z. B. durch Erkran- 
B einzelner Organe. grobe Reihe 
ruft psycho- 
Dies gilt in noch ver- 


i3 
ar ae 
f -Ea 
$ 


Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


$ | Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
$ birken b, Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
$ Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
m (Rh); Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
f Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
$ | Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
7 | Mauer-Öhling _(N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
O A Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale 
Postscheck: Leipzig 32070. 


dori-Mitte, Georgstraße 3. | 


Inhalt: Begutachtung eines Falles von Encephalitis lethargica unter besonderer Berücksichtigung der Differen- 
Von Assistenzarzt Dr. Gotthold, Landeshospital Haina. 

Von Prof. Dr. Pfister, Berlin-Lichtenrade. 
(S. 77.) — Mitteilungen. 
-= — Therapeutisches. 


bedingt sein können. Die Grenzen sind ` 


Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin -Zehlen- 


(S. 71.) — Zur Frage der Chinin- 

(S. 76.) — Flüster- 
(S. 79.) — Buchbesprechungen. (S.81.) 

(S. 81.) ia a oE EA 


Es wird dringend gebeten, von Vorträgen und Aufsätzen immer recht 
bald einen druckiertigen Eigenbericht an die Schriftleitung zu senden. 


d À Begutachtung eines Falles von Encephalitis lethargica unter besonderer 
o Berücksichtigung der Differentialdiagnose. 
Von Assistenzarzt Dr. Gotthold, Landeshospital Haina (Kloster). 


stärktem Maße für beginnende organische Erkran- 
kungen des Zentralnervensystems (progressive 
Paralyse, Gehirnarteriosklerose, multiple Sklerose 
u. a.) und auch für manche funktionelle Psychosen 
(Dementia praecox, manisch-depressives Irresein 
u. a. m.). Hier ist die Diagnose manchmal nur per 
exclusionem zu stellen. Eine weitere Schwierig- 
keit in der differentialdiagnostischen. Beurteilung 
ist die, daß zu. körperlichen bzw. Geisteskrank- 
heiten Psychoneurosen hinzutreten oder daß bei 
bereits vorhandenen Psychoneurosen sich diese 
Krankheiten entwickeln können. Ein . einzelnes 
Symptom kann dann, für sich betrachtet, keine 
Aufklärung geben, nur der Symptomenkomplex in 
seiner Gesamtheit kann diese schaffen. Oft gehört 
eine längere Beobachtung des Falles dazu, um 
Klarheit zu gewinnen. Von’ größter Wichtigkeit 
ist dabei die Erhebung einer möglichst genauen 


72 . PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Anamnese. Namentlich trifft dies bei der Unfalls- 


begutachtung zu, wo eine ganz besonders scharfe | 


und eindeutige Merausarbeitung des Krankheits- 
bildes und seiner Entstehung dringendes Erforder- 
nis ist. 

Ein solcher Fall, bei dem die Diagnose lange 
zwischen Psychoneurose (Hysterie) und begin- 
nender organischer bzw. funktioneller Gehirn- 
krankheit schwankte, gelangte im März dieses 
Jahres im hiesigen Landeshospitale zur Aufnahme. 
Es handelte sich darum, gutächtlich festzustellen, 
ob das vorhandene Leiden auf den Krieg zurückzu- 
führen sei, wie von dem Kranken behauptet wurde, 
oder ob andere Ursachen der Krankheit zugrunde 
liegen. Von dem Vorgutachter war ein Zusam- 
menhang mit dem Krieg verneint worden. 

Im folgenden soll das Gutachten wiedergegeben 
werden, eine vorherige Beschreibung des Falles 
erübrigt sich daher. | 

Das Gutachten soll sich darüber aussprechen, 


„ob das Leiden des H. auf den Krieg zurückzufüh- 


ren ist”. 

Außer den hiesigen Personal- und Kranken- 
akten liegen dem Gutachten zugrunde die Kranken- 
akten der medizinischen Universitätsklinik zu M., 
die Versorgungsakten H. des Versorgungsamts A., 
sowie eine gutachtliche Äußerung des prakt. Arztes 
Dr. M., welcher den H. vor seiner Überführung in 
die M.er Klinik und auch später längere Zeit be- 
handelt hat. ER SER 

1. Vorgeschichte. H. wurde am 21. Ok- 
tober 1886 zu R. geboren. Über eine erbliche Be- 
lastung ist nichts bekannt, ebensowenig über das 
Verhalten A.s während der Kindheit und in der 
Entwicklungsperiode.;, Als Kind machte er angeb- 
lich Scharlach und Lungenentzündung durch. 1912 
befand er sich wegen eines Ergusses im linken 
Kniegelenk ein Vierteljahr in Krankenhausbehand- 
lung. Von 1906 bis 1908 (diente er aktiv bei der 
Infanterie. In den letzten Jahren vor dem Krieg 
war er als Dienstknecht tätige und soll ein fleißiger 
Arbeiter gewesen sein. Laut Bericht des Bürger- 
meisteramts L. war er in den letzten zwei bis drei 
Jahren vor seiner militärischen Einberufung zum 
Kriegsdienst nicht krank. Am 7. August 1914 
wurde er als Wehrmann eingezogen und bereits 
am 26. September 1914 durch Weichteilschuß (In- 
ianteriegeschoß) in die rechte Schulter verwundet. 
Am 30. September 1914 wurde er deswegen im 
Res.-Lazarett C. aufgenommen. 

Der dort erhobene Untersuchungsbefund ergab, 
daß die Einschußöffnung sich einfingerbreit hinter 
dem oberen Rand des rechten Kappenmuskels, un- 
gefähr in der Mitte der Schulterbreite, befand, 


(Nr. md 
während die Ausschußöffnung unterhalb der Spitze } 
des rechten Schulterblatts zu sehen war. Def 
Schußkanal verlief offenbar unterhalb des Schul $ 
terblattes. Das rechte Schultergelenk war nicht 4 
beteiligt. Am 5. November 1914 wurde H. mid 
noch geringer Behinderung der Bewegung ds f 
rechten Armes „infolge von leichter Muskelschwi $ 
che im Schultergelenk” als g. v. zu seinem Ersatz $ 
truppenteil entlassen. Vom 9. April 1915 an wurd F 
er mit Wachdienst beschäftigt. Am 17. Jan. 1961 
kam er in Untersuchungshaft, angeblich, weil e $ 
den von den Gefangenen gemachten Grog versucht F 
hat, um festzustellen, was für ein Getränk es si f 
Am 9. März 1916 meldete er sich wegen Schme- $ 
zen in der Magengegend und im Rücken krank $ 
und kam am 11. März 1916 in das R.-L. G. — Ir? 
nere Station —, wo er unter der Krankheitsbe k 
zeichnung „Magen - Darmkatarrh” behandelt un 
am 22. März 1916 als „haftfähig” entlassen wurd $ 
Es wurde dort festgestellt, daß zwar eine Abmagt: G 
rung der Muskulatur des rechten Schultergelen®‘ 4 
bestand, der Arm im Gelenk aber frei beweglid $ 


war. Über die Dauer der Untersuchungshaft wif 


eine ev. Bestrafung des H. liegen Mitteilung‘ 


nicht vor. Am 20. März 1916 kam H. zu emmi 
Truppenteil in der Heimat und am 10. Novemba 
1916 ins Feld. Am 13. Dezember 1918 wegen Ta 
ferkeit vor dem Feinde zum Gefreiten befördert $ 
wurde er am 21. Dezember 1918 infolge Demobi: ‘ 
machung entlassen. i 

Nach seiner Entlassung arbeitete er zunächst i 
als Handlanger in W., dann war er als Holzhawi p 
tätig bis Winter 1919/1920. Laut Bericht des Biip 
germeisteramts L. vom 18. März 1921 war WIE 
Zittern bei H. bis dahin nichts zu merken, nur hatt f 
er immer einen starren Blick. In der recht 
Schultergegend, wo er seinerzeit die Verwunduk gf 
erlitten hatte, hatte er stets Schmerzen, wie einet p 
weiteren Bericht des Bürgermeisteramts | 
22. April 1921’ zu entnehmen ist. Der Stiefbrudef 1 
des H. berichtet unter dem 20. März 1921, dab s 3 
Bruder nach der Verwundung ein anscheinel N | 
nervöses Kopfizucken gezeigt habe. Ein Verwandte $ 
des H. namens D., welcher zu Beginn der Erkrat- | 
kung mit H. zusammen gearbeitet hat, macht f g 
über folgende Angaben: Am 16. März 1920 WITT 
H. plötzlich aufgeregt, klagte über heftige Schmer Y 
zen in der rechten Schulter, in der Gesent ri 
Schußnarbe, über Schmerzen im Arm und Bi 1 
Kopfschmerzen, wanderte tagelang Zu Ba e g 
Zimmer umher, schlief kaum noch und ab "d l 
Er begab sich deshalb in die Behandluns mi 
praktischen Arztes Dr: M., welcher ihn aM 5.: 
1920 der medizinischen Klinik zu M. überwi® 


L, vn 


į 1922] 


Il. berichtet darüber unter dem_27. Juni 1921 an 
I os Landeshospital, daß es sich um Grippe gehan- 
Filt habe, und daß die Überweisung erfolgt sei 
A wegen überaus heftiger Schmerzen, die vom Nak- 
tf ken in die linke (!) Schulter und den linken Arm 
A ausstrahlten, und weil sich der Zustand gar nicht 
„f wssern wollte. „Schon von Anfang seiner Er- 
-f krankung an machte H. immer einen geistesab- 
ef wesenden Eindruck.“ In der M.er medizinischen 
64 Kinik wurde er vom 5. Mai bis 17. Juli 1920 be- 
f handelt. Aus den dortigen Krankenakten ist fol- 
4 gendes zu entnehmen: Über den Beginn seiner 
‚A Erkrankung sagt H. selbst aus, daß er schon An- 
-f ag März 1920 ziehende Schmerzen an der linken 
$ Nackenseite und linken Schulter verspürt habe. 
-f Am 16. März sei gegen Nachmittag ziemlich plötz- 
“Ich ein sehr heftiger Schmerzanfall in der linken 
f Schulter aufgetreten, der vier bis fünf Tage lang 
‚$ angehalten und sich zeitweise bis zur Unerträg- 
ii i ichkeit gesteigert habe. Er habe damals auch 
Fieber bis 39° gehabt, auch habe sich eine zeit- 
Weise Steifigkeit in der Halsmuskulatur gezeigt. 
Nach etwa achttägiger Pause habe sich ein neuer 
| Schmerzanfall von gleicher Heftigkeit und Dauer 
į eingestellt. Diese Anfälle hätten sich im Laufe des 
April 1920 des öfteren wiederholt, zugleich sei eine 
f sewisse Schläfrigkeit aufgetreten. Außerdem habe 
a bemerkt, daß er zeitweise doppelt sah, und 
Ẹ Mr zwei Bilder nebeneinander, das rechte etwas 
7 Wier stehend und etwas kleiner als das linke. In 


- 


Arm schwächer geworden. In der Klinik wurde 
j "i der Aufnahme im wesentlichen der nachste- 
1 tende Befund erhoben: der Kranke machte einen 
etwas dösigen, vor sich hindämmernden Eindruck, 
| Mb aber auf Befragen ganz prompte und gute Aus- 
i tnit. Die Stimme war dabei merkwürdig mono- 
f wn. Die Gemütsstimmung schien etwas gedrückt 
M sein. Die Atmung war auffällig beschleunigt 
W% In der Minute) und ziemlich oberflächlich bei 
 alivem Lungenbefund. Die Nackenmuskeln 
4 Yen starr, ebenso bestand eine Rigidität der mi- 
f schen Muskulatur und der Beinmuskulatur, der 
l p Wurde merkwürdig starr geradeausgerichtet 
I a In den Endstellungen der Augen bestand 
I. es Augenzittern (Nystagmus horizonta- 
na j 2 echte Lidspalte schien etwas enger zu 
a = Jinke, die rechte Pupille ganz wenig 
u. = 2 s die linke. Lichtreaktion und Reaktion 
E & esehen waren ungestört. Die Gehirnner- 
E. on ohne krankhafte Veränderungen, 
Een and Im oberen Ast des fünften Flirnnerves 
f US trigeminus) auf .der Scheitelhöhe eine ge- 


Í tin 
i "ge Unterempfindlichkeit gegen alle Qualitäten. 


f & letzten Zeit sei die linke Hand und der linke 


"allein zu bewegen. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 73 


Am übrigen Körper war das Empfindungsvermö- 
gen ungestört. Lähmungserscheinungen bestanden 
nicht. Die Reflexe waren in normaler Stärke aus- 
lösbar, die elektrische Untersuchung der Muskeln 
und Nerven ergab nichts besonderes. Fieber be- 
stand nicht. Die Wassermannsche Reaktion im 
Blut war negativ. Die Rückenmarksflüssigkeit 
zeigte keine krankhafte Veränderung. Im Verlaufe 
der Behandlung bot H. ein fast monoton gleich- 
mäßiges Bild. Allmählich erst schwanden die 
Schmerzen völlig, während die Starrheit der Kör- 
per-, besonders der Nackenmuskulatur, sowie das 
Augenzittern bestehen blieb. Auf Grund dieses Be- 
fundes wurde die Krankheitsbezeichnung „Grippe- 
enzephalitis unter dem Bilde der Pachymeningitis 
cervicalis” gestellt. 

Nachdem er aus der Klinik als gebessert entlas- 
sen worden war, versuchte H. wieder zu arbei- 
ten, und zwar war er nach Aussage des Verwan- 
dten D. als landwirtschaftlicher Arbeiter in F. 
tätig. Er sei aber auffallend still gewesen. Dr. 
M., der H. nach seiner Rückkehr aus der Kli- 
nik weiter behandelte, berichtet, daß sich das We- 
sen des H. nach der Entlassung kaum geändert 
habe. Er schien schwer besinnlich, die Sprache 
war etwas stockend, die Pupillen erschienen starr. 
Dr. M. gelangte daher zu der Ansicht, daß die 
Krankheit auf organischer Grundlage beruhe. Er 
glaubt, daß das Leiden kaum mit dem Kriegsdienst 
in ursächlichen Zusammenhang zu bringen ist, . 
„wenn man nicht annehmen will, daß H. durch den 
Kriegsdienst so geschwächt war, daß er leichter 
dem Ansturm der Krankheit erlag.’ In dem Be- 
richt des Bürgermeisteramts L. vom 18. März 1921 
heißt es, daß nach der Rückkehr des H. aus M. 
zuerst Zittern, und zwar hauptsächlich von der 
verletzten Schulterseite aus bemerkt wurde. Am 
8. August 1920 stellte H. bei dem Versorgungsamt 
A. den Antrag auf Militärversorgung „wegen 
schweren Nervenleidens”’. Das Leiden führte er 
auf den „Lungenschuß und sonstige Entbehrungen 
im Felde” zurück. In dem diesbezüglichen Schrei- 
ben gab er an, bereits kurz nach seiner Entlassung 
gespürt zu haben, daß seine Nerven sehr gelitten 
hätten. In dem unter dem 26. Januar 1921 auf An- 
ordnung :des Versorgungamtes A. vom R.-M.-R. 
Dr. B. erstatteten ärztlichen Gutachten findet sich 
im wesentlichen folgender Untersuchungsbeiund: 
H. ist gänzlich apathisch, kaum imstande, sich 
Der Untersuchte steht mit 
blödem Gesichtsausdruck, sowie -mit vorgeneigtem 
Kopf, weit geöffneten Augen, und geöffnetem Mund, 
aus dem dauernd Speichel abfließt. Am ganzen 
Körper dauernd feinschlägiges Zittern. Ab und zu ‘ 


74 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


tritt im rechten Arm stärkeres Zittern, und zwar 
erobschlägiges auf, welches wieder verschwindet, 
wenn man ihn ablenkt oder ihm etwas zum Halten 
in die Hand gibt. Es besteht angeblich unfreiwilli- 
ger Urinabgang. Sämtliche Bewegungen werden 
langsam: und unbeholfen ausgeführt. Aktive "und 
passive Bewegungen im rechten Schultergelenk 
ungestört. Es besteht kein wesentlicher Maßun- 
terschied im Umfang der Arme zwischen rechts 
und links. 
pend, oft erfolgt Antwort erst nach längerem Fra- 
gen. Die Reflexe sind beiderseits gleich, Knie- 
sehnen- und Fußsohlenreflexe sehr stark, Achilles- 
sehnenreflexe schwächer. Babinski und Romberg 
sind negativ. Die Pupillen sind beiderseits gleich, 
eng, reagieren träge auf Lichteinfall.e. Beim Blick 
nach rechts und links langsamer, grobschlägiger 
Nystagmus; außerordentlich seltener Lidschlag. 
Keine Störung der Berührungsempfindlichkeit. Auf 
Grund seines Befundes bezeichnete Dr.B. das Lei- 
den als „hochgradige zentrale Nervenlähmung ver- 
bunden mit schwerer psychischer Affektion” und 
gelangte zu folgendem Urteil: „Nach Schrapnell- 
verwundung rechte Schulter am 26. September 
1914 wurde H. nach Abschluß der ärztlichen Be- 
handlung am 7. April 1915 deshalb als 25 v. A. er- 
werbsunfähig anerkannt, kam Ende 1916 wieder 
‚ins Feld, wurde am 13. Dezember 1915 wegen 
Tapferkeit vor dem Feinde zum Gefreiten ernannt, 


. ist also in seiner dienstlichen Leistungsfähigkeit 
= nicht "wesentlich beeinträchtigt gewesen. 


Sein 
jetzires schweres Nervenleiden ist sonach mit dem 
‚Kriegsdienst nicht in ursächlichem Zusammenhang 
stehend zu erachten, da es erst im März 1920 auf- 
getreten ist. Kriegsdienstbeschädigung ist hierfür 
abzulehnen.” 

Nach Aussage des bereits mehrfach erwähnten 
D. hat H. bis Oktober 1920 noch gearbeitet. Von 
da ab hat er sich zu Hause gehalten, hat viel zu 
Bett gelegen, wurde ganz zittrig, hat sich nicht 
mehr allein anziehen, auch nicht mehr allein essen 


können, wurde unsauber, hat Stuhl und Urin unter 


sich gelassen. Auf Fragen hat er ganz gut Aus- 


-kunft gegeben, von selbst aber nichts gesprochen. 


= Da sich der Zustand immer mehr verschlimmerte, 
wurde H., weil er, in den allerdürftigsten Verhält- 
nissen lebend, zu Hause die nötige Pflege nicht er- 
halten konnte, von San.-Rat Dr. K., welcher inzwi- 
schen die Behandlung übernommen hatte, am 
4. März 1921 unter der Krankheitsbezeichnung 


„rortschreitender Veerblödungsprozeß” dem hiesi- 
- gen Landeshospital überwiesen. 
2. Eigene Beobachtung. Es wurde 


hier bei der Aufnahme folgender Befund erhoben: 


Die Sprache ist langsam und schlep- 


. weniger ausgiebig als normal, 


` a 
~ A 
De a 


Ni. nia 


Der Kranke, der über und über verlaust und n | 
Kot und Schmutz beschmiert war, sah älter aus, ah ! 
er war. Er machte einen müden Eindruck und ar | 
schien äußerst hinfällig. Er befand sich in mäßigen My 
Ernährungs- und Kräftezustand, Fieber bestand i 
nicht. Die inneren Organe, insbesondere- Lunge h 
und Herz waren frei von Krankheitserscheinungan i 
Am rechten inneren Schulterblattrand, etwa in hi È j 
ber Höhe des Schulterblattes fand sich eine läng fi 
gestellte, 2 cm lange, rötliche, leicht eingezogen, M 
mit dem Knochen nicht verwachsene, nicht druck- fd 
empfindliche Narbe, angeblich vom Ausschuß heri 
rührend. Unter derselben konnte man einen deu 
lichen Knochendefekt des Schulterblatts fühlen 
Die Einschußnarbe, welche sich nach Angabe daiji 
Kranken auf der Höhe der rechten Schulter bei 
fand, war nicht mehr deutlich feststellbar. Is t 
Gesicht war leicht gerötet. Mit masken E h 
Gesichtsausdruck starrte er vor sich hin. Dejs 
Mund, aus dem dauernd der Speichel floß, war nk 1 
geöffnet, wurde auf mehrfache Aufforderung hin 4 
für einige Augenblicke geschlossen gehalten, um 3 
bald wieder geöffnet zu werden. H. behauptete fh 
die Lippen nicht bewegen, die Stirn nicht in Fatai 
legen zu können. Beim Mundöffnen und Spredit ifi 
bewegten sich jedoch die Lippen in ganz normaler ) 
Weise. Die elektrische Untersuchung ergab hiig 
‚sichtlich »der ‚Gesichtsnerven keinen krankhaftenf i 
Befund. Er schien sehr unsicher auf den Beine, ) 
beim Gehen ohne Unterstützung taumelte er, drongi 
umzufallen, hielt sich jedoch auf energisches zul m 
reden hin auch allein aufrecht. Ein deutlicher U 
terschied zwischen dem Gang bei offenen und dem i 
bei geschlossenen Augen bestand nicht. Das Rom- Fi 
bergsche Phänomen (Schwanken bei Stellung mit | 
Fuß- und Augenschluß) war negativ. Alle Bewe- $ 
gungen der Arme und Beine geschahen zögenl i 
zuerst etwas unsicher und kraftlos doch in normais 
ler Ausdehnung, ohne Unterschied zwischen Te s 
und links. Der Händedruck war beiderseits mit 
telkräftig. Die Zunge, welche trocken, rissig un 
stark belegt war, wurde unter leichtem Zitten j' 
gerade herausgestreckt. In beiden Armon "7 
mentlich im rechten, zeigte sich in wechselnder ' 
Stärke ein grobschlägiges Zittern, das auf energi i 
sches Zureden für Augenblicke unterblieb und da í 
bei intendierten Bewegungen nicht heftiger WITT 
Die Pupillen waren rund, mittelweit, za 
und reagierten auf Lichteinfall (elektrisches Lichti 1 
deutlich, wenn auch vielleicht etwas träger p ú i 


Nahesehen war abgeschwächt. Es bestand i 
seits bei extremen Augenstellungen wage? u | 
Ausenzittern (Nystagmus horizontal fis). Det a 


t di war äußerst selten. Das rechte obere 
j Mgentid hing etwas tiefer herab als das linke 
Pi) Es bestand auf dem rechten Auge Aus- 
Arirtsschielen (Strabismus divergens). Das Ge- 
E | sel war nicht eingeschränkt, die Sehschärfe 


$ ine leichte temporale Abblassung der linken Pa- 
fik keine krankhaften Veränderungen. Die Hör- 
s Fiigkeit war normal. Der Würgreflex fehlte voll- 
ommen. Die Sehnen- und Knochenhautreflexe an 
Hin Armen waren beiderseits recht lebhaft, ebenso 
fi Kniesehnenreflexe, die Achillessehnenreflexe in 
4 mrmaler Weise auslösbar. Kniescheiben- und 
lkrampf (Klonus) bestand nicht. Die Bauch- 
Sféecken-, Hoden- und Fußsohlenreflexe waren bei- 
Pérseits schwach positiv. Die mechanische Mus- 
SPekeregbarkeit war leicht erhöht: es zeigte sich 
j en der Muskeln leichtes Wogen in den- 
Hfsiben. Die Muskulatur namentlich die des Halses 
f te Srermehrte Rigidität. \ 
I$ Das Babinskische Phänomen war negativ. 
l - Das Empfindungsvermögen für feinere und grö- 
pre Berührung, für Schmerz, für spitz und stumpf 
ar am ganzen Körper ungestört. Die Angaben 
. ' Kranken hierüber erfolgten prompt und. sicher. 
Je Druckpunkte der großen Nervenstämme, so- 
; Vie das Beklopfen des Schädels war nicht 
Wflimerzhaft. Der Muskelsinn war vorhanden. 
p  vasomotorische Nachröten nach Bestreichung 
i dr Haut mit dem Stiele des Perkussionshammers 
“Tat nicht verstärkt. 
i Die Sprache war auch bei schwierigeren Para- 
Fimata zwar zögernd, 
3 he von artikulatorischen Störungen. 
Ẹ Die Wassermannsche Reaktion im Blut war 
í gatiy. 
E MH, machte einen stark gehemmten dabei aber 
F Anz besonnenen Eindruck, er zeigte scheinbar 
1 ~ das geringste Interesse für seine neue Um- 
f "s, auf Fragen antwortete er jedoch, wenn 
i ach Sehr zögernd und knapp, durchaus sinngemäß, 
2 es fand sich, daß er über Ort und Zeit durchaus 
N 3 'entiert war. Auch über seine persönlichen Ver- 
# isse wußte er gut Bescheid. Er klagte über 
i 4 ende Schmerzen in der linken (!) Schulter. Den 
„sim und Verlauf seiner Erkrankung schilderte 
1 = t folgt: „Seit dem 16. März 1920 habe ich nicht 
In gearbeitet. Das kam ganz plötzlich nachts. 
7. "te noch den Tag Holz gemacht, den anderen 


s wi 


„ mehr zu, da wurde ich durch Dr. M. nach 
ih han, Medizinischen Klinik geschickt. Dort war 
m ochen, vom 5. Mai bis ungefähr 11. August 
H und Wurde mit Massieren und Fichtennadel- 


i war normal, der Augenhintergrund zeigte bis auf- 


leise und monoton, aber. 


E Hatte ich Schmerzen. Die Schmerzen nahmen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 75 


bädern behandelt. Der Zustand besserte sich nicht, 


da ging ich wieder nach Hause. Dort machte ich 
warme Umschläge. Die Schmerzen sind auch 
heute noch da. Zu Hause war ich meist außer Bett, 
konnte aber nichts mehr arbeiten, der Schlaf war 
schlecht, ebenso der Appetit. Das Zittern habe ich - 
seit vorigem Herbst, das kam auch ganz plötzlich 
und wurde immer stärker. Das sind die Nerven.“ 
Die Antworten mußten oft durch wiederholte Fra- 
gen aus ihm förmlich herausgepreßt werden. Der 
Gedankenablauf erschien etwas verlangsamt. Sein 
Gedächtnis war ein gutes, auch für weiter Zurück- 
liegendes, über seine Erlebnisse während des 
Krieges konnte er ganz gut Auskunft geben, auch 
auf Einzelheiten besann er sich. Seine Schulkennt- 
nisse waren durchaus befriedigende. Dagegen er- 
schien seine Merkfähigkeit, das Ergreifen und Fest- 
halten neuer Eindrücke, eine Schwächung erfahren 
zu haben. So wußte er z. B. leichte Rechenauf- 
gaben, die er im allgemeinen prompt löste, nach 
kurzer Zeit nicht mehr zu wiederholen. Aufge- 
fordert, einen Aufsatz aus der Zeitung vorzulesen, 
meinte er zuerst, er könne überhaupt nichts lesen, 
seine Augen seien zu schlecht. Auf vieles Zu- 
reden hin brachte er endlich stockend einige grö- 
Ber gedruckte Überschriften richtig heraus. Seine 
Urteils- und Kombinationsfähigkeit, seine allge- 
meinen Kenntnisse waren seinem Stande und Bil- 
dungsgrade durchaus entsprechend. Die Stimmung 
war nicht eigentlich eine gedrückte, eher eine 


 gleichgültige zu nennen. Gefragt, ob er traurig sei, 


meinte er zwar: „Augenblicklich bin ich traurig, 
weil meine Familie so schlechte Zustände hat”, 
doch verriet er keine tiefergehende Anteilnahme an 
dem Geschick seiner Angehörigen, z. B. erkun- 
digte er sich nie nach seiner ebenfalls schwer- 
kranken Frau. Das Bestehen von Sinnestäu- 
schungen und -Wahnideen wurde verneint. Es 
waren auch sonst keine Anzeichen dafür vor- 
handen. 

H. bot währ en seines hiesigen Aufenthaltes 
fast unverändert das gleiche Bild. Am meisten 
fiel das apathische, gehemmte Wesen des Kranken 
auf, welches sich vor allem in großer Bewegungs- 
armut zeigte. Im Bett wurde die Lage, wenn der 
Kranke auf war, die Stellung kaum gewechselt. 
Nur die notwendigsten Bewegungen wurden aus- 
geführt. Die Ausführung geschah ohne jede Ener- 
gie. Zu den dringendsten Verrichtungen mußte der 
Kranke geradezu geschoben werden, häufig lieb 
er Urin und Kot unter sich. Den Speichel ließ er 


‚einfach aus dem Munde fließen, obwohl er die Lip- 


pen auf Aufforderung ganz gut schließen konnte, 


Die Nahrungsaufnahme war öfter eine sehr 
res (> 3 € J6 C JE Q a i (e 


P r O A EEE 


76 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


schlechte. Der Gesichtsausdruck blieb unverän- 
dert maskenartig, der Blick starr. Nie zeigte er 
irgendwelches erkennbare Interesse an den Vor- 
gängen in seiner Umgebung, an den Gesprächen der 
anderen Kranken beteiligte er sich nie, auf Fragen 
antwortete er nur das Notwendigste, jedoch zeig- 
ten seine Antworten, daß er den Sinn der Fragen 
stets richtig erfaßte. Oft schlief er auch über Tag 


Zur Frage der Chininbehandlung von progressiver Paralyse und Tabes. h 
Von Prof. Dr. Pîfister, Berlin-Lichtenrade. Ei 


n Nr. 29-30 dieser Wochenschrift schlug A. Ad- 

ler vor, die in der Überschrift genannten 
Krankheiten mit Chinin zu behandeln. Zur Be- 
eründung seiner Anregung wies er auf das in der 
Merckschen Chininsalbe gegebene Vorbeugungs- 
mittel gegen die Ansteckung mit Syphilis hin und 
berichtete anschließend über zwei Fälle von pro- 
sressiver Paralyse, bei denen er nach Chininge- 
brauch Abflauen der manischen Erregung bzw. 
eine „gute Remission” beobachtete. Auf den einen 
der Fälle kommt er neuerdings zu sprechen (Nr.45- 
46 der Wochenschrift) und macht weitere Vor- 
schläge zur Chininbehandlung. Ich möchte zu 
seinen Ausführungen folgendes bemerken.: 


Es ist m. W. noch nicht ganz klargestellt, ob die 
Schutzwirkung genannter Salbe allein auf das 
Chinin zurückzuführen ist oder ob dafür nicht auch 
andere Momente in Frage kommen. Aber die Wir- 
kung des Chinins bei dieser äußerlichen Anwen- 
dung zugegeben, so ist doch daraus nur sehr be- 
dingt ein Schluß zu ziehen auf seine Wirksamkeit 
gegenüber den in die Körpergewebe, Blut- und 
Lymphbahnen eingedrungenen Erregern der Sy- 
philis. 


Jedenfalls scheinen mir gewisse Tatsachen und 
Beobachtungen eher gegen als für eine solche 
Schutz- bzw. Heilwirkung zu sprechen. Denn wie 
verhält es sich mit der Lues und den luischen Er- 
krankungen des Zentralnervensystems in Gegen- 
den, wo Malaria endemisch ist, wo infolgedessen 
Chinin mehr oder weniger regelmäßig in kleineren 
Dosen als Vorbeugungsmaßnahme, von bereits Be- 
fallenen periodisch oft in großen Mengen genommen 
wird? Meines Wissens ist weder eine geringere 
Morbidität an Lues, noch eine mildere Verlaufs- 
weise daselbst zu verzeichnen, noch ein Fehlen von 
syphilitischen Affektionen des Zentralnervensy- 
stems. Auch die Sanitätsstatistiken der Kolonial- 
truppen in malariadurchseuchten Gebieten schei- 


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stundenlang. Das Zittern wurde zeitweise miii 
dem Einfluß psycho-faradischer Behandlung besef 
ganz verschwand es nie. E 

Am 28. März erkrankte H. unter den Erschii 
nungen einer Lungenentzündung, der er am N i 
April, körperlich schon vorher stark geschwächt 
erlag. 1 


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(Schluß folgt) $i 


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nen, soweit ihre europäischen Angehörigen in Bi 
tracht kommen, gleiches zu erhärten. Und de 
obwohl bei ihnen die peinlich regelmäßige propii 
laktische und therapeutische Chininmedikation g 
währleistet ist, indem das. Einnehmen des Mitt 
gemeinhin überall, soweit ich erfahren habe Wf 
Portugiesisch-Ostafrika hatte ich dies selbst 
beobachten Gelegenheit), im Dienst, unter Kontroli 
der Vorgesetzten, erfolgt. | | 


a Er el 


Ferner hatte ich vor Jahren (1907) Gelegenit 
zwei Kranke zu untersuchen und einige Zeit 4 


i 
beobachten, von welchen der eine, ein 40 jährk@ 
englischer Kaufmann, seit zwei Dezennien an tro% 
scher Malaria leidend, häufige Chininkuren drd 
gemacht und bis in die letzte Zeit fast and 


1 
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ernd immer wieder kleine Dosen des Mittels 1, 
nommen hatte, sich trotzdem zehn Jahre zuvor ti 


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einem Besuch in der Heimat mit Lues infizierte M 


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nun an zweifelloser Hirnsyphilis krankte. Benf, 


andern, einem ungefähr im gleichen Alter m ( 
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den Agenten einer englischen Handelsgeseiß” 
lag die Malariainfektion etwa zwölf Jahre zuri fi 
Auch er hatte nach Angabe der Eheiraw M w i 
ersten Jahren oft Kuren mit hohen Dosen Cuig 
gebraucht und bei späteren wiederholten An 
halten in Maláriadistrikten große Gaben des N 
mehrfach Monate hindurch wieder ange 
Als ich ihn kennen lernte, litt er — über den nA H 
punkt der luischen Infektion war ihm und der e $ 
nichts bekannt — an unverkennbarer progress 
Paralyse. Das langedauernde neurasthenisch- A i 
chondrische Anfangsstadium dieser prear a 3 
infolgedessen er überall an sich Malarial i A 
wahrzunehmen glaubte, war wohl die vr ! 
sung, daß er auch im letztvergangenen a 
ständig (wie gesagt wurde, enorme Mengen) che 
eingenommen hatte! Ich erinnere mich desg ke 
an einen Fall von Tabes bei einem malariakf? al 
älteren Pflanzer, der über seine Lues ti | 
war. Doch stehen mir von diesem. Fall 8 I 


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Nee. 
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21922) 

kilfhien bezüglich des Chininverbrauchs nicht zur 
lerfigung. | 

$ Jedenfalls muß ich aber auf Grund solcher Er- 
hingen dem Behandlungsvorschlage Adlers, 
wem auch nicht ablehnend, so doch recht skep- 
Wfisch gegenüberstehen und will im Hinblick auf 
Pie von ihm, wenn auch mit Reserve, gemeldeten 
| PBesserungen nach Chiningebrauch nur wiederum 
Türauf hinweisen, daß bei allen derartigen Ver- 
Pichen mit neuen Mitteln strengste Kritik am 
{Potze ist. Zumal bei der Tabes wie bei der pro- 
AItsssiven Paralyse formes frustes bzw. spontane 
Afemissionen bekanntlich recht häufig sind, in den 
Festen Stadien beider Erkrankungen auch — ohne 
Hide Behandlung — weitgehende, selbst Jahre dau- 
Sifide Besserungen, sogar solche, die praktisch als 


A \bwohl schon zwei Aufsätze unter dieser Über- 
7° schrift von Herrn Kollegen Schmelzeis 
Q teser Zeitschrift erschienen sind, muß ich 
Fieinerseits doch noch einen dritten folgen lassen, 


A i Heft 45-46 meint der genannte Verfasser: 
„jur andere sog. okkulte Erscheinungen bietet die 
i Amahme unbewußter, unwillkürlicher feinster Be- 
[sugen eine Erklärung, die Umsetzung ange- 
m Stengten Denkens in unbewußte, unwillkürliche, 
n e Gedankeninhalt entsprechende Muskeltätig- 
vs Wenn hierbei an die Tätigkeit der berufs- 
a ligen Gedankenleser, die aus öffentlichen Vor- 
Wplungen wohl uns allen bekannt sind, gedacht 
Hp tde, und deren oft verblüffende Resultate durch 
N sog. „Muskellesen” zu erklären versucht wird, 
I St nichts dagegen einzuwenden und wohl all- 
i mein anerkannt. 


epn di 
FT! diesem Zusammenhang auch die denkenden 


A ere (die Elberfelder Pferde, den „klugen” Hans 
sta) erwähnt, 


. Ich hatte Gelegenheit, am 24. Oktober und 


A 
IS 
| 


‘ u 1921 in der Psychologischen 
1 mals Schaft in München, wo ich mich 
tiii o aufhielt, zwei Vorträge des durch 
i Uor ER ofschungen und sein Buch sehr bekannt 
höre en Herrn Karl Krall aus Elberfeld an- 
| n, über welche im Märzheft der „Psychi- 


v sch 
| (Verlag Mutze, Leipzig) der Mün- 


4 
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3 


A Studien” 
© 


g sen allerdings mit einem Fragezeichen versehen. 


ME Etwa | 
3 Etwas anderes aber ist es, wenn der Verfasser. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 77 


Heilungen angesehen werden dürfen, weniger sel- 
ten eintreten, als man im allgemeinen heute an- 
nimmt. 

Immerhin wird man bei dem üblen Verlauf der 
meisten Fällen jede therapeutische Anregung be- 
grüßen und erproben dürfen. 

Nachschrift: Obige Zeilen waren bereits 
niedergeschrieben, als mir die Mitteilung Jako- 
bis in Nr. 39/40 dieser Wochenschrift zu Gesicht 
kam, laut welcher das Chinin schon vor vielen 
Jahren als Heilmittel der Paralyse angepriesen und 
erfolglos angewandt ist. Man wird an neue Ver- 
suche mit dem Mittel trotz der anderen Dosie- 
rungsvorschläge Adlers daher mit noch ge- 
ringeren Erwartungen herangehen. 


Flüstersprache ? 
Von Dr. P. Sünner, Berlin-Herzberge. 


chener Tierpsychologe Prof. Dr. Gruber einen 
eingehenden Bericht veröffentlicht hat. 

Ich bin daher in der angenehmen Lage, mich 
auf diesen Sachkenner zu berufen, und da Herr 
Kollege Schmelzeis den Zoologen Piungst 
zitiert, der zu der Ansicht kam, daß eine unwill- 
kürliche Zeichengebung vorliege, so darf ich 
meinerseits mich auf Herrn Prof. Gruber be- 
rufen. Er schreibt: „Diese unwillkürlichen Bewe- 
gungen sollten bis unter t/s mm Ausschlag betra- 
gen (!) und vom Pferde noch wahrgenommen wer- 
den. Es ist bezeichnend, daß diese Pfungstsche 
Zeichenhypothese trotz ihrer Unwahrscheinlichkeit 
auch heute noch weitgehend als Lösung der Frage 
angesehen wird, ia, obwohl Krall sie längst 
widerlegt hatte (s. sein Buch!), indem er durch 
Verwendung großer Scheuklappen Lehrer, Prüfer 
und Zuschauer dem Pferde unsichtbar gemacht 
hatte, indem er ein blindes Pferd mit Erfolg unter- 
richtete (,,Berto”), indem er eine ganze Reihe un- 
wissentlicher Versuche gelingen lassen konnte.” 

„Sehr wesentlich war iedenfalls das, was 
Krall als Beweis eines selbständigen Denkens 
anführte, Äußerungen der Pferde, die weder durch 
die Annahme einer Gedächtnisleistung, sinnlich 
wahrnehmbarer Zeichen, durch Telepathie u. a. 
erklärt werden konnten. 

„Neben den gelungenen unrwissentlichen Ver- 
suchen, neben. Antworten, die das ganz 
allein im Stall stehende nur durch 
Gucklöcher beobachtete Pferd rich- 
tig gab, neben völlig unerwarteten Äußerungen, 


78 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ist es vor allem die Art des Tretens, die Art und 


Weise, wie das Tier seine Antworten gibt, die 
nach Krall eindeutig für selbständiges Denken 
spricht. So antwortet das Pferd nicht maschinen- 
mäßig, wie ein Automat, sondern mit lebendigem 
Ausdruck in seinem Treten, es verlangsamt, wenn 
es mit einem Huf große Zahlen geben soll, nach 
anfänglichem raschen Tempo die Schläge gegen 
Ende bis zum markanten, oft donnernden Schluß- 
tritt („Berto”). Es gibt seiner Lust und Unlust 
beim Arbeiten deutlichen Ausdruck, versagt bei 
Störung oder schlechter Laune, um mit einem 
Male wieder tadellos zu arbeiten. DieseBeob- 
achtunwen‘sind für: die: Beurteilung 
des sanzen Phänomens von größter 
Wichtigkeit, sie können aber nur bei ein- 
gehender Beschäftigung mit den Tieren gemacht 
und richtig gewertet werden.” 

Soweit die Ausführungen des Münchener Ge- 
-lehrten, der, soviel ich mich erinnere, die berühm- 
ten Tiere selbst gekannt hat und an Ort und Stelle 
in Elberfeld beobachten konnte. Darum ist er be- 
sonders zu der anschaulichen Besprechung der 
beiden Vorträge berufen, deren Lektüre ich nur 
sehr empfehlen kann. So einfach wie Herr 
Schmelzeis meinte: „es ist nur ja ein Zeichen 
für Anfangen und Aufhören nötig oder, wenn das 


Anfangen automatisch erfolgt, sogar nur ein Zei- 
— so einfach ist die Sache 


chen für Aufhören” 
Sericht! — 

Während der erste Vortrag en: der Ge- 
schichte und Entwicklung des Tierunterrichts und 
dem Nachweis echter Denktätigkeit bei 
den Elberfelder Pferden gewidmet war, so behan- 
delte der zweite Abend die Behandlung einer an- 
deren Seite des Problems, die nicht minder gro- 
Bes Interesse verdient, nämlich der der Tele- 
pathie, der Gedankenübertragung 
zwischen Mensch und Tier. Ich kann an dieser 
Stelle nicht näher auf diese hochinteressante tele- 


pathische Hypothese eingehen, jedoch meint Prof. 


»Grüber: 
tonen; 


„Mit allem Nachdruck ist daher zu be- 
es handelt sich hier um ein komplexes 


Phänomen, das uns ganz verschiedene, vonein- 


‚ ander unabhängige Seiten darbietet, von denen 
nunmehr, wie wir sehen werden, zwei bedeutungs- 


volle — Denktätigkeit und Denkübertragung — 


als sicher nachgewiesen gelten kön- 
nen." ; 

Herr Kollege Schmelzeis zitiert dann 
einen Satz aus dem „Buch der Wunder” von Dr. 
med. Berndt. Ich kenne dasselbe nicht, will 
aber den Satz wiederholen: „Taucht irgendein Ge- 
danke im Bewußtsein auf, so de nkt man in 


findet, wenn er mit Obigem den Satz erklären wili 


bis heute bei der großen Mehrzahl der vo 


schlag durch den Puls und bei leichtem 


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[Nr. 1 VA 1 
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Worten und diese Worte 
Mott arae OTEO S = 
Heißt das nicht: halluzinatorische Vorgänge a i 
etwas ganz Normalem stempeln und zum tägliche l 
natürlichen Prozeß bei jedermann erklären? Id 
vermute, daß der Verfasser nicht viel Zustimm i 


spricht und ; 


„Zu den unwillkürlichen, an angestrengtes Denkel i 
gebundenen Muskelbewegungen gehört auch def 
Flüstersprache.” Er beruft sich auf Hanse 
und A. Lehmann und erwähnt ihre Vers 
mit zwei großen Hohlspiegeln, die ich in dem b be: d 
treffenden Aufsatz nachzulesen empfehle, mub mi i 
aber doch wundern, daß ein Arzt folgenden $l 3 
unwidersprochen läßt, also anscheinend zu seine Í 
eigenen Meinung macht: „Er konnte den Mun 5 
fest geschlossen halten und anscheinend nicht dei | 
geringsten Laut von sich geben, aber wenn 
nicht die Bewegungen der Zunge und der St 4 
bänder mit aller Gewalt hemmte, so hörte Ep 
Empfänger in dem Brennpunkte seines Host ; 
gels ein Flüstern, das leicht als diese oder jene A : 
zu deuten war.” Ich kann mich hier wohl al = 
ein großes Fragezeichen beschränken. j 

Es ist eine mißliche Sache, ältere Autoren 1 
zitieren, ohne über die letzten Ansichten ande | Ì 
prominenter Sachverständiger genau unterricli $ 
zu sein>+(Es ergibt sich hier übrigens die Pre 
frage: warum geschieht das fast immer. nur "g 
Sinne des Gegenbeweises gegen noch unerklár i 
Probleme, und so selten in wohlwollender va I 
für dieselben?) F 

Ich berufe mich also Wieder auf Herrn pri 3 
Gruber, der ausführlich auf Kralls at 
mentelle Nachprüfung der bekannten Han seng 
Lehmannschen Theorie des unwillkürldid 
Flüsterns eingeht, von der er sagt, dab es er stail d 
lich erscheint, daß sie noch immer zur Erkläni ! 
herangezogen wird. a 


„Trotz ihrer Unwahrscheinlichkeit, trotz ine 
leichten Nachprüfbarkeit war diese Flüstertheuf 


schaftler. anerkannt, sie blieb unwidersprodf ! 
Daß die Theorie sich so lange halten Koi 7 


aik a 
um so erstaunlicher, da jeder an sich selbst re 


weisen kann, daß verstän dliches T. 
stern durch die Nase unmöglich ist” # 

„Bei seiner Nachprüfung verwendete K i 
Lippenspiegel in Verbindung mit Epidiagrami“ . 
zum Nachweis der Lippenbewegungen rin j 
(Kurven) —, er machte Versuche mit Hohlspe# i t 3 
— Flüstern und Hören von Brennpunkt ZU i N 
punkt —, benützte die Kerzenilamme als Rea i 


m 


das Epidiaskop zur Vergrößerung der Lippen. In 
| indem Falle konnte Krall nachweisen, daß ein 
aj Vemehmen des bei wirklich geschlossenen 
Lippen „geilüsterten” Wortes unmöglich ist. 
im wirklichen Flüstern bedarf es überhaupt einer 
N zung der Lippen, der Zunge, des Kehlkopfes. 
x] u terhalb einer gewissen Energie- 
leistung ist eine lautliche Verstän- 
Hüisun: unmöglich.” 

T So urteilt ein Sachkenner, ein Psychologe, um 
i sch vollkommen Herrn Krall anzuschließen, der 
die Flüstertheorie als falsch ablehnte, um gleich- 
: den Beweis zu erbringen, daß bei seinen 
Versuchen mit dem „klugen Hans” eine außersinn- 
If fie eine „Denk”übertragung stattgefunden hat. 
E Nach den hochinteressanten und Kralls 
A a ühevolle und vielseitige Studien klar beleuchten- 
e fi Ausführungen konnte selbst sein wissenschaft- 


=- Zu. meiner Notiz: Beschäftigung von Pileglingen 
E im Haushalt Anstaltsangestellter, Seite 183 des vorigen 
d F hirgans, ist bisher nur eine Äußerung erfolgt, nämlich 
a de von Herrn Oberarzt Dr. Schneider in Herborn 
A au Seite 267, die den anderen Standpunkt vertritt. 

Es wäre recht erwünscht, wenn sich noch mehr 
"g: M irre zu dieser Angelegenheit hören ließen, auch viel- 
td dicht von Privatanstaltsleitern, und wenn dann auch die 
t Weitere Frage erörtert würde, ob es zweckmäßig ist und 
, F behehatten werden soll, daß Angestellte der Anstalt, 
i sibstverständlich gegen Bezahlung an die Anstalt und 


igen Abteilungsarztes, für ihren Privatbedarf von Gei- 


o A Stskranken in den Werkstätten der Anstalt arbei- 
p lassen, 


a 
"i A 


Für die Erörterung kommen im wesentlichen die 
4 ah in Betracht, die in obigen beiden Arti- 

fo dargetan wurden. 
vl iM Meinigen auch für diese Sache geltend machen und 
i; etung auch dieses Brauchs dringend empfehlen. 
d P i kommt noch die Mühe und Schwierigkeit der Ma- 
e und Arbeitszeitkontrolle; ferner der Umstand, 
= doch nur ein Teil der Angestellten den Vorteil haben 
I" EN ‚ für sich von Pileglingen unter Verwendung des 
l en Pflegepersonals in den Werkstätten 

Ei a lassen, da bei allgemeiner Beteiligung — 
| iit ätte doch jeder ein Anrecht — kaum Arbeits- 
i e für die Anstaltsarbeiten übrig bleiben würden, 

h Eo ein Teil der Angestellten immer benach- 
herbei en müßte; weiter der Umstand, daß es sich 
f’ i ne bemerkt, nicht lediglich um Arbeitskraft 
i al es Pileglings handelt, die die Anstalt abgibt, 

selbe = um solche des Pflegepersonals, insofern 
2 ht le Arbeit des Pileglings beaufsichtigt und für 
T € Ausführung sorgt NE ‚des Handwerk- 


j mit Genehmigung des Anstaltsdirektors und des zustän- 


Ich selbst wenigstens möchte 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 79 


licher Gegner, Herr Prof. Kafka, obwohl er 
seinen ablehnenden Standpunkt aufrecht zu halten 
versuchte, doch dem Vortragenden seine Hochach- 
tung nicht versagen, indem er meinte, daß das 
persönliche Kennenlernen doch geeignet sei, man- 
ches frühere Vorurteil zu beseitigen. | 

Ich möchte schließen mit Prof. Grubers 
Worten: „Jeder obiektiv Denkende wird zugeben 
müssen, daß hier ein Forscher am Werk war und 
ist, dem bisher zu Unrecht als einem Dilettanten, 
Phantasten, Fanatiker die wissenschaftliche Ach- 
tung versagt blieb.” 

Indem ich dieses mutvolle Eintreten des Mün- 
chener Forschers ganz zu dem Meinigen mache, 
möchte ich hoffen, mit diesen Ausführungen dem 
Unsinn der „Flüstersprache” auch in diesem Blatte 
ein Ende bereitet zu haben. 


Mitteilungen. 


zeugs, Beheizung, Beleuchtung der Werkstätte usw. 
kommt dazu), so daß eigentlich der Geldwert der Ar- 
beitsleistung höher zu veranschlagen ist, als bei einer 
draußen. bei einem Handwerker geleisteten Arbeit. | 

In der Bevölkerung, bei den Armenverbänden und 
bei den Angehörigen der Anstaltsgeisteskranken dari 
auch nicht eine Spur des Gedankens aufkommen, dab 
Angestellten irgendein gelegentlicher Vorteil von dem 
Kranken während seines Aufenthaltes in der Anstalt er- 
wächst. 

Sicherlich wird in solchen Fällen bei manchen An- 
gehörigen, welche Not haben, den Verpflegungskosten- 
beitrag aufzubringen, der Wunsch auftauchen, daß ihnen 


_ diese Schwierigkeit in Anbetracht der von dem Geistes- 


kranken zunächst Angestellten und nur mittelbar der 
Anstalt geleisteten Arbeit erleichtert werde, und wieviel 
mehr und mit.welchem Nachteil für die Genesung der 
gleiche Wunsch in jedem genesenden und halbwegs kla- 
ren Geisteskranken, der solchermaßen beschäftigt wird? 

Ein Vergleich mit der Arbeit in’ den Gefängnissen ist 
nicht angebracht, da dort die Dauer des Aufenthalts von. 
vornherein bestimmt bemessen ist. Im übrigen verglei- 
chen wir nicht gerne Irrenanstalten mit Gefängnissen. 

Es lohnt wohl hier, bei der Beschäftigung von Pileg- 
lingen in den Werkstätten, noch weniger als bei der Be- 
schäftigung in Privathaushalten, den Nutzen in die Wag- 
schale zu legen, den einzelne solcher Pfleglinge für Ge- 
nesung und seelisches Befinden davon haben, zumal 
wenn wir uns des in letzter Zeit wieder so eindringlich 
erörterten Wertes und Erfolges frühzeitiger Ent- ` 
lassung Genesender — so erst kürzlich in die- 
ser Wochenschrift voriger Jahrgang S. 265, 283, 310 — 
erinnern und das dabei Festgestellte zum Wohle der 
Kranken beherzigen. Diese Gegenrechnung sollte man 
schon aus dem Grunde weglassen, weil derjenige, der 


80 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


die Arbeit draußen billiger haben kann als in der Anstalt 
durch Anstaltspfleglinge, nicht zu dem verdienstvollen 
Standpunkt gezwungen werden könnte, zum Wohle der 
Kranken in der Anstalt für sich arbeiten zu lassen. 
Bresler. 
— Ärztliche Gesellschaft für parapsychische For- 
schung zu Berlin. Sitzung vom 22. Mai 1922. Anwesend 
etwa 100 Berliner Ärzte. — Es wird beschlossen, nicht- 
ärztliche Gäste in Zukunft überhaupt nicht zuzulassen. 
Dr. v. Rutkowski: Bericht über Versuche mit den 
Hellsehern Karoly. Vortragender hat mit einer Kom- 
mission das sog. Hellseherehepaar Karoly geprüft. Es 
handelt sich bestimmt nicht um Hellsehen, sondern mög- 
licherweise um Gedankenübertragung, möglicherweise 
aber auch um Zeichen durch ein Schlüsselsystem. Bei 
einer derartigen Prüfung ist die von anderer Seite er- 
hobene Forderung, alle als Aufnahmeflächen für ein 
derartiges System in Frage kommenden Sinnesorgane 


des Mediums auszuschalten, grundsätzlich geeignet, Be- 


denken zu erwecken: das Medium kann immer behaup- 
ten, durch eine derartige teilweise Absperrung seiner 
Funktionen werde es in der Entfaltung seiner Leistungs- 
fähigkeit gehindert und irritiert. Als Methode der 
Prüfung hat sich folgende bewährt: Man läßt die Vor- 
führenden ruhig gewähren, damit sie sich sicher fühlen, 
beobachtet aber unmerklich alle in Frage kommenden 
Fehlerquellen und schaltet dieselben allmählich aus, ohne 
daß dies dem Vorführenden zum Bewußtsein kommt. 
Tut man dies im Falle des Ehepaares Karoly, so folgt 
schon aus der Schnelligkeit ihres Arbeitens und aus dem 
- Mangel an lieglichem Versager, daß es sich um eine 
Varieteleistung handelt, aber nicht um eigentliche Ge- 
dankenübertragung. Der Ehemann Karoly gibt zwar an, 
er sei der Sender einer unbekannten Einflußenergie, 
welche sich gradlinig von ihm in eine Entfernung bis 
zu 12 m ausbreite. Versuche aber gelangen nur bei 
seiner körperlichen Nähe, und besser, wenn der Gesichts- 
sinn nicht ausgeschaltet war. Freilich gelangen sie 
auch unter Ausschaltung des Gesichtssinnes. In diesem 
Falle aber fragte Karoly oder sprach. Er sprach 
nicht direkt mit seiner Frau, wohl aber mit dem Ver- 
suchsleiter. Bei seinen Fragen bediente er sich. nicht 
irgendwelcher formelhafter oder verschnörkelter sprach- 
licher Wendungen. Er sagte nur: Fragen Sie nach dem 
ersten Buchstaben, fragen Sie nach dem zweiten Buch- 
staben usw. Er unterbrach seine Fragen an bestimm- 
ten Punkten, auch ohne daß das zu übertragende Wort 
schon ganz durchbuchstabiert worden wäre; d. h. er 
gab das Schlußzeichen für jede Übertragung: Fragen 
Sie jetzt nach dem ganzen Wort. Aus diesen Befunden 
läßt sich mit Sicherheit schließen, daß es sich um ein 
Schlüsselsystem handelt, und zwar um ein solches 
auditiver Art. Zur Feststellung desselben müßte man 
die Versuche oftmals wiederholen. Es sind aber der- 
-artige Schlüsselsysteme außerordentlich bekannt, sie 
werden sogar an der Artistenbörse gehandelt. Immer- 
hin handelt es sich um eine ganz besonders elegante 
Leistung. 

Sanitätsrat Dr. Bruck schließt sich der Auffassung 
des Vortragenden auf Grund eigener Prüfung an. Ohne 


[Nr. ua) 


die Leistung als solche herabzusetzen, müsse man doch In 
zur psychischen Hygiene des Publikums dafür sorgen, l 
daß derartige Persönlichkeiten sich nicht mit dem Nim- |; 
bus wirklicher okkulter Leistungen umgeben könnten |} 
insbesondere müsse auf die Tagespresse in dieser Hin- fy 
sicht ein wachsames Auge geworfen werden, da selbst}; 
ernste große. Tageszeitungen in ihren Spalten dieses |; 
Ehepaar in die magische Beleuchtung derartiger Lei fh 
stungsfähigkeiten gerückt hätten. F 
Generalarzt Dr. Richter und Dr. Tittel berichten fh 
über eigene Erfahrungen mit auditiven Schlüsselsystemen fi 
und über die Leichtigkeit ihrer Erlernung. Letzterer] 
teilt mit, daß von einem Trancezustande oder hypnoti- 
schen Zustande der Frau Karoly während der Produk- 
tionen keine Rede sei, obwohl der Ehemann behauptet 
sie hypnotisiert zu haben. | 
Oberarzt Dr. Sünner bezweifelt das ausschließliche] 
Vorliegen eines auditiven Schlüsselsystems; es hätten], 
Kommunikationen auch unter Ausschluß sprachlicher 
Äußerungen des Herrn Karoly stattgefunden. |, 
Sanitätsrat Dr. Körber schließt sich dem an und] 
verlangt eine eingehendere Feststellung des psychophy- 
sischen Status des Mediums, insbesondere hinsichtlich ; 
der Anzeichen eines hypnotischen Zustandes. ı 
Oberarzt Dr. Vieregge bestreitet die Existenz ob-F, 
jektiver Kriterien für derartige Zustände. Die Diskus] 
sion hierüber bleibt einem späteren Zeitpunkt vorbe: 3 
halten. 3 
Dr. Kronfeld meint, daß die psychologischen Vor- 
aussetzungen für eine wirkliche Gedankenübertragungi 
die sich aus der Einfühlung ableiten lassen müsse, m. 
dann gegeben seien, wenn entweder das optische Bil | 
oder das gegenständliche Bedeutungsbewußtsein, odet 
die akustisch-motorischen Einstellungen zur Reprodukj 
tion des zu übertragenden Inhalts jeweils als Ganzes f, 
Erleben des Mediums aufträten. Sobald es sich UT, 
sukzessive Kommunikationen von Buchstaben handel. 
sei die Sache als angeblich okkultes Phänomen erledigt] 
Prof. Dr. Dessoir schließt sich dem an und berich- ! 
tet aus seinen eigenen Prüfungen derartiger Gedanke i 
übertragungen eine große Anzahl negativer Befunde. i 
Dr. Schwab weist darauf hin, daß das eigentlicit 
Problem der Möglichkeit von Gedankenübertragung RE 
durch nicht berührt werde. | dy 
Dipl.-Ing. Grunewald (a. G.): Kritische Stellung” 
nahme zu Materialisationen. Grunewald berichtet übe‘ |, 


die Versuche, welche er mit Prof. Jäger, Prof. Winthel, 


und Dr. Krabbe in den Jahren 1921 und später II]. 
Kopenhagen mit dem Materialisationsmedium Einar Ne 
sen angestellt hat. In 13 Sitzungen unter scharfen 
trollbedingungen (der nackte Körper des Mediums 
in ein Trikot eingenäht, Kopf und Hände mit T üllsch j! 
ern umgeben) traten neunmal iStoffteile eines unbekantp 


| engs 
ten Stoffes aus dem Kopfe, aus dem Munde un 
I 


k 


Ohren des Mediums hervor. Sie wurden währen fi 
Entstehens photographiert. Im März fanden erti 
stiania drei Sitzungen mit einem von der Uni | 


| 


an t, und 
gestellten Komitee im physiologischen Institut statt, 17 : 


} JE er ans: mitet: 
gleichzeitig drei Sitzungen mit einem privaten PO ag 
Die Versuche im physiologischen Institut verliele | 


! 


| 
r 
} 
} 
i 


i Iegativ und versetzten das Medium in einen seelischen 
n FAusnahmezustand affektiver Erregung. Die Versuche 
ll- [in privaten Kreise hatten zwar einmal einen Erfolg. 
ni fledoch ließen gewisse Anzeichen darauf schließen, daß 
-fas Medium in einem Falle versucht haben konnte, sich 
fde angeblich produzierte teleplasmatische Materie aus 
Jdem After zu ziehen, wo es sie versteckt gehalten 
i- Ihatte, IIn einer Bewußtseinstrübung auf Grund seelischer 

[Erschütterungen konnte das Medium beobachtet werden, 
fie es ein Stück Taschentuch herunterschluckte. Dies 
a ker objektive Sachverhalt. Die Diskussion wird vertagt. 


= 


—_ 


on 5 
—— 


g Kronfeld. 
tij EEUE 

k- 

et Buchbesprechungen. 

he  —-Haymann, Hermann: Lehrbuch der Irrenheil- 


Funde für Pfleger und Pflegerinnen. 148 S. Berlin 1922, 
|Stinger, Preis 36,00 M. | | 
| Verfasser hat den Umfang dessen, was zahlreiche 
„j Andere im Gebrauch befindliche Anleitungen für das 
„.|renpilegepersonal diesem bieten, erheblich überschrit- 
ch tn Schon der Titel: „Lehrbuch der Irrenheilkunde’” 
[übt das erkennen. Sein Buch will mehr sein, als eine 
p- leitung, die das Gerüst des wohl in der Mehrzahl 
E ker Anstalten jetzt eingeführten Personalunterrichts ab- 
nd tibt. Ob dem Personal indessen ein Lehrbuch von die- 
m Umfange und von so stark medizinischem Anstrich 
je. täglich ist, möchte Referent bezweifeln. Es gehört 
|" Bildungsgrad zum Verständnis, dieses Buches, wie 
ul wohl selten oder nie bei jemandem zu finden ist, der 
ui dem Wärterberuf gewidmet hat oder zu widmen 
r| denkt, Wenn besonders Eifrige es wirklich in sich 
[nehmen sollten, dann liegt es sehr nahe (was- der 
mh tor nicht wünscht!), daß sie auch Diagnosen und Pro- 
mf grosen zu stellen sich getrauen werden. Halbbildung 
lust Überhebung! — Ich werde dieses Buch gern 
gif "em jungen Medizinalpraktikanten in die Hand geben, 
p€ auch einmal in der Irrenanstalt sein Examenwissen 
p| liefen möchte. Er wird daraus allerei schöpfen kön- 
9 auf Grund dessen er weiter bauen kann, sollte er 
el der Psychiatrie verbleiben. Aber dem Personal 
u ich es nicht aushändigen. Bei aller Hochachtung 
y - Bildungshunger und dem Aufklärungsverlan- 
g|, “a8 viele unserer nichtärztlichen Helfer auf dem 
ei | biete der Irrenfürsorge erfüllt, und bei allem guten 
2 Mr hier weites Entgegenkommen zu erweisen: es 
"i eme Grenze, über die hinaus zu gehen sich nicht 
fehlt Dannemann, Heppenheim. 
"E ~ Ostwald, Geh. Rat, Prof. Dr. W.: Farben- 
Mp hologie; Meyer, Nervenarzt Dr. med. Semi: Ent- 
S der Sinnesorgane und Empfindungen. Deui- 
ji Psychologie, Arbeitenreihe Bd. III H: 1, herausge- 
i “i von Dr, Fritz Giese, Halle a. S., Provinzial- 
i tür praktische Psychologie. 58 S. Langensalza 
i ' Verlag von Wendt & Klauwell. 6,00 M. 
dh is Aufsatz lehrt, wie ungemein reich das 
el len er Farbenempfindungen für die Seelenkunde 
ifu Ve ist. Denn jeder Gedanke hat sein Weib 
I arz, seine Buntheit, seine Farben; und die 


n 


Í 


TET e ER 


tes geboten, 


Medizin gewidmet. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 81 


Buntfarben des Gedankens haben ihren Weißgehalt und 
Schwarzgehalt, ihre Harmonie, ihre Kälte und Wärme, 
ihre geringere und größere Helligkeit; die Gedanken 
haben ihre Gleichung wie die Farben, ihre reinen, ge- 
sättigten oder Vollfarben, ihr Prinzip der inneren Sym- 
metrie; es gibt bezogene und unbezogene Farben wie 
konkrete und abstrakte Gedanken. Kurz, wir sehen: im 
Licht spiegelt sich die Seele und Licht ist vielleicht 
selbst Seele oder eine ihrer „Erscheinungs’”formen. 
Auch Meyers Schrift enthält viel Beachtens- 
wertes. Bresler. 


Therapeutisches. 


— Therapeutisches Vademecum 18. Jahrgang. In 
der seither bewährten und vielfach als praktisch aner- 
kannten Form enthält das Therapeutische Vademecum, 
nach Indikationen geordnet, die Vorschläge und Erfah- 
rungen, die im Jahre 1921 auf dem Gebiete der medika- 
mentösen Therapie in der Literatur bekannt gegeben 
wurden. Mit diesem nach Möglichkeit alle Literatur- 
stelien aus den gelesensten deutschen und ausländischen 
Fachzeitschriften genau aufzeichnenden Überblick über 
die medikamentösen Behandlungsmethoden der ge- 
bräuchlichsten Krankheiten wird dem ärztlichen Prakti- 
ker ein handliches Taschenbuch therapeutischen Inhal- 
dem rein wissenschaftlich : arbeitenden 
Arzt das Nachschlagen der Abhandlungen über die ein- 
zelnen Heilmethoden erleichtert und somit allen Ärzten 
mit dem Therapeutischen Vademecum, eine bequeme 
Orientierung über den Stand der neuesten internen 
Therapie vermittelt, 


— Innere Sekretion und Glandole. Den Teilnehmern 
des 34. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für innere 
Herausgegeben von der wissen- 
schaftlichen Abteilung der Chemischen Werke Grenzach, 
Berlin SW. 48, Wilhelmstraße 37-38. 


Die Broschüre „Innere Sekretion und Glandole’ der 
Chemischen Werke Grenzach Aktiengesellschaft, ent- 
hält auf 40 Druckseiten eine Zusammenstellung über die 
Drüsen mit innerer Sekretion, sowie die aus diesen Drü- 
sen hergestellten Glandole. Einige charakteristische AbD- 
bildungen bringen teils wichtige Bilder der Anatomie, 
teils bemerkenswerte Ergebnisse der physiologischen 
Forschung zur Wiedergabe. Die innere Sekretion spielt 
heute um so mehr eine bedeutende Rolle, als wir aui 
dem Wege der therapeutischen Beeinflussung der endo- 
krinen Drüsen, bzw. durch den Ersatz ihrer Funktion 
durch Zuführung von Glandolen in der Lage sind, aui 
die Konstitution des Organismus einzuwirken und auf 
diese Weise die natürlichen Hilfskräfte des Körpers zu 
mobilisieren. Abgesehen von solchen Glandolen, die 
wie z. B. das Pituglandol, Testiglandol, Ovoglandol und 
Luteoglandol seit Jahren ihr bestimmtes Indikationsge- 
biet erobert haben, wird sich das Interesse in besonde- 
rer Weise auch dem Thymoglandol, Epiglandol und nach 
dem Vortrag Biedls auf dem Kongreß für innere 
Medizin Wiesbaden dem Vorderlappenextrakt, 
dem Anteglandol, zuwenden, für die nach den 


82 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


bisherigen Erfahrungen Indikationsgebiete auf breitester 
Basis gegeben sind. Die Broschüre wird iedem Arzt 
auf Wunsch kostenlos und portofrei zur Verfügung 
gestellt, 

— Gehäuftes Auftreten von Neuritiden im Bereich 
der oberen Extremität. Von Erich Ballmann, Ab- 
teilungsarzt der inneren Abteilung des Landkranken- 
hauses Fulda. (Direktor Dr. Gunkel.) Deutsch, Med. 
Wochenschr. Nr. 6 vom 10. Februar 1921. 

Blutuntersuchung: immer 7000 bis 8000 weiße Blut- 
körperchen und eine ausgesprochene Lymphozytose (im 
Mittel 335 v. H. Lymphozyten), wohl postinfektiös 
oder posttoxisch. 

Therapie: am besten bewährt Diathermie, Vierzel- 
lenbäder und vor allem die Iniektion von Solarson; in 
etwa 4 bis 5 Wochen Heilung von den Schmerzen, doch 
noch längere Zeit gewisse Schwäche und Überempfiind- 
lichkeit. 


Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 


Tabletten 


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Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg On ee — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummern, i 
— Verlag: E i 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S 


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Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schrit | 
leitung resp. den Verlag über redaktionelle 
Fragen das Rückporto beizufügen W 


Bezieher der Zeitschriit, 


denen diese durch die Post zugestellt wird, wollen siii 
im Falle unregelmäßiger Zustellung stets an die Pos 
anstalt ihres Wohnortes bzw. ihres Postbezirks wendi 
Bei Wohnungswechsel ist ebenfalls sofort die Bestel 
postanstalt zu benachrichtigen und die Überweisung i 
die neue Adresse zu beantragen. — Bezieher, die if 
Zeitschrift bei einer Buchhandlung bestellt haben wig 
durch diese zugestellt erhalten, müssen ihre Reklamat | 
bei der betr. Buchhandlung anbringen. — Auslandsabk 
nenten, welche die Zeitschrift durch Kreuzband erhal 
reklamieren direkt beim Verlag. 


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über „Jesu Persönlichkeit" zur “i 
ständigung und Versöhnung gesif n | 
Nicht als klügelnder Theologe i u 
Stoff und Paragraphen für eine DT 
lische Theologie sucht, schreibt & K | 
Verfasser, sondern als einer, A H 
gewaltige Gestalt des Einzigaf! 
gepackt hat und der deshalb instali 
ist, in so eindrucksvoller und pacs“ i 
der Weise sein Bild vor uNS ir | 
zu lassen, daß es uns mit Notwelld | 
keit in seinen Bann zwingt. É | 
nicht viele Bücher aus der a ost 
susliteratur, die man so a kill 
empfehlen könnte.“ (Preußisel® 1 
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wird von unsern Land- und 


Das Buch soll einerseits bei Laiti 
Furcht und Mißtrauen wegen unreci 
mäßiger Einsperrung oder. falscher De} 
"handlung in Irrenanstalten beseingead 
andererseits den Angriffen auf de 
Irrenärzte, die bisher von Unverstalf' 
oder bösem Willen ausgingen, ff 
Boden entziehen — beides auf Grunig 
senauester Nachforschungen und wg 
anfechtbaren Quellenmaterials. DM 
Verfasser mußte zu dessen Erlang 
große Hindernisse überwinden U 
schwere Bedenken bekämpfen, auch 
manchen schweren Weg durch «ii 
Gestrüpp von Unsinn und Erbärmlid 
keit machen. Er begnügt sich nidi 
mit der Aufdeckung der Tatsache, W4 
stets völlig überraschend wirkt en 
verhält sich durchaus nicht ablehneil 
gegen Verbesserungen, sondern “p 
weist selbst immer die Wege naa 
auf denen Beseitigung der Mänge 2 
erstreben ist, insbesondere durch en 
Reichsgesetzgebung, die kommen mig 
und wird. Er erläutert auch die Me | 
lichkeit der Aufdeckung der. waid 
Sachlage etwaiger neu auigewo ni 
ner Fälle. Das Werk ist vor ar: 
aber ein Nachschlagebuch, das Eile, 
die bisherigen „sensationellen reg 
aktenmäßig genau unterrichtet J 
boten oft zur Hand genommen WE 
den, da es sämtliche einschläf 
Verhandlungen der Landtage © A 
hend bringt,: und in den Redaktion 
der Tageszeitungen wird 
kommenes Mittel zur schnelle F 
tierung sein. Dem,- der were ii 


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‚ratur-Nachweis. — Man hal © rd 
des Buches zusammenfassend rel 
teil: Warum ist uns das nicht cht 
gesagt worden? — Ja, CuM. ch ge 
— Aber es ist gut, daß es end ani I 
sagte wurde, für Laien und ‚Arzie 


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7 Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 
1 | | Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 


Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
‚Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


a ; Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
‚#4 birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- | 
ARE Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen “ 
w f Rii), Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
| Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schiöß, 
$i Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
| Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr.»Vocke, Eglfing b. München. Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
cE Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: | 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). ' 


Nr. 13/14. 1. Juli 1922/23. 


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II i ‚Bezugspreis: de he 
Sal M i5. — fi ; ; . Zuschriften für die Schriftleitung 
wi E ces Vierteljahr, die Verlag und Ausgabe: sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
GE hadwerden nach der vom Deut. j Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
def | schen Buchhandel vorgeschrie. | Carl Marhold Verlagsbuchhandlung | Bei Anfragen ist das Rückporto 
mia | Denen Verkaufsordnung für das F perzu gegn 

T Ausland berechnet, Za beziehen Halle a. S., Mühlweg 26 Alleinige 

Ag | Quschjed. Buchhandlung, d. Post Anzeigen-Annahme : 

# | unmittelbar vom Verlage. Er- Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale Hans Pusch, Berlin -Zehlen- 


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AȘ j Scheint bis auf weiteres vier- Postscheck: Leipzig 32070. dorf-Mitte, Georgstraße 3. | 


e Inhalt: Körperliche Störung und Wahnideen. Von Prof. Dr. Otto Klieneberger, Königsberg i. Pr. (S. 83.) — 
c ee Begutachtung eines Falles von Encephalitis lethargica unter besonderer Berücksichtigung der Difieren- 
Mi Ikldiagnose. Von Assistenzarzt Dr. Gotthold, Landeshospital Haina. Schluß. (S. 85.) — Zur Klärung des Be- 
„a es Okkultismus. Von Dr. med. Paul Bergmann, Berlin. (S. 89.) — Mitteilungen. (S. 92.) — Buchbesprechungen. 
CE (S. 92.) — Therapeutisches. (S. 93.) 

Es wird dringend gebeten, von Vorträgen und Aufsätzen immer recht 

I bald einen druckiertigen Eigenbericht an die Schriftleitung zu senden. 


"Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universität Königsberg 
(Direktor: Geh.-Rat Prof. E. Meyer). | 


Körperliche Störungen und Wahnideen.') 
Von Prof. Dr. Otto Klieneberger, Königsberg i. Pr. 


5 EB ist eine altbekannte Tatsache, daß den ange- er allmählich lernt, das Zustandsbild mit seinen 
T oun Psychiater, in einer Anstalt fast mehr Symptomen nicht mehr nur zu sehen, sondern zu 
= = = in der Klinik, die Fülle der Gesichte zu- übersehen, wenn er zugleich den Längsschnitt, 
2 ist verwirrt. Keine Psychose scheint der Vorgeschichte, Entstehung und Verlauf der Psy- 
A alderen ähnlich. Jeder Fall scheint einen Son- chosen übersieht, liegt die Gefahr für ihn nahe, in 
r E oan, und es fällt dem Anfänger un- das erento zu verfallen: War er zunächst ge- 

i wer, einzelne Psychosen oder gar Psy- neigt, nur an das Vorliegen von Individual-Psy- 


C Lapua k 
f sengruppen abzugrenzen. Deshalb scheint ihm chosen zu glauben, so kommt er nun oft genug zu 


kl ee : Ä | 
mi Fall anders, weil er zunächst nur das Zu- dem Schlusse, daß es nur eine oder nur ganz 


n st i 1 „0 . Š . . . . .. 
3 a mit einer Reihe von‘ Symptomen wenige Psychosen gibt, in die alle zunächst so 
A i z dieser Reihe von Symptomen alle verschiedenartig aussehenden Zustandsbilder rest- 


ie D als gleichwertig, keines als dominie- los unterzubringen sind. Hat er zunächst die ein- 
eines als nebensächlich betrachtet. Wenn zelnen Symptome überwertet, so verfällt er nun 
u leicht in das Gegenteil der Unterwertung der Er- 
T ) Vortrag, gehalten am 7. Januar 1922 im Nord- scheinungen. Erst ganz allmählich führt die Er- 
E "schen Verein für Psychiatrie und Neurologie. fahrung zum Ausgleich. Aber, wie ich fast fürchte, 


84 -_ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


nicht zu einem restlosen Ausgleich. Ich fürchte, 
daß eine Unterwertung mancher Erscheinungen 
dauernd bleibt. So sind wir gewohnt, Wahnideen 
im allgemeinen einfach zu registrieren, auch Wahn- 
ideen hypochondrischer Natur, denen doch viel- 
leicht körperliche Empfindungen und vielleicht 
auch körperliche Störungen zugrunde liegen. 

So erinnere ich mich, und es sind sicher jedem Psy- 
chiater ähnliche Fälle bekannt, eines Piarrers aus mei- 
ner Anstaltstätigskeit in Emmendingen, der an Dementia 
praecox litt, der täglich mehrere Liter Speichel ent- 
leerte, der mehrere Stunden täglich zur Nahrungsauf- 
nahme brauchte, die aufgenommene Nahrung immer 
wieder heraufwürgte und erbrach, und dabei ständig 
stöhnte und klagte, daß ein Tier in seinem Schlunde 
sitze, das, so oft er einen Bissen oder einen Schluck 
nehme, seinen Kopf vorstrecke und ihm den Schlund 
verschließe, so daß die Speisen wieder hoch kämen, 
Klagen, die er durch Gesten geradezu grotesk demon- 
strierte. Als er starb, fand sich ein Ösophagus-Karzi- 
=- nom, das die Speiseröhre nahezu undurchgänglich ge- 
macht hatte. 


Hier hatter zweifellos körperliche Störungen, 
vielleicht auch durch sie bedingte Sensationen den 
Boden für die Wahnidee abgegeben, die natürlich 
nur auf diesem Boden wachsen konnte, weil der 
Krebskranke psychotisch war. 

Im übrigen bin ich weit davon entiernt, im all- 
gemeinen körperlichen Empfindungen und even- 
tuellen harmlosen Störungen wesentliche Bedeu- 
tung beizumessen. Ich halte es auch für verkehrt, 
‚auf offenkundige Absurditäten, noch dazu in ab- 
Surder Weise, einzugehen, wie das wohl von psy- 


chiatrisch wenig verständigen Ärzten zuweilen ge-- 


schieht. 


So erinnere ich mich weiter eines querulatorisch 
wahnhaften Hypochonders, den ich vor Jahren in der 
Breslauer Klinik unter Bonhoeffer sah und der un- 
ter anderem darüber klagte, einen Frosch im Leibe zu 
haben. Er war von vielen. Ärzten untersucht und be- 
gutachtet worden, bis einer auf den nach Mittelalter 
schmeckenden Gedanken kam, den Kranken an seinen 
eigenen Wahnideen zu packen. Er verschafite- sich 
- einen kleinen Frosch, pumpte dem Kranken den Magen 
aus, praktizierte den Frosch mit taschenspielerischem 
Geschick in die ausgeheberte Flüssigkeit, zeigte dem 
Kranken, quod erat demonstrandum, und erklärte ihn 
für gesund. Mit dem Erfolg, daß der Kranke für kurze 
Zeit wirklich geheilt schien, dann aber mit lebhaft ver- 
mehrten Klagen zurückkam: der Frosch habe gelaicht, 
statt des einen kleinen habe er nun eine ganze Schar 
von Fröschen in seinem Leibe. 


Es ist klar, daß man solche ins andere ab- 
surde Vorstellungen nicht beseitigen kann, sobald 
sie den Stempel des Wahnhaften tragen, d. h. so- 
bald sie auf psychotischem Boden erwachsen sind. 


[Nr. E | 


Hört man Klagen wie die eben geschildert 
(Frosch im Leibe, Tier im Schlund), so ist dif 
Krankhafte wohl ohne weiteres ersichtlich. W | 
schwerer ist die Beurteilung, wenn Klagen vorge | 
bracht werden, die an sich zwar absurd klinge 
und unglaubwürdig, immerhin aber möglich si sind 
Doch was sind absurde Klagen, was sind absurd 
Vorstellungen? Ich glaube, daß wir da dem Felle 
verfallen, den ich vorhin andeutete, dem Fehl 
der Unterwertung mancher Erscheinungen, dab wi 
doch öfter, als es den Anschein hat, Vorstellungag) 
als absurd und wahnhaft hinnehmen oder über} 
gehen, eben weil wir es mit psychotisch 
Kranken zu tun haben, statt die Möglichkeit ei) 
begründeten Unterlage der Klagen in Betracht ag 
ziehen. 3 
Ich habe zwei solcher Fälle der Unterschätzud 
von Klagen beobachtet, von denen der erste hami 
los, der zweite infolge einer ernst zu bewertenda ii 
Fehldiagnose letal verlief. I 


In dem ersten Fall, den ich in der Breslauer Kind 
sah und den ich nur kurz streifen will, handelte es af 1 
um eine senile Kranke, die zahlreiche hy po 
Klagen vorbrachte, darunter eines Tages äußerte, SH 
habe eine Brille verschluckt. Der Stationsarzt-glitt Mil 
einem Scherzwort über die Klage hinweg und ging nid y 
nächsten Kranken weiter. Die Stationsschwester smig 
wohl-auch-mehr aus Scherz, der Kranken in den Mug 
tastete mit dem Finger nach hinten und fühlte enai 
harten scharfen Widerstand. Der herbeigerufene AM | 
prüfte nach, bestätigte die Beobachtung der Schweskt 
und es gelang ihm nun relativ leicht, die tatsächlich 1 w 
schluckte Brille herauszuziehen. | 


Fall 2. Therese B., 35 jährig, ledig, ohne pai 
In der Klinik vom 6. bis 26. Juli und vom 12. pis 
November 1921. 


Anamnestische Mitteilungen des Bruen W 
der Aufnahme: Krankheit begann vor zwei Jahre” im 
Anschluß an unglückliche Liebe: schrie, zuckte, WA 
mitunter erregt. 1920 in Privatirrenanstalt se 
dorf. In den letzten Wochen Verschlimmerung; W 
still, eigenartig. Vor sechs Wochen Veran 
such mit Essigsäure, Magenauspumpung.: Wurde mi 
sonderbarer, fühlte sich beeinflußt, sprach davon, 
Zahnbürste verschluckt zu haben. 


Zustandsbild: Lässige Haltung, jeerer a| 
sichtsausdruck, Neigung zu Manieren und Gimes 
Monoton, ohne Spontaneität, affektarm, zer we 
Voller Beziehungs-, Beeinflussungs- und anderer Be 
ideen. Gelegentlich Halluzinationen. Sieht ac 
deutsamkeiten, Sensationen (zartes Flieben dure 
Hände, Kopf ausgedörrt — trotken). 

Verlauf: Zustandsbild bleibt 
Nimmt nur flüssige Nahrung zu sich. Wes 
der Ösophagusstriktur Untersuchung in der © 
Klinik; diese ergibt Vorliegen einer Stenosë 


i 


EP ER nn re er re S 


| 


-o 
èn Verdacht 
rote 
mit se 


» 


fing etwa 2 cm unterhalb des Klavikularansatzes 
is s Brustbeines. Nahrungsaufnahme immer spärlicher. 
p [ot Nährklistieren und Kochsalzinfusionen zunehmende 
i Ähmagerung. Verlegung in die chirurgische Klinik. 

se Auszug aus der Krankengeschichte 
gi der emurgischen Klinik (27. Juli bis 12. 
il) \vrember 1921): Nochmalige Sondenuntersuchung zeigt 
ir N cm von der Zahnreihe entfernt unüberwindlichen 
hl Widerstand; mit feinster Sonde ist die Striktur passier- 
E i in; Röntgenbild für Stenose typisch. 


Diagnose: 
gaf fians 


W Therapie: Gastrostomie. 
he fiers ohne Ende. Bougierung des Ösophagus mit am 
I hin befestigten Metalloliven zunehmender Stärke. 
Almählich geht selbst die dickste Olive durch die 
eeröhre, 


Narbenstriktur des Ösophagus nach 


a arena praecox bezogen wird. 


Rückverlegung in die Nervenklinik. 
Mhie Toa ane Entkräaitung. 3 


Sektion: Es findet sich im Magen eine in der 
In des Pylorus in die Magenwand eingebohrte 
Anbürste (mit Holzstiel, daher kein Erkennen im 
al Bien), die, wie Druckmarken erkennen lassen, 


i ( 


3 E 
w g 
a wo 


Durchführung eines ` 


Trotzdem Widerwillen gegen Nahrungs-, 
a alnahme, und zunehmende Abmagerung, was auf die 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 85 


zunächst im Ösophagus lag, ihn stenosierte und durch 
die Bougierung in den Magen hineingezerrt wurde. 

Nachträglich wurde bekannt, daß die Kranke nach 
der Operation gefragt haben soll, ob die Zahnbürste 
gefunden worden sei, eine Äußerung, die, wie viele an- 
dere, als Ausfiluß der geistigen Krankheit angesprochen 
wurde, 


Bei einer epikritischen Besprechung des zu- 
letzt aufgeführten Falles im Verein für wissen- 
schaftliche Heilkunde am 19. Dezember 1921 
äußerte sich Prof. Kirschner (Direktor der 


chirurg. Klinik) dahin, daß die Fiehldiagnose ledig- 


lich bei Anwendung der Ösophagoskopie vermeid- 
bar gewesen wäre; er zog aus dem Fall die Lehre, 
bei geistig unzurechnungsfähigen Kranken die 
Ösophagoskopie selbst dann in Anwendung zu 


bringen, wenn Anamnese, Röntgenbild, Bougierung 


und Verlauf eindeutig für eine Narbenstriktur spre- 
chen. Wir wollen aus diesen Fällen die Lehre 
ziehen, auch scheinbar absurde Beschwerden und 
sonderbare hypochondrische Vorstellungen nicht 
ohne weiteres als wahnhaft hinzunehmen, sondern 
nach Möglichkeit zu versuchen, ihnen auf den 
(irund zu gehen. 


Mi. Í Begutachtung eines Falles von Encephalitis lethareica unter besonderer 


1; Begutachtung. Die Unet ahang und 
s irens im hiesigen Landeshospital hat er- 
ften daß H. an dem unter dem Namen Stupor be- 
; Minten Symptomenkomplex litt. Stupor nennt 
i fu einen Zustand, dessen hervorstechendstes 
ai ‚inptom eine mehr weniger schwere Hemmung 
N Motorischem und verbalem Gebiet sowie eine 
“| o ist. In leichteren Fällen macht sich 
solcher Zustand auf motorischem Gebiet haupt- 
ichlich durch eine auffällige Bewegungsarmut be- 
Meter In schweren Fällen findet man die 
e| = oft in unbequemen Stellungen regungs- 
Fi, erharrend oder mit maskenartigem Ge- 
i fe geschlossenen oder weit aufgerissenen 

licr ' und spärlichem Lidschlag wie im Schlafe 
% ha » Ohne auf Anrede, Schütteln, Na- 
p [ies Zu_achten, ohne Nahrung zu nehmen, ge- 
T Speise zu kauen, eingegossene Flüssigkeiten 
N Häufig lassen sie den Speichel aus 

y unde laufen, verunreinigen sich mit Kot und 
k Die Denkhemmung besteht bei leichteren 
den in einer deutlichen Verlangsamung der an 


l. 
i 
2 


Berücksichtigung der Differentialdiagnose. 
Von Assistenzarzt Dr. Gotthold, Landeshospital Haina (Kloster). 
 (Schluß.) 


sich noch geordneten und auch inhaltlich durchaus 
richtigen Gedankenverknüpfung. In schwereren 
Fällen sind die Kranken außerstande, zusammen- 
gesetzte und abgeleitete Vorstellungen hervorzu- 


bringen oder selbst einfache Urteilsassoziationen 


zu bilden. Der Stupor kann sehr verschieden 
stark sein, er kann auch vorübergehend erheblich 
zurücktreten oder völlig verschwinden. Diese 
Stuporzustände finden sich bei den verschiedensten 
organischen wie funktionellen Geistes- und Ner- 
venkrankheiten, vor allem bei Katatonie, Melan- 
cholie, Dementia paralytica und auch bei schweren 
Fällen von Hysterie. Eine Gehirnkrankheit, wel- 
che einerseits mit solchen Hemmungszuständen 
einhergeht, anderseits durch eine Reihe markanter 
Symptome auf körperlichem Gebiet ausgezeichnet 
ist, ist die in den letzten Jahren in Europa nicht 
selten epidemisch im Gefolge der Grippe auftre- 
tende Encephalitis lethargica (Gehirnentzündung 
mit Schlafsucht). Der Beginn der Erkrankung ist 
ebenso vielgestaltie wie der gesamte Symptomen- 
komplex überhaupt. Häufig geht, wie gesagt, eine 


86 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Grippe, eine leichte Erkältung, ein einige Tage 
währender Husten und Schnupfen der Enzephalitis 
unmittelbar voraus. Öfters liegen auch 6 bis 14 
Tage zwischen diesen Symptomen und dem Beginn 
der Gehirnerkrankung. Sie kann aber auch ganz 
akut ohne vorausgehende Beteiligung anderer Or- 
gane einsetzen. Manchmal geht dem akuten Be- 
ginn eine wochenlang anhaltende innere Erregung 
verbunden mit Kopfschmerzen und Schlaistörung 
voraus. In anderen Fällen wieder verbringen die 
Betroffenen die ersten Krankheitstage außer Bett, 
zum Teil noch beruflich tätig. Die an Encephalitis 
lethargica Erkrankten klagen häufig über heftige 
Schmerzen in einem Arm, einem Bein, im Bauch, 
im Gesicht, ohne daß sich immer in den betroffenen 
Teilen obiektiv nachweisbare Empfindungsstörun- 
gen finden. Sie zeigen eine auffallende Apathie, 
die sich oft bis zu ausgesprochener Schlaisucht 
steigert, welche ihrerseits wieder in stuporartige 
Zustände übergeht, bei denen man deutlich den 
Eindruck einer Hemmung hat. Es zeigt sich eine 
allgemeine hochgradige Bewegungsarmut. Das 
Gesicht nimmt infolge völligen Ausfalls aller mimi- 
schen Bewegungen einen maskenartisen Ausdruck 
an. Fragen werden mit langsamer, leiser, tonloser 
Stimme beantwortet, spontan sprechen solche 
Kranke fast nie ein Wort. Sie lassen vielfach dau- 
ernd den Speichel aus dem Munde fließen, sind un- 
rein mit Kot und Urin. Es finden sich vorüber- 
gehend oder anhaltend mehr lokale oder mehr all- 
semeine Zittererscheinungen der Extremitäten. 
Die Muskulatur zeig oft eine deutlich verstärkte 
Rigidität. Die mechanische Muskelerregbarkeit ist 
erhöht. Der Gang ist bald taumelnd, bald unnatür- 
lich steif. Besonders ausgeprägt sind die Erschei- 
nungen von seiten der Augen: man findet ein- oder 


» doppelseitiges Herabsinken des oberen Augenlides 


(Ptosis), Schielen, Lähmungen der verschiedensten 
Augapfelmuskeln und infolgedessen Auftreten von 
Doppelbildern, Augenzittern (Nystagmus), Un- 
gleichheit der Pupillen, träge Lichtreaktion, Auf- 
hebung oder Abschwächung der Reaktion auf 
Nahesehen. Die Temperaturen sind ganz un- 
‚charakteristisch. Schwere Fälle verlaufen nicht 
‚selten fieberfrei, leichtere mit hohem‘ Fieber. 
Irgendwelche Intelligenzdefekte finden sich nicht. 
Der Verlauf der Krankheit ist ein ganz verschie- 
.denartiger, das’ Leiden kann sich über Tage, 
Wochen, Monate und selbst Jahre hinziehen. En- 
zephalitis kann in einzelnen Schüben verlaufen. 
Die Vorhersage ist immer eine ernste. Nach An- 
gaben in der neueren und neuesten Literatur hat sich 
gezeigt, daß selbst bei günstirem Verlaufe trotz 
weitgehender Besserung nicht unbeträchtliche 


Schädigungen des Zentralnervensystems und muf 
Teil auch der Psyche zurückbleiben können, # 

Allen diesen Erscheinungen, sowohl was dut 
Beginn, wie auch die Symptome und den Verid 
anbetrifft, begegnen wir in dem vorliegend 
Krankheitsbilde. Wir hören aus der Vorgeschicif 
von glaubwürdiger Seite, daß H., der bis daig 
regelmäßig und fleißig seinen schweren Beruf il | 
Holzhauer versehen hatte, am 16. März 1920 plt 
lich sehr aufgeregt wurde und über heftige Schme | 
zen in der linken Schulter, im linken Arm md 


‚Kopf geklagt, kaum schlief und nur wenig ah, Di l 


die Schmerzen nicht ‚nachließen, begab er sichi 
ärztliche Behandlung bei Dr. M., welcher eini 
Grippe konstatierte und H. der M.er medizinisch@f 
Klinik überwies. Der Widerspruch in den An 
ben D.s, welcher aussagte, H. habe über Sch 
zen in der rechten Schulter und im rechten Auf 
geklagt, und den Feststellungen Dr. M.s und sii 
ter der medizinischen Klinik, nach denen es sich wif 
Schmerzen in der linken Schulter und im Inf 
Arm handelte, erklärt sich wohl zwanglos aus eig 
Erinnerungstäuschung des D., der ja seine Ange 
erst im März 1921, also ein volles Jahr nach di 
Erkrankungsbeginn bei H., machte. Aus den Ka 
kenakten der Klinik entnehmen wir, daß H. sel | 
erzählte, die Schmerzattacken seien schubwesi 
aufgetreten, er habe anfänglich hohes Fieber &5 
habt, es habe sich zeitweise eine Steifigkeit Wf 


| 
1 
b] 
$} 


Halsmuskulatur eingestellt, zugleich habe ihn on 
gewisse Schläfrigkeit überfallen, er habe pemeri 
daß er zeitweise doppelt sah. In der Klinik selis 


handen. Das Krankheitsbild blieb im wesent i i 
während des Aufenthaltes in der Klinik bestelkl ; 
nur die Schmerzen schwanden. Auf Grunt 
Befundes wurde schon in der Kl 
„Grippeenzephalitis” gestellt. Auch ‚nach a 
Entlassung als „gebessert” änderte sich das ei 
des H. nach Aussagen Dr. M.s kaum. Ër E ; 
schwer besinnlich, die Sprache blieb stockend i | 
M. gelangte daher zu der Ansicht, daß die Kra d | 
heit auf organischer Grundlage beruhe. "i 
Bürgermeister von L. angibt, machte sich sui 
nach der Entlassung aus der M.er Klinik das : al 
bemerkbar. Nach seiner Rückkehr arbeite 1 


a 


Er. 
i 
UE 
u 
i i 


922] 


"a 


o 


miur noch kurze Zeit. Schon am 8. August 1920 
Filte er den Antrag auf Militärversorgung „wegen 
dafschweren Nervenleidens”. Daß die Besserung in 
tim Befinden des H. nur eine vorübergehende war, 
daß die Krankheit vielmehr nach einigen Monaten 
che mit vermehrter Wucht wieder einsetzte, geht 
aif aber aus den Angaben des D. deutlich aus dem in 
iaf dem Gutachten vom 26. Januar 1921 von Med.-R. 
öl Dr. B. niedergelegten Untersuchungsbefund her- 
wg or. Denn es kann nicht angenommen werden, 
Inf daß es sich um eine Neuerkrankung ev. auf anderer 
D$ Grundlage handelte. In dem Gutachten wird be- 
hif on daß H. einen gänzlich apathischen Eindruck 
ag machte, daß er kaum imstande war, sich allein zu 
Mf bewegen. „Mit blödem Gesichtsausdruck, sowie 
wif mit vorgeneigtem Kopf, weit geöffnetem Mund, aus 
wg em dauernd der Speichel abfließt”, stand H. da. 
Art Am ganzen Körper zitterte er: es bestand angeb- 
sp ‚lich unfreiwilliger Urinabgange. Alle Bewegungen 


wurden langsam und unbeholfen ausgeführt. Die 


Mif Sprache war langsam und schleppend. Die Knie- 
mind Fußsohlenreflexe waren sehr lebhaft. Die 
Wf Ripillenreaktion auf Lichteinfall war träge, es be- 
de sand Augenzittern und außerordentlich seltener 
ae Lidschlag. Dr. B. gelangte daher zu der Ansicht, 
In air es sich um eine „hochgradige zentrale Nerven- 
af imung verbunden mit schwerer psychischer 
gig Alfektion” handelte. | 

u Die Befunde der Voruntersucher wurden 
Murch die eingehende Untersuchung und Be- 
k dbachtung im hiesigen Landes -Hospital be- 
x sligt und ergänzt. Es fand sich größte Hin- 
Wüligkeit, Lebhaftigkeit der Kniesehnenreflexe, 


UN Zittern in beiden Armen, etwas träge Pupillenre- 


k: aktion, Augenzittern, Hèrabhängen des rechten 
K Peren Augenlides, Auswärtsschielen, seltener Lid- 
i hlag, temporale Abblassung der linken Papille, 
"| tark belegte Zunge, dauernder Speichelfluß, un- 
BE liger Kot- und Urinabgang. H. machte einen 
R apathischen, stark gehemmten dabei aber 
An sonnenen Eindruck, sprach mit leiser, mo- 
7. ter Stimme, zeigte einen maskenartigen Ge- 


si j Bi aa, 
i p na größte Bewegungsarmut,. Schläf- 
= R 3i ' 


O o e Ereignisse etwas herabge- 
1 eher - Intelligenzdefekt bestand nicht. Seine 
MA kung ent au Beginn und Verlauf seiner Erkran- 
p f nn rachen durchaus den früher gemachten 
1 Sch Er klagte auch hier über die gleichen 
cn Merzen wie früher. 

a $ ZU seinem Tode, von leichten Schwankungen 
3 seschen, stets das gleiche. 


di 
I fu 
Bu i 
` ie 

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A R 
K Tv 


f He, 
Eo ii 


7 7° im Vorstehenden in seinen einzelnen Zü- 


un 


= Der Gedankenablauf erschien verlang- 
Ft, die Merkfähigkeit bei gutem. Gedächtnis für 


Das Krankheitsbild war 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 87 


gen geschilderte Krankheitsbild charakterisierte 
sich also als Stuporzustand bei Encephalitis lethar- 
eica. | | R 

Bei dem vorliegenden Zustand war auch zu 
denken an einen Fall von Katatonie (Spannungs- 
irresein) oder an einen Fall von Psychoneurose 
(Hysterie), auch an das Vorliegen einer beginnen- 
den Paralysis agitans (Schüttellähmung) konnte 
gedacht werden, bei der ebenfalls Zittererschei- 
nungen, Muskelsteifheit, schwächerwerdendes Zit- 
tern bei intendierten Bewegungen, Schmerzen in 
den verschiedensten Muskelgebieten vorkommen. 
Dieser letzteren Vermutung widerspricht iedoch 
der psychische Zustand, der bei Paralysis agitans 
fast nie beeinträchtigt ist. 


Um Katatonie konnte es sich nicht handeln, da 
eine Reihe von für Katatonie wichtigen Symptomen 
auf psychischem Gebiet fehlte. Zunächst entwik- 
kelt sich eine Katatonie meist allmählich. Wohl 
bestand auch bei dem. hier in Frage stehenden 
Krankheitsbilde Apathie und schwerer Stupor, aber 
es fehlte dieser Hemmung der charakteristische ` 
Negativismus, d. h. der hartnäckige Widerstand, 


: den die Kranken jeder von außen kommenden Ein- 


wirkung entgegensetzen, es fehlte ferner jede Be- 
fehlsautomatie, eine Erscheinung, die darin be- 
steht, daß die Patienten wie willenlose Maschinen 
Befehle ausführen, vorgemachte Bewegungen wie- 
derholen, andere Personen nachahmen. Es fehlte 
die Neigung. zu Stereotypien (bizarre Posen, wel- 
che die Kranken festhalten, Grimassieren usw.) 
und zu Manieren, d. h. allerhand Absonderlichkei- 
ten im motorischen Verhalten z. B. Katalepsie 
(Starrsucht), Verbigeration (d. h. das beständige, 
in pathetischem Tone erfolgende Wiederholen z. T. 
ganz sinnloser Worte und Sätze) u. a. m. Völlig 
vermißt wurden triebartige Erregungen, episodisch 
auftretende Sinnestäuschungen und Wahnideen, so- 
wie vor allem die für Katatonie so charakteristi- 
sche Zerfahrenheit des. Denkens mit Übergang in 
einen geistigen Schwächezustand. H. war zwar 
den Vorgängen der Außenwelt gegenüber abge- 
stumpft, aber doch durchaus nicht geistig ge- 
schwächt und stets über sich, seine Lage und die 
Ereignisse in seiner Umgebung richtig orientiert. 
Bei Katatonie sind im allgemeinen auch keine or- 
ganischen Erscheinungen vorhanden, welche auf 
eine grobe -anatomische Erkrankung des “Gehirns 
und Rückenmarks hinweisen, wie es hier der Fall 
war (z. B. Doppelbilder, Augenzittern usw.). 


Wesentlich eher konnte bei der Differentialdia- 
enose ein psychogenes Leiden in Betracht gezogen 
werden, und es wurde in der Tat der Fall hier zu- 


LOV NINJ J 2 Ic 


88 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


nächst als ein solches angesehen. Eine Reihe von 
Symptomen auf körperlichem und geistigem Ge- 
biet schienen auf eine psychogene Erkrankung 
(Hysterie) hinzudeuten: z. B. der lethargische Zu- 
stand, der an die Schlafanfälle der MAysterischen 
erinnerte, das Zittern, das sich bei traumatischen 
Psychoneurosen (Kriegsneurotikern) so häufig fin- 
det, das vollkommene Fehlen des Würgreilexes, 
die Lebhaftigkeit der Knochenhaut- und Sehnen- 
reflexe an den Armen und der Kniesehnenreilexe, 
die Monotonie der Sprache, das Fehlen jedes In- 
tellixenzdefektes. Andrerseits wurde aber auch 
eine Reihe von für Hysterie charakteristischen 
Stigmata auf körperlichem und psychischem Ge- 
biet vermißt, wie vorübergehende Lähmungen und 
Gefühlsstörungen, Krämpfe, Labilität der Vorstel- 
lungen und der Stimmungslage, gesteigerte Beein- 
flußbarkeit, ferner gewisse Erscheinungen, die in 
ihrer Gesamtheit den hysterischen Charakter re- 
präsentieren, wie z. B. gesteigerte Phantasietätig- 
keit, Lügenhaftigkeit, Egoismus, Launenhaftigkeit, 
Bedürfnis, eine große Rolle zu spielen usw. Auch 
der ganze Verlauf, die absolute Monotonie des 
Krankheitsbildes, das in sich Geschlossene des- 
selben, das in direktem Gegensatz stand zu der 
Vielgestaltigkeit der Erscheinungen bei Psycho- 
neurosen, wie auch der mangelnde Erfolg einer 
psychischen Behandlung sprach gegen das  Vorlie- 
sen einer Hysterie. Den Ausschlag bei der Beur- 
teilung des Krankheitsbildes aber gab eine Reihe 
organischer Symptome auf körperlichem Gebiet, 
namentlich die Erscheinungen von seiten der 
Augen (Abschwächung der Reaktion auf Nahese- 
hen, Augenzittern, Seltenheit des Lidschlages, Her- 
abhängen des rechten oberen Augenlides (Ptosis), 
Schielen, temporale Abblassung der linken Papille), 
Erscheinungen, die in dieser Summierung und Kon- 
stanz bei Hysterie nicht vorkommen. 

Diese körperlichen Krankheitszeichen in Ver- 

bindung mit den übrigen Symptomen ließen die 
Diagnose Enzephalitis nicht mehr zweifelhaft er- 
scheinen. 
Steht nun diese . Gehirnkrankheit mit dem 
. Kriegsdienst in irgendwelchem ursächlichem Zu- 
sammenhang in dem Sinne, daß ohne das eine das 
andere nicht entstanden wäre? 

In seinem Antrag auf Militärversorgung „we- 
gen schweren Nervenleidens” vom 8. August 1920 
führt H. sein Leiden auf den „Lungenschuß und 
sonstige Entbehrungen im Felde” zurück. 

Der Stiefbruder des H. gibt an, daß er bei sei- 
nem Bruder nach dessen: Verwundung ein an- 
scheinend nervöses Kopfizucken” bemerkt habe. 


‘trächtigt war, geht auch daraus klar hervor, dl $ 


“um eine akute Infektionskrankheit mit Beteiligt] 
des Gehirns, eine Krankheit, von der in dem letz 


[Nr. aud 


Zunächst sei ein Irrtum des H. richtig zetel i 
Wie sich aus dem Krankenblatt des R.-L, C, mi 
gibt, hatte er gar keinen Lungenschuß, sondem 4 
lediglich einen Weichteilschuß in der- rechtend 
Schulter. H. tat nach Ausheilung seiner Verwu- i 
dung zunächst Garnisonsdienst, rückte dann im# 
November 1916 wieder ins Feld, und machte def 
Strapazen des Krieges bis zur Demobilisierung at- $ 
scheinend ohne Beschwerden mit. Daß er in ser 
ner Leistungsfähigkeit nicht im geringsten beem- | 


er im Dezember 1918 „wegen Tapferkeit vor deni 
Feinde” zum Gefreiten befördert wurde. Nadit 
seiner am 21. Dezember 1918 erfolgten Entlassung # 
arbeitete er dann noch bis zum 16. März 1920 al d 
Maurer und Holzhauer, beides doch körperid $ 
sehr anstrengende Berufe, ohne daß sich irgend $ 

welche Beschwerden bemerkbar gemacht hätten $ 
Wie aus den in den Akten niedergelegten übereit | 
stimmenden Aussagen des H. selbst, seines Ver- 4 
wandten D., der mit ihm in der fraglichen zu | 
zusammengearbeitet hatte, sowie des Bürgerme $ 
sters von L., hervorgeht, erkrankte H. akut in 
März 1920. Die Krankheit wurde von dem beha] | 
delnden’ Arzt Dr. M. als „Grippe”, später von def 
M.er medizinischen Klinik genauer als „Grippe f 
enzephalitis” bezeichnet. Es handelte sich asof 


ten Kriegsiahr und den darauffolgenden Jahren $ 
häufig Menschen des verschiedensten Alters, Ge 
schlechts und Berufs, Kriegsteilnehmer sowohl wie. f 
Leute, die nie den Anstrengungen des Kriegsdie- i 
stes ausgesetzt gewesen waren, befallen wurden | 
Vielfach hat sich gezeigt, daß gerade die kräftig f 
sten und leistungsfähigsten Menschen Grippe ber | 
kamen. | 
H. hätte ebenso leicht erkranken können, wi] 
wenn er nie im Kriege gewesen wäre. 1 
Dr. M. und M.-R. Dr. B. gelangten tere 
stimmend zu der Überzeugung, daß das Lei | 
des H. mit dem Kriegsdienst nicht in ursächlichet 
Zusammenhang zu bringen. ist. i; 
Auf Grund des Aktenstudiums, der Unters- i I 
chung und Beobachtung im hiesigen Landesinfig | 
tal kann ich mich dieser Ansicht nur voll ui | 
ganz anschließen. A 
Ich gebe daher mein Gutachten ab wie it i 
H. litt an der unter dem Namen Ent] 
lethargica bekannten Gehirnkrankheit. Diese 6 1 
wickelte sich auf der Grundlage einer Grippe 
Als mit der Verwundung oder den besonder 
Anstrengungen des Kriegsdienstes in irgend 


~ 


f ts 


f 


afi demgemäß hierfür abzulehnen. 

m 

mo Literatur. 

lie lewan dowsky-Hirschfeld, Praktische Neuro- 
t logie für Ärzte. 3. Aufl. 1919. S. 163 ff. 

ie roebbels, Über Encephalitis lethargica. M. m. W. 
rf 120 Nr. 5 S. 131. 

WfDreyfuß, Die gegenwärtige Enzephalitisepidemie. 
ig M. m. W. 1920 Nr. 19 S. 538, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 89 


Ein Fall von Encephalitis lethargica in 
Ostpreußen. M. m. W. 1920 Nr. 19 S. 542. 

Gords, Die Augensymptome bei der Encephalitis 
lethargica. M. m. W. 1920 Nr. 22 S. 627 ff. 

Grahe, Untersuchungen des Hör- und Gleichgewichts- 
apparates bei Encephalitis lethargica. M. m. W. 
1920 Nr. 22 S. 629 f. 

Speidel, Spätfolgen der Enzephalitis nach Grippe. 
M. m. W. 1920 Nr. 22 S. 630. 

Cohn-Lauber, Zur Frage der Encephalitis epide- 
mica. M. m. W. 1920 Nr. 24 S. 6881. 

Moritz: Über Encephalitis epidemica (lethargica). M. 
m. W. 1920 Nr. 25 S. 711 ff. 


Kötschau, 


ch : 

gi 

Ss 3 Eo 
T Zur Klärung des Begriffes Okkultismus. 
E s Von Dr. med, Paul Bergmann, Berlin. 


Ki M Recht erklärt Prof. Friedländer in 
SANT 5-6 1922 dieser Wochenschrift, es sei 
i F hohe Zeit, daß wir uns in 'der Streitfrage des 
"A Okultismus vor allem über die Begriffe einigen. 
on dieser Einigung aber scheinen wir noch weit 
Taten zu sein. Sehen wir doch, daß Fried- 
i länder die Bezeichnung wissenschaftlicher Ok- 
1 ‚lismus ablehnt, als.wenn sie eine contradictio 
Ea adiecto enthielte, und daß San.-Rat Dr. B r es- 
fer den Okkultismus als ein Wissensgebiet über- 
A Maupt nicht anerkennt, sondern ihn als einen seeli- 
i; Shen Zustand verstanden wissen will. Die Auf- 
4 sung der beiden genannten Autoren ist erklär- 
ich und sogar berechtigt von ihrem Standpunkt 
18 Es fragt sich nur, ob dieser Standpunkt der- 
Felge sei, welcher dem Wesen des Okkultis- 
is entspricht, und welcher somit diesem gegen- 
; A als der allein zulässige angesehen werden 


J 5 wird daher, um diesen Standpunkt zu ge- 
g men, alles darauf ankommen, sich über das 
gen des Okkultismus klar zu werden. Seine 
i ®wöhnliche, auch von Friedländer übernom- 
E Begriffsbestimmung besagt, „zu ihm gehöre 
| Se uns heute noch verborgen ist‘. Ahnlich 
Fi L.. a Okkultismus ‚nach Sünner „das 
Eie : ebiet der psychischen und psychophysi- 
1 w orgànge, soweit sie auch für uns Arzte und 
; “ Wissenschaftler in der Tat noch verborgen 


Die Detni m 
i œ Definition Friedländers kann schon -< 


4 k - en Weite unmöglich richtig 
Finnie « inre Grenzen verlieren sich ins Unbe- 
5 nsh de daß in ihgen Dinge liegen, die kein 
Er, an Okkultismus zuzählen wird. Man hat 
T iche Wissen eine kleine Insel im uner- 


- meßlichen Ozean des Nichtwissens genannt. 
möglich aber können alle die zahllosen Dinge und 


Un- 


Begriffe, die in diesem Ozean umherschwimmen 
und die wir bisher noch nicht zu unserem Wissens- 
gut gemacht haben, als okkult angesehen werden. 
Denn sonst wäre diese Bezeichnung unterschieds- 
los auf die Oberfläche des Mars, auf den Krank- 
heitserreger der Masern, auf die Entstehung der 
ersten Lebewesen, auf den Erbauer der Cheops- 
pyramide, auf alle ungelösten Probleme der Ma- 
thematik oder der Philosophie, kurz auf die hetero- 
eensten Fragen und Begriffe gleichmäßig anzu- 
wenden. | 
Aber selbst wenn wir die Definitionsgrenzen viel 
schärfer ziehen und mit Sünner auf das Nichtwis- 
sen im Felde der Seelenkunde einengen, so 
bedarf es wohl keines Beweises, daß bei den viel- 
fach noch ganz ungeklärten Fragen dieses For- 
schungsgebietes unter das Rubrum des Okkultis- 
mus Dinge zu bringen wären, die bald von den 


.Psychiatern, bald von den Pädagogen oder den 


Psychologen mit Recht ihrer eigensten und ange- 
stammten Domäne zugerechnet werden. Oder 
hieße es nicht, allem wissenschaftlichen Sprachge- 
brauch Gewalt antun; wollte man die Frage nach 
der Willensfreiheit, nach der Ursache der Fallsucht, 
nach dem Wesen der Hysterie, nach der Gehirn- 
lokalisation geistiger Fähigkeiten und ähnliches als 
okkulte Forschung bezeichnen? 

Nein, das bloß negative Merkmal des noch Un- 
bekannten ist gewiß nicht ausreichend, um einem 
Forschungsobjekt okkulten Charakter zu verleihen. 
Sonst wäre ja der Okkultismus eine Wissenschaft, 
die durch jede neu gewonnene Erkenntnis auf 
ihrem Gebiet nicht bereichert und weiter ausge- 
baut würde, sondern die vielmehr dadurch Gefahr 


90 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


liefe, sich ihren eigenen Boden abzugraben und zu- 
letzt gezgenstandslos zu werden. 

-Wenn wir uns nunmehr der Frage zuwenden, 
was denn das Wesentliche am Okkultismus sei, so 
müssen wir uns zunächst darüber klar werden, 
daß alle seine Erscheinungen nicht aus dem Rah- 
men des Naturgeschehens herausfallen und daß sie 
sich von den „natürlichen” nur dadurch unterschei- 
den, daß ihr Zustandekommen nicht den bekannten 
Naturgesetzen unterworfen erscheint. Anders ge- 
sagt: Alles, was okkult geschieht, ist ausnahmslos 
von der Art, daß es auch — freilich unter anderen 
Entstehungsbedingungen .— im Naturverlaufe vor 
sich geben kann. Die Wirklichkeit der 
okkulten Erscheinungen soll hier nicht erst unter- 
sucht, sondern als bewiesen unterstellt wer- 
den. Dann zeigt sich uns, daß durch Telekinesie, 
durch Materialisation, durch mediales Schreiben 
oder Sprechen, sogar durch räumliches und zeit- 
liches Hellsehen lediglich solche Erscheinungen be- 
wirkt werden, die an sich auch im täglichen Leben 
vorkommen.. Die mediumistischen Klopf- 
laute oder Tischerhebungen unterscheiden sich 
ihrem sinnlichen Eindruck nach in keiner Weise 
von den natürlichen, die ich beliebig an 
jeder geeigneten Unterlage mittels meiner Hand, 
also mechanisch, bewirken kann. Ihren okkulten 


Charakter gewinnen sie allein dadurch, daß’ sie, 


entgegen dem mechanischen und physikalischen 
Naturgesetz, ohne materielle Ursache, demnach 
also durch eine immaterielle oder 
Bewegungsursache hervorgerufen werden. Auch 
den aus dem Leibe des Mediums gewonnenen 
Materialisationen, mögen. sie hun in ausgebil- 
deten Gestalten oder in zusammenhangslosen Kör- 
performen oder in bloßen Gewebsfetzen bestehen, 
fehlt es nicht an einem: natürlichen Analogon, und 
zwar finden. wir dieses in den Neubildungen, die 
jeder höher entwickelte Organismus 
unter einem pathologischen Reiz oder auf dem 
Wege der Zeugung aus sich hervorbringen kann. 
Ein weiteres Analogon zur Materialisation erleben 
wir an tief Typnotisierten, wo wir allein durch 
die Suggestion, durch die ideoplastische Kraft der 
Vorstellung, also auf rein geistigem Wege, 
‚tiefgreifende Gewebsveränderungen erzeugen kön- 
nen. Gerade: aus diesem Beispiel lernen wir, dab 
‚ein rein geistiges Agens an und mittels der leben- 


den Materie rasch Wirkungen zu erzielen vermag, 
zu denen auf den physiologischen Bahnen des Orga- 


 nismus geraume Zeit erforderlich ist. 

Nicht weniger als die bisher erwähnten okkul- 
ten, Erscheinungen hat auch die Telepathie ihr 
Vorbild im Naturgeschehen, und zwar in dem natür- 


` gleichermaßen innewohnt, aber in den sogenannii ; 


gemeinsame Eigenschaft ist, spricht dafür, dab wiif 


psychische 


entweder. 


‚nehmen, 


[Nr. E 


lichen Vorgang der Übertragung von Gedankuk 
oder Empfindungen auf einen anderen durch das 
Medium der Rede, der Schrift, des Mienenspiek, | 
der Zeichengebung oder durch irgendwelche ami 
dere Hilfsmittel physischer und psycho-physischt | 
Art. Auch hier nämlich sehen wir wieder, daß si 
der okkulte Charakter nicht etwa in der Erschidf 
rung selbst ausspricht, sondern vielmehr dadırdd 
daß diese ohne alle körperlichen Behelfe allei 
durch. einer geistiee Rraki zustand 
kommt. g 
Mag man nun diese Kraft mit einigen Autor | 
psycho-physische Energie, mit anderen strahlend 
Emanation, mit den Spiritisten Astralleib, mit Carl $ 
du Prel transzendentales Subjekt oder sonstwii 
benennen oder mag man in ihr einfach unse 
Seele erkennen mit der Annahme, daß diese uk ; 
ter gewissen Umständen sich aus ihrer physiologapi 
schen Arbeitsgemeinschaft mit dem Körper losis 
und hierdurch zu selbständigen und hochgesteigii \ 
ten Wirkungen oder, anders gesagt, zu okkult h 
Phänomenen befähigt wird, so wird doch jedeniaugi 
soviel von allen okkultistischen Forschern überein 
stimmend bezeugt, daß diese Kraft uns allen zw&f: 


Medien mit besonderer Leichtigkeit frei soW 
hochgradig aktiviert wird. Auch dieser Umstail | 
daß" die Urheberkräft an sich eine- allen Mensch 
es in den okkulten Phänomenen mit Erscheinung 
zu tun haben, die zum Naturlauf gehören und mi 
infolge ihrer Seltenheit als etwas Besonderes "7 
vortreten. i 
An dieser Auffassung von dem natur 
Charakter des Okkulten kann sich auch dann nich? | 
ändern, wenn man die seltsamste von allen Ersche | 
nungen dieser Art, nämlich die Pr ophetie i 
Betracht zieht. Man darf diese als einen Höhe 
ia vielleicht ‚als den eigentlichen Gipfelpunkt W ef 
okkulten Phänomene bezeichnen, und zwa ab 
dem Grunde, weil an ihr mit überzeugender Dof 
lichkeit zutage tritt, daß sie durch nichts anders 
als durch die Seele verursacht wird. ci 
räumliche Fernschau und die Psych0d 
metrie lassen sich noch allenfalls als 
stungen ausdeuten, freilich nur mittels recht | 
ner Hilishypothesen. Man muß dann imlich a ar 
daß jeder irgendwie geartele Vorgmik i 
auf welchem Punkte der Erde er sich auch m 
len mag, die ihm entsprechenden tas ae 
den Weltenraum hinaussendet und dab Rn i 
bald sie auf ein genügend empfängliches Y% 
auftrefien, die ihnen adäquaten Sinneseil rück al 
hervorrufen.  Zugunsten der psychometrie 1 


u je 


ad foi die weitere Annahme erforderlich, daß nicht 
ai ir die gegenwärtigen Ätherwellen so zu wirken 
sd wmögen, sondern daß auch die in längst ver- 
anglisener Zeit von irgendwelchen Gegenständen 
her fer Geschehnissen ausgegangenen Strahlungen 
afi ich im Gehirn und damit im Vorstellungsvermögen 
ek fies Mediums immer wieder in ihre ursprünglichen 
a finquellen umsetzen können. 

iid Aber selbst diese so recht erquälte Konstruktion 
ie Jar Erklärung der beiden okkulten Phänomene 
Fins gänzlich im Stich gegenüber der zeitlichen 
femschau oder Prophetie. Denn sie hat ja zu 
ad fi em Gegenstand Dinge oder Vorgänge, die noch 
ri Arnicht der Wirklichkeit angehören, sondern noch 
vie, in Schoße der Zukunft ruhen. Es kommen daher 
nf kwi hr gar keine Objekte in Frage, die etwa im- 
ande wären, durch Aussendung von Emana- 
a imen, von Strahlen, von Ätherteilchen und der- 
iNi | Zeichen irgendeine mehr oder weniger stoffliche 
et Wirkung auf das Gehirn des Mediums auszuüben 
kn) Wd damit Sinneseindrücke auszulösen. Daher 
ls ind wir geradezu genötigt, in der Prophetie eine 
m Nbständige, von allem Körperlichen losgelöste 
astung einer psychischen Kraft bzw. unseres 
i Wlenwesens zu sehen. Die Prophetie läßt also 
viiite Verursachung durch eine psychische Kraft in 
nd, h wonders deutlicher Weise erkennen. Nun ist 
mji aber allen übrigen okkulten Phänomenen durch- 
E e ea, und es ist ‚daher eine nahe- 


t ™ daß Auch als er sc die seh 
o ai e Kraft anzusprechen ist. 


tt des Okkultismus etwa folgendermaßen um- 
i fetzen zu dürfen: Der Okkultismus hat zu seiner 
Nabe die- wissenschaftliche Erforschung der- 
üktigen psychischen und psychophysischen sowie 
el Aysikalischen Erscheinungen, die zwar den Rah- 
killen des Naturgeschehens nicht überschreiten, 
"i 4t deren Ursache in dem autonomischen 
Tlörperlich unabhängigen) Wirken einer psychi- 

| Ken Kraft zu suchen ist. | 
jie as halte es für besonders wichtig in der Defini- 
u ss Okkultismus seinen naturhaften Charakter 
4 “tonen, und zwar darum, weil seine Erschei- 
it igen nur allzu oft mit anderen Vorgängen ver- 
Äh. werden, die zwar auch durch eine rein 
ische Ursache hervorgerufen werden, aber in 
eo daß sie die Naturgrenzen mehr oder 
Me überschreiten. Das ist jene Klasse von 
„| u, welche man die übernatür- 
der Wunder nennt. Auch ihre 


ke fita EA 
st 4 lität soll hier nicht untersucht, sondern als be- 


hr 
im: 
D j 


d 
ef 
"| 


Auf Grund dieser Darlegungen glaube ich def 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 91 


wiesen unterstellt werden. Jede aber von ihnen, 
soweit sie mit Recht als Wunder bezeichnet wird, 
besteht in einem Geschehnis, das im Naturlauf 
nicht vorkommt, sondern ihm widerspricht. In der 
Luft schwebende Tische oder fliegende Menschen 
(Levitationen) gehören in den Bereich des 
Okkulten; denn das sind Erscheinungen, die, wenn 
auch freilich mit mechanischen Behelfen, in der 
Natur vorkommen. Sogar die zeitliche Fernschau 
hat ihr natürliches Vorbild; denn das Voraussehen 
des Zukünftigen mittels vernünftiger Erwägungen 
ist eine so wesentliche Eigenschaft des Menschen, 
daß die Zoologen aus ihr sogar seine Bezeich- 
rung als homo prudens = providens hergeleitet 
haben. Aber etwas ganz anderes geht vor sich, 
wenn sich der heiligen Elisabeth die für ihre 
Armen bestimmten Brote plötzlich in Rosen ver- 
wandeln; denn hier vollzieht sich ein in der Natur 
ganz unerhörter Vorgang, die Transsubstan- 
tiation. Oder wenn uns gar berichtet wird, ein 
wirklich Toter sei wieder zum Leben erwacht, so 
hat dieser Vorgang mit Okkultismus nichts zu tun; 
denn im Naturlaufe geschieht es zwar, daß ein 
Organismus stirbt, niemals aber, daß er nach sei- 
nem Tode als solcher ins Leben zurückkehrt. 

Dazu kommt noch ein zweiter Trennungsstrich 
zwischen Okkultem und Übernatürlichem. Alle 
zum ersteren Gebiet gehörenden Erscheinungen 
sind nämlich an teils apodiktische, teils bloß be- 
sünsticende Entstehungsbedingungen von subjek- 
tiver +) sowie von objektiver?) Art geknüpft und 
zeigen in ihrem Ablauf eine Regelmäßigkeit, die 
dem naturgesetzlichen Charakter nahekommt. Sie. 
können daher, wenn auch ihre Ursache als 


psychische Kraft oder Wesenheit außerhalb. der 


Erscheinungswelt steht und daher unserer Erkennt- 
nis nicht unmittelbar zugänglich ist, auf experi- 
mentellem Wege erzeugt und wissenschaftlich er- 
forscht werden. Ganz anders hingegen verhält es 
sich mit den sogenannten übernatürlichen Vor-- 
gängen. Diese stehen jenseits aller gesetzlichen 
Bedingungen und können daher niemals in der Art 
wie das Okkulte Gegenstand unserer Forschung 
werden, sondern — ihre Realität vorausgesetzt — 
müssen wir uns ihnen gegenüber nach Goethes 
Mahnung darauf beschränken, das Uneriorschliche 
still zu verehren. | 


I) Persönlichkeit des Mediums, seine spezifische ° 


‘Veranlagung zur Erzeugung einer bestimmten Klasse 


von Erscheinungen, Gemütslage und Stimmung der Zir- 
kelteilnehmer, seelische Einstellung usw. 

2) Belichtung, Zirkel- und Kabinettsbildung, Klima, 
Tageszeiten, Witterungsumstände usw. 


92 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Mitteilungen. 


— Zum 100. Deutschen Naturforscher- und Ärztetag 
am 17. September in Leipzig bereiten in Verbindung 
mit anderen die Psychiatrische und Nervenklinik der 
Universität Leipzig und der Deutsche Buchgewerbeverein 
eine wissenschaftlich fundierte Sonderausstellung von 
Anschauungsmaterial aus dem psychopathologischen 
Grenzgebiete. Die Veranstalter der Ausstellung richten 
. an alle Fachkreise die Bitte, vorhandenes Material leih- 
weise zur Verfügung zu stellen. Es kommen nach- 
stehende Abteilungen in Frage: 


1. Veränderung der Handschrift durch Krankheiten, so- 
wohl organische Nerven- und Gehirnkrankheiten wie 
Prozeßpsychosen, konstitutionelle und reaktive patho- 
logische Zustände. Wertvoll sind besonders Fälle, 
bei denen die Schrift aus gesunden Tagen zum Ver- 
gleich gezeigt werden kann. 

2. Zeichnungen (auch einfachste Kritzeleien) von Geistes- 
kranken (und Grenzfällen) nach Diagnosen geordnet, zu 
neuer Klärung des Problems, wieweit spezifische Aus- 
drucksmerkmale nachweisbar sind. 

3. Zeichnungen von Psychopathen, abnormen Charak- 

.. teren, Perversen, Neurotikern usw., vor allem soweit 

sie formal und auch inhaltlich die seelische Eigenart 
des Betreffenden anzeigen. 

Unter Giftwirkung entstandene Zeichnungen, Schriften 

usw. (Opium, Alkohole, Haschisch usw.) 

5. Zeichnungen von abnormen Kindern: Idioten, Imbezil- 


a 


‚len, Epileptikern, Taubstummen,.. Schwererziehbaren.. 


usw. (Normale Kinder kommen nicht in Frage.) 

6. Zeichnungen von Strafgefangenen, Insassen von Ret- 

' tungshäusern, Erziehungsanstalten usw. 

7. Sphäre: besonders von ungeübten Erwachsenen; auch 
einfachste Kritzeleien aus Sitzungen, auf Telephon- 
blocks usw. 

8. Systematische Serienversuche aller Art. 


Weiterhin wird dringend um zweckdienliche Hin- 
weise gebeten. X Geschäftsstelle befindet sich Leipzig, 
Dolzstraße 1. Deutsches Buchgewerbehaus, Geschäfts- 
stelle Deutscher Buchgewerbeverein (Dr. Hauschild). — 

Unter Hinweis auf vorstehende Notiz teile ich mit, 
daß ich beabsichtige, für die bezeichnete Sonderaus- 
stellung eine Sonderausgabe der Psychiatrisch-neurolo- 
gischen Wochenschrift vorzubereiten, in welcher zu der 


Frage der Erblichkeit der Handschrift Stellung genom- 
men wird. 


Ich habe bereits im Jahrgang XXII, Nr. 45/46, Seite 


354, dieser Wochenschrift empfohlen, dieser bisher nicht 
erörterten Frage Beachtung zu schenken. Inzwischen 
dürfte sich manches herausgestellt haben, was wenig- 
stens als Vorarbeit zu einer Inangriffnahme der Aufgabe 
oder als theoretische Klärung von Bedeutung ist. Selbst 
wenn diese Sonderausgabe der Psychiatrisch-neurolo- 
gischen Wochenschrift nur solche Vorarbeit bringt, so 
würde das schon ein wichtiger erster Schritt sein. 

Da in den Krankenakten der Irren- und Ner- 
venheilanstalten wohl ausnahmslos sich, zumal als 
Schriftwechsel zwischen Angehörigen und Kranken, Hand- 


schriften von Eltern und Kindern und Geschwistern bet 
finden, so ist hier ein weites und ergiebiges Feld ii 
obige Forschung gegeben. | 4 

Manuskripte erbitte ich bis spätestens 15. Augus 


Dr. Bresler {È 


x $ A 
i E A 
R u 


Buchbesprechungen. 


— Kretschmer, Ernst, Privatdozent für Pii 
chiatrie in Tübingen: Medizinische Psychologie. Hif 
Leitfaden für Studium und Praxis. 505 S. Leipzig W 
Verlag von Georg Thieme. Geh. 39,00 M, geb. 40 


Dieses Buch ist frisch und flott geschrieben, il 
sich gut und kann als Lehrbuch bestens empfohlen wegh 


| 
den. Letzteres freilich in der Hoffnung, daß eine niig 
Auflage in manchem Besserung zeigt. Die Psychologii 
der Suchten (Alkoholismus, Morphinismus, Nikotinismigi 
usw.) fehlt ganz, während doch sonst die Psychopalitäl 
logie z. B. der Dementia praecox und des manisch 


pi 
Pt, 


pressiven Irreseins behandelt ist. | SI 

Schlimm ist es, daß die med. Psychologie bezeidi $ 
net wird als „eine ganz junge, in den letzten 20 Jahti 
eben erst entstandene und überall in lebhaftem Fluh ti 3 
griffene Wissenschaft” (S. 4). Das „in den letzten AP 
Jahren eben erst entstandene” ist wirklich nicht riai 

Ob etwas gewonnen ist, wenn statt „unbewill i 
das Wort „sphärisch”, d. h. am Rande des Be wubtseil i 
eingeführt wird; erscheint zweifelhaft (S. 66). = 

Die lächerlichen Verirrungen der Psychoanal 
d. h. derjenigen Richtung, welche man wegen der mag 
chenhaft phantastischen, arabeskenartigen Ausschwi 3 
fungen die orientalische nennen kann, hätten zu noch l 
ßerer Zurückhaltung und zu bestimmterer Ablehnu 
der Beurteilung und Empfehlung der Psychoanal ' 
mahnen sollen, sogar zu ernster Warnung nach den „Mji 
gsenießbaren Auswüchsen”, von denen Verf. a i 
(S. 292) spricht, angesichts der Flut psychoanalyistfff 
Literatur, die sich heute über die Volksseele ergibt f 

Daß die Gefahr der Hörigkeit bei der Psychoanal ) 
„sehr ausgesprochen” ist, betont Verf. S. 267. (Die Any | 
wird wohl noch Jahrtausende lang das wirksamsit 4i 
choanalyserezept bleiben). 2 m 

Die Verbindung zwischen psychotischen Sn \ 
men im engeren Sinne (d. h. ihrer Entstehungsä N ' 
normalem Seelenleben ist überall recht anschaulich "| ? 
getan, z. B. für den Zwiewert (Ambivalenz) bei ZWi f 
durch Hinweis darauf, daß auch in unserer Lepo 
rung alles seine zwei Seiten hat. ni 

Die Unterscheidung zwischen einem tursa? eh 
Denken, als dem nach dem Grundsatz der er | 
vonstatten gehenden, und einem Denken, das duroi = OF 


| 


iner MI 


-findungen und Gefühle gelenkt wird — zu 5è | 


ES katath 
überflüssige Wort „#4 
> durch 


Bi I 


zeichnung wird das 
(S. 34) herangezogen —, dürfte sich nicht 
lassen. 

Pelmann begnügte sich mit einem 1 
298). 


nV 
un u 
u: 


7 -Schlomer, Dr. Georg, Leitender Arzt der 
E pee Berlin-Westend: Leitfaden der Klinischen 
lschiatrie. 3. durchgesehene Auflage. 237 S. Mün- 
adin In 1921, Verlag von Rudolph Müller & Steinicke. 
za : M. 

N F Dieser sich im Wesentlichen an die Kraepelinsche 
r fule anschließende Leitfaden hat sich als brauchbar 
a pvit. Krankengeschichten sind in die Darstellung 
Fugefügt, die in zweckmäßiger Weise das Feststehende 
dei Wichtigste der Lehre von den Geistesstörungen 
Ahiktet, 


pr, og 
ein i 


— v- M 


Therapeutisches. 


wi - Das Partigenveriahren nach Deycke-Much. Von 
I Seuffer, Assistenzarzt der Med. Univ.- 
el -A (Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. Martius). 
dir sch-therapeutische Wochenschr. 1921 Nr. 33-34. 

I " „Überhaupt haben wir bis jetzt den Eindruck gewon- 
of kn, als seien es vorzüglich die knotigen proliferativen 
; dem der Tuberkulose, die vor den exsudativen eine 
Ten Wirkung von dem Einfluß der Partigene auf- 
ich Wisen, Die genaue kasuistische Besprechung unseres 
erials in dieser Beziehung wird an anderem Orte er- 
ii i gen. 

Jedenfalls geben unsere Erfolge, wenn auch die ab- 
diten Zahlen der behandelten Fälle klein sind, uns das 
Aut zu sagen, daß wir mit der Partigentherapie ein 
M Nertvolles Heilmittel der Tuberkulose gewonnen haben, 
$ auch in schweren Fällen schöne Erfolge zeitigen 
fi ‚ denn die meisten unserer Fälle wären nach bis- 
nit] ige Erfahrung ohne diese Therapie zugrunde ge- 


i mgen.” 


i 


Aa E Die Therapeutica „Cewega” bringen übersichtlich 
r geordnet in Form eines gebundenen Heftes das Wis- 
B, Mswerteste über die von den Chemischen Werken 


it insbesondere Digalen, Larosan, Pantopon, Sedobrol, 
z > über die Präparate aus den endokrinen Drüsen, 
w “D. Pituglandol, Ovoglandol, Testiglandol, Thymo- 
k t tdo, Epiglandol. Ferner enthält das Heft Rezepte so- 
„ein Indikationsverzeichnis. Die Ausführung der 
sthüre ist so gehalten, daß sie sich für längere Auf- 
tung eignet. - Die Therapeutica „Cewega” wer- 
i N auch in Form einer Sammelmappe . abgegeben, die 
"möglicht, neu erscheinende Literatur jederzeit ein- 


i k i. Prophylaxe des endemischen Kropies. Von 
E ‚Zürich. Schweiz. Med. Wochenschr. 1921 


A = berichtet über Erfolge der Jodmedikation an 
A 1000 Schulkindern in Kropfgegenden bei Verwen- 
A Eo Schokolade-Jodostarin- Tabletten. Die Verab- 
ý er. erfolgte 15 Monate lang. Die Erfolge waren 
; A vorzüglich. Kleinere Kröpfe, aber auch grö- 
An n selbst knotige verschwanden meist völlig, Die 
in, den durchweg wesentlich kleiner. Nach 


“ mh des Veris gelingt es mit der angegebenen Me- 


-ARE a Er Tor a nn a iz 


i T Mach A.-G. hergestellten pharmazeutischen Präpa- 


. PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 93 


dikation, die Schuliugend von endemischem Kropf zu 
befreien. Jodismus wurde trotz zum Teil 16 Monate 
lang fortgesetzter Verabreichung nicht gesehen. Verf. 
schlägt eine planmäßige Verabreichung von Schokolade- 
Jodostarin-Tabletten in der Schule vor, 

— Bemerkungen zur Larosanbehandlung. Von Dr. 
W. Wolff, Kinderarzt, Berlin-Schöneberg. Med. Klin. 
1921 Nr. 39. 

Verf. erzielte mit Larosanmilch die besten Erfolge 
in allen Fällen von Dyspepsie im Säuglingsalter, und 
zwar bei akuten Dyspepsien, die sich teilweise schon in 
weit vorgeschrittenem Stadium der Intoxikation befan- 
den, dann bei subakuter und chronischer Dyspepsie, letz- 
tere im Stadium der Atrophie, dann bei einer dritten 
Gruppe mit bakteriellen Darmschädigungen, und zwar 
Fälle von Enteritis follikularis bzw. Dysenterie. Einen 
ganz besonders günstigen Einfluß der Larosanbehandlung 
sah Verf. bei spasmophilen Darmerkrankungen. Hier 
leistete Larosan eine wertvolle Unterstützung der Phos- 
phormedikation. | 

— Schokolade-Jodostarin-Tabletten. Chemische und 
physikalische Eigenschaften: Schokolade - Jodostarin- 
Tabletten enthalten ie Tablette 0,01 Jodostarin, das als: 
hochwertiges, neurotropes und lipotropes kräftig wirken- 
des Jodpräparat seit vielen Jahren Verwendung findet. 
Neben Jodostarin enthalten die Tabletten Schokolade, da 
sie für die Kinderpraxis bestimmt sind. — Chemische 
Formel: Jodostarin hat die chemische Zusammenstellung 
CHs (CH2) 10CJ = CJ (CH) COOH. — Pharmakologi- 
sches: Zur prophylaktischen Bekämpfung des Kropfes 
bewährt sich, wie in neuester Zeit Krecke, München, 
berichtet, Jod in sehr kleinen Dosen. Nager, Zürich, 
weist darauf hin, daß die leichteren Formen der endemi- 
schen Hörstörung ein Indikationsgebiet für kleine Jod- 
dosen bilden. Neißer, Stettin, hat seit längerer Zeit 
Jod in kleinen Dosen bei Kropf gegeben, auch werden 
in letzter Zeit kleinste Joddosen bei Basedow empioh- 
len (Loewy und Zondek). — Klinisches: Hervor- 
ragende Erfolge wurden mit Schokolade-Jodostarin-Ta- 
bletten in endemischen Kropigegenden er- 
zielt, wo sie in den Schulen verabfiolgt wurden. Von 
2400 Schülern, von denen vor der Behandlung 80 v. H. 
mit mehr eder weniger großem Kropfansatz behaftet 
waren, waren nach der Behandlung 80 v. H. kropilos. 
Bei 140 Schülern, die einen bereits stärker entwickelten 
Kropf hatten, wurde in allen Fällen eine wesentliche 
Besserung erzielt. Irgendwelche Erscheinungen von 
Jodismus hat Klinger bei über 1000 Kindern, die die 
Tabletten zum Teil 16 Monate lang nahmen, nie gesehen. 
Nach der Ansicht Klingers ist bei der angegebenen 
Dosierung wenigstens das kindliche Alter, das gegen Jod 
weniger empfindlich ist, nicht der Gefahr des Jodismus 
ausgesetzt. — Dosierung und Anwendung: Wöchent-. 
lich eine Schokolade-Jodostarin-Tablette (= 0,005 Jod). 
Durchschnittsdauer der Kur 15 Monate. Nach dieser Zeit 
jährlich ein- bis zweimal, am besten im Herbst und Früh- 
jahr, ie einen Monat hindurch wöchentlich eine Tablette, 
—  Rezeptformel: Rp. Schokolade-Jodostarin-Tabletten- 


„Cewega” eine Originalpackung (50 Stück) oder: Ro: 


94 


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packung (240 Stück). S. wöchentlich eine Tablette nach 
— Literatur: Klinger, Schweiz. med. schr. 1921 
1. Krecke, Münch. med. Wo- 1920 Nr. 20. 
1921 Nr: 44. Fritzsche, Schweiz. med. med. Wochenschr. 1921 Nr. ‘46. 


Vorschrift. 
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= Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


|  Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


goh Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Haile, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
iken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
S uiDir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
al), Geh, Med.-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Teuntheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 

gn Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
IMuer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


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Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr.. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 

Eo Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 

Eo A Bezugspreis: ; Ne Ka, 

MM, ; Zuschriften für die Schriftleitung 
E o Vierteljahr, die Verlag und Ausgabe: sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
A ladwerden nach der vom Deut- Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Seien Buchhandel vorgeschrie- Carl Marhold Verlagsbuchhandlung Bei Anfragen ist das Rückporto 
o Q en Verkaufsordnung für das x beizufügen. 

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Malt: San.-Rat Dr. Deiters t. (S. 95.) — Keine Wissenschaft. Von J. Bresler. (S. 96.) — Zur Frage des 


Mi m mediumistischen Malens. Von Dr. med. Walter Jacobi, Jena. (S. 99.) — Zur Okkultismus-Forschung. 
Q berarzt Dr. P. Sünner, Berlin-Herzberge. (S. 101.) — Zur Okkultismus-Forschung. (S. 103.) — Mitteilun- 
| a 103.) — Referate. (S. 104.) — Buchbesprechungen. (S. 105.) — Therapeutisches. (S. 105.) — Personal- 
wo nachrichten. (S. 106.) 


San.-Rat Dr. Deiters T. 


; An 13. Juni 1922 erlag ganz plötzlich der Direktor der Provinzial-Heil- und Pilegeanstalt 
E a - Düren, San.-Rat Dr. Deiters, einer Gehirnblutung, die ihn wenige Stunden vorher, gerade an 
; ‚Seinem 94. Geburtstage, in seinem Dienstzimmer mitten in der Arbeit gefällt hatte. Von 
ener langwierigen Grippe im vergangenen Winter vermochte er sich nicht wieder zu erholen. 


Eine fünfwöchige Kur im April-Mai im Sanatorium Konstanzerhof schien eine gewisse Bes- 
erung gebracht zu haben, so daß er in seinem unerschütterlichen Pflichtgefühl bereits am 
3 5 Mai Seinen Dienst wieder aufgenommen hatte. 

M Nach je einjähriger Ausbildung am Hygienischen Institut Berlin und am Pathol. 
Et Bonn war er seit 1. Oktober 1895 im Rhein. Anstaltsdienst, zuerst als Assistenz- und 
4 ‚Arzt in Andernach, vom 15. November 1904 als Oberarzt in Bonn, vom 1. April 1905 bis 
| November 1917 in Düsseldorf-Grafenberg tätig, wurde dann nach Düren versetzt und am 
© November 1917 hier Direktor. | 

Von seiner hervorragenden wissenschaftlichen Begabung, seinen tieigehenden Kennt- 


A "sen und besonders von seinem überaus großen Interesse für das Anstaltswesen zeugen 


96 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


außer zahlreichen Einzelabhandlungen die in der Psychiatrisch-Neurologischen Wochenschrift 
erschienenen „kritischen Berichte über den Stand des Irrenwesens innerhalb des deutsch 
Sprachgebietes nach den Anstaltsjahresberichten 1900-01 und über die Fortschritte des Imi 
renwesens (1903 und 1905)“. Diese viel gelesenen und häufig angeführten, durch ruhige, Ä 
Sachlichkeit und durchdringende Klarheit ausgezeichneten Berichte haben sicherlich sehr elf 
dazu beigetragen, das gesamte Irrenwesen und nicht zum wenigsten den Stand der Irrenär ! 
auf die damals recht beneidenswerte, uns jetzt freilich in mancher Hinsicht schon „märcher ! 
haft“ erscheinende Vorkriegshöhe zu bringen. 
mitglied des Verbandes der Rheinischen Provinzial-Irrenärzte ebenfalls seine rege Teilnahme 
für die ärztlichen Standesangelegenheiten bekundet und sie nach Kräften gefördert. 

Uns Ärzten war er stets ein wohlwollender Führer, zuverlässiger Freund und willgi® 
Berater. Die Eigenart eines jeden wußte er zu verstehen, zu würdigen und unmerklich ii 
die richtigen Bahnen zu lenken. Jedem gewährte er gern in ärztlichen und Verwaltungsas i 
gelegenheiten die größtmögliche Selbständigkeit, die Vorbedingung jedes Fortschritts um : 
jeder Arbeitsfreudigkeit. Ans dem unerschöpflichen Schatz seines reichen, abgeklärten Wis 
sens und seiner staunenswerten Belesenheit teilte er unermüdlich jedem danach Verlangen 
nit. Kurzum, er war ein ärztlicher Anstaltsleiter, wie wir ihn uns nicht vollkommen 7 


wünschen konnten. 


Gerade in der so schwierigen Übergangszeit nach dem Kriege vermochte sein milisi 
und versöhnliches Wesen, unterstützt von einem feinen, nie verletzenden Humor die natit : 
lich auch hier, wie überall, im Anstaltsleben sich geltend machenden sozialen Gegensätze ong 
folgreich auszugleichen und die unvermeidlichen Erschütterungen wesentlich abzumilden ; 

Den Kranken gegenüber war er von einer unerreichten, rein menschlichen Güte uig 
Hilfsbereitschaft, so daß alle mit großer Liebe und Verehrung an ihm hingen. 

Mit einer tiefgründigen philosophischen und literarischen Allgemeinbildung verbant 
er künstlerische Neigungen — in vergangenen glücklicheren Zeiten war er ein erfolgreicher | 
Sammler von Kupferstichen — und eine ausgeprägte Vorliebe für gute Musik, die er frühen 
auf der Geige selbst ausgeübt hatte. Aus dem glücklichsten Familienkreise wurde el, vil 

zu früh für die Gattin und 4 unmündige Kinder, jäh herausgerissen. | 

Uns aber, die wir mit ihm arbeiten und ihm, teilweise seit vielen Jahren, i i 
Freunde nahestehen durften, wird der umfassend gebildete, durchaus vornehm gesinnte Mam g 
von seltener Klugheit, Bescheidenheit und Herzensgüte immer als leuchtendes Vorbild wE 


Augen stehen. 


Keine Wissenschaft. 
Von J. Bresler. 


1 jnter der Überschrift: „Eine neue Wissen- 


schaft?” gibt Professor. Dr. Hans Driesch, 


in Leipzig in der Zeitschrift „Die Westmark” 1921 
1. Juli, S. 636 bis 643, einen Überblick über Para- 
psychologie und Parapsychophysik als zwei Wis- 
senschaften, die nach seiner Ansicht aus dem Ok- 
kultismus hervorzublühen scheinen. 

Er vergleicht dieses Hervorblühen aus vorwis- 
senschaftlichen, dunklen, geheimnisvoll betriebenen 


In den letzten Jahren hat er als Aussch 


2 2$ =t | 3 e~o oo — no Ze en em ë 


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Dr. Becker, Düren. 


i b - m 
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: . 7 AE Ad ` 
- : h nn, 5 ge - 
EN En TEN 4 Lee Eu re a Aara mey BEU VEAL 


Í vi 4 “ 


Wicsenächatten mit. der Entwicklung der 4 
aus Alchimie und der Astronomie aus Astro 
Da Alchimie und Astrologie aber meiner Nein 
nach eine Entgleisung aus der ursprünglichen # i i 
wissenschaftlichen Arbeitens waren, SO 4 
Vergleich nicht zu. Auch die Behauptung, 

Hypnoselehre ursprünglich dem geheimnist i i 
Gebiet des vorwissenschaftlichen ama 
stammte, ist nicht richtig; es s handelte gich Vie 


e 


m phantastische Auslegung und Anwendung seit 
alters bekannter Tatsachen; also auch hier Ent- 
f geisung, nicht Entwicklung. 


A. Parapsychologie. 


f 1.Unter Fernsinn (Telepathie) versteht man 
uch Driesch „den nicht mehr mit Gründen zu 
bestreitenden Sachverhalt, daß gewisse Menschen 
imstande sind, fernweilenden Mitmenschen ohne 
f Vermittlung der bekannten materiellen Vermittlun- 
f en, wie Leibesbewegungen und Sinneswahrneh- 
mungen, von ihrem Se@lenzustand Mitteilung zu 
geben” (S. 638). Der „Geber”, d. i. der, von wel- 
i chem die „Botschaft” kommt, ist aktiv beteiligt, aber 
f neist, bei den spontanen Fällen wohl immer, nur 
f nit seinem Un- oder Unterbewußtsein; er weiß 
Nicht, was er gibt, und will nicht geben; meist ist 
i erin hohem Affekt, in großer Gefahr oder Todesnot. 
Der Empfänger ist völlig passiv und eben rein emp- 
angend;. er nimmt die „Meldung” auf in allen mög- 
f ichen Formen, von bloßer Ahnung bis zu halluzina- 
 brischer „Vision. 
= Wenn nun Driesch berichtet, daß namentlich 
lank den Bestrebungen der britischen „Gesellschaft 
für Seelforschung” (‚fast alle Hamhäften Forscher 
ind Denker Großbritanniens sind ihre Mitglieder” 
d Driesch selbst auch, S. 637) mehrere Tau- 
‚ind solcher Fälle bekannt sind, so ist das recht 
Wenig, und diese wenigen Fälle lassen sich un- 
schwer erklären, wenn man bedenkt, wie unge- 
heuer viele Menschen täglich zufällig gleichzeitig 
aneinander denken, selbst ohne ‘daß jedesmal ein 
Anderer g gemeinsamer Anlaß dazu führt als der, dab 
‚Sie sich einander durch Bekanntschaft oder Ver- 
Vandtschaft nahe stehen, und wie verschwindend 
Mring dagegen jene mehrere Tausend Fälle sind, 
We sich obendrein auf diese einfache Weise ver- 
‚Stehen lassen. 
= Unter Gedankenlesen versteht man 
en ebensowenig wie die Telepathie im engeren 
Sime zu bestreitenden Sachverhalt, daß ein 
Mensch um Gedanken seiner Mitmenschen ohne 
leming der normalen Leibes-, insonderheit 
e weiß” (S. 638). Der Geber ist hier 
k eo inaktiv, auch mit seinem Unterbewußtsein, 
is Mpfänger aktiv, indem er die Seelenzustände 
D lebers diesem gleichsam „abzapft”. Der Emp- 
ei braucht aber nicht bewußt aktiv zu sein; 
kn Ha nicht abzapfen zu wollen und nicht um 
iss Zapfen zu wissen; meist ist sein Unterbe- 
| nn das Aktive, er selbst in einer Art von 
Each ze Schlafzustand (Trance); doch gibt es 
a € von Abzapien im normalen Bewußt- 
Ustand. Der Empfänger kann nicht nur das 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT | 97 


in der fremden Seele „lesen”, woran (der Geber 
gerade bewußt denkt, sondern oft auch solches, 
was er „vergessen” hat, was ihm dann aber als 
zu Recht bestehend einfällt, und sogar in gewissen 
Fällen etwas, worauf sich der Geber gar nicht 
mehr besinnen kann. Man konnte in letzterem 
Falle, aber doch feststellen, daß er es vor langer 
Zeit einmal gewußt hatte oder daß „irgendein an- 
derer lebender Mensch es wußte, so daß also an 
Stelle eines zwei oder mehr Geber in Frage ka- 
men” (S. 639). „Irgendein anderer Mensch” wird 
sich meines Erachtens immer finden; das Gegenteil 
wäre seltsam. 

Echte ‚ Telepathie und Gedankenlesen können 
sich nach Driesch kombinieren; es gebe zahl- 
reiche positiv ausgefallene Versuche dieser Art. 
Auf diese Weise -könne in echt wissenschaftlicher 
Form „experimentiert” werden. 

3. Als Hellsehen bezeichnet man „den nicht 
mehr zu bezweifelnden Sachverhalt, daß gewisse 
Menschen fähig sind, ohne Vermittlung der nor- 
malen Sinneswege zu wissen um sachliche 
Zustände der umgebenden Natur, sei es, daB 
es sich um verborgene, um sehr ferne oder um 
sehr kleine (mikroskopische) Gegenständlichkeiten 
handelt”. Hier gibt es nur ein seelisches Wesen, 
den Empfänger; es darf. bei Feststellung echten 
MHellsehens keinen Menschen geben, der um den 
fraglichen Sachverhalt weiß und ihn aktiv telepa- 
thisch übertragen oder sich passiv abzapien lassen 
könnte. Fernsinn und Gedankenlesen müssen also 
beim Experiment. sorgfältig ausgeschlossen wer- 
den; in manchen spontanen Fällen kommt es je- 
doch vor, daß sich Mellsehen mit Fernsinn oder 
Gedankenlesen verbinden (S. 639). Dieses Hell- 


sehen’ ist meines Erachtens plumper Betrug. 


B. Parapsychophysik. 


„Hier finden wir das Seltsamste des Seltsamen” 
(S. 639). 

„Behauptet werden, und zwar neuerdings von 
vier unabhängig voneinander arbeitenden Gelehr- 
ten gleichzeitig, gewisse Phänomene, welche dazu 
zwingen, anzunehmen, daß der Organismus gewis- 
ser Menschen imstande sei, seine Vorstellungs- 


und Willensinhalte derart naturwirklich werden zu 


lassen, daß er die ihn überall umgebende letzte 
Materie (Elektronen?) seinen- Vorstellungsbildern 
semäß zu Formen ordnet” (S. 640). „Die 


 parapsychisch gewollte Erhebung oder Bewegung 


unberührter Gegenstände geschieht durch Vermitt- 
lung starrer abnorm-materieller Fortsätze, welche 
sich vom Leibe aus im Anschluß an ihn bilden und 
wie Träger wirken (Levitation, Telekinese); 


98 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


kann aber die neu organisierte Materie sogar For- 
men annehmen, welche geradezu den Vorstellungs- 
bildern ihres Ordners entsprechen (Materialisa- 
tion). Alle möglichen Mittelglieder liegen dazwi- 
schen.” 

Driesch meint (S. 639), er habe selbst lange 
gebraucht, eine intellektuelle Abneigung den para- 
psychophysischen Angaben gegenüber zu überwin- 
den; erst Schrenck-Notzings neuestes 
Werk habe ihn überzeugt, daß man mit der Vogel- 
Strauß-Politik nicht weiterkomme, dab man zum 
mindesten nachprüfen müsse, was, wie es doch 
scheine, sehr sorgfältig ermittelt ward. 

Meiner Meinung nach ist hier lediglich der Gei- 
steszustand solcher Formordner nachzu- 
prüfen. 

C. Spiritismus (Geisterlehre). 


1. Geisterkunden. Der Spiritismus lehrt, 
daß alle oder wenigstens viele der parapsycholo- 
gischen und parapsychophysischen Phänomene die 
„Geister” von Verstorbenen zu Urhebern ha- 
ben, indem diese sich jeweils des Leibes der Ver- 
suchsperson (des „Mediums”) bedienen (S. 640). 
Ein Medium im Dämmerzustand teilt durch auto- 
matische Schrift die Ergebnisse seines Wissens mit, 
und behauptet, daß ein Geist sie ihm eingebe; dies 
bezieht sich auf Wesen, -alltägliche Gewohnheiten 
und alltägliche Redensarten eines Verstorbenen; 
das Medium zapît ab, was die Beisitzenden aktuell 
oder nur potentiell wissen, sogar, was sie in keiner 
dieser beiden Formen mehr wissen, aber doch 
wohl einmal gewußt haben; es „holt sich sogar von 
fernen noch lebenden Menschen sein Wissen her; 
und dieses Wissen ist stets richtig, obwohl — da- 
für ist Vorsorge getroffen — das Medium es auf 
normalem Wege gar nicht erworben haben kann” 
(S. 641). Driesch meint, das somnambule Me- 
dium könne wohl den ‚Geist sozusagen „spielen”, 
wie in der Hypnose, das Seltsame sei aber, „daß 
es sich. immer gerade das im Wege des Ab- 
zapfens aus allen möglichen fremden Seelen holt, 
was nun auf diese bestimmte verstorbene Per- 
son Bezug hat” (S. 641). Diese Geisterkunden sind 
meines Erachtens purer Schwindel. 
2. Kreuznachrichten. „Mehrere Medien 
geben an verschiedenen Orten angeblich von einem 
und demselben „Geiste” stammende Nachrichten 


von sich, welche gewisse Bruchstücke in sich ent- 


halten, die für sich allein sinnlos sind, aber, zusam- 
mengehalten mit Bruchstücken in den Aussagen 
eines der Genossen, einen Sinn ergeben” (S. 641). 
Driesch meint, diese wiederholt in den Arbeiten 
der ‚Gesellschaft für Seelforschung” 


“sicherge- 


[Nr. | 


stellte Tatsache „könnte durch elektives Get | 


kenlesen und durch Telepathie zwischen den Me- 
dien verstanden werden, zwinge also nicht zur 
Annahme der spiritistischen Hypothese, wie er 
auch oben bei den Geisterkunden sagt, daß is 
durch Gedankenlesen, vielleicht in Verbindung mit 


Telepathie und Hellsehen erklärt werden kanad E 
„und man wird das aus Gründen wissenschaftlicher ° 
i T 


Ökonomie auch zunächst tun” (S. 641). 


Was soll hier „wissenschaftliche Ökonomie”? 1 | 
beruhen meines 1 


Auch die „Kreuznachrichten” 
Erachtens auf bewußter Täuschung. 


3. Das eigentliche experimentum crucis für den 


Spiritismus ist, wie Driesch selbst sagt, zwar” 
schon wiederholt ausgeführt, aber, wie er urbi i 
noch nie von Erfolg begleitet gewesen: „ein Mit 
glied der Society, das sich dem Tode nahe fühlte, 
gab ohne Zeugen einen Satz zu Papier; das Schrift- ° 
stück wurde notariell versiegelt. Als nach dem 
Tode des Schreibers sein „Geist” sich bei einem 
Medium meldete, wurde er gefragt, was in dem 
Schriftstück stehe. Die Antwort war | bisher edes 
mal falsch” Wenn nun Driesch dazu weiter 
bemerkt: „Übrigens würde auch, wenn sie richtig ` 
gewesen wäre, die Frage aufzuwerfen sein, ob 
Telepathie, Gedankenlesen und Hellsehen dem 
wirklich vollständig ausgeschlossen gewesen wä- 
ren”;-so-gibt sich in dieser Bemerkung ein eigen- 
artiger Zwang zu erkennen, in diesen Dingen unter | 


allen Umständen etwas Tatsächliches und Wahres 5 


zu sehen. Er sagt, man müsse wohl Oester- 
reich zugeben, daß ein ganz stringenter Be- 


weis für die Richtigkeit des Spiritismus überhaupt “ 
nicht zu führen ist, aber wahrscheinlich] 7 
könnte man ihn doch wohl immerhin machen 7 


Von der. „Prophetie nach rückwärts” (beim At- 
blick gewisser Gegenstände deren ganze Vorge 
schichte mit den kleinsten Einzelheiten richtig wie- | 
dergeben) (S. 642) zu schreiben, sträubt sich de 
Feder. 

Ich halte es (wie schon in meinem aat i 
„Geheimsucht”, 


1922) für äußerst i 
wunschgeborenen Irrlehren — und von ah i 
Art Wünschen werden sie geboren und genährt: > E 


von der Wissenschaft auch nur der Schimmel ei 


Wahrscheinlichkeit verliehen wird. Der $ 


unseres Geistes- und Gefühlslebens ist- wahr 
ohnehin groß genug. Die Geschäftlichkeit sorgt 
schon genug dafür, daß er noch größer wird e| 
für unsere zerrüttete deutsche Volksseele oa 
unheilvoller und zersetzender. 
Driesch sagt, die Erscheinungen des 
kenlesens und der Telepathie seien desh: 


Gedat- 


diese Wochenschrift vom 6. w 4 
bedenklich, wenn solche F 


Ih , waf h 


1922] 


sw unermeßlicher philosophischer Bedeutung, weil 
| sie die Isoliertheit der seelischen Individuen, diese 
aux aller Philosophie, schon empirisch durchbre- 
hen würden” (S. 642). 


Die „Isoliertheit der seelischen Individuen” ist 


I nicht nur nicht durchbrochen, sondern nicht einmal 
vorhanden; sie gibt es nur bei kranken und schwa- 
chen Seelen. 


Von der Wiege bis zum Grabe, Tag und Nacht, 


 gewahren wir, so offenkundig wie notwendig und 
"nützlich, im Großen und Kleinen, durch Wahrneh- 
mungen von außen, durch Empfindungen (wir 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


99 


finden es wirklich, wir brauchen es nicht zu 
suchen) im Innern, die körperlichen und seeli- 
schen Zusammenhänge mit den anderen, mit der 
Welt und — uns selbst, und arbeiten, bewußt oder 
unbewußt, im letzteren Falle vielleicht noch rich- 
tiger und zuverlässiger, an der Wahrung und Er- 
neuerung dieser Zusammenhänge in Form und In- 
halt unseres Daseins. 

Ist das nicht genug an Arbeit und Genuß? 

Warum sich dem Gefühl des Unheimlichen hin- 
geben? 

Warum nach Geheimem. suchen? 


Zur Frage des mediumistischen Malens. 
Von Dr. med. Walter Jacobi, Jena. 
E Assistenzarzt an der psychiatr. Univ.-Klinik in Jena (Direktor: Prof. Dr. Hans Berger). 


yo Goethe wird eine Anekdote berichtet. Lu- 


dan erzählt sie ihm selbst (19. August 1806). 


i Er hätte, in ein lebhaftes Gespräch vertieft, an 
nem Tisch gesessen, auf dem sein rechter Arm 


Während des Gespräches hätte er eine 


Blifeder ergriffen und ein Stück Papier, beides 
mechanisch, denn er hätte gar nicht hingesehen. 
‚ Er hätte angefangen zu zeichnen, die Augen abge- 
wendet und das Gespräch ununterbrochen fort- 


Pe 


 *izend. Am Ende hätte sich ergeben, daß er eine 


: echt schöne Landschaft gezeichnet. Darüber sei 
ĉr höchst verwundert gewesen, denn er hätte gar 


Nicht gewußt, daß er die Bleifeder in der Hand ° 


| Öehalten, viel weniger, daß er gemalt hätte. So 
abe sich die schaffende Kraft in ihm sich seiner 
Rand als bloßes Werkzeug bedient, denn sie habe 
‚ch offenbaren müssen, diese Kraft, und habe sich 


d i diesem Augenblick nicht anders offenbaren 
Können. 


Diese Anekdote, die den Genius Goethes völlig 


ndewußt zeichnend sich entladen schildert, kam 


it vor einiger Zeit in den Sinn, als ich Gelegen- 


ie 


it hatte, eine Anzahl von Zeichnungen und Ge- 


‚ älden zu sehen, die vom Vorkämpfer des sideri- 
ee Pendels (rotierende Wünschelrute) F. K. 
| „ Amten. Er ist jetzt 70 Jahre alt, lebt nach dem 
a ode seines Sohnes und seiner Frau ganz zurück- 
Sgen und einsam in seinem kleinen Hause in B. 


“as einem 
| N Enkel 
| sch 
7 Ster ( 
 frähzeiti 


Museum gleicht, ganz seinen Studien. 
des bekannten Kunsthistorikers und 


chi ; 
 Wülers von Peter Cornelius, Dr. Ernst Foer- 


gestorben München 1885) wurde er sehr 
an g künstlerischer Anregung teilhaftig, malte 
°R im Knabenalter mit großer Liebe zur Sache 


und erweiterte sein Wissen später in den Galerien 
von Venedig, Bologna, Florenz, Rom, Madrid usw. 

Seit dem Tode seiner Ehefrau beschäftigte er 
sich; wie mir eine ihm nahestehende Dame berich- 
tete, stark mit übersinnlichen Dingen. und ver- 
suchte, mit ihr in irgendeine Verbindung zu treten. 
Hierzu bediente er sich hauptsächlich der „magne- 
tischen” Schrift (automatisches Schreiben), später 
auch des siderischen Pendels. Durch die „magne- 
tische Schrift” bekam er nun eines Tages die Auf- 
forderung, mittels farbiger Stifte zu zeichnen und 
erhielt zugleich die Anleitung dazu. „Im Januar 
1914”, schrieb er mir „einsehend, daß meinem Kön- 
nen immerhin eine bescheidene Grenze gezogen 
war, unternahm ich es als Experiment, ohne 
mich in irgendwelchen Trancezustand zu verset- 
zen, übersinnliche Führung für meinen Stift zu er- 
bitten, was auch zu meiner eigenen Verwunderung 
nicht nur sogleich gelang, sondern in langer Ent- 
wicklungsreihe der Technik und der Wahl der Mo- 
tive bis zum heutigen Tage mein göttliches Ge- 
schenk blieb. Hier handelt es sich um eine bis 
zu einem persönlichen Verhältnis gesteigerte In- 
spiration, die mit dem „Unterbewußtsein” nichts 
gemein hat. Das ist allerdings selten, vielleicht 
in der Gegenwart ein einzig dastehender Fall. Ich 


bin kein willenloses Werkzeug meines Meisters, 


sondern finde häufig Berücksichtigung von Wün- 
schen, selbst während des Zeichnens, soweit sie 
gut begründet sind. Eine Unmenge der Stifte bre- 
chen bei der Arbeit ab, weil da und dort mit einer 
Wucht gezeichnet wird, zu welcher wir aus eige- 
nem Entschluß nicht den Mut finden. Hierin wäre 


ein Anlaß zu suchen, nervös zu werden, aber das 


100 


muß um des herrlichen Endresultats willen ausge- 
schlossen bleiben.” Ä | 

Meine Gewährsmännin beobachtete K. dreimal 
bei seinem künstlerischen Schaffen. Mittels „mag- 
netischer Schrift” setzt er sich, wie er bestimmt 
behauptet, — so sagte sie mir, — in Verbindung 
mit dem Geist seines verstorbenen Onkels, der 
Maler. war. Von diesem erhält er die Angabe der 
Größe des aufzuspannenden Blattes Papier, die 
Zahl und Farben der Stifte, die Reihenfolge, in der 
diese gebraucht werden sollen. 

Nun setzt er sich an den aufgespannten Bogen, 
nimmt den ersten Stift zur Hand und wartet, bis, 
wie er sagt, der Strom sich einschaltet. Er sagt, 
er habe das Gefühl, als sei in dem Arm plötzlich 
ein elektrischer Strom und als gehöre von dem 
Augenblick an der Arm nicht mehr zu seinem Kör- 
per, als sei er Werkzeug eines anderen. Nun be- 
- ginnt die Hand mit dem Stift in einer so rasenden 
Schnelligkeit über das Papier hin und her zu fah- 
ren, daß man nicht mehr imstande ist, zu folgen. 
Dabei fällt K. nicht in Trance und kann sich jeder- 
zeit von seiner Produktion losreißen. Er hat nicht 
nötig, während des Malens auf das Papier zu 
schauen, sondern kann sich mit dem Zuschauer 
über alle möglichen Dinge unterhalten. Unabhän- 
gig von ihm arbeitet der Arm. Ist eine Farbe er- 
ledigt; ‚schaltet der Strom aus” under greift 
schnell mechanisch nach dem nächsten Stift. Von 
neuem \beginnt der rasende Tanz, bis mit dem letz- 
ten Stift das Bild vollendet ist und ihn selbst so 
überrascht, wie den Zuschauer. Ein eigenmäch- 


tiges Unterbrechen würde die Vollendung des Bil- ` 


des verhindern. Trübes Wetter, z. B. sogenannte 
Novemberstimmung, auch körperliche Unpäßlich- 
keit hindern ihn am Malen. Als Zuschauer habe 
man unbedingt den Eindruck, so ließ ich mir er- 
zählen, als wirke eine Kraft außerhalb K., als sei 


der Arm während der Produktion tatsächlich das 


Werkzeug eines anderen. 

‘Seine Bilder zerfallen in zwei große Gruppen. 
Bei der ersten hat der Künstler vorher nicht die 

geringste Ahnung dessen, was auf dem Papier 
-= entstehen soll. Die der zweiten Gruppe ange- 
hörenden Bilder nennt er Erinnerungsbilder. Er 
hat den Wunsch, es möge eine bestimmte Land- 
-~ schaft auf der Leinwand entstehen, die er einmal 
im Leben geschaut hat. Hierher gehört z. B. ein 
Bild, ein Durchblick durch den Urwald auf den 
schneebedeckten Gipfel des Kilimandscharo, den 
er einmal vor 20 Jahren gesehen. Er hatte keine 
deutliche Vorstellung mehr davon, besaß nur den 
Wunsch, diesen Augenblick aufs Papier zu bekom- 
men. Und er war überrascht und ergriffen, als 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


er das Bild genau so vor sich sah, wie er esvor I 


Jahren geschaut. 


K. legt, wie er mir schrieb, den größten Wert a 


| 
f 
f 
F 


[Nr. 15/16 9 


darauf, daß einzig und allein seine Bilder, nicht $ 


seine Persönlichkeit das Studienobjekt für $ 
„So wenig ein Tizian # 


die Mitmenschen bilde. | 
oder Van Dyck dem Psychiater als Studienob- $ 


jekt dienten, so wenig darf und will ich mich m 4 
merkwürdig, 4° 
wahrlich, würde es auch anmuten, wenn ausge $ 
rechnet ich, der zusammen mit dem 1913 verstor- $ 
Obermedizinalrat $ 
Dr. phil. N. das Feld der Selbstbeobachtung (In $ 
trospektion) in Deutschland eröffnete, nun umge f 
kehrt ein Gegenstand des Studiums meines Innen f 
(Vgl. hierzu se- f 


eine solche Rolle begeben! Sehr 


benen, mir nahe befreundeten 


lebens für Nervenärzte würde.” | 
nen Aufsatz in Annales medicales-chirurgicales du $ 
Cente, Oktoberheft 1910.) 


„Ich bin ein höchst nüchterner ernster Arbeiter, f 


kein Phänomen oder Phantast, auch nicht in der $ 
Pendelkunde.” 
auseinanderzusetzen. Ich 
ich mit Ehrfurcht alles, was künstlerische Produk- $ 


tion heißt oder besitzt, beschaue, daß ich das m Ẹ 
kommensurable in aller Kunst voll anerkenne f 
Ich bat ihn, sich mit mir auseinanderzusetzen, wel a 
ich als Arzt und Mensch auf dem Standpunkt 9° 
stände, daß wir an einer Fähigkeit, wie sie ihm 9° 


i 


geschenkt sei, nicht vorübergehen dürften. Aui f 


für mich seien all diese Dinge Offenbarungen f 


wenn wir auch in der begrifflichen Bestimmung i | 
dieses Wortes vielleicht nicht ganz übereinstimm- 7 


\ 


Trotzdem bat ich ihn, sich mit mit 7 
versicherte ihm, dab f 


ten. Ich versicherte ihm, daß ich mit dem nötige f 


Takt und mit dem größten Einfühlungsbestreben | 
an seine Produktionen herantreten würde — troie i 


dem erhielt ich eine ausweichende Antwort. Das 1 
ist bedauerlich' Für den Psychiater, weil ihm f 


doch letzten Endes die Fähigkeit künstlerischen 1 
Einfühlungsbestrebens abgesprochen wird, wel 1 
man in Künstlerkreisen gar nicht so selten mel 4 
daß dieser mit dem Begriffe des Abnormen und | 
Psychopathologischen nur allzu bereit, mit Wert 1 
urteilen nur gar zu schnell bei der Hand, kon g 
rechtes Verständnis für künstlerische Auswi® T 
kungsbreite besäße. Hier liegt zweifelsohne Wahr: 1 
heit. | j 

Nun zur Hauptsache, schreibt 


BB: ' es 
spiration — selbst in dem hohen Grade, wie et 4 
mir gegeben ist — würde auch in an ie I 

IC $ 


eine häufigere Erscheinung sein, wäre Mee 7 
überwiegende Mehrzahl der Künstler SO tief in dei | i 
Materialismus verstrickt. .. .. o I 

Die Spekulation auf die grobe Sinnlichkeit d 
Menge, die Versuchung, den Irrwegen des Tas“ 4 


1] 
DB g 
T 4 


` ; £ 
us sai ~ jo 230 


mir K.: „Eine m 


i um T S — Kt 


a. 
si 


| 


 geschmacks zu huldigen, unterdrücken die zarte- 
ren Regungen des Gemüts, und von religiöser Be- 
= geisterung und Demut vor Gott ist schon gar keine 
= Rede. Ein Dürer, Burgkmaier, Michel’Angelo be- 
saßen das Gnadengeschenk der überragenden gei- 
| stigen Führung, die Antriebe ihres Schaffens wa- 
ren stets rein, mit großen Gedanken und’unschulds- 
vollem Herzen taten sie ihre herrliche Arbeit. Dem 
- nachzustreben bemühe ich mich.” 

© Bald mutet es einen an, als habe er sie emp- 
funden, die Begnadigsung künstlerischer Betäti- 
gung, als sei nur die Beurteilung meiner Gewährs- 
männin eine allzu zeitgemäße Auslegung seiner 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


101 


innerlich viel tiefer begründeten Produktivität. 
Jedenfalls erleben wir es hier, wie mediumistische 


Produktion vom Künstler als ein genadenvolles Ge- 


schenk von oben empfunden wird. 

Und wie arm kommt man sich vor, wenn man 
lediglich die Form der Produktivität im Auge 
hat und versichert, auch hier liege wieder ein Bei- 
spiel automatischen Zeichnens und Malens vor. 
In dieser Selbsterkenntnis liegen ernste Probleme 
begründet, die sich zusammenspitzen in dem Dua- 
lismus zwischen Form und Inhalt, dem Kernpunkt 
mancher neuzeitlicher prinzipieller psychologi- 
scher Erörterungen. 


Zur Okkultismus-Forschung. 
Von Oberarzt Dr. P. Sünner, Berlin-Herzberge. 


Keri hat außer den „Träumen- eines Geister- 
i ‚sehers” und den vielerlei Aufsätzen über Meta- 
- Physik auch eine Abhandlung geschrieben: „Von 
l einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der 
Philosophie”, und ich freue mich, durch Abwandlung 
des Wortes „Philosophie” in „Okkultismus” er- 
klären zu können, daß wir in der Form und Tonart, 
Wie mir Herr Prof. Friedländer in Heft 5-6 
\ dieser‘ Zeitschrift eeantwortet hat, uns sehr leicht 
verständigen und dem gemeinsamen Ziele näher 
| kommen werden. | | 

Ich glaube, daß ich mich mit dem sehr verehrten 
Herrn Prof. Friedländer in viel größerer 
f Übereinstimmung befinde, als er annimmt, und er 
| St zweifellos in einem Irrtum befangen, wenn er 
glaubt, daß ich dem „‚Okkultismus” ‚einen so wei- 
| en, ja grenzenlosen Umfang zubillige”. Nirgend- 
wo habe ich Anlaß gegeben zu dieser Annahme, in 
den Aufsätzen in der vorliegenden Wochenschrift 
stimmt nicht. Es kann sich wohl nur um eine 
“l weit gehende Deutung einiger allgemein gehal- 
f tener Sätze handeln. Aber Herr Prof. Fried- 
 ĉnder wird mir glauben, daß ich gar nicht ab- 
“rücken brauche von jenem Okkultismus, zu wel- 
i Mu. a. Stern- und Traumdeuterei, Spiritismus, 
W Ichimie, Theosophie und Anthroposophie gerechnet 
® ae da ich diese Gebiete einschließlich der 
E ologie und des Horoskopstellens nicht in den 
i # dessen einbezogen wissen wollte, wofür ich 
bisher an dieser Stelle eingesetzt habe. 

o o us ist eine These zur Erklärung merk- 
IS ea Begebenheiten, die solange zurückzutre- 
k . =: als diese Erklärung durch die „animisti- 
bi 3 sorie’ möglich erscheint. Und bezüglich 
i OSophie und Anthroposophie halte ich es mit 


Österreich, der sich in seinem bekannten 


Buch: Der Okkultismus im modernen Weltbild 
ziemlich skeptisch, wenn nicht ablehnend aus- 
drückt. 


Ich habe in der obigen Aufzählung absichtlich 
die Worte ausgelassen: „Hellsehen, Telepathie, 
Teleplasie”, und möchte hier erwähnen, daß ich 
ersteres, wenn man etwas anderes darunter versteht 
als Steiner und seine Schule, allerdings im Ver- 
ein mit dem Übrigen als Forschungsgebiet aufge- 
faßt wissen möchte. Ich will hinzufügen: Psycho- 
metrie, Telekinese und Spukvorgänge, Materialisa- 
tionsphänome, Wiünschelrute. Das wäre in großen 
Zügen das, was wir hier in Berlin auch in das Pro- 
gramm der im März neu gebildeten „Ärztlichen 
Gesellschaft für parapsychische Forschung” aufge- - 
nommen haben. | 

Während ich also einige von Herrn Professor 
Friedländer genannte „okkulte” Gebiete gerne 
aus den Richtlinien unseres Forschungsprogramms 
weglasse, füge ich einige andere hinzu, womit: Herr 
Friedländer sich auch wohl einverstanden 
erklären wird. m 

Nicht zustimmen kann ich darin, daß er meint, 
kein einziger Fall aus neuerer Zeit könne angeführt 
werden, in welchem von Hellsehern irgend etwas 
Bedeutsames, für einen Menschen, für eine Fami- 
lie, für ein Volk wirklich Wertvolles festgestellt 
oder vorhergesagt worden wäre. Ich selbst bin 
nicht zuständig für dieses Gebiet, vielleicht ergrei- 
fen andere an dieser Stelle das Wort. In der oben 
genannten Gesellschaft wollen wir jedenfalls auch 
diese Frage zum Gegenstand der. Erörterung 
machen, die erwähnte Hinzuziehung einer Hell- 
seherin im Falle Grupen geschah ja wohl hier ın 


102 


Berlin, und erinnere ich hier nur nebenbei an die 
Mitteilungen in den Tagesblättern anläßlich des 
Bürgermeistermordes bei Heidelberg. Und was das 
andere sog. „Schwächezeichen” unserer Zeit anbe- 
trifft, die Ausgrabung der Weissagungen des Nostra- 
damus, und das kürzlich erschienene Buch mit dem 
Schlüssel dazu, so ist mir beides fremd, ich habe 
also ebensowenig Interesse daran wie Herr Prof. 
Friedländer: 

Sehr beachtenswert aber fand ich des Genann- 
ten Äußerung, daß ihn der Stand unserer Heilbe- 
strebungen im allgemeinen und der seelischen Er- 
krankungen im besonderen, soweit ursächliche Be- 
handlung in Betracht kommt, so wenig befriedige, 
daß er sich der ernstesten Hoffnung hingebe, wir 
oder unsere Nachfahren mögen zu sichereren Er- 
kenntnissen gelangen. Das deckt sich mit dem, 
was in der Maisitzung der „Berliner Gesellschaft 
für Neurologie und Psychiatrie” der bekannte Psy- 
chiater und Philosoph Kurt Hildebrandt in 
einem Vortrag über „Psychiatrie und Philosophie” 
ausführte, daß wohl deshalb ein großer Teil der Ge- 
bildeten sich dem Okkultismus und Spiritismus zu- 
wende, weil die Medizin zu wenig von Philosophie 
durchtränkt sei. 

Vielleicht ist zum Teil auch hierdurch das er- 
freuliche Anwachsen der erst so kurz bestehenden, 
‚bereits erwähnten hiesigen Gesellschaft- auf: -über 
60 Mitglieder zu erklären, die mich mit der einst- 
weiligen Geschäftsführung betraut hat, bis ich 
hoffentlich bald meinen Platz einem Würdigeren 
räumen darf. Ich persönlich rechne mir den Ge- 
danken, diese Gesellschaft ins Leben gerufen zu 
haben, gar nicht so sehr zum Verdienst an, denn 
. nach jener Disputation im Langenbeckhaus, 
über die hier berichtet wurde, lag so etwas 
wie eine Sammlung aller jener Kollegen mit 
gegenteiliger Auffassung geradezu in der Luft. 
Ich wollte, zusammen mit den Herren, die 
mich unterstützten, die Gesellschaft nur mal in 
den Sattel setzen, in der Gewißheit, reiten werde 
sie schon können. Oder um einen anderen Ver- 
gleich zu gebrauchen: wir wollten, daß mit dem 

 Neuaufzäumen des Reittieres aych mal die „Rich- 


tung” verändert werde, die bisher unter einer von 


gewisser Seite erfolgten einseitigen Leitung in 
Kopfschütteln, Ablehnung und Tumult geführt hatte. 
Daß ich nicht allein die Vornehmheit von jener 
Seite vermißt habe, beweisen die kritischen Bemer- 
kungen des Herrn Prof. Gruhle, Heidelberg, im 
Zentralbl. f. d. ges. Neurol. u. Psych. Heft 8 vom 
15. April, wo er jenen „saloppen Ton“ und eini- 
ges andere gebührend geißelt. 

Wer Strindbergs „Traumspiel” gesehen oder 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


gelesen hat, erinnert sich der Gestalt des Offiziers 4 
in dem die ewige Unruhe verkörpert ist, vor der 4 
immer verschlossenen Tür, dem Welträtsel, das 4 
Immerfort kehrt er zu dieser Tür # 
mit dem geheimnisvollen Vierblatt zurück; als # 


er öffnen will. 


sie einmal geöffnet werden soll, verbietet es $ 
die Polizei, und später bemühen sich die f 
vier Fakultäten vergebens, sie zu öffnen T 


Es 
heit fand zu einer 
die Widersprüche 
Wissenschaft und dem Geelehrtendünkel. 


senschaft und Erkenntnis erschließen wird. 


Ich halte es mit Prof. Österreich, Tübin $ 
gen, daß „die menschliche Psyche’ über die vitalen f 
Potenzen in der Tat eine gewisse Macht besitzt, # | 
mit welcher Ansicht auch Schillers Ausspruch m 
„Wallenstein” wieder zur Geltung käme: „Es it 7, 


der Geist, der sich den Körper baut.” 


In diesem Zusammenhang möchte ich hier emat 7 
anderen Hochschullehrer erwähnen, nämlich den 1; 
Leipziger Naturphilosophen Hans Driesch, œi f; 
Nachfolger auf dem Lehrstuhl Wundts, & 1 
größte Auszeichnung, die Deutschland einem Philo- I 
Er hielt im Februar il I 
München als Gast der Universität im Audit. mal 4 
vier Vorträge über seine Philosophie vor mehr als > 
2000 Hörern. In seinem letzten Vortrage fand & 1 
auch warme Worte für die Parapsychologie Wi 7 
ihre Vertreter, und wohl manches Mitglied des ake 4 
demischen Lehrkörpers mag bei diesen Worte! T 
dieses Geistesriesen verwundert aufgehorcht haben: 5 
(Driesch folgt bekanntlich im September einet g 


sophen erweisen kann. 


Ruf an die Universität Peking.) 


Diese beiden Freunde und Vorkämpfer der md 
cna T 
sich zum Vorbild nehmen und in ihrem Sinne & | 
die Klärung der Probleme herangehen. Dabei SF 


\ : è 3 er di 3 
jeder willkommen sein, der guten Willens ist, 3 4 
dut f 

l 2 ahm A 
serer Gesellschaft mit Freuden bereit ist, n 
gegebener Zeit behilflich zu sein, die Grundlage ii 
Erklärung 75 
ird, läbt S 


psychologie möchte -unsere Berliner Gesell 


gerne will ich die Frage des Herrn Prof. F1 
länder dahin beantworten, daß der Vorstan 


die von ihm beabsichtigte öffentliche 
gewinnen. Wann das der Fall sein wW! 


rt 
i y u... 
J = 


[Nr. 15/16 


ist bekannt, daß hier Strindberg. Gelegen- 4 
messerscharfen Satire au $ 
in der staatlich beglaubigten $ 
Eine f 
innere Unruhe und ein Unbefriedigtsein drängt $ 
auch heute viele Gebildete wieder hin zu jener ge- f 
heimnisvollen Tür, hinter der der Okkultismus oder 9° 
das, was man im engeren Sinne darunter versteht, $ 
verborgen ist, und es ist zu. vermuten, daß ihre f 
Öffnung, die den vier Fakultäten bisher nicht ge- W 
lang — da sie meist den Versuch nicht machten — f 
nicht so grausam enttäuschen wird, wie in jenem I 
Schauspiel, sondern vielmehr neue Wege der Wis- f 


g 


Eee 


mr ne 


heute noch nicht sagen, aber an Hand der Ver- 
 sammlungsprotokolle leicht feststellen, die der Ver- 
1 hg Marhold in diesem Blatte liebenswürdigerweise 
g zu bringen beabsichtigt. Ebenfalls aus der Feder 
 mseres: Schriftführers Dr. med. et phil. Kron- 
feld wird eine Entgegnung auf den Aufsatz von 
Bresler über „Geheimsucht” erfolgen. Ich per- 
“ sönlich möchte hier nur meiner Verwunderung 
| Ausdruck geben, daß selbst von einem so belesenen 


1922] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


.. 103 


Autor der Okkultismus gleichgesetzt wird mit Spi- 
ritismus, und so gerne ich eigentlich die polemische 
Diskussion für meinen Teil schließen möchte in der 
Hoffnung, bald Tatsachenmaterial bringen zu kön- 
nen, so scheint es doch vorderhand im Interesse 
der Aufklärung noch nicht möglich zu sein. Heute 


aber will ich Herrn Bresler nur die Worte aus 


„Hamlet? zurufen: „Es braucht kein Geist vom 


79 


Grabe herzukommen ... 


Zur Okkultismus-Forschung. 


| (jr die von dem Herrn Kollegen Sünner 


vorgenommene Umgrenzung des Forschungs- 


f gebietes dürften Einwendungen nicht zu erheben 
šin Da er aber auch „Spukvorgänge“ (im all- 
- gemeinen??) einbezieht, so scheint die Annahme 
gerechtfertigt, daß er selbst an die Möglichkeit 
solcher glaubt. Hier liegt wiederum ein Stein am 
| Wege, an welchen ich mich hart stoße. Hoens- 
broich („14 Jahre Jesuit“) weist darauf hin, daß 
- &in den meisten Schlössern des mit ihm ver- 
- wandten und befreundeten Hochadels gespukt hat. 
n zwei besonders „merkwürdigen“ Fällen ver- 
Schwand die Erscheinung, nachdem ein Jesuit die 


 Austreibung mittels eines Gebetes vorgenommen 


- 


N hatte, (1) 


| Nostradamus habe ich erwähnt, weil er seit 
eher als eine der festesten Stützen der Okkul- 


üsten (im weiteren Sinne des Wortes) galt. Es 


| Väre darum der von Herrn Sünner gegründeten 
Gesellschaft eine Beschäftigung mit diesem Buche 


| u empfehlen. Herr Sünner erinnert an die Mit- 


Kilungen über Hellscherei anläßlich des Doppel- 
Mordes in Heidelberg. In dieser Sache bin ich 
| ir genau unterrichtet. Die betreffende Hell- 


 bände um 


seherin hat sich mit mir in Verbindung gesetzt 
und angefragt, ob ich bereit wäre, mit ihr hyp- 
notische Versuche zu machen, da sie in der Hyp- 
nose gesteigerte hellseherische Fähigkeiten be- 
säße. Ich habe mich hierzu bereit erklärt (vor 
einem Jahre). Die Hellseherin hat aber nichts 


mehr von sich hören lassen. 


Außer, daß sie mir 


einen Herrn zusandte, damit er durch mich von 
der internationalen Verbrecherbande befreit würde, 
welche sie in der gleichen Weise verfolge wie 
ihn, und zwar auf dem Wege drahtloser Tele- 
graphie oder drahtloser Fernphotographie! Ich 
glaube, daß mein sehr verehrter Herr Kollege 
aus diesen Mitteilungen in der Lage sein wird, 
die auf die Heidelberger Hellseherin zutreffende 
psychiatrische Diagnose zu stellen. 

Persönlich darf ich wiederholen, daß eine ge- 


‚meinsame Arbeit mit Forschern von der psycho- 


logischen Einstellung des Herrn Sünner geeignet 
sein kann, Anregungen zu empfangen, welche, ob 
wir sie annehmen können oder ablehnen müssen 
zur Vertiefung der Erkenntnisse führen. 

Prof. Friedländer, Freiburg i. Br. 


Mitteilungen. 


Zwei Serien von Versuchen werden demonstriert. In 
der ersten führen die angeblichen Telepathen, ein Ehe- 


= Reichsverband. 1. Wir bitten alle Einzelver- 
baldige Mitteilung darüber, wie hoch zur- 


t die Vergütung ist, die Hilfsärzte für ihre Verpfile- 


Sung 


Zu zahlen haben, und welcher Art diese Verpfle- 


2. An die Einsendune der Mitgliedsbeiträge an un- 


ser : x NEE 
el Schatzmeister, Herrn Regierungs-Medizinalrat Dr. 


Sitz 


} ae Postscheckkonto Leipzig 58 055, wird erinnert 
CENE, 1-2 Jahrg. 22-23 dieser Wochenschrift). 


ar L-A- Dr: Huss Ers, 
'ziliche Gesellschaft für parapsychische Forschung. 
ug vom 26, Juni 1922. 


Sanitätsrat Dr. Bruck: Demonstration eines an- 


i eren Telepathenpaares, Es handelt sich um Artisten, 


paar, bei welchem die Frau behauptet Medium zu sein, 
ihr Programm so durch, wie sie es bei ihren artistischen 


Vorstellungen zu absolvieren gewohnt sind. Die Frau 


gibt an, was für Gegenstände dem Manne gereicht werden, 
obwohl ihre Augen verbunden sind. Es ergibt sich schon 
aus der Demonstration, daß ein Trick vorliegt, aber keine 
echte Telepathie. Der Trick besteht in einem auditiven 
Verständigungssystem, welches durch die Art der Frage- 
stellung des Mannes an die Frau zustandekommt. In einer 


t 


zweiten Serie von Versuchen wird der Mann akustisch 


und optisch ausgeschaltet, In diesem Falle versagen sämt- 
liche Stichproben verschiedener Versuchsanordnungen 


104 


in geradezu kläglicher Weise, so daß das angebliche weib- 
liche Medium seine Nerven verliert. In der Diskussion 
sind sich alle Anwesenden darüber einig, daß die Lei- 
stungen auch als artistische an die anderer Telepathen 
kaum heranreichen, obwohl das Verständigungssystem 
insofern nicht unelegant ist, als in einem einzigen Satz 
eine ganze Reihe von Angaben vermittelt wird. Es wird 
beschlossen in Zukunft nur noch solche angeblichen Tele- 
pathen zu prüfen, bei denen nicht fraglos, wie im vor- 
liegenden Falle, ein sinnliches Verständigungssystem 
erkennbar ist. 


Universitätsdozent Dr. Sidney Alrutz (Upsala) hält 
einen Demonstrationsvortrag über seine Forschungen, 
welche einen angeblichen direkten Einfluß der Passes 
auf die Reizempfindlichkeit des Nervensystems in der 
Hypnose betreffen. Er hat vor einer Kommission der 
Gesellschaft tags zuvor an zwei Medien, die ihm zur 
Verfügung gestellt waren, die Ergebnisse seiner Unter- 
` suchungen demonstriert, ohne daß ein- eindeutiger Be- 
fund erhoben werden konnte Er wiederholt die De- 
monstration an einem Medium und bringt im Anschluß 
daran eine große Anzahl von Lichtbildern über einzelne 
psychologische Versuchsanordnungen. Es handelt sich 
um Versuche über Striche ohne Berührung, die, entweder 
aufsteigend oder absteigend, mit den Fingerspitzen über 
die Unterarme der Vp. in der Hypnose ausgeführt werden. 
Alrutz behauptet eine spezifische Wirkung dieser Pas- 
ses im Sinne einer „Nervenstrahlung“ von den Händen. 
Um dies methodisch nachzuprüfen, hat er versucht, die 
"Wirkung der Passes zu isolieren, indem er sie erst nach 
Eintritt der vollen Hypnose anwandte und sowohl di- 
„ rekte und indirekte Suggestivwirkung ausschaltete, als 
- auch alle Sinnesreize, welche als Signal für Autosug- 
gestionen dienen konnten. Eventuelle telepathische 
Möglichkeiten schaltete er dadurch aus, daß der Ver- 
suchsleiter selber über den Ausgang häufig in Unwissen- 
heit war. Er prüfte den Einfluß der Passes zunächst 
während der Hypnose, alsdann in bezug auf den Vor- 
gang des Hiypnotisierens. Er glaubte diese Kontrollen 
dadurch zu erzielen, daß er den Vp. das Gesicht bedeckte 
und ihre Unterarme in Glaskästen lagerte, um auf diese 
Weise jeden Sinnesreiz auszuschalten. Glas lasse näm- 
lich, im Gegensatz zu Watte oder Wolle, die Wirkung 
“der Passes durch, ebenso Metalle. Seine Resultate 


| waren zusammengefaßt folgende: Abwärtsgehende Striche 


(zentrifugal) verringern die Reizempfindlichkeit der ge- 
~ strichenen Extremität; aufwärtsgehende Striche erhöhen 
dieselbe Das Phänomen zeigt sich nur bei guten Vp., 

nicht bei allen. Gute Vp. sind solche, bei denen schon 

- spontan in der leichten Hypnose eine Steigerung, in der 
tiefen Hypnose eine Herabsetzung der Reizempfindlich- 
keit feststellbar ist. Alrutz hat dieselbe mit dem Äst- 
'hesiometer gemessen. Bei der Steigerung der Reiz- 
empfindlichkeit durch zentripetale Passes findet sich 
häufig eine Irradiation über die ganze halbe Seite, und 
gleichzeitig eine starke entsprechende kontralaterale 


Herabsetzung der Reizempfindlichkeit. Umgekehrt findet - 


sich bei zentrifugalen Passes stets eine kontralaterale 
Steigerung der Reizempfindlichkeit gleichzeitig mit der 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Irradiation und kontralaterale Reizempfindlichkeitsände- 1 I 


Rn I 
[Nr. 16 

Herabsetzung derselben auf der gestrichenen Seite, De F 
gilt nicht nur von den Hautsinnesqualitäten; sondem 


rungen lassen sich auch an den höheren Sinnesqualitäten ° 
nachweisen. (Verschiebung der spektralen Helligkeits- 
Maxima am Anomaloskop, Veränderungen der Sehschärfe 
— Herabsetzung bis zu einem Zehntel, Steigerungen bis 9 
auf das Doppelte). Alrutz folgert aus diesen Befunden, 
daß neben der psychischen Vermittelung durch Sug- 
gestion noch eine unmittelbare physiologische Wirkung | 
auf das Nervensystem des TIypnotisierten in Frage r 
komme, deren Natur vielleicht in korpuskulären Strah 
lungen bestehe. Je nach der individuellen Disposition 
des Mediums mache sich diese Wirkung nicht nur af 
der Reizempfindiichkeit geltend, sondern auch auf mo- 
torischen Gebiete. Es gelingt, ohne Berührung, duret 
bloßes Hinzeigen auf die Sehnen oder Muskeln eines 
Fingers, diesen im Sinne der Funktion des betreffenden | 
Muskels motorisch zu beeinflussen. Man kann auch be 
obachten, daß die AHypnotisierung selber ohne Verbal- 
suggestion nur durch zentrifugale Passes, das Aufweckėen | | 
nur durch zentripetale Passes möglich ist, niemals | 3 
umgekehrt. $ 
Die Diskussion wird nach einem Schlußwort von 
Kronfeld, der die Alrutzschen Befunde den gelten | = 
den psychologischen Theorien der Hypnose kritisch ge 7 
genüberstellt, auf die nächste Sitzung vertagt. e o 
Kronfeld, Berlin $ 
— Die „Hellseherin” als Detektiv. Um den Verbleib E 
der verschwundenen Ehefrau des Doppelmörders Gri- I 
pen, der sich selbst gerichtet hat, zu ermitteln, hat der a 
Berliner Rechtsanwalt Dr. Puppe als Rechtsbeistand der” | 
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Familie Grupen die Tätigkeit einer dortigen Hellseherit 4 
in Anspruch genommen. Die Sitzung fand, wie Berliner 
Blätter berichten, in dem eleganten Heim einer dem Ok 
kultismus anhängenden Dame in Berlin W. statt. Ein 
Hypnotiseur versetzte das Medium in Trancezustand $ 
und bald sah die „Hellseherin” im Geiste allerlei Bi f| = 
die freilich keine rechte Aufklärung brachten. So zeigie | 
z. B. eines dieser Bilder die Vermißte als modemde $ 
Leiche in einem Brunnenloch zu Ottenbüttel, dem frii 
heren Wohnort Grupens, nach einem anderen war sie in 
Begleitung eines Mannes in den Hafen von New York 
eingefahren. Den wirklichen Ursprung dieser ' Visionen 1 pg 
scheinen also die Gerüchte zu bilden, die hinsichtlich 5 w 
Verbleibs der Frau Grupen entstanden sind. Die ! 

sehversuche sollen aber „nach dem Mondwechsel" en 
neuert werden. i; 


= 
= 
a 
' 


: 3 
Referate. 


— Zur Psychologie des Psychographierens. 
A Langelūddeke. Zeitschr. 1. angew. Pera 
1922 Bd. 20 H. 5-6. 

Verf. untersucht. den Einfluß der Per sönlichke E 
Psychographen auf das von -ihm verfertigte are | 
gramm, indem er ein und dieselbe Person Von mehrel 
anderen unabhängig voneinander a 
und die so erhaltenen Psychogramme miteinall er 
gleicht. Er bedient sich dazu des Schemas vol 


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mans und Wiersma (Zeitschr. ft. Psychol. 41, S. 81); 
im ganzen verarbeitete er 22 Psychogramme über Tech 
sonen. Dabei zeigte sich, daß die Psychogramme 
über einfache Persönlichkeiten besser übereinstimmten, 
A solche über komplizierter strukturierte. Es ließ sich 
ineinem Falle nachweisen, daß Antipathie des Psycho- 
graphen das von ihm gelieferte Psychogramm stark be- 
 einflußt hatte, in einem anderen konnte eine allgemeine 
- Neigung zum Idealisieren angenommen werden, bei 
einem dritten Psychographen ließ sich eine hypomani- 
sche Komponente wahrscheinlich machen. Vielfach er- 
nzten sich die verschiedenen Ansichten der Psycho- 
| graphen zu einem abgerundeteren Bilde. Nach einer 
kurzen Besprechung der Frage, welche Fragen des 
Schemas die größte Aussicht haben, übereinstimmend 
: beantwortet zu werden, setzt sich der Verf. mit der 
Frage des Wertes der Psychographie als wissenschaft- 
r liche Methode auseinander. Er erkennt ihr wissenschaft- 
lichen Wert zu, verlangt aber kritische Handhabung, da 
jedes Psychogramm einseitig sei. Diese Einseitigkeit 
hasse sich bis zu einem gewissen Grade durch mehr- 
> liches Psychographieren ausmerzen (Selbstbericht.) 


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Buchbesprechungen. 


— Stekel, Dr. Wilhelm, Nervenarzt in Wien: 
Psychosexueller Infantilismus (die seelischen Kinder- 
 ktankheiten der Erwachsenen). 616 S. Mit 8 Textab- 
 bildungen. Berlin und Wien 1922, Urban & Schwarzen- 
berg, 120,00 M. 

i Ein ungemein reichhaltiges Buch; das Gebiet, von 
| dem es handelt, ist allerdings ein sehr umfangreiches. 

N ist unmöglich, in Form einer Besprechung, selbst 

ner ganz ausführlichen, ein Bild von dem interessanten 

id vielseitigen Inhalt zu geben. Auch wer mit einzel- 

nem nicht einverstanden ist, wird viel Gewinn aus dem 

Bach ziehen. 

. Lehrreich ist besonders das letzte Kapitel: „Gren- 

a, Gefahren und Mißbräuche in der Psychanalyse”. 

die Überschätzung der Psychanalyse bedeutet, wie S. 

e (S. 615), auch eine große Gefahr für die 

Psychanalyse, .Es gibt bereits eine „analytische Neu- 

Tose” und eine „sekundäre Verdrängung” ‘oder „post- 
Analyt ische Verdrängung” (S. 608). B. 
o7 Wittig, Hans: Die Geltung der Relativitäts- 
k ne. Eine Untersuchung ihrer naturwissenschaft- 

ên Bedeutung. 67 S. Berlin 1921, Hermann Sack 
erlag, 12,00 M. 
p diese exakte Widerlegung der Einstein- 
Er A und Zeitlehre und die Befreiung der Theo- 
en einer naturwissenschaftlich nicht haltbaren Ein- 
au, war bereits in dem Aufsatz „Bezuglehre” 
ise < 224) hingewiesen. Das Buch sei auch an 
t elle angezeigt, da es von jedem gelesen wer- 

lie, der sich von den Irrtümern und Fehlschlüssen 
Relativitätstheorie überzeugen will. 


he der, Julius, Professor an der Universität 
Ei. Dest: Theorie der Empfindungsqualität als Abbildes 
Š Reizes, 


Mit einem Nachwort über die Aufnahme 
Passungstheorie des Empfindungsvorgangs durch 


E dr 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


105 


die experimentelle Psychologie und mit einem offenen 
Schreiben an Herrn Prof. Hoffmann, Würzburg, über 
den Kraftsinn und über die Anpassungsfähigkeit des 
Nervmuskelpräparates. (4. Heft der Schriften zur An- 
passungstheorie des Empfindungsvorganges des Ver- 
fassers.) 107 S. Leipzig 1922, J. A. Barth. 

Die so viel Erfolg versprechend begonnenen und in 
der Tat so erfolgreich gewesenen Studien des Verf.s 
sind in das kritische Stadium, d. h. in das Stadium der 
Kritik und Antikritik getreten und damit zu einem Ruhe- 
punkt, an dem zunächst eine Auseinandersetzung mit 
anderen stattfindet. Man kann hier so recht deutlich 
beobachten, wie nachteilig es ist, den Boden der .ex- 
perimentellen Untersuchung zu verlassen und in Speku- 
lationen zu schweben; es kommt jedenfalls wenig dabei 
heraus. Hoffen wir, daß das nächste Heft wieder mehr 
Tatsächliches bringt, das die Ansicht stärkt, daß unser 
Leben bei aller Wechselwirkung nicht ein Empfinden 
und Erleiden (der Grundton unserer bisherigen traurigen 
Weltanschauung), sondern ein Erfassen und Gestalten ist. 
Ist doch meines Erachtens auch das Selbstempfinden ein 
Selbsterfassen und Selbstgestalten; dies wird 
Verf. zugeben oder hinzugeben müssen, obgleich er der 
Meinung ist, daß wir durch unsere Sinnesorgane 
die Wirklichkeit erkennen und daß andere Sinnesorgane 
und andere Empfindungen ebenso wenig möglich sind, 
ebenso ein widerspruchsvoller Begriff, wie ein sich. 
nicht erhaltendes Leben (S. 30). Die zahlreichen Innen- 
empiindungen, d. h. die Empfindungen, die aus inneren 
Organen strömen und die nicht eines „Abbildes” bedürfen, 
wenngleich wir sie bildhaft bezeichnen, und die auch 
Ausgleichung und Selbsterhaltung bedeuten, Empiindun- 
gen, die wir zum Teil auch‘ erfassen und beherrschen, 
— sie dürfen nicht außer acht bleiben, wenn man aufs 
Ganze gehen will. Auch die Unterscheidung zwischen 
nichtregulativen Vorgängen im Anorganischen und regu- 
lativen im Organischen (S. 30) läßt sich nicht durch- 
führen. (Alexander von Humboldt hat hier- 
über in seiner Erzählung: „Die Lebenskraft oder der 
rhodische Genius” Treffliches und Wundervolles ge- 
dacht und geschrieben. - Diese Erinnerung tauchte bei 
mir. auf, als ich den wenig schönen Fußnotentritt sah, 
den P. S. 88 der Preußischen Akademie der Wissen- 
schaften versetzt.) Bresler. 


Therapeutisches. 


— E. Mercks Jahresberichte über Neuerungen ati 
den Gebieten der Pharmakotherapie und Pharmazie. 
1919 bis 1920. 33. und 34. Jahrgang. Darmstadt, No- 
vember 1921. 

Enthält zunächst einen interessanten Aufsatz über 
Benzyl- Verbindungen, dann Präparate und Drogen, 
zweckmäßige Register, Literaturverzeichnis usw. 


Diese Jahresberichte sind auch diesmal ein sehr 
nützliches Nachschlagewerk (besonders auch für 
Mittel der psychiatrisch-neurologischen 


Praxis) und geben einen tiefen und lehrreichen Ein- 


‚blick in den ungemein arbeitsamen und auf der wissen- 


schaftlichen Höhe stehenden Betrieb der Arzneifor- 


1066 __ ___ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT [Nr. 15116. 


schung, an der die altbewährten Laboratorien und Fällen gefundenen Labilität des vegetativen Nerven ` 
wissenschaftlichen Einrichtungen E. Mercks in erster systems in gewissen Beziehungen stehen. Die günstige < 
Reihe und aufs erfolgreichste mitwirken. Beeinflussung der Krankheitserscheinungen durch Pitu- ` 
gelandol dürfte entweder durch direkte Wirkung oder auf # 


— Zur Behandlung der reirigeratorischen Pollakis- | 
dem Wege über das vegetative Nervensystem zustand $ 


urie. Von Dr. Robert Bachrach, Vorstand der 
II. Urolog. Abt. des Franz-Joseph-Ambulatoriums, Wien. kommen. 4 
Wien. med. Wochenschr. 1921 Nr. 39-40, me eg N i | 

Verf. hat Papaverin bei Pollakisurie mit bestem Er- - Personalnachrichten. 4 


folg angewendet. Nach den eingehenden Untersuchun- — Frankfurt a. M. Am 16-Iuni verstarb zo 4 
a Se es PADaN Sn eine. SOSZUISCH ampi richsdorf i. T. der ehemalige Direktor der Psychiatri- $ 
stillende Wirkung auf die glatte Muskulatur. Die SUb- «chen Universitätsklinik und der Städtischen Irrenanstalt ; 
stigen Erfahrungen, die Veri. bei anderen spastischen zu Frankfurt a M- Geheimer Medizina A Dr | 
Zuständen der Harnwege mit dem Mittel gemacht hat, Emil Sioli,m 70. ebenso 

veranlaßten ihn, dasselbe auch bei Pollakisurie zu ver- 
- wenden. Verf. bringt einige Auszüge aus Krankenge- 
schichten, in denen Fälle mit zwei- bis dreimaliger Gabe 
von 0,05 bis 0,06 Papaverin per injectionem beschwerde- 
frei wurden. 

— Über das Verhalten der Magen- und Darmiunk- 
tion bei Diabetes insipidus. Von Dr. Hans Gorke 
und Dr. Erhard Deloch. Aus der Med. Klinik der 
Universität Breslau (Dir.: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Min- 
kowski), Med. Klin. 1921 Nr. 38 S. 1140-42. 

Zusammenfassung: „Bei drei Fällen von 

Diabetes insipidus wurden neben Polyurie und Poly- 
dipsie, neben Anhidrosis und Fehlen der Speichelsekre- 
tion, neben einer Erhöhung der molekularen Blutkonzen- 
tration folgende Erscheinungen am Magendarmkanal | 
festgestellt: Superazidität und -sekretion und Erhöhung Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schritt- | 
des Tonus und der Peristole am Magen, spastische Ob- leitung resp. den Verlag über redaktionelle |’ 
stipation des Dickdarms. Diese Funktionsstörungen am Fragen das Rückporto beizufügen. J 
Magendarmtraktus dürften mit der von uns bei allen drei 


Bezieher der Zeitschrift, 


denen diese durch die Post zugestellt wird, wollen sich 
im Falle unregelmäßiger Zustellung stets an die Post 
anstalt ihres Wohnortes bzw. ihres Postbezirks wendet 
Bei Wohnungswechsel ist ebenfalls sofort die Bestell 
postanstalt zu benachrichtigen und die Überweisung at 
die neue Adresse zu beantragen. — Bezieher, die die 1 
Zeitschrift bei einer Buchhandlung bestellt haben und 4 
durch diese zugestellt erhalten, müssen ihre Reklamation 
bei der betr. Buchhandlung anbringen. — Auslandsabot- 

nenten, welche die Zeitschrift durch Kreuzband erhalten 


reklamieren direkt beim Verlag. 


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Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnummert, = 

„ Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. nia 


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Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


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f bald einen druckiertigen Eigenbericht an die Schriftleitung zu senden. 


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Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Kerrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Į Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
| | Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 
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Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh, Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
f birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
2 Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
TI Ru), Geh. Med.-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Ol Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
4 | Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Nr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
"Dr. L. W. Weber, Cheninitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresier, Kreuzburg (Oberschlesien). 

{l Nr. 17/18. 20, Juli 1922/23. 

| Bezugspreis: š - eher na 
M MIS ti : : : Zuschriften für die Schriftleitung 

Eor für das Vierteljahr, die Verlag und Ausgabe: sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
a N Tree al Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
1 schen Buchhandel ossi: Carl Marhold Verla S buchhandlun g Bei Anfragen ist das Rickporto 
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1 Eee bar vom Verlage, Er- Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale ee 
gi ent bis auf weiteres vier- P : ipzig 32070. -Mi ; 
A| zeintägig in Doppelnummern. ostscheck: Leipzig 32070 dorf-Mitte, Georgstraße 3. 


{hhalt: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Emil Sioli T. (S. 107.) — Bericht über die Irrenfürsorge der Heil- und 


{m Pflegeanstalt Erlangen. (S. 110.) — Mitteilungen. (S. 116.) — Referate. (S. 116.) — Buchbesprechun- 
; gen. (S. 117.) — Therapeutisches, (S. 117.) — Personalnachrichten. (S. 118.) 


Be SR N SEN 
Emil Sioli +. 


Kir vor Vollendung seines 70. Lebensiahres ist der Geh. Med.-Rat Proi.-Dr. Emil Sioli 
gestorben, er, dem bei seiner bis in die letzte Zeit zur Schau getragenen körperlichen 

g ind geistigen Frische und temperamentvollen Lebensbejahung ein hohes Alter bestimmt 
1i chien. Noch am 25. Mai hatte er in froher Stimmung frühere Assistenten als Gäste bei 
| ich gesehen und es sich nicht nehmen lassen, sie persönlich auf seinem Landgut Dillingen 
j üherzuführen, obgleich er schon einige Tage über vermeintliche Grippe-Erscheinungen ge- 
f ast hatte. Am nächsten Morgen mußte er sich legen, weil sich thrombotische Störungen 
m rechten Bein zeigten. Bald folgte die Überführung nach der Chirurgischen Klinik in 

| Frankfurt, wo wegen eintretender Gangrän die Oberschenkelamputation vorgenommen ward, . 
f od am 16. Juni führte Herzschwäche bei vorgeschrittener Koronarsklerose den Tod herbei. 
Mit Emil Sioli ist wieder eine markante Persönlichkeit aus den Reihen iener Ge- 

| tration deutscher Irrenärzte geschieden, welche am Aufblühen psychiatrischer Wissen- 
5 Schaft lebhaftesten Anteil gehabt und den hohen Ruf deutscher Heil- und Pflegeanstalten 
5 “Sründet hat. Wie die meisten jener Männer. stand Sioli auf breitester medizinischer 


108 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


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fr Hr RAT ar $ 
> w’ AR a, ee A x 


und naturwissenschaftlicher Basis, ein Mann der Praxis und der Tat trotz allen seinen reichen 
wissenschaftlichen Interessen, vor allem ein hervorragender Organisator. Kurz vor seinem $ 
Tode hat er noch selbst auf seinem Schmerzenslager rückschauend sein Leben als ein glück- PAg 
liches bezeichnet, wohl aus dem berechtigten Hochgefühl heraus, dab es ihm wie wenigen $ l 
beschieden gewesen war, zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Platz zu gelangen, um | 
sein Können zu verwerten. lhm ward die Aufgabe, und er besaß die Fähigkeit, eine kleine | 
städtische Heilanstalt zum aufnahmereichsten Stadtasyl und weiter zur Universitätsklinik zu | 
entwickeln und das gesamte Irrenwesen Frankfurts vorbildlich umzugestalten, so dab es 1 
heute die geeignete Grundlage zum Aufbau einer umfassenden Psychopathenfürsorge bildet. ! 


Unermüdliche Energie, feurigen Tatendrang, schöpferische Phantasie und praktisches Ni 
Geschick hatte er von seinen Vorfahren geerbt. Sein Vater, ursprünglich preußischer $i / 
Offizier, war zugleich Landwirt und Gelehrter und eilte mit wunderlich-kühnen Gedanken- $f 
flügen seiner Zeit voraus. Aber gerade der finanzielle Zusammenbruch, den er durch Uber- gg 
fülle an Plänen über seine Familie brachte, zwang schon früh den Sohn zur Anpassung an 
die nüchterne Wirklichkeit. Emil Sioli hat es in seiner Jugend nicht leicht gehabt und auch BR 
später Jahre hindurch zäh gerungen, um seine Ziele zu erreichen, bis ihm das Alter die früh I 


erstrebte akademische Stellung bescherte. 


Am 29. Juli 1852 auf dem Gut Lieskau bei Halle geboren. besuchte er die Latina BE 
der Franckeschen Stiftungen und mußte während seiner Schul- und Studentenzeit sich durch ; 
Stundengeben die nötigen Subsistenzmittel selbst erwerben. Begeistert zog er 1870 als Not- 1 
abiturient und Kriegsfreiwilliger ins Feld, promovierte 1875 und erlangte 1876 die Approbation. \ 
Während seiner ganzen Studienzeit hatten ihn die allgemeinen Naturwissenschaften mächtig 3 
angezogen. Er war Assistent am Mineralogischen Institute geworden und interessierte sich $ 
stark für Anatomie. Jetzt erwarb er sich durch Vertretung von Ärzten die erforderlichen I 
Mittel, um zu Waldeyer nach Straßburg als Assistent zu gehen. Anatomischer Denkweise $ | 
und anthropologischen Interessen ist er auch sein Leben lang treu geblieben, aber das theo- I 
retische Fach mußte er bald aufgeben, weil ihm der finanzielle Rückhalt fehlte. So wandte $i 
er sich nach neuen Vertretungen der Psychiatrie zu, ging erst nach Nietleben und dann ZU 18 
C. Westphal an die Charite, wo er nach eignem Ausspruch die schönste Zeit seines Lebens gaf 


IN i 17/18 i 4 
A E 
1: 


genoß. Nach Wernicke’s Abgang rückte er zum 1. Assistenten auf, doch wieder zwangen WIR 


ihn wirtschaftliche Rücksichten zur Abkehr von der akademischen Laufbahn. 1880 sehen | 
wir ihn als Oberarzt in Leubus, 1882 als Direktor in Bunzlau. So erwarb er sich eine | 
glückliche Mischung von praktischer Verwaltungserfahrung und Verständnis für die wissen gif 


schaftlichen Aufgaben einer Klinik. 


1888 berief ihn die Stadt Frankfurt a. M. zum lebenslänglich angestellten Direkto! l l ] 
ihrer Anstalt für Irre und Epileptische. Wie er hier umformend und 'neuschafiend wirkte, SIR 
um die unter seinem Vorgänger ins Hintertreffen geratene Heil- und Pflegeanstalt zum vor i 
geschrittensten Stadtasyl zu gestalten, das ist schon bei Gelegenheit seines 30 jährige H 
Dienstjubiläums im Jahrgang 1918/19 dieser Zeitschrift Nr. 33/34 eingehend geschildert worden. i | 
Heute mag es genügen, als Ergebnis seiner Bemühungen um die Entwicklung der Anstalt I | 
die rasch wachsende Zahl der jährlichen Zugänge aufzuzeigen: 1887 waren es nur 109 £e- F | 
wesen, 1897 schon 468, 1907 1289, bis schließlich die Höchstzahl 1500 erreicht un \ | 
ohne irgend welche behördliche Mitwirkung lediglich auf Verantwortung des Direktors au I | 
genommen wurden; ihre Zahl betrug bereits 1910 volle 1265 gegenüber 114 Eingewiesenel. i i | 


Diese überraschende Vermehrung kam vor allem auf Rechnung der freiwilligen Zugänge 


Im PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 109 


If Das bloße Zeugnis eines praktischen Arztes genügte ihm, und zu jeder beliebigen Tages- 
oder Nachtzeit wurden unangemeldet die Kranken aufgenommen. Angstliche Bedenklichkeiten 
kannte Sioli nicht in seinem Bestreben, seine Anstalt anderen offenen Krankenhäusern mög- 
| lichst anzunähern. Jahrelang ließ er sich und sämtliche Ärzte zu fast jeder Aufnahme rufen, 
um durch persönlichen Augenschein sich von ihrer Berechtigung zu überzeugen und um ver- 
1 - ständnisvolle Helfer heranzuziehen. Gleich bei der Aufnahme sollte ein kurzer Befund schrift- 
‚lich fixiert werden; dazu wurden besondere Formulare vorgesehen. Jederzeit wurden an 
die Angehörigen in entgegenkommendster Weise mündliche und telefonische Auskünfte erteilt, 
Besuche auf den Abteilungen, Spaziergänge und stundenweise Beurlaubungen gestattet. 


Offenen Blickes verfolgte Sioli alle medizinischen Fortschritte und erkannte schnell 
die Aniorderungen des Tages, wußte immer rechtzeitig entsprechende Neuerungen zu treffen, 
1i mochte es sich nun um den Bau von Wachsälen, Dauerbädern, Liegehallen, Kinderabteilung 
f handeln, oder um Schaffung von Trinkerasyl und Nervenheilstätte, Erweiterung des Labo- 
ratoriums für mikrophotographische Zwecke, um Poliklinik, Familienpflege, Fürsorgemaß- 
nahmen. Ganz besonders ließ er sich von anfang an die Förderung wissenschaftlichen 
 Strebens und Arbeitens bei seinen Ärzten angelegen sein, führte Referatabende, Arbeitsur- 
Jaub, Studienreisen ein und sorgte für reichhaltige Bibliothek. Wenn er auch selbst unter 
‚dem Druck seiner immerfort anschwellenden Geschäftslast nicht mehr zur Durchführung 
mancher geplanten wissenschaftlichen Arbeit kam, so hat er doch in manigfachen Aufsätzen 
und Vorträgen zahlreiche wertvolle Gedanken ausgestreut, mehr noch im posamen g Ver- 
kehr anregend gewirkt. 


Nach Ausbruch des Krieges, der ihm infolge Einziehung von Ärzten und Pilegern 
an Sich schon erschwerte Arbeitsbedingungen brachte, erwuchsen aus seiner Ernennung zum 
Ordinarius mit Eröffnung der Universität Herbst 1914 neue Pflichten, die er mit gewohnter 
f rendigkeit auf sich nahm. Damals meldeten sich wohl die ersten Alterserscheinungen unter 
der vereinten Einwirkung übermäßiger Anspannung und seelischer Erregungen, verursacht 
durch Verwundung zweier Söhne, Verlust der Gattin und des dritten Sohnes, endlich durch das 
f Unglück des Vaterlandes. Doch noch einmal siegte seine Energie; zwar ging er gemäß den 
Städtischen Bestimmungen über die Altersgrenze Herbst 1919 in Pension auf sein Landgut 
im Taunus, allein er betonte ausdrücklich bei der Abschiedsfeier, er wolle sich nicht zur 
Ruhe setzen, für ihn beginne ein neuer Lebensabschnitt! Tatsächlich gründete er eine neue 
Ehe, trug sich mit Plänen zum Aufbau einer Privatanstalt. Schon hatte er trotz der Ungunst 
der Zeit erfolgreich mit der Ausführung begonnen, war als Konsiliarius und Gutachter bei 
den Gerichten tätig, ohne Zeichen des heranschleichenden Leidens zu verraten. Da wari 
ihn unvermutet die Arteriosklerose nieder. 

3 Sọ ist der unermüdliche Lebenskämpfer seinen großen Schülern Alzheimer, Nissl. 
Brodmann nachgefolgt, aber gleich ihren bahnbrechenden Forschungsarbeiten wird auch 

‚Solis Lebenswerk in den Annalen der deutschen Psychiatrie einen dauernden Platz behaupten. 
| Raecke. 


++ 


110 


Bericht über die Irrenfürsorge der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen 
vom 1. Januar bis 31. Dezember 1921. 


1): Berichtsiahr 1921 
durch eine wesentliche Steigerung der 
sorgetätirkeit. Diese läßt sich erkennen: 


wird gekennzeichnet 
Für- 


Ver 
Zahl 


l. in der erheblichen Zunahme der Zahl der 
sorgten; sie stieg von 449, mit welcher 
das Jahr 1920 abschloß, auf 621; 

2. in einer freiwilligen Inanspruchnahme der Für- 

sorgeeinrichtungen durch einen Kreis von Leu- 

ten, welche wohl geistig anormal, aber bisher 
noch niemals in Anstalten gewesen waren; 

in einer der Zahl nach fühlbaren Zuweisung von 

geistig abnormen - Menschen durch Behörden 

zur Beaufsichtigung resp. zur Klärung undurch- 
sichtiger Verhältnisse; 

4. in einer Zunahme von Fällen, in denen Ange- 
hörige von in der Anstalt befindlichen Patienten 
die Vermittlung der Fürsor$estelle in den ver- 
schiedensten o in Anspruch nah- 
men; 

5. in dem Umstande, daß der Fürsorgearzt seit 22 
Februar 1921 regelmäßig auch die Fürsorgeer- 
ziehungsanstalt Nürnberg-Schafhof als beraten- 
der Facharzt versorgt; endlich 

6. in der zunehmenden Entwicklung der Stellen- 
vermittlung in Erlangen für weibliche Kranke. 
Zu den einzelnen Ziffern ist erläuternd zu be- 

merken: 


Zu 1. Vom 1. Januar bis: 31. Dezember 1921 
waren in Fürsorgekontrolle: 301 Männer und 320 
Frauen, zusammen 621 Kranke, gegen 245 Männer 
und 204 Frauen, zusammen 449 Kranke, im Be- 
richtsiahre 1920. 


G> 


Im heurigen Berichtsiahre wurden durch Für- 


sorgearzt und Fürsorgepflegerinnen bzw. Für- 
sorgepfleger 6985 Besuche (4963 im Jahre 1920) ge- 
macht. 

Im einzelnen treffen: auf Fürsorgearzt 1721 bei 
421 Kranken, auf die Nürnberger Fürsorgepflegerin 
2441 bei 285 Kranken, auf die Fürther Fürsorge- 
pilegerin 2468 bei 193 Kranken, auf den Pflege- 


-meister Feilner 305 bei 65 Kranken, auf die Pese 


| meisterin, Dotzler 50 bei 9 Kranken. 


Zu 2. Im Laufe des Ber ichtsjahres hat das 

| Inter 88er. das- die Stadträte ter 
beiden Städte Nürnberg und Fürth, 
welche nach wie vor das Hauptgebiet der Für- 
sorgetätigkeit bilden, an der Geisteskrankenfür- 
sorge der Anstalt schon bisher nahmen, sich ge- 
steigert zu praktischer Förderung und greiibarer Un- 
terstützung. In Nürnberg wurde unsere dort errich- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


genommen. 


die Stadt Fürth und der Bezirksarzt der Stiif 


nützt, um durch dessen Vermittlung Aus 


[Nr. 17/1 


tete Fürsorgestelle vom Gesundheitsamt der Stall 
in das Verzeichnis der übrigen schon bestehenden 
teils städtischen, teils privaten Fürsorgestellen auf E 
Dieses Verzeichnis mit den entspre 1: 
genden Hinweisen ist in großen Plakaten an ln B 
geeigneten Stellen öffentlich angeschlagen. Diest j 
Plakatierungen im Verein mit Notizen in den y 
Tageszeitungen, ebenfalls vom Gesundheitsamt der | 
Stadt veranlaßt, haben dazu geführt, daß eine Reile 
von geistig abnormen Leuten, die bisher niemal N 
in der Erlanger Anstalt gewesen waren, oder dere A 
Angehörige um Rat, Hilfe und dauernde Überwe |" 
chung bei der Fürsorgestelle nachsuchten. a 


Zu 3. Schon im Bericht für 1920 konnte darat 
hingewiesen werden, daß durch verschiedene Be- \ 
hörden.bisher nicht in der Anstalt gewesetif i 
geistig abnorme Personen der FE 
sorge zugewiesen wurden. Dieses Vei a 
fahren hat im Jahre 1921 an Umfang noch zug 
nommen. Namentlich machen erfreulicherweg 


Fürth von solchen Zuweisungen ausgiebigen Kr 
brauch. Es handelt sich dabei meist um Vorerle- A 
bungen bei zweifelhaften Geisteszuständen, Über: i 
wachung von Kranken, deren Anstaltsbedürttigkel E 
nicht ohne weiteres feststeht; Überwachung voll a 
Alkoholisten und Psychopathen, welche durch Er A 
zesse, Ruhestörungen, bedrohliche Erregungsalı 4 
stände usw. auffällig geworden waren. Meist gal | 
es dabei, für die zuständigen Stellen das erforder P 
liche Material zur Klärung der Frage der Gemei i i 
gefährlichkeit, des Vorliegens einer Geisteskrank- ii 
heit usw. zu beschaffen. Auch der Bezirksarzt und! \ 
der Stadtrat der Stadt Nürnberg machten voll 8 
dieser Einrichtung Gebrauch, ebenso andere städ 4 
sche Stellen und Ämter, wie z. B. die Polizeischwi $ k 
stern, das Armenamt, endlich auch Fürsorgesil 
anderen Charakters, wie die Säuglingsfürsoreh, m | 
Jugendfürsorge usw. 4 Å 


Zu 4. Die zunehmende Beanspruchung der Fir 
sorgestelle durch Angehörige wurde veranlabt % ber 
sonders durch die außerordentliche Steigerung ® i 
Fahrpreise, welche es vielen Angehörigen voi 1 
Kranken in der Anstalt unmöglich macht, öfters 
ihre Patienten zu besuchen. Von sehr vielen wit 
deshalb die Sprechstunde des Fürsorgearztes t 
kunft ie 
Befinden, Entlassungs- bzw. Beurlaubung 
auch Fragen praktischer oder re 2 
usw. zu erhalten. 


112) 


i i Au5. Die Leitung der Fürsorgeerzie- 
ingsanstalt Nürnber2s--:SchaTih-0F 
Fur im Laufe des Februar 1921 an die Anstalts- 
Mirektion mit der Bitte herangetreten, daß ein Arzt 
Mir Anstalt öfters zur Beratung in Fragen geistig 
| Abnormer und schwieriger Elemente die Fürsorge- 
Triehungsanstalt Schafhof besuchen möge. Diese 
| Bitte entsprach einem vom Dir. Herrn Obermedi- 
A inalrat Dr. Kolb bereits seit langem aufgestell- 
Min Grundsatze (siehe Zeitschr. f. Rechtspflege in 


Ahrnfürsorge). Die Direktion betraute deshalb 
Fin Fürsorgearzt mit dieser Aufgabe, weil sie 
finen Berufsaufgaben am nächsten lag und weil 
Je ihr infolge seiner regelmäßigen Besuche in 
FNimberg am leichtesten gerecht werden konnte. 
Fall nach Aufnahme seiner Tätigkeit hat sich die 
Gewohnheit herausgebildet, daß er regelmäßig alle 
MTage einen etwas verlängerten Vormittag der 
f Anstalt Schafhof widmet. s 

7 hnder Organisation der Fürsorge 
f wurde im Berichtsijahre gegen das Vorjahr nichts 
Wesentliches geändert. 

4 Die rasche Entwicklung der Fürsorge brachte 
f üturgemäß eine erhöhte Selbständigkeit des Für- 
ürgearztes mit sich. Die Fürsorge wird im- Sinne 
Wr Richtlinien des Anstaltsvorstandes vom unter- 
A üsten Oberarzt geführt. Grundsätzliche Fragen 
f erden dem Anstaltsvorstand vorgelegt. Über die 
f aken wird im ärztlichen Referate dem Anstalts- 
4 "stand und den Ärzten der Anstalt berichtet. 

| Die vom Anstaltsvorstand aufgestellten Richt- 
gen finden sich in der Zeitschr. f. d. ges. Neur. u, 
{xch 1911 Bd. VI H. 3. Die dort. vertretene Auf- 
f ung, daß eine von der öffentlichen Irrenanstalt 
Ùs Aufnahmebezirkes ausgehende Fürsorge be- 
ndere Vorzüge habe und mehr leistet gegenüber 
mer rein lokalen Organisation der Irrenfürsorge, 
pe Sich durch die praktischen Erfahrungen der 
| rien Jahre in vollem Umfange bestätigt. 

| De Fürsorgearzt ist derselbe geblieben. Für 
ne Abwesenheit (Urlaub usw.) wurde der An- 
Sultsarzt Dr. Hubert Schuch als Vertreter ein- 
starbeitet, | | 

| Das Hauptarbeitsgebiet des Fürsorgearztes 
x wie bisher die Städte Nürnberg und Fürth, 
a 2 Zirndorf und Erlangen. In der Erkennt- 
Möglich es notwendig ist, dab der Fürsorgearzt 
nn jeden in die Fürsorge Einbezogenen in 
RR igen Zwischenräumen selbst sieht, wurde 
l o e er auch die im Fürsorgegebiet 
ı “men Kranken nach Möglichkeit besuchte, 


a 


I Nüt verfügbare Zeit und verfügbare Mittel bei 


3 " it weiten. Entfernungen und der räumlichen 


Aiyern 1914 Nr. 4 u. 5, Kolb, Rechtspflege und 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 111 


Verstreuung dies möglich machten. Eisenbahn und 
Dienstrad bildeten dabei die Beförderungsmittel, 
manches Kilometer mußte jedoch auch zu Fuß zu- 
rückgelegt werden. 

Die Hauptaufgaben des Fürsorgearztes bildeten: 

Il. Fürsorge für die aus der Anstalt beurlaubten 
Kranken; 

2. Überwachung der von Behörden zugewiesenen 
Kranken; A ER 

3. Fürsorge für einzelne Kranke auf eigenen 
Wunsch oder auf Wunsch der Angehörigen, 
wenn dies ohne Schädigung der Interessen 
der praktischen Ärzte geschehen konnte oder 
ein Öffentliches Interesse vorlag; | 

4. Beratung der Kranken und deren Angehörigen 
insbesondere auch in allen forens-psychiatri- 
schen Fragen wie Entmündigung, Pflegschaft, 
Ehescheidung usw., dann in Fragen Öffentlicher 
Fürsorge (Renten usw.); | 

5. Unterstützung der Kranken und deren Ange- 
hörigen im Verkehr mit Behörden und anderen 
Stellen, zuweilen auch Wahrung der Interessen 
der Kranken gegenüber den Angehörigen; 

6. Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für Kranke 
durch Vermittlung bei Arbeitsämtern, Kriegs- 
beschädigtenfürsorgestellen und anderen Orga- 
nisationen, endlich auch durch Ausnützung von 
Beziehungen, die in der Fürsorge geknüpft 
wurden oder die sich durch den Anstaltsbe- 
trieb, durch die Anstaltsärzte, ergaben; 

7. Aufrechterhaltung der Verbindung mit den Be- 
hördden, Stellen und Organisationen, die unmit- 
‚telbar oder mittelbar im Zusammenhang mit 
der Geisteskrankenfürsorge stehen (Stadträte, 
Gesundheitsämter, Bezirksärzte, Landgerichts- 
ärzte, praktische Ärzte, Gerichte, Polizei, Poli- 
zeipflegerinnen, andere Fürsorgeorganisatio- 
nen). Dabei wurde der mündliche Verkehr be- 
vorzugt; 

8. Abhaltung einer regelmäßigen Sprechstunde 
für Kranke und Angehörige; 

9, Prüfung der häuslichen Verhältnisse aus der 
Anstalt neu zu beurlaubender Kranker beson-: 
ders in allen undurchsichtigeren, schwierigeren 
Fällen; 

10. Überwachung . und Anleitung der Fürsorge- 
pflegerinnen und Fürsorgepfleger; 

11. Befundbericht über jeden einzelnen Kranken 
nach jedem Besuch ins Krankenblatt; 

12. fachärztliche Versorgung der Fürsorgeerzie- 
hungsanstalt Schafhoi; | | 

13. psychiatrisch wichtige Erhebungen über frü- 
here -Anstaltsinsassen oder sonst anormale 
Menschen. | 


112 


Es darf im Anschluß an diese Aufzählung der 
Arbeitsaufgaben, denen der Fürsorgearzt sich wid- 
mete, im Interesse der Fürsorge nicht unerwähnt 
bleiben, daß strengstens -darauf geachtet 
wurde, daß die Interessen der prakti- 
schen Ärzte wissentlich nie verletzt wurden. 
Behandlung wurde im allgemeinen strikte ab- 
gelehnt. Die Fürsorge beschränkt sich lediglich auf 
Beaufsichtisung und Beratung in Angelegenheiten, 
mit denen sich der praktische Arzt meist gar nicht 
befaßt, wie sie ja oben ohne weiteres ersichtlich 
sind, zu denen dem praktischen Arzte und auch 
dem einschlägigen Spezialarzte meist die Zeit und 
wohl auch die Lust fehlen. Es sei nur an die oft 
recht mühsamen, zeitraubenden Laufereien zu 
allen möglichen Stellen und Ämtern erinnert, an die 
Vermittlung von entsprechenden, für den Einzelfall 
passenden Arbeitsgelegenheiten. an die oft recht 
langwierigen Verhandlungen mit der Umgebung 
der Kranken, wenn es sich um eigene Urteilsbil- 
dung in undurchsichtigen  Familienverhältnissen 
handelt usw; lauter Dinge, welche aber für eine 
wirklich wirksam sein wollende Fürsorge unerläß- 
lich sind. 

Kommt Behandlung in Frage, 
betreffenden Kranken in allen nur irgendwie an- 
gängigen Fällen an ihre Hausärzte oder an orts- 
ansässige Ärzte verwiesen. 
` DiefürsorgeärztlicheSprechstunde 
in. der Nürnberger Fürsorgestelle, die schon im 
-vorigen Jahre bestand, allerdings nur insofern, als 
“nach vorheriger Anmeldung der Fürsorgearzt für 
Kranke bzw. Angehörige zu sprechen war, wurde 
nunmehr als ständige, zeitlich feststehende Einrich- 
tung ausgebaut. Der Fürsorgearzt kommt nun- 
mehr jeden Dienstag und jeden Freitag regelmäßig 
nach Nürnberg und Fürth und dementsprechend 
findet an jedem dieser Tage nachm. von '/23 bis 
tj>4 Uhr Sprechstunde in der Fürsorgestelle Nürn- 
berg statt, die so günstig liegt, daß sie auch von 
Fürth und der näheren Umgebung Nürnberes be- 
nützt werden kann und auch benützt wird. Die 
‚Sprechstunde konnte bis Mitte November 1921 2. T. 
nur unter sehr ungünstigen äußeren Verhältnissen 


nn ; durchgeführt werden, über die noch weiter unten 


ZU ‚sprechen sein wird. Trotzdem erfreute sie sich 
steigender. Beliebtheit, die in der stets zunehmen- 
den Zahl ihrer Besucher Ausdruck fand. 
In den dienstlichen Beziehungen und Obliegen- 
heiten des Fürsorgearztes dem Direktor und den 
Ärzten der Anstalt gegenüber, ebenso dem Für- 
sorgepersonal gegenüber, wurde gegen das vor 
jahr nichts geändert. 

Bei den Fürsorgepflegerinnen bzw. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


so werden die. 


(Nr. u i 
Fürsorgepflegern ist im Berichtsjahr keine iiid i 
rung eingetreten. 3 

Die Fürsorgepflegerin des Nür nberger 
Bezirkes ist Fräulein Marie Hundsdorier, Den 
Stadtbezirk Fürth und die räumlich uni 
beide Städte herumliegenden Außenbezirke ver d 
sorgt Fräulein Auguste Möller. Es ließ sieh nicht 4 
vermeiden, daß auch entfernter wohnende Kranke F 
deren Wohnorte jedoch von Nürnberg aus mit duif, 
Bahn leichter zu erreichen waren, ihrer Obhut u \ 
terstellt wurden. ..ı 

Den Stadtbezirk Erlavrae® i versorglg F 
die. Pflegemeisterin Frl. Dotzler, soweit es sich ui 
weibliche Kranke speziell ihrer Abteilungen handel. N 
während die übrigen nach Erlangen entlassenai i 
bzw. beurlaubten weiblichen Kranken, alle mäni-if, 
lichen Kranken des Erlanger Stadtbezirkes sowie; 
alle Kranken, die in näher oder weiter entfernt y 
nach Osten, Westen und Norden von Erlangeti 1: 
gelegene Orte entlassen wurden, dem Pflegemeister) i 
Feilner anvertraut wurden. a 

Fräulein Hundsdorfer wurde im Laufe des d Tal 
res zur Pflegemeisterin befördert, ebenso Herr 
Feilner zum Pflegemeister, Fräulein Möller aut 
beamteten .Pflegerin ernannt. B K 

Die stark steigende Zahl der zu vr u N 
die oft sehr großen räumlichen Entfernungen, Ver a 
kehrsschwierigkeiten usw. ließen die Unmöglid 
keit erkennen, daß sich die beiden Fürsorgepfleg“ 
rinnen von Nürnberg und Fürth im Urlaubsfallt i 3 
gegenseitig ve ‘treten. Das Arbeitsgebiet der eil- 1 
zelnen war so groß geworden, daß die andere es 
auch auf kürzere Zeit nicht mehr mitversorgel 3 
konnte. Auch ließ die plötzliche Erkrankung von F 
Frl. Hundsdorfer, die sie einen Monat lang vom | 
Dienste fernhielt, die Gefahr erkennen, die des 
Fürsorge drohte, wenn keine Ersatzkräite yorhat- N 
den sind. Es’wurde deshalb in der Person der be- i 
amteten Pflegerin Frl. Marie Bähr eine weitere” 
Pilegerin im Fürsorgedienst ausgebildet und in den 
beiden Fürsorgebezirken Nürnberg und Fürth ei 4 
geführt. Frl. Bähr versieht im übrigen ihren ge 
wöhnlichen Dienst in der Anstalt und vertritt mit 
im Bedarfsfalle die Nürnberger oder Fürther E 4 
sorgepflegerin. i 

Im übrigen blieb alles beim ale 
der Zurückverbringung beurlaubter bZW. | 
lassener Kranken, wenn dies notwendig wurde, dt Be 
Erkundung der häuslichen Verhältnisse vor der Be 
urlaubung eines Kranken, die zeitweilige Beurlat- 
bung von geeigneten Kranken für festbegrenzte f 
Zeit zu gewissen Anlässen (Familienfesten, Pet 1 | 
tagen usw.). Auch von der Unterbringung gem 4 
neter weiblicher Kranken in geeignete Brunel N 


so die an 
eni 


VO 
f milien teils in der Form als Zugeherin, teils als 
1 ulbeschäftigte Dienstmädchen wurde wieder aus- 
f biger Gebrauch gemacht. Die Nachfrage war 
Hierbei größer als die Zahl der verfügbaren 
Kräfte (siehe im übrigen den Bericht 1920). 

- Für alle Kranken, die in Fürsorge sich befanden, 
wurde eine Kartothek angelegt. Uber die 
Frequenz der Sprechstunde gibt nunmehr ein pro- 
A iüorisches Tagebuch Auskunft. Auch hier ist in 
Aussicht genommen, die Form der Kartothek hier- 
4 anzuwenden. 

—hmNürnberg arbeitete die Fürsorge im Be- 
sine zum Teil unter sehr schwierigen Um- 
ji inden insofern, als von März bis Mitte Novem- 
Dr 1921 die Fürsorgestelle außerordentlich un- 
günstig untergebracht war. Die Vermiete- 
in der bisherigen Räume war unvermittelt weg- 
kogen. Die Räume mußten infolge Einzuges 
einer anderen Partei aufgegeben werden. Es stand 
a mehr ein ganz kleines, höchstens 2 qm gro- 
f Zimmerchen zur Verfügung, das außerdem nur 
i dich andere Räume, welche die andere Partei 
‚ine hatte, betreten werden konnte. In diesem 
immerchen mußte Sprechstunde abgehalten wer- 
4 und wohnte die Fürsorgepflegerin. Von der 


r solchen Verhältnissen kaum die Rede sein, ganz 
hgeschen davon, daß der Raum manchmal von 
Tatienten so gefüllt war, daß für den Arzt zum 
Sitzen kein Platz mehr war. Alle Versuche, beim 
Nohmungsamt die Zuweisung geeigneter Räume 


fir eine Anzahl unnützer Laufereien. Erst im 
‚Nerbst gelang es durch die unterstützenden Be- 
Mitungen des II. Bürgermeisters der Stadt Nürn- 
ie, des Herrn Kreistagsvorsitzenden Treu, ins- 
sondere auch des Herrn Stadtsyndikus Dr. Plank, 
[ach durch das Entgegenkommen unserer neuen 
E eter geeignete Räume vom Wohnungsamt 
A sewiesen zu erhalten. Das Wertvollste dabei 
e Sie im gleichen Hause, ja im gleichen 
l werk gelegen waren, wie die bisherige Für- 
ürgestelle. Sehr günstig ist auch, daß die neue 
iisorgestelle einen eigenen Eingang besitzt und 
i Mn eigenes ärztliches Sprechzimmer neben dem 
En für die Fürsorgepflegerin. Die neue 
sestelle wurde am 15. November 1921 be- 
en Ob sie auf die Dauer genügen wird, nament- 
hen M die Frequenz der Sprechstunde in dem- 
i s abe steigt wie zum Schluß des Berichts- 
A : S, muß die Zukunft lehren. Vorerst genügt sie 
t Š alls bescheidenen Ansprüchen und hat den 
ug, daß die Leute, welche sie aufsuchten, nicht 

an eine neue Adresse gewöhnt werden mub- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


berger 


| N notwendigen ärztlichen Diskretion konnte un-: 


beschädigtenbetrieben gewonnen wurden. 


m erhalten, scheiterten zunächst, sie verursachten 


113 


u 


ten. Auch die zentrale Lage der Fürsorgestelle hat 
nicht zu unterschätzende Vorzüge. Von großem 
Nutzen erwies sich endlich, daß der alte, schon in 
der Wohnung befindliche Fernsprecher übernom- 
men werden konnte Die Rufnummer 12614 wird 
nunmehr im neuen Teilnehmerverzeichnis unter 
„Fürsorgestelle der Heil- und Pflegeanstalt Erlan- 
gen” erscheinen. 

Im Berichtsiahre wurde mit der Schwester- 
anstalt, der Heil- und Pflegeanstalt Ansbach, 
das Abkommen getroffen, daß Kranke, welche von 
Ansbach in das Gebiet der Erlanger Fürsorge ent- 
lassen werden, zur Fürsorge (der Erlanger An- 
staltsdirektion mitgeteilt werden. Ebenso wird 
umgekehrt die Ansbacher Direktion von Kranken 
benachrichtigt, welche von Erlangen ins Ans- 
bacher Gebiet beurlaubt werden. 

Eine weitere neue Einführung bildete im Nürn- 
Fürsorgegebiet ein Abkommen mit 
der städtischen Erwerbsbeschränk- 
tenfürsorge „am Gräslein”, welche unter der 
Leitung des Herrn Architekten Dennemark steht. 
In den dortigen Betrieben, die eine Reihe von 
Handwerken und fabrikmäßiger Einrichtungen um- 
fat, werden Erwerbsbeschränkte gegen entspre- 
chendes Entgelt beschäftigt. Aufgebaut ist der 
ganze Betrieb auf den Erfahrungen, die in Kriegs- 
Die An- 
regung, auch geeignete, erwerbsbeschränkte Gei- 
steskranke des Fürsorgebezirkes Nürnberg in 
dieser Anstalt zu beschäftigen, ging vom Herrn 
Stadtsyndikus Dr. Plank aus. Der einschlägige 
Referent, Herr Stadtrat Dr. Heimerich, erteilte auf 
gestellte Bitte gerne die Genehmigung, und Herr 
Architekt D. nahm sich bereitwilligst dieses Zu- 
wachses seiner Arbeitslasten an. | 


Am 14. Oktober 1921 durfte sich die Fürsorge 


des Besuches zweier Herren des Badischen. 


Ministeriums des Innern erfreuen, des 
Herrn Ministerialrates Dr. Rein und des psychia- 
trischen Referenten des Ministeriums, Herrn Ober- 
medizinalrat Dr. Römer. Beide Herren wollten 
auf einer informatorischen Reise auch die Für- 
sorgeeinrichtungen der Erlanger Anstalt kennen 
lernen, um sie ev. nach Baden zu verpflanzen. 


Am 2. September 1921 informierte sich Ober- 
arzt Dr. Rein, Landsberg a. W., in Begleitung 
des Fürsorgearztes über die Fürsorgeeinrichtungen 
in Nürnberg. 

Den an der. Anstalt beschäftigten Medizi- - 
nalpraktikanten und Aushilisärzten 
wurde im allgemeinen Gelegenheit gegeben, die 
Fürsorge kennen zu lernen dadurch, daß sie den 


(= 
f = N A l er 
MOSIea POVA IK IA I IK IN 
(® 


114 


Fürsorrearzt jeweils bei mehreren Fahrten be- 
gleiteten. 

im einzelnen gestaltete sich die 
tätigkeit folgendermaßen: 


Aus der Anstalt beurlaubt wurden vom 1. Ja- 


Fürsorge e- 


nuar bis 31. Dezember 1921: 
Männer Frauen 
Januar ana aa O 6 
Februar AE EO 12 
Matze 8 
e AAE a AS 11 
Mal ee er 16 
unless u 9 
Juli ae A 12 
ANEUS a 2 AO 10 
SeptemDert- rn... bl 14 
Oktober: 252°. :9 12 
November ....11 9 
Dezember... 10: eg 
115 128 
Im ganzen also 115 Männer und 128 Frauen — 
zusammen 243 Kranke — gegen 125 Männer und 


140 Frauen — zusammen 265 Kranke —im Jahre 1920. 

Von den im Jahre 1921 Beurlaubten und in frü- 
heren Jahren Entlassenen wurden wieder 
Anstalt aufgenommen: 61 Männer und 58 Frauen 
— zusammen 119 Kranke — gegen 48 Männer und 
72Frauen — zusammen 120Kranke — im Jahre 1920. 
- Von den 119 wiederaufgenommenen Kranken 
waren 78 Kranke länger als ein Vierteljahr außer- 


‘halb der Anstalt und von diesen wieder 40 länger 


als ein Jahr. 

Im einzelnen gestaltete sich diese Krankenbe- 
wegung folgendermaßen: 

Außerhalb der Anstalt befanden sich: 


Männer Frauen 
unter 1 Woche „4 F 
1 bis 2 Wochen g 2 
Ea ET aD, 4 BE ER 1 
3 Wochen bis 1 Monat . 1 1 
1 bis 2 Monate 6 10 x 
DD > Se B 
3:0 i :=6 14 
6,9 ò . 4 4 
Pan > Pa Sen 6 
Be | 39 40 


Non ronken die ame als 1 Jahr außerhalb 
Anstalt: 


| | =. e Manner  Trauen 
ms 2 lahe ea 5 
2 Se 3 
ee 2 
über .5.Jahre, sen 3 02 98 


x we 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


in die 


Anlässen: | 3 
Männer Frauen Zs ; 

‚Neues akutes‘Zustandsbild . . 17 19 8 
abgelaufene Remission . . . . 3 2: 
freiwillige Rückkehr 2 2 4 
ungünstige häusl. Verhältnisse . 8 7 D 
zur Nachuntersuchung aufgen. . 0 0 
Beurlaubung überhaupt nur für ES 
bestimmte Zeit geplant > > % 
für Beurlaubung ungeeignet 7 1 
| 39 .40 TE 


bild. 


finanziellen Lasten nicht mehr zu tragen IMS 


spruch nehmen wollten. 


Von den im Laufe des Berichtsjahres in di ud i 
stalt Wiederaufgenommenen gehörten an: E. 


Fran 


| | Männer ` 
Manisch-melancholischem Irresein . 10 2 E 
Schizophrenie . . ee Er 1 
Progressive Paral ins 7 2 
Arteriosklerotisches Irresein | 2 
Senile Demenz 0 o 
Psychogene Erkrankungen 1: 2 
Hysterie 4. 
Epilepsie i 3 3 
Imbezillität — Kiste: a San 
Psychopathische Persönlichkeiten 12 z 
Alkoholpsychosen 3 w 
Morphinismus 1 08 
Huntington-Chorea 1:0 o 


Von deninnerhalbeines Jahres nacti 
de r Beurlaubung bzw. Entlassung gl 
dieAnstalt Zurückgekehrten mußte 
zurückgenommen werden aus folgendagpl 


Bei den später als nach einem Jahre Wiederall d 
genommenen war der Grund der Wieder p 


aufnahme stets ein neues, akutes Zustands ; 


Unter den 14 als ungeeignet für die Beurla $ 
bung Zurückgenommenen befanden sich 8, deret i 
Beurlaubung gegen ausdrücklichen Rat der Direk ' 
tion der Anstalt bzw. der Klinik erfolgt war. Di A 1 
absolut einsichtslosen Angehörigen bestanden auf | 
der Herausnahme ihrer Kranken trotz aller Bela a 
rung. Ihrem Ansinnen mußte stattgegeben wer. | f 
den, da keine gesetzliche Handhabe bestand, e 2 
Beurlaubung gegen den Willen der Beteiligten ef 
verweigern. Meist war die tiefere Ursache der 
Herausnahme der betr. Kranken gegen ärztliche 4 
Rat darin zu suchen, daß die Angehörigen die duroi l 
die Erhöhung des Verpflegungssatzes er E 


Au = 
waren und andererseits Armenpflege nicht in A 


TEASA - 
EV pes 

id ‘i 4 x 

Bir, 


O 


$ von den als ungeeignet für die Be- 
| Arlaubung zurückgenommenen 14 
: Kranken blieben außerhalb der Anstalt: 

1 3 Kranke 
| Kranker 
ee, „ en Mr 

3 Wochen bis 1 Monat 


unter 1 Woche 
Ibis 2 Wochen 


I 


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B 
K- 


1 Kranker 

| bis 2 Monate 4 Kranke 
Be, 3 5 2 i 
3er, 4 $ GAD i 
Ease ER 5 


3 14 Kranke 


7 Von den ungeeignet Zurückgenommenen ge- 
4 üürten an: 


we: - | Männer Frauen 
diem manisch-depr. Irresein . . . 0 1 
f en schizophrenen Erkrankungen . 5 5 
enilepsie .. . . .. E 0 
} im arteriosklerot. Irresein 0 1 
ji psychopathischen Persönlichk. 1 | 


E Von den im Berichtsiahre wieder aufgenomme- 
Jen Kranken konnten bereits wieder beur- 
f ubt werden, ohne daß ihre Rückkehr bis zum 
fl Dezember 1921 notwendig geworden wäre: 
| Re Männer und 20 Frauen, zusammen 43 Kranke. 


| 4 Erwerbsfähig außerhalb der Anstalt erwiesen 
je von den im Jahre 1921 .Beurlaubten: voll- 
j "verbsfähig 78 Männer und 87 Frauen, zus. 165; 
f Weise und beschränkt erwerbsfähig 20 Männer 
| ind él Frauen, zus. 47; nicht erwerbsfähig 17 Män- 
Fr und 14 Frauen, zus. 31. 


d Ohne daß sie jemals vorher in der Anstalt ge- 
f "sen waren, nahmen 1921 die Fürsorge freiwillig 


w 
1 


u 
i r 
u 
7 


1 2 Personen. 
I Von Behörden wurden der Für- 
fse zur Beaufisichtigsung usw. zuge- 
f "sen: l. von Nürnberger Behörden usw.: 2 Män- 
| Ei 9 Frauen, zusammen 7; 2. von Fürther Be- 
j, "usw. 10 Männer und 7 Frauen, ‚zusammen 
on 2 der Direktion der Heil- und Pflegean- 
{t Ansbach wurden zugewiesen: 0 Männer und 
fe Frauen, zusammen 2. Somit Gesamtzahl der 
| "sewiesenen bzw. freiwillig in Fürsorge Getre- 
h. 19 Männer und 29 Frauen, zusammen 48. 
e, = Personen mußten im Verlaufe der 
Ends 7 er Anstalt zugeführt werden: 4 Männer 
Fii o e 12. Ein weiterer Mann 
N ee in die Heil- und Pflegeanstalt 
= OCh in Baden zurück. 


H: 
Eo 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT . 


j N Anspruch: 7 Männer und 15 Frauen, zusammen. 


115 


Weiterhin wurde jetzt erst bekannt, daß ein 
irüher in Fürsorge befindlicher, schwer kriegsbe- 
schädigter, 1918 entlassener Kranker schon im 
Jahre 1919 Selbstmord durch Erhängen be- 
gangen hat. Er hatte durch Schußverletzung einen 
schweren Defekt des Schädeldaches und des dar- 
unter liegenden Gehirns erlitten. Als Folge dieser 
schweren Verletzung hatte sich ein geistiger 
Schwächezustand — traumat. Demenz — ausge- 
bildet. Er war seinerzeit von den Angehörigen 
gegen dringenden ärztlichen Rat aus der Anstalt 
genommen worden. Infolge . weiter Entfernung 
konnte zunächst die Fürsorge nur ganz sporadisch 
durchgeführt werden und mußte später ganz auf- 
gegeben werden. Gelegentlich einer Anfrage beim 
Bürgermeister seines Heimatortes wurde dann be- 
kannt, daß er schon 1919 freiwillig aus dem Leben 
geschieden. 

Ebenfalls außerhalb der Fürsorge endete ein 
anderer ehemaliger Kranker der Anstalt durch 
Suizid, der sich vom 20. März bis 20. Mai 1920 
wegen einer Grippeenzephalitis in der Anstalt be- 
tunden hatte. Er war seinerzeit auf Wunsch ge- 
bessert entlassen worden, wurde jedoch nie mehr 
arbeitsfähig, hielt sich meist in _Sanatorien auf. 
Später verzog er nach München, wo er sich Ende 
1921 von der Großhesseloher Brücke stürzte. 

Auch 1921 vermochte die Fürsorge nicht zu 
verhüten, daß eine ehemalige Kranke Selbstmord 
verübte. Es handelte sich um eine Frau S., wel- 
che vom 10. Dezember 1920 bis 11. Mai 1921 
wegen eines Anfalles einer manisch-melancholi- 
schen Erkrankung in der Anstalt gewesen war. 
Verschiedene Fürsorgebesuche des Arztes und der 
Pflegerin ergaben stets, daß Frau S. stets voll- 
kommen klar und geordnet war, keinerlei Schwan- 
kungen der Stimmung zeigte. Die Fürsorgebe- 
suche ließen auch erkennen, daß der Mann- eine 
recht absonderliche Stellung zu seiner Frau ein- 
nahm. Am 2. Juli 1921 beging diese, ohne daß sie 
vorher irgendwelche Auffälligkeiten gezeigt hatte, 
Selbstmord durch Öffnen der Gashähne. Eine in 
der gleichen Wohnung wohnende Dame berichtete 
ausdrücklich, daß sie an Frau S. vorher keinerlei 
Veränderung im psychischen Befinden wahrge- 
nommen .hätte.- Auch die Mutter: der Verstorbe- 
nen hatte solche nicht bemerkt. Nur war diese 
einige Tage vor dem Selbstmord erregt zu ihr ge- 
kommen mit einer gerichtlichen Zustellung, wo- 
nach ihr Mann Scheidungssklage gegen sie einge- 
reicht hatte. Sie beklagte sich bitter darüber, daß 
ihr Mann sie in dem Schriftsatz so sehr schlecht 
gemacht habe. Diese Zustellung muß als das un- 
mittelbare Motiv des Selbstmordes angesehen 


116 


werden, der damit aus physiologischen Motiven 
erfolgt ist. | 

Der finanzielle Aufwand der Fürsorge- 
tätiekeit setzt sich in der Zeit vom 1. Januar 192] 
bis 31. Dezember 1921 zusammen aus: 


Lokalmiete . 1931,90 M 
Reisekosten 43,20; 
| 3075,10 M 


Mitte-ilungen. 


— Der Verein norddeutscher Psychiater und Neu- 
rologen wird seine diesiährige Versammlung am Nach- 
mittage des 2. September und am WVormittage des 
3. September 1922 in Lüneburg abhalten. 
| Anmeldungen zu Vorträgen. und Demonstrationen 
werden bis zum 1. August an den .Unterzeichneten er- 
beten, damit die Einladungen rechtzeitig versandt werden 
können. Wenn, wie zu erwarten ist, die Zahl der an- 
gemeldeten Vorträge groß sein wird, ist Begrenzung der 
Vorträge, vielleicht auf die Dauer einer Viertelstunde 
notwendig. 

Lüneburg, den 12, Juli 1922. Snell. 


— Herr Kollege Nitschekann für die psychiatrischen 
Teilnehmer der Naturiorscherversammlung 30 Einzel- 
zimmer mit je einem Bett und etwa noch 40—50 Betten 
in gemeinsamen Zimmern der Landesanstalt Dösen 
bei Leipzig zur Verfügung stellen; nur müssen die Be- 
sucher mit etwas primitiven Verhältnissen rechnen (keine 


I: ganz ausreichende Anzahl von Waschtischen und dgl.), 


. Bei Bestellung von Nachtquartier ist das Rückporto bei- 
zulegen. Ä Be 
= — Zur Relativitätstheorie. Die Relativitätstlieorie, 
von der jetzt so viel die Rede ist, ist der Grundidee 
nach viel älter als Albert Einstein. Die Forscher, 
die sich vor ihm darum besonders verdient gemacht 
haben, sind ebenfalls gute Deutsche. Konsequent wurde 
nämlich der Grundgedanke der: Relativitätslehre zuerst 
von dem berühmten deutsch-österreichischen Physiker 
Ernst Mach (geb. 1838) verfochten, und zwar schon 
1868, später in wirksamerer Form 1883. Völlig unab- 
-hängig von Mach brachte ihn dann, besonders konse- 
quent und mit größtem Nachdruck, Ludwig Lange 
(vgl. Psych.-Neurol. Woch. 23. Jahrg. S. 214) zur Gel- 
tung, und zwar in mehreren von 1884 bis 1886 erschie- 
nenen Abhandlungen, die sich seit 13 Jahren ständig 
wachsender Beachtung erfreuen. Ihm verdankt die Wis- 
senschaft den mathematisch wohldefinierten grundlegen- 
den Hilfsbegriff des Inertialsystems, dessen auch Ein- 
stein und seine Mitarbeiter nicht entraten können, wenn- 
gleich Einstein selbst sich bisher einer anderen Nomen- 
klatur bediente. Einstein darf sich übrigens unstreitig 
das sehr große Verdienst beimessen, den Relativitäts- 
sedanken weiter ausgebaut und zuerst auf physikalische 
Erscheinungen hingewiesen, auch ihre Theorie ent- 
wickelt zu haben, die aus dem relativistischen Stand- 


. PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


- die Schriften der Leipziger Akademie flüchten, wo ei 


und dadurch in Schwermut werfiel, aus der er sih A 


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N i wi A 
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Übertrag: 3075,10 M 


Porto, Telephon 860,90 ,, 
Unterstützungen 680,355; 
Sonstige Auslagen 944,70 , 


Gesamtauiwand: 5567,05 M. 
Erlangen, den 17. Februar 1922: 
Bez. DI. Faltlhauser, F 
Oberarzt der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen. | 


punkt ungezwungen erklärt werden können, während P 
der absolutistische ihnen ganz ratlos gegenübersteht $ 
Mehr beansprucht er auch gar nicht, erkennt vielmehr y 
das Verdienst Langes, der seit Ernst Machs Tode, m $y 
Sinne der sog. „Anciennität”, vermutlich Senior da W 
Relativitätstheoretiker ist, rückhaltlos an. Ludwig Lange? n 
ist übrigens auch Württemberger und lebt seit übern, 
20 Jahren als Privatgelehrter in Tübingen. Als eriöß 
seine grundlegende Arbeit über das Inertialsystem aki N 
Poggendorfs Annalen der Physik einsandte, ging es iit g 
nicht besser, als weiland Robert Mayer mit seine g 
ersten Arbeit über das Wärmeäquivalent. Langes Au $ 
satz wurde ebenfalls nicht angenommen, und. mußte ii 


a Ae ye 
Tna are PET 
—.. Er Y 


21 Jahre lang ein fast unbeachtetes Dasein fristeit i; 
Nicht ohne Tragik ist das Schicksal Langes’ insofern s gi 
wesen, als er sich Jahre lang ganz unverstanden fühle 


ir 


pg 4a 
PAS i a 


As 
LED A O 


erst in den letzten Jahren wieder zu voller Arbeitskrait 4 $ 
hat erheben können. Es wäre zu wünschen, daß don gi 
verdienten Tübinger Gelehrten, der auch in der expe fd 
mentellen Psychologie seit Jahrzehnten einen sehr sei 
achteten Namen hat, ein seinen Fähigkeiten und Leistul 4 
gen entsprechender Wirkungskreis eröffnet würde. ii 
(Schwäb. Merkur Nr. 33 vom 21. Januar 1920.) t 


=. 


TE u =, e Di i. 


’ =y 


Referate. 


— Das Verhalten der Körpergewichte von Geistes 3 
kranken während der Kriegszeit. Von Dr. H. LOVT 
Bedburg-Hau. Zeitschr. f. Psych. usw. Bd. T. 7 

- 166 genügend lange auch vor der Kriegszeit ST 
führte Körpergewichtskurven von Kranken der Anstalt p 
Bedburg-Hau zeigten als Ausdruck der Reaktion aul en 
Kriegs- — Unterernährungs! — Verhältnisse, sowIe 1e. i 
sichtlich ihres Verhaltens in der Nachkriegszeit im =< l 
ven-„Bild’”- folgendes. Es fand sich bei den mit, 06° | ; 
wichtsabnahmen Reagierenden eine Gruppe vol Es y 
mit rapiden Gewichtsstürzen in der wa P 
schlechtester Ernährungsverhältnisse (Winter-Frühiaht : 
1916-17): . Die Gewichtsstürze setzen entweder ee b 
mittelt ein oder sier werden durch eine voraus i i 
allmähliche Gewichtsabnahme eingeleitet = 
rapiden Gewichtsstürze sind charakteristisch für 


i ar N 
& | ‘o Kran- i 
Kranken mit Unterernährungs-Marasmus, dem die E 


m 


4 iu auch meist erliegen („Ödemkrankheit”!). Weiterhin 
Finden sich Fälle mit allmählicher, schrittweiser 
#ewichtsabnahme, die auch in der bösesten Ernährungs- 
ride festgehalten wird. Hierbei finden sich noch 
| Unterschiede. Treten diese Gewichtsabnahmen früh- 
ilig auf, so führen sie ebenfalls meist zum Tode, und 
; mwar sterben die Kranken meist an Tuberkulose. Die 
l Überlebenden, die sich nachher gewichtlich nicht mehr 
zecht erholen, zählen ebenfalls in der Hauptsache zu 
Fa Tuberkulösen. Die erst später, 
A inährungsperiode, einsetzende 
Fichtsabnahme findet sich bei Kranken, die sich bei 
serung der Ernährung in der Nachkriegszeit auch 
A cer völlig erholen und damit im Kurvenbild die Vor- 
1 tiegsgewichte wieder erreichen. Man findet dann noch 
fie Gruppe von Kranken, die auch in der bösesten 
Hi das gleichmäßig weiterlaufede Kur- 
F edid der Vorkriegszeit beibehält, also von dem 
1 Atiegsunterernährungsübel nicht in Mitleidenschaft ge- 
den wurde. . Auffallend ist, daß eine ganze Anzahl 
f ser Fälle keineswegs besonders „hohe” Körperge- 
ichtswerte aufweist, wie überhaupt die unterschied- 
Ai Reaktion auf die Kriegsunterernährung wenig mit 
fe „Höhe” oder „Tiefe” der Vorkriegsgewichte zu tun 
it Es ergibt sich weiterhin hauptsächlich aus der 
Art, wie sich die Kranken in der Nachkriegszeit erholen 
erholt Sind sie fast stets nur dann, wenn sie das indi- 
Viduell verschiedene „höhere oder tiefere” Vorkriegs- 
‚gewicht wiedererreicht haben! —, daß es nicht angän- 
tig ist, sich mit der Annahme eines „Normalgewichtes” 

d allzu sklavisch an ein Körpergrößen-Körpergewichts- 
Shema zu hängen. — Das wesentlichste Ergeb- 
ji der Untersuchungen ist die durch- 
fis verschiedene Reaktion von Indivi- 
fien aui die gleiche Ernährungsschä- 
Füsung unter gleichen äußeren Bedin- 
| ungen. Wir haben in dreser Hinsicht 
1 Ötuppen verschieden, Reagierender zu 
1 terscheiden. Praktisch ermöglicht die Betrach- 
ling der Gewichtskurven im Sinne der Untersuchungen 
i Beurteilung des Gesundheitszustandes der über- 
I Anstaltsinsassen in der Nachkriegszeit. Die- 
aucht, auch was die Vermehrung der Tuberkulose 
k T der Kriegsverhältnisse angeht, in der Anstalt 

zu  msusch angesehen zu werden. 


a VER | Eigenbericht. 


Kt 
A N 


allmähliche Ge- 


ni e 
My 


E Buchbesprechungen. 
E o Prof. Dr. Theodor, in Schleswig: 
| like e€ Irrenärzte. Einzelbilder ihres Lebens und 
en F ns. Herausgegeben mit Unterstützung der Deut- 
n Forschungsanstalt für Psychiatrie in München, so- 
A reiche Mitarbeiter. I: Bd. 274 S. Mit 44 
sen. Berlin 1921, Verlag von Julius Springer. 
ih 96,00 M. 
a Taepelin, dessen Anregung das Werk seine 
kes verdankt, hat dazu ein recht herzliches und 
Samang Geleitwort geschrieben, das allseitiger Bei- 
g gewiß: sein darf. Wir haben heute besonderen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


in der bösesten 


- Deutschland’ 


117 


Anlaß, dieses Werk willkommen zu heißen, wenn wir 
lesen und hören, mit welcher Selbstüberhebung und wel- 
chem Dünkel die gelehrte und mühsame Arbeit so vieler 
deutschen Irrenärzte beiseite getan wird von Leuten, 
die sich in Verstiegenheiten und Verschrobenheiten das 
Unglaublichste leisten und eine Seelenheilkunde mit Theo- 
rien aufbauen wollen, die man eher im Tagebuch eines 
Degenerierten oder Paranoikers erwartet, 

Kraepelin und Kirchhoff haben unserem 
Beruf einen großen Dienst erwiesen. Auch den Herren 
Mitarbeitern sei bestens gedankt, nicht zuletzt auch dem 
Herrn Verleger für die durchaus vornehme und würdige 
Ausstattung. 

— Baumzärtel, Dr. Traugott; Leiter der sero- 
logischen Abteilung der staatlichen bakteriologischen 
Untersuchungsanstalt München: Die staatlichen Be- 
stimmungen über die Ausführung der Wassermannschen 


Reaktion. Erläutert für praktische Ärzte und Unter- 
sucher. 34 S. München 1922, J, F. Lehmanns Verlag. 
Geh: 7,50 M. 


Enthält sehr übersichtliche kritisch-historische Vor- 
bemerkungen, Anleitung für die Ausführung der Wasser- 
mannschen Reaktion und die Vorschriften über die bei 
derselben zur Anwendung ‘kommenden Extrakte und 
Ambozeptoren. Über Wichtigkeit, Nützlichkeit und Not- 
wendigkeit der Schrift braucht nichts gesagt zu werden. 

.— Knabe, Erich, und Dr. Kellner : Freie Liebe. 
Das erwachende Deutschland Bd. 1. 69 S. Leipzig 
1921, Karl Wallmüllers Verlag. 

Anstaltspfarrer Knabe und Medizinalrat Dr. Reiter; 
beide an der sächsischen Landes-Heil- und Pflegeanstalt 
Hubertusburg, haben die Serie „Das erwachende 
mit einer ebenso nützlichen wie treff- 
iichen Schrift eröffnet, die sehr geeignet ist, die Irr- 
lehren, mit welcher die Moskauer Wahnwelle unsere und 
andere Nationalitäten zu unterspülen und wegzuspülen 
versucht, erfolgreich zu bekämpfen. 


"Therapeutisches. 
— Tuberkulin Rosenbach., Kalle & Co., A.-G., Bieb- 


rich a. Rh., welche das Tuberkulin Rosenbach herstellen, 


haben in einem Heftchen von 47 Seiten die 98 Nummern 
umfassende Literatur über dieses bekannte Mittel zu- 
sammengestellt und so eine sehr willkommene, nach 
Krankheiten geordnete Übersicht geschaffen, die zur Be- 
nutzung empfohlen sei. Eingeleitet ist sie durch einen 
Abschnitt über die Darstellung des Mittels, seine Bio- 
logie, Physiologie, Pharmakologie und Anwendung. 

— Intravenöse Behandlung der Lues mit Novasurol 
und Salvarsan-Novasurol. Von Dr. Siegir Reines, 
emer. Abteilungsassistent. ~ Wien. med. Wochenschr. 
Nr. 50 vom 4. Dez. 1920. 

R. hat speziell die einzeitige Salvarsan-Novasurol- 


behandlung Brucks und Bechers nachgeprüft und 


schließlich diese Methode dahin erweitert, daß neben den 
erwähnten Mischungen außerdem noch Nova- 


surol allein in einer ausgiebigen Anzahl 


intravenöser Injektionen gegeben 
ausschließlich die steri- 


täslicher,, 
wurde. Verwendet wurden 


Hoster, Google 


118 


len Ampullen mit 2,2 ccm einer zehnproz. Novasurol- 
lösung. Es ist ratsam, als Anfangsdosis nur 1 ccm Lö- 
sung, also die Hälfte des Ampulleninhaltes, zu verwen- 
den, um stärkere Reaktions- und: Intoxikationserschei- 
nungen zu vermeiden. Der klinische Effekt der geschil- 
derten Behandlungsmethode war durchaus gut und trat 
rasch ein. 


m on nn 


Personalnachrichten. 


— Düsseldorf. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Alter, 
Direktor der Heilanstalt Lindenhaus b. Lemgo, zum 
Direktor der akadem. Krankenanstalten in Düsseldorf 
ernannt. 

— Bayern. Direktor Dr. Oetter von der Kreis- 
Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg i. B., Obermed.-Rat 
Dr. Dees, Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Gaber- 
see sind in den Ruhestand getreten, 

— Landes-Heil- und Pilegeanstalt Gießen. Als Nach- 
folger des verstorbenen Assistenzarztes Dr. Wahl ist 
am 4. Juli Dr. Bruno Freyschlag aus Oberstein ein- 
getreten. 

— Hannover. 


m 


In dem Ärztepersonal der hiesigen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[Nr. un | 


 Provinzial-Heil- und Pflegeanstalten sind im verosses | 


Vierteliahr folgende Änderungen eingetreten: 1. De ii 
bisher zur Zentralverwaltung kommandierte J. Obeni | 
Dr. Rizor von der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt | 
Langenhagen ist zum 1. April 1922 endgültig an die | 
Hauptverwaltung versetzt. 2. Zum gleichen Zeitpunkt aii 
ist der bisherige Oberarzt Dr. Grütter von der} Hell l 
und Pflegeanstalt Langenhagen zum I. Oberarzt an der y 
selben Anstalt ernannt. 3. Oberarzt Dr. Rapmund | 
von der Heil- und Pflegeanstalt Göttingen ist zum 
Juli 1922 in gleicher Eigenschaft an die Landespilegeat I | 
stalt (bisher Landarmenhaus) in Wunstorf versetzt 

worden. 3 


Dieser Nummer liegt ein Prospekt der Firma 
Kalle & Co., A.-G., Biebrich a. Rh. A 
bei, welchen wir der Beachtung unserer Leser empfehle 3 


u 


s wird gebeten, allen Anfragen an die Schritt fi 
leitung resp. den Verlag über redaktionelle 
Fragen das Rückporto beizufügen. 


Fir den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummern, 4 | E 


Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 


— Verlag: 


Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, HANE a. S. 


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Strafhaft mit Ausschluß der Psy $ 
chosen der Untersuchungshal | 


und der Haftpsychosen der 1 
Preis M 12° 


— Psychiatrische Untersuchung?" | 


Preis M 120 3 


Bresler, Dr. Joh., Lüben in Sn i 
Die Simulation von Geistet 1 


Preis M 120. 1 


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Nr. 19/20. 


i Bezugspreis: 
71 M20,— für das Vierteljahr, die 
7 | Abonnementspreise für das Aus- 
$ | landwerden nach der vom Deut- 
$| schen Buchhandel vorgeschrie- 
4 | Denen Verkaufsordnung für das 
T Ausland berechnet. Zu beziehen 
# | üurchjed. Buchhandlung, d. Post 
Wunmittelbar vom Verlage. Er- 


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Į m= Jacobi, Jena. 
Ar. Lachmund, Münster i. W. 


Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. ® 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamiteter deutscher Irrenärzie. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


12. August 


Verlag-und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Malle a. S., Mühlweg 26 
Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale 


4, heint bis auf weiteres vier- Postscheck: Leipzig 32070. 
1| zeintägig in Doppelnummern. 


Inhalt; Dr. Hans Rusts Schrift: Wunder der Bibel, I. Visionen des neuen Testaments. 
(S. 119.) — Über die neurologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie. 
(S. 122.) — Zur Statistik der staatlichen Irrenanstalten in Baden in den Jahren 


| 1 Es wird dringend gebeten, von Vorträgen und Aufsätzen immer recht 
f bald einen druckfertigen Eigenbericht an die Schriftleitung zu senden. 


2ER 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


i Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 

birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 

@ Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 

| Rhi), Geh. Med.-Rat Dr. lberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 

S Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, 
| Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
| Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., 

Mi Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


; | Schriitleiter: 
| Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Prof. Dr. A> Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schiöß, 


Dir. Prof. 


1922/23. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin- Zehlen- 
dorfi-Mitte, Georgstraße 3. 


S 
Von Dr. Walter 
Von 


pa. (S. 124.) — Mitteilungen. (S. 125.) — Buchbesprechungen. (S. 127.) — Therapeutisches. (S. 128.) — 


Personalnachrichten. 


i | 
| Fin Bericht und 


an | 


||} seinem in der Bücherreihe „Die Okkulte Welt” 
f as Nr.67 bis 70 erschienenen Buche behandelt 
Just in durchaus unbefangener, wissenschaftlich 
| Wwandfreier Weise das neutestamentliche Vi- 
| Nsproblem, so daß auch alle diejenigen, welche 
(en Ökkultiimus ablehnen oder ihm skeptisch 
] “enüberstehen, das Buch mit Genuß und innerem 
Win lesen werden. Die visionären „seelischen 
h ienbarungswunder” des Neuen Testaments will 
tlasser religionspsychologisch betrachten. Mit 
| \cht scheidet er hierbei die Apokalypse als ein 
aeS Buch” aus, das „nur durch geringfügige 
i o ‚Zusätze einen christlichen Anstrich er- 
: at und deren Visionen als literarische 


STO ; de ; . 
i m micht als „ursprüngliche und quellfrische 
I Narungsvorgänge” für das Thema nicht im 
A kommen. 
10 3 \ 
Mm Verfasser begrenzt, als er nur das Sinnliche 


des Ofan 
d Offenbarungsvorganges untersucht. 


Auch wird das Thema. insofern . 


(S. 130.) 


Dr, Hans Rusts Schrift: Wunder der. Bibel, I. Visionen des Neuen Testaments. 
e eine Erwiderung. 
Von Dr. Walter Jacobi, Jena, Psychiatrische Universitätsklinik. 


Nach einer Sichtung der neutestamentlichen 
Visionsberichte setzt sich Verfasser mit dem 
Wesen der Vision auseinander, indem er sie phy- 
siologisch, psychologisch und erkenntnistheoretisch 
zu erfassen sucht. Nachdem er den Visionsinhalt 
in bezug auf Raum und Zeit und das Sondergebiet 
des  Hellsehens untersucht hat, bespricht er die 
verschiedenen Anlässe für visionäre Zustände, die 
physikalischer, physiologischer und psychischer 
Art sein können, um dann die verschiedenen Arten 
der Vision (Wach- und Malbwachvision, Malluzina- 
tionen, Illusionen, imaginative, intellektuelle, 
Traum-, Trance- und hypnotische Vision) zu be- 
handeln. 

Nach. dieser mehr allgemeinen Auseinanderset- 
zung wendet sich der Verfasser der Frage zu, 
welche religionspsychologische Bedeutung den 
neutestamentlichen Visionen zukommt, den Wach-, 
den Halbwach- und den Traumvisionen, Er schei- 


-e sschehene.. 
- gefahrene, war der Gemeinde nicht entrückt, son- 


120 


det als belanglos alle die neutestamentlichen Visio- 
nen aus, welche lediglich einem äußerlichen Ge- 
schichtspragmatismus und als willkommenes ‚„Re- 
quisit” dienen, sowie diejenigen, welche nur die 
fromme oder, besser gesagt, unfromme Neugier be- 
friedigen, wie es die Visionen der Apokalyptiker 
tun und damit notwendig ins Phantastische ge- 
raten, ebenso visionäre Vorgänge, wie sie bei 
Lucas in die Vorgeschichte verflochten sind, und 
solche Erzählungen in der Apostelgeschichte, die 
nicht vor allem psychologisch-religiös, sondern 
geschichtlich-pragmatisch entscheidend sind. Auch 
die Traumgesichte, Gottes- und Engelsstimmen, 
welche Weissagung, Warnung und Aufforderung 
enthalten, wie die vier Träume des Joseph,. der 
Traum der Magier und der Traum der Porcia, des 
Weibes des Pilatus, sind für die religionspsycho- 
logische Betrachtung wertlos. So bleiben dem 
"Verfasser als wahrscheinlich echte neutestament- 
liche Visionen die Taufvision Jesu (die Ver- 
suchungsgeschichte wird als legendarisch ausge- 
schieden), die Vision des Satanssturzes, die Ver- 
klärung, die 15 Erscheinungen des Auferstandenen, 
die Vision des Stephanus und die Visionen des 
Paulus. Als vermutlichen Rest einer ursprüng- 
lichen Vision läßt der Verfasser noch gelten das 
Wandeln Jesu auf dem Meere, während er die 
Verkündigung des Zacharias (Luc. 1), den Geihse- 
maneengel (Luc. 22), die. Vision des Ananias 
(Apostelgesch. 9), die des- Cornelius und des Pe- 
trus (Apostelgesch. 10) als fingierte Visionen und 
die Verkündigung an Maria (Luc. 1) und an die 
Hirten (Luc. 2) — hier ein Druckfehler! —, die 
Pfingstgeschichte (Apostelgesch. 2), die Bereng 
des Petrus (Apostelgesch. 12) nur als visionsartige 
Legenden gelten läßt. — Die Bedeutung der Visio- 


nen für die Überlieferung von Jesus und das Ur- 


christentum liegt für den Verfasser darin, daß sie 


„eine der vielen Quellen sind, aus welchen die im 


Urchristentum umlaufenden Erzählungen, zumal 
über Jesus, hergeflossen sind”. Die Christopha- 
nien, als wirkliche Lebensäußerungen des leben- 


digen Christus, haben den gleichen „Dinglichkeits-_ 


wie das wirklich Ge- 
Der erhöhte Herr, auch der gen Himmel 


und Offenbarungswert” 


dern mitten unter ihnen. Manche seiner Erschei- 
nungen sind sicherlich später in die historische 
Darstellung seines Lebens zurückverlegt worden 
und geben so die Erklärung für manche Wunder- 
geschichte. An dieser Art von Geschichtsschrei- 
bung nahm das Altertum mit seinem Mangel an 
moderner geschichtlicher Fxaktheit keinen Anstoß. 
Psychologisch käme zudem geschichtlichen und 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


der Lektüre. N i 


- sturz. 


„Und siehe, da tat sich der Himmel auf über iht 4 


visionären Inhalten der gleiche Wirklichkeitschr 
rakter zu und man könne auch durch Visionen | 
Kenntnis von längst vergangenen Tatsachen ger i 
winnen. Solche rückwärtsschauende Prophet $“ 
könne vielleicht noch besser als die gewöhnliche, | 
anschauliche Überlieferung über Vergangenes ut A 
terrichten. Hier tritt der okkultistische Stand- K 
punkt des Verfassers einmal offen zutage! 3 N 

Auch der Schatz der Worte Jesu (cf. u. a. 1! 
hannesevangelium) werde durch die Visionen be $" 
reichert. Und „wir kennen sogar noch weitere 
Quellen, aus welchen stets neue, im Sinne des Ur! 
christentums „echte? Merrenworte und Herrentaten 
herflossen, nämlich das Zungenreden und die Pro- 
phetie”. Mit einer Besprechung neutestamenk | 
licher hellseherischer Visionen (Rückschau, Vor $" 
schau, Fernschau, Durchschau) schließt die Schr, 4 
der nicht weniger als 204 Anmerkungen angehängt" 
sind. Schade, daß diese nicht mit in den Text ver! 
woben sind oder wenigstens als Fußnoten unter 
den einzelnen Seiten stehen. So würde das St, A 
dium der Ausführungen wesentlich. erleichtert ml! 
der Genuß an dem Dargebotenen erhöht werden, 
Auch wäre es im Interesse leichteren Sichhindurdh-‘ # 
arbeitens besser gewesen, den Inhalt wenigstens" 
der wichtigeren biblischen Zitate anzugeben. Der 
Zwang des fortgesetzten Nachschlagens in der ® 
Bibel beeinträchtigt doch sehr die reine Freude ad 


Nun aber einige Einwendungen gegen Einzel Fu 
heiten der Ausführungen! Rust läßt wenige voga 
Jesus selbst gehabte Visionen gelten, im wesent > a 
lichen die Taufvision und die Vision vom Satans- gp 
Die visionäre Versuchungserzählung k 
det er m. E. mit Recht als legendarisch aus (8. 41i 9 
Aber mir scheint, als ob er auch getrost die beidet $ 
anderen Visionen Jesu, die er als echte Visione \ 
anerkennt, hätte fallen lassen können, so WR 
iockend es auch sein mag, der Berufungsvisiot pi 
eines Moses und Jesaja, eines Jeremia, eines Po I 
lus, eine solche Jesu an die Seite zu stellen. T 

Aber man achte einmal auf die Differenz m den | 
drei synoptischen Berichten! Dem: „Er sah, dab 3 
sich der Himmel auftat . in Marc. 1 und dem: | E 
Und er sah den Geist Gottes, gleich als eine Taube | 
herabfahren und über ihn kommen”, bei Matt. © a n 
steht Luc. 3 ganz unpersönlich gegenüber: E i 
der heilige Geist fuhr hernieder in leiblicher w i: 
auf ihn, wie eine Taube.” Und die Worte: „PU a $ 
mein lieber Sohn . . .” werden bei keinem der = i 
noptiker auf eine ausschließlich Jesu zuteil gewo r 
dene Audition bezogen. Es heißt vielmehr gam 


; , = ‚herad 
allgemein: „Eine: Stimme vom Himmel N 
{ wase 
10 £ DY A I N Q le 
c 


m 
sprach” (Matth.), „Es geschah eine Stimme vom 
Himmel” (Marc.), „Eine Stimme kam aus dem 
i mel und sprach” (Luc.). Ich bestreite nicht, 
W die Taufe am Jordan für Jesus von entschei- 
finder Bedeutung gewesen ist, habe aber den Ein- 
druck, als ob die Außerlichkeiten der Taube und 
ir Himmelsstimmen ähnlich als legendarische 
Jison zu beurteilen seien, wie der Satan und die 
Ikologische Disputation zwischen Jesus und ihm 
ii der Versuchungsgeschichte. Jedenfalls ist es 
itgends bezeugt, daß Jesus sich über ein visio- 
res Erlebnis am Jordan ausgesprochen habe. -Ist 
aber Johannes oder das Volk Augenzeuge der 
Iision gewesen, dann handelt es sich um eine 
Dlassenvision, wie sie der Bericht des Lucas anzu- 
Nimen scheint, als eine äußere Beglaubigung Jesu 
für dem versammelten Volke (cf. Luc. 3, 21), nicht 
meine Vision Jesu. Es ist übrigens beachtens- 
Wert, daß die Protestantenbibel des Neuen Testa- 
Mentes (Leipzig 1879), die von namhaften Theo- 
Ihn wie Hilgenfeld, Lipsius, Pfleiderer u. a. be- 
arbeitet: ist, in der Holtzmannschen Erklärung der 
Soptiker in Matth. 3, 16 — ich weiß nicht auf 
und welcher Handschriften — übersetzet: „Und 
f hannes sah den Geist Gottes . . . herabfahren 
u über ihn kommen.” 


Auch gegen den „Satanssturz” (Luc. 10, 18) als 
T tiner echten Vision habe ich Bedenken. Aber auch 
| Aust hat kein großes psychologisches Interesse 
I dieser „etwaigen Vision”. Joh. Weiß (Die 
fiten des Neuen Testamentes neu übersetzt 
Fl für die Gegenwart erklärt; Göttingen 1906) 
| Sicht gerade in dieser Stelle ein Wort Jesu gegen 
fis Visionär-Ekstatische seiner Zeit, ein Zeichen 
| Wir, daß Jesus auf die pneumatischen Erregun- 
ge und Erfolge seiner Anfangszeit mit einiger 
Nihle zurückblickte. . .. Nicht die erschütternden 
| ahrungen des Pneumatikers, sondern die unmit- 
1 bare, stille und freudige Gewißheit, ein erwähl- 
| iis Gotteskind zu sein, das ist der wahre Anfang 
4 neuen Lebens im neuen Aeon, dessen Anbre- 
n unmittelbar bevorsteht” (S. 427 î.). 

ih gehe auf diese Dinge nur deshalb hier näher 


kr Vision des Satanssturzes als echte Visionen 


| As Visionäre aus dem Lebens- und Charakter- 
Flle Jesu ausscheidet, und ich kann Joh. Weiß 
Sehr des N. T. IS. 427) nicht zustimmen, wenn 

ast: „Es ist ein ebenso zielloses Unterfangen, 


Ne 
Mman Jeugnet, als wenn man behaup-. 


Mt, daß Jesus Visionen gehabt habe,” und wenn 
(ie Meinung ablehnt, es sei undenkbar, daß 


Ne, 
|e sich von solchen Erlebnissen habe leiten 
j R. 


Je mehr die alttestamentliche Prophetie 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 121 


N, weil mit dem Fallenlassen der Taufvision und 


bas 


zur Höhe religiöser Klarheit emporstieg, um so 
mehr 'streifte sie alles Ekstatisch-Visionäre von 
sich ab, oder besser umgekehrt: Je mehr sie sich 
von ihrer alten ekstatischen Erregtheit freimachte, 
um so klarer und religiös lichtvoller und reiner 
wurde sie. In Jesus sehen wir die reinste und 
edelste Blüte, die auf dem Boden des israelitischen 
Prophetentums erwuchs. Es würde einen Abstieg 
von jener reinen Höhe bedeuten, wenn das Visio- 
näre, das pneumatisch Erregte in ihm wieder sich 
durchgesetzt hätte: Gerade die religiöse Klarheit, 
die innerliche, durch keine psychische Erregung 
aus dem Gleichgewicht geworfene Reife und 


Festigkeit seines Glaubens, die frei ist von allem 


Enthusiasmus und aller Ekstase, ist ja das Große 
an ihm, das ihn beiähigte „der. Prophet”...der 
Menschheit zu sein. 

Das Seewandeln Jesu Halte‘ auch ich nicht für 
eine Vision, sondern für eine Illusion. Man kann 
sich die Stimmung und Situation im Morgennebel, 
der auf einen Augenblick sich teilt,. vorstellen (Joh. 
Weiß, Die Schrift des N. T. S. 121). Der Be- 
richt läßt nach Weiß „noch deutlich durchblik- 
ken, daß es den Jüngern nur so schien, als ob 
Jesus auf dem Wasser ging, während er in Wahr- 
heit am Ufer war.” Der Bericht des Marcus ist 
dann freilich massiver, und Matthäus fügt dem 
noch den Versuch des Petrus hinzu, auf dem Meere 
zu wandeln. Jedenfalls scheint die Erzählung bei 
Johannes den. Stempel größerer Ursprünglichkeit 
zu tragen. 

In den Visionen des Cornelius und des Petrus 


(Apostelgesch. 10) sehe ich im Gegensatz zu Rust 


nicht fingierte, sondern echte Visionen trotz des 
Pragmatismus, der sie verdächtig zu machen 
scheint. Cornelius, der Proselyt, ist ja in seinem 
(iottsuchen, in seinem Almosengeben und Beten, 
in dem religiösen Einfluß, den er auf die ®einen 
ausübte, ganz besonders visionär disponiert. Und 
es ist ia gerade eine Gebetsstunde, die neunte 
Stunde des Tages, in der die Vision über ihn 
kommt. Am andern Tage um die sechste Stunde, 
also mittags 12 Uhr steigt Petrus zum Gebete 
hinauf auf den Söller. Wie trefflich schildert 
K. Gerock in seiner Erklärung der Apostelge- 
schichte (Von Jerusalem nach Rom) die Stimmung 
in der Natur, die gerade um diese Stunde einer 
Vision günstig war. „Das war die stille, träume- 
rische Mittagsstunde, von der die Alten sagten: 
Pan schläft! Alles ist da, besonders im heißen 
Morgenlande, müde und matt, die ganze Natur 
ruht, schlummert und schläft.” Wer | 
nicht an das Mittagsgespenst in den Erzählungen . 
unseres deutschen Volkes, an jene durch Hitze und 


| > 
rC OOQIE 


dächte da 


122 


Ruhe bedingte psychische.Disposition selbst unter 
der nüchternen Landbevölkerung, Gespenster zu 
schauen, wenn der Körper ruht und die Blätter 
welk herabhängen, die Vögel schweigen und das 
Auge durch den Lichtglanz der Sonne und das 
Flimmern der Luft über den Feldern geblendet 
wird. 

Warum verweist Rust die Pfingstgeschichte 
unter die visionsartigen Legenden? Mir scheint 
es sich bei dem äußeren Vorgang um ein Piingst- 
gewitter zu handeln mit dem Brausen des Gewit- 
tersturmes durch die offenen Hallen und elektri- 
schen Erscheinungen in Gestalt feuriger Flämm- 
chen. Das ekstatisch Erregte tritt in dieser Er- 
zählung erst in der feurig-mutigen Rede des Petrus 
und der Glossolalie der Apostel zutage. Von visio- 
nären Erscheinungen scheint mir aber im ganzen 
Kapitel nicht die Rede zu sein. Endlich noch 
Apostelgeschichte 12, die wunderbare Befreiung 
des Petrus. Die ganze Erzählung ist doch so klar 
und natürlich. - Ich nehme gern den Vorwurf ratio- 
nalistischer Erklärungsversuche auf mich, wenn ich 
annehme, daß der „Engel des Herrn” niemand an- 
ders gewesen sein kann, als ein heimlicher Anhän- 
ger des Petrus aus dem Personal des Gefängnisses. 
Wie sollte auch ein visionärer Engel imstande gc- 
wesen sein, Petrus zu befreien? Petrus selbst, der 
aus dem Schlafe durch einen Stoß in die Seite ge- 
weckt wird, ist wie im. Traum, aus dem er erst 
Vers 11 völlig sich losmacht. Wenn er wirklich 
eine Vision gehabt hätte, warum dann der befirem- 
dende Ausdruck: „Er glaubte ein „horama’” zu 
haben?” Auch das. Erschrecken der Rhode und 
das „Sich entsetzen’” der versammelten Brüder ist 
durchaus natürlich und motiviert. Mußten sie doch 
annehmen, daß Petrus, b&@wacht von zwei Sol- 
daten, gebunden mit zwei Ketten, bewacht durch 
Türhüter vor dem Gefängnis dem Tode nicht mehr 
‚ „werde entrinnen können. Ich kann also in dieser 

Erzählung keinen visionären Zug entdecken. 


Schließlich noch ein Wort persönlicher Aus- 
einandersetzung mit dem Verfasser zu einigen sei- 
ner auf meine Schrift über die Ekstase der alttesta- 
 mentlichen Propheten bezüglichen Bemerkungen. 
Anmerkung 46 bezeichnet Rust als eine wunder- 


Über die neurologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie: 
| Von Dr. Lachmund, Oberarzt der 


r Heft 13 der Abhandlungen aus der Neurologie, 
Psychiatrie, Psychologie und ihren Grenzge- 
bieten veröffentlicht A. Pick ein Bündel. von 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


. ohne Gewinn wieder weglegen. 


[Nr. 19) 2 ; 


liche Exegese, daß die Berufungsvision des Jesaja 1: 
diesen in räumliche Fernen führe, während es doch i 
viel näher liege anzunehmen, daß Jesaia, welcher \ 
in Jerusalem wohnte, die fragliche Vision bei einem‘ i 
Besuch im Tempel hatte. Gewiß, Jesaia wohnte in N 
Jerusalem. Aber warum muß er seine Vision ge $ 
rade bei einem Besuch im Tempel gehabt haben? 
Und warum wird es gerade bei räumlicher Gegen #1 
wart des Propheten verständlicher, wenn degi 
Gegenstände des Tempels nun doch in die Visit 
einbezogen werden? Kann der Prophet sein: 
Vision nicht ebensogut in seinem Hause oder draw 
Ben auf dem Felde gehabt haben? Das Allerhei 
ligste, in dem er den Lobgesang der Seraphim hört, 
in dem er Jakob auf seinem Thron neben der Bun- 
deslade sitzen sieht, durfte er ja doch nicht bete-g 
ten! Ob es Sache des Kerubim war lobzusingel i 
ist für die Vision völlig belanglos. if 
Ausdruck „räumliche Ferne” nur nicht pressen in i 
Bezeichnung für einen Ort, der weit abliegt. Wem 
Jesaia aus seinem Hause oder vom Felde sichit# 
der Vision in den Tempel versetzt sieht und Jako 
auf dem Throne der Bundeslade sitzen sieht, 50 2 3 
das allerdings eine räumliche Ferne. 


Dadurch wird auch das in Anmerkung 5l e \ 
sagte schon teilweise widerlegt. Ich glaube nicht, dab‘ f 
Mose einen wirklich vorhandenen, aber nur für den‘ | 
Visionär brennenden Dornbusch geschaut habe ~! i 
dem widerspräche Exodus 2, 2 —, ebensowenig wit 
daß Jesaias wirklich im Tempel gewesen wäre und“ 4 
wirklich die Geräte usw. sinnlich wahrgenommell = 
habe und daß die Vision nur den Rauch, das Erzit i 
tern, den Lobgesang der Seraphim und die Benut- E 
zung -der vorhandenen Feuerzange durch den i 
Seraph hinzugetan habe. Der Dornbusch mit sel- a 
nen ihn nicht verzehrenden Flammen ebenso wie à 
der Tempel mit all seinen Geräten — alles ii 4 
Vision, also Halluzination. E 
Doch das sind alles nur Einzelheiten, über ir 3 
man gewiß verschiedener Meinung sein kann. 2 3 
rade der Umstand, daß ich sie hervorhebe, mag i l; 
weisen, wie mich die R u $t sche Schrift gefesselt 4 
hat. Ich glaube jeder, der sie liest, wird sie nio i; 


Provinzialheilanstalt Münster i. W. 


; ; = are ei i 

acht wissenschaftlichen Aufsätzen, in denen schen i 
zusagen von seiner Lehrtätigkeit an der nl | 
; | 


Universität in Prag Abschied nimmt; si 


Frei sich alle mit der Klärung psychopathologi- 
Wer Fragen durch neurologische Forschungen. 
Fpziell in der ersten der acht Arbeiten, die er „Die 
M ische Forschungsrichtung in der Psycho- 
Í nhhologie” betitelt, will er „als einer derjenigen, 
fe sich dieser Forschungsmethode besonders häu- 
fr bedient haben”, ihr als selbständiger Methode 
An der offiziellen Anerkennung verhelfen, die sie 
sher noch nicht gefunden hat. Seine umfassen- 
1 p auf reichem Wissen und grober Erfahrung 

ind einer lückenlos anmutenden Literaturkenntnis 
1 Minder Ausführungen über die bisherigen, im 
Fizelnen schon anerkannten Erfolge dieser neuro- 
Fhgischen Forschungsrichtung, über die Umschrei- 
hung ihres Arbeitsgebietes, die Hervorhebung ihrer 
Aleigedanken, die programmatischen Ausblicke 
| dir ‚weitere Verwendungsmöglichkeiten, unge- 
in anregende Ausführungen, die im einzelnen an 
I): tund Stelle nachgelesen werden müssen, sind 
Ei für uns Anstaltsärzte von besonderer Bedeu- 
ER Ob wir zwar je erreichen werden, rein Gei- 
iges durch die Methode zu erfassen, ob sie im- 
| fonde ist, uns dem Wesen rein psychischer Vor- 
f ringe in normaler oder pathologischer Form näher 
ga bringen, ob dies’ überhaupt anders möglich ist, 
Fils auf dem Wege rein spekulativer psychologi- 
fer Forschung und des Studiums ‘der psycho- 
A nthologischen Phänomene selbst, lassen wir da- 
[ürscit Aber wir praktischen Psychiater haben 
Sia auch — ich spreche nur von der wissenschaft- 
Ein Seite unserer Tätigkeit — in erster Linie 
[ic mit der Lösung rein psychopathologischer 


linisch- psychiatrische Aufgaben zu lösen, für uns 


Und da müssen wir uns recht klar sein, daß wir 
anze kranke Menschen vor uns haben und daß 
s, was wir als Psychosen bezeichnen, Krank- 
kitszustände sind, die offenbar, zum mindesten in 
kr überwiegenden Zahl der Fälle, ein Gemisch 
Von teils psychopathologischen, teils somatopatho- 
hgischen Erscheinungen darstellen. Unzweifelhaft 
lat sich dieser Satz, ie weiter die einzelnen in unser 
k fallenden Spezialdisziplinen in ihren Ergeb- 
t vorangekommen sind, für immer mehr For- 
ii SR Geistesstörungen Geltung verschafft. 
Orschungsrichtung, die geeignet ist, uns dem 

: eo der Psychosen näher zu bringen, hat an sich 
Berechtigung, ob sie sich nun mehr das 
Mm a der rein geistigen oder das der körper- 
hen ingten Erscheinungen zur Aufgabe nimmt. 
rschungs zünftigen Psychiater diesen Spezial- 
ngsgebieten das, was uns das Wesen der 
 ychosen zu erschließen geeignet erscheint, ent- 


{o ~ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGQISCHE WOCHENSCHRIFT 


ragen zu tun, sondern für uns gilt es praktisch- 


findelt es sich um das Studium der Psychosen. 


123 


nehmen, ihre Ergebnisse zusammenfassen und in 
der Beurteilung der uns entgegentretenden Krank- 
heitszustände verwerten, erheben wir uns über 
diese verschiedenen Forschungsrichtungen und sind 
damit auch in praktisch wissenschaftlichen Fragen, 
z. B. in der Begutachtung Geisteskranker, die be- 
rufenen Vertreter psychiatrischer Wissenschaft. 
Dies möchte ich gegenüber immer wieder auftau- 
chenden anders lautenden Behauptungen noch ein- 
mal betont haben. 


Nun sind aber 
mit denen wir 


bei den Krankheitszuständen, 
es täglich zu tun haben, die 
psychischen und somatischen, speziell neuro- 
logischen Erscheinungen offenbar aufs innigste 
miteinander verknüpft und bilden sozusagen ein 
Knäuel schwer entwirrbarer Fäden. Hier nun, 
in der Entwirrung dieses Knäuels, kann in hervor- 
ragendem Maße die neurologische Forschungsrich- 
tung ihre Flebel ansetzen; hier ist meines Erach- 
tens ihr ureigenes Arbeitsgebiet; hier liegt auch 
für uns Anstaltsärzte ein weites Feld erfolgverspre- 
chender Forschungsmöglichkeit. 


Schon vor 10 Jahren habe ich in ds. Ztschr. gele- 
gentlich darauf hingewiesen, wie reich auch unsere 
„reinpsychiatrischen" Anstaltenan ungenütztliegen- 
dem neurologischen Material seien, wie auf Schritt 
und Tritt sich dem aufmerksamen Beobachter, der 
gewohnt ist, seine psychiatrischen Fälle auch einer 
eingehenden neurologischen Untersuchung zu un- 
terziehen, Krankheitsbilder entgegentreten, die 
durch Verknüpfung psychotischer und neurologi- 
scher Symptome ein ganz besonderes Interesse er- 
wecken, und habe unter dem Sammelnamen „Neu- 
rologisches aus den Anstalten” einzelne derartige 
Fälle veröffentlicht, immer in dem Bestreben, die 
rein psychopathologischen Erscheinungen aus den 
neurologischen herauszuschälen. Das damals Ge- 
sagte gilt unvermindert auch für die Jetztzeit, ia 
mit um so größerem Gewicht, als es gerade in den 
letzten Jahren gelungen ist, das völlige Dunkel, 
was bisher über bestimmten NHirngebieten lag, in 
etwas zu erhellen. Welche Ausblicke eröffnet 
uns, um nur ein Beispiel zu nennen, nicht das so 
verheißungsvoll begonnene Studium der Erkran- 
kungen der Basalganglien in bezug auf das Ein- 
dringen in bisher sogenannte rein psychotische Er- 
scheinungen, wie sie uns täglich in den Erschei- 
nunesformen der Schizophrenen entgegentreten. 
Picks oben erwähnte Ausführungen sind in die- 
ser Hinsicht außerordentlich lehrreich und an- 
regend. Und ähnliche Möglichkeiten der Verwen- 
dung der neurologischen Forschungsmethode zur 
Klärung psychotischer Zustände werden sich uns 


124 


bei näherem Zusehen bei unserem Krankenmate- 
rial an allen Ecken und Enden bieten. Zwar wird 
es der Eigenart der Methode entsprechend meist 


Zur Statistik der staatlichen Irrenanstalten in Baden in den Jahren 191421.9 
Aus: Statistische Mitteilungen über das Land Baden. Herausgegeben vom Badischen Statistischen # 
| | Landesamt. Jahrg. 1922 Bd. 11 Nr. 3. 


DÉ weitverbreitete Annahme, daß der Weltkrieg 
1914-18 mit seinen nervenerschütternden Wir- 
kungen eine Vermehrung der Geisteskranken und 
eine Überfüllung der Irrenanstalten zur Folge ge- 
habt habe, trifft wenigstens für Baden nicht zu. 
Die Statistik der Heil- und Pflegeanstalten sowie 
der psychiatrischen Kliniken unseres Landes zeigt 
ein anderes Bild. Allerdings ist richtig, daß in der 
Zeit vom Juni 1915 bis November 1915 die Zahl der 
in die genannten Anstalten aufgenommenen Per- 
sonen stark zugenommen und im November 1915 
mit 409 Kranken den höchsten Stand erreicht hat. 
In diesen Zeitraum fällt auch die weder vorher 
noch nachher erreichte Belegrungsziffer der staat- 
lichen Irrenanstalten mit 4556 Insassen, während 
bei Ausbruch des Kriegs (anfangs August 1914) die 
Gesamtzahl der Insassen erst 4406 betragen hat. 
Abgesehen von .dieser vorübergehenden Zu- 


nahme der Geisteskranken im zweiten.Halbiahr des 


Jahres, 1915 hat die Gesamtzahl der in den badi- 
schen Irrenanstalten untergebrachten Kranken 
vom 1. August 1914 bis Ende des Jahres 1919 stän- 
dig abgenommen; am 31. Dezember 1919 
“waren nur noch 3158 Kranke, das sind 1248 weni- 
ger als bei Kriegsausbruch, untergebracht. Diese 
aufiallende Entleerung der staatlichen Anstalten im 
Zeitraum der Jahre 1914-19 erklärt sich einmal 
durch die ständig abnehmende Zahl der Aufnahmen 


und durch die Zunahme der Sterblichkeit in den 


Anstalten in den fünf Jahren unter der Herrschaft 
der Zwangswirtschaft. 
1915 durchschnittlich 316 Kranke im Monat in die 
‘staatlichen Irrenanstalten aufgenommen worden 
sind, sinkt diese Zahl im Jahre 1916 auf 285, in den 


Jahren 1917-18 auf 244 bzw. 246, in dem Jahr. 1919 


. auf 221 im Monat. Umgekehrt hat die Zahl der 
- Sterbefälle in den Anstalten vom Jahr 1914 an bis 
Ende 1917 ständig zugenommen und ist im Jahr 
1917 auf 1057 — die Höchstzahl des letzten Viertel- 
iahrhunderts — gestiegen, um dann wieder langsam 
zu sinken. | 

Ein anderes Bild als in den Jahren 1916-19 zeigt 
die Statistik der -Irrenanstalten in den Jahren 
1920-21. Allerdings nimmt seit Anfang 1920 dic 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚steht die einfache Seelenstörung (2320 Personet | 


Während noch im Jahre 


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[Nr. 19/204 
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Kleinarbeit sein, die geleistet werden muß, aber i 
viele Bausteine geben schließlich einen Bau und so i 


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wird auch die Kleinarbeit eine lohnende. E # 


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Zahl der Sterbefälle fast von Monat zu Monat di 
und hat im Januar 1922 den niedrigsten Stand 2i k 
Sterbefälle) im Zeitraum der Jahre 1914-21 emi 
reicht; dagegen nimmt die Zahl der Aufnahmen vorge 
Anfang 1920 an ganz erheblich zu. Währendim Jatir g 
1919 insges. erst 2653 Kranke aufgenommen worden Im 
sind, ist diese Zahl i. J. 1920 auf 3219, i. J. 1921 ag 
3280 gestiegen, und es läßt sich die Befürchtung 
nicht von der Hand weisen, daß der Zudrang in diiis 
staatlichen Heil- und Pflegeanstalten in nächster 
Zeit noch weiter zunehmen wird, besonders seiten ga 
des weiblichen Geschlechts, das in den letzten Jalis il 
ren bereits die Mehrheit der Anstaltsinsassen ausi 
macht. | fh 
Nach dem Stand vom 1. Januar 1922 sind in danii 
staatlichen Irrenanstalten im ganzen 3278 Krank 
untergebracht, von denen 1191 auf die Heil- wui 
Pflegeanstalt bei Wiesloch, 935 auf die Anstalt be" 
Emmendingen, 540 auf Ilenau, 392 auf die Anstalt 4 
bei Konstanz, 119 auf die psychiatrische Klinik it a 
Heidelberg und 101 auf die Nervenklinik in Fréi 
burg i.Br. entfallen. Die Heil- und Pflegeanstall mg fi 
Pforzheim ist Ende 1920 nach 600 jährigem Ber N 
stehen aus gesundheitlichen Gründen aufgehobell’ ie 
worden. Nach der Art der geistigen Erkrankungei g 


oder rd. 70 v. H. aller Anstaltsinsassen) an erstei y 
Stelle; dann folgt Imbezillität, Idiotie usw. (82 $ 
Personen), Epilepsie (173 Personen), Paralysè š 
Hysterie und Alkoholismus. Ein klareres Bild über f 
die Art der geistigen Erkrankungen läßt sich eit f 
dann erkennen, wenn die im Gang befindliche Al 7 
zählung der in den Jahren 1914-21 erstmaisii k 
eine staatliche Anstalt untergebrachten Gen Ý 
kranken nach Krankheitsursachen zum Abschli i 
gebracht: ist. | ic 

Vergleichsweise sei angefügt, daß die Staus a 
der (neun) badischen Kreispflegeanstalten währe 3 
des Kriegs und nach dem Krieg dasselbe Bild En i 
wie die der Irrenanstalten: Eine Entleerung p i 
Anstalten infolge Zunahme der Sterblichkeit a i 
den Jahren 1916 und 1917 und Verminderung ei 
Aufnahmen in die Anstalten in dem gleichen = i 
raum. Seit Anfang 1919 nimmt auch ähnlich "a Í 


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h yi den Irrenanstalten der Zudrang in die Kreis- 
Weanstalten ständig zu, während die Sterblich- 
Fin diesen Anstalten abnimmt. Im Jahr 1920 


E - Deutsche Natur- und Ärzte-Versammung 1922 zu 
E E Abteilüng 23: Psychiatrie und Neuro- 
Wein Gemeinschaft mit dem Deutschen Ver- 
i für Psychiatrie. Tagung: Donnerstag, den 21. und 
Weng, den 22. September 1922. Alle Sitzungen finden 
| t Hörsaal der Psychiatrischen und Nervenklinik, Wind- 
Müllenweg 29, statt. 

| An Referaten sind vorgesehen: 1. „Psychiatrie 
Sulimere Sekretion.” Referent: H. Fischer, Gießen. 
it: Donnerstag vormittag. Hierzu werden eingeladen: 
i Physiologen, die inneren Mediziner, die Pathologen 
id die Gynäkologen. Ev. könnte eine Kombination mit 
Mi Anatomen dann stattfinden, wenn ®in von Herrn 
| hi Stiewe, Halle, in Aussicht gestellter Vortrag 
Hi Be krelorische Drüsen” zustande gekommen 


Referenten: Vocke, Eelfing, Liepmann, 
in Zeit: Freitag vormittag. Kombinierte Sitzung 
Mit Abteilung 28: Gerichtliche und soziale Medizin. 
4 ^i Vorträgen liegen vor: 1. Geheimrat Prof. 
“Paul Flechsig, Leipzig, „Die Lokalisation der 
| kistigen Funktionen.” (Der Vortrag soll als erster am 
I il nachmittag stattfinden. Es sollen eingeladen wer- 
“die Anatomen, die Physiologen, die Pathologen und 
Pi ieren Mediziner.) — 2. Univ.-Prof. Dr. Fritz 
E nann, Graz, Direktor der neurol.-psychiatr. 
| Ninik, „Zur dinis het Physiologie der Körperhaltung.” 
Nortrag mit Kinodemonstrationen. Dazu soll eingeladen 
Ötden; die physiologische Fachgruppe.) 3. Univ.-Prof. 
" Heinz Schrottenbach, Graz, Abteilungs- 
Mstand a, d. neurol.-psychiatr. Klinik, Graz, -„Experi- 
äentelle Untersuchungen über die Bedingungen von 
Mestäuschungen.” (Dazu sollen eingeladen werden: 
F Dtysiologische und die psychologische Fachgruppe.) 
en Prinzhorn, Heidelberg, Psychiatr. Klinik, 
ünst der ersieskranken” — 5, Univ.-Dozent Dr. 
lx de Crinis, Graz, Abteilungsvorstand a. d. 
Mi]-psychiatr. Klinik, Graz, „Der Gasstoffwechsel 
| “Epilepsie und seine Beziehungen zum Anfall. (Vor- 
g mit Demonstrationen. Dazu sollen eingeladen wer- 
e en und physiol.-chemische Fachgruppe.) — 
3 ist 0z. Dr. med. A. Bostroem, Leipzig, Ober- 
Nzarzt an der Psychiatrischen und Nervenklinik, 
“i 8. Thema vorbehalten. — 7. Univ.-Prof. Dr. Er- 
M Stransky, Wien, „Grenzen der phänomeno- 


| a o eriei, Leipzig, Psychiatrische und Ner- 
h l 


al 

p Erkrankungen des Hemisphärenmarkes.” — 9. 
aul Schilder, Wien, Psychiatr. Univ.-Klinik, 
Sychologie epileptischer Geistesstörungen.” an 


/ 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


l = „Der Entwurf zu einem deutschen Strafgesetz- 


e Forschung in der klinischen Psychiatrie.” — 


Leipzig, „Zur Frage der subakut verlaufenden. 


125 


war die Zahl der Sterbefälle in den Kreispflegean- 
stalten die niederste des Zeitraums 1900-1920. Für 
das Jahr 1921 liegen noch keine Angaben vor. 


-— [22 


Mitteilungen. 


10. Priv.-Doz. Dr. E .Nießlv. Mayendorf, Leipzig, 
„Die Psychopathologie als Naturwissenschaft.”—- 11. Dr. 
Stanoievic, Direktor der königl. Landesirrenanstalt 
Stenievec bei Zagreb (Kroatien), „Wie beeinflussen die 
Magen- und Darmerkrankungen die Stimmung der Gei- 
steskranken? — 12. M. U. Dr. Schönfeld, Brünn, 
Ordinarius der mährischen Landesirfenanstalt, „Zur 
Kenntnis der Nebennierenreduktion als Epilepsieheilmit- 
tel.” — 13. Dr. Ludwig Lange, Tübingen, „Bemer- 
kungen zur Geschichte, Erkenntnispsychologie und Di- 
daktik des relativistischen Standpunktes im Rahmen der 
Physik.” — 14. Dr. v .Hattingberg, München, „Die 
Bedeutung der Onanie.” — 15. Prof. Hübner, Bonn, 
Univ-Klinik und Poliklinik für Psychisch- und Nerven- 
kranke, „Untersuchungen von sexuell Abnormen”, (Der 
Vortrag eignet sich ev. auch für eine gemeinsame Sitzung 
mit der Sektion für gerichtl. Medizin. — 16. Doz: Dr. Josei 
Gerstmann, Wien, Assistent der psychiatr.-neurol. 
Klinik, Wien, ‚Der: jetzige Stand der Malariatherapie 
der progressiven Paralyse, mit besonderer Berücksichti- 
gung neuer Erfahrungen.” — 17: Dr. med. Oscar Rein, 
Landsberg a. W., „Psychiatrische Aufklärungsarbeit.” 
(Vortrag mit Lichtbildern, Format 9 : 12.) 


Am Mittwoch abend soll für die Psychiater im 
Palmengarten ein besonderes Zimmer bereit gehalten 
werden. 


—_ Auch ein Zeichen der Zeit. In der Lippischen 
Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus bei Brake sind nach 
dem Bericht über das Rechnungsiahr 1921 im Verlauf 
dieses Rechnungsiahres von den am 1. April 1921 ange- 
stellten Pflegern 18,0 v. H., von den am gleichen Tage 
angestellten Pflegerinnen 44,9 v. H., ausgeschieden, bei 
letzteren also fast die Hälfte. 


In dieser Anstalt ist der Achtstundentag 
durchgeführt und es kommen im unmittelbaren 
Pflegedienst auf 4,3 männliche Kranke ein Pfleger, auf 
5,0 weibliche Kranke eine Pflegerin. Von den im 
Dienstverhältnis der Pfleger Angestellten wurden außer 
obigen, deren Zahl 42 beträgt, verwendet drei als Ma- 
schinisten, zwei als Schlosser, sechs als Gespannführer 
und Vorarbeiter in der Landwirtschaft, je einer als Gärt- 
ner, Tischler, Schneider, Schuhmacher, Kuhwärter, 
Nachtwächter, Bote und zwei als Telephonisten, von den 
im Dienstverhältnis der Pilegerinnen Angestellten wur- ° 
den außer den obigen, deren Zahl 35 beträgt, verwendet 
elf in Wirtschaft, Kochküche, Waschküche, Nähstube 
und Gärtnerei. | n | 

Daß ein so häufiger Wechsel des Personals kein ge- 
sunder Zustand ist, liegt auf der Hand. Man sollte 
meinen, daß bei Achtstundentag und bei so hoher Ver- 


| ( AN 
J DY AIR La 


126 


hältniszahl von 1:43 bzw. 1:5,0 Überanstrengung nicht 
der Grund sein kann. | 

An Bargehalt kommt auf einen Pfleger durchschnitt- 
lich 21 000 M, auf eine Pilegerin 13000 M; bei den Pflege- 
rinnen ist dies nicht niedrig, da sie durchschnittlich ein 
Dienstalter von nur 3,7 Jahren haben. Auch die Pfleger 
haben ein geringes Durchschnittsalter, nämlich 9,8 Jahre: 
bei einer Anstalt, die nicht erst aus den letzten 20 bis 
30 Jahren stammt, ist auch diese Zahl sehr niedrig. 

Möchte die Lippische Landesregierung Abhilfe schaf- 


fen in dieser seit ihrer Gründung durch den wahrhaft 


sozialen Sinn der Fürstin Pauline zu Lippe, 1811, also seit 
über 100 Jahren segensreich wirkenden Wohlfahrtsan- 
stalt. 

| Die Verdienste der Fürstin um diese Anstalt, „das 
. eigenste Werk der Fürstin”, hat der bisherige Direktor, 
Geh. Reg.-Rat Dr. Alter inder Psychiatrisch-neurolo- 
gischen Wochenschrift vom 16. September 1911 einge- 
hendst und herzlichst gewürdigt. ` Bresler. 


— In Nr. 16 der Dtsch. med. Wochenschr. (vom 
21. April 1922) spricht Prof. Schirokauer, Berlin, 
in seinem Aufsatz: „Zur Funktionsprüfung der Niere” von 
der Annahme einer inneren Sekretion der Nieren und von 
experimentellen Untersuchungen, die im Gange sind, um 
die Sache zu klären. Ich möchte daran erinnern, was 
ich in dieser Zeitschrift Bd. XIX S. 36 vom Felde aus auf 
Grund meiner damaligen Beschäftigung mit der Nieren- 
entzündung schrieb, daß nämlich die Nieren schon 


deshalb unmöglich in der bisher angenommenen Weise | 


mit dem Stoffwechsel im Zusammenhang stehen können, 
weil sie nicht der ganze Blutstrom durchströmt, und dab 
sie schon aus diesem einfachen Grund Innendrüsen 
sein müssen. | Bresler. 


— Ärztliche Gesellschaft für parapsychische For- 
schung, Berlin. Sitzung vom 24. Juli 1922. 

1. Sanitätsrat Dr. C. Bruck demonstriert einen 
Fall von auffallender Sonderbegabung zu mehrfachen 
gleichzeitigen psychomotorischen und geistigen Leistun- 
een. Es handelt sich um ein 18 jiähriges Mädchen, dessen 
Werdegang er seit ihrem ersten Lebensjahre kennt, aus 
«esunder Familie und von regelrechter körperlicher und 
psychischer Entwicklung. Erst vor kurzer Zeit wurde 
die eigenartige Begabung zufällig entdeckt, als in einer 
Gesellschaft die Aufgabe gestellt wurde, mit dem rech- 
ten Fuß einen Kreis nach links herum zu beschreiben und 
gleichzeitig mit der rechten Hand eine Zahl in die- Luft 
zu schreiben. Vp. führte dies ohne jede Mühe aus. Nach 
ganz kurzer Übungszeit vermochte sie, mit beiden Hän- 
den gleichzeitig zu schreiben, und zwar rechts und links 
verschiedene Worte und Sätze. Ebenso konnte sie -ohne 
große Übung gleichzeitig mit der rechten Hand ein Wort 
oder ein Satz von vorne, mit der linken eines von hinten 
schreiben, und umgekehrt. Oder sie konnte gleichzeitig 
mit beiden Händen ein Wortepaar schreiben, deren eines 
oder beide auf den Kopf gestellt sind. Nach wenigen 
Tagen Übung konnte sie in der rechten Hand zwei Blei- 
stifte führen, einen zwischen Daumen und Zeigefinger, den 
anderen zwischen 4, und 5. Finger. Gleichzeitig schrieb 
sie mit der linken Hand. So kommen zugleich drei ver- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


psychomotorische Intentionen erfolgen beidhändig un M 


[Nr. 19/20 | 


| 
f 
schiedene Worte zustande. | 
, . 5 à 1. 
sie auch mit der einen Hand Klavier spielen, mit der% 


anderen gleichzeitig einen Brief schreiben. Auch andere 


Statt des Schreibens kann 


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“N 
. 
In 


abhängig voneinander; oder sie kann die Tätigkeit der% 
Hände unabhängig von Bewegungsintentionen völlig ge-k 
sonderter Art in den Beinen oder der Sprachmuskulatur ® 
vollziehen, oder sie kann alle diese heterogenen Bewe- | 
eungsintentionen gleichzeitig nebeneinander durchführen 
Diese Fähigkeit zu gleichzeitigen verschiedenen Einstel-fi 
lungen beschränkt sich nicht auf die Motorik. Sie kan t 
z. B. zugleich ein Gedicht auswendig lernen und einen 
Brief, etwa kaufmännischen Inhalts, nach Diktat schrei 
ben. Vp. wurde von einer Kommission der Gesellschaft 
geprüft. Sie wird in all diesen Leistungen der Gesell- fi 
schaft vorgeführt. Alle Leistungen gelingen, zum klei- { 
nen Teil erst beim zweiten Versuch, da Vp. etwas bet 
iangen ist. ’ In der Diskussion sprechen die Herren C 
Bruck. Frata Wolff, .- Krambae K r oni 
feld, Prof. Bruck, Guradze, Pohl, Kronergii 
Vieregge. Ras Ergebnis der Diskussion ist, daß Triksfi 
irgendwelcher Art nicht vorliegen. Es handelt sich un 
Leistungen im Wachzustande, ohne Bewußtseinsver 
änderung. Der Übungseinfluß auf den Erfolg der Lek a 
stungen ist zwar besonders deutlich, jedoch sind St 
durch bloße Übung allein nicht erklärbar. Es ist viel 
mehr eine besondere Anlage oder Begabung vorauszl 
setzen. ! | ei 

Dieselbe besteht nicht in einer Spaltung des Bewull" 
seins, in einem Sinne, welcher die Einheit des Bewulkf 
seins grundsätzlich in Zweifel zu ziehen geeignet watir 
Es scheint sich vielmehr um einen blitzschnellen I 
leichten Wechsel der Aufmerksamkeit zu handeln, migm 
destens bei den „gleichzeitig” erfolgenden geistigen Lep 
stungen, so daß hier von einer völligen Gleichzeitigkelf® 
doch wohl nicht gesprochen werden kann. Bei den Big: 
chomotorischen Leistungen besteht hingegen im Volk 
zuge wahrscheinlich ein völliges zeitliches Nebeneinandet] 
aber die Bewegungsentwürfe zu den beiden unabhängiget] 
motorischen Leistungen halten sich an eine visuelle W 
stellung, die für beide Bewegungen zu einer einne 
lichen Zielvorstellung zusammengefaßt ist. Vp. bi 
sich z. B., wenn sie zwei auf’ dem Kopf stehende vo 
gleichzeitig schreiben will, ein visuelles Vorst A 
bild der beiden zu schreibenden Worte übereinander H 
cin Ganzes; dieses Bild hält sie fest, während Sie Be 
Bewegungen vollzieht. Damit ist freilich die Möglich 
der gleichzeitigen Bewegungsvollzüge noch nicht e 
weiteres geklärt, es ist vielmehr zu vermuten, dal d 
beim gewöhnlichen Menschen bestehende Hemmp d # 
ein dominierender Bewußtseinsinhalt auf die übrige! w i 
stellungen ausübt, bei der Vp. weitgehend ausgeschi ik 
werden kann. i 

2. Diskussion über den Vortra 

Alrutz. Upsala (vgl. Sitzungsbericht vom S 
Kronfeld weist, als Referent, auf Differenzen N 
zwischen Alrutz’ Publikation und seinem letzie! To 
trag bestehen: In der Veröffentlichung (Proc. of the ar 
of Psych. Res. Bd. 33) erklärt A. z. B., daß seine » F 


SF 
>; 
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des He 
: Juni I 


[2 


destrahlung“ in ihrer Wirksamkeit vom isolierten 
ort abhinge, d. h. also, daß nur der Hypnotiseur 
„furch seine Striche diese angeblichen Reizschwellenver- 

i inlerungen hervorbringen könne. Bei der Kommissions- 
Ah silung der Gesellschaft sei aber A. völlig von dieser 
DB hauptung abgegangen. Ferner schwankte der Be- 
Ah fit der „guten Vp. bei A. Früher habe er als „gute” 
E In. solche bezeichnet, bei denen spontane Veränderungen 
‚der Reizempfindlichkeit in der Hypnose aufträten. Vor 
2 Ir Kommission habe A. als gute Vp. diejenigen be- 
echnet, welche die sog. Moutinsche Probe ergäben. 
ir mit „guten” Vp. aber gelingen die A.schen Experi- 
Inte. Nun habe A. in der Kommission eine Vp. aui 
Altınd dieser Probe als gut bezeichnet, bei welcher dann 
„bier die Probe deutlich und einwandfrei als Suggestiv- 
fikt durch Dr. Bruck geklärt werden konnte. Trotz- 
Jim hat eine erneute Prüfung der A.schen Experimente 
Mirch Dr. Bruck und Dr. von Rutkowski mit 
fikser Vp. stattgefunden. Es ergab sich nach den aus- 
Jühlichen Protokollen, daß wenigstens bei dieser Vp. — 
Jul noch einer zweiten, allerdings von Alrutz nicht per- 
Milch untersuchten — keines der von Herrn Alrutz be- 
“Danteten Phänomene einer Reizschwellenveränderung 
Aftrat. Ja es gelang sogar, ohne jede verbale Sug- 
eRstion und unter allen Alrutzschen Kautelen, diese Vp. 
| durch zentripetale Passes zu hypnotisieren und durch 
| intrifugale zu dehypnotisieren, also gerade das 
Filgegengesetzte der Alrutzschen Behauptungen. Bei 
| Ùr Bedeutung von A. als Forscher wird man gut tun, 
3 lirang keine weiteren Schlüsse zu ziehen als diejenigen, 
ji cs sehr schwer ist, jeden Suggestiveffekt auszu- 
Iüiließen. und daß geeignete Vp. für seine besonderen 
Mecweisungen offenbar außerordentlich selten sein müs- 
fa — In der Diskussion sprachen die Herren Gra- 
witz, Grunewald, Krambach, Kro- 
Phr. Aigner und Vieregge. Herr Grunewald 
4 Wilte mit, daß es ihm bei einer einzigen Vp. gelungen sei, 
I ich exakte physikalische Messungen die ferromagne- 
[Sc Intensität der Hände quantitativ zu messen. Keiu 
üziger unter 140 anderen Vp. habe irgendeinen meB- 
rer Ausschlag gegeben, dieser eine hingegen habe 
ifen solchen Ausschlag gezeigt. Nach viertelstündiger 
tn von Passes an einem Medium sei diese 
omagnetische Intensität auf ein Drittel gesunken. Bei 
führung der Passes ohne ein menschliches Medium 
sie hingegen proportional der zeitlichen Dauer gestie- 
je ; Nachprüfungen durch Prof. Gildemeister vom 
Wsiologischen Institut hätten ein eindeutiges Ergebnis 
icit gehabt. Leider sei der Fall für weitere Messungen 
icht mehr zu haben. Sämtliche Disskussionsredner wei- 
en auf die Bedeutsamkeit eines derartigen Befundes 
ei we aber auf das entschiedenste die Notwendig- 
< “nwandfreister Nachprüfung. 
A Kronield, Berlin. 


Buchbesprechungen. 


Je Een? Dr. Fritz, Privatdozent für Hygiene an 


ker 
f Universität München: Menschliche Auslese und 
Fsentyeiene. 


en! 
E- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Bd. H des Grundrisses der mensch- 


251, 


lichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene. 
München 1921, J. F. Lehmanns Verlag. 38,00: M. 


Auf diesem traurigen Gebiet wird viel geschrieben 
und wenig, sogar nichts getan; aber man kann von die- 
sem Werke wenigstens sagen, daß es eine Tat ist: es 
muß und wird die Unwissenden klären und die Schlafen- 
den wecken. Der vorliegende zweite Band enthält: 
I. Die Auslese beim Menschen (1. die biologische, 2. die 
soziale Auslese, 3. die Zusammenhänge zwischen sozialer 
und biologischer Auslese), Il. Praktische Rassenhygiene 
(1. Zum Begriff der Rassenhygiene, 2. soziale Rassen- 
hygiene, 3. private Rassenhygiene). Besonders lesens- 
wert sind die Kapitel: Eheverbote und Ehetauglichkeits- 


zeugnisse, Verhinderung der Fortpflanzung Minder- 
wertiger, quantitative und qualitative Bevölkerungs- 


politik, Forderungen zur Besoldung und Anstellung, 
Forderungen zur Steuergesetzgebung, rassenhygienische 
Gestaltung des Erbrechts, Vorschläge zum Siedlungs- 
wesen, rassenhygienische Familienerziehung — man er- 
sieht schon aus diesen Proben, auf wie breiter Grund- 
lage Forschung und Darstellung sich bewegt. Dabei ist 
überall die Nutzanwendung auf die deutsche Rasse er- 
örtert und es wird dabei manches treffliche Wort des 
Trostes und der Zuversicht gesagt. Möge das Buch 
neben den vielen, viel zu vielen Lehrbüchern, Leitfäden, 
Kompendien der Psychiatrie noch ein Plätzchen in un- 
seren Anstaltsbibliotheken — und in unserem Wissen — 
finden. Für Abfassung aufklärender, gemeinverständ- 
licher Vorträge läßt sich reicher Stoff daraus entneh- 
men. Bresler. 


— Krebsbüchlein für angehende praktische Ärzte. 
69 S. Zürich, Verlag „Die Verbindung”. 

In lustiger Form werden hier ärztliche Winke von 
einem alten Praktikus an seinen soeben von der Uhni- 
versität gekommenen Sohn erteilt. Das Büchlein stammt 
aus dem Jahre 1823 und sei allen denen empfohlen, die 
sich einmal ablenken und an ar erfreuen wollen. 

‘ Kürbitz-Sonnenstein. 


— Müller, Dr. Franz, a. o. Professor, Berlin, und 
Alfons Koffka, Operapotheker, Berlin-Wilmersdorf: 
Rezepttaschenbuch sparsamer Arzneiverordnungen für 
Privat- und Krankenkassenpraxis (Preise nach dem 
Stande vom 1. Februar 1922). 3. vermehrte und ver- 
besserte Auflage. 56 S: Leipzig 1922, Verlag von Georg 
Thieme. Geh. 16,50 M, geb. 21,00 M. Mit Schreibpapier 
durchschossen 20,00 M, geb. 27,00 M. 


Auf die neue Auflage dieses nützlichen Büchleins 
sei hier hingewiesen. Die Arzneitaxe vom Februar 1922 
ist zugrunde gelegt. Die Preise sind überall angegeben, 
so daß das Sparsamkeitsprinzip leicht befolgt werden 
kann — einstweilen ist freilich noch alles teuer! 


—_ Die praktische Beruisberatung. unter 
besonderer Berücksichtigung der körperlich oder geistig 
Anormalen und Erwerbsbeschränkten. Herausgegeben 
vom Landesamt für Arbeitsvermittlüng, Abteilung Be- 
ruisberatiung, Arbeitsministerium des Freistaates Sach- 


sen. 83S. Dresden 1922, Verlag der Buchdruckere bider 


Wilhelm und Bertha von Baensch- Stiftung. 


§ 
i ) I€ 
FRIA S =p] 
A 1 IN | OC A Q -= 


128 


Enthält: I. Die praktische Berufsberatung unter be- 
sonderer Berücksichtigung der körperlich oder geistig 
Anormalen und Erwerbsbeschränkten von A. Kirch 
la) Einleitung und Allgemeines, b) Berufskunde und 
Wirtschaftsleben, c) Handhabung der Berufsberatung, 
d) Wer ist und darf Berufsberater sein, e) Mitarbeit der 
Schule, f) des Arztes, g) der Psychotechnik, h) Zustän- 
digkeit der Berufsberatungsstellen für die Beratung der 
Anormalen, i) Berufsberatung der Schwererziehbaren, 
Fürsorgezöglinge und Straffälligen, k) Berufsratgeber, 
l) Lehrwerkstätte für Erwerbsbeschränkte]; II. Stellung 
des Arztes in der Berufsberatung Beeinträchtigter von 
Ministerialrat Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Thiele, Dres- 
den; HI. Berufsberatung und -ausbildungsmöglichkeiten 
für Hilfsschüler von Rektor Friederici, Berlin; IV. 
Für Schwerhörige von P. Winde, Schwerhörigenleh- 
rer, Berlin; V. Vorschläge für die Berufsberatung Taub- 


stummer von W. Gottweiß, Vorsitzender des 
Reichsverbandes der deutschen Taubstummen; VI. Be- 
rufsberatung und -ausbildungsmöglichkeiten körperlich 


Gebrechlicher von Direktor Wurtz 
Fielene-Heim in Dahlem. 

Ein Gebiet, auf dem mitzuwirken auch für den prak- 
tischen Irrenarzt viel Anlaß und Gelegenheit gegeben 


ist, weshalb auf dieses Buch hier hingewiesen sei. 


— Schmidt, Hugo, Wernigerode: Der Heilgar- 
tenlehrer. Von den Hilfsschulwissenschaften zum heil- 
pädagogischen Können. 40 S. Halle a. S., Carl Marhold 
Verlagsbuchhandlung. M. 9,00. 

Diese dem Andenken Johannes Trüpers ge- 
widmete recht treffliche Schrift gibt einen lehrreichen 
Überblick über das, was auf diesem Gebiete bisher. ge- 
leistet, und einen großzügigen Ausblick auf neue und 
höhere Ziele. Die Richtung drückt sich in der Bezeich- 
nung „Heilgartenschule’”’ aus, die Verf. setzen möchte an 
Stelle des wenig anziehenden und zu Mißdeutungen An- 
laß gebenden Namens „Hilfsschule”. Das Büchlein ist 
mit ebensoviel Sachkenntnis und Erfahrung wie warmer 
Begeisterung geschrieben. Der Schlußabschnitt: „Der 
Heilgartenlehrer und der Mediziner” vertritt einen rich- 
tigen Standpunkt. Bemerkenswert ist die Angabe (S. 
39), daß auf 3000 Einwohner eine Hilfsschulklasse von 
15 Schülern gerechnet werden dart. 


vom Oskar- 


Therapeutisches. 


— Über Behandlung von Leuchtgasvergiitung mit 
Magnesium Perhydrol. Von Dr. Salomon Kottek, 
Bad Homburg. Münch. med. Woch. 1921. 


Verfasser beschreibt die erfolgreiche Verwendung 
von Magnesium Perhydrol auf einem neuen Anwen- 
dungsgebiete, der Leuchtgasvergiftung. Von zwei Fäl- 
len betraf der erste eine nach Selbstmordversuch völlig 
bewußtlose Frau mit Anästhesie der Haut, Zyanose, Kon- 
trakturen der Extremitäten und kirschroter Blutfafbe. 
Nach geringer Erholung durch Aderlaß und künstliche 
Atmung wurde dreistündlich ie 1 g Magnesium Per- 
hydrol mit sichtlichem Erfolg werabreicht. . Patientin 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Burn 


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177 
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[Nr. 19/204, 


erholte sich sehr rasch, obwohl eine gründliche Lungen- k 
durchlüftung infolge drückender Hitze und schlechter $y 
Wohnungsverhältnisse äußerst erschwert war. Bereits‘ 3 
am kommenden Tag, an dem Magnesium Perhydrol noch $ 
weiter gegeben wurde, normales subjektives und objek 4 
tives Befinden. Die Gasvergiftung hinterließ keinerlei $. 
nachteilige Folgen. Der zweite leichtere Fall eines Gas A 
werksarbeiters, bei dem starke Ubelkeit, Brechrez, fi; 
Druck in der Magengegend, Kopfschmerzen und Hin- & 
tälligkeit bestanden, zeigte auf zweistündliche Gaben $ 
von 1 g Magnesium Perhydrol alsbald Nachlassen de$. 
Brechreizes. Bei dessen Wiederauitreten wurde dif, 
doppelte Dosis Magnesium Perhydrol gegeben, worauf 4 
Brechneigung und Magendruck dauernd aufhörten. Def: 
Kopfschmerzen schwanden im Laufe des nächsten Tages. A 
Die Nachuntersuchung ergab keinen krankhaften. Befundi 7 
mehr. 1 N 

— Luminal und Epilepsie. Von San.-Rat Dr. Franzä% 
Brühl-Kiedrich, St. Valentinus-Haus, Hospital irg 
weibl. Fallsüchtige. Münch. med. Wochenschr. 1901 
Nr. 34 S. 990. 1 

B. meint, daß Luminal ein ausgezeichnetes Mittel ist } 
bei der Behandlung der Epilepsie. Nach seinen Ertl 
rungen wird das Medikament noch zu wenig von dag‘ 
Ärzten angewandt, trotzdem es bei vorsichtiger Dosie- 
rung unschädlich ist. i 


— Epiglandol. É? 

Anatomie und Physiologie der Lit $ 
beldrüse. Beim Menschen wiegt die Zirbeldrüst ii 
etwa 0,2 g; sie bildet einen kleinen, abgeplatteten, angy 
nähernd dreiseitigen Körper über der Decke des Mitte a 
hirns und steht mit dem dritten Hirnventrikel in Vergi 
bindung. Während der Kindheit besteht deutliche GEN 
Benzunahme. Vor der Pubertät beginnt die Involutiols d 
doch sind bis ins höchste Alter hinein vollkommen Mg 
takte, anscheinend funktionstüchtige Drüsenzellen ‚7 
handen. Als sichtbarer Ausdruck der Involution werdell í 
feinste, in das schwachgefärbte Protoplasma eina N 
streute azidophjle Granula gedeutet. Die Zirbeldrot gi 
des geschlechtsreifen Alters reagiert auf die verschiede fh 
nen Zustände in der Sexualsphäre mehr oder mindet a 
deutlich. Nach Kastration konnte z. B. ein Zurückgelel f: 
der Drüsenzellen und cine- teilweise Detormanoi t ğ 
Kerne und des Protoplasmas beobachtet werden: E “ 
selbst mit freiem Auge lassen sich (derartige Umänder” y 
gen feststellen. Noch deutlichere Veränderungen al wg 
Zirbeldrüse ruft die Gravidität hervor. | T 

Experimentelles. Nach Foà zeigen be " 
Hähne nach Exstirpation der Zirbeldrüse eine ` 
Entwicklung der Keimdrüsen und der sekundären u $ 
schlechtscharaktere, nämlich eine sehr auffallende ian 
pertrophie der Hoden und des Kammes bis as w 
Doppelte des normalen Gewichts. Bei Hennen Be 
die Exstirpation der Zirbeldrüse keine Verändert ri 
hervor. Von Askanazy und Brack on > in. à 
seits ein Fall von sexueller Frühreife bei einer ad f 
mit Hypoplasie der Zirbel beschrieben, woraus r ise À 
geht, daß beim Menschen die Funktion der Zitbellf! TE 


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Fi beiden Geschlechtern gleichsinnig ist. Frankl- 
Fochwart stellte fest, daß Uterusstreifen gravider 
And kreißender Meerschweinchen durch Epiglandol deut- 
Wohe Erschlaffung- zeigten. 

7 Pathologie der Zirbeldrüse. Bei Tumo- 
i m der Zirbel werden Abweichungen von der normalen 
ysiologischen Entwicklung beschrieben: Geistige und 
‚Fürerliche beschleunigte Entwicklung, besonders der 
Feschlechtlichen Merkmale der Kinder, so daß ein sechs- 
riger Knabe einem siebzehniährigen gleichkam (An - 
Ion). Es findet sich auffallende Intelligenz mit hei- 
Fire Stimmung bei Älteren. Bei Knaben vor dem sie- 
Tinten Lebensjahr sind abnormes Längenwachstum, un- 
Fevöhnlicher Haarwuchs, prämature Sexualentwick- 
Ting, geistige Frühreife als Folgen einer Zirbeldrüsen- 
Feschwulst beobachtet worden (Oestreich und 
Sawyk, Frankl-Hochwart, Raymond und 
Allonde, Pelezzi). Diese Erscheinungen sind als 
Feminderung des funktionellen Zirbelgewebes (Hypo- 
f ieaismus oder Apinealismus) gedeutet worden. Die 
Fumentlich beim Beginn von Zirbeldrüsenerkrankungen 
j obachtete Fettsucht entspricht in ihrem Typus durch- 
gas der bisher als hypophysär bezeichneten. Nach 
Fleschke dürfte es sich hier jedoch nicht um eine 
{iale Fettsucht handeln, sondern um eine Stoffwech- 
Zelnomalie infolge des Druckes der krankhaft verän- 
Fe Zirbeldrüse auf die unter ihr liegenden Teile des 


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Finischenhirns. | 

i E Klinisches. Aus den bisher vorliegenden expe- 
f telen Untersuchungen und klinischen Beobachtun- 
1 pi ergibt sich, daß das Epiglandol bzw. die Zirbeldrüse 
N Antagonist der Keimdrüsen und auch in manchen 
Fllen der Hypophyse ist; und zwar äußert sich dieser 
A lagonismus nicht nur somatisch, sondern auch psy- 
1 Aisch, Daraus erklärt sich die Wirkung des Epiglan- 
i lS bei Frühreife, in allen Fällen von Jugendirresein, 
401 leichter Manie angefangen bis zum typischen Bilde 
I“ Dementia praecox (Pilcz). Ferner ist auf die- 
p" Antagonismus auch die Wirkung auf die Hyper- 
1 io sexualis (Kronfeld) begründet, wovon man 
p Onanie (Becker), Priapismus, Pollutionen, Saty- 
PASI (Hofstätter), Nymphomanie (Lißmann 
i 3 r eder), ferner auch bei Vaginismus (H of- 
E | usw. Gebrauch macht. Die antagonistische 
7 “8 gegenüber der Hypophyse kommt besonders in 
| ® ampflösenden Eigenschaften des Epiglandols, wie 
= ochy art am schwangeren Meer- 
1 a nchenuterus nachweisen konnte, zum Ausdruck. 
7, empfiehlt es Hofstätter bei Auftreten eines 


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1 Aktionsringes intra partum, bei Fruchtwasserabfluß 
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1 erZnaiien Wehen, Blasen- und Darmtenes- 
k ntersuchungen von Fraenkel haben ferner 
Fr ai daß Epiglandol-Injektionen eine Kräftige und 
hei. Erweiterung der Kopfgefäße bewirken mit 
Fi. Hy Iger Blutdrucksenkung, während bekanntlich 
| ick: ne eine starke Kopfgefäßkontraktion be- 
} A i as Epiglandol hat sich auf Grund dieser Wirkung 
t Pischmerzen vasomotorischen Ursprungs aufs beste 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


der ev. nötigen Wendung, bei inkarzerierter Plazen- 


129 


bewährt, wobei noch hervorzuheben ist, daß es hier zu 
Dauerheilungen führte. Hieraus dürfte hervorgehen, dab 
es sich hierbei nicht um eine rein vasomotorische Be- 
einflussung, sondern um endokrine Wirkungen handelt. 
Daß die Migräne fast stets auf endokrinen Störungen 
beruht, ergibt sich daraus, daß sie fast immer sich in 
der Pubertätszeit entwickelt; beim weiblichen Ge- 
schlecht soll der erste Migräneanfall häufig mit dem Ein- 
tritt der Menstruation zeitlich zusammenfallen, wie ia 
auch für den späteren Verlauf der Migräne ein Zusam- 
menhang mit den Menstruationsvorgängen vielfach an- 
gegeben und bekanntlich auch ein Verschwinden oder 
Seltenerwerden der Migräneanfälle von der klimakteri- 
schen Zeit an vielfach beobachtet wird. Rohleder 
weist darauf hin, daß gerade die Menstruation einen gro- 
ßen Einfluß auf das Sexualempfinden ausübt und infolge- 
dessen die Nymphomanie während dieser Zeit vielfach 
vorkommt. Ein Teil des Kopfwehs, der großen Reiz- 
barkeit, Verstimmung, Mattigkeit und ähnlicher Sympto- 
me beim weiblichen Geschlecht zur Zeit der Periode be- 
ruht auf Nichtbefriedigung der zu dieser Zeit gesteiger- 
ten sexuellen Reizbarkeit. Das Epiglandol findet daher 
auch bei den verschiedenartigsten dysmenorrhoischen 
Beschwerden erfolgreiche Anwendung, .. besonders auch 
wegen seiner spasmolytischen Wirkung auf die Uterus- 
muskulatur. Die Erweiterung der Kopfgefäße durch Epi- 
elandol läßt es auch zur Behandlung der Gehirnarterio- 
sklerose geeignet erscheinen. — Da nachweislich bei 
Hypofunktion der Keimdrüsen häufig Fettsucht beob- 
achtet wurde (Adipositas im Klimakterium, Fettsucht bei 
Eunuchoidismus; es sei auch erinnert an die Kastration 
zu Mastzwecken in der Viehwirtschaft bei Schweinen, 
Hähnen usw.), so empfiehlt sich das Epiglandol bei ma- 
geren und schwachen Personen zu Mastkuren.  Ver- 
suche von Mc. Cord an Meerschweinchen zeigten, dab 
die mit Zirbeldrüse gefütterten Tiere einen Vorsprung 
in der Gewichtszunahme von 25 v. H. besaßen. Die sub- 
kutane Injektion von iugendlichem Zirbelgewebe ergab 
bei iugendlichen Versuchstieren eine noch bedeutend 
stärkere Wirkung als die orale Verabreichung. Der 
Vorsprung an Gewichtszunahme der Zirbeltiere gegen- 
über den Kontrolltieren betrug dabei 40,9 v. H. Prof. 
Marburg führt den Einfluß der Zirbeldrüse auf den 
Fettansatz, entgegen der Ansicht hauptsächlich der fran- 
zösischen Autoren, welche die Mitwirkung der Hypo- 
physe als Ursache der Fettsucht annehmen, auf die 
Wechselbeziehungen zum Genitalapparat zurück. Auf 
Grund seiner Beobachtungen gibt er an: „Es scheint in 
der Tat, daß die Injektion von Epiglandol einen Einflub 
auf die Fettentwicklung nimmt. Eigene Untersuchungen 
am Menschen, und zwar knapp nach der Pubertät, haben 
dies einwandfrei : bewiesen.” Ob die Fettsucht eine 
Wachstums- oder Stofifwechselstörung ist, kann noch 
nicht mit Bestimmtheit entschieden werden. „Jedenfalls 
weist der Befund nach Fettsucht bei Zirbeldrüsenerkran- 
kung darauf hin, daß es die Wirkung der Drüse ist, 
welche die Fettsucht bedingt, allerdings vielleicht auf 
dem Umweg über die Genitaldrüsen. Darum erscheint 
die Verwendung der Drüse zur Förderung der Mast 


10 _________PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT (Nr. 10 


(Verfütterung, Epielandoliniektionen, Zirbelmast) ange- nach dürfte die Verwendung des Epiglandols zur Herah- i 
zeigt.” Von Wichtigkeit ist auch, daß durch die Puber- setzung der Ovarialsekretion bei Osteomalazie ange 


tät häufig eine latente Tuberkulose manifest wird, was zeigt sein. | | 
auf die Erhöhung des Stoffwechsels zurückzuführen sein Chemisch-physikalische Eigenscha 
dürfte. Von Mautner wurde durch Tierversuche ten. Das Epiglandol (Chemische Werke Grenzach Ak 
nachgewiesen, daß die Tuberkulose bei jungen kastrier- tiengesellschaft, Wissenschaftl. Abteilung, Berlin SW AM 


ten Tieren anders verläuft als bei nichtkastrierten, und Wilhelmstraße 37-38) ist ein steriler‘ wässeriger Extrakt ! 
zwar bewirken die Geschlechtsdrüsen eine Erhöhung der gus der Zirbeldrüse (Epiphyse, Glandula pinealis), Es 4 
Disposition zur Tuberkulose. Vielleicht ließe sich hier ist frei von Eiweiß und Lipoiden und gelblich gefärb | 
durch Epiglandol eine langsamere Umstellung auf die | ccm oder eine Tablette entsprechen 0,2 g frischer F | 
Reife erzielen und infolgedessen der schädliche Einfluß Drüse vom Rind. 
der Pubertät auf die Tuberkulose verhindern. Bekannt Be 
ist auch die erhöhte Libido Tuberkulöser, die auf eine 
N Ve a eeen So Aab no Tabletten täglich. Bei sexueller Frühreife sowie sex 
eine Herabsetzung der sexuellen Reize mit gleichzeitiger len Hyperästhesien. (Nymphomanie Satyra OCM 
| „Zirbelmast” günstigere Bedingungen schaffen kann. — wandten Zuständen rät Rohleder 2k C O 
Durch die Funktion der Keimdrüsen wird bekanntlich injektionen -von Epiglandol jeden zweien N 
ein Abschluß des Längenwachstums mose Vorknüeue; Tas emne Iniekion vón I ccm (oder ner a vaf 
et Epiphysenknorpel prreieNt EOS Epiglandoltabletten täglich). Am  vorteilhaftesten Mt 
Konnte Ar ASSR dab DEA, einem Mädchen mit stark gleich eine Schachtel mit zwölf Ampullen, da man nal I $ 
en SS endaren Geschier htscharakteren une weniger Iniektionen kaum große Wirkung haben wird À 
zweiwöchentlicher, seit zwei Jahren wiederkehrender #: 
Genitalblutung bei dauernd bestehender sexueller- Über- 
reizung, durch Epiglandol die Blutungen nur mehr in Personalnachrichten. 4 
vier- bis achtwöchentlichen Intervallen auftraten und = "Wiesloch. Baden. Dr Hans Anton Se 
das seit Beginn der Menses sistiertte Wachstum wieder 3 i PE 
; ] : ~ aus Ellwangen a. d. J. wurde am 1. Juli 1922 als Hilig 
einsetzte. — Endlich kommt noch die Verwendung des ei 3 
Epiglandols bei .Osteomalazie in Betracht. Nach den arzt hier eingestellt. E 
Untersuchungen von Adler führt die Kastration zu Em a 
einer Verminderung des Blutkalkes und zu Kalkansatz, Es wird gebeten, allen Aniragen an die Schritt) 
die gesteigerte Tätigkeit der Ovarien dagegen zu ver- leitung. resp. den Verlag über redaktionelle] 
mehrter Ausscheidung des Kalkes. Fehling gelang Fragen das Rückporto beizufügen. | 
die Heilung von Osteomalazie durch Kastration. Dem- 


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| Geh, Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 


u I birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge- (Berlin), Geh. Med.- 
7 Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
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Richtlinien zur Bekämpfung der Tuberkulose in der Irrenanstalt. 
Zur Methodik der Okkultismusforschung. Von San.-Rat Dr. Carl Bruck, Berlin. 


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1 Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Nr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
| Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 
Schriitleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
Nr. 21/22. 26. August 1922/23. 
| | Bezugspreis: a RR 
| Zuschriften für die Schriftleitung 


sind an San.-Rat Dr. Bresler in 

Kreuzburg (Ob.-Schl.)zu richten. 

Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 


Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin - Zehlen- 
dorfi-Mitte, Georgstraße 3. 


Von Dr. H. Löw. (S. 131.) — 
(S. 136.) — Der 
Von Dr. J. Bresler. Schluß. (S. 139.) — Mitteilungen. 


(S, 142.) — 


Richtlinien zur Bekämpfung der Tuberkulose in der Irrenanstalt. 


| 


T 
v. 
Mi i 


AlJber die Berechtigung, ja Notwendigkeit, in 
| einer Irrenanstalt eine besondere Tuberku- 
| E ling einzurichten, braucht man wohl nicht 
= ZU sagen. Überall, wo regelmäßig seziert 
Ni, wird man bestätigen müssen, daß die Tuber- 
e bei den Geisteskranken außerordentlich 
N = Während der Kriegsshungerzeit hat sie, 
El: ei Unterernährungsmarasmus („Ödem- 
E eit”!), unsere Kranken in Massen hingerafft, 
7 auch in der Vorkriegszeit war die Tuberkulose 


ei 


F 
u; 
? 


| e allgemeinhygienischer Einrichtungen 
| N nlich häufig. Für uns in der Anstalt Bed- 
Eei, war es daher, zumal man hier der Tuber- 
| en > schon seit langem Aufmerksamkeit ge- 
ihis atte, selbstverständlich, daß man gich be- 
fi, „ch praktisch die Tuberkulose zu bekämp- 
Ih, Mi drei Jahren wurde deshalb zuerst aui 

=  Mnerabteilung eine besondere Tuberkulose- 


f 
\ 
pi 


‘kranken Tuberkulösen bemerkt. 


| Aus der Rhein. Prov.-Heil- und Pflegeanstalt Bedburg-Hau (Direktor San.-Rat Dr. Flügge). 
Von Dr. H. Löw, Oberarzt. 


abteilung in einem Pavillon eingerichtet. Über die 
Erfahrungen, die man bei der Bekämpfung der 
Tuberkulose seit dieser Zeit machte, soll im folgen- 
den berichtet werden. | 
Unsere Aufgabe muß es sein, nicht nur die vor- 
eeschrittenen Tuberkulosefälle, die sozusagen 
schon der Laie erkennt, sondern auch die früheren 
Stadien und die Tuberkuloseverdächtigen nach 
Möglichkeit zu erfassen. Das! ist bei Geisteskran- 
ken, die einen, bei ihrem mangelnden Verständnis 
für körperliche Leiden, kaum hierin unterstützen, 
einigermaßen schwierig, zumal man auch Husten, 
Auswurf, Nachtschweiße usf. seitener bei geistes- 
| Als ein gutes 
Hilfsmittel zum NHerausfinden der Tuberkulösen 
bzw. Tuberkuloseverdächtigen hat sich bei den 


„alten Pileglingen” das Studium der — möglichst 
lange geführten —  Gewichtskurven bewährt. 


132 


Während der Kriegszeit, zumal 1916 und 1917, 
haben wir bei unseren Kranken, zum Teil erheb- 
liche, Gewichtsabnahmen beobachten können, die 
dann natürlich nicht immer auf Tuberkulose zu be- 
ziehen sind. Die Mehrzahl unserer alten Pfleg- 
linge hat sich nun, wie das Studium der Gewichts- 
kurven ergibt, bis Ende 1918, Anfang 1919 gewicht- 
lich wieder erholt, d. h. sie hat das Gewicht der 
Vorkriegszeit wieder erreicht. Auf das Erreichen 
eines ihrer Größe entsprechenden ‚„Normalge- 
wichtes” gebe ich hierbei gar nichts. Haben nun 
Kranke, 1918 oder 1919, 
Vorkriegszeit noch nicht erreicht, oder sind sie gar, 
meist schrittweise, im Gewicht allmählich noch tie- 
fer gesunken, so halte ich sie zunächst einmal für 
tuberkuloseverdächtig. 

Bei Kranken, bei denen wir nicht im Besitze 
seit langem auigezeichneter Gewichtswerte sind, 
also vor allem bei nach der Kriegszeit Auigenom- 
menen, wird. man natürlich ebenfalls auf Sinken 
der Gewichtskurve achten, wobei natürlich aber 
auch an endogene, andersartig zu deutende, Ge- 
wichtsstörungen, zumal bei frisch geistig Erkrank- 
ten, zu denken ist (s. Arbeiten aus der Psychiatri- 
schen Klinik zu Würzburg, herausgegeben von 
Prof. Martin Reichardt). Bei diesen Fällen 
wird man betreffs der Tuberkulose aber auch eher 
anamnestisch .noch etwas _erfahren.. _So_viel über 
Gewichtsveränderungen bei Verdacht auf Tuber- 
kulose. — Als weiteres, ebenso wichtiges, Hilismit- 
tel zum Herausfinden der Tuberkulose dient das 
Fieberthermometer. Es ist durchaus mög- 
lich auch in der Irrenanstalt, wie es sich bei uns 
seit fast drei Jahren gezeigt hat, regelmäßig mor- 
gens und abends, ob die Kranken nun im oder 
außer Bett sind, Puls und Temperatur zu bestim- 
men. Das Gefundene wird regelmäßig vom Sta- 
tionspflegepersonal in Kurven eingetragen und 
dauernd nachgeprüft. Dieses Puls- und Tempera- 
turbestimmen hat noch den weiteren Vorteil, dab, 
neben der Tuberkulose, auch interkurrente andere 
Krankheiten nicht so leicht der Beobachtung ent- 
gehen, ein Punkt, der gerade bei indolenten Gei- 


-~ Steskranken, zumal der einzelne Arzt oft eine recht 


große Anzahl Kranker versorgen soll, recht wich- 
tig ist. Außerdem gewöhnt man das Personal 
daran, eher auf den Einzelnen zu achten und in ihm 
nicht nur den Geisteskranken, sondern den Kran- 
ken schlechthin zu erblicken. — Dies sind die bei- 
den wichtigsten Hilismitel zum Herausfinden der 
tuberkulösen bzw. tuberkuloseverdächtisen Kran- 
ken, die ‘sich hier in re lan im allgemeinen 
durchaus bewährt haben. — - 

Die Tuberkuloseabteilung: selbst be- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


falls getrennt, die Aborte direkt zu erreichen sid], 


Platz haben. 


ihre Gewichtswerte der 


Na 
findet sich im Männerlazarett, einem in der Ost i 
Westrichtung sich lang hinstreckenden, einstöcki ; 
gen Bau. Das Haus kann 45 Betten fassen. Eh 
sind zwei größere, durch einen „Tagesraum” gei, 
trennte Wachsäle vorhanden, von denen aus, eben, 


Vorgelagert ist den beiden Wachsälen, und vont 
diesen aus betretbar, je eine nach Süden zu gef 
legene überdachte Veranda, auf der je 12 Bett 
Von dem die beiden Wachsäle trend 
nenden Tagesraum aus sind die beiden Veranda 
ebenfalls betretbar. An den Tagesraum schliellß, 
sich nach Norden zu ein Baderaum mit drei War, 
nen und eine Spülküche an. Neben jedem Waid 
saal findet sich noch ein kleines Zimmer mit zwi, 
Betten. Die beiden Wachsäle sind dann nach Osten i 
bzw. Westen zu durch eine Tür abgetrennt vonid 
einem Vorgebäude, in dem sich auf der Ostseite 
noch ein kleinerer Krankensaal mit fünf Bette, 
nach Süden zu, nach Norden zu, durch einen Flur f 
getrennt, ein Pflegezimmer, ein zweiter Baderaun i 
mit zwei Wannen und ein weiteres, abgeschlos®- 1 
nes Klosett befinden. Auf der Westseite des gaiii 
zen Baus findet sich in dem entsprechenden Vodi 
gebäude, anschließend an den anderen grohen t 
Wachsaal, nach Süden zu ein ärztliches Arbeits 
zimmer, weiterhin ein Besuchszimmer. und ein Ab y 
stellraum. Auf der Nordseite, getrennt durch eind 4 
Flur, ein Pfleger-Eßzimmer, und weiterhin, nebet i 
einem Operationszimmer, ein Verbandszimmer, vol i 
Arzneischrank, Verbandsmaterial, die künstliche fi 
Höhensonne usf. untergebracht sind. Nach Südi 
zu, vor den Veranden, befindet sich ein grober í 
Ziergarten, in dem die Kranken spazieren gehel ; 
können. Es schließt sich dann weiterhin nacii i 
Süden das Ackergelände der Anstalt an. Aus aeii 
ser Beschreibung dürfte hervorgehen, dab ws | 
„Männerlazarett” bei seiner günstigen Lage u | 
zweckmäßigen baulichen Einrichtung wie geschal i 
fen für eine’Tuberkuloseabteilung ist. Die Kag 
kensäle sind hoch, luftig und hell. Die überdad { 
ten, südwärts gelegenen Veranden ermöglichen vob | ; 
trefflich die wichtige Freiliegekur; der Garter J 
außerdem die Behandlung mit direkter Sonnenb f k: 
strahlung. — Was das Personal angeht, % ma 
tersteht es einem Stationspfleger, der nur alt g 
Tuberkuloseabteilung Dienst macht. Tail 
werden drei bis vier Pfleger benötigt, die teils 2 oJ 
Wachsaalpfleger, dann bei den reichlich ver% 
folgten Bädern (wichtige Hautpflege bei Tuberk 
lösen!); den Höhensonnenbestrahlungen, dem Bi 
binden der chirurgisch Tuberkulösen, der | 
meinen Reinigungsarbeit, dem ee 
dem so wichtigen Helfen beim Einnehmen 


nei 
— 


A h 
TEEN Sa ar 
DT En Zoll Da er 2% 


fintizeiten, zumal bei den gehemmten Kranken, usf. 
Jour beschäftigt sind. Nachts wird nur eine 
fiuchtwache benötigt. Es machen immer nur die 
Hleichen Pfleger bei den Tuberkulösen Dienst, 
was besonders wichtig ist, da sie mit der Beson- 
E. des Dienstes völlig vertraut sein müssen. 
i Die praktische und, soweit nötig, theoretische Un- 
2 krweisung des Personals erfolgt bislang für unsere 
seriellen Zwecke nicht durch Vorträge, sondern 
Hurch immer wiederholte Belehrung, sozusagen am 
frankenbett selbst, was sich als am zweckmäßig- 
i a herausgestellt hat. Es gelingt so, was durch- 
ms nötig ist, dem Personal, auf dessen Qua- 
] I besonderer Wert gelegt wird, Interesse 
“Inder Sache beizubringen. Die Pfleger dürfen auf 
1y Úr Tuberkuloseabteilung den Dienst nur in langen, 
„freien, hinten geschlossenen Schürzen machen. 
[5e sind streng angehalten zur Reinlichkeit, auch 
i ansich selbst (Hände abspülen in fließendem Was- 
| er, dann Bürsten mit Wasser und Seife, Desiniek- 
fosie) Ihre täglichen Mahlzeiten müssen sie, 
Fogesondert von den Kranken, in dem schon er- 
i firen Eßzimmer einnehmen. Bei der Pflege 
jür Kranken haben sie folgendes zu beachten: 
trößte Vorsicht, da alles als infiziert zu gelten hat. 
Möglichst häufiger Wäschewechsel, Einlegen der- 
Wlben in Desinfektionslösung, bevor sie von der 
Pime in die Waschküche kommt (eingetrock- 
ites Sputum und infektiöser Stuhl und Urin!), gute 
= der Krankenräume bei Vermeidung von 
Durchzug (Staub), nie Bohnern, sondern nur 
Feichtes Aufwischen des Bodens mit Desinfek- 
f sung. Das Sputum wird von den Kranken 
neben dem Bett stehende mit Wasser (kein Des- 
F riektionsmitte] bei Geisteskranken!) gefüllte Spei- 
1 F ken entleert. Vom Personal werden die Spei- 
$ Dtcken in einem den Kranken nicht erreichbaren, 
‚eischlossenen Raum in mit starker Kresolseifen- 


| 


F chickte Eimer-entleert. Dort wird das Sputum 
| Aiveimal 24 Stunden belassen, bevor es durch die 
Verne entfernt wird. Im Sommer muß man 
2 il die Bekämpfung der Fliegenplage denken. Wir 
: E es mit Fliegenfängern, Fliegenienstern ver- 
l in Sind aber nicht zu einer idealen Lösung der 
1. — Sekommen, so wichtig dieselbe ist, da man 
: ‘t wieder die Fliegen auf dem Speibecken 
l Dei und sich so mit Infektionsstoff beladen sieht. 
7 ia Heilstätten üblichen Spuckflaschen mit ver- 
i N pe Deckel sind bei unseren Geisteskran- 
I Nicht brauchbar, da sie dann nicht oder falsch 
1 r utzt werden!) 

h ‚Ober 1 rzrliche Beobachtung der 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[sung (neuerdings verwenden wir „Alkali-Lysol“) 


133 


tuberkulösen bzw. tuberkuloseverdächtigen Kran- 
ken ist zu sagen: größter Wert wird auf regel- 
mäßige morgendliche und abendliche Puls- und 
lemperaturbestimmung, die unbedingt genau sein 
muß, gelegt; daneben ist selbstverständlich auf das 
Körpergewicht der Kranken zu achten (Eintragen 
in Kurven!). Wenn nötig, bestimmen wir Tempe- 
ratur und Puls öfter, ev. zweistündlich. Sodann 
muß man sich unbedingt bemühen, Art und Aus- 
dehnung des tuberkulösen Prozesses festzulegen. 
/weifellos gibt es Fälle, bei denen jede exaktere 
Untersuchung an dem bekannten Widerstreben der 
Geisteskranken scheitert. Man muß sich dann auf 
eine mehr .kursorische Untersuchung beschränken. 
Manchmal gelingt es aber auch bei derartigen 
Kranken, noch einen günstigeren Moment zum 
Untersuchen zu erwischen. Prinzipiell unter- 
suche ich zwecks genauer Festlegung der Be- 
funde die Kranken nicht im Bett, sondern im Unter- 
suchungszimmer auf einem einfachen, lehnenlosen 
Schemel (etwas erhöhter ‚„Schusterstuhl” - oder 
Klavierstuhl mit einem unten angebrachten Fuß- 
brettchen zum nötigen Krummsitzen (Entspan- 
nung!). Zur allgemeinen Orientierung während 
der Visite oder bei hinfälligen oder widerstreben- 
den (s. oben!) Kranken kann man natürlich auch 
im Bett untersuchen. Bei nicht klarem Lungenbe- 
fund oder interessanten Fällen kann man - auch, 
wenn einem, wie uns in Bedburg-Hau, eine 
Röntgeneinrichtung zu Gebote steht, eine Durch- 
leuchtung oder Aufnahme machen. Weiter- 
hin wird man ja nicht regelmäßige Urinunter- 
suchungen, mindestens qualitativ auf Zucker und 
Eiweiß, versäumen. Ich halte es für richtig, auch 


die gewöhnliche Zucker- und Eiweißuntersuchung 


selbst zu machen und sie nicht dem Personal zu 
überlassen. Es sei erwähnt, daß ich auch bei frü- 
heren Stadien von Tuberkulose häufig Spuren von 
Eiweiß finde, so daß ich dies fast als: pathognomo- 
nisches Zeichen bei Tuberkulose ansprechen 
möchte. Derartiges entgeht aber dem Personal. 
Dies alles gilt sowohl für zweifellos tuberkulöse 
wie verdächtige Kranke. Was nun die letzteren 
angeht, so wird man bei nicht klarem physikali- 
schem Befunde ev. noch durch weitere Maßnah- 
men zur Diagnose zu gelangen suchen. Ergibt 
sich beim gewöhnlichen morgend- und abendlichen 
Temperaturmessen kein Fieber, so messe man alle 
zwei Stunden, man kommt dann recht oft noch 
zum Ziel. Es zeigt sich, daß die Zeit des Fiebers 
bei Tuberkulösen oft recht verschieden liegt. 
Solche Fälle erfaßt man dann nicht durch eine 
nur morgendliche und abendliche Messung; man 


134 


ist jedenfalls oft sehr erstaunt, welche Temperatur- 
schwankungen (!) man bei öfterem Messen 
erhält. Ev. kann man bei Tuberkuloseverdächtigen 
auch durch körperliche Anstrengung — Spazieren- 
gehenlassen im Garten! — das Fieber hervorrufen. 
Man kann dann bei Verdacht auf aktive Tuberku- 
lose auch daran denken, durch subkutane Tuber- 
kulineinspritzungen zur Diagnose zu kommen. 
Es ist aber zu bedenken, daß das Tuber- 
kulin kein indifferentes Mittel ist. Das Hervor- 
rufen einer „Herdreaktion” kann unter Umständen 
etwas recht Bedenkliches sein. Vorsichtige Tuber- 
kulintherapeuten wie Sahli (Über Tuberkulinbe- 
handlung; Basel, Benno Schwabe & Co.) verwer- 
fen daher die subkutane Tuberkulininiektion zu 
diagnostischen Zwecken durchaus. Beson- 
ders bedenklich erscheint es mir, wenn man fort- 
laufend zur Sicherung der Diagnose Einspritzungen 
von 1 bis 10(!) mg Alttuberkulin macht, also die 
therapeutische Dosis, über deren Höhe man sich 
doch sonst hinreichend den Kopf zerbricht, ganz 
bedenklich übersteigt. Unverantwortlich ist ein 
derartiges Handeln bei Kranken mit negativer 
Anergie, die also, mangels vorhandener Antikör- 
per, gar nicht in der Lage sind, das eingeführte 
Antigen (Tuberkulin!) abzubauen. Kranke mit 
negativer Anergie sind aber, meiner Erfahrung 
nach, gar nicht so selten bei unseren geisteskran- 
ken Tuberkulösen. 
Tuberkulineinspritzungen nicht ganz verzichten, so 
gehe man nicht so schneidig vor. Einige 
Autoren, wie Löwenstein mit Moller und 
Ostrowsky, Kaufmann, Rapport, haben 
darauf hingewiesen, daß es gar nicht nötig sei, die 
Tuberkulindosen zu hoch zu wählen und vor allem 
zu steigern; es genügt nach ihnen dieselbe 
Dosis, z. B. ?ho mg, viermal innerhalb eines Zeit- 
raums von 12 Tagen zu verabreichen. Dann 
kommt es, bei aktiver Tuberkulose, nach der Be- 
hauptung dieser Autoren, bei der dritten oder vier- 
ten Injektion zur typischen Tuberkulinreaktion 
(s. E. Löwenstein, Vorlesungen über Tuber- 
kulose; Jena, Gustav. Fischer). Man kann dann 
weiterhin daran denken, zur Sicherung der Dia- 
gnose die Pirquet sche Reaktion heranzuziehen. 
- Wir wissen aber heute, daß dieseReaktion für dieAk- 
tivität eines tuberkulösen Prozesses beiErwach- 
senen wohl nichts aussagt, auch nicht, wenn 
man sie mit abgestuften Tuberkulinlösungen macht. 
Ich selbst mache Pirquetsche Impfungen schon 
seit längerem systematisch, allerdings dabei von 
anderen Überlegungen ausgehend, die bei dieser 
Gelegenheit nicht zu erörtern sind: Noch ein Wort 
über das Morosche „diagnostische Tuberkulin” 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Will man auf diagnostische 


Pu 


(Nr. 212] 


K 


(Moro, Über ein „diagnostisches Tuberkulin"; $ 
Münch. med. Wochenschr. Jahrg. 67 Nr. 44). Nach 
dem dem Präparat beigegebenen Zettel soll eine f 
aktive Tuberkulose, falls nicht marantische $ 
Fälle vorliegen, auszuschließen sein, wenn def 
Pirquetreaktion mit Moro, nach 14 Tagaf 
wiederholt, negativ ausfällt. Ich habe genügend F 
Material, um behaupten zu können, daß dies nichtf 
richtig ist. Es gibt Fälle mit aktiver Tuberkuf 
lose, die, trotzdem sie nicht ‚„marantische” un i 
nicht negativ anergisch sind, auch bei wieder 
holter Prüfung mit Moro negativ sind zu gef 
wissen Zeiten. Mit anderen Worten: ein Kranke] 

| 


kann aktiv tuberkulös sein, auch wenn der wieder 
holte Moro negativ ausfällt. Weitere für unsere 
Zwecke in Frage kommende diagnostische Mit 
wären die intrakutane und perkutane (M o r o schei 
Salbe!) Applizierung von Tuberkulin. Ich habei 
über diese Hilfsmittel keine praktische Erfahrung 
Warnen muß man wohl vor der Anwendung «fi 
Wolff- Eisnersche Ophtalmoreaktion, di 
Schädigungen des Auges nicht auzuschließen sind, i 

Wir würden dann weiterhin zu berichten habe} 
wie wir die Tuberkulösen auf def! 
Tuberkuloseabteilung behandeln. Bef 
vor auf die eigentliche Therapie eingegangen wird : 
muß gesagt werden, daß bei uns bei Einrichtung 1 
der Tuberküloseabteilung der Hauptgedanke war] 
die Tuberkulösen als ständige Infektionsquelle asg 
den gewöhnlichen Krankenabteilungen zu ent a 
fernen. Dieser Gedanke ist noch jetzt der vorheit# 
schende. Es braucht nicht näher auseinandergelegt} 
zu werden, eine wie große Gefahr für Mitkrankä 
und Personal ein tuberkulöser Geisteskranker, #1 
mit seinem Sputum, seinem Stuhl und Urin alles | 
beschmiert, und das tut im Sinne der Infektionss@7 
fahr jeder Geisteskranke, ist, wenn er nicht recht 
zeitig als tuberkulös erkannt und abgesondert wi | 
Auf der Tuberkuloseabteilung selbst wird mat ik 
Tuberkulösen in den beiden Waächsälen von omg 
ander trennen, je nachdem, ob es sich um „ofen ; 
oder „geschlossene” Tuberkulosen handelt. Pag } 
unsere Verhältnisse ist diese reinliche Scheidune 4 
die ja auch in der Heilstätte eine mehr wenige!" 
problematische ist, aber schwer dur chführbat ; 
schon deshalb, weil wir nur yerhältnismäbs ; 
wenige Geisteskranke zur Entleerung ihres BE i 
tums in Speigläser bewegen können. Wir sind oa j 
her gezwungen, zu den durch mikroskopische a 
tumuntersuchung sicher als „offene Tuberkulosel 8 
Erkannten die schwerer klinisch Kranken ZU e : 
und von ihnen, wie bei uns in einem besondel 1 
Wachsaal, die klinisch weniger schweren Fälle s 4 
zusondern. Was nun die eigentliche Therap! = 


J 


Wo oa 


foa 


$ wit so muß man sich vor allem vor allzu großem 
h Iptmismus hüten. Zu einer ersprießlichen Tuber- 
efubse-, wie überhaupt zu jeder Therapie, ist unbe- 
e fingt nötig, daß der Arzt vom Kranken durch ge- 
ifmes Befolgen seiner Maßnahmen unterstützt 
tiid Dieses wichtige Moment fällt beim geistes- 
ifmnken Tuberkulösen, da er ja kaum ein Ver- 
ge für sein körperliches Leiden hat, sozu- 

gen ganz weg. Ferner scheint eine ganze An- 
f mhl Geisteskranker besonders wehrlos gegenüber 
- afir Tuberkulose zu sein. Diese Erwägungen dür- 
-fenuns aber nicht dazu bringen, in therapeutischer 
! insicht nun ganz zu resignieren. Das wäre 

-Frundtalsch, weil wir gewisse Erfolge, wie ich bei 
meinem Krankenmaterial in drei Jahren gesehen 
1 tabe, doch verzeichnen können, und dann wäre es 
a a auch wenig ärztlich gehandelt. Was kommt 
ifon therapeutischen Maßnahmen in Betracht? 
veckmäßig unterscheidet man, genau wie bei der 
behandlung geistig gesunder Tuberkulöser, einmal 
1 dlgemein-hygienisch-diätetische Maßnahmen und 
l {emner unspezifische und spezifische Arzneibehand- 
ling im weitesten Sinne. Wir sorgen also für 
ifute hygienische Bedingungen: Absonderung der 
-Asiwerer Kranken von den leichter Kranken, mög- 
ichste Sauberkeit, soweit dies bei Geisteskranken\ 
Anüglich ist, in bezug auf Wäsche, Bäder (Anregung 
der Hauttätigkeit!), ferner helle, gut zelüftete 
f Kankenräume ust. Vor allem machen wir, in An- 
F inung an die Meilstättenbehandlung, ausgedehn- 
Fin Gebrauch von der Freiluftliegekur, für unsere 
| Verhältnisse allerdings nur während der guten 
f lahreszeit, Wir legen demnach unsere dazu geeig- 
ftn Kranken tagsüber auf unsere überdachten, 
Fach Süden gelegenen Veranden, und zwar mit 
f icksicht auf unsere Verhältnisse in ihren Betten. 
Wi den Kranken mit chirurgischer Tuberkulose 


| wenden wir, entsprechend den Vorschriften von . 


Bernhard und Rollier (s. A. Rollier, Die 
Hikliotherapie der Tuberkulose; Berlin, Jul. Sprin- 
1 die natürliche Sonnenbestrahlung an, die im 
Warten der Abteilung ausgeführt wird. Es gelang, 
2 Behandlungsart bei einigen Kranken mit be- 
“ en Erfolg durchzuführen!) Bei schlech- 
fer a und bedecktem Himmel wird als Er- 
acht estrahlung mit künstlicher Höhensonne ge- 

Die Behandlung mit natürlicher Sonnen- 
Strahlung im Spätherbst und Winter durchzu- 
En habe ich mich bisher nicht entschließen 
E # wenden dagegen die natürliche Son- 
eo o g niemals an bei Be ee 
ki Über das im einzelnen genau zu befolgende Ver- 
Siehe die betreffenden Autoren = 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


die Neigung zu Lungenblutungen begünstigt. 


135 


weil sie nach der Erfahrung der Tuberkuloseärzte 
Da- 
gegen machen wir in systematischer Form!) bei 
der Lungentuberkulose von der künstlichen Höhen- 
sonnenbestrahlung Gebrauch. Die Wasserbehand- 
lung in Form von Berieselungen und Duschen, wie 
sie in Heilstätten üblich ist, wende ich nicht an, da 
ihr Hauptzweck, die Kranken abzuhärten und so 
der Neigung zu Erkältungen entgegenzuarbeiten, 
für geisteskranke Tuberkulöse weniger in Frage 
kommt. Ich ziehe für unsere Verhältnisse, zur An- 
regung der Hauttätiekeit, Vollbäder vor und ge- 
brauche bei chirurgischer Tuberkulose regelmäßig 
möglichst warme Bäder. Diese bewirken eine gute 
Reinigung und oft auch Heilung von Geschwüren 
und Fisteln. Was nun zunächst die unspezifische 
Arzneibehandlung angeht, erhalten alle unsere 
Kranken regelmäßig kieselsäurehaltigen Thee 
(Herba Equiseti, h.Polygoni, h. Galeopsidis), dessen 
Wirkung bei dauerndem Gebrauch von manchen 
Autoren sehr gelobt wird, ferner Kalk?) (Kalzan- 
tabletten), im Winter regelmäßig Lebertran. Viel- 
fach werden bei uns auch Solarsoneinspritzungen 


gemacht, die bei Tuberkuloseärzten zur Hebung 


des Allgemeinzustandes und zur .Appetitanregung 
(Arsenpräparat!) sehr beliebt sind. Die beste 
Arznei ist zweifellos eine gute Ernährung der 
Tuberkulösen. Kann man diese nicht geben, so ist 
jede Tuberkulosebehandlung aussichtslos. Wir 
machen es so, daß für die Tuberkuloseabteilung 
eine Anzahl „Krankenkost’”’portionen, eine bessere 
Rekonvaleszentenkost, aufgeschrieben werden, die 
dann abwechselnd den einzelnen Kranken 
statt der gewöhnlichen Kost, die die Abteilung er- 
hält, gegeben wird. Wir sehen dann recht oft, wie 
Kranke, wenn sie einige Zeit auf der Tuberkulose- 
abteilung sind, sich gut erholen, wie aus dem dau- ` 
ernden Anstieg der Gewichtskurve hervorgeht. 
Offenbar genügt für Tuberkulöse die gewöhnliche 
Anstaltskost, die jetzt im allgemeinen für die Nicht- 
tuberkulösen, wie sich aus den Gewichtsbeiunden 
ergibt, ausreicht, nicht. Regelmäßig erhalten dann 
sämtliche Tuberkulöse als Ersatz für die immer 
noch knappe Milch eine Kraftbrühe, die die Küche 
eigens für die Abteilung fertigmacht (Zusammen- 
kochen von Milch, Butter, Haferflocken, Eipulver, 
Zucker, Salz!). — Wir hätten uns jetzt zu der 
spezifischen Therapie der Tuberkulose, d. h. der 
Tuberkulintherapie, zu wenden. Hier sei nur daran 
erinnert, daß es ebenso begeisterte Anhänger, wie 


2) Kalk kommt vor allem auch in Betracht zur Stil- 
lung von Hämoptoe: 1 bis 2 bis 3 ccm einer fünf- bis 
zehnproz. Lösung von Calcium chloratum intravenös, 


136 


ebenso unbedingste Gegner der Tuberkulinbehand- 
lung gibt. Auf das Für und Wider kann hier nicht 
eingegangen werden. NHervorgehoben sei aber, 
daß nur der sich mit Tuberkulintherapie befassen 
darf, der praktisch und vor allem auch theoretisch 
sich genügend mit der Sache vertraut gemacht hat. 
In Betracht kommt ja wohl immer noch in erster 
Linie das Alttuberkulin Koch und das Neutuber- 
kulin (Bazillenemulsion). Ich selbst habe mich bis- 
her, aus hier nicht zu erörterndeu Gründen, zu der 
subkutanen Tuberkulintherapie nicht entschließen 
können. Trotzdem haben sich eine ganze Anzahl 
meiner Kranken, die lediglich „unspezifisch” nach 
den eben ausgeführten Grundsätzen behandelt 
wurden, überraschend erholt. Hätte ich sie ,spe- 
zifisch” behandelt, wäre ich heute wohl ein über- 
zeugter Tuberkulinfreund..... Einige meiner Kran- 
ken habe ich seit Oktober des vergangenen Jahres 


Zur Methodik der Okkultismusforschung. 
Carl Bruck, Berlin. 


Von San.-Rat Dr. 


I)‘ wissenschaftliche Okkultismusiorschung be- 
findet sich zweifellos in einer schweren Krise. 
Nichts weniger als ihre Existenzberechtigung steht 
auf. dem Spiele. Zum -Schluß- wird sie. entweder 
nicht mehr sein und allenfalls noch von Interesse 
für den Kulturhistoriker, wie etwa die Scholastik, 
die auf anderem Gebiet die Gegenstände des Glau- 
bens zu Gegenständen des Denkens machte, oder 
sie, wird sich nach Feststellung eines nachprüf- 
baren okkulten Tatbestandes endgültig durchge- 
setzt haben. 

Dem ruhigen Beurteiler, der dem thema pro- 
bandum durch praktische Mitarbeit näher zu tre- 


ten bemüht war, fällt das Geständnis nicht schwer, 


daß der Würfel noch nicht gefallen ist, und ferner, 
daß es Schwierigkeiten macht, die Komparenten 
an einen gemeinsamen Tisch zu entscheidendem 
fair play zu setzen, weil sie sich bisher über die 
Spielregeln nicht einigen konnten. Nicht sehr tra- 
gisch zu nehmen ist eine dadurch entstandene Ver- 


~ © zögerung, daß man sich vorher erst über Namen 


und Begriffsbestimmung aussprechen möchte. Man 
gebe ruhig zu, daß die Firma Okkultismus 
noch nicht eingetragen werden könne, weil der 
Name eine petitio principii enthalte. Auch über 
andere Namen würde man sich wohl ebenso strei- 
ten können. Man lasse ferner zunächst jeden den 
Begriff so eng oder weit ziehen, wie er mag; das 
ist ja alles nicht entscheidend, und sollten eines 
Tags die spirits gar sozusagen vor der wissen- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[Nr. ala | 
mit den Petr uschky schen Tuberkutinlinimend N 
ten, also perkutan, behandelt. Diese ‚„mildere” Be- r 
handlung durch die Haut durch wird ja jetzt viek f : 
fach angewandt. Ob die ebenfalls technisch ein, 
fache Ponndor f- Behandlung, die immerhin \ 
erößere Impfwunden setzt, sich für geisteskranke 1 i 
Tuberkulöse eignet (Infektionsgefahr bei Unsauber |: 
keit!), muß noch ausgeprobt werden. S 

Hiermit dürfte unser Thema im wesentliche h 
erschöpft sein. Es sollte gezeigt werden, dal l 
und wie es möglich ist, in jeder Irrenanstalt \ 
die Tuberkulose zu bekämpfen, ohne hierbei gr 
Bere Mittel und Maßnahmen in Anspruch zu nd, 
men. Auf die Einfachheit unserer „Kampfmittel! i 
kommt es aber an, wenn wir tatsächlich und ernst ; 
lich der Tuberkulose als allgemein verbreiteten ; 
Anstaltsübel zu Leibe rücken wollen. ei 


= 


En 
Fa 
A AN 


schaftlichen Polizei sich als identisch legitimietiäfi 
haben, so subsummiere man seelenruhig dem Be 
griffe auch den — horribile dictu — Spiritismus! $ 
Nur einige man sich auf der conditio sine qua g 
non, auf der wissenschaftlichen Methode des eti l 
pirischen Kritizismus. Beim allerbescheidenstil i 
positiven Befund wird man dann schon von ein i 
„okkultistischen Wissenschaft? sprt i 
chen dürfen. 2 
Etwas hat der Okkultismus für seinen st 
schen Namen einzusetzen, seine Voraussetzung 
losigkeit, mit der alleinigen Betonung des. Dunkelt, ii 
Unerforschten, während die auf Österreichs 
Vorschlag jetzt beliebte Wendung: Para- (frat- | í 
zösisch Meta-) psychische Forschung den fy 
noch zu beweisenden Zusammenhang mit ir | 
Psyche vorwegnimmt. N 
Geradezu hindernd und fehlführend kam ie] 
derartige begriffliche antecipatio für den Beobatil 
ter werden, der, von ihr beeinflußt, seine M Mei | 
dik aufbaut und die von früheren Arbeiten i aj 
ihm geläufige Art zu beobachten und zu experimet- ! 


ed 
tieren, auf die okkulte Forschung überträgt, e ] 
Berücksichtigung der Betrachtungsmöglichkei | 
tern zu gemeinsamer Beobachtung nn | 
finden. So brauchen etwa als Psychologen F 
Experimentalbiologen mit Recht geschätzte 19 1 


ret 
und der zu benutzenden Ergebnisse auf ande 

sei \ 
scher nichts von der Neurosenlehre zu. W | 


e 
Gebieten; er führe besser, sich mit deren Vertie 


aly In 
5 Are sie nicht gar bewußt ihre Bedeutung für 
Afe Okkultismusforschung ablehnen). Andere 
gi verden vielleicht physikalisch nicht genügend 
-fi ientiert sein oder — um auch das Menschliche- 
1 Azumenschliche zu erwähnen — sie sind entschul- 
Oi wenn sie niemals etwas von den interessan- 
T points de repère gehört haben. Sie 
pren dann aber unter einer Einengung des 
1 N tischen Gesichtsfeldes leiden und beispielsweise 
j kwisse Phänomene vielleicht auf „biologi- 
HJ Whe Ausnahmefähigkeiten” zurück- 
ji ühen, die sich ungezwungen auch „anders” 

Jrüren lassen, weil sie an solche Fehlermöglich- 
‚Pisten auch nur zu denken, gar nicht vorbereitet 
hi did, dagegen immer nur bemüht bleiben, einer 
Eten Biologie” die Wege zu bahnen. 
i Aligewollt reichen sie damit Phantasten die Hand, 
Te auf vagen Analogien fußend, ein zerebrales 
Flatum für „die okkulte vitale Energie” 

Minden sich bestreben (was schließlich nicht viel 
Fitwieriger wäre als „die biologische Be- 
Jeindung des Sittengesetzes”); oder 
fi: beim Teleplasma an bisher unbekannte 
Melamorphotische Produkte denken (Analogie: 
| le Verpuppung der Raupen!!); oder die besonders 
1 Ît die moderne Lehre von der inneren Sekretion 
| Für Erklärung heranziehen! Vom Sonnengeflecht 
l At nicht zu reden, das schon die alten Inder — 
7% Abendland verhüllt ia seinen „Untergang” 

Mt gern mit indischen Stoffen — zur stilisierten 
} h eines besonders heiligen okkulten Em- 
| = begeistert haben soll usw., mit Grazie. Es 
den Anschein, als ob gegenüber dem Bestre- 
| Ih, derartige autistische Wunschvorstellungen 
Jin Beobachtungen vorangehen zu lassen, die sich 
í Titterdings mit der okkulten Materie beschäftigen- 
: Jin Ärzte sich meist eine glückliche Reserve auf- 
f (egen, Wenn sie auch z. B. die Annahme einer 
Pychischen Einstellung der Medien und des psy- 
[een Charakters der okkulten Phänomene für 
tine gute Arbeitshypothese, vielleicht sogar für 
je grundlegenden Fortschritt halten, wollen sie 
Fieber jedes präiudizierliche Räsonnement bei der 
[tecr selbst ausschalten, eingedenk des 
E ichen Leitsatzes von Magendie: „Beim 
| Peimentieren habe ich nur Augen und Ohren, 

E kein Gehirn” (für das Räsonnement). 

Eo Zitat leitet zwanglos zu einer Frage 
T -e für die Methodik erkenntnistheore- 
i ich praktisch von Wichtigkeit ist: Handelt 
j "1 bei der Feststellung eines okkulten Tat- 


] I 1) 
p 


Dr. Geley sagt geradezu: 


„Der Körper des In- 
dematerialisiert sich“. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


andererseits an die 


137 


sachenmaterials Teala um ein Experiment im 
üblichen Sinne? Faßt doch der ärztliche Nestor 
der deutschen Okkultismusforschung, Dr. Ferdi- 
nand Maack, sein Glaubensbekenntnis („Das 
zweite Gehirn”, Hamburg, Theosophie-Ver- 
lag) unter ausdrücklicher Ablehnung jeglicher Spe- 
kulation — das Büchlein ist zwar selbst eine artige 


Sammlung von Spekulationen — in der Formel 
zusammen: „Empirie, Experiment, In- 
duktion, Kritik, Mathematik”. Ich 


möchte die Frage bei der jetzigen Sachlage nicht 
unbedingt bejahen. Halten wir uns an die Defini- 
tion Haeckels: „Das Experiment -ist nichts 
anderes als eine Frage an die Natur, die sie selbst 
beantworten soll, eine Beobachtung unter be- 
stimmten künstlich gestellten Bedingungen”, und 
von Cuvier: „Der bloße 
Beobachter belauscht die Natur; der Experimenta- 
tor befragt sie und zwingt sie, sich zu 
entschleiern” (von mir unterstrichen), so 
handelt es sich zurzeit wohl noch um keine Ex- 
perimentalwissenschaft, sondern um eine Beob- 
achtung und Kritik von Erscheinungen, die ohne 
ein selbsttätiges Eingreifen des Un- 
tersuchers in. ihrem - Ablaui» allein 
vom Medium abhängen. (Daß dieses zu- 
weilen versucht, mit der Beobachtungsgabe des 
Untersuchers zu experimentieren, sozusagen selbst 
ein Experiment mit negativem Vorzeichen riskie- 
rend, sei nebenbei erwähnt.) Ob nun diese Er- 
scheinungen. sich unterbewußt oder oberbewußt 
abspielen, das wissen wir aber nicht, und da zu- 
nächst nicht viel dafür spricht, daß echte Phäno- 
mene ‘oberbewußt, d. h. intellektuell bedingt sind, 
so kann man ihnen auch nicht im Experiment näher 
treten und in ihren Gang selbsttätig eingreifen, in- 
dem man die wirkenden Kräfte unter Bedingungen 
aufeinander einwirken läßt, die ohne unser Zutun 
nicht zusammengetroffen sein würden. Der Un- 
tersucher wird sich daher darauf beschränken 
müssen, unter selbstverständlich ihm allein zuste- 
hender Festlegung der Beobachtungsbedingungen 
kritisch zu beobachten und sich dabei weder vom 
Medium — allerdings mit gewisser Rücksichtnahme 
auf seine Psyche —, noch vom Milieu, am aller- 
wenigsten aber von seiner eigenen, ihm oft nur 
halbbewußten autistischen Einstellung beeinflussen 
zu lassen (Psychoanalytiker lassen sich ja wohl 
aus ähnlichen Motiven vorsichtigerweise vor Be- 
ginn ihrer Arbeit selbst analysieren). Auch dann 
noch wird er gut tun, auf die Zuverlässigkeit seiner 
Beobachtung in diesem dunklen Terrain sich nicht 
allein zu verlassen und die trefflichen Worte 
Bleulers zu beherzigen, daß „der Übergang 


138 


von Beobachtung zu Auslegung in Wirk- 
lichkeit unendlich viel fließender ist, als man so 
gewöhnlich meint; liegt doch in der einfachsten 
Wahrnehmung schon recht viel Auslegung”. Auch 
aus diesem Grunde wird er, ganz anders wie der 
Experimentator, dessen Versuchsanordnung sich 
jederzeit nachprüfen läßt, besser mit denen zu- 
sammenarbeiten, deren aus einem anderen Ge- 
sichtswinkel eingestellte Beobachtung sich ergän- 
zend oder berichtigend der eigenen hinzugesellt. 
Diese Zusammenarbeit ist aber nicht gleich- 
bedeutend mit dem Zusammentritt vonKommis- 
sionen, von der einen Seite immer wieder so 
energisch verlangt, wie von der anderen abgelehnt, 
während eine Mittelpartei, der ich mich anschlie- 
ßen möchte, sich von ihnen unter gewissen For- 
men Ersprießliches erhofft, ohne die Angelegen- 
heit gerade für sehr dringend zu halten. Ich weiß 
durch Mitarbeit an solchen nicht ganz offiziellen 
Kommissionen ihren Wert zu schätzen, da sie, 
wenn auch nicht immer entscheidend, so doch an- 
regend, klärend und wegweisend gewirkt haben. 
Schon durch ihre Existenz beweisen sie übrigens, 
daß das ganze Gebiet kein rein experimentelles ist; 
denn über die Ergebnisse der experimentellen 
Naturwissenschaft, wie über die Wissenschaft 
überhaupt, haben noch niemals Kommissionen ab- 
gestimmt und entschieden. Sie könnten aber 
‚immerhin im Einzelfalle (ähnlich wie deutsche Ge- 
richtshöfe in der letzten Zeit über Betrugsverdacht 
bei Medien) ein Urteil abgeben, daß Fehlerquellen 
zu ermitteln waren oder nicht, wennschon in diesem 
letzteren Falle damit etwas Grundsätzliches noch 
nicht bewiesen wäre. Aber auch bei diesem nur 
relativen Nutzen könnte man ihre Zusammenbe- 
rufung immer wieder von Fall zu Fall versuchen, 
wennschon ich auch den ablehnenden Standpunkt 
eines in der Berliner Bewegung führenden For- 
schers zu würdigen weiß, der sich prinzipiell mit 
der Publikation seiner Ergebnisse begnügt und nie- 
mandem das Recht einer Kontrolle einräumt. Den 
besonders eindringlichen Befürwortern von Kom- 
missionen könnte aber gesagt werden, daß dabei 
durchaus nicht die Hauptsache „die Schaffung von 
Grundlagen ist, auf welche sich Anhänger wie 
Gegner (von mir unterstrichen) zu einigen hät- 
ten’. Denn diese Scheidung der Geister, die von 
vornherein das Kommissionszimmer zu einem 
Kampiplatz machen könnte, erschwert das’ Zu- 
sammenarbeiten bis zu seiner Unmöglichkeit und 
hat tatsächlich bisher meist hindernd gewirkt; ich 
brauche wohl nicht erst an bekannte Vorgänge der 
letzten Zeit erinnern. Man setzt sich eben nicht 
an einen Jisch mit aufgebauten Apparaten, an 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


dem beliebten 


(Nr. 21/0) 
denen „der Anhänger dem Gegner” dif 
Reaktion vormacht und sie dann von ihm nachpriel! 
fen läßt. Es handelt sich eben um eine demon 
stratio ad hominem, und der erfahren ti 
Beobachter weiß, welche Widerstände, bewußte, ) 
halbbewußte und unbewußte auch bei „beson {i 
ders begabten Medien” zu überwindaf 
sind, da diese eben nicht auf dem Monde leben 
sondern meist wissen, welches Mißtrauen sie im 
lauert, auch wenn. sie sich willig der Wissenschaft 
zur Verfügung gestellt haben. Natürlich wird af 
sehr bald die Spreu vom Weizen sondern wif 
auch seine Mitbeobachter nicht ausschließlich uf 
„sympathischen Zirke® 
vereinigen, der in der Tat oft nur eine Sympathie N 
der Dummheit und Kritiklosigkeit umschließt; af’ 
wird ferner sein Medium so weit zu erziehef 
suchen, daß es sich gesteigerten Kontrollen un] 
zuletzt wohl auch einer „Kommission” unter: 
wirft. In der Führung dieser Medien, dergi 
Psyche in einem recht großen Prozentsatz Modi! 
kationen des Normalzustandes, leichte wm 4 
schwere, aufweist, wird oft nur der feinste Taklf* 
zu einem Erfolge gelangen, zu ihrem willigen Eine a 
gehen auf eine den okkulten Sachverhalt unat 4 
greifbar sicherstellende Methodik. Wenn z. B. ogi 
weibliches Medium mit gutem Leumund und if 
guter gesellschaftlicher Stellung bei aller Bere i 
willigkeit zu wissenschaftlicher Prüfung über sf 
wisse Aversionen und Idiosynkrasien nicht hl i 
wegkann und etwa aus Prinzip alle Frauen o% 
Ärzte oder einen bestimmten, anerkannten Megi 
diumitätsforscher ablehnt, so hat sich eben. der EX 
perimentator zunächst zu fügen und muß auf dif 
Zeit und seinen Takt bei dem Versuch einer gai $ 
allmählichen Überwindung dieser Widerstände ve i 
trauen. | 5 | 

Für alle Fälle sind „Kommissionen al, 
zulehnen und sind auch schon mit Erfolg abs 
lehnt worden, die kraft eigenen Rechts sich bie | 
den, ohne eine Parität zu gewährleisten, und a h 
dann durch öffentlichen Aufruf die Experiment } 


toren und Medien — in offensichtlicher Unkonnti f 
; 


von deren meist üblicher Reserve — Vor u 
Richterstuhl zitieren, auf dem sie gleichzeitig Rie E 
ter und Partei sind. Ihnen kann man es ruhig “ 7 ! 
lassen, sich Untersuchungsmöglichkeiten selber A i 
verschaffen. Dagegen sollte den Unvoreinget i i 
menen, die praktische Erfahrungen in der Metho 4 
dik sammeln wollen, diese Gelegenheit vo? vi 
zu Fall geboten werden. Dadurch würde del 
Interesse zu eigenen Versuchen angeregt We 
für die geeignetes Material zu finden gerade | : 
ärztlichen Beruf viel weniger schwierig ist, | 


$ 


ES. 2! 
u u 


e wache glauben. Auch hier heißt es: Wer sucht, 
ų fér findet. i 

f Die Gründer der Berliner „Arztlichen Ge- 
skellschait für parapsychische For- 
chung” glauben auch aus diesem Grunde mit 
fér Zusammenfassung aller für okkulte Fragen 


— 


| 


nF 
| 
| 
i 
1 i 
4 Al: Die während des Weltkrieges durchaus 
af urigen Ernährungsverhältnisse in unserer An- 
dult haben seit Kriegsende eine dauernd zuneh- 
{nde Besserung erfahren. Noch zu Ende des 
{aires 1918 war eine reichlichere Versorgung mit 
„[löbensmitteln, vor allem auch mit Fett möglich. 
(let bessere Ernährungszustand der. Pfleglinge 


{machte sich darum auch schon im nächsten Jahr 
i de Abnahme der Tuberkulosesterblichkeit und 
t 


jenem Verschwinden oder wenigstens starken Zu- 
‚Jlkgehen der übrigen auf die Unterernährung zu- 
‚[ickzuführenden Krankheiten (Hungerödem, Herz- 
lüskelentartung, ruhrartige Darmstörungen, Fu- 
Minkulose, krätzeartige Hautkrankheiten) bemerk- 
4. Die regelmäßig am Ende eines jeden Monats 
‚Jtsenommenen Körperwägungen ergaben auf- 
jtigende Kurven, die jetzt ziemlich stabil gewor- 
[ia Sind. Der heutige Ernährungszustand ist wie- 
. r als normal anzusehen und der Nährwert der 
„| Seisen, kalorienmäßig berechnet, als ausreichend 
AN betrachten. Regelmäßige Nährwertberechnun- 
A finden zurzeit nicht statt. Als besonders wert- 
jol haben sich regelmäßige Fettzulagen, selbst 
[em es von geringerer Qualität war, -sowohl bei 
ferm reduzierten Kranken als besonders bei 
Lliberkulösen für die Restitution des Ernährungs- 
; "Standes erwiesen. 

E Die Rohmaterialien werden vom Hausmeister 
valtet und täglich von ihm an die Köchin ab- 
7 8eben, die für alle drei Verpflegungsklassen im 
[zen quittiert. Die Zahl der in der ersten und 
‘I Witen Klasse verpflegten Personen ist bei uns 


$ 


| a so gering, daß die Menge der für sie be- 
i i ton Nahrungsmittel im Verhältnis zu den für 
4 ku Klasse verbrauchten Materialien auber- 
T ich kein ist und für die Verrechnung keine 
, E : Rolle spielt.. 

| o fertigen Speisen werden täglich vor der 
An = vom Anstaltsverwalter auf Zubereitung 
Į. “eschmack geprüft. Eine weitere Kontrolle 


à Ie 
1 Qualität und Quantität der Speisen findet auf 


ne 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


139 


interessierten Ärzte, denen sich jetzt auch Wissen- 
schaftler aus anderen Gebieten anschließen können, 
den geeigneten Weg gefunden zu haben, um aui 
ihm der Lösung dieser Probleme allmählich näher 
zu kommen. 


Der derzeitige Stand der Ernährung in den Irrenanstalten. 
Von J. Bresler. 
(Schluß.) 


der Abteilung gelegentlich durch die Ärzte, fast 
regelmäßig durch das Oberpflegepersonal statt. 
Beanstandungen sollen dem Anstaltsdirektor und 
dem Verwalter sofort gemeldet und Mißstände so 


rasch als möglich abgestellt werden. 


Die Verköstigung ist zurzeit in folgender. Weise 
geregelt: Die Pfleglinge erhalten um 8 Uhr Kaffee 
mit Brot, um 12 Uhr das Mittagessen, um 3 Uhr 
Nachmittagskaffee und um 6'/ Uhr das Abend- 
essen. Die Krankenkost (Diät) wird jedesmal eine 
Stunde früher verabreicht. Mittag- und Abend- 
essen bestehen je aus einem halben Liter Suppe 
und einem halben Liter Gemüse; dreimal in der 
Woche wird mittags Fleisch (60 bis 70 g) gegeben; 
wegen der stetig steigenden Fleischpreise soll küni- 
tig nur zweimal Fleisch, dafür einmal Fisch verab- 
reicht werden. An fleischfreien Tagen wird die 
Gemüsemenge verdoppelt. Zum Abendessen am 
Sonntag erhält jeder Kranke etwa 80 g Wurst. Die 
Kartoffeln werden für die dritte Klasse mit dem 
Gemüse verkocht oder als Schalkartoffeln verab- 
reicht. a 

Die arbeitenden Kranken erhalten an Kostzu- 
lagen zum zweiten Frühstück 40- g Marmelade, 
50 g Wurst oder. einen Handkäse, zum Abendessen 
eine entsprechende Zulage (70 g Wurst, Käse, dicke 
Suppe, Tunke, Salat od. dgl.), Schwerstarbeiter ab 
und zu noch weitere Kostvergünstigungen nach 
ärztlicher Verordnung. Die Brotration beträgt zur- 
zeit ie Tag: für arbeitende männliche Pileglinge 
300 g, für weibliche 260 g, für nichtarbeitende 
Kranke beiderlei Geschlechts 240 g. Körperlich 
Kranke erhalten außer der Krankenkost oder be- 
sonderer Einzeldiät auf ärztliche Verordnung 220 g 
Weißbrot oder mehr. 


An Genußmitteln werden den arbeitenden Pileg- 
lingen täglich eine Zigarre oder-wöchentlich 100 g 
Tabak verabreicht. Alkohol erhalten die Kranken 
in keiner Form, außer auf ärztliche Verordnung. 


Die Kost für erregte Kranke wird von Fall zu 


140 


Fall je nach dem Enährungszustand des einzelnen 
Patienten vom Arzt geregelt. 

Die Personalkost, die besonders zubereitet wird, 
steht etwa in der Mitte zwischen der Kost der drit- 
ten und zweiten Klasse. 

Die Kost für die zweite und erste Klasse unter- 
scheidet sich von derjenigen der dritten Klasse 
hauptsächlich durch häufizere Fleischgaben, sorg- 
fältigere Zubereitung und gefälligere Servierung. 
Die ledigen Ärzte und Verwaltungsbeamten neh- 

men am Kosttisch erster Klasse teil. 

| Schon während des Krieges wurde dem Mangel 
und der schweren Beschaffungsmöglichkeit der 
Nahrungsmittel durch Hinzupachtung eines in der 
Nähe der Anstalt gelegenen großen Guts zu dem 
ungefähr ebenso großen landwirtschaftlich genutz- 
ten Anstaltsgelände zu begegnen gesucht. Dadurch 
ist es uns möglich, einen großen Teil der nötigen 
Lebensmittel und der Futtermittel für den Vieh- 
bestand selbst zu erzeugen. 

Eine ausgiebigere Selbsiversorgung. ent vor 
allem auch ein kräftiger Ausbau der Arbeitsthera- 
pie bei den Kranken und damit die gründliche 
Selbstbewirtschaftung durch eigene Anstaltskräfte 
verbunden sein muß, ist bei den ständig steigen- 
den Lebensmittelpreisen und angesichts der Frage, 
ob in Zukunft überhaupt noch für große Anstal- 
ten die- Beschaffung der- notwendigen- Lebensmittel 
in genügender Weise möglich sein. wird, von den 
Anstaltsleitungen noch weit mehr wie seither mit 
allen Kräften anzustreben. 


XII. Nährwertziffern wurden bisher nicht er- 
rechnet. Eine Berechnung für Januar dieses Jah- 
res ergab einen Fehlbetrag an Kalorien gegenüber 
den gewöhnlich als erforderlich erachteten Min- 
destsätzen. Die allgemeine Kost enthielt täglich 
-durchschnittlich 2457 Kalorien, arbeitende männ- 
liche Kranke erhielten 2642 Kalorien. 

Die verabreichte Kost erscheint trotzdem so- 
wohl hinsichtlich der Güte als auch hinsichtlich 
der Menge zur ‘Not ausreichend zu sein. Die 
zweite Verpflegungsklasse erhält nur geringe Ver- 
günstigungen. 

Der Teuerung wird durch Vermeidung a 
"spieliger Rohstoffe zu begegnen versucht, 
"Mangel macht sich jetzt nicht mehr ` en 

Eine sichere Gewähr für  vorschriftsmäßige 
Austeilung der einzelnen Beköstigungsklassen und 
-formen besteht nicht. Die Schwierigkeiten in 
dieser Hinsicht sind jetzt größer als früher, da nur 
ein geringer Prozentsatz des Pflegepersonals in 
der Anstalt beköstigt wird. -Ärzte und Oberpflege- 
personal üben eine Kontrolle aus. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WÖCHENSCHRIFT 


5. 50 Nr. 7-8, wo sogar eine höhere Zahl der 


er 
A RE 
FR 


Nt 2 a | d 


Die Küchenvorsteherin erhält täglich im gl 
zen die Rohmaterialien vom Ökonomie 
zugewogen. | 

Die Speisen werden täglich in der Küche m von | 
Verwaltungsinspektor, auf den Abteilungen dt 
vom Direktor und den Ärzten auf ihre Schmal 
haftigkeit geprüft. Zur Kontrolle des Gewich I 
(bes. der Brotration) stehen auf den Abteilung 
Briefwagen zur Verfügung. F 

Einen täglichen Beköstigungsnachweis ni if, 
Mengenangabe erhalten Ärzte und Oberpilegi | 
nicht ausgehändigt. Der Kostzettel liegt im Ko 
ferenzzimmer aus, die Mengen können aus in K 
Speiseregulativ ersehen werden. Ẹ 

Körperwägungen werden regelmäßig jeden Mou 
vorgenommen, in besonderen Fällen nach Bedar À 
Es ergibt sich, daß noch nicht 50 v. H. der Män 
das Gewicht von 1918 erreicht bzw. überschritifi 
haben, bei den Frauen ist die Prozentzahl wesen ! 
lich höher. Ungünstiger liegen die Verhältnis 
noch beim Vergleich der Gewichtszahlen von ” y 
und 1922. 1: 


Bemerkung zu dem Ergebnis der Umirage f 
betreffend derzeitigen Stand der Ernährung 1: 
in den Irrenanstalten. # 


Unter nochmaligem Dank an die sehr geehrt ? 
Herren Einsender von Antworten darf ich wall 5 
als Ergebnis feststellen, daß sich in einer Ami i ' 
Irrenanstalten die Beköstigung seit dem Kriege #8 
bessert hat. Daß von den 56 Anstalten, an weicht | 
die Umfrage gerichtet war, bis jetzt nur 13 geant ï 
wortet haben, läßt freilich dem Zweifel Raum il ' 
Recht, ob die Besserung eine allgemeine und u) € 
nicht der schmerzliche Gedanke, durch eine Ui 
frage könne doch nichts geändert werden, vol | 
einer Beantwortung abgehalten hat; vielleicht auch] 
die Sorge, daß wir doch wieder schlimmeren ai 
ten entgegeńgehen. 1 

Daß sich der Beköstigungsstand der Vorkrie® | 
zeit, wenigstens nach der Quantität und nach Mg 
Zahl der Nähreinheiten erreichen läßt, zeigt “g 
vorbildliche Beispiel der Antwort unter cna 1 
einheiten erreicht ist als vor dem Kriege, il o | 
teil, der kein Luxus ist, da er anscheinend zum Te j 
durch die geringere Qualität und durch die gerir ) 
gere Assimilierbarkeit der in größerer Menge m 
gebenen Nahrungsmittel ausgeglichen wird. A| 
zum Teil, da auch eine große Menge Milch p ir | 
Krankenernährung verwendet wird; 500 1 für © | l 
Kranke! dieses Beispiel bestärkt mich in der ie 
sicht, dab DESPENS zwei bis drei Anstalten it Í 


lge sind, Produkte anders als an die Anstalts- 
wlliche abzugeben (Nr. 1-2 S. 9). Auch die Anstalt, 
unter I, S. 10, Auskunft erteilt und täglich ein 
wälirtelliter Milch gibt, ist vorbildlich. 

al Die Berechnung der Nähreinheiten wieder ein- 
7 nii ren und wenn auch nur von Zeit zu Zeit aus- 
win nii aren, dürfte doch sehr zu raten sein. Man mißt 
air zwar heute nicht mehr so unbedingte Bedeu- 
1 ing zu, nachdem die Einsicht in Verdauung und 
if Jnfwechsel eine vollständigere geworden, aber 
ie ist doch nicht so nebensächlich, daß man sie 
I: wz beiseite lassen darf. Neben der allenthalben 
Ali höchste gesteigerten fachwissenschaftlichen 
} ktätigung und bei der völligen Inanspruchnahme 
an etwaigen freien Zeiten durch fachwissen- 
f Siafliche Forschung werden sich gewiß noch ab 
nd zu ein paar Stunden für die Kalorienberech- 
N ing übrig machen lassen. Sie wurde doch auch 
: i ‚Kriege bei der Fronttruppenbeköstigung durch- 
elihrt und dies an der Front selbst. 

I Daß die Rohmaterialien, wie S. 51 linke Spalte 
; ilgegeben, täglich und für Kranke und 
| kersonal getrennt zugewogen werden, ist 
irläßlich, und besonders letzteres muß streng- 
{ Wens durchgeführt werden, aber selbstverständlich 
A gen Richtigkeitsbescheinigung. In einer Verwal- 
ung, die eine korrekte sein will, muß diese strenge 
fi Trennung genau durchgeführt werden, auch die der 
| itztlich verordneten Sonderkost, und. besonders 
Auch rechnerisch und finanziell. Auch die Küchen- 
Niferenz, die in derselben Anstalt eingeführt ist, 
Į nachahmenswert. Wenn dazu die an der Per- 
I Nnalkost Teilnehmenden herangezogen werden, so 
fites nur ein Schritt, und ein berechtigter und sinn- 
Hinißer, wenn auch verständige — und warum 
i ticht auch „unverständige”, aber für Belehrungs- 
ji Ntisiiche geeignete — Personen unter. den Kran- 
fi An mitreden dürfen. Sind denn geistig Gesunde 
j Ale Immer „verständig”? 
| = der Meinung: fest, daß, wie ich im Jahrg. XXIII 
T »3 vorgeschlagen und näher erörtert, in den Ab- 
T “lıngen Zettel ausgehängt werden sollten, auf 
j Mtichen die Speisen mit Angabe der Menge ange- 
Kben sind; es gibt doch genug unter den Pileglin- 
; a die, wie sie ihr noch unversehrtes Verständ- 
i S für sonstige Dinge bei ihrer Beschäftigung in 
1. ie. verschiedensten Betrieben, selbst in den 
' e der Anstalt mit größtem Nutzen für die 
ie ng verwerten, so auch Verständnis für 
in es Beköstigung haben, zu schweigen von 
1 üesenden und den nervenkranken Pileg- 
d Ka nicht geistig gestört sind. Manche gei- 
í. € Frau versteht sich ganz und gar aufs 


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PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Ich halte noch immer 


141 


Kochen, wie wir doch auch von mancher solchen 
Hemden und andere Wäsche fertigen lassen, jeden- 
falls versteht sie sich, ganz wie Gesunde, darauf, 
was von einer Beköstirung zu halten ist. 

Ich stehe mit dieser Meinung nicht allein. Med.- 
Rat Dr. Kolb, Erlangen, schreibt in Jahrg. XXII 
S. 153: „Es erscheint dringend geboten, neben den 
Angestellten auch einzelnen geeigneten Kranken 
und den Angehörigen wınserer Kranken, d. h. den- 
jenigen Faktoren, die an der Gestaltung der An- 
staltsverhältnisse am meisten und am unmittelbar- 
sten interessiert sind, in allen die Kranken berüh- 
renden Fragen ein gewisses Mitwirkungsrecht ein- 
zuräumen und dadurch die selbstverständliche 
Tatsache zu betonen, daß die ‘Anstalten in erster 
Linie für die Kranken da sind... .” 

„Die Fähigkeit einzelner Kranker zu dieser Mit- 
wirkung ist sicher nicht geringer als die Fähigkeit 
einzelner Schüler und Schülerinnen unserer Lehr- 
anstalten.” 

In Küchen- und Beköstigungssachen, überhaupt 
in wirtschaftlichen Fragen ist sie sicher größer. 

Es ist auch unter Umständen nur nützlich, wenn 
die Angehörigen unmittelbar oder durch ihre Kran- 


-ken über die Ernährung in der Anstalt genau unter- 


richtet sind; es wird dadurch leichter Verständnis 
für die Notlage und Bewilligung der erforderlichen 
Mittel erreicht. Gerade, da in manchen und nicht 
bloß „wohlhabenden”, sondern auch „arbeitenden” 
Kreisen ein geradezu herausfordernder Luxus ge- 
trieben wird — man staunt, welche Menschen heute 
in Seide herumlaufen, die — wie lächerlich — nicht 
einmal ordentlich lesen und schreiben, nicht einmal 
richtig sprechen können, und wie sie in leiblichen 
Genüssen schlemmen —, soll es die Öffentlichkeit 
wissen, daß es noch Orte gibt, wo Not herrscht, 
und daß Luxus heute im Deutschen Reiche ein 
nationales Verbrechen ist. 

Die - Beschränkung der Freiheit; 
wie: sie dre Anstaltspilege unver- 
meidlich- mit siceh- bringt, dari nicht 
im geringsten zur Beschränkung in 
der Ernährungs, werden: 

Außerdem ist es selbstverständlich, daß den 
Anstaltsärzten die täglichen Speisemengen 
bekannt gegeben werden, damit sie jederzeit da- 
nach die Ernährung beurteilen und nach Bedarf 
die Nährwerteinheiten berechnen und Zulagen ver- 
ordnen können und nicht darauf angewiesen sind, 
abzuwarten, bis die vierwöchige Wägung des Kör- 
pergewichts einige Kilo Abnahme verzeichnet. 

Breste F 


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142 


Mitteilungen. 


— Reichsverband. ` 
An alle Einzelverbände! 


I. Tagesordnung zu der diesiährigen Ver- 
sammlung des Reichsverbandes am Sonnabend, den 
23. September 1922 in Leipzig. 


Vormittags 9 Uhr Ausschußsitzung. 1. Ge- 
schäftliches. Bericht des Vorsitzenden. Fragen des 
Organisationsaufbaues (straffere Organisation, Durchfüh- 
rung der Richtlinien, Eintragung in das Vereinsregister). 
Bericht des Presseausschusses. Kassenbericht. Reichs- 
bund höherer Beamter. Reichskonferenz der Direktoren. 
2. Aufnahme von Klinikern in den Reichsverband (Re- 
ferent: Einzelverband Württemberg). 8. Besoldung (Re- 
ferent Rein). 4. Irrenfürsorgegesetz (Referent Bau- 
mann). 5. Einheitliche ärztliche Leitung der Anstalten. 
6. Amtsbezeichnungen (hauptsächlich für die Arbeits- 
gemeinschaft Preußen). 7. Vorstandswahl. 


Nachmittags 5 Uhr Hauptversammlung. 1. 
Geschäftsbericht und Bericht über die Ausschußsitzung. 
. 2. Diskussion. — Wir bitten die Einzelverbände, etwaige 
Anträge möglichst umgehend an den geschäftsführenden 
Vorstand gelangen zu lassen. Der Versammlungsort 
ist Motel Sachsenhof am Johannisplatz, Tel. 18 830—232. 
Hier wird auch für die Mitglieder des R. V, zu mäßigem 
Preise ein gutes Mittagessen bereit sein, zu dem sich 
aber jeder Teilnehmer spätestens eine Woche vorher 
bei Herrn Reg. Med.-Rat Dr. Maaß, Leipzig, Heilanstalt 
Dösen, anmelden muß. 


I. Wir bitten alle Einzelverbände dringend, uns 
möglichst bald Mitteilung zu machen: a) wie es zur- 
zeit in den einzelnen Staaten und Provinzen mit der 
Besoldung steht, b) über alle Vorkommnisse, Eingaben, 
Schriftwechsel usw. in den einzelnen Verwaltungsbe- 
zirken, welche die Frage der Besetzung der leitenden 
Stellen an Anstalten mit Verwaltungsbeamten oder son- 
stige ähnliche Bestrebungen betreffen. — Bei der außer- 
ordentlichen Bedeutung dieser Angelegenheit bitten wir 
um eingehende Äußerung und auch dann um eine kurze 
Mitteilung, wenn kein diesbezügliches Material vorliest. 


IN. Es wird beabsichtigt, in Zukunft die Ausschuß- 
sitzung und Hauptversammlung zu vereinigen, haupt- 
'sächlich um Zeit zu gewinnen und unnötige Wiederho- 
lungen zu vermeiden. Schon in diesem Jahre steht es 
allen Mitgliedern des R. V. frei, an der Ausschußsitzung 
und an der Aussprache teilzunehmen: das Stimmrecht 

‚bleibt den Ausschußmitgliedern vorbehalten. 
LAc- Dr S's.els; 


"Die für den 2. und 3. September d. J. in Lüne- 
burg geplante Tagung des Vereins Norddeutscher Psy- 
‚chiater und Neurologen kann infolge der zu geringen 


Anmeldung von Vorträgen nicht stattfinden. Sie muß 
bis zum nächsten Jahre verschoben werden. 
gez. Snell. 


5 ' x | ER ES: BE i 
Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnumme ei; 
Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. m; 

| ‚Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


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[Nr, 21h | 


Iherapeutisches, 


— Aus: Das gesamte Geschlechtsieben des Mensch 
Von Dr. H. Rohleder. Berlin 1920, Fischers Meli 
Buchhandlung, H. Kornfeld. i 

Nach den neuesten Befunden von Gutzen 
Östreich, von Frankl-Hochwart ist anm 
nehmen, daß die prämature Genital- und Libido-sexualtii 
Entwicklung durch eine Erkrankung der Zirbeldrüse her 
vorgerufen wird und dementsprechend eine organother 
peutische Behandlung mit Zirbeldrüsensubstanz am 
raten ist. Das empfehlenswerteste Mittel dieser At 
Epiglandol. Eigene Erfahrungen bei Frühreife hatte Ver 
nicht, dagegen günstige bei MHyperästhesie. Auf Grun 
der Beobachtung, daß Zirbeldrüsenerkrankung eine voii 
zeitige Entwicklung des Genitalapparates verursaci 
wurde bei Nymphomanie Organotherapie ange wand 
Die Zirbeldrüse hemmt die Entwicklung der Genitalkif 
Keimdrüsen und deren Sekretion. Hofstätter nag 
unter elf Fällen siebenmal recht guten Erfolg bei Hy 
ästhesie. Exzessive Masturbation, die in vier Fali 
erst nach der Kastration zu exzessiver Höhe sich em i 
wickelt hatte, ließ nach. Verf. rät daher bei sexuell i 
Frühreife, sowie sexuellen Hyperästhesien (Nympho 
manie, Satyriasis usw.) zur subkutanen Injektion vafi 
Epiglandol. $ 

— Zur Eriolgbewertung der Organtherapie und Eng 
thelkörperchenüberpflanzung bei der postoperativaiğj 
Tetanie. Von J. Dubs. Zentralbl. f. Chirurgie MAg 
Nr. 26 a. Erg.-H.- | u 

Die tagelange Darreichung von Parathyreoisgi 
tabletten hatte auf die Häufigkeit und Schwere der Aip 
fälle ebenso wenig Einfluß wie die vorgenommene op% 
tive Transplantation eines Epithelkörperchens. sel i 
interessant war, daß die Anfälle allmählich epileptisch i 
Charakter annahmen und schließlich auf Epileptikerdil i 
kochsalzfreie Kost und Sedobrol verschwanden. . 


1 


Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schritt ij 
leitung resp. den Verlag über redaktionell] \ 
Fragen das Rückporto beizufügen. | 


Bezieher der Zeitschrift, Ei 
denen diese durch die Post zugestellt wird, wollen “H 
im Falle unregelmäßiger Zustellung stets an die Po | 
anstalt ihres Wohnortes bzw. ihres Postbezirks wende! 
Bei Wohnungswechsel ist ebenfalls sofort die Best” 
postanstalt zu benachrichtigen und die Über weisus u 
die neue Adresse zu beantragen. — Bezieher, die | 
Zeitschrift bei einer Buchhandlung bestellt haben i Ä 
durch diese zugestellt erhalten, müssen ihre Ree ! 
bei der betr. Buchhandlung anbringen. — Auslands iial i 
nenten, welche die Zeitschrift durch Kreuzband erh 1 
reklamieren direkt beim Verlag. Bo 


E á 


Aienndzwanzigster Jahrgang. | Nr. 23/24. 1922/23. 
2 I EEE. 


Psychiatrisch-Neurologische 
Wochenschriit. 


Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 
Alleinige Anzeigenannahme: Hans Pusch, Berlin-Zehlendorfi-Mitte, Georgstraße 3. 


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Mercklin, Treptow a. R., Dir. 


I Mauer-Öhling (N. > Ob.-Med.-Rat Dir. 


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1 

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Nr. 23/24. 


2 Bezugspreis: 

7 M30,— für das Vierteljahr, die 
Bi Abonnementspreise für das Aus- 
A landwerden nach der vom Deut- 
4 schen Buchhandel vorgeschrie- 
7 nen Verkaufsordnung für das 
4 Ausland berechnet. Zu beziehen 
7 üurchjed. Buchhandlung, d. Post 
4 unmittelbar vom Verlage. Er- 
Wi scheint bis auf weiteres vier- 
h 1 zehntägie in Doppelnummern. 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 


Mein Verhältnis zu Einstein’s Weltbild. Von Ludwig 
j Ähzisches Problem. Von Dr. Paul Cohn, Guben. 


Kroemer, Schleswig. (S. 157.) — AUMENungen, 


an mg im Zeitschriftengewerbe geht mit 
| Desenschritten vorwärts und nimmt katastrophale 
Formen an. Unsere Hoffnungen auf schnelle Hilfe 
Aerch das endlich zustandegekommene Gesetz zur 
Alderung der Not der Presse, müssen als geschei- 
tt angesehen werden. Die finanzielle Entlastung, 
G dieses Gesetz vorsieht, wird sich im günstigsten 
File erst im Laufe des nächsten Jahres und auch 
I noch in völlig unzureichendem Maße. aus- 
el, zumal es noch nicht feststeht, in welcher 
u: die Fachzeitschriften unterstützt werden 
E In der Zwischenzeit wird sich die Zahl der 
E itn, die durch die Not der Zeit ge- 
Ja waren, ihr Erscheinen einzustellen, er- 
(ch vergrößert haben. 
i l. sind schon bis Anfang August im Preise ge- 
3 = Das Papier um das 140fache, der Druck 
ea fache, die Gehälter um das 40 fache, die 
i I em um das 60 fache der Friedens- 
Ä kun, lẹ bisherigen Bezugspreise stehen dem- 
Foten gar keinem Verhältnis zu den Herstellungs- 
Die Fachzeitschriftenverleger sind des- 
fuae ihre Bezugspreis e sofort be- 
ch zu erhöhen, ohne damit rechnen zu kön- 


Bu. © 


Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. : 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark veririebener Irrenärzte. 


4 Dr. v. Olah, Budapest, 
2 Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Dr. Vocke, Eglfing b. München, 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 
Schrittleiter: 


Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


9. September 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Malle a. S., Mühlweg 26 
Postscheck: Leipzig 32070. 


Jihar: An die Leser der Deutschen Fachzeitschriften. 
4 deutscher Naturforscher und Ärzte. Leipzig, 18. bis 24. September 1922. Von Dr. J. Bresler. 
{x praktischen Aufgaben des Psychiaters in der Jugendfürsorge. Von Dr. M. Thumm, Leipzig-Dösen. (S. 150.) 


binden. 


B] 


pii Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 

Geh, Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 


San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, 


Dr. 


San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 


Prof. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 


Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


1922/23. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg (Ob,-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin -Zehlen- 
dorfi-Mitte, Georgstraße 3. 


Marhold Verlag Ballesdale 


(S. 143.) — Zur Hundertiahrfeier der Gesellschaft 
(S. 144.) 


Lange, Tübingen. (S. 154.) — Religiosität als physio- - 


i (S. 156.) — Summarische Zusammenstellung über Beratungs- 
F “len, Entlassenenfürsorge, Strafgesetzreform, Reichsirrengesetz und Dezernentenfrage. 


Von Oberarzt Dr. F. 


(S. 162.) — Buchbesprechungen. (S. 164.) 


I An die Leser der Deutschen Fachzeitschriften. 


nen, durch diese Erhöhung ihre Selbstkosten ge- 
deckt zu.erhalten. Die Post kann auf Grund der 
bestehenden Bestimmungen nicht die Differenz 
zwischen dem bereits eingezogenen und dem nun- 
mehr festgesetzten Bezugspreise einziehen. Wir 
richten deshalb die dringende Bitte an diejenigen 
Leser von Fachblättern, die bereits den Bezugs- 
preis für das dritte Vierteljahr bei der Post im vor- 
aus bezahlt haben, den Differenzbetrag unmittelbar 
an den Verleger einzusenden. Jeder einsichtsvolle 
Leser wird Verständnis für die schwierige Lage der . 
deutschen Fachzeitschriften haben. | 
Auch die Anzeigenpreise müssen ent- 
sprechend der Geldentwertung sofort erhöht wer- 
den, auch können bei langfristigen Insertionsab- 
schlüssen nur noch gleitende Preise vereinbart 
werden. Der Fachzeitschriftenverleger kann sich 
höchstens noch auf 3 Monate an einen festen Preis 
Die Inserenten der deutschen Fachzeit- 
schriften bitten wir deshalb, den Verlegern für 
frühere Abschlüsse angemessene Preiserhöhungen 
zu bewilligen. 
Der Vorstand | 
des Verbandes der Fachpresse Deutschlands. 


144 


Zur Hundertiahrfeier der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ara 
Leipzig, 18. bis 24. September 1922. 
Eine Entdeckung und eine Forderung. 
Von Dr. J. Bresler. 


= das Dunkel unserer Zeit, die man den Beginn 
des zweiten Mittelalters, nennen möchte, leuch- 
tet als Stern erster Größe die Gesellschaft Deut- 
scher Naturforscher und Ärzte, eine der wenigen 
Hoffnungen, die der gequälten Menschheit nach so- 
viel Enttäuschungen geblieben ist. 

Millionen kranker, schwacher Seelen, betrogen 
vom unehrlichen Mummenschanz der Jahrtausende, 
erwarten von Ärzten Aufrichtung, Erlösung, Hei- 
lung, Millionen Darbender und Hungernder er- 
warten vom Naturforscher Auffindung neuer Kräfte 
und Wege, des Menschendaseins Last und Härte 
zu erleichtern und zu mildern. Die Menschen hof- 
fen immer noch, daß einmal die ohnehin trüben 
Bilder und irrlichternden Schemen einer besseren 
Welt, die jeder neue Morgen Lügen straft, nicht 
weiter von sogenannten Erlösern als Lock- und 
Fangmittel- zur Ausbeutung und Knechtung der 
Massen benutzt werden. 


Die Wissenschaft ist den Deutschen das ein- 
zige, worin sie nicht besiegt wurden und nicht be- 
siegt werden können, das einzige, worin das deut- 
sche Volk seine Führerrolle beibehalten hat und 
beibehalten wird. Die deutsche Wissenschaft 
sollte nicht berufen und nicht imstande sein, die 
Menschheit aus ihrem heutigen Elend retten zu 
helfen? Ist nicht die Teilnahme so vieler hervor- 
ragender nicht-deutscher Gelehrter an ‘der Ver- 
sammlung der beste und schönste Beweis, daß die 
Deutschen die erblichen und anerkannten Mitglie- 
der des Geisterbundes sind, der auf den Völker- 


bund, wie er heute ist, als auf etwas Unebenbür- 


tiges und Geringes herabblickt. 


Mag. deutsches National- und Rassegefühl heute . 


durch äußere und innere Feinde mit roher Gewalt 
und durch schnöden Verrat unterdrückt und mit 
Schmutz beworfen werden, — den deutschen Geist 
| und seine geschichtlichen Überlieferungen und Zu- 
sammenhänge werden seine Widersacher nicht 
töten können. 

In diesen Tagen las ich eine kleine, aber freund- 
liche Reisebeschreibung (Das Atom, von Martin 
Weiser), die Wanderung, welche der Menschen- 
geist zurückgelegt hat vom Atom und Urstoff der 
Alten Griechen bis zum heutigen Atom mit seinem 
Kern und seinen Elektronen. Wie lange wird’s 
dauern und im Kern steckt wieder ein Atom usf. 
Der Physiker stellt sich heute sogar das Atom vor 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[Nr. an 


wie ein Sonnensystem mit dem Kern als Sonne ni 
den Elektronen als Wandelsternen, als ein System 
mit denselben Gesetzen wie das Sonnensystem. 


S0 Þedeuttet, die Reise:.ing Aton 
die Reise in das Sternenze& p 

Wir haben’s nicht mehr so weit. 4 

Und dazu, liebe Physiker, will ich euch über- i 
raschen mit einer Entdeckung, einer Belol- : 
nung zugleich für den großen, mühevollen Aufstieg \ 
und Umweg, den ihr seit Jahrtausenden gehabt 4 
Was ihr gefunden habt, seid ihr selbst, sind wid" 
selbst. Das Gehirn und der ganze Körper bestellt 3 
aus solchen unzähligen Atomen mit Sonne, Yu 
und Sternen und in ihnen sind abermals und u4 
zählige Male Sonne, Mond und Sterne. Unser! 
Selbstbewußtsein ist nichts anderes als die Tätig 3 
keit dieser Atome und in diesen Atomen. Sii 
haben nicht Ort, nicht Zeit, mithin nicht Ursachi 
nicht Wirkung; sie sind frei und ewig, folglich sind 
wir auch frei und ewig, ganz gleich, in welcheifl 
Wechsel der Form und Norm wir uns im Spiel 
der Erscheinung sehen. | 


Nicht nur unser Körper besteht aus lauter T i 
chen Uratomen, d. h. Wasserstoffatomen; use : 
Geist selbst ist die Bewegung und Tätigkeit M ni 
ihnen; er braucht keine Gesetze, er schafit se] 
selbst; seine Bewegung ist das „Gesetz. 

Körper = Geist = Wasserstoff. 


ae 


TETERE 


ie = T mem 


So bedeutet die Reise ins Ale 
und ins). Sternen zelt -Cre Reisi u 
unser’Ich. 


Das Wort Welt hat nichts Oberwil 
mehr für uns; wir. sind auch der Welt nichts melt f 
schuldig, sie ist nicht mehr der große Schuldscheil ; 
wir geben ebensoviel Kraft an die Welt ab, als WI 
von ihr empfangen; wir unterschlagen nichts. i 
Wasserstoff von Ewigkeit zu Ewigkeit, könne] 
auch keine Kraft- und Stoffumwandlungen D 
ren, sondern höchstens Umstellungen; auch Kran 
heiten sind nur Umstellungen, Betriebsunstlil 
lungen. 


Sind wir in unserem Ich zu Hause, S0 sind 
es auch in der Welt. | = 
Darum, glaube, liebe, hoff, | 

Uratom von Wasserstofi! 


rg > rt a Der” 
TE BEE : 
i EA a AEN y Sa E Aal 


"I 


E IA 


a id | 
Wir, Wasserstoff von Ewigkeit ZU wae i 
brauchen auch keinen Weltpunkt, keine We 


pi nn Fo, a 


| Diese Sachen sind übrigens Qedankenspiel und 
Fibung, denn man kann vom Ort-Zeitsystem gar 
Acht als von einer vierten Erstreckung (Dimen- 
Fin) sprechen, da keine der drei Erstreckungen 
: ime Ort und Zeit faßbar ist. (Vergl. mein: Jen- 
sis von klug und blöde, S. 16. Halle a. S. 1922, 
Frl Marhold Verlagsbuchhandlung.) 


f Wir brauchen auch keine neue Relativitäts- 
orie. Wie diese vom philosophischen Stand- 
Anınkt aus zu beurteilen ist, wird von L. Lange 
i b dem Kundigeren in diesen Blättern dargetan. 
Ahe auch sonst stößt man überall auf diesen Be- 
i it, und er ist wirklich neu höchstens in der 
i, Physik. Um nicht weit gehen zu müssen, lese man 
41B.Th.Ziehens Leitfaden der Physiologischen 
N p sychologie 1920, S. 360: „Man kann dieses Ge- 
det, für welches Sie ohne Schwierigkeit selbst 
Jähllose Beispiele auffinden können, als das Gesetz 
is Gefühlskontrastes oder noch besser als das 
Aüsetz der Relativität unserer Gefühlsintensitäten 
gitzeichnen. Ebensowenig wie die Intensität un- 
è Merer Empfindungen ist die Intensität unserer Ge- 
Aistöne eine absolute Größe, sondern sie ist ab- 
iji gig von der Intensität der gleichzeitigen und 
Ti Mausgegangenen Gefühlstöne. Beide Tatsachen 
p ruhen darauf, daß alle Erregungen unserer Ge- 
| lirmrinde sich nicht in völlig isolierten, vorher nie 
egten Elementen abspielen, sondern in Elemen- 
4, welche vorher bereits Sitz anderer Erregun- 
(J gewesen sind und mit zahllosen anderen Ele- 
p in  leitender-assoziativer Verknüpfung 
1 Shen” Man beachte, daß Relativität oder Rela- 


ji 


4 > 224: „Immerhin bleibt auffällig, daß die Rela- 
Tr tät unserer Empfindungen, welche auf dem Ge- 
x Bi | der Intensität und Qualität sich überall geltend 
‚licht, auf räumlichem Gebiet so besonders stark 
isesprochen ist.” All das gilt selbstverständlich 
A von der Relativität der Gedanken. 


Ind Ziehen holt bei Plato aus! (S. 359.) 


Alle Tichtigen physikalischen und chemischen 
| Ünsetze und Theorien gelten auch für unser Hirn 
i K Denken und unseren Geist; insbesondere ist 
i Nelativität gleichsinnig mit Assoziation, Bezug mit 
1 nüpfung und alle wichtigen Gesetze und Theo- 
1 en des Geistes gelten auch für die aubergeistige 
pt wie dies, worauf ich nochmals hinweisen 
Ytan zum Ausdruck kommt, daß wir für beide 
: er Gewa, nur eine Bezeichnung ‚haben. Mit 
Íi Sach ewalt und zugleich Feinheit leistet unsere 
| fon a in einem Atemzug und mit ein paar Mus- 
1 abstrahierende Vereinigung von Geist und 


i m | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


und ein Verschwinden; 


[ion ind Assoziation zwei gleichsinnige Begriffe ' 


145 


Welt und. die Wiederherstellung ihrer Einheit in 
unserem Bewußtsein. 


Es hat etwas befreiendes. und unvergleichlich 
beglückendes, durch den Nebel unzähliger Vermu- 
tungen, unbeirrt -durch das Gitter von Ziffern, frei. 
von der befangenen Geste der Zahl, die doch ur- 
sprünglich eine Ausdrucksform ist, nämlich der 
Hand mit den fünf Fingern, — selbst die Lichtge- 
schwindigkeit messen, greifen und begreifen wir 
doch im Grunde nur mit den fünf Fingern,!) jeder 
Begriff ist ursprünglich ein Griff —, so deutlich 
unseren Zusammenhang und unsere Wesensegleich- 
heit mit den Dingen zu erkennen, den Anfang und 
Ursprung unseres Seins, das eigentlich keinen An- 
fang und Ursprung hat, so wenig wie es ein Ende 
ein unbeschreiblich  an- 
dachtsvolles, erhebendes Ewiekeitsgefühl beseelt 
uns, wenn wir den Gedanken dieses Zuammenhan- 


‘ges und dieser® Gleichheit in aller Reinheit und 
Stärke in uns lebendig werden lassen, und solcher 


Gefühle erfreuten sich auch die altgriechischen 
Weisen, wenn sie an ihr Atom dachten, an den 
Zustand, in dem der freie Geist nicht weiter zu 
zerschneiden beliebt. 


Die Welt ist nicht Wille, nicht Vorstellung, 
nicht Plan, nicht Zufall, nicht Kraft, nicht Stoff, 
nicht Lust, nicht Schmerz, nicht Liebe, nicht Haß, 
nicht Vereinigung, nicht Trennung, nicht Leben, 
nicht Tod, nicht Anfang, nicht Ende, nicht Ruhe, 
nicht Bewegung, nicht Ich, nicht Nicht-Ich, nicht 
subjektiv, nicht obiektiv, nicht absolut, nicht rela- 
tiv, nicht diesseits, nicht jenseits, nicht rechtsher- 
um, nicht linksherum, nicht vorwärts, nicht rück- 
wärts, nicht draußen, nicht drinnen, nicht Satz, 
nicht Gegensatz, nicht Spruch, nicht Widerspruch, 


I) Max Planck {Entstehung und bisherige Ent- 
wicklung der Quantentheorie, 1920, S.24) sagt von dem 
Wirkungsquantum, das sich immer wieder als die näm- 
liche Größe, etwa zu 6,52.10-27 erg. sec, ergeben hat: 
„Es muß wohl als ein seltsames Zusammentreffen er- 
scheinen, daß gerade in der nämlichen Zeit, da der 
Gedanke der allgemeinen Relativität sich freie Bahn 
gebrochen hat und zu unerhörten Erfolgen fortgeschritten 
ist, die Natur gerade an einer Stelle, wo man sich 
dessen am allerwenigsten versehen konnte, ein Abso- 
lutes geoffenbart hat, ein tatsächlich unveränderliches 
Finheitsmaß, mittels dessen sich die in einem Raum- 
zeitelement enthaltene Wirkungsgröße durch eine ganz 
bestimmte, von Willkür freie Zahl darstellen läßt und 
damit ihres bisherigen relativen Charakters entkleidet 
wird. 

Ist es nicht wunderbar, wie aus dieser absoluten 
Zahl die menschliche Hand herausschaut, wie sie in 
grauer Vorzeit als Rechenmaschine diente? 


HL IEIO IE 
ÍV BE UF y MWN W ie 
l CY 


146 


nicht Ding an sich, nicht Erscheinung, . kein wo, 


kein wann. 
Die ganze Welt ist Wasserstoff. 
Wir sind und — heißen Wasserstoff. 


Der Wasserstoff der Firmamente grüßt ewig 
den Wasserstoff unseres Hirns, das ihnen ewig 
Firmament ist. 

Unser Geist ist nicht Bewegung, nicht Stoff- 
wechsel der Nervenzellen des Gehirns, sondern 
Bewegung des Elektrons in den Wasserstoflato- 
men nicht etwa nur des Gehirns, sondern unseres 
ganzen Körpers. Wir brauchen nicht einmal die 
Philosophie des Als-ob, wenn wir jede chemisch- 
physikalische Tatsache und Theorie auch auf unser 
Gehirn beziehen. 

Wohin der Weg des Denkens führen mag, viel- 
leicht über das Atom, das unteilbare, hinaus und 
wieder unverrichteter Dinge zurück zum Tom, 
zum teilbaren, als Verneinung des Atoms und Ver- 
zieht auf Teilung — immer und überall stellt es 
sich heraus, dab der Geist und unser Geist schon 
vor uns selbst und schon früher dort war, dab wir 
selbst schon früher waren — und immer und über- 
all finden und erkennen wir, Wasserstoff von Ewig- 
keit zu Ewigkeit, uns selbst wieder. 

So erweitere ich also das alte: „Erkenne dich 
selbst” dahin: „Erkenne dich selbst in den Dingen”. 

Indem wir uns selbst in den Dingen erkennen, 
erkennen wir die Dinge; indem wir die Natur unse- 
res eigenen Ichs erforschen und Naturforscher 
unseres eigenen Ichs werden, erforschen wir die 
Natur; indem wir unser eigenes Ich beherrschen, 
leiten und gestalten, so beherrschen, leiten und 
gestalten wir die Dinge; indem wir ihm folgen, so 
folgen wir der Natur. So sind wir Naturforscher, 
auch wenn wir ohne Formel, Zahl und Werkzeug 


uns der selbstbeobachtenden und selbsterforschen- 


den Vertiefung in uns selbst widmen. 

90 bedenutetdie Reise in unser. Ich 
die Reise in die Welt bis jenseits 
ihrer Erkennung durch unsere Sinne, 


Be aber immer geleitet vom Gefühl und 
ne eand. 


In das wahre J Ausciis in das uns nicht die Hand 


| eines erträumten Ebenbildes zu geleiten braucht, 


denn | ‚wir sind immer darin. | 

Hier sehen wir am tiefsten in die Welt, hier 
stehen wir fest auf ihrem Grund, hier schauen wir 
klar ihr „Geheimnis”. Y 

Geleitet vom Verstand und vesun- 
den Wirklichkeitssinn. Möge die exakte 


deutsche Naturforschung, wie sie seit 100 Jahren 
ihres ernsten, schweren Amtes der Exaktheit. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Seelenleben großer Volksteile aus und mittelalterä 


_Antagonismus besteht) untergelegt wird: ei: 


INr. 23124 | 
freudig gewaltet, auch ferner ihre treue Beschit. 
zerin sein. Schon breiten sich ganze Nebelschwa- 
den der Geheimsucht (Okkultismus), ob aus krank- 
hafter Quelle aufsteigend oder aus Effekthascheri | 
und als Mittel, die Massen zu verführen, über dasti 


liche Scholastik erhebt wieder ihr klügelndes Haut, | 
indem seelische Ausnahmezustände in erzwungeh\ 
ner, gewaltsamer Beweisführung als höherwertige | 
Leistungen hingestellt werden, wie ich es zu megi 
nem größten Bedauern eben sehe in Willi Haas] 
Schritt „Kraft und Erscheinung” (Bonik 
1922, Verlag von Friedrich Cohen, Seite 52-55), wi 
unfruchtbaren Konzentrationsübungen seelisch leki 
dender Sonderlinge der innere Sinn eines höheren | 
Daseins und Gesetzes (Gleichheit von Kraft u 
Erscheinung, zwischen denen sonst angeblich eit : 


Es ist etwas Eigenartiges, dieser Drang, mit 1 
dem der Geist unverwandt und überall Umschat ; 
hält, ob am Ende doch noch etwas Teilbares ibn p ı 
geblieben ist. Die Atome, und mögen sie noch $ J $ 
winzig sein, haben bisher immer noch Kinder be I 
kommen und jetzt gebären sie sogar Sonne, Mor ii, 
und Sterne, das wahre Atom’ fängt erst da al 
wo das Teilen aufhört, d. h. wo der Geist aufhör | 
zu teilen, nämlich sich zu teilen, und wo er a ; 
fängt, zu vereinen, nämlich sich zu vereinen, s 4 
wo das Ich die Selbstsetzung aufhebt, aber sog 
chen Selbstmord begeht das Ich nicht. F 

Ein Wasserstoffatom — das Ich — durchforscht I 
und untersucht das andere — die Welt, oder itii 
es am Ende umgekehrt? Am Ende,und gar WIE 
Anfang sind wir es, die durchforscht werden, wiag 
sind wir -das Objekt? Empfangen wir Ichstrahltl 
oder senden wir sie aus? oder beides? 


Und nun die Forderung: 


Willst du immer weiter schweifen? 
Sieh, das — Elend liegt so nah! 


. Ibr Physiker und sonstigen Naturforscher hat 
so wundervolle Zauberformeln, die „nur wenig 
Sterbliche verstehen”, so fabelhaft . En insti 
mente, ihr blickt in Poeke. noch eine iel 
und ihr werdet neue Welten schaffen und as 
Schöpfer- allmächtig durch die Welten schreitet 
Aber könnt ihr diese Weile nicht etwas abkürzen 
Wir möchten es noch miterleben: Labt Atom | 
Sterne, Ewigkeiten, untersucht Gegenwart und, 1 
Wirklichkeit: woher kommt der Valataschwindeh i 
wie kann man die Schwindler unschädlich ma m 1 
wie kann man die Menschen vom Wahn des Kr 
munismus befreien, von dem doch die Alten u 


eur 
chen sich ‚durch ein paar Lustspiele heilen lieb f 


- A id a Tat 
RAS 1 + en er u ei en = Pr GR 
E7 Eaa ET REN 
n x BEE SEE 
D are: A TEA 
san er di ee 1 


PRESNE gene 
m Eu Er 


J Von Karl Mordechai (Marx) mit seinem moder- 
E en Kommunismus, von ihm wahnhaft-prahlerisch 
fi des neuen Weltzustandes” genannt (1844), 
Mche die Geister infiziert hat, über Ferdinand 
sfissa (Lassalle), Friedrich Engels, Wilhelm und 
Je! Liebknecht, Bebel, Rosa Luxemburg, Kurt 
; Ener, Friedrich Adler, Bela Khun, bis zu Braun- 
in (Trotzki), Lenin, Moses (Joffe), Apfelbaum 
7 Sinowiew), Sobelsohn (Radek), Karfunkelstein 
` (itwinow) usi. — sind es alle wirklich nur bemit- 
s lidenswerte Schwärmer, die vom Erlöserwahn be- 
Ahlen sind? 


7 Sagtdoch Walter Rathenau von Marx 
; seinem Buch: „Von kommenden Dingen” (statt 
f deren freilich andere gekommen sind): „Der Kampf 
E i d Kampfplan der sozialistischen Bewegung trägt 
fn Fluch ihres Vaters... .” „Dieser gewaltige und 
‚Füglickliche Mensch E so weit, daß er der Wis- 
A nschaft die Fähigkeit zuschrieb, Werte zu be- 
Ammen und Ziele zu setzen. Er verachtete die 
: Mächte der transzendenten Weltanschauung, der 
Fitgeisterung und der. ewigen Gerechtigkeit . 

j N mals hat Sozialismus die Herzen der Mensch- 
F keit entflammt und keine große und glückliche Tat 
' it jemals in seinem Namen geschehen ... . verfiel 
Fir Sozialismus, der 
: ilte, dem Abstieg zur Partei, dem Wahn der 
; u der populären. Einheitsformel” . 


1 Nach der von der Räteregierung in Rußland 
T Weröftentlichten Liste wurden seit 1917 von ihr 
; /ilkende Hinrichtungen vorgenommen: 


März 1922 rund 
In der Ukraine etwa . . . 
In Charkow, der Hauptstadt 


Ebenda vom I. bis 20. März 1922 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Weltbewesung werden 


147 


Dazu die unerhört vielen Opfer, welche bei der 
Unordnung und Armut in Rußland die Seuchen 
fordern. 

Die in Moskau erscheinende „Krasnaja Gazeta” 
berichtete unter dem 7. Juni, daß die Sowietbe- 
hörden in einigen Kreisen des Hungergebietes aus 
sanitären Gründen 117 an der Rotzkrankheit er- 
krankte Kinder erschießen ließen, die sich die 
Krankheit durch den Genuß von rohem Fleisch 
rotzkranker Pferde zugezogen hatten. 


Diese neuzeitlichen Heilapostel machen sich 
wirklich für alle Ewigkeit lächerlich. 
„Idee des neuen Weltzustandes!” Es ist seel- 


kundlich bemerkenswert, wie immer wieder selbst 
Gebildete einen gewissen Respekt haben vor 
diesem Wahn und meinen, eine dauernde Staats- 
verfassung und ein glückliches Volksleben darauf 
gründen zu können; jeder hofft dabei doch auf 
einen kleinen Vorteil für sich, aber denkt nicht, wie 
viel mehr ieder zu diesem kleinen Vorteil beitragen 
müßte, und gar überrascht sind sie alle, wenn man 
ihnen sagt, daß für diesen neten „Weltzustand’ 
Voraussetzung ist ein neuer Menschheitszustand; 
einen solchen können wir aber — außer durch einen 
gründlichen Dauer- und Massenrausch — nicht 
schafien, wir müßten uns andernfalls zunächst kör- 
perlich ändern. Mens nova in corpore novo, ohne 
neuen Leib kein neuer Geist! würde Juvenal 
gesagt haben, wenn ihm, außerhalb seines Dichter- 
gartens, jemand solchen Unsinn vom neuen Welt- 
zustand hätte vorreden wollen. Andere Blutkör- 
perchen, anderes Blut, anderes Hirn, andere Lun- 


815100 Bauern 
192250 Arbeiter 
355 250 Intellektuelle 
260 000 Soldaten 
54650 Offiziere 
48500 Polizeisoldaten 
10500 Polizeibeamte 
8800 Ärzte 
6775 Lehrer 
2950 Großgrundbesitzer 


Zusammen rund 1760000 Menschen. 


Die Abteilung für ee des Völkerbundes in Genf meldete amtlich 
aus Rußland: An Hunger sind gestorben: 
Von den 3125277 Einwohnern der Tatarei im 


<- 2 500 000 
5000 000 


der Ukraine 
(800000 Einwohner mit 200000 Kindern) 


500 000 
185000 


(Nach der Wiener klinischen Wochenschrift 1922, S. 551.) 


R 4 er ; I ~ N " a S Y: | {> 
Et = f IV | KJ C) &: € g A 
> `] € D, 


ENNE TE a Ba a RT Tl 


148 


gen, nicht zum wenigsten anderen Magen und an- 
dere Geschlechtsdrüsen, in Schillers Sinne, müßten 
wir uns beilegen. Es ist damit wie mit dem Wahn, 
daß wir einmal einen Zustand der höchsten „Voll- 
kommenheit” erreichen werden (wie hoch, das 
weiß noch niemand), und die. Menschen sind über- 
rascht, wenn man sie daran erinnert, daß wir im 
Menschlichen uns seit „Erschaffung der Welt” 
— eine recht lange Zeit — noch nicht im gering- 
sten geändert haben und die „Unvollkommenheit’ 
in jeder Sekunde von neuem das Licht der Welt 
erblickt. 

Nur Gewinnsucht und Herrschsucht, Gefühl- 
und Gewissenlosirkeit, kurz alle Eigenschaften, die 
einen Menschen unmenschlich, unsozial 
machen, können die Ursache sein für solches Elend, 
wie wir es in Rußland sehen (und wie es nun der 
ganzen Welt droht), das nicht durch den Krieg, son- 
dern von ienen Volksverführern zugrunde gerichtet 
ist in der bewußten, verbrecherischen Absicht, sich 
zu Herren des Landes zu machen und von da zu 
Herren der ganzen Welt, und ginge der Weg über 
Berge von Leichen und durch Meere von Blut. 

Keiner der Bolschewistenführer ist von der 
Wahrhaftigkeit, noch weniger von der: Brauchbar- 
keit ihrer Lehre überzeugt; keiner der Kommu- 
nisten, von Mordechai an, ist überzeugt von der 
Durchführbarkeit des Sozialismus, RR sie, ihn 
auffassen und predigen. | 

Es gibt einen Papiersozialismus und einen ech- 
ten Sozialismus. 

Der Papiersozialismus ist nur Mittel zum 
Zweck, nämlich der Massenbeherrschug, der Weg 
zu einer neuen Iyrannei; dieser Sozialismus 
braucht viel Aufwand an Papier und Worten, aber 
eriordert kein persönliches Opfer; man zieht sich 
im rechten Augenblick hinter die Front zurück, 
läßt ardere bluten und lebt herrlich und in Freuden. 

Der echte Sozialismus verlangt anderes und 
schweres: das eigene Vorbild, den eigenen Ver- 
zicht auf Mammon und Wohlleben, kurz alles das, 
was schon längst in altpersischer und altgriechi- 
Scher Lebensweisheit, in den Lehren Buddhas und 

in deren Erneuerung durch das christliche Gebot 


der Nächstenliebe uns als Aufgabe gesetzt, aber 


‚auch schon in unserer Natur als Regel gegeben 
ist. Man mag über die christlichen Dogmen und 
Legenden und über so manches in der Religions- 
geschichte denken wie man will, nur das Ster- 
ben für diesen vernünftigen Menschheits- 


gedanken hat diesem Gedanken selbst seine große 


Lebens- und Gestaltungskraft gegeben. Für ihren 
Wahn aber lassen die ee lieber an- 
dere sterben. | i a 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Geschlechter der Jahrtausende rufen: 


neuen Geschlecht mehr Weltgeschichte, 
jedem neuen Geschlecht weniger aus der 


INr. aaf 


Man sollte meinen, es sei für jeden denktähies | 
Menschen sonnenklar, für die anderen, soweit sef 
nicht blind und taub sind, lehrt’s die tägliche Etfal | 
rung, daß es in Begriff und Wesen des Sozialismus i 
liegt, die Freiheit des Einzelnen einzuschränken 
aus etwas Absoluten zu etwas Relativen ai 
machen; denn zu einem socius = Genossen g 
hört ein zweiter, sonst ist er kein Genosse; àl 

also Sozialismus und Liberalismus zwei Dinge sind, 1 
die sich gar nicht so von vornherein miteinand 
vertragen und sich erst aneiriander anpassen mis 
sen. Das gilt auch vom Kommunismus; denn cona 
munis kommt, wie ich Psychiatrisch-neurologisc@g 
Wochenschrift XXIII, S. 188 dargetan habe, vol 
moene = Mauer, bedeutet also den Aufentli 
innerhalb gemeinsamer Mauer. Prof. Dr. Frani 
Oppenheimer, Berlin, sagt aber in: Die Thu 
rie der Kl assecc cnie Das Tagebuch, 13. Mind 
1920: „So versöhnen sich Sozialismus und Liberi: ; 
lismus, die scheinbar unversöhnlichen Feinde, zum 1 
liberalen Sozialismus, der die Zukunft beherrschä 
wird und wenn schon nicht mehr Europa, so doch ; 
sicherlich die Menschheit erlösen wird.” Also ber i 
hèrrschen und im selben Atemzug zugleich t i 
lësen! F 

Auch mit dieser „Erlösung” ist es nichts. Jee 
möchte heute „erlösen”, nämlich die anderen, un 
dadurch in’ Wirklichkeit. sich selbst erg 
von dem anderen, d. h. ihn beherrschen. $ 

Und nunder internationale Großkapitalismus, der } 
dasselbe Ziel wie der Bolschewismus, nur aut atip 
derem Wege, verfolgt: die Unterwerfung der Erd i 
bewohner, die Aneignung des Grund und Bodenip 
Wir leiden doch alle täglich unter dem verbrechetk | 
schen Spiel dieser paar Dutzend Menschen, welt 
die Verwirrung dazu ausnutzen, um ungeheif | 
Gewinne zu ziehen, ganze Länder zu entwert 
um sie bequem zu erwerben, die Preise der Lebi 
bedürfnisse zu erhöhen, den Menschen in die j 
zu stürzen, um ihn zum Tier zu machen; die selbe 
solche Verwirrung anstiften oder steigern, die del 
internationalen Geldverkehr und Güteraustausl 
mißbrauchen zur Befriedigung und Verschleiß 
ihrer Hab- und Herrschsucht. i 

Die Weltgeschichte, die wir in der Schule J | 
trocken fanden, gewinnt in unseren Tagen nen] 
Leben; sie scheint‘ alle Bewegungen der Gezei i 


wi 
wart mitzumachen, und aus der Erde hören 
„Das hätte g 

mi | 
wir euch auch voraussagen können, wenn ihr l 


m’ 
gefragt hättet.” Die Menschen lernen mit er 
aber Me 


Weltge | 


Be 


| 
ol 


schichte. 


Fi -, 

Br), AENT 

Vol ir 
I. 
1922) 

Bat 7 

“c3 hu 

A 


ME Es ist recht schmerzlich, dies auch von der Ge- 
H chrtenarbeit zu sagen, de in Oswald Speng- 
A Jers „Untergang des Abendlandes” aufgestapelt 
st; doch der Verfasser sagt es selbst von sich, 
fem im Anfang des ersten Bandes verkündet er: 
: „In diesem Buch wird zum ersten Male der Ver- 
; fh gemacht, Geschichte vorauszubestimmen”, 
ie am Schluß des zweiten spricht er, den Geist 
Tin Geschichte verkennend, nur noch vom Zu- 
Tai Kultur, Zufall Mensch, Zuiall Leben. 
4 Ohne Geschichtsgelehrter sein zu wollen, meine 
ih: Das Abendland geht trotz der Aufsehen er- 
[renden Ankündigung auf dem Buchumschlage 
f sicht unter; soweit wird es mit Bolschewismus 
1 und dem internationalen Großkapitalistentum nicht 
T kommen. Spengler meint (S. 635), die Welt- 
f geschichte als Weltgericht habe immer die Wahr- 
i f heit und Gerechtigkeit der Macht geopfert. Das ist 
ni an zum Teil richtig. Spengler sieht nicht die 
d ingeheure Macht, die in dem Bewußtsein _der 
Bi Wahrheit und Gerechtigkeit als seelischer 
& 
{ 


N 


Wirklichkeiten und Wirksamkeiten 
f legt. Das ist sehr bedauerlich und läßt das Werk 
: F engle rs als eine Fehlleistung erscheinen, die 
„4 hofientlich das deutsche Volk trotz der auch uns 
4 eibeziehenden grusligen Todesanzeige auf dem 
„4 Nitelblatt und der törichten Grabrede darunter 
1 hicht allzusehr von Selbstbesinnung und Selbstbe- 
i ireiung abhalten wird. 

į Aber aus ebensoviel Mündern raunt es uns zu: 
I ‚Öanz so schmutzig ging es bei uns doch nicht zu.’ 

f Vielleicht haben andere wie ich auch beim Durch- 
‚blättern der Weltgeschichte die Empfindung, als 
7 Venn die Menschen zur Zeit des alten Griechen- 
\ lands und Roms anständigere, saubere „Weltge- 
f hichte gemacht” hätten und als wenn seit dem 
| Untergang des klassischen Altertums vom Osten 
f her so etwas Trübes über das Abendland gekom- 
4 "en, von dem wir Deutsche uns durch den Geist 
eer Klassiker noch nicht völlig befreit haben, 
4 S sogar heute trüber denn bisher geworden. 
l Die großen Geschehnisse und Gebilde von heute, 

l f die Marksteine, deren Gegen- und Seitenstücke in 
f&r Geschichte wir fast als Naturereignisse und 
j -lenkmäler ansehen — naturalia non sunt turpia 
| > Oder als Großwerke bewundern, scheinen so 
was wie Schmutzilecke an sich zu haben. 

Ei ber unter diesenGebilden ist der 
7 "letnationale Grobkapiralis mns das 
| 'chmutzigste, 

E, Carl Jentsch, der gewiß kein Bolschewist 
| po oeh in seiner vortrefflichen „Volkswirt- 
I oe ra (Leipzig 1919, Fr. Wilh. Grunow, 39. 
4 Tausend), S. 111 von den großen Weltmo- 


Di Se; RE er en 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


149 


nopolen, dazu gehöre nicht Genie, sondern bloß 
Geld, freche Gewissenslosigkeit und ein „gesetz- 
licher” Zustand, der dem Kapitalisten alles er- 
laubt, wozu er das Geld hat. 

Manche Naturforscher und Ärzte werden viel- 
leicht sagen: Diese Dinge sind Gegenstand der 
Volkswirtschaft, Rechtskunde, Politik und vor 
allem mit Politik haben wir nichts zu schaffen, und 
schließlich entscheiden auf diesen Gebieten nicht 
Wissengghaft und Wahrheit, nicht einmal die 
christliche Nächstenliebe, sondern Macht und Ge- 
schäft. 

Nun, das wichtigste Ding der Forschung über- 
haupt ist unzweifelhaft der Mensch; er ist doch 
auch das Maß der Dinge. 

Hier sehen wir am tiefsten in die Welt, hier 
stehen wir fest auf ihrem Grund, hier schauen wir 
klar ihr „Geheimnis. 

In der Stadt, wo jetzt die Gesellschätt Deutscher 
Naturforscher und Ärzte tagen wird, hat der un- 
vergeßliche, große Rechtsgelehrte Karl Bin- 
ding vor einigen Jahren von der „Freigabe der 
Vernichtung lebensunwerten Lebens” gesprochen 
und geschrieben, und man hat dieses Wort als 
seine „letzte Tat für ,die leidende Menschheit’ be- 
zeichnet (diese Zeitschrift XXI, S. 289; XXII, 
S,.4). Ist es nun eine Denkunmöglichkeit, von der 
Unschädlichmachung (selbstverständlich nicht durch 
Tötung, aber vielleicht lebenslängliche Einsper- 
rung oder Verbannung der schlimmsten Führer) 
des Bolschewismus und des internationalen Groß- 
kapitalismus zu sprechen, die beide so viel 
lebenswertes Leben vernichten? 

Wir denken selbstverständlich bei dieser Un= 
schädlichmachung auch nicht an Unfruchtbar- 
machung (Kastration), wie es für manche Men- 
schen von Juristen, Medizinern und Volkswirt- 
schaftlern vielfach vorgeschlagen wurde. Auch 
kennen wir noch nicht den Teil des Gehirns, der 
für jene ‘besondere, unfruchtbare, unproduktive, 
selbstsüchtige Art des Erwerbssinnes bei solchen 
menschlichen Raubtiernaturen verantwortlich zu 
machen und zu entfernen wäre, auch nicht die 
Innendrüse, die bei ihnen vielleicht versiegt und 
der ‘durch Einspritzung von Drüsensaft nachzu- 
helfen wäre. 

Geiz und Tyrannei sind manchmal Zeichen des 
Alters, aber Steinach versagt auch oft. 

Und doch möchten wir Naturforscher und Ärzte 
von Herzen gern helfen. Wir erinnern uns an die 
internationale Seuchenbekämpfung, die so vielen 
Menschen das Leben rettet, und an so manche 
andere erfolgreiche zwischenvölkische Verein- 
barung der Wohlfahrtspflege und Menschlichkeit. 


150 


Aber solches Zusammenwirken 
geordnete Beziehungen der Völker 
voraus. 

Ich möchte vorschlagen, 


l. eine internationale irrenärztliche Kommission 


einzusetzen zur Untersuchung des Bolschewismus, 
soweit möglich an Ort und Stelle. Was nützt es, 
daß Kommissionen zur Feststellung von Hungers- 
not und Seuchen und zu ihrer Bekämpfung in Rub- 
land herumreisen, wenn man nicht dies Wurzel 
untersucht; 

2.- eine ebensolche Kommission zur Unter- 
suchung der Personen, deren Trieb und. Tun und 
Wesen dahin gerichtet ist, ohne eigene, produktive 
oder mindestens für das Gemeinwohl nutzbrin- 
sende, Leistung, lediglich mittels Spekulation und 
zum Schaden der anderen möglichst viele Werte 
in ihren Besitz zu bringen und damit die Existenz- 
mittel ganzer Völker in ihrer Hand zu halten, ganze 
Völker zu Sklaven zu machen, zu einer Handels- 
sache und Mandelsnebensache. 

Wir Irrenärzte haben uns nicht gescheut, bei 
den Geistesriesen der Welt nach den Bedingungen 
ihres Schaffens, nach der Grenze zwischen Ge- 
sundem und Krankem zu forschen, und die Ergeb- 
nisse werden von allen Gebildeten mit größtem 
Eifer gelesen. Ich brauche nur an die bahnbre- 
chenden Untersuchungen des Leipziger Nerven- 
arztes P. J: Mö'bius zu erinnern, 


Spekulanten die Ehre geben, eine Untersuchung 
- mittels der Berufseigenungsmethoden bei ihm anzu- 
stellen, namentlich in Hinsicht auf Fehlen oder 
Mangel altruistischer Assoziationen, d. h. wahr- 
haft christlichen Empfindens. 

Erlöser (Psychoanalytiker) werden sicher man- 


chen eingeklemmten Analaffekt und -komplex be- 


freien (vergl. „Jenseits von klug und blöde” S. 45, 
60). „Risum -teneatis, amici?” „Kannst du das 
Lachen dir verkneifen, Freud?’ 


Aus dem Heilerziehungsheim: Kleinmeusdorf-Leipzig. 
Die praktischen Aufgaben des Psychiaters in der Jugendfürsorge. 


a neue Reichsiugendwohlfahrtsgesetz, das 
## kürzlich vom Reichstag. angenommen worden 
ist und am 1. April 1924 in Kraft treten soll, leitet 
eine neue, man könnte sagen expansive Epoche in 
der Jugendfürsorge ein: es macht die bisher aui 
einige größere Städte beschränkten „Jugendämter” 
für das Gebiet des Deutschen Reiches zu einer 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


setzt friedliche, 
- untereinander 


Warum soll- 
ten wir nicht auch solch einem Bolschewisten oder 


von Dr. M. Thumm, Leipzig-Dösen. 


rung dieses Gesetzes bringt auch der Ä un ; 
ein erweitertes soziales Wirkungsield. Außer | A 


Vielleicht verspürt einer dieser Menschentypen $ 
sogar einen inneren Drang oder brennenden Ehr- | 
geiz, sich in dieser Weise zum Gegenstand wissen“ 
schaftlicher Forschung zu machen, zur Aufnahme 
des inneren Profils, wie es in den letzten Jahre 
einige Dichter und Künstler getan haben. Das i 
äußere Profil kennen wir sattsam aus den illustriem $ 
ten Zeitschriften. = 

Doch genug der Betrachtungen; der Raum) | 
zwängt, die Zeit drängt. E 

Darum — dies in kurzen Worten meine For Ä 
derung und zugleich meine inständigste, herz. 
lichste Bitte — möge die 100. Versammlung de 
Deutschen Naturforscher und Ärzte beschließen : 
folgendes zu verkünden: E 


Das- verbrecherische Treiben ieh 
Bölschewismus. und des inte 
nationalen großkapitalistischei 
Spekulantentums und: Valutsp 
Schwindelstsprichtsalten Menso- $ 
heitsbegriften und -gefühlen Hohl ; 
und droht das Menschentum ii 
vernichten. Es istfortan die wich 
tigste Aufgabe der Naturforschefg 
und Ärzte auf der ganzen Erddi 
durch Aufklärung und Belehrung 
ander Beseitigung Ieser Gefahr! 
für die Menschheit mitzuwirken SE 
und den Menschen zurufen: F 


Werdet wahre, freie Christen! 

Und am Rhein die Schändung der Ku ' 
durch den Franzosen und seinen — wie lächer- 
lich — schwarzen Beschützer ? F 
Wird das Wort des Zorns und das Urteil der. 1 
Verachtung auch aus Leipzig wirkungslos in de | 
Welt verhallen ? u 


“ir 


obligaten amtlichen Einrichtung aller Gemeinde 
oder Gemeindeverbände in Stadt und Land und 
überträgt ihnen die Verpflichtung, die gesanik 
Jugendpflege und Jugendfürsorge im Bezirk zei. 


tralisiert in die Hand zu nehmen. Die = 
pe 


; m 


| engeren Sinne, den hauptamt- 
1 dehen Kommunal- und Fürsorgeärzten, werden 
1 Praktiker, auch aus den verschiedenen Fach- 
i dsziplinen, mitzuwirken haben an Mütter-, Säug- 
gs, Kleinkinderfürsorge, Ziehkinderwesen und 
iulärztlichem Dienst. Darüber hinaus aber fin- 
len sich insbesondere auf dem Gebiet der Fürsorge 
i fir Jugendliche, Psychopathen, sittlich Gefährdete 
AndVerwahrloste Aufgaben, die nur der Psychiater 
ion Fach zu lösen vermag. : Sie betreffen einmal 
Fi Mitwirkung an der vorbeugenden sog. 
Toiienen” Fürsorge und sodann an der 
N geschlossenen” Fürsorge im Rahmen 
$ WAnstaltserzie a 

$ Was die erstere anlangt, so wird eine in 
eier Anzahl Großstädte schon bestehende Ein- 
Fung möglichst für alle jetzt neu zu schaffenden 
y igendämter im Reich verwirklicht werden kön- 
1 Mn und müssen: wir brauchen für jedes Jugend- 
] amt, auch im ländlichen Bezirk, einen psychia- 
Fischen SachverständigenalsFach- 
3 keirat; er wird zweckmäßigerweise die Bera- 
1 ing der amtlichen Stellen bzw: die Untersuchung 
74 vom Jugendamt oder von Schulärzten zuge- 
i Jiesenen Fälle verbinden mit einer Art poliklini- 
; ser Sprechstunde für nervöse, psychopathische, 
Ziwererziehbare Kinder und Jugendliche, die am 
1 Sitze des Jugendamts ein- bis zweiwöchentlich — 
F nach örtlichem Bedürfnis — abzuhalten wäre. 
f Leipzig hat schon vor Jahren Gregor eine 
3 Ükrartige Sprechstunde eingerichtet, die zurzeit 
q" Verfasser weitergeführt wird. 


Ei Enlärzten im 


$n Beratungsstelle vollzieht sich folgender- 
4 Malen: Das Jugendamt, das auch eine Schreib- 
1 at zur Verfügung stellt, läßt unter Aktenvor- 
T Age die zu untersuchenden Kinder durch Berufs- 
tsorgerin, Eltern oder Pflegeeltern dem Arzt 
1 orführen ; das Ergebnis der Untersuchung und die 
; Maus gefolgerten Ratschläge werden in Form 


70. Ferner weisen Schuldirektoren oder Schul- 
; ine mit brieflicher Mitteilung Kinder zu, die in 
: Ngeitung der Eltern, oft auch des Klassenlehrers 
E Een, Endlich suchen Eltern von sich aus mit 
i = Kinde die Fürsorgestelle auf, um sich Rat 
1. olen, Fälle, die eine eigentliche ärztliche Be- 
, = erfordern, werden an den Hausarzt ver- 
7 "I; man beschränkt sich grundsätzlich auf 
1 ie Beratung, auf allgemeine ärztliche und 
H k ee Ratschläge, ferner auf solche erzieh- 
4 dizie = heilpädagogischer Art, endlich — wo 
Pen — auf die Anregung eigentlicher Für- 

Mabnahmen (s. u.). Über alle Fälle wird fort- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT. 


Ä ; Der praktische Betrieb einer solchen öffent- 


Pier gutachtlichen Äußerung zu den Akten ge- 


151 


laufend ein poliklinisches Journal geführt. Das 
Jugendamt macht durch Rundschreiben an Schu- 
len und Kinderheime, sowie durch gelegentliche 
Notiz in den Tageszeitungen auf die Beratungs- 
stelle aufmerksam und sorgt für die Durchführung 
der vom Arzt angeordneten Maßnahmen. 

Die besonderen Aufgaben, die an den beraten- 


den Arzt herantreten, sind folgende: Bei ange- 
borenen Defektzuständen ist der Grad des 
Schwachsinns festzustellen, ev.“ die Frage 


der Erziehbarkeit, Bildungs- und Schülfähierkeit zu 
beantworten bzw. je nach Stärke der Anomalie 
die Indikation zu stellen für Förderklasse oder 
Hilisklasse einer Normalschule, für Hilfsschule oder 
endlich für Einweisung in eine Schwachsinnigen- 
anstalt. Psychopathische Kinder, bei denen 
mit allgemeinen  diätetischen Maßnahmen nicht 
durchzukommen ist, namentlich die sensitiven, die- 
jenigen mit nervöser motorischer Unruhe oder 
Aufmerksamkeitsstörungen, werden zweckmäßi- 
gerweise einer „Sonderklasse” zugewiesen, wo bei 
geringerer Schülerzahl und sorgfältiger individu- 
eller ` Einstellung des Lehrers Rücksicht auf T 
Sonderart genommen werden kann. Epile 

tiker kommen verhältnismäßig häufig, Be - 
lich auch sonstige organische Fälle wie veraltete 
Kinderlähmungen, Little u. ä Die Diagnose 
MNebephrenie wird man nur selten in der Für- 
sorgesprechstunde zu stellen haben; in dieser Rich- 
tung verdächtige Fälle sollten grundsätzlich einer 
stationären Beobachtung zugeführt werden. 

Die zweite große Kategorie der zu Beurteilen- 
den sind die moralisch Abgearteten. 
Auch hier wird häufig psychopathische Veran- 
lagung oder ein leicht übersehener Schwachsinn 
als tiefere Ursache der Entgleisung nachzuweisen 
sein. Je nach dem Grad der beginnenden oder 
fortgeschrittenen Verwahrlosung kommen als Maß- 
nahmen in Betracht: lediglich erziehliche Rat- 
schläge und Belassung in der Familie, Wechsel der 
Pflegestelle, Schutzaufsicht (Jugendhelferinnen, 
Berufsfürsorgerinnen), Einweisung in eine Beob- 

chtunesstation, . Einleitung der Fir- 
sorgeerziehung, sei es mit Familien-,- sei 
es mit Anstaltsunterbringung. — Gerade hier ist die 
vorbeugende Beratung von besonderer Wichtig- 
keit und zugleich besonders dankbar, weil durch 
frühzeitige Erkennung und richtige Beurteilung 
krankhafter Veranlagung oder drohender Abartung 
eines Kindes Eltern und Erzieher auf den rechten 
Weg gewiesen ev. fortschreitende Verwahrlosung 
verhütet und so auch spätere (heute recht kost- 
spielige!) Fürsorgemaßnahmen abgewendet wer 
den können. 


152 


Freilich wird die Tätigkeit des Psychiaters als 
Fachbeirat am Jugendamt nicht isoliert ausgeübt 
werden können, sondern nur in Zusammenhang 
mit gleichzeitiger Betätigung im‘ Rahmen der 
anstaltsmäßigen Fürsorgeerziehung 
selbst, wo sich am stationären Material die nötige 
Erfahrung gewinnen läßt. Es ist zu hoffen und 
unbedingt anzustreben, daß wir unter dem 
Aufschwung des Interesses an der Wohlfahrt der 
Jugendlichen, den das neue Gesetz bringen wird, 
zur allgemeinen Einführung der da und dort 
schon bestehenden psychiatrischen Beob- 
achtunesstation Iür-Kinder und Jw- 
gendliche als einer festen Einrichtung für 
ieden größeren Bezirk gelangen. Sie kann ent- 
weder einer größeren Fürsorgeerziehungsanstalt 
eingefügt oder einer der Heil- und Pilegeanstalten 
(bzw. Klinik) des Bezirks angegliedert sein. Erste- 
res ist vorzuziehen, da die Erziehungsanstalt über 
die nötigen pädagogischen Einrichtungen, über ge- 
schultes Lehr- und Erziehungspersonal verfügt, 
und ein Hand-in-Handarbeiten von Psychiater und 
Pädagogen für die Sache besonders erwünscht ist; 
auch bleibt hier das Omen der Irrenanstalt ver- 
mieden. Auch das neue RJW.-Gesetz selbst sieht 
wenigstens die Möglichkeit der Unterbringung „in 
einer für iugendliche Psychopathen geeigneten 
Anstalt oder in einer öffentlichen Heil- und Pflege- 
anstalt” zum Zwecke der Beobachtung vor, be- 
grenzt sie auf die Dauer von höchstens sechs 
Wochen und überläßt dem Vormundschaftsgericht 
das Anordnungsrecht. 

In Leipzig unterhält der Fürsorgeverband des 
Kreises schon seit 1913 im AHeilerziehungsheim 
Kleinmeusdorf eine Beobachtungsstation, die 
von sämtlichen Fürsorgezöglingen durchlaufen 
werden muß; auf Grund mehrwöchiger Beobach- 
tung, wobei die Feststellungen des Psychiaters 
durch die des Pädagogen ergänzt werden, wird 
dann ein endgültiges Urteil über jeden Zögling und 
dessen weitere Unterbringung abgegeben. Den 
Arzt stellt die benachbarte Landesanstalt Dösen 
auf Grund besonderen Vertrags zur Verfügung‘) 


1) Das Heilerziehungsheim faßt 220 Betten, wovon 
45 auf die beiden Überwachungsabteilungen entfallen; es 
dient im übrigen der Heilerziehung von schwerer psy- 
chopathischen Fürsorgezöglingen, die sich für andere 
Erziehungsanstalten nicht eignen würden. Aufgenom- 
men werden Knaben und Mädchen vom sechsten Lebens- 
jahre bis zur Volljährigkeit. Die Leitung hat ein päd- 
agogischer Direktor. Der Arzt ist „beigeordneter? Sach- 
verständiger, dem Direktor dienstlich nicht unterstellt. 
Außerdem wirken: eine wissenschaftliche Assistentin 
(Dr. phil.) -für psychologische Untersuchungen, ein 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


. sei erwähnt, daß aus Zahl und Häufigkeit der Di- 


Oberlehrer, vier Lehrer. Je 15 bis 20 Zöglin 


dante g 
zieherpersonal. Schul- und Fortbildungsschill wi 
richt. Hilfsklasse. Werkstätten. Garten- 1 T 
arbeit. | E 


"ER 


here 
st p$ 


G 
2. 


INr. 23124 


Das Hindurchgehen sämtlicher Zöglinge f 
durch das Beobachtungsheim ermöglicht eine ein f 
heitliche Durcharbeitung des gesamten Materials | 
eines Bezirks. Gewiß können zwar, wo Raum ud 
Mittel beschränkter sind, eine Anzahl der Fürsorge $ 
fälle auch schon in poliklinischer Untersuchung 
ausreichend beurteilt werden; für weitaus de} 
Mehrzahl der Fälle aber kann die stationäre Beob-# 
achtung nicht wohl entbehrt werden, will man ag 
einer gründlichen klinischen und charakterologe 
schen Beurteilung des Zöglings gelangen. Es be 
darf dazu so eingehender Kenntnis der Vorge 
schichte (Vernehmungen, Personal- und Gerichts: 
akten, Schulzeugnisse usw.), wie sie in der Regii 
nicht in einmaliger Beschäftigung mit dem Zögling$ 
zu erlangen ist. — So nur läßt sich auch die Frage 
klären, inwieweit äußere Milieuverhältnisse od 
endogene Veranlagung die Verwahrlosung wesent 


IN E a NER DE RT u © 


- 


Í 


lich bestimmt haben. — In diesem ee 
likte (am häufigsten sind Diebstähle, Streunen, Wif 
Mädchen auch sexuelle Verwahrlosung) natürlid 
nicht ohne weiteres auf psychopathische Abartung 
geschlossen werden darf. Eher ist ein besonders 


frühzeitiges Eintreten der Verwahrlosung in u 
Sinne zu verwerten, im übrigen gibt nur neurologi 
scher Befund und Studium der Gesamtpersönlil- 
keit einschließlich Vorgeschichte und heredität | 
Verhältnisse hier die nötigen Anhaltspunkte. 4 

Die erste Aufgabe ärztlicher Tätigkeit im Beoir \ 
achtungsheim ist zunächst die, nach den allgeme! 
nen klinisch-pychiatrischen Gesichts f 
punkten die Neuaufgenommenen zu sichten; f 
scheiden sich so Psychopathen, Schwachsinii&t i 
Epileptiker, Psychotische von den psychisch E 
takten Zöglingen. Es ist eine irrige Auffassusi 
wenn heute noch vielfach von Fachgenossen ange} 
nommen wird, das Material an Fürsorgezöglng/T 
sei unergiebig für die klinisch-wissenschaftliche E h 
forschung. Im- Gegenteil ist zu sagen, dab eint l 
große Beobachtungsstation mit ihrem fluktuiereiii 
den Material von Kindern und Jugendlichen U 
vielfach vor besonders interessante und zuge 
schwierige Fragen rein klinischer Art stellt; ich "7 
innere nur an die Frühdiagnose hebephrenel A ; 
wicklungen, die Erkennung larvierter oder athi ; 
scher Epilepsien, die Abgrenzung konstitutionelt , 
Erregung u. a. m.  Wiederholt bekamen wit n , 


ge bideti 
enem EFF 


$ } 


eine Familie mit gesonderten Räumen und elg 


| A F: a 
| Hr DE, 
T er. 


el Ei: Folgezustände nach Encephalitis letharg. zu 
E when, mehrere vom moriatischen Typ, einer mit 
s hantallsartigen Starrezuständen. — Besonders reich- 
ai hltig sind natürlich die Grenzzustände vertreten: 
y mannigfaltige Psychopathieformen wie hier 
i O in geschlossenen- Anstalten sich nicht zu 
e Finden. Endlich geben auch die körperlichen Ent- 
Hirtungstypen reiche Ausbeute (Schädelanomalien, 
nantilistische und feminine Wuchsformen, Kryp- 
È Hforcismus, Gynäkomastie). 
IE Aber die rein klinische Betrachtungsweise ge- 
1 Ani: t nicht für die Bedürfnisse der Fürsorgeerzie- 
Fung. Hinzukommen muß die Berücksichtigung 
| der. moralischen Artung der Individuen. 
sg fierzu hat sich als praktisch wertvoll erwiesen die 
g von Gregor!) angegebene Einteilung in mora- 
isch Intakte, moralisch Schwache (Halt- 
SM mehr episodisch Verwahrloste) und moralisch 
i E v.: tige (sittliche Verwahrlosung und 
f ftiminelles Mandeln tiefer in der Anlage des Indi- 
4 viduums begründet), denen sich noch die kleinere 
d Gruppe der Asozialen anschließt — besonders 
| freo Fälle umfassend. Diese Gruppierung 
fuch der individuellen moralischen Veranlagung 
1 gibt den besten Anhalt für die Prognose des Falls 
Wie für seine praktische Behandlung hinsichtlich 
des Erziehungsprogramms bzw. der Art und. Dauer 
i Neiterer Anstaltsunterbringung; selbstverständlich 
Fckt sie sich nicht mit der klinischen Grup- 
A Pow Psychopathen können ebensogut mora- 
fisch intakt wie asozial sein; nur Psychosen schei- 
je als moralisch ‚„indifferent” überhaupt aus die- 
| Nr Betrachtweise aus. 
| Als weitere Aufgaben des in der Fürsorge täti- 
‚sen Psychiaters seien noch erwähnt: die Entmündi- 
gung beim Herannahen der Volljährigkeit in beson- 
fi gelagerten Psychopathiefällen und die Mit- 
[ime an der Ausbildung des Erzieherpersonals 
f &ürch Kurse. 
4 Das kommende Gesetz nimmt übrigens „Son- 
| leränstalten oder Sonderabteilungen für Minder- 
ihrige, die an geistigen Regelwidrigkeiten leiden”, 
| Wie, auch für Tuberkulöse und Geschlechtskr Sale 
1 merhalb der Fürsorgeanstalten | in Aussicht. 
g Gregor- Voigtländer, Die Verwahr- 
1 he 3 ee klinisch-psychologische Bewertung und 
1 ;; < nn Für Pädagogen, Ärzte, Richter. 
A Bahie erlin 1918, S. Karger. — Außer dieser. Mono- 
i orientieren über einschlägige Fragen: Gruhle, 
| u. der jugendlichen Verwahrlosung und 
k en 1912. — Siefert, Psychiatrische Unter- 
sen über Fürsorgezöglinge. 1912. — Isserlin 


u 
1: Gudden, Psychiatrische Jugendfürsorge. Laet: 
ses, N, u. Ps. 12. 


5 
5 
i 


2 pae a 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


153 


Noch sind nicht überall in Deutschland die Zei- 
ten überwunden, da ohne Studium der psychischen 
Eigenart der Fürsorgezöglinge über deren Schick- 
sal von juristischen Behörden entschieden ward, 
die Ausführung lediglich in den Händen von Päd- 
agogen und Theologen lag, und die so wichtige 
ärztliche Mitwirkung entweder ganz entfiel oder 
sich in einem vom praktischen Arzt ausgefüllten 
schematischen Fragebogen erschöpite. Aber. die 
verfilossenen anderthalb Jahrzehnte haben uns ge- 
lehrt, daß viele in der Jugendfürsorge gestellten 
Aufgaben nur gelöst werden können mit dem 
vollen Rüstzeug klinisch-psychiatrischer Schulung, 
daß also die Mitarbeit des Fachpsychiaters uner- 
läblich ist. Ihr endgültig Bahn zu brechen — auf 
dem Gebiet der offenen Fürsorge wie der Anstalts- 
erziehung — wird hoffentlich eine Wirkung des 
jetzt zur Einführung gelangenden Reichsiugend- 
wohlfahrtsgesetzes sein, — freilich nur dann, wenn 
sich die Berufsgenossen selbst mit dem nötigen 
Interesse für diese bedeutungsvolle soziale Arbeit 
einsetzen. Nötig ist dazu allerdings außer der psy- 
chiatrischen Fachbildung noch eine gewisse Son- 
dereienung für die Betätigung am Jugendlichen 
und Psychopathen und auch Interesse für päd- 
agogische Fragen. 

Die Zahl hauptamtlicher Stellen in der Jugend- 
fürsorge, die für Psychiater in Betracht kommen, 
ist gering und wird angesichts der heutigen Finanz- 
lage wohl auch kaum eine wesentliche Vermehrung 
erfahren. Trotzdem kann eine weitgespannte psy- 
chiatrische Fürsorge über alle Bezirke eingerichtet 
werden, wenn nur genügend Anstaltsärzte (neben 
den beamteten auch private) sich um dies neue Ar- 
beitsfeld annehmen. Ich halte gerade die Verbin- 
dung von anstaltsärztlichem Dienst und Betätigung 
in der Jugendfürsorge für besonders fruchtbrin- 
send: auf der einen Seite verhütet der lebendige 
Zusammenhang mit der praktischen klinisch-psy- 
chiatrischen Arbeit die Abtrennung eines neuen 
und in seiner Art doch auch wieder einseitigen 


 Spezialzweiges von unserem Fache, und anderer- 


seits wieder empfindet der Anstaltsarzt die neu- 
artigen Fragestellungen, die ihm hier entgegentre- 
ten, als eine willkommene Erweiterung und Be- 
reicherung seines Berufskreises. Wir dürfen für 
unsern Stand doch jede Wirkungsmöglichkeit, die 
den Blick über das Engende der Anstaltsmauern 


 hinaushebt und uns mit den Schaffenden anderer 


Berufsstände in lebendige Arbeitsberührung bringt, 
freudig begrüben. 

Die verflossenen Jahre haben in der praktisch- 
psychiatrischen Fürsorgearbeit manchenorts wert- 
volle Anfänge gebracht. Neue Bestrebungen sind 


154 


im Gange. Vorbildlich zu werden versprechen die 
Verhältnisse in Baden, wo zurzeit Gregor 
das Fürsorgewesen des ganzen Landes nach wis- 
senschaftlichen Gesichtspunkten einheitlich orga- 
nisiert. 

Es liegt auf ae Hand, wie wichtig gerade heute 


für die Wiedergesundung unseres Volkskörpers 


Mein Verhältnis zu Einstein’s Weltbild. i 
Nebst Grundlinien zu einem pragmatischen System der positiv-ideotropen Kontinuitätsphilosophie. 


Von Ludwig Lange, Tübingen. 


R es, non verba So lautete im 

Jahrzehnt des verflossenen Jahrhunderts und 
darüber hinaus bei Naturforschern und an natur- 
wissenschaftlicher Erkenntnis interessierten Prak- 
tikern und Liebhabern der Forschung ein weit ver- 
breitetes, und namentlich in Lehrerkreisen mit viel 
Emphase verkündetes Feldgeschrei, dessen da- 
malige geschichtlich wohlbegründete 
Berechtigung kein Heutiger bestreiten dürfte. 
Es war dieselbe bedeutsame Epoche in der Ge- 
schichte der Naturwissenschaften, als Wilhelm 
Ostwald den sehr zeitgemäßen Gedanken hatte, 
die Klassiker der exakten Forschung durch gute 
Verdeutschungen zugänglicher zu machen, und in 
Krönung dieses seines verdienstvollen Werkes die 
Annalen der Naturphilosophie-begründete, mit dem 
ausgesprochenen Zweck, einer vom schematisch 
gewordenen und formalistisch entarteten Panlogis- 
mus der altüberkommenen (mehr oder minder ein- 
seitig humanistisch inaugurierten und eingestellten) 
Weltweisheit unabhängigen Philosophie der 
Naturerkenntnis einen eigenen Sprechsaal 
zu eröffnen. Der „öden Wortklauberei” und „haar- 
spaltenden DBegrifisklitterung” der überlieferten 
Schulphilosophie glaubte von da an gar mancher 
nachdenkliche Naturforscher endgültig entronnen 
zu sein, und in der Tat begann alsbald auf der 
‚Arena der Sezession ein frisch-fröhlicher Gedan- 
kenaustausch zwischen den Fachleuten der rech- 
nenden und biologischen Naturwissenschaft, in 


dem, wie zugegeben werden soll, manche vortreff- 


liche Anregung gegeben und empfangen wurde. 
=- Meine Hoffnung, daß man auf diesem Weg 
schneller als bisher dem Stein der Weisen auf die 


Spur kommen werde, war, so entschieden ich die 


neue Denkrichtung mit Sympathie begrüßen mußte, 
doch von Anfang an eine recht nüchterne, und ist 
allmählich vielleicht noch skeptischer geworden. 
Denn das neue Philosophieren der Naturforscher 
verfiel alsbald auch wieder, sozusagen mit innerer 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


letzten 


N 
dazu überging, den Prozeß der Wissenswerdung i 


[Nr, 2314 
jedes. vorbeugende Abwenden drohender sittlicherf 
Verwahrlosung ist, wie wertvoll die frühzeitig 
Erkennung abwegiger Veranlagungen und die Erf 
ziehung jugendlicher Psychopathen zu Willenszuch( 
und Selbstdisziplinierung, wie notwendig daher 
eine umfassende Jugendfürsorge unter tätiger | 

arbeit der Psychiater. 


Notwendigkeit, dem uralten Fluch eines jeden Verf 
suchs „vorurteilsfreier”, von vielen Köpfen dema 
selben Endziel gewidmeter Denkarbeit, indem aif 
mehr und mehr in ein für die meisten Diskussions ; 
teilnehmer fortschreitend unverständlicher weg 
dendes Stimmengewirr auslief, in welchem jeder i 
seinem Sprachgebrauch Geltung . zu verschaitii 
suchte, ohne den des Partners einem allzu sorgläl 
tigen Studium zu.unterziehen, und das gute, wis 
sich darin hätte finden und nutzbar machen lasse 
bereitwillig anzunehmen. Eine aktive Persönlieli- 
keit aber, von alles überragender Sachlichkeit mg 
Autorität, welche der Bewegung Halt und Rück“ 
grat hätte gewähren können, war von dem Zi 
punkte an, als dem uns allen verehrungswäürdigell } 
Ernst Mach durch sein Siechtum große Be j 
schränkung auferlegt worden, in naturphilosopli f 
schen Kreisen ebensowenig vorhanden, als in deti 
Kreisen jener Philosophen, die vom humanistische 
Studium herkamen. Was man diesen vorwarl, daR 
sie nämlich großenteils aneinander vorbeiredetei | 
konnte man leider auch unserer naturalistischen # 
Philosophie, mit ungefähr demselben Recht, zum A 
Vorwurf machen. | 1 

Imerhin gewann, wie sich voraussehen lieb, die ] 
positivistische, Naturauffassung erheblich an Ein- 
fluß und Umfang des einbezogenen Gebiets, und 
Machs Betonung der „Ökonomie des Denkens 
als Grundlage und Wesenskern aller sogenannte 
„Erklärung” (im Effekt mit dem von anderer Seite 
als „Prinzip der Simplizität” bezeichneten metho- 
dologischen Grundsatz auf eins hinauslautend) 
wurde sehr wirksam ergänzt und gestützt, als mal 


\ 
] 
| 
j 
| 


den großen Zusammenhang der Biologie rei 
nen, was namentlich von H. Potonié, J i 
zoldt und Angersbach mit entschiedene 
Geschick und Erfolg unternommen wurde. Nat 
Freude war es ferner zu begrüßen, daß ein nn 
trächtlicher Teil dieser Neu-Positivisten den 


Ei des Monismus, die Naturforschung ganz in 
kn Bann seiner Glaubens- und Aktionsgemein- 
| hait (gleichviel welcher Observanz) hineinzutrei- 
: " beharrlich und mit Entschiedenheit ablehnte. 
Was hätte auch die Naturforschung, und was hätte 
Fi: Menschheit gewinnen können, wenn an Stelle 
$ E oe „rabies theologorum” eine 
Aibiesphysiologorum ihren Einzug gehal- 
i hätte? nd was wäre für die großen Ziele 
i fahren Menschentums daraus Gutes erwachsen? 
$ Denn dem Menschentum zu dienen, ist ia letzten 
Altes doch wohl der Hauptzweck aller und jeder 
1 ilssophie, auch der Naturphilosophie. 

$ Ich selbst habe mich, abgesehen von einer 1902 
ider Wundtfes tschrift erschienenen Revi- 
f" des von mir 1884 bis 1886 aufgestellten 
Mems der Inertialtheorie, während 
Jise ganzen Zeit schweigend und abwartend ver- 
p len. Später wurde mir, besonders seit nunmehr 
i; eva vier Jahren, sehr häufig nahegelegt, ich solte, 
| il ein noch lebender Senior unter den wenigen 
schen, die der Berechtigung des relativisti- 
‚gen Standpunktes der Betrachtung im Rahmen 
. ‚tt Physik schon lange vor Einstein mit mehr 
(minder großer Energie und Konsequenz das 
Vort geredet, meine Stellungnahme zu den theore- 
Öchen ” „Ausführungen Einsteins und seiner 
i Öisenschaftlichen Parteigenossen endlich re 
5 A ‚klaren Ausdruck bringen; ia manche wollte: 
pi sogar bereden, meine Priorität Sera 
“ machen, da Einstein die Entdeckung der 
3 Nlativität von Raum, Zeit und Bewegung als 
Feine Großtat fe 
woh], als auch seine Garde meinen Namen, wie 
Wi meines älteren Kampfgenossen Ernst Mach 
5 Ktarrlich totzuschweigen suchten. Ich bin (als 
tn begeisterter Mathematiker) in der Geschichte 
; er mathematischen Wissenschaften viel zu gut 
i "schlagen, und zudem durch gründliches Studium 
; BSozialpstchologie (die jetzt seit Jah- 
7 een der Psychologie und Philo- 
Fonie des Naturerkennens und der 


N 
ge sowie der. u 


5 
Sy 
> 
3 
(02) 
Be 
O 
man 
©) 
O 
13. 
© 


; 2 hinsichtlich meiner Ka an die 
7 Senössische Welt viel zu sehr ausge- 
| Hit, als daß ich nicht das /weckwidrige eines der- 
1 $ Unternehmens: sofort klar erkannt hätte. Nie 
į © ich: mich ja auch darüber einer Täuschung 
u geben, daß die prinzipielle Beto- 


d o 2. B. M. Schlick, Raum und Zeit in der 
g "isch Physik. 2. Aufl., 1916, S. 1. 


ii m EOS TRIGO- NEUN SUSE ARE WOCHENSCHRIFT 


iern lasse ,!) und da er 


155 


nung der Relativität jener Begriffe schon lang 
vor Mach und mir von mehr als einem Forscher 
verkündet worden war, und daß uns Beiden ledig- 
lich das immerhin nennenswerte Verdienst zukam, 
mit einer bis dahin nicht dazewesenen 
EnergieauikonsequenteFesthaltung 
dieser relativitätsfreudigen Position gedrungen , 
und ihre Möglichkeit ausführlicher. begründet zu 
haben. 

Dazu kam noch, daß ich im Spätsommer 1919 
Gelegenheit hatte, Albert Einstein persön- 
lich kennen zu lernen. Daß er meine Schriften bis 
dahin nur dem Titel nach kannte, schien mir nicht 
nur ohne weiteres glaubhaft, sondern es war ihm 
auch daraus kein ernsthafter Vorwurf zu machen. 
Wenn er also, wie zweifellos feststeht, von meiner 
Vorarbeit Nutzen gezogen, so war das doch nur 
indirekt der Fall gewesen; den direkten Einfluß 
Machs, der mich als fördernden Mitarbeiter an 
seinem Weltbild seit 1889 in ieder Auflage seiner 
Mechanik besonders ehrenvoll erwähnte, stellte 
Einstein nicht im mindesten in Abrede. Wozu 
also ein Prioritätsstreit? Einstein erbot sich 
ja obenein, meinen vitalen Interessen, die durch 
die drohende Entwertung meines kleinen Renten- 
kapitaleinkommens gefährdet und einer Aufbesse- 
rung durch Erwerbsgelegenheit dringend bedürftig 
erschienen (und noch heute sind), durch Korrespon- 
denzen förderlich zu sein; um meine Reputation 
aber im Rahmen der Geschichte der Wis- 
senschaft brauchte mir ohnehin, und braucht 
mir auch jetzt nicht im mindesten bange zu sein. 
— In der Tages- und Wochenpresse häufig erwähnt 
zu werden, ist endlich nie mein Ehrgeiz gewesen, 
und -es ist mir zuverlässig bekannt, daß Ein- 
stein darüber kaum viel anders denkt; er kann 
es aber natürlich nicht hindern, daß andere Leute, 
z. B. Gewerbetreibende, die seinen Namen auch 
führen, oder sonstige Interessenten an der Propa- 
ganda für die Handelsmarke, zu welcher vielge- 
nannte Gelehrtennamen und gelehrte Fachaus- 
drücke zu avancieren (?) pflegen, fortdauernd 
Kapital daraus zu schlagen suchen. 

Bedauert muß es immerhin werden, dab das 
neue, von W. Pauli in München verfaßte Heft 
(Bd. V, 2, Heft 4, ausgegeben 15. Sept. 1921) der 
Enzyklöpadie der: mathematischen 
Wissenschaften, betitelt „Relativitätslehre’” 
(237 S>) in dem vier Seiten umfassenden histori- 
schen Paragraphen wohl W. Voigt, H. A. Lo- 
rentz,-Michelson, Poincaré m-a nennt, 
aber Machs und meinen Namen nicht einmal in 
einer Anmerkung erwähnt, ja höchst sonderbarer- 
weise sogar die von A. Voß 1901 in einem anderen 


156 


Heft der gleichen Sammlung gegebene bereits 
basierte geschichtliche Darstellung, die uns gerecht 
zu werden gewissenhaft bemüht war, unzitiert läßt. 
Dabei ist zu beachten, daß A. A. Lorentz, als er 
seine elektronentheoretischen Rechnungen ver- 
öffentlichte, überzeugter Absolutist war, und erst 
wesentlich später ins relativistische Lager über- 
ging. In der Ahnenreihe des neuen Geisteskindes, 
welches wir Relativitätstheorie nennen, 
Mach und ich daher mindestens auf denselben 
Respekt Anspruch, wie die oben Genannten. 


Die Nomenklatur „Inertialsystem”, 
die von den Astronomen und einem Teil der Phy- 
siker längst angenommen ist, wird von Pauli 
ohne ersichtlichen Grund geflissentlich zu vermei- 
den gesucht; es ist mir das aber immer noch sym- 
pathischer, als wenn man sich ihrer, wie E. 
Freundlich, mit Vorteil bedient, zu gleicher 
Zeit eine recht wohlfeile, des selbständigen 
Denkens ermangelnde?) Polemik gegen 
mich vom Stapel läßt und fahrlässig verschweigt, 
daß ich doch immerhin das Verdienst habe, der recht- 
‚mäßige Vater jener Namensgebung zu sein. 
Wer die Geschichte der Mathematik kennt, weiß 
zur Genüge, daß schon die bloße, von einer schar- 
fen und geschichtlich tiefgeründenden Begriffsana- 
lyse getragene Einführung einer sachgzemäßen 
neuen Bezeichnung für einen bis dahin 
‚ nicht hinreichend klar umrissenen Begriff gar oft 
der Forschung eine weitaus wichtigere Förderung 
gebracht hat, als die weitläufigsten Formelentwick- 
lungen zewandter Algebraiker und Analytiker, 
denen sie an Verdienst darum auch oft weit mehr 
als bloß ebenbürtig ist. Übrigens kann Pauli 
doch nicht umhin, gegen Ende seines Heftes S. 732 
und 739) den Terminus „Inertialsystem” anzuwen- 


?) Dieser Vorwurf richtet sich natürlich nicht gegen 
die selbständigen Forscher, die von E. F, zitiert werden. 
Von ihm mitgetrofien ist dagegen H. Kritzinger, der 
sich die Kritik auch zu leicht macht. Auf J. Petzoldts 
Einwürfe komme ich anderwärts zurück. . | 


Religiosität als physiologisches Problem. 
| Von Dr. Paul Cohn, Guben. 


G bezug auf den Glauben zerfallen die Men- 

schen in die scharf getrennten Abteilungen der 
Religiösen und, der Nichtreligiösen; derer, welche 
an Gott glauben, und derer, welche nicht an Gott 
glauben. Die ersteren, soweit sie echt sind, zum 
Glauben geboren sind, geben als Beweis an, daß sie 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


haben . 


_ 
er 


als ein relatives Glück ansehe, daß mir intogg 


(Nr. 23/4 
den. Daß ich dabei ungenannt bleibe, ist mir 
nicht allzu schmerzlich, unerfreulicher ist die Taf 
sache, daß die Wesensgleichheit meines Inertialkd 
systems mit dem relativitätstheoretisch verstarg 
denen ,„Galileischen Bezugssystem” der Bin | 
steinschen Diktion verschwiegen wird. 1 

Meine berechtigten Ansprüche werden audi 
ohne mein Zutun die Anerkennung, die ihnen zu 
kommt, mehr und mehr finden, und so soll diese 
historische Feststellung zunächst nicht" weiter a 
geführt wierden. E 

Vor zwei Jahren, in Nauheim, vor der Gef 
sellschaft Deutscher Naturforsch 
und Ärzte, hätte ich gerne nicht nur mei) 
Interessen wie vorstehend zur Geltung gebraci 
sondern auch einige erkenntnispsychologische ug 
didaktische Perspektiven daran angeschlossen, dif 
mir von aktueller Bedeutung zu sein scheinen. i 
der kurzen, mir damals noch zumeßbaren Reda 
zeit von 20 Minuten, anschließend an die Vorträgi 
von H. Weyl, G. Mie, M. v. Laue, A. EIE 
stein und Lenard, wäre das alles kaum s 
nügend beachtet worden, weshalb ich es heute i 


& 

M 

y^ 
G p 
4 
e, 
4 


eines Straßenunfalls, dessen Folgen (Brustkongi 
sehnenzerrung): zur ‘Ausheilung eine längere I l 
der Bettruhe erforderten, der Besuch von Naueni 
unmöglich wurde. Ob meine rechtzeitige Abm i 
dung der Vorträge allen Partnern authentisch ir 4 
kannt geworden, unterliegt begründetem Zweilts : 

Da es fraglich zu sein scheint, ob mir heuer "j 
Leipzig vor der gleichen Gesellschaft Gelege ; 
heit gegeben wird, innerhalb der Sitzung vom R f 
September (Abt. I und Il), das 1920 unverschull ! 
versäumte nachzuholen, so war es mir nicht ui 
willkommen, als mich die Schriftleitung diese! N 
Fachzeitschrift aufforderte, einen längeren Artise 
über die gleichen Fragen zu liefern. Auf die A ^ 
Schriftsätze, des Herrn Schriftleiters zut „DEF 
zuglehre” (Jahre. 1921-22 H. 35-36 und 3 i 
komme ich zum Schluß noch näher zu spreche 
| (Fortsetzung folgi i 


Gott fühlen. Sie zu widerlegen ist nicht nz 
lich; sie haben ein Gefühl, das sich nicht W E 
legen läßt. Wieʻđem Paranoiker seine besor l 
ren Empfindungen durch keine Vorstellung?! > ? 
widerlegen sind, so sind die eigentümlichen Bi 
eines religiösen Menschen an sich auch m% 1 

u 5 


ER 
x ii 


i 
Ea 
EAERI i 
Be E 


Aiiderlegen; nur ihre Deutung ist verstandesmäßig 
i afechtbar. Die Religion der verflossenen Mensch- 
u hit ist so eine Art normaler Paranoia der Mensch- 
E kit gewesen. Die zweiten, die Nichtgläubigen, 
find die, welche jenes eigenartige Gefühl von etwas 
: unsichtbar Wirkenden nicht haben. Sie zu be- 
„ehren ist unmöglich; es fehlt ihnen gegenüber 
Fin andern ein Sinn. 

Die einen verstehen die andern 
Wicht. Wie entsteht diese Verschiedenheit? 

4 Die mehr äußeren seelischen Gründe des Gottes- 
H daubens, wie Furcht, Dankbarkeit usw., bleiben hier 
fuler Betracht; es handelt sich um die eigentüm- 
F Ichen Wurzeln des von innen heraus geborenen 
Aeligiösen Grundgefühls. Wie alle Gefühle, muß 
auch dieses zuletzt körperlich entstehen; und viel- 
Aht ist der nächste Weg zu seiner Einfühlung der 
non der Liebesinbrunst her. Der Mensch im 
A Tnstand der Samenfülle ist der Gläubigkeit viel 
E tiher, als der Mensch im Zustand der Samenleere. 
Fstelisches Schweben, glühende Inbrunst, All- 
; mamungsbedürfnis, das Bedürfnis nach Hingabe 
ni kommen zusammen; alle jene Zustände, welche 
R | sich beim asketisch Religiösen im Gebet lösen. 
TDi „ldealisierung“ ist nur eine Folge des 
lichen Zustandes. Mit frischem und glühendem 
` Üeschlechtstrieb vergöttlicht der Mann das Weib, 
sieht es hehr und heilig; nach dem Verrauschen 
les Geschlechtstriebes erscheint es ir disch, mensch- 
a und gleichsam entzaubert. In dem rauschge- 
an Alten Zustand glaubt der Mann an das Weib, 
ji der Rausch ihm vorzaubert; nach der Entlee- 
i fug des rauschmachenden Stoffes sieht er das 
1. Neb plötzlich schal, wirklich, ernüchtert. Dieses 
fce Schema ist die physiologische Lösung des 
anzen Problems des Glaubens. Der Mensch, wel- 
fer dauernd mit einem sublimierten erotischen 
i Pee in das All hineinsieht, ist der religiöse 


Gi 
w 


i 2 


— er Ten, T 
EEE nr ni is 


foz = PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


157 


Mensch; der kalte Mensch, der entleerte Mensch, 
der der sich ausgegeben hat, ist der ungläubige, der 
unreligiöse Mensch. Alle körperlichen Reflexzen- 
tren des Geschlechtstriebes sind auch im religiösen 
Rausch erregt und tätig; All-Liebe ist verseelisch- 
ter Umarmungsreflex. Religiosität ist in das All 
proiizierte Erotik. 

Die Menschen von heute zerfallen danach in 
zwei Kategorien: solche, welche die Überfülle des 
religiös machenden Rauschstoffes noch in sich tra- 
gen, und solche, welche sie nicht mehr in sich 
tragen: Es gibt eine- religiöse Konstitu- 
tion, von der schon die Physiognomie des 
feurigen-Predigertypus ein äußeres Stigma ist. Es 
handelt sich um zwei polar entgegengesetzte Men- 
schentypen, von denen jene religiöse Verschieden- 
heit nur ein Symptom ist. Die Unterschiede gehen 
durch den ganzen Körper hindurch und sind mit 
der Geburtsanlage gegeben. Man ist als religiöser 
Mensch geboren oder man ist es nicht. Man kann 
wohl — durch Umstände — gottgläubig werden, 
aber nicht religiös. Die Unterschiede markieren 
sich auch in allen andern Ausstrahlungen des Geistes: 
„Subiektivität“ und Obiektivität im Denken, „Idea- 
lismus“ und Realismus in der Kunst, „Altruismus” 
und Egoismus — auf Menschen projizierte Wärme 
und Kälte! — sind einige Folgen der gleichen natur- 
gegebenen -Verschiedenheiten; nur Attribute einer 
Körperanlage. 

Da der Erfahrung nach im allgemeinen die echt 
religiösen Menschen unzweifelhaft die volleren, die 
„kritischen” die leereren sind, ist die Abnahme des 
Glaubens ein mahnendes Problem. Der Körper der 
Menschheit ist ärmer geworden; und das Abneh- 
men der Religiosität ist ein Zeichen derselben Ent- 
artung, von’ der allein das Jahrhundert des 
Bewußtseins einen Beweis gibt. 


f Aus der Provinzial-Heilanstalt Schleswig-Stadtield (Direktor: Sanitätsrat Dr. Dabelstein). 
u Summarische Zusammenstellung 


über. ‘den gegenwärtigen Stand der folgenden Fragen in der Psychiatrie: 


 lassene und offene Nervenabteilungen. 
; Entlassenenfürsorge. 


Von 


Die folgenden Ausarbeitungen wurden auf 
BE der Schleswig-Holsteinischen Direk- 
E gemacht. Sie schließen sich im 
| und ganzen eng an die einschlägigen Ar- 


N °) Januar 1922 abgefaßt. 


| 


Oberarzt Dr. F. 


| tesunasste für Psychopathen und Ent- IH. A. Reform des Straigesetzes und Strafvollzug. 


B. Reichsirrengesetz. 
IV. Dezernentenirage. 


Kroemer, Schleswig. +) 


beiten verschiedener Autoren an und bezwecken 
mit ihrer Veröffentlichung, auch den Psychiatern 
eine kurzgefaßte Übersicht zu geben, die sich bis- 
her mit diesen Fragen weniger beschäftigt haben. 


Sie können daher, mit Ausnahme des vierten Tei- 


=  ratungsstelle aufmerksam gemacht. 


158 


les, im allgemeinen nur Anspruch auf die Bezeich- 
nung einer iragmentarischen Literaturzusammen- 
stellung machen. In diesem Sinne vermögen sie 
vielleicht anregend zu wirken. — 


I. 


Beratungsstellen für Psychopathen und Entlassene 
und offene Nervenabteilungen. 


Die Einrichtung von Beratungsstellen 
an den Anstalten ist kein neuer Wunsch; er hat 
sich bisher nur in einzelnen Fällen verwirklichen 
lassen. „Die fachärztlichen Kräfte. der Anstalt 
müssen sich hierbei der Allgemeinheit zur Verfü- 
sung stellen und ihr den Charakter der- Anstalt 
oder eines Fachkrankenhauses ‘zum Bewußtsein 
bringen” (Roemer). 

Zur Beratung eignen sich: 

Nervös Kriegsbeschädigte, 
Neurotiker, 
Psychopathen, 

-latent Geisteskranke und Organiker, 
die von den praktischen Ärzten der Anstalt zur 
Beurteilung zugewiesen werden. Mit der Be- 
ratungsstelle ist auch der Zweck verbunden, dem 
Staate Kosten zu sparen, sie kann vielleicht man- 
chem Kranken den Anstaltsaufenthalt sparen. Die 
Fälle können rechtzeitig erkannt und Unheil ver- 
hütet werden. Mit der Sprechstunde kann ev. 
auch eine Fürsorgestelle verbunden werden. Aus- 
schlagsebend für den. Erfolge sind sicherlich die 
guten Beziehungen ‘der Anstalt zu den Ärzten, 
Krankenhäusern und Behörden der Umgebung. Die 
Vornahme der Lumbalpunktion und die Einrich- 
tung eines zuverlässigen Wassermann-Labora- 
toriums z. B. sind ohne Zweifel eine Zugkraft für 
die durch praktische Ärzte eriolgenden Zuwei- 
sungen. 

In Wiesloch wurde die Beratungsstelle 1919 
der Trinker- und Jugendlichenfürsorge sowie der 
Beratungsstelle für Tuberkulöse angegliedert. 
Durch Rundschreiben an die Ärzte, Pfarrämter, 
Bürgermeisterämter und durch Hinweise in den 
"Tageszeitungen wurde auf die Einrichtung der Be- 
Es erklärten 
sich etwa 280 evangelische und katholische Pfarrer 


bereit, das Amt eines Vertrauensmannes (für den 


Hilfsverein) zu übernehmen. 

In Heppenheim ist die Beratungsstelle 

einer solchen für Geschlechtskranke angegliedert. 
Auch in Frankfurt a. M. wurde, wie 

Raecke mitteilt, bereits 1914 eine solche Be- 

ratungs- und Fürsorgestelle für Gemüts- und Ner- 

venkranke errichtet, die besonders nach dem 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


N ai 


Kriege gut gedieh. Es wird erstrebt und bezw 
dadurch die Zahl der Anstaltsinsassen zu verri 
gern. Die Familienpflege hatte sich dort nicht be 
währt. Eine Verlegung der Lokalität nach einen 
außerhalb der Anstalt gelegenen Punkte emp 
fiehlt Raecke, um die Scheu vor der = 
beseitigen. Auch Raecke weist darauf ti 
wieviel an dem guten Willen der praktischen in 
liege. 

Für- die’ «»Einrichtung -vO Poli 
kliniken für Psychotherapie an & 
Irrenanstalten tritt 1919 Vollrath auch ein I 
diesen müsse das Hauptaugenmerk auf seelsi 
Behandlung nervöser und psychischer Leiden ag 
richten sein. Er verspricht sich dadurch ad 
eine Hebung des Ansehens der Anstalten bei dii 
Bevölkerung. Er empfiehlt, der Poliklinik eimi 
Behandlungsabteilung anzugliedern IF 
praktischen Ärzte würden auf diese Weise dii 
ihnen nicht immer angenehme Behandlung & 
Neurotiker los. Es kann ev. die Bestimmung ug 
troffen werden, daß poliklinische Behandlung N! 
auf Grund eines Attestes eines praktischen Arati 
stattfindet (?). Eine ganz unentgeltliche Beha 
lung sei nicht Notwendigkeit. Eine besondaig 
Schulung der poliklinischen Ärzte in der Psyeil 
therapie ist dazu erforderlich. (Ev. Kursusbesid | 
der „Internationalen psychoanalytischen Verdi Fi 
gung” in Berlin.) S 

Besonders empfiehlt auch Schnitzer (Kill 
kenmühler Anstalten) 1921 in einer Abhandlig ii ; 
„Über Psychopathenfürsorge” (Zeitschr. I. d. gs í 
Neurol. u. Psych. 68, S. 63) die Einrichtung Wij 
Beratungs- und Fürsorgestellen 9E 
wie die Einführung von Schutzaufsicht in Zusatk 1 
menarbeit mit Wohlfahrtsämtern und Jugenumg 
sorgevereinen. Er tritt warm für die Psych , 
pathenfürsorge ein und stellt als Grundbedingil g i 
fest, daß jeder Fürsorgezögling psychiat a | 
untersucht werden mub. | 

Gregor, Flehingen i. Baden, ‚stellt, um Für 
derung der Psychopathenfürsorge zu erreicieh eh 
u. a. folgende Forderungen auf: Psychiatrisch & | 
schulte Kräfte sind als Ärzte bei den Jugendämil į 
einzusetzen; ferner als Ärzte in Polikliniken 4 i | 
Jugendliche, in ärztlich geleiteten Beobachtil | 
stationen, in Erziehungsanstalten, und zwa "7 
leitender Stelle, da nur dann der Forderung, & u 
die pathologische Materie stellt, ohne al 
tigung des Erziehungswerkes entsprochen B d 
kann. — Sind bei diesen Aufgaben der Jugend w] 
Psychopathenfürsorge keinesfalls die psychia! 
hinter Neurolögen, Kinder- und ‚Schulärzten #° 
rückzudrängen, so erscheint es anderen 


E gr 
er 


\ fi nanuel, Charlottenburg 


k (Psychiater des 
in rendamtes), fraglich, 


ob es richtig ist, solche 
hratungsstellen und Polikliniken in iedem Fall 
Msschiatrischen Anstalten anzugliedern. Es sei ein 
N licher Anschluß an die Wohlfahrtszentrale zu 
lmpfehlen. | 

IM man: und Rein, Landsberg, denken 
die Stellung eines „Fürsorgepsychiaters’” 


i kr ärztlichen Fürsorgeschäfte, die nach Kolb 
dir Direktor der Anstalt im Nebenamt machen 
l oe Seine Fürsorgetätigkeit könnte mit der des 
Rd externen Psychiaters”? in der Entlassenenfürsorge 
Miche nächstes Thema) unter Umständen zusam- 
2 Ballen 
2 Von schon bestehenden Einrichtungen dieser 
i hn sei es nun Poliklinik oder sei es eine Neuro- 
| Merabteilung, seien noch die folgenden erwähnt: 
> wurde z. B. ein geeignet gelegenes Haus 
mSonnenstein dafür bestimmt, und zwar 
is „Sanatorium für Minderbemittelte”. Auch ist 
ft ein sehr besuchtes Ambulatorium hinzuge- 
himmen, 

1906 und 1911 wurde je eine Sonderanstalt für 
Piche und für weibliche Fürsorgezöglinge an 
Potsdamer Pr ovınz1alamstakt 


i de Hauptanstalt. Die Zöglinge werden dort 
kóbachtet und erzogen. Die erforderlichen Ein- 
1 ähtungen, verschiedene Werkstätten und Ar- 
5 Seilsstätten werden am ersten an großen Anstalten 
`T orhanden sein, wobei eine ausgeprägte. Hebung 
i der Arbeitstherapie an sich ein Haupterfordernis ist. 
4 Auch in Chemnitz ist seit 1920 beïn 
Jigendamt ein psychiatrisch geschulter Arzt im 
W Dtamt angestellt, dem die Begutachtung der 
\ 4 Schopathischen Jugendlichen untersteht. So- 
d Weit seine Untersuchung nicht ausreicht, werden 
1 die Betreffenden einer an die Nervenheilanstalt an- 
i irten Beobachtungsstation über- 
sen, die unter -psychiatrischer Leitung steht. 
Auch ein Lehrer ist dort angestellt. Bei Beendi- 
fing der Beobachtung: wird ein Gutachten über 


stattet, 
W Eber empfiehlt diese Einrichtung. 


= in Neustadt i. 

N Altona. 

1 $ ac berichtet Web er 1920 über eine 
Sne Nervenabteilung” an der An- 

= Chemnitz. Es wurden frei ia Ab- 

3 aa dafür in Benutzung genommen. ` Auch 


use Schleswig- Hesterberg 


TAU T Am TE RT A Es E o e EEE EA Tg TE Ta. I 


Mm  ___ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


een Oberarzt) als geeignet zur Wahrnehmung . 


Kuge) eingerichtet, beide im engen Anschluß 


A | Mir Erziehungs- und Behandlungsvorschläge | 
Solche Beobachtungsabteilungen befinden sich 


. provinz über. 


eine Beobachtungsstation für nervöse und 


159. 


psychopathische Kinder eingerichtet. Diese enge 
Verbindung von Geistes- und Nervenkrankheiten 
in einer Anstalt hat sich verwaltungstechnisch und 
therapeutisch bewährt ohne tiefgreifende Umge- 


staltung in den Aufnahmebestimmungen, dem bau- 


lichen Charakter oder den Einrichtungen der An- 
stalt. Die Nervenkranken können ohne besonderes 
ärztliches Zeugnis Aufnahme finden unter gleichen 
Bedingungen wie die Kranken der städtischen 
Krankenhäuser. Die Entlassung ist nicht an be- 
stimmte Vorschriften gebunden. Die Nervenkran- 
ken sind auch mit ganz leicht Geisteskranken zu- 
sammengetan; eine ganz strenge räumliche Tren- 
nung ist nicht durchgeführt. Ein wesentlicher Vor- 
teil ist, daß funktionelle Nervenkranke mit stär- 
ker  ausgesprochenen psychopathischen Eigen- 
schaften bei plötzlich auftretenden Erregungszu- 
ständen sofort auf geschlossene Abteilungen ge- 
nommen werden können. Auch hierbei wird auf 
die Arbeitstherapie ein Hauptaugenmerk zu rich- 
ten sein. Weber empfiehlt auch diese Einrich- 
tung der offenen Nervenabteilung für die großen 
Landes- und Provinzialanstalten. — An Universi- 
tätskliniken bestehen schon gleiche Einrichtungen, 
vielleicht schon seit Jahren. 

Erwähnt sei hier‘ auch noch die vorbildliche 
Nervenheilstätte „Rasemühle” bei Göttin- 
gen, der Hannoverschen Provinzialverwaltung ge- 
hörig, die ihre Entstehung der Anregung Cra- 
mers verdankt. Es ist eine „Volksnervenheil- 
stätte für Minderbemittelte”. -Sie wurde 1903 in 
Betrieb genommen und zeichnet sich durch vor- 
treffliche Einrichtung und idyllische Lage aus. 
Cramer hat noch 1910 auf dem IV. internationa- 
len Kongreß zur Fürsorge für Geisteskranke in 
Berlin über die Erfolge und de Notwendig- 
keit von Volksnervenheilstätten pe- 
richtet und ihre Bedeutung für die Verhütung von 
geistigen Erkrankungen dargetan. — Der „Deut- 
sche Verein für Psychiatrie” hatte be- 
reits 1903 eine Resolution gefaßt, welche die Er- 


richtung von Volksnervenheilstätten ‘als ein drin- 


sendes Bedürfnis hervorhebt. 

In der Rheinprovinz begannen diese Bestrebun- 
gen schon 1899. Die Anregung gaben v. Ehren- 
wall, Peretti Hoffmann und Pohl. 
1906 wurde die Nervenheilstätte Roderbirken 
bei Leichlingen eröffnet. 1909 ging die Anstalt in 
den Besitz der Landesversicherungsanstalt Rhein- 
Soviel mir bekannt, befinden sich 
offene Nervenabteilungen auch -in Friedrichsberg 
und in Neustadt in Holstein. Vom gerichtsärzt- 
lichen Institut Puppes in Königsberg wurde mit 


bestem Erfolg eine „Fürsorgestelle für Nerven- 


160 


kranke” eingerichtet, die 1918 z. B. 328 Patienten 
versorgte. Von 215 Patienten wurden 71 v, H. 
voll erwerbsfähig. | 

Betreffs der Psychopatheniürsorge ist 
hier noch zu erwähnen, daß in Bayern gemäß 
einem am 21. Dezember 1921 vom psychiatrischen 
Landesausschuß an das Staatsministerium des In- 
nern gerichteten Gutachten ein bestimmter Plan 
für eine einheitlich durchzuführende Psychopathen- 
iürsorge in Bayern besteht resp. empfohlen wird: 

Zur richtigen Durchführung und weiteren Aus- 
gestaltung derselben wird die Errichtung je einer 
unter psychiatrischer Leitung stehenden H eiler- 
ziehungsanstalt in Nord- und Südbayern 
vorgeschlagen, in denen alle vorkommenden Fälle 
ärztlich untersucht und begutachtet werden sollen 
und ie nach ihrer Artung und ihrem Alter in pri- 
vate und öffentliche Fürsorgeerziehung und auf 
die geeigneten Anstalten verteilt werden sollen; 
eine Anzahl der Fälle wird in den psychiatrisch 
geleiteten. Heilerziehungsanstalten bleiben müssen. 

Diese Heilerziehungsanstalten müssen (wie die 
Anstalten für Geistesschwache und förderungsfähi- 
ge Idioten) mit den nötigen pädagogischen Ein- 
richtungen, mit Unterrichtsschulen und Lehrwerk- 
stätten ausgestattet werden. 

Es sollen selbständige Anstalten sein, ohne an 
‚eine Irrenanstalt oder Fürsorgeerziehungsanstalt 
angegliedert zu werden. Da Neubauten zurzeit auf 
Schwierigkeiten ‚stoßen, könnte ein Provisorium 
geschaffen werden in der Weise, daß solche selb- 
ständige Heilerziehungsanstalten (2) im Kondomi- 
nium neben zwei Irrenanstalten eingerichtet wer- 
den. (In Bayern wird vielleicht infolge von viel 
freien Plätzen überhaupt die Auflassung einzelner 
Kreisanstalten möglich werden. Es kämen dann 
vielleicht eine oder zwei entleerte Anstalten dafür 

in Frage.) 
Der psychiatrische Leiter der Heilerziehungs- 
anstalt muß sich eine genaue Kenntnis aller in sei- 
nem Aufnahmebezirk liegenden Fürsorgeanstalten 
verschaffen und diese periodisch bereisen, um 
zweckmäßige Verteilung -vornehmen zu können, 
die Erfolge zu kontrollieren und die einzelnen Fälle 
im Auge zu behalten. — Psychiatrische Beratungs- 
stellen, die in enger und dauernder Verbindung 
mit den Jugendfürsorgeverbänden arbeiten, sind 
ein Erfordernis für die Heilerziehungsanstalten, wie 
sie geplant sind. Mit Beratungsstellen allein ist 
es also bei der Psychopathenfürsorge nicht getan. 


Eine wirklich gedeihliche Förderung der Psycho-- 


pathen, zu denen die Fürorgezöglinge ein Riesen- 
kontingent stellen, wird wahrscheinlich nur durch 
besondere Anstalten (Heilerziehungsanstalten) mit 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


gemacht, wobei er sich auf jahrzehntelange 


[$s 
a 
u 


[Nr. 23 


der nötigen planmäßigen Beschäftigungen 
und Unterricht zu erreichen sein. Die süddeutk 
sche Fürsorge wird uns darin zweifellos weit vori 
anmarschieren, zumal da auch Baden nach Beni 
fung von Gregor nach Flehingen umfassende t 
Neuerungen auf diesem Gebiete, zu allem was dorf 
schon geschehen ist, zu planen scheint. — Dort wo 
die Fürsorgeerziehung noch ohne die erforderliche 
psychiatrische Kontrolle gehandhabt wird, steckt 
sie jedenfalls noch in den Kinderschuhen. E 
Erwähnt sei noch, daß auch der Reichsverbanii 
für die Errichtung von Beratungsstellen und def 
Einrichtung der Entlassungsfürsorge eintritt, eben% 
so für offene Nervenabteilungen (Ziffer 14 und I 
seiner Richtlinien). Ä Fi 


JI. 
Entlassenenfürsorge. $ | 


Dieses Thema greift in das vorhergehende hi 
ein. — Mit dem heutigen Begriff der Entis | 
fürsorge” steht das Postulat der „Frühentla® | 
sung” in enger Wechselbeziehung. Unter Entlasg 
senenfürsorge ist heute, wie sich in der Literatur ; 
zeigt, ein bestimmter Begriff zu verstehen, der N 
der Hauptsache als „Beratung” und „u 
terne Behandlung” der früh Entlassenig 
definiert werden kann. Natürlich schließen siti 
dem noch verschiedene andere Möglichkeiten Al 
So wird z. B. hier auch an die bekannte Einrid-ä 
tung der „Familienpflege” erinnert. — Die mit der 
Frühentlassung und der freien Fürsorge gemadh- } 
ten Erfolge sind in Deutschland noch wenig u 
fangreich und nicht sehr bekannt. | 

Der Gedanke an die Durchführung einer N 
reichen Entlassenenfürsorge berechtigt den Psy- 
chiater zu dem von Kolb , geprägten Ausspruch“ 
„Wenn der Direktor das Recht hat, einen Kranket 
probeweise aus der Anstalt zu entlassen, mub CF 
auch das Recht haben, zu prüfen, ob und wies ir | 
Kranke die‘ Probe besteht”. ; | 

Den Gedanken ider Frühentlassung mit im | 
Ziel, die Anstalten zu entlasten, hat 1812 sche 
Hayner ausgesprochen. i 

Bleuler hat besonders mit der hen 


sung der Schizophrenen die besten ne M 
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tische Erfahrungen hierin stützen kann. 
Am tatkräftigsten hat wohl Kolb vo sd 
Kutzenberger und dann von der Erlanger t| 
aus diese Art der Fürsorge als „externen Diens 1 
entwickelt. Er konnte auf diese Weise weit I 
300 Kranke dauernd beraten und versorg®l. 


mit der Frühentlassung gemachte gute priat f E 


ieh be E achtet neuerdings Lange, Schussenried, 
ustührlich in der „Psychiatr.-Neurolog. Wochen- 
rAsiriit XXIII 49-52. 

Wf In einem sehr beachtenswerten Vortrag über 
ef Die sozialen Aufgaben des Irrenarztes in der Ge- 
rlenwart” vor den süddeutschen Irrenärzten in 
oklastuhe am 7. November 1920 wies Roemer 
i at die Notwendigkeit hin, die bisher allzu ein- 
n Witig von dem Grundsatze der Anstaltsverpflegung 
Aikherrschte deutsche Irrenfürsorge durch großzü- 
i digen Ausbau einer „freien Fürsorgetätigkeit” für 
ef disteskranke zu ergänzen. Diese Tätigkeit habe 
i ú auf die Geisteskranken auszudehnen, die ent- 
5. weder nicht mehr oder noch nicht anstaltspflege- 
Aürttig sind. Es können dadurch die Aufnahmen 
A die Anstalten wesentlich verringert, also ge- 
art werden. Es kann dadurch die zunehmende 
kiminalität der jugendlichen Psychopathen einge- 
Fehränkt werden, ebenso die namentlich auf dem 
5 Lande um sich greifende Lues eingedämmt wer- 
ef de, Ebenso handle es sich hierbei um Bekämp- 
ng der vermehrten Sucht nach Reiz- und Betäu- 
: Jingsmitteln (Alkohol, Nikotin, Morphium, Kokain). 
- Erststellig fordert Roemer folgende Mab- 
1 ihme: | 

| Planmäßiger Ausbau der Entlassenenfürsorge 
E  wecks Anbahnung der Frühentlassung. 

2 Die Einrichtung von Beratungsstellen für Ner- 
J - ven- und Gemütskranke an den Heilanstalten. 
p 3 Die Inangriffnahme der a ten Auf- 
T  klärungsarbeit. 

4 Er plädiert für frühere Entlassung hauptsäch- 
| ih der Schizophrenen und stützt sich dabei auf 
4 de Erfahrungen einer ganzen Reihe von Psychia- 
1 im, die er anführt. Die Freiheit könne seelisch 
‚Jeüistiger wirken als der Anstaltsaufenthalt. 


a Wie erwähnt, muß die Frühentlassung mit 
[ren Sachgemäßen Ausbau der Entlassenenfür- 
se verbunden sein. Der gegebene Weg zur 
Änbürgerung ist ohne Zweifel in der Ausgestaltung 
4 ke überall bereits in Deutschland vorhandenen 
A richtungen und Organisationen zur Fürsorge 
Ind Beaufsichtigung der entlassenen Geisteskran- 
d en zu suchen (Irrenhilfsvereine)! 

i | N kann sich im Zusammenhang mit den Hilfs- 
i | keinen das System der Fürsorgestellen entwik- 
| «n, die, in der Regel von Anstalten eingerichtet 
| w unterhalten, der persönlichen Fürsorge für die 
erlaubten und Entlassenen dienen. 

= Der Rheinische Hilfsverein hat beispielsweise 
3 Führung von Peretti in Essen, Düssel- 
und Elberfeld derartige Fürsorgestellen mit 
tem raok eingeführt. 


ti 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


161 


Moeli gründete 1912 in Berlin eine. „Beirats- 
stelle” zur Fürsorge für die Entlassenen, die sich 
gut bewährte. 

Als Hauptges chispunkke für » eine 
solche Einrichtung gelten folgende: Die Leitung 
der Fürsorgestelle liegt in der Hand des Facharz- 
tes, nach Kolbs Vorschlag des „externen An- 
staltsarztes’. Die Angliederung an die allgemeine 
Fürsorge würde die Beteiligung eines an Ort und 
Stelle vorhandenen Facharztes voraussetzen. 

Die Ausübung der Fürsorge ist, wie 
Römer ausführt, privaten Hilfskräften haupt- 
amtlich zu übertragen. Die Gewinnung geeigneter 
Persönlichkeiten, der Fürsorgeschwestern, ist ent- 
scheidend für das Gelingen. Eine bis zwei Schwe- 
stern genügen auch für große Städte. Nürnberg 
wird z. B. nur von einer sehr tüchtigen Schwester 
versorgt. Bei ländlicher Unterbringung ist eine 
größere Zahl von Hilfspersonen bzw. Vertrauens- 
leuten erforderlich, die ehrenamtlich mit den Fach- 
ärzten Hand in Hand arbeiten. (Ärzte, Geistliche, 
Lehrer zu gewinnen.) 

Bei der Entlassenenfürsorgearbeit handelt es 
sich hauptsächlich um die Beschaffung von Unter- 
kunft, Vermittlung von Arbeitsgelegenheit, Schutz 
vor Ausbeutung, dauernde persönliche Wahrneh- 
mung und Beratung. Geldmittel, namentlich zur Un- 
terstützung beim Übergang ins freie Erwerbsleben 
müssen zur Verfügung stehen. Die Fürsorge muß 
naturgemäß mit allen einschlägigen Behörden und 
Einrichtungen Fühlung nehmen, so mit der Hilfs- 
schule, Jugendfürsorge (Jugendamt), dem Jugend- 
gericht, dem Armen- und dem Arbeitsamt, sowie 
mit der Tuberkulose- und namentlich der Trinker- 
fürsorge. Besonders sorgliche Pflege verlangt die 
Beziehung. zu den Ärzten. (Bezahlte Mitwirkung 
der Ärzte?) 

Die Frühentlassung ist regelmäßig durch Beur- 
laubung einzuleiten (ev. vorher Pflegschaft oder 
Entmündigung). Die Rückverbringung in die An- 
stalt muß ohne weiteres möglich sein. Die Früh- 
entlassenen müssen als zu einer selbständigen Ar- 
beitsleistung fähig erscheinen. 

Von Erkrankungsiormen Konten anne 
sächlich in Betracht: Schizophrene, Katatoniker 
nach den ersten Schüben, Psychopathen. Weniger 
geeignet sind Paralytiker in der Remission und 
manisch Depressive. Kriminelle eignen sich nicht. 

Fine mühevolle und geduldige Kleinarbeit der 
Ärzte und Fürsorgepersonen ist erforderlich. Er- 
folge können erst im Laufe der Zeit in die Erschei- 
nung treten (Kolb). ei 

In allernächster Zeit dürfte daher durch diese 
Maßnahmen eine Entlastung der Anstalten nicht zu 


162 


erwarten sein. Die Kosten machten sich bald be- 
zahlt. Durch den gesparten jährlichen Zuschub 
nur für wenige Pflesrlinge kann schon Gehalt einer 


Mitteilungen. 


— Infolge der fortgesetzten Lohnsteigerungen ist 
es nicht meùbr möglich, nachträgliche Satzänderungen 
kostenlos auszuführen. Wir bitten daher darum, die 
Manuskripte gleich von Anfang an so. iertigzustellen, 
daß keine nachträglichen Änderungen notwendig wer- 
den. Es ist jedenfalls ausgeschlossen, bei den ohne- 
hin rasend gestiegenen Herstellungskosten auch noch 
hunderte von Mark an Korrekturkosten zu übernehmen. 
Auch bitten wir, zur Kostenersparnis das Sperren der 
Autornamen künftig zu unterlassen. 


Verlag und Schriitleitung 
der Psychiatrisch-Neurologischen Wochenschrift. 


— Reichsverband. 

Vom Reichsbund der höheren Beamten wird uns 
geschrieben: 

1. Altersgrenzengesetz. Nachdem das Reichs- 
gericht das preußische Altersgrenzengesetz als nicht ver- 
fassungswidrigerklärthat, beabsichtigtnunmehr dasReich, 
sich dem Vorgehen Preußens anzuschließen. Der Reichs- 
bund war zusammen mit den übrigen Spitzenorganisa- 
tionen zum 25. August zu einer Verhandlung im Reichs- 
ministerium des Innern über einen hierunter beigefügten 
Entwurf eines Altersgrenzengesetzes für Reichsbeamte 
eingeladen. Von Seiten des Reichsbundes wurde ausge- 
führt, daß man den Zeitpunkt für die Vorlage des Gesetzes 
als außerordentlich ungeeignet empfinden müsse; in der 
Öffentlichkeit würde es, beider gegenwärtigen wirtschaft- 
‚lichen Lage nicht verstanden werden, daß Beamte, die 
noch dienstfähig seien, an der Weiterarbeit gehindert 
werden sollten. Eine Verbindung des vorliegenden Ge- 
setzes mit dem in Vorbereitung befindlichen Reichs- 
beamtengesetz erscheine gerechtiertigter. Auf jeden 
Fall aber müsse der Entwurf erhebliche Abänderungen 
erfahren. Während die übrigen Organisationen beson- 
dere Forderungen nicht aufstellen, verlangte der Reichs- 
bund, der im gesamten Verlauf der Verhandlungen führend 
war, folgendes: 


1. Die zwangspensionierten Beamten müssen beim Über- 
tritt in den Ruhestand ihre Höchstpension erhalten, auch 
wenn sie diese nach der Zahl ihrer ‚Dienstiahre noch 
nicht erdient haben. 

2. Besonders ungünstige Familienverhältnisse müssen Be- 
rücksichtigung finden und bei nichtrichterlichen Be- 
amten eine‘ Heraufsetzung der Altersgrenze bis zum 

. 68. Lebensjahr ermöglichen. 

3. Den Beamten muß gestattet sein, mit 60 Jahren ohne 
die im Entwurf vorgesehenen Einschränkungen frei- 
willig in den Ruhestand zu treten. 

4. Ein Altersgrenzengesetz bedingt EE A auf 
die Pensionsgesetzgebung des Reichs. Es müßten 
künftig den Ruheständlern z. B. sämtliche Teue- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[Nr. 23/49 
und die Miete der nötigen J 
gedeckt werden (Ansicht von 
(Fortsetzung folgt) i 


Fürsorgeschwester 
Räumlichkeiten 
Roemer). 


rungszuschläge und der Durchschnittssatz des Ort- # 
zuschlages als Mindestsatz in den Fällen gewährt | 
werden, wo die Ruheständler nicht durch die Wohnungs $ 
not zum Aufenthalt in einem Orte mit höherem ony | 
zuschlag gezwungen sind. i 

5. Eine unterschiedliche Behandlung von Fichterliche 
und nichtrichterlichen Beamten wurde bemängelt, 

6. Die Forderung einer genauen Umgrenzung des Be 
griffs der richterlichen Beamten wurde erhoben. $ 
Nachdem sich die übrigen Organisationen den For $ 
derungen des Reichsbundes angeschlossen hatten, erklärte f 
die Regierung in der Frage der Erreichung der Höchst- f 
pension ihr Entgegenkommen; hinsichtlich der Berid- $ 
sichtigung der Familienverhältnisse bat sie um Form 
lierung der Wünsche. Die Frage der freiwilligen Alies- 
grenze mit 60 Jahren soli weiterhin erwogen werd 
die Rückwirkungen des Gesetzes auf die Pensionsgesett i F 
gebung besonderen Verhandlungen mit dem Finanzmi 4 
nisterium vorbehalten bleiben. Die unterschiedliche Be} I 
handlung von richterlichen und nichtrichterlichen Ber F 
amten wurde mit der richterlichen Unabhängigkeit bW 
gründet, die es nicht gestatte, bei richterlichen Beamtenigi 
wie dies bei Verwaltungsbeamten nach dem Gesetze mög 
lich sei, die Altersgrenze im Interesse der Verwaltung | 
heraufzusetzen. T 
Für die Berücksichtigung der Familienverhälins ; 
wurde vom Geschäftsführer des R. h. B. folgende For} 
mulierung vorgeschlagen, der die übrigen er | 
zustimmten: 


„Die Anwendung des $60a Absatz 1 kann bei nicht | 
richterlichen Beamten unter der Voraussetzung voller f 
Dienstfähigkeit auf Antrag bis zu dem auf die Vollendung | 
des 68. Lebensjahres folgenden 1. April bzw. 1. Oktober 1 
ausgesetzt werden, p 


l. wenn und solange die Ehefrau des Beanie wer | 
Krankheit, körperlicher oder geistiger Gebrechen dad 1 
ernd fremder Pflege und Wartung bedarf, | 

2. wenn und solange unterhaltungsberechtigte Kinder vor 
handen sind, die das 14. Lebensiahr noch nicht volk | 
endet haben, i 

3. wenn und solange Kinder vorhanden sind, die J | 

- 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und SI 
in der Berufsausbildung befinden. 


Über die Anträge entscheidet die oberste reit | 
hörde nach Anhörung der zuständigen Beamten. i 
tretung.“ a| | 

Von seiten des Reichsbundes wurde schließlich 14 
drücklich betont, daß das Gesetz als Sperrgesetz I m 
die Länder wirken und diese hindern müsse, Wa d 
dem. Wege der Landesgesetzgebung niedrigere Akten 
grenzen festzusetzen. Der D. B. B. nahm ZU dem 


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Metz eine völlig ablehnende Haltung ein; der A. D. B. 

NT inschte eine niedrigere als die im Gesetz vorgesehene 

l itersgrenze und sprach sich gegen alle mildernden 
Testimmungen aus. 
1 Entwurf | 

fés Reichsministeriums des Innern zu einem Gesetz 

i über die Altersgrenze der Beamten. 


Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, 
"FüsmitZustimmung des Reichsratshiermitverkündetwird: 
a b Art. 1. 

7 860 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 
Finder Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 1907 
Failt folgende Fassung: 

"7 Reichsbeamte, mit Ausnahme der in Absatz 2 bezeich- 
Feten, treten mit dem auf die Vollendung des 65. Lebens- 
Fares folgenden 1. April oder 1. Oktober kraft Gesetzes 
Finden Ruhestand. 

7 Die richterlichen Reichsbeamten treten -mit dem auf 
“gie Vollendung des 68. Lebensjahres folgenden 1. April 
“fuer 1, Oktober kraft Gesetzes in den Ruhestand. 

"7 DieBestimmungen des Absatz 1 und 2 gelten auch für 
“FReichsbeamte, die sich im einstweiligen Ruhestand be- 
"4 inden, | 


E Art.2. 

i l Hinter § 60a wird folgender § 60b eingefügt: 

7 Wenn besondere Interessen des Reichs die Fort- 
A fihrung der Dienstgeschäfte durch einen bestimmten 
“FReichsbeamten erfordern, kann die Reichsregierung auf 
3 Antrag der obersten Reichsbehörde für ihn die Wirkung 
783 60a Abs. 1 für einen Zeitraum’ bis zu einem Jahr 
i Ausschließen. Die Ausschließung kann unter den gleichen 
F raussetzungen wiederholt werden, jedoch nicht über 
Jin auf die Vollendung des 68. Lebensjahres des Reichs- 
F amten folgenden 1. April oder 1. Oktober hinaus. 


Art. 3. 
Hinter § 60b wird folgender § 60c eingefügt: 


1 | Auf Reichsminister finden die §§ 60a und 60b keine 
tF Anwendung. 


tn 2 


.. 


Art. 4. 

1 Die obersten Reichsbehörden können bis zum 31. März 
t A Reichsbeamte auf ihren Antrag nach Vollendung 
je 60. Lebensiahres in den einstweiligen Ruhestand 


a 


‚4 tzen, sofern diese wegen eines auf dem Reichs- 


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PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


163 


haushaltungsplan beruhenden Abbaues des Beamten- 
körpers der Reichsbehörden nicht weiter verwendet 
werden können. 

Die obersten Reichsbehörden können die im Abs. 1 
bezeichneten Beamten auf ihren Antrag inden dauernden 
Ruhestand versetzen. Sie stehen alsdann den wegen 
Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten 


gleich. 
Art:-5; 


Die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sind 
gehalten, bis spätestens 31. März 1923 für ihre Beamten 
und Wartegeldempfiänger Altersgrenzen in dem Umiang 
und mit der Wirkung des Art. 1 Abs. 1 und Art. 2dieses Ge- 
setzes einzuführen, soweit dieses noch nicht geschehen ist. 


Für die richterlichen Beamten und Professoren an 
Hochschulen sind Ausnahmen im Rahmen des Art. 1 


Abs. 2 zulässig. 
Art. 6 
Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1922 in Kraft und 
findet zu diesem Zeitpunkte auch auf diejenigen !Reichs- 
beamten Anwendung, die die Altersgrenze bereits über- 
schritten haben. 


* 


ar 
Ko 


2. Besoldungsreform. Die zur Vorbereitung der 
Herbstbesoldungsreform eingesetzte Kommission setzt 
ihre Arbeiten fort. Sie ist zurzeit mit der Frage der 
Neuaufstellung der Grundgehälter beschäftigt; dabei wird 
der Hebung der Gruppen 10 ünd 11 innerhalb des Be- 
soldungssystems besondere Aufmerksamkeit zugewendet. 

3. Überwachungsausschuß und Besoldungs- 
regelung. Da nach bestimmten Informationen im Über- 
wachungsausschusse des Reichstages bei der Beratung 
über die letzte Augustbesoldungsregelung Schwierigkeiten 
zu befürchten waren, hatte der Vorsitzende die Vertretung 
seiner Partei im Überwachungsausschuß selbst über- 
nommen. Tatsächlich erfolgten Angriffe der Abgeordneten 
Bender (Soz.), Steinkopf (Soz.) und Hoffmann gegen die 
Erhöhung des prozentualen Teuerungszuschlages; diese 
befürworteten statt dessen eine Erhöhung des Kopfzu- 
schlages. Es gelang, die Mehrheit des Ausschusses für 
die Annahme der Regierungsvorlage zu gewinnen und 
so eine Erhöhung des Kopfizuschlages auch diesmal 
wiederum zu verhindern. 


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164 ________PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT INT. 2j 


4. Im Reichsministerium des Innern befindet sich seinen Zweck recht gut. Freilich sagt Verf. von af 
zurzeit der Entwurf eines Krankenfürsorgegesetzes für Theorie, daß ihre „erhabene Schönheit nur dem Mathi 


Beamte in Vorbereitung. I. A.: Dr. Aussels. matiker erschlossen werden kann” (S. 117). Aber id | 
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Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
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Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Eu. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
| birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
| Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
IFRhl), Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
| Hartheck, Geh. San.-Rat:-Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
I | Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
| Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


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| Schriftleiter: 

k Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 

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ı Nr. 25/26. 23. September 1922/23. 

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I I, _ Zuschriften für die Schriftleitung 
E eis eale Verlag und Ausgabe: sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
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I alt: Summarische Z usammenstellung über EEE EEE Entlassenenfürsorge, Strafgesetżreform, Reichs- 
j irrengesetz und Dezernentenfrage. Von Oberarzt Dr. F. Kroemer, Schleswig. Fortsetzung. (S. 165.) 
\ = Mein Verhältnis zu Einstein’s Weltbild. Von Ludwig Lange, Tübingen. Fortsetzung. (S. 168) — Buchbe- 
g sprechungen. (S. 172.) — Therapeutisches. (S. 173.) — Personalnachrichten. (S. 173.) 


Aus der Provinzial-Heilanstalt Schleswig-Stadtfeld (Direktor: Sanitätsrat Dr. Dabelstein). 
| Summarische Zusammenstellung 
über den gegenwärtigen Stand der folgenden Fragen in der Psychiatrie: 


3 l Beratungsstellen für Psychopathen und Ent- | II. A. Reform des Straigesetzes und Strafvollzug. 
i i lassene und offene Nervenabteilungen. B. Reichsirrengesetz. 
i- Entlassenenfürsorge. | IV. Dezernentenfrage. 


Von -Oberarzt Dr. F. Kroemer, Schleswig. 
(Fortsetzung.) 


IH. | ärzten und Laien, die durch unendliches Mißtrauen 
der Laien gefüllt wurde. Die Psychiater wurden 
N und werden nicht verstanden. Es kam zu antipsy- 
nn eSchichtliches. Schon lange vor chiatrischen, zur Irrenreformbewegung, die in der 
inde des vorigen Jahrhunderts hat die Psychiatrie - Hauptsache den ungerechtiertigten Vorwurf mit 
A renplege, wie aus der Geschichte des Irren- sich brachte, auch geistig gesunde Menschen wür- 
sens ersichtlich ist, bedeutsame Umwälzungen den in Anstalten zwangsweise zurückgehalten, an- 
Ärchgemacht An diesen Wandlungsen hat das dere schlecht behandelt usw. 

Fuße Publikum nur zum Teil teilgenommen. Die Zahlreiche Angriffe, die in allerhand Schriften 
i Peite Öffentlichkeit ist sich nur teilweise bewußt und Broschüren niedergelegt wurden, entstanden, 
i worden, daß sich Irrenanstalten aus Gefängnis- bis der Abgeordnete Pastor Stöcker am 16. 
Ener Art in Krankenhäuser umgewan- März 1892 die Irrenärzte im Preußischen Abgeorid- 
haben. Der Laie ist nicht genügend aufgeklärt netenhaus öffentlich angriff (cf.’Beyer, Reform 
Pin. Es entstand eine Kluft zwischen Irren- des Irrenwesens, S. 397). Am 9. Juli 189 erfolgte 


Å Reiorm des Straigesetzes und Strafvollzug. 


166 


ein sehr bekannt gewordener Aufruf in der „Kreuz- 
zeitung”, der angeblich als erstes Zeichen einer 
zielbewubten, 
wegung anzusehen ist. 

Im Gegensatz hierzu verdichteten sich bei den 
Irrenärzten allmählich mehr und mehr die Ansich- 
ten derselben zu folgender Entschließung: 

Die Reformen des Irrenwesens müßten aus den 
Reihen der Psychiater selbst herauskommen, nur 
dann seien sie gerechtfertigt, weil sachverständi- 
gem Boden entspringend. Die Reformen, welche 
Laicn im Kampfe gegen die Irrenärzte anstrebten, 
seien unbegründet. > 

Von verschiedenen hervorragenden Psychia- 
tern ist immer wieder eine Reichsirrengesetzge- 
bung befürwortet worden. 


1893 legte der „Verein der deutschen Irrenärzte” 


in 16 Artikeln seine hierauf bezugnehmenden An- 
sichten nieder, die als Unterlage für eine Reichs- 
irrengesetzgebung dienen konnten (cf. Beyer, 
S. 645). 

Seitdem ist auf diesem Gebiet eifrig gearbeitet 
worden, im besonderen auch. von der „Justizkom- 
mission des deutschen Vereins für Psychiatrie”, 
die 1910 „Bemerkungen zum Vorentwurf des Straf- 
gesetzbuches” drucken ließ. Auch ein österreichi- 


scher und ein schweizer Entwurf entstanden. 
* 


~ 


* 


Im Vorentwurf des Strafgesetzbuches sind 
 £Zuchthaus-;, Gefängnis- und Haftstrafen vorge- 
sehen. Der Psychiater ist nur soweit zuständig, 
als psychiatrische und Grenzzustände in Betracht 
kommen. 

Es ist eine bedingte. Verurteilung möglich. 

Es ist die Möglichkeit einer Abkürzung der ver- 
fügten Strafen vorgesehen. 
| In Betracht kommen ferner die sichernden 
Maßnahmen, die den Irrenarzt ganz besonders 
interessieren. 


8.18. Stdn der Strafe ist bei 
Zuchthaus und Gefängnis vorgesehen, wenn es sich 
- um ganz besondere Roheit und Verworfenheit han- 

| delt. (Geminderte Kost und harte Lagerstätte.) 


- Die Maßnahme wird oft sogenannte Grenzzu-. 


 stände betreffen. 
Alle Grenzzustände werden aus dem 
Strafvollzug nicht verschwinden können, denn 


1. alle Grenzzustände werden nicht erkannt, 

2. ein Teil der Grenzzustände wird wie die allge- 
meinen Verbrecher behandelt werden, weil das 
Gericht zu der Überzeugung gekommen ist, daß 
die „freie Willensbestimmung” zur Zeit der Tat 
nicht „hochgradig vermindert” war, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT. 


ernst zu nehmenden Irrenreiormbe- | 


Fällen werden sich voraussichtlich häufig Gren. 


können. 


‘Monate nicht übersteigt. 


durch einen der vorbezeichneten Zustände Au! fau 


[Nr. 25/6 ? 


3. gibt es Grenzzustände, welche bei schlummend 
der Diposition erst durch das Strafprozeßvert 
fahren resp. -vollzug in Erscheinung treten, |a 


Gerade unter den mit „Schärfung” versehene g 
[n 
Kir 

Cramer schien dies im allgemeinen nicht fürn, 
bedenklich zu halten, da sich auch bei den Grenz 
zuständen, die mit _„Schärfung” versehen‘ sindfie 
Fälle befinden, denen die Schärfungen nichts schafte 
den, sondern im Gegenteil Hemmungen anerzieheil 
Bei anderen aber wird entschieden durdin; 
die Schärfungen ein Schaden: an ihrer Gesundheit; 
entstehen, so daß sich ihr Zustand verschlimmerth,: 
Es muß daher darauf gedrungen werden, daß def : 
Gefängnisarzt zur Entscheidung herangezogeifie 
wird, ob Schärfung 'am Platze ist oder nicht. fha 


5 38. Bedingte Strafaussetzung 

Diese Maßnahme soll durch gesetzlich sanktio-Kta 
nierte Regelung möglich gemacht werden, undwe 
hauptsächlich Jugendlichen gewährt werde. ill 
Durch gute Führung kann sich der Verurteilte denpat 
Erlaß der Strafe verdienen, wenn die Strafe sechäpsy 
Er muß zu der Erwardig 
tüng berechtigen, daß er auch ohne Vollzug defor 
Strafe sich künftig wohl verhalten werde. (Das 
Vergeltungsprizip wird damit durchbrochen.) Aullieh 
mit der drohenden Strafe können auf diese Weisäivie 
Hemmungen anerzogen werden. Es wäre im jki 
gemeinen wohl wünschenswert, wenn die Höh 
der Strafe (bis zu sechs Monaten) nicht zu a 
Berücksichtigung fände, vielmehr möglichst genalftic 
die Natur des Rechtsbrechers.berücksichtigt würd 

Strafausschließungs- und Milde] ra 
rungsgründe. 5 

§ 63 tritt an Stelle des bisherigen "E 
§ 51. -Er lautet: 

Absatz 1. „Nicht strafbar ist, wer zur Zeit dif 
Handlung geisteskrank, blödsinnig oder bewubtloij 
war, so daß dadurch ‚seine a Willensbestimmif a 


aterese war. Kin, 
Absatz 2. „War die freie Willensbestimmutlh 


zustände befinden. 


nicht ausgeschlossen, jedoch in hohem Grade Yf Jin 
mindert, so. finden hinsichtlich der Betrafung $ 
Vorschriften über den Versuch (8 76) Anwendil in 
Zustände strafverschuldeter Trunkenheit sind hie er 
von ausgenommen.” | 
Absatz 3. „Freiheitsstrafen sind an den 
Absatz 2 Verurteilten unter Berücksichtigung ihre 
Geisteszustandes und, soweit dieser es eriordet y A 
besonderen, für sie ausschließlich bestimmten fes 
stalten oder Abteilungen zu vollstrecken. — 


4 
A 


F 


Ensftenbure. Peretti und Cra- 
ner sind, wie auch andere, mit den Ausdrücken 
Tgisteskrank” — „blödsinnige” — „bewußtlos” im 
bs. 1 nicht einverstanden. Sie schlagen dafür 
i or: „Geistesstörung” — Geistesschwäche” — Be- 
Winutseinsstörung”. Auch will der erste den Aus- 
{mck „freie Willensbestimmung” gestrichen haben 
i ind setzt dafür: ,„.... oder von Bewußtseinsstö- 
Wing befunden hat, durch den er nicht die Fähigkeit 
Nllesaß, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder 
ieser Einsicht gemäß zu handeln.” 
ei In Abs. 2 will er den Versuchsparagraphen 
Gllkanz ausschalten und dafür sagen: „so wird die 
eißtrafe gemildert, oder es kann in geeigneten Fällen 
thich ganz davon abgesehen werden.” 
Wf Jugendlich e. Als großer Fortschritt sind 
el ie geplanten Bestimmungen über die Jugendlichen 
fuch jeder Richtung hin anzusehen. | 
i$} Die Mitwirkung des Psychiaters bei Ausge- 
io-Ktaltung der Jugendparagraphen ist erforderlich, 
ndweil sich herausgestellt hat, daß unter der straf- 
enläligen Jugend sich ein hoher Prozentsatz von 
pathologischen Individuen befindet, und weil die 
ısisychologische Erkennung und Beurteilung der 
arligendlichen wesentlich durch die Psychiatrie ge- 
lefflördert ist und weiter gefördert werden kann. Die 
MMitwirkung hat den Zweck, ebenso die Jugend- 
lichen vor ungeeigneten Elementen zu schützen, 
SOWie auch die Gesellschaft vor der gefährlichen 
keiminalität der Jugendlichen. — | 
It Die Grenze der absoluten Strafunmündigkeit 
fird von dem 12. auf das 14. Lebensjahr heraufge- 
ülffickt ($ 68), 


del Das. Diszernement oder, wie es bisher heißt, die 


efage nach der zur Erkenntnis der Strafbarkeit 
finer Handlung notwendigen Einsicht ist fallen ge- 
teil lissen, — Diese Frage hat den Ärzten in ihrer Be- 
ftwortung stets außerordentliche Schwierigkeiten 
de [eMacht, 
Io} Der diesbezügliche $ 69 lautet in dein Entwurf: 
platte der Täter zur Zeit der Tat das 18. Lebens- 
| tr nicht vollendet, so sind hinsichtlich der Bestra- 
{ug die Vorschriften über den: Versuch ($ 76) an- 
ltiwenden. Doch darf auf lebenslängliches Zucht- 
US nicht erkannt werden. Ist die danach be- 
ij mte Strafe Zuchthaus, so tritt Gefängnisstrafe 
Aon gleicher Dauer an ihre Stelle: Auf Verschär- 
A "8 des Strafvollzuges (§ 18), Arbeitshaus ($ 42), 
frust der bürgerlichen Ehrenrechte ($8 46 bis 
AO und Aufenthaltsbeschränkung ($ 53) ist nicht 
MN el erkennen, 
# Erscheint die Tat hauptsächlich als Folge man- 
Ir I alter Erziehung oder ist sonst anzunehmen, 
b Erziehungsmaßregeln erforderlich sind, um den 


„ba PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Täter an ein gesetzmäßiges Leben zu gewöhnen, 
so kann das Gericht neben oder an Stelle einer 
Freiheitsstrafe seine Überweisung zur staatlich 
überwachten Erziehung anordnen. Die Art und 
Dauer der Erziehungsmaßregeln bestimmen sich 
nach den hierfür bestehenden Gesetzen, doch kann 
das Gericht die Unterbringung in eine Erziehungs- 
oder Besserungsanstalt anordnen.” 

S 70 besagt, daß die Freiheitsstrafen gegen 


Jugendliche in besonderen für sie ausschließlich 


bestimmten Anstalten oder Abteilungen zu voll- 
strecken sind. Dabei sind die voll zurechnungs- 
fähigen Jugendlichen von den vermindert zurech- 
nungsfähigen vollständig abzusondern. 

Freiheitsstrafen gegen vermindert zurechnungs- 
jähige Jugendliche können auch in staatlich über- 
wachten Erziehungs-, Heil- und Pflegeanstalten 
vollzogen werden. — 

Mit aller Schärfe ist hier zu betonen, daß die 


Strafvollstreckung in einer. Heil- und Pflegeanstalt 


eine Unmöglichkeit ist. Diese können nur Kranke 
behandeln und pflegen, bei denen irgendeine Straf- 
vollstreckung nicht in. Betracht kommt. Es wird 
diese Bestimmung hoffentlich (dem: übereinstim- 
menden Widerspruch aus R Kreisen 
erliegen. | 
Cramer und mit.ihm dere lassen die Hoff- 
nung auf ein eigenes Jugendstrafrecht nicht fallen. 
Cramer betonte hier die Notwendigkeit von der 
Errichtung von Beobachtungsstationen für Jugend- 
liche, um die Psychopathischen von den Nichtkran- 
ken zu sondern. Er hielt dies für ein unbedingtes 
Erfordernis. Es müßten auch bei jedem Institut 
für die Gesunden mit unangenehmen Charakter- 
eigenschaften besser gesicherte Abteilungen aus 
disziplinaren Gründen vorhanden sein. 
‘Die Frage, was mit den Individuen geschehen 
soll, welche nicht erziehbar sind, seien sie nun 
psychopathisch oder nicht, wenn das Alter, das für 


die Fürsorgeerziehung vorgesehen ist, abgelaufen 


ist, läßt der Entwurf frei und unerledigt. 
Cramer schlug in den Bemerkungen der 
psychiatrischen Justizkommission vor und trat da- 
für ein, daß die nicht gebesserten Psychopathen, 
wenn das für die Fürsorgeerziehung vorgesehene 
Alter abgelaufen ist, in entsprechenden, in dem 
Entwurf vorgesehenen Zwischenanstalten unterge- 
bracht werden müssen. — Bei den Formen mit 


ausgesprochener Imbezillität würde man sich auch 


in geeigneten Fällen mit der Entmündigung helfen 
können. i, 

Die unverbesserlichen Nichtpsychopathen könn- 
ten als einziger Ausweg nur in ein Arbeitshaus 
(nach $ 42) verwiesen werden. Ganz würde dies 


168 


letzte Vorgehen aber auch nicht genügen, da die 
Zeit der Unterbringung in einem solchen Hause 
limitiert sei und sich nicht nach dem Zustande 
richte. 

Daß bei Durchführung der Zwangserziehung und 
der Fürsorgeerziehung die Zöglinge einer ständi- 
gen Kontrolle durch einen psychiatrisch gebildeten 
Arzt zu unterziehen sind, damit etwa einsetzende 
geistige Minderwertigkeit oder geistige Krankheit, 
welche eine andere Art der Behandlung erforderi, 
rechtzeitig erkannt wird,. wenn anders nicht der 
Erfolg der Erziehung in Frage gestellt werden soll, 
ist eigentlich ein selbstverständliches psychiatri- 
sches Postulat. — Die Handhabung der heutigen 
Fürsorgeerziehung zeigt aber, wie wenig Ver- 
ständnis dieser Forderung entgegengebracht wird. 

Wir sehen also, daß, wenn der Entwurf auch 
manche Besserung, manches Brauchbar& enthält, 
die Abstellung bestehender Mängel von psychiatri- 
scher Seite gefordert werden muß. Ein Kardinal- 
punkt erster Ordnung ist sicher der, daß entschie- 
den verhindert werden muß, daß Freiheitsstrafen 
gegen vermindert zurechnungsfähige Jugendliche 
auch in Heil-: und Pflegeanstalten vollzogen wer- 
den können (§ 70, Abs. 2). ; 

Ebenso weitgehend. ist bedauerlicherweise ein 
Vorschlag von v. Liszt, den dieser auf dem 26. 
deutschen Juristentag forderte für die ‚wegen 
mangelnder Zurechnungsfähigkeit Freigesproche- 
nen”. 

„Erscheint der Beschuldigte als gemeingefähr- 


PSYCHIATFRISCH-NEUROLOQUISCHE WOCHENSCHRIFT 


könne. 
Er fordert folgende gesetzliche Bestimmung: 


ee u > 
i 7 RETE 
e 
Ne ER 
a, 2 
a r | 

X 
“2 
n. 
fi 


(Nr. 25/264: 
lich, so ist in dem Einstellungsbeschluß oder dem ic 
freisprechenden Urteil zugleich seine Überweisung fu 
an eine Heil- und Pilegeanstalt zu verfügen” P 

Kein sachverständiger ‘Irrenarzt kann sich $i. 


diesem bedrohlichen Rückschritt fügen, Die fu 
Heil- und Pflegeanstalten würden dadurch {fil 
in den Augen des Volkes, auch in denen {fwe 


seiner der Heilung bedürftigen Insassen und bi 
deren Angehörigen, zu Strafmitteln und Strat- 
anstalten- werden. Was Generationen von Psy- In 
chiatern in saurer Arbeit erreicht haben, wird zum 
guten Teil wieder vernichtet sein. Es N 

Ein scharfes Urteil über den Entwurf zum 
Strafgesetzbuch hat Hoche, Freiburg: Nach ihm ih 
habe der formalistische juristische Geist darin dei 
Sieg über vernünftige ärztliche Forderungen davon- ers 
getragen. Alle wohlbegründeten psychiatrischen f 
Wünsche blieben unberücksichtigt. — Die Sadi- fi 
lage in bezug auf die Vereidigung geistig abnor$s 
mer Personen sei unverändert geblieben. — Es si $l 
nicht sicher festgelegt, daß den im Strafvollzug’ iie 
geistig Erkrankten der Irrenanstaltsaufenthalt auga 
die Strafzeit angerechnet werden müsse. — Gänga 
lich unbrauchbar sei der Gedanke der Beobachtung 
in der Häuslichkeit oder Gefängnis, und ebensogkk 
unbrauchbar die Idee, daß ein außerhalb des Rahiim: 
mens einer Anstalt stehender Sachverständiger ia 
dieser Anstalt eine solche Beobachtung durchführen 4 


Alles Punkte, in denen ihm sicher beizupflich“ N 
ten ist. (Schluß folgt.) E 


Am 
n SE Fin 
Mein Verhältnis zu Einstein’s Weltbild. f 


Nebst Grundlinien zu einem pragmatischen System der positiv-ideotropen Kontinuitätsphilosophie. 1 


Von Ludwig Lange, Tübingen. 
(Fortsetzung.) 


Wenn ich nun dazu übergehe, die erkenntnis- 
theoretischen und allgemeinphilosophischen Seiten 
des Relativitätsproblems zu beleuchten, so habe 
ich vor allem den philosophischen Stand- 
= Punkt zu skizzieren, von dem aus solches ge- 

= schicht. Denn ohne eine klare Skizzierung des 
=-  Kampigeländes, auf dem man steht, ist jeder Kampf 
zur Aussichtslosigkeit verurteilt. Da muß denn 
gleich im Eingang betont werden, daß ich einen 
mabvollen Relativismus, richtiger ge- 
sagt, eine gewisse resignierte Relativitäts- 
ireudigkeit (Relativitätsbegnüstheit) auch 
heute noch als Bundesgenossen ansehe, und daß 
ich mich der an Mach und Avenarius anleh- 
nenden Gruppe der Positivisten, von der 


auch Einstein herkommt, zurzeit immer noc $ 
ziemlich nahe verbunden fühle. Ich gehe aber kerd 
neswegs mit allem, was sich Positivismus nenni a 
durch dick und dünn. Schon die übermäbige Fürs 4 
wichtighaltung der Erkenntnistheorie, auf Kosten $ ia 


nicht mehr zeitgemäß; die philosophischen LT 
disziplinen sind in der Tat durch so vielfältig? u 
innere Beziehungen miteinander verknüpft, dab ni % 
sanz unphilosophisch wäre, die Erkenntnistheof® A 
ganz aus sich selbst heraus aufzubauen und dene“ i 
wonnenen Standpunkt dann den. anderen Lai 4 
bieten als einzige wissenschaftlich zulässig? AV 


Ber igent- $v 
Grundlage vorschreiben zu wollen. Als es E 


anderer viel zu stieimütterlich behandelter ed 
des philosophischen Denkens, scheint me e | i 
| ne L 


+ t 
$ P 
Ben. » 
ER. 


29 


4 „Positivisten” höre ich mich schon 
Į us desem Grund nicht allzu gern bezeichnen. 
Ieder „Ismus” führt überdies letzten Endes 
j. iene mehr oder minder einseitige Rein- 
el kultur einer scharf ausgeprägten Denk- und 
, fihneigung hinein, welche, so nützlich und ehren- 
i fiert sie auch sein mag, doch meist mit mikr o- 
i fologischen Reinkulturen das Merk- 
«fa aler Kulturformen gemein hat, daß sie nämlich 
Mangels eines Wettbewerbs neues Leben einfüh- 
| närıder Keime heterogener Kultur (in diesem Fall 
; tirlich ` psychischer. Keime) fortschreitend dege- 
J Ikrieren, und schließlich nahezu steril werden. So 
führte der Kritizismus zu einem häufig ganz ver- 
n derisoien Negativismus, aus dessen Banden 
ist Auguste Comte’sden positiven Erfahrungs- 
i Fusachen der Einzelwissenschaften sich wieder zu- 
Freydende Analyse der Entwicklungsstufen wissen- 
Athen Denkens uns befreite. Der deutsche 
Flkalismus, dessen große geschichtliche Mission 
4 iemand rückhaltloser anerkennen kann als ich, 
Iütete, nachdem er in J. G. Fichte und teilweise 
i ach noch in Hegel und einigen seiner Schüler 
gkdeutendes für den Aufbau der Gesellschaft und 
u WS Staates geleistet, bei vielen seiner Vertreter 
icn weltfremdes und praktisch höchst unfrucht- 
tes Spekulieren aus. Der vulgäre Realismus da- 
4 gen verflachte zu einem unsozialen Banausen- 
4 ji Spießbürgertum. Den Materialismus und den 
F Siitualismus brauche ich in diesem Zusammen- 
fe nicht näher zu charakterisieren. Ebenso- 
{enig den Intellektualismus und den Emotionalis- 
As, die zurzeit miteinander um die Vorherrschaft 
ringen. Der Sozialismus hinwiederum zeigt gerade 
Fit mit genügender Deutlichkeit, daß er in seiner 
feite entwickelten Gestaltung die Kräfte nicht 
ist, um über seinen Todfeind, den Kapitalismus, 
Aerteütig Herr zu werden. Auch der um vieles 
JMaßvollere Kollektivismus (W. W un dt) wird in- 
f idvatistischer Momente nie entbehren können, 
o er etwas Dauerndes schaffen will. 
as endlich den geläuterten Realismus 
Finet so wird wohl jedem Leser bekannt sein, 
z sich vom vulgären Realismus im we- 
chen und sehr zu seinen Gunsten insoweit 
Nterscheidet, als er gewisse asymptotische 
KOTS Verwirklichungsziele der 
Fenschheit für den vulgären Realitäten vollaui 


wi: in die Rechnung einstellt. 

Ai Sinnverwändten Gründen muß ich es, wie 
1 angedeutet, auf das entschiedenste ablehnen, 
N man versuchen wollte, mich zu den „unent- 

Relativisten zu zählen, d. h. in die 


> 


feer 


i Al e PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


 metaphysizismus 


Menbürtige reale Potenzen erachtet und 


169 


Schar derer um Einstein  einzureihen. 
Fühlte ich nicht gerade in meiner Eigenschaft als 
Mitbegründer der zeitgenössischen relativistischen 
(allzu relativistischen) Denkrichtung die sitt- 
liche Pflicht, vor verhängnisvollen utopisti- 
schen Konsequenzmachereien, namentlich auf wirt- 
schaftlichem, politischem, religiösem und ethischem 
Gebiet, das heute heranwachsende Geschlecht aufs 
dringendste zu warnen, so hätte ich nicht vor 
zwei Jahren, als ich manches bereits kommen sah, 
was jetzt in Erfüllung zu gehen droht, mit solcher 
Beharrlichkeit durchzusetzen gesucht, daß man 
mich in Nauhe im womöglich auf länger als 20 
Minuten zu Wort kommen und (zum Entsetzen 
einiger -Fachgelehrten) auch Fragen streifen 
lasse, die das Gebiet der eigentlichen Naturior- 
schung ein wenig überschreiten. Hätte 1920 in der 
Gesellschaft Deutscher Naturforscher ` und Ärzte 
bereits eine besondere Abteilungfür Philo- 
sophie und Psychologie des Natur- 
erkennens -und der- N atüorbeherr- 
schung bestanden, deren Neugründung. ich bei 
den Vorverhandlungen (bisher ohne greifbären Er- 
folg) glaubte befürworten zu sollen, so hätte ich in 
etwa 40 Minuten ein erschöpfendes und damals be- 
sonders zeitgemäßes Referat erstatten können. 
Auch jetzt istes Br noch picit zu 


spät. 


Der Vorwurf, zu er Te TET zu führen, 
trifft, wie beiläufig bemerkt werden soll, selbstver- 
ständlich auch den auf die Spitze getriebenen Anti- 
und Psychologismus, worauf 
noch zurückzukommen sein wird. Mach ging 
seinerzeit doch wohl in beiden Richtungen über das 
gebotene Maß hinaus, und ich glaube, daß er, 
wenn er noch unter uns weilte, dies nicht in Ab- 
rede stellen würde. i 

Vollkommen einig mit Mach R ich in dem 
einen Punkt, daß ich mich als (kritischen) Er - 
kenntnispsychologen bezeichne, und die 
Ausdrücke Erkenntnistheorie und Erkenntnis- 
kritik schlechthin tunlichst vermeide. Die 
Philosophie, einerlei, ob sie ihre vornehmste Wur- 
zelnahrung aus den Wissenschaften vom Logos 
oder denen von der Physis zieht, wird nie durch- 


‘setzen können, als souveräne Richterin darüber an- 


erkannt zu werden, was in den Einzelwissenschaf- 
ten als wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis zu 
betrachten sei, und was nicht. Sie hat nach einem 
treffenden Ausspruch von Wilhelm Wundt 
nur die Gründe und das Maß der Evidenz auf- 
zuzeigen, die wir gewissen Erkenntnissen beilegen; 
und diese Aufgabe ist nach meinem Dafürhalten 
eine ausgesprochene Psychologensache. . 


170 


Es erhebt sich nun die wichtige Frage: Wel- 
che Erkenntnisse bezeichnen wir als evident? 
Und damit komme ich auf den Ausgangs- 
punkt meines philosophischen Lehr- 
gebäudes zu sprechen. 

Daß dieses System weder auf Alleinrichtigkeit 
noch auf ewige Geltung Anspruch erhebt, braucht 
kaum gesagt zu werden. Daß es ferner in keinem 
seiner Bausteine völlig neu ist, kann niemand bes- 
ser wissen, als ich selbst. Die besondere Art der 
Zusammensetzung jener Bausteine, wie sie im 
nachstehenden skizziert sind, dürfte gleichwohl 
manches enthalten, was dem Leser dieser Zeit- 
schrift neu ist, und gerade auch für ihn recht nutz- 
bar werden kann, daher darfich gewiß bitten, bevor 
wir der Relativitätstheorie selbst näher treten, den 
folgenden vorbereitenden Darlegungen eine er- 
höhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. 
gewissen Vertretern der realwissenschaftlichen 
Forschungsziele möchte ich in diesem Zusammen- 
hang noch besonders betonen, daß die Kunst der 
. Tormal-geschlossenen,“ klaren und psychologisch 
wirksamen Herausarbeitung eines solchen Systems 
keineswegs eine Nebensache ist, die etwa bloß 
dann Bedeutung gewänne, wenn es gilt, die Ergeb- 
nisse derartiger erkenntnispsychologischer For- 
schungen einem größeren LeserKkreis, 
ästhetisch oder gar rhetorisch, näher zu 
bringen. Das Bildungsideii des humanistischen 
Gymnasiums ist in der Wirklichkeit durchaus nicht 
so unpraktisch, als manche Realisten durch Jahr- 
zehnte hindurch gemeint haben. Von der unbe- 
streitbaren Tatsache, daß die Wiedergeburt des 
Naturstudiums in der neueren Zeit von Humani- 
sten ausging, und daß selbst die Scholastik man- 
ches der heutigen Naturforschung Förderliche her- 
vorbrachte, soll nur beiläufige Erwähnung getan 
werden. | 


Was nun die Frage der Evidenz an- 


langt, so gehe ich von folgenden Erwägungen aus. 
Wie jede Art von Philosophie, so will und soll auch 
die Philosophie der Naturwissen- 
schaft demLeben dienen DasLeben 
"aber ist ein unausgesetzter Kampf, 
in dem sich die (physischen oder juristischen) Per- 
‚sonen, welche darinnen stehen, den gesamten Kräf- 
ten des Makro- und Mikrokosmos gegenüber zu 
behaupten suchen müssen. Diesen Sachverhalt 
eingehend zu begründen oder in optima forma 
einem Beweis zu unterstellen, wäre zwecklos, da 
ihn jeder tätige Mensch aus eigenster Erfahrung 
kennt, und auch die Wissenschaft ihm in den 
Sphären des Mikrokosmos und Makrokosmos 
auf Schritt und Tritt begegnet. Es handelt 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Gegenüber 


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N y 1o Lei a, 
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SR 
HE e 


sich meines Wissens bei diesem Kampf um 3 
ein echtes, wenn auch keineswegs ganz eni. 
faches Urphänomen im Goetheschen Sinn, un. 
eine jedermann .einleuchtende Tatsache der allge r. 


meinen Lebenserfahrung, die gar wohl geignet ish, J 
einer Weltanschauung zur Grundlage zu dienen E 
Zu den vornehmsten Mitteln in diesem Kampf. 
des Lebens gehört (insbesondere. für den Natur 
forscher) die gründliche Analyse der von den fi 
Sinnen uns dargebotenen Einzelerscheinungen de$ 
Natur- und Menschenlebens; ‘wohl bemerkt aber 
als unentbehrliche Ergänzung, auch das besini- 
liche („denkökonomische”) Zurückgreifen auf bef 
reits früher Wahrgenommenes und. Durchlebte, k. 
m. a. W. auf die sehr aktuelle Weltderimg, 
Kampf gereiften und praktisch bef 
währten Vorstellungen. Die Gesamtheit 
aller dieser Phänomene, welche für jeden Einzelnen 
von uns zunächst nur innere psychi. 
sche Realitäten sind, und welche esti. 
durch den kämpfenden (und schließlich zu einer Atiy 
Ausgleich führenden) Gedankenaustausch mit al- f 
deren Personen, vermöge- des gesprochenen uni En 
geschriebenen Wortes (des Logos), einen obiekt 
tiven Charakter erhalten können, geht uns aiir; 
dem Weg der Erfahrung zu. Und da ka 
nun gar nicht oft genug die Grundtatsach@ ii 
des Menschendaseins betont werd, 
daB der vielen Naturforschern allein maßgebend 
sensualistische Erfahrungsbegriff zum mi] e 
desten ein recht einseitiger ist, indem es in st- ] 
wissen mehr passiven Zuständen des Denkveri 
laufs, wie sie etwa durch Intoxikationen, Hypnosg 
und andere, meist freilich pathologische Ursäch-J 
lichkeiten zur Wirklichkeit werden — weit hänt- 1 
ger zur Wirklichkeit werden, als mancher So; 
nannte robuste Mensch sich träumen läßt — aut 
unabhängig von unmittelbar gegebenen äuberdlT 
Sinnesreizen übermächtige innert Er Iia 
fahrungen zu verarbeiten gibt; manchmal sind! n 
dieselben bei- aller Gewalt, mit der sie sich au be 
drängen, rein kontemplativer Art, manchmal ic ir 
dessen haftet ihnen eine gewisse religiöse Gefühl M 
betonung an, und gerade diese können sic 


h frühe! 3 r 


oder später einem jeden, selbst dem religiös ni E 
ternsten und mit Vorliebe negativistisch eingestel si 
ten mit so elementarer Energie gegenüberstelel $ 
dab er wohl oder übel zu ihnen Stelluns 4l 
nehmen muß. Und diejenigen, welche dergi 
chen selbst erlebt haben, sind oft ganz beson | 
scharfsinnige und kritisch veranlagte Denker 7 A 
auch in ihrer praktischen Lebensführung no d i 
weniger als leichtfertige Menschen, So dab mal 4 K 
dergleichen Erlebnissen nicht achtlos vorio P 


i “Ficht aus eigenem Erleben kennt. Niemand wird 
streiten wollen, daß William James der 
1: hhrungsbegriff eines Baco.von Verulam 
donnen geläufig war, als er seine „Varieties 
Ji religious experience” verfaßte. Hätte er der 
Tomaten religiösen Erfahrung darin mehr Rech- 
| mig getragen, so wäre das Werk vermutlich eine 
ii kistung von geradezu epochemachender Bedeu- 
i finggeworden. Erst wesentlich später ist, nament- 
k ih durch die tief schürfenden und auf breiter 
“Pasis stehenden Arbeiten von Heiler, Nieb er- 
qen, August Horneffer und anderen, diese 
Licke zu schließen versucht worden. Nur wer, 
fri gründlicher Kenntnis von den religiösen Im- 
1 Anessionen der wichtigsten in der Religionsge- 
i hichte aufgetretenen Glaubensmeinungen ausge- 
; [istet (zu denen übrigens auch der Atheismus ge- 
1 flór), kundig nicht minder aus eigenem ak- 
fiven und passiven Ertleben > aller 
POonsequenzen im Gebiet des prak- 
Fischen Handelns, zu welchen z. B. eine ani- 
F stiscn- fetischistische, eine im eigentlichen Sinne 
Sititistische oder überhaupt modern-okkultistische 
ge oder zu denen vollends eine ver- 
Suchsweise unternommene Einfüh- 
ing in die Gedankenwelt der verbreitetsten Kul- 
itreligionen zu führen vermag, — nur der, sage 
fii der nach gründlichen von eigener Erfahrung 
begleiteten literarischen Vorstudien an solchen 

F Problemen seine Kräfte versucht hat, sollte den 

{omi auf dieser Arena mit den Theologen und 

f kionspsychologen von. Beruf aufnehmen. Der 

f Naturforscher, der im allgemeinen keine Zeit zu 

F iigions-und rechtspsychologischen Studien -er- 
| f isen kann, wird wohl in den meisten Fällen am 
| sten tun, sich vor vorschnellem Aburteilen über 

| diese Arten von Erfahrung zu hüten. Ich selber 
d {be mich jahrzehntelang in diesen Dingen sehr 
Fürickhaltend geäußert, und brauche das nicht zu 
Feen. Erst fortgesetztes jahrelanges Studium, 
ind das stellenweise nahezu grausig zu nennende 
| Artyrium der Vergangenheit, das im Krieg (zwar 
tinter der Front, aber doch um nichts weniger 
Bean und geradeso blutig als -das irgend- 
mes Kämpfers im Schützengraben) seine schmerz- 
‚the Krönung und dann in einer akuten Krisis seine 


, 
Ž 
a 


fp über diese Dinge zu urteilen, wie ich es jetzt 

e, dem Beifall von der einen, wie dem Mißtrauen 

In Tadel von der anderen Seite mit dem ruhigen 

| = eines Mannes entgegensehend, der nur 

artei orscherpflicht erfüllt, ohne irgendwelchen 
lèn dienstbar zu sein. 


u | = PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


nf phen sollte, bloß, weil man selbst solche Zustände 


Dem Arzt übrigens, der 


[iie Lösung fand, hat mir den Mut verliehen, 


171 


Der Begriff der Erfahrung also, der 
die Grundlage aller empifischen Wissenschaften 
bildet, muß vor allem von dem in Naturforscher- 
kreisen noch weit verbreiteten Vorurteil gründlich 
gereinigt werden, als kämen da bloß die physiologi- 
schen Perzeptionen der fünf Sinne, und die manu- 
elle und intellektuelle Aktion des Forschers in 
Betracht; selbst beim einfachsten Experiment und 
bei der elementarsten freihändigen Beobachtung 
ist ja doch der Forscher nicht bloß .aktiv, 
sondern (z. B. auch den Reaktionen der Instru- 
mente gegenüber) mehr oder weniger passiv?) 
zugleich eingestellt. Und nur der erzielt als 
Beobachter oder Experimentator Erfolge, der der 


‚befragten Natur gegenüber eine ganz beträchtliche 


Geduld, sozusagen den Willen, sie „leiden’” 
zu können, m. a. W. eine gewisse Liebe 
zur Sache aufbringt.‘) Auch sind, wie die Ge- 
schichte der Wissenschaften lehrt, nur solche durch 
Beobachtung und Experiment erworbene Erkennt- 
nisse als völlig reife anzusehen, die in jahrelangem 
Streiten und Leiden erworben und bewährt wur- 
den, bei denen sich sozusagen ein wohlabgedämpfi- 
tes Gleichgewicht, man könnte fast sagen eine Art 
von Vertrag zwischen der inquirierten Naturmacht. 
und der 'inquirierenden Forscherwelt hergestellt 
und befestigt hat, von dem man anzunehmen. be- 
rechtigt ist, daß die Geltung sich auf lange Dauer 
erhält. Auf ewige Dauer solcher Erkenntnisse 
zu rechnen, heißt schon deshalb die Grenzen der 
menschlichen Vernunft überschreiten, weil der 
Sprachgebrauch mit Naturnotwendigkeit 
einer fortschreitenden Entwicklung unterliegt. 
es in vielen Fällen mit 
äußerst verwickelten Erscheinungskomplexen zu 
tun hat, nicht minder aber auch dem Ingenieur, 
der sich gleichfalls häufig vor die merkwürdigsten 
Rätsel gestellt sieht, wird das Gesagte ohne weite- 
res einleuchten. Manchen Physikern aber, nament- 
lich- denjenigen Theoretikern unter ihnen, die 
immer noch zu sehr auf einer ewigen, unverbrüch- 
lichen und ausnahmslosen Geltung der Naturge- 
setze pochen, kann es nicht schaden, wenn hier das 
gerade vom positiven Standpunkt aus unhalt- 
bare ihrer Position einmal klar und entschieden zur 
Sprache gebracht wird. | 

Im Zusammenhang mit diesem in gar nicht ge- 
ringem Grade psychologisch-passiven Mo- 
ment der Empirie verdient hervorgehoben 
zu werden, daß noch einige andere hervorragend 


?) passiv nicht = quietistisch zu verstehen! _ 
+) Belegstellen aus Goethe u. a. anzuführen, gestattet 
der Raum nicht. 


172 


wichtige Begriffe der modernen 
das gleiche Schicksal teilen, meisthin gar zu ein- 
seitig unter dem Gesichtspunkt der Aktion be- 
trachtet zu werden. Ich meine da vor allem den Be- 
griff der „Arbeit”. Schon das lateinische Wort 
„laborare” sollte zu denken geben, das in der 
Fremdwortbildung ‚„laborieren” sogar einen vor- 
wiegend passiven Geschmack angenommen hat. 
Aber lassen wir die Philologie einmal beiseite. 
Es ist gar nicht zu beschreiben, sondern nur durch 
eirenes Erleben zu erfassen, welche ungeheure 
Arbeit von einem Nervensystem und besonders 
seinen zentralsten Teilen geleistet werden mub, 
lediglich um gehäuften äußeren Eindrücken gegen- 
über, die zur lebhaften sichtbaren Reaktion gerade- 
zu mit elementarer Gewalt herausfordern, voll- 
kommen ruhig zu bleiben. Und zu den wertvoll- 
sten Ergebnissen eines Streits, der vor Jahren 
zwischen Boltzmann und Ostwald ausge- 
fochten wurde, gehört die Feststellung der Tat- 
sache, daß wir einen wahrhaft energi- 
schen Menschen einen solchen nennen, der, ohne 
viel in sicht- und hörbarer Weise durch Handlun- 
gen, Worte oder auch nur Mienenspiel auf die 
Außenwelt zu reagieren, passiv sich verhaltend, 
dabei aber mit planvoll zäh-akkumulie- 
tender Willensenergie sich: wapp 
n.e.n-d.,.. den. Augenblick abwarten kann, wo sein 
aktives Eingreifen ein Optimum des Er- 
folgs zu erzielen vermag. Dies schwebte übrigens 
schon Julius RobertMayer vor, als er seine 
kleine für ihn so charakteristische Arbeit über Aus- 
‚lösungen verfaßte, und damit die Grundidee Sig- 
mund Freuds von der Gefahr eingeklemmter 
Afiekte vorwegnahm; freilich scheint mir Meyer 
(ebenso wie Freud) nicht deutlich genug daraui 
hingewiesen zu haben, daß es auch innere (in 
ähnlicher Weise wie ein wahrhaft guter Blitzab- 
leiter entspannend wirkende) fast unbemerkbare 


Formen der Auslösung gibt, die den gleichen Dienst - 


tuen, wie es das von Mayer als Beispiel ange- 
führte Holzspalten (zwecks Beschwichtigung auf- 
steigender Zorngefühle) tut. Jedenfalls hat J. 


Buchbesprechungen. 


.— Hollos, Dr. Stefan, Primarius der staatlichen 


Irrenanstalt Lipotmezö (Leopoldsfeld) in Budapest, und. 


Dr. S. Ferenczi, Budapest: Zur Psychoanalyse der 
paralytischen Geistesstörung. 55 S. Leipzig, 
Zürich, Internationaler psychoanalytischer Verlag. Preis 
35,00 M. 

Ein nicht unbedeutender Teil der psychischen Sym- 
ptome entspricht nach F. eigentlich „der psychischen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Naturforschung 


Wien, 


r k $ < RE: 
PTE | 
- SR 4 

Sà 


Bresler (S. 216 d. Wochenschr.) den Nagel auf 
den Kopf getroffen, als er das große Maß von 4 
Denkarbeit hervorhob, das in manchen Psychosen 
seitens der davon Betroffenen tagaus, tagein ge 1" 
leistet wird; und: wenn auch, wie er hinzufig i. 
meist diese Denkarbeit unfruchtbar. und in keine ih. 
Weise gewinnbringend zu verlaufen scheint, soi 
soll damit schwerlich gesagt sein, daß diese Unih 
fruchtbarkeit eine dauernde bleiben müsse. m 
Gegenteil ist es eine Tatsache, die’ich an mir selbst gi | 
und an anderen oft genug beobachtet zu habendi 
glaube, daß aus dem qualvollen tumultarischen Wi- ' 
derstreit von Meinungen und Gefühlen, die im Kopi.. ï 
eines Manischen oder Hypomanikers aufeinander {* 
stoßen, in der abklingenden Phase gar nicht selten 3 


Gedankengänge herauskristallisieren, die nadif 
Form und Inhalt wertvoll genug sind, um dif. 
durchgeführten nervenaufreibenden Kampf mil, 


aller Qual und Gefahr reichlich, und nicht nur lie 5 
den unmittelbar Beteiligten lohnend erscheinen u en 
lassen.?) 1 


Nach diesem Exkurs, der mir vor einem Forum B 
von Psychiatern und Psychologen sehr am Platz A 
zu sein schien, kehre ich zum eigentlichen Themo 
zurück. (Fortsetzung folgt) B 


5) Das im obigen über Arbeit und Energie Gesagt 3 
auf die-gleich benannten physikalischen Begriffe sinngt- E 
mäß zu übertragen, überlasse ich den Physikern und À 
Physiologen von Beruf. Die gewaltige Arbeit und Ener- y 
gie, die dazu gehört, um ein 25-kg-Gewicht mit auss i 
strecktem Arm unverrückt in der Schwebtd 
zu halten, dürfte einen brauchbaren Ausgangspuklä : 
zu solchen Erwägungen abgeben. Stillhalten kann Ast 
einer enormen Energieaufspeicherung. führe gs 
deren unvorhergesehene Entladung so verhängnisvoll ng 
werden vermag, daß sich Sicherungen als nötig erwe fmni 
sen. In Anbetracht der großen Aufmerksamkeit, db? k 
angeregt besonders durch die Physik der radioaktive: E 
Substanzen, dem Begriff der inneren Energit g 
materieller Systeme zurzeit entgegengebracht wird, 
dürfte es sehr zeitgemäß sein, vorstehende Erörterulk" | 
gen gelegentlich weiter auszuführen, als mir hier m 1 
lich ist. | | 


Bewältigung der durch die zerebrale Läsion mobile 
ten narzißtischen Libidomenge” (S. 39). „Der parat 
sche Melancholiker betrauert den Verlust des perei 
erfüllten Ichideals” (S 43). ,Mancher. mikromanistl 
Paralytiker wird mit dieser Trauerarbeit bis zu in 
Tode nicht fertig, der andere größere Teil der Ke N 
versteht:es aber, sich dieser Trauer durch einen n 1 
en ReaktionsmechanismuS oder = Tr 


RR A 

E 4a 

E IE 

K $, an 

m. un 
“yi R 


i Er — mittels der halluzinatorischen Wnschsöschose 
nfmentledigen” (S.44). „Triumph über die melancholische 
5 Trauer. „ erzielt durch die Auflösung des durch Identi- 
iierung EB nderten (und wegen der Entwertung be- 
E werten und verhaßten) Ichideals im narzißtischen Ich” 
2 4). Dies geschieht bei der Paralyse mit Hilfe des 
Ficktritts auf frühere Stufen der Ichentwicklung. Die 
(Fpralysis progressiva ist nach F. also psychoanalytisch 
Fe Paralysis regressiva (S. 47). So muß ein leeres 
ortspiel der Psychoanalysis regressiva auf die Beine 
en! Ebenso mutet es wie ein Scherz an: „Der 
na lensch kommt mit der Erwartung jener bedingungslosen 
Ailmacht zur Welt, zu der ihn die vor jeder Unlust ge- 
Fütherte wunschlose Existenz im Mutterleibe berechtigt” 
E $45). Der Größenwahn der Paralytiker soll nämlich 
Fin Rücktritt auf diese geistige Stufe sein. Überhaupt 
Fürses Arbeiten mit Rücktritt (Regression) und Stufen! 
f Körpergewichtszunahmen beim Paralytiker darf man 
E ails körperlichen Ausdruck der angestrebten ‚Ichver- 
i sößerung”, also des Narzißmus, ansehen” (S. 49). 
7 Woher- wissen die Erlöser (die Psychoanalytiker) 
IFewas von der „Erwartung jener bedingungslosen All- 
Puch”, mit der der Mensch angeblich zur Welt kommt, 
Avon der „vor jeder Unlust gesicherten wunschlosen Exi- 
1 tenz im Mutterleibe”, da doch die Frucht im Mutterleibe 
i le Lust und Unlust des mütterlichen Körpers und 
1 Ristes miterlebt. 

a Also mit der „Psychoanalyse” der paralytischen Gei- 
E Nesstrung ist es auch nichts. Bresler. 


a ER} 


> Therapeutisches. 
E Ion Dr. Franz Seiler, Berlin. 
a Vart 1921 Nr. 12. | 
7 Beschreibung einer Methode, die schon von anderer 
‚Seite mit Erfolg angewandt wurde und mit der Verf. 
N Selbst etwa 60 Fälle von Ulcus cruris, meistens schwere 
Eiche Unterschenkelgeschwüre auf varicöser Basis 

mit chronischer Stauung, chronischem Ödem, Thrombo- 
4 tung und Entzündung, Hautveränderungen heilen 


Therapie d. Gegen- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


die neue Adresse zu beantragen. 


— Die Behandlung der Ulcera cruris mit Pyoktanin. 


173 


konnte. Nach Reinigung der Umgebung und Abtupfung 
der Geschwürfläche mit Benzin wird eine zehnproz. 
Pyoktaninlösung auf die Wunde und deren Ränder auf- 
gepinselt.e Nach dem Trocknen trägt man dick Zink- 
salbe auf, legt mehrere Schichten glatten Mulls darüber 
und fixiert mit einigen Mullbindentouren. Zur Besse- 
rung der Zirkulation wird eine gut elastische: Trikot- 
schlauchbinde vom Fuß an, die Zehen freilassend, auf- 
wärts bis dicht unterhalb des Knies geführt; darüber 
kommt eine Stärkebinde. Der Verband wird in vier- 
wöchigen ‘Abständen gewechselt, nur bei starker Sekre- 
tion ein bis zwei Tage früher. Die Patienten können 
ungehindert ihrem Berufe nachgehen. 


Personalnachrichten. 


— Baden. Die Anstaltsärzte Dr. Alfred Piunder 
und Dr. Franz Weisenhorn an der Heilanstalt Illenau 
wurden zu Anstaltsoberärzten ernannt. 

Anstaltsarzt Dr. Hans Goeckel an der Heilanstalt 
Wiesloch wurde zum Bezirksarzt in Meßkirch, Anstalts- 
arzt Dr. Walter Moog an der Heilanstalt in Emmen- 
dingen zum Bezirksarzt in Bühl ernannt. 


Bezieher der Zeitschriit, 

denen diese durch die Post zugestellt wird, wollen sich 
im Falle unregelmäßiger Zustellung stets an die Post- 
anstalt ihres Wohnortes bzw. ihres Postbezirks wenden. 
Bei Wohnungswechsel ist ebenfalls sofort die Bestell- 
postanstalt zu benachrichtigen und die Überweisung an 
— Bezieher, die die 
Zeitschrift bei einer Buchhandlung bestellt haben und 
durch diese zugestellt erhalten, müssen ihre Reklamation 
bei der betr. Buchhandlung anbringen. — Auslandsabon- 
nenten, welche die Zeitschrift durch Kreuzband erhalten, 
reklamieren direkt beim Verlag. 


Es wird gebeten, allen Aniragen an die Schrift- 
leitung resp. den Verlag über redaktionelle 
Fragen das Rückporto beizufügen. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummern. 
Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 
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- Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 3 


: Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


| Oeh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge. (Berlin), Geh. Med.- 
| Rat-Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
I (Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
-Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Merckin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
| Maer-Onlin (N.-Ö.), ob. -Med. -Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Nr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. SE aes 


Schriftleiter: 
 Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


' | Nr. 27/28. | | 7. Oktober _ 1922/23. 


r AINAR E EE POA E RELS EEE oh ee ne TE re a 2 ET re A E Me u 1 u t 
ae nn ne a en Ze De A Da tn mn an nn in a 
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A Bezugspreis: : EF a 
i a i Zuschriften für die Schriftleitung 
Eoi ne us Vierteljahr ee Verlag und Ausgabe: sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
BE ind werden nach der vom Deut- | Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
| schen Buchhandel vorgeschrie- Carl Marhold Verlagsbuchhandlung Bei Anfragen ist. das Rückporto 
| benen Verkaufsordnung für das | Y beizufügen. 

Ausland berechnet. Zu beziehen Malle a. S., Mühlweg 26 Alleinige 
a Aurchjed. Buchhandlung, d. Post Anzeigen-Annahme: 
| unmittelbar vom Verlage. Er- Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale Hans Pusch, Berlin NW. 7, 


i | scheint bis auf weiteres vier- 


Postscheck: Leipzig 32070. 
ehntägig in Doppelnummern. pzıg Dorotheenstraße 73. © 


4 Ithait: Summarische Zusammenstellung über Beratungsstellen, Entlassenenfürsorge, Strafgesetzreform, Reichs- 
z ` irrengesetz und Dezernentenfrage. Von Oberarzt Dr. F. Kroemer, Schleswig. Schluß. (S. 175.) 
4 Mein Verhältnis zu Einstein’s Weltbild. Von Ludwig Lange, Tübingen. Fortsetzung. (S. 179.) — Referate. 
4 S. 183.) — Wirtschaftliches. (S. 183.) 


F E- | 

5 I der Provinzial-Heilanstalt Schleswig-Stadtfeld (Direktor: Sanitätsrat Dr. Dab elstein). 
| Summarische Zusammenstellung 

: über den gegenwärtigen Stand der folgenden Fragen in der Psychiatrie: 

i i 1l Beratungsstellen für Psychopathen und Ent- | MI. A. Reform. des: Straigesetzes und Strafvollzug. | 


lassene und offene Nervenabteilungen. B. Reichsirrengesetz. 
l Entlassenenfürsorge. | IV. Dezernentenfrage. 
Von Oberarzt Dr. F. Kroemer, Schleswig. 
| ; (Schluß.) | 
B. Reichsirrengesetz. Jeder Geisteskranke soll danach das Recht haben, 


is zu seinem ‚Schutze eigens dafür eingerichtete 
manche Frage bei der Strafrechtsreform „Schutzgerichte” anzurufen. Kolb denkt sich 


Ach | 
en. geklärt, besonders nicht in bezug auf das Schutzgericht bestehend aus einem Richter, 
, te psychiatrisch-sachverständige Wün- dem Anstaltsdirektor und drei Laien. Er hat dar- 


She u 
i a ee Forderungen, so gilt dies ebenso von dem „uf eine starke und entschiedene Gegnerschaft ge- 
u schaffenden Reichsirrengesetz, womit sich tunden. 


| (tres j chultze, GutmEen und Kahl In längeren Ausführungen sind Baumann und 
N tben, er a: gemeinsam besonders beschäftigt Rein, Landsberg, prinzipiell nicht gegen die Ein- 
J richtung des Schutzgerichtes (Allgem. Zeitschrift f. 
|.  Vorweg nehmen möchte ich hier einen diesbe- Psych. S. 112). Sie halten dem Ausdruck „Irren- 
chen Passus aus den bekannten Vorschlägen fürsorgegerichte” aber für passender. Sie denken 
N "Kolb, worin dieser 1919 über. Verbesserung  &s sich als aus drei Instanzen (in Preußen) beste- 
B Rechtsschutzes der ‘Geistëskranken redet. hend: 


176 


uud, 


. Instanz: = Schutzgericht für jeden Anstalts- 
bezirk. Mitglieder: 1. Jurist als Vorsitzender, 
2. Anstaltsdirektor, 3. Fürsorgepsychiater, 4. 


zwei Laien. 
2. Instanz: Sitz: Ort der Provinzialverwaltung. 
Mitglieder: 1. Jurist (Vorsitzender), 2. Provin- 


zialpsychiater, 3. ein Laie. 

3. Instanz = lediglich Berufungsinstanz, rein staat- 
lich gedacht, dem Ministerium angegliedert. Mit- 
glieder: 
rer Richter als Verwaltungsiurist, 4. zwei Laien. 


Da es noch lange nicht überall Fürsorge-, Pro- - 


vinzial- und Landespsychiater gibt, muß dieser 
Vorschlag vorläufig mindestens 
werden, ganz abgesehen von der Frage seiner 
Tauglichkeit. 


* * 
* 


Ich möchte jetzt zurückkommen auf das zu schaf- 
tende Reichsirrengesetz nach Schultze 
und Kahl. 

Wichtigste een sind nach ihnen die fol- 
genden: 


1. Unter entscheidender Mitwirkung der Irrenärzte 
sollen berechtigte ärztliche Rücksichten auf den 
Kranken und auf seine Umgebung nicht hinter 
rein rechtlichen Gesichtspunkten zurückstehen. 

2: Die Schaffung einer Zentralbehörde für -das 

Irrenwesen, die von einem in der Anstaltspflege 

- erfahrenen Irrenarzte geleitet wird, für den Gel- 
tumgsbereich des Reiches oder der einzelnen 
Länder bzw. Provinzen ist dringend geboten. 

3. Kriminelle Geisteskranke. Die Anstaltsverwah- 
rung von diesen Kriminellen (Zurechnungsfähi- 
gen, vermindert Zurechnungsfähigen, auch der 
Trunksüchtigen) ist ausschließlich der Regelung 
durch das künftige Strafgesetzbuch und Straf- 
vollzugsgesetz zu überlassen. 


a) Kranke innerhalb der Anstalten. 


l. Jede Aufnahme soll der Sicherungsbehörde an- 


gezeigt werden, die die Anstalt in irrenrecht- 


licher Beziehung überwacht. 

2. a) Jeder Anstaltsinsasse soll ohne Unterschied 
‚des Lebensalters und des Grades seiner Ge- 
schäftsfähigkeit jederzeit .das Recht haben, bei 
der Sicherungsbehörde gegen seine Anstalts- 
unterbringung und die mit ihr zusammenhängen- 
den Maßnahmen der. Anstalt Einspruch zu er- 
heben. Das dann einzuleitende Sicherungs- 
verfahren sei dem Entmündigungsverfahren 
hinsichtlich der Form nachzubilden. Es soll den 
ordentlichen Gerichten, nicht den Verwaltungs- 
gerichten übertragen werden. Die erste Instanz 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


1. Jurist, 2. Landespsychiater, 3. höhe- 


zurückgestellt - 


Hamburg habe in gewissem Sinne Maßrege 


sich bei der Gesundheitsbehörde zu beschwertfi Ä i 


schen Universitätskliniken hervorgehoben wird. 


[Nr. 27128 i 


soll das Amtsgericht sein, in dessen Bezirk die 3 
Anstalt liegt. Grundsätze des Verfahrens: Nicht f 
öffentliche mündliche Verhandlung. Anhörung $ 
des Beschwerdeführers. Nur ausnahmsweise $. 
hiervon abzusehen. Vernehmung von Sachve 4 
ständigen, jedenfalls des Anstaltsarztes. Zula- 4" 
sung von Fürsorgern oder Anwälten. Fakulta # 
tive Mitwirkung der Staatsanwaltschaft. E 
. b) Bestellung von Fürsorgern für Anstalt 
kranke. Es kann dem Kranken ein Fürsorge P 
bestellt werden für alle Angelegenheiten, de” 
mit seiner Anstaltsverwahrung und deren Be P 
endigung in einem wenn auch nur losem Zusam- P 
menhang stehen. (Ev. Einrichtung von Bef 
rufsfürsorgern.) | : 
. Entlassung aus der Anstalt. Dafür sollen iif 
erster Linie ärztliche Gesichtspunkte maßgebend #1 
sein. Verlangt der freiwillig Eingetretene seine fi 
Entlassung oder ist die Beobachtungszeit abge f 
laufen, so erfordert seine weitere Verwahrung {i 
das regelrechte Aufnahmeverfahren. 1 


[ID 


TE 


b) Kranke außerhalb der. Anstalten. 


Die Fürsorge für Geisteskranke, die nicit" 
oder nicht mehr in einer Anstalt untergebracht $ 
sind, muß einer Fürsorgebehörde (I, 2b) über f 
gen werden, die für den Bezirk einer Anstalt ge En 
bildet und unter deren Leitung gestellt wird. R 


Diese erwähnten Leitsätze wurden auf N 
Dresdener Versammlung des „Deutschen Verein T& 
für Psychiatrie” (1921) ausführlich entwickelt. BẸ 
sei deshalb auch hier auf die hauptsächlichsten 4$ 
Diskussionsbemerkungen kurz einge g” 
gangen, weil sie die herrschende Stimmung kem 
zeichnen. 1 

In der Aussprache sagte Baumann, i. 
Reichsverband beamteter deutscher Irrenärzte % py 
seitens des Ministeriums zugesichert, an den vor d 
arbeiten zum Gesetz beteiligt zu werden. $ 

Weygandt: Hindernd wirkt die überwef 
tige Idee der Gefährdung der persönlichen re 1 

nwet 
die vorgeschlagenen. Jeder Insasse habe das Recht, E 


außerdem die Klagemöglichkeit bei den ordent- In 
lichen Gerichten. Fürsorgeärzte, die von den Al- f 
stalten zu stellen sind, seien sehr zu empfehlen. fi 

Anton, Halle, beantragt, daß bei Äußerungel i 
des Veram die Notwendigkeit einer freieren ul gi 
ungehemmten Aufnahme bezüglich der psychiattt Ih 


. Emanuel, Charlottenburg, freut sich, daß die 1 


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© Fprivatanstalten ebenso wie die Öffentlichen behan- 
Fit werden sollen. | 

bi ] Weiler, Westend, hält nicht das Amtsge- 
"4 icht für die geeignete Behörde bei Einspruch Gei- 
Fseskranker. Besser sei ein zweckmäßig zusam- 
Anengesetztes Fürsorgeamt. 

i  NeiBer, Bunzlau, ist mit allen Kontrollmaß- 
„Ẹohmen der Anstalten einverstanden, sofern die- 
p {ben von sachkundiger und unvoreingenommener 
‚Seite gehandhabt werden. | 
.4 Meyer, Königsberg, sieht eigentlich keinen 
„Iitind für den Psychiater zu einer Irrengesetz- 
„f bung. 

4 Delbrück, Bremen, spricht sich im allge- 
ng meinen für die Hamburger Handhabung aus. Er 
(fht Bedenken gegen die Wahl des Amtsgerichts als 
eg icherungsbehörde und sagt, es komme hierbei die 
-Filgemeine Aufsichtsbehörde der Landesregierung 
rd i Betracht. | 

f Vocke, Eglfing: Die Psychiater könnten 
4 fen Rechtsschutz durch das Gericht auf dem Wege 
Fir freiwilligen Gerichtsbarkeit nur als großen 
1 Fortschritt begrüßen. Das Gesetz solle nicht gegen 
t pms sondern mit uns gemacht werden. 

4 Es wurde folgender Schlußantrag ange- 
. 4 ommen: | Re 

f „Der deutsche Verein für Psychiatrie ersucht 
4 das Reichsministerium des Innern, ihm vor Erlaß 
E enes Reichsfürsorgegesetzes für 'Geisteskranke 
7 üsssen bisherigen Entwurf rechtzeitig zur gutacht- 
z chen Stellungnahme zugehen zu lassen und wei- 
|} lin Gelegenheit zur Mitarbeit durch Fachärzte 
4 geben, deren Auswahl im Einvernehmen mit 
o [en deutschen. Verein für Psychiatrie. erfolgen 
4 Vurde” 


4 Die Ansichten der Psychiater sind also geteilt. 


f 


‚7 webe, doch scheint es zweifelhaft, ob der teil- 
F es, begründete Widerstand der Fürsprache auf 
A der anderen Seite gegenüber in diesem Punkte Er- 
i ikg haben wird. 

‚4 Bemerkt sei hier, daß auch Kraepelin drin- 
= empfiehlt, die Entscheidung über die An- 
i Sallsbedürftigkeit den Gerichten zu übertragen, 
A — Seeignete Sachverständige nach Bedarf zu er- 
} “nen haben. Den Kranken und Angehörigen 
i Misse das Recht zur Anrufung eines Sachverstän- 


T a. zuerkannt werden. Die jetzige Einrichtung, 
R Kranker nur unter der Gefahr der Entmün- 
1. 8 oder unter Anrufung der vorgesetzten Be- 
T ngt verbesserungsbedürftig, da im letzteren Fall 


IT 

fi f digun 

1 de seine Entlassung betreiben kann, sei unbe- 
1 "er nur die gleichen Sachverständigen zu ent- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


i J sist die Frage der Sicherungsbehörde noch in der 


-177 


scheiden haben (Allg. Zeitschr. f. Psych. 1920-21 
S. 263). 

Außerdem hat sich der „Verein bayeri- 
scher Psychiater” bei einer Abstimmung 
über die drei Punkte: 

i. Entscheidung durch freiwillige Gerichtsbarkeit, 
2. Tachärztliche Entscheidung, 
3. Entscheidung durch Schutzgerichte im Sinne 

Kolbs, | 
überwiegend für Punkt 1 ausgesprochen, damit 
Punkt 2 und 3 abgelehnt. 

Die Ansicht von Kahl (Allg. Zeitschr. f. Psych. 
Bd. 77 S. 398), die psychiatrischen Kliniken müß- 
ten in eine reichsgesetzliche Regelung nicht hinein- 
bezogen werden, ist meiner Ansicht nach zu 
bekämpfen. Er wolle das Lebensgebiet der Uni- 
versitäten auch an diesem Punkte tunlichst von 
reichsgesetzlicher Bevormundung frei halten. Ein 
diesbezüglicher Gesetzesparagraph müßte sich, 
meiner Ansicht nach, wenn er für nötig gehalten 
wird, auf alle Geisteskranken erstrecken. Wenn 
die Kranken dieses Schutzes bedürfen, so dürfte 
er den in einer Klinik untergebrachten nicht vor- 
enthalten werden. Warum sollen denn diese weni- 
ger des Schutzes bedürfen? Soll denn dadurch in 
der Öffentlichkeit die gefährliche Meinung entste- 
hen, Öffentliche Anstalten könnten ein Interesse 
daran haben, die Kranken über Gebühr intra muros 
zurückzuhalten ? 


IV. 
Dezernentenfrage. 


Schön 1893 forderte der „Verein der deut- 
schen Irrenärzte” in den 16 Artikeln, die als 
Unterlage für eine Reichsirrengesetzgebung vorge- 
schlagen wurden, in Artikel 12: 

„Der Zentralbehörde jedes Staates ist ein mit 
der Psychiatrie und der Irrenpfilege durch lang- 
jährige Erfahrung im Anstaltsdienste theoretisch 
und praktisch vertrauter 'Irrenarzt als technischer 
Rat beizugeben. Demselben ist die Leitung. des 
gesamten Irrenwesens und die Oberaufsicht über 
die Irrenpflege zu übertragen und hat derselbe 
diesem Amte ausschließlich zu leben”. 

Ferner wird in dm Entwuri des zu 
erwartenden Reichsirrengesetzes 
(Schultze und Kahl) die Forderung „nach 
Schaffung einer Zentralbehörde für das Irrenwesen, 
die von einem in der Anstaltspilege erfahrenen 
Irrenarzte geleitet wird, für den Geltungsbereich 
des Reiches oder der einzelnen Länder bzw. 
Provinzen” als dringend geboten erachtet. 

Drittens hat der Reichsverband beamte- 


178 


ter deutscher Irrenärzte, dem alle Irrenärzte mit 
verschwindend geringer Ausnahme (1 v. H.) ange- 
hören, in den von ihm ausgearbeiteten Richtlinien 
über die zeitgemäße Gestaltung der dienstlichen 
und beruflichen Stellung der Ärzte an den öffent- 
lichen Irrenanstalten in Ziffer 18 folgendes festge- 
legt: 

„Das Standesinteresse erfordert, daß die ent- 
scheidende Aufsichtstätigkeit bei der vorgesetzten 
Behörde von einem fachärztlichen Sachverständi- 
sen, der im Benehmen mit der Standesvertretung 
bestellt werden soll, ausgeübt wird.” | 

Unter Berücksichtigung der 
schichte des Irrenwesens sehen wir, 
daß erst seit reichlich einem Jahrhundert von 
einem praktischen Irrenwesen gesprochen werden 
kann. Seitdem haben die Ärzte die Führung auf 
dem psychiatrischen Gebiet . übernommen. Der 
bekannte allgemeine Aufschwung, den die Psychia- 


trie besonders in den letzten Jahrzehnten genom- 


men hat, ist die Folge von erfolgreichem Drängen 
und Fordern sachverständiger Irrenärzte nach Ein- 
richtungen und Behandlungsmöglichkeiten, die auf 
der Höhe der Zeit, der Kultur, stehen, soweit hier- 
bei psychiatrische Momente in Frage kommen. Es 
kann nicht bestritten werden, daß die Irrenärzte 
selbst es waren, die das Irrenwesen auf die er- 
reichte Höhe gebracht haben. Sie waren auch die 
einzigen hierfür in Betracht kommenden Sachver- 
ständigen. Das Gute, was erworben ist, ist er- 
haltungswert,' es ist aber auch durch noch Besse- 
res zu fördern und weiterer Ausgestaltung würdig. 
Bisher war das Hauptinteresse fast ausschließlich 
der Anstaltspflege selbst zugewandt. Es ist jetzt 
die Zeit gekommen, nunmehr die Irrenfür- 
sorge auch außerhalb der Anstalten 
zu verbessern. Die drei vorstehend behandelten 
Themen beweisen dies. 

Wir sehen nun, daß trotz aller a und 
Fortschritte auf dem psychiatrischen Gebiet, die 
wir der psychiatrischen Ärzteschaft zu verdanken 
haben, an maßgebender Stelle bei den Provinzial- 
behörden als Dezernent über die Irrenanstalt ein 
Nichtfachmann sich befindet, der als Jurist bei 
bestem Willen dem Irrenwesen nicht das: Ver- 
ständnis entgegenbringen kann, wie es ein ge- 
Schulter, bewährter, langjähriger Psychiater ohne 
weiteres besitzt. Hier müßte Abhilfe geschaffen 
werden. Haben doch die Provinzialbehörden, was 
das Bauwesen, Wegeverwaltung usw. betrifft, die- 
ser Überlegung. längst Rechnung getragen. Das 
Gebiet des Bauwesens liegt einem juristischen De- 
zernenten ebenso fern wie das Irrenwesen. Man 
sollte annehmen, daß dem juristisch - durchgebilde- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Gr 


‚hält. A ' 


[Nr. 27/2 fp 


ten Dezernenten ein Gefallen erwiesen wird, wenn he 
er von nicht juristischen, psychiatrischen Angek-# hi 
genheiten befreit wird. Es geht also hieraus her. | 
vor, daß gegenwärtig der fachmännisch ausgehil- 4 de 
dete Irrenarzt nicht in der Lage: ist, die Stellung‘ nt 
selbständig auszufüllen, die ihm kraft seiner lang Pr 
jährigen spezialistischen Vorbildung gebührt. 4 des 

Es muß anerkannt werden, daß bei einzelnen‘ M 
Provinzialverwaltungen bereits der Anfang gei 
macht ist, die eben erwähnten Tatsachen zu än ñ 
dern. Zweifellos aus dem Bedürfnis heraus, Milf ke 
stände zu beseitigen und das Irrenwesen durch. Ne 
eingestellte sachkundige Berater an der richtigen {n 
Stelle zu fördern. Es gibt in einzelnen Provinzen {ir 
seit einer Reihe von Jahren einen psychiatrische £ 
Medizinalreferenten, der dem juristischen Irre $ 
anstaltsdezernenten zur Seite steht, meist ein And 
staltsdirektor, der als solcher in nebenamtici W 
Stellung von der Zentralbehörde als sachverstän-4 I 
diger Berater hinzugezogen wird. Sie macht mi 
dann davon Gebrauch, wenn sie es für richtig hr 


In der Provinz Bran denb urg ist ein An 
staltsdirektor als Medizinalreferent im Nebenami k 
tätig, dem ein Vertreter bestellt ist in der Person {N 
eines weiteren Direktors. {n 

In Pommern ist bisher ein Anstaltsdirekto $ ht 
als fachmännischer Berater des Landeshauptmams $ Q 
tätig mit einer ruhegehaltsfähigen Zulage. l 

‘Inder Rheinprovinz wurde zum 1. Ad 3 
1921: ein Oberarzt zum Landesmedizinalrat er? t 
nannt, der in gleichgestellter Eigenschaft mit sinen À 
juristischen Landesrat die Bearbeitung des [ret I 
wesens zu übernehmen hat. Hannover hat el N 
ähnliche Einrichtung getroffen. È 

Das Gleiche geschah Mitte 1921 in Bai 
wo ein Konstanzer Oberarzt als Landesmedizina 
rat ins Ministerium zur alleinigen Wahrnehmit I 
der erwähnten erforderlichen Geschäfte berutet in 
wurde. i 

Die Frage, ob ein Medizinalreferent im gi 
Haupt- oder Nebenamt anzustellen wäre f 
dürfte im allgemeinen zugunsten des ersteren A i 
entscheiden sein, da er ja die volle Funktion des } ji 
ietzigen juristischen Dezernenten auszufüllen hätte. l 

Die Funktion im Nebenamt kann ohne Frage f % 
zu Mißhelligkeiten führen, da die Grundstellung di ' 
Anstaltsdirektor dabei bestehen bleibt. Es ist "E 3 
kannt, daß die Stellung des „primus inter pares i 
für beide Teile entweder eine recht schwie |e 
oder auch eine unbequeme sein kann. Immerhll ; > 
wäre auch damit schon Wesentliches erreiçht: 1 In 

Die Stellung eines selbständige!’ t 
Provinzialpsychiaters als pezet] . 


AD ang ~ 
F o ee 
-0 NA 
| h BAN = 
~ d 
‚in 2 De 


28 11022] 
u 


nhient denken sich Baumann und Rein (Allg. 
e fhitschrift f. Psych., Bd. 76 H. 1) wie folgt: 

E Fr leite die rein ärztlichen Angelegenheiten 
l- feses Ressorts selbständig (so wie der Landesbau- 
g fatin seinem Fach). Er habe Sitz und Stimme im 
n Povinzialausschuß; er sei psychiatrisches Mitglied 
Its Prov. Medizinalkollegiums, oberster Fürsor- 
der und Begutachter für alle psychiatrischen Fra- 
u en der Provinz. Ihm sind zu unterstellen alle 
tätentlichen Anstalten für Geisteskranke, Epilepti- 
ker, Schwachsinnige, Psychopathen, Trinker und 


"fere Anstalten angegliedert sind, ferner die Privat- 
i frenanstalten, soweit der Staat die Aufsicht über 
Adiese ausübt, und das psychiatrische Fürsorgewe- 
"480", Zum mindesten wären für seinen Wirkungs- 
Käßreich zu fordern die Unterstellung der Fürsor- 
TAkerziehung, der Krüppelfürsorge, der externen 
KAltnfürsorge, der Beratungsstellen. 

t} Daß der Provinzialpsychiater (Dezernent, Me- 
Sflinalteferent) aus der Reihe der Provinzial-Irren- 
a ätzte hervorgehen muß, ist selbstverständlich. Aus 
Welchen Gründen in der Rheinprovinz und in Ba- 
(len nicht ein Anstaltsdirektor, sondern ein erster 
i FOberarzt für diesen Posten gewählt wurden, ist 
1 hier aus nicht zu übersehen. Auch Hannover 
it jetzt übrigens einen ersten Oberarzt zur Be- 
Neigung in die Zentralbehörde genommen. 

i Zweifellos wird der psychiatrische Dezernent 
E | 


5 


TE 
q 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


hflktvenkranke, letztere, soweit sie an geschlos- 


179 


‚eine im allgemeinen den Direktoren übergeordnete 


Stellung einnehmen müssen. Es ist daher ver- 
ständlich, wenn mancher Direktor der Meinung 
sein könnte, sein Wirkungskreis sei bei dem bis- 
herigen Modus vielleicht gesicherter und selbstän- 
diger. Der direktoriale Wirkungskreis muß dem- 
nach so genau umschrieben sein, daß ihm bei ganz 
bestimmter Festigung niemand, auch nicht der De- 
zernent, in überflüssiger Weise hineinreden kann. 
Er muß also die ihm jetzt obliegenden Befugnisse 
in vollem Umfang beibehalten. 

Kein rechtlich denkender Mensch wird es den 
Irrenärzten verübeln können, wenn sie, aus inner- 
ster Überzeugung das Wohl des Ganzen, ihrer Wis- 
senschaft, im Auge habend, drastisch ausgedrückt, 
das geschlossene Streben nach Eliminierung des 
juristischen Kuratels zeigen. 

Der Jurist kann sich, auch bei sonstigen hohen 
geistigen Fähigkeiten, in die Eigenarten und An- 
forderungen, die die moderne Irrenpflege und -für- 
sorge mit sich bringt, nicht so hineindenken und 
hineinarbeiten, wie der langjährig geschulte Psy- 
chiater, der von jeher in dieser Materie lebt und 
webt. Das umgekehrte Verhältnis wäre ebenso 
unglücklich und ebenso falsch. — Die Bestellung 
von psychiatrischen Dezernenten bei den Zentral- 


 behörden wäre ein Schritt, der sich den größten, 


in der Irrenpflege bisher gemachten, würdig zur 
Seite stellen könnte. 


Mein Verhältnis zu Einstein’s Weltbild. 


g Nebst Grundlinien zu einem pragmatischen System der positiv-ideotropen Kontinuitätsphilosophie. 


‚a 


Von Ludwig Lange, Tübingen. 


í 


1 |  (Fortsetzung.) 


| Das pragmatische System einer 


7sitiv-ideo tropen Kontinuitätsphi- 
Fsophie des Naturerkennens und 
{ e Naturbeherrschung, wie ich es 
äußerst zeitgemäß und nützlich halte, aber 
E aich nur in seinen wichtigsten Grund- 
| E. X Skizzieren kann, nimmt, wie wir sahen, 
: l ind sale von der kämpfenden Anpassung 
4 D viduums und der Gesellschaft an die gege- 
And. i ikro- und makrokosmischen Verhältnisse, 
‚| u. hineingestellt sind: Da ist nun gewiß 
kn en, daß Erkenntnisse auf dem Gebiet des 
en Geschehns sogar dem Einsamen 

ER Sind, indem er zu einem einigermaßen und 
i ee nn befriedigenden, m. a. W: harmoni- 
EM a - tbild auch ohne viel Mitarbeit anderer 
# en Stand gesetzt sehen mag. Diese Art 


J 


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a 
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| 


von solitären Erkenntnissen hat aber natürlich 
einstweilen einen subjektiven und somit in ge- 
wissem Sinn ganz besonders relativen 
Charakter. Infolgedessen erweisen sie sich gar 
häufig, wenn er von ihnen Gebrauch machen will, 
um mit größeren widerstrebenden Gewalten des 
Natur- und Menschenlebens fertig zu werden, als 
unzureichend. Kurzum, es gibt eine Klimax 
(Stufenleiter) der Relativität, oder 
verschieden hohe Grade in der Relativi- 
tät der menschlichen Erkenntnis, 
die man nicht ungestraft als einander schlechthin 
gleichwertig setzen kann. 

Handelt es sich nun vollends darum, daß sich 
die kleine Menschenwelt ganz großen Naturgewal- 
ten gegenüber behaupten, ja sie in ihren Dienst stel- 
len soll, wie es in vielen Zweigen der Technik, 


180 


z.B. der elektrischen Kraftübertragung, dem Kanal- 
bau oder der Seuchenbekämpfung, alle Tage zur 
unabweisbaren Aufgabe wird, so tritt beim unver- 
meidlichen Austausch und Ausgleich gewonnener 
Individualurteile mit Notwendigkeit das ge- 
schriebene und gesprochene. Wort, 
d.h. der „Logos’”, in seine Rechte, der von 
manchen Naturforschern, aus einem historisch 
zwar begreiflichen, aber von Rechts wegen doch 
längst veriährten Haß gegen Philologie und Theo- 
logie heraus noch immer auch nicht annähernd 
nach der Bedeutung geschätzt wird, welche ihm 
bei Bewältigung solcher Riesenprobleme zukommt. 
Wennschondas Naturerkennen ohne Mitwir- 
kung des Logos in der größten Gefahr ist, in ein 
kümmerliches Spintisieren ohne Konsolidierung 
von nachwirkender Kraft auszuarten, so gilt ähn- 


liches von der tätigen Naturbeherrschung 


noch in erhöhtem Maße. Gerade von sehr berufe- 
ner technischer Seite ist neuerdings mit großem 


Nachdruck den Ingenieuren ans Herz gelegt wor- 


den, zu bedenken, daß ihnen alle Kenntnis der 
physischen Rohmaterialien, sowie die gründlichste 
Übersicht. über die formalen Ausgestaltungsmög- 
lichkeiten der Maschinenelemente verzweifelt 
wenig hilft, wenn nicht eine tief eindringende Er- 
kenntnis vom pragmatischen Wesen der Gerechtig- 


keit und ein scharfes und klares psychologisches 


Urteil über Befähigung und Charaktereigenschaf- 
ten der manuellen und maschinellen Mitarbeiter, 
sowie die unendlich wertvolle Gabe hinzukommt, 
mit jedem von ihnen individualisierend just die 
. Sprache zu reden, in der ihm das Denken leicht 
fällt und Freude macht. Namentlich die große 
Kunst, Hemmungen des Wollens aus dem Weg zu 
räumen und Arbeitsfireudigkeit zu wecken 
und zu erhalten, ist fürwahr zu den größten und 
zeitgemäßesten Nothelferinnen des neuen Deutsch- 
land und der ganzen zeitgenössischen Welt zu 
rechnen. Diese Kunst aber ist eine ausgesprochene 
Logos-Kunst, die eine hervorragende Bewandert- 
heit in den Idealen aller Zeiten und Völker voraus- 
setzt, und sich leider nur recht selten bei den heu- 
tigen Praktikern so reich ausgebildet vorfindet, wie 
. Sie eigentlich im Interesse des Betriebs sein sollte. 
Zur Arbeitsfreudigkeit gehört natürlich, da Arbeit, 
wie wir sahen, niemals eine reine Aktion (noch viel 
weniger freilich ein schmerz- und gedankenloses 
Mitdemstromschwimmen) ist, sondern stets auch 
ein passives Moment einschließt, eine gewisse 
Leidens- oder Opferfreudigkeit. 

„Wie altmodisch!” höre ich da den einen oder 
anderen Übermodernen einwerfen. Ich empfinde 
aber dieses Prädikat gar nicht als Tadel, denn die 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


-und sich-volleriden sahen, psychisch schwerer di 


[Nr. 270 


Geschichte der Moden in Wissenschaft, Kuni 
und Gewerben beweist zur Genüge, daß da \ 
Altmodische fast über Nacht sehr neumodisc 
werden kann, wenn die Zeiten sein Wiederaufkomd 
men gebieterisch fordern. Und daß mit einer gl 
wissen nüchternen Leidensbereitschaft für une 
armes Vaterland und Volk von dem Augenblick ai 
sehr viel gewonnen sein wird, wo der libidiniseh 
(Sadismus herausfordernde und entnervenddik" 
Psycho-Masochismus gewisser breiter jugend y 
licher Massen ein Ende nimmt, wird kein versti ir a 
diger Mensch bestreiten. k: 

Mancher Ingenieur hat schon bewundernd y a je 
den Monolithen von Baalbeck, den Pyramiden vol z 
Gizeh und anderen technischen Riesenleistungeif 
des alten Orients gestanden und bescheiden au 
geben müssen, daß die Logoskünste der alten Pred 
sterkasten einen Kooperationseffekt ermöglichte F 
über den die moderne Technik mit allen ihren m me i 
schinellen Errungenschaften nur staunen anf" 
Und man darf auch sehr zweifeln, ob die ungehei 
ren leibeigenen Menschenmassen, welche daml a 
in äußerst angespannter streng geregelter rhyiiir 
mischer Pflichterfüllung den Appetit zur Spar 
und zum Trank, und diese selbst erwerben koma 
ten, und welche dabei das Werk ihrer Hände doii 
wohl nicht ganz ohne Befriedigung emporsteigel y 


> 5 


unter zu leiden hatten, als die gewaltige Menge der À 
vielen durch Unfälle und Rentensucht krank 
apraktisch gewordenen Nervenkrüppel- unset hi 
Fürsorgeanstalten, wie sie seit der Gestaltung nF | k 
derner technischer Wunderwerke, z. B. des Eiffel a 
turms, des Panamakanals, der Flugschiffahrt un 8 
ähnlicher großartiger Errungenschaften, der leti u 
ten Jahrzehnte so massenhaft in die Erscheint ji i 
traten. ù 

Doch dies nur nebenbei. Die Hauptsache He ll 
sich darüber klar zu werden, daß es sich sowoll ki 
f 
I: 


i 


beim Naturerkennen als auch bei der Naturbeher f ; 
schung um eine ausgesprochen soziale Sadik 
handelt, und daß beide auch keineswegs durch d® 
gemeinschaftliche Arbeit des zufällig gel’ 
lebenden Menschengeschlechts allein, uni i 
vielmehr stets durch die Gedanken- und Muski 
arbeit ganzer Generationen Längs Ik 
gestorbener Menschen mitbedingt sint 

Und hiermit kommen wir zum Kernpunkt # 
Evidenzproblems. 

Ganz unzureichend wäre es, zu sagel, A 
dent nenne man einfach ein Urteil, zu dem m 
sich durch formal-logische Gedankenentwickit ij; 
gezwungen sehe. Denn auch der ni A 
einer bestimmten Weise und nicht anders ZU 


ovi 


le 


w g 


f hat ein relatives Gepräge, und ein Urteil, 
s y dem ich mich gezwungen sehe, braucht noch 
ge nicht für jedermann zwingend zu sein; die 

ji echen Fälle pathologischen Zwangsdenkens 
ji weisen das wohl zur Genüge. Auch wenn eine 
m stattliche Anzahl bewährter 
her sich übereinstimmend zu 
mem Urteil gezwungen fühlen, so 
firesi das noch nicht, daß man berechtigt wäre, 
Ai ir andere geringschätzig zu denken, die infolge 
„fr iersgearteter individualgeschichtlicher Entwick- 
Fig (z. B. durch Einflüsse der abweichenden reli- 
T düisen Erziehung) den Zwang, gerade so zu 
| fnken, nicht anerkennen mögen. Das 
a irte! des Menschen, auch des auf seine relative 
a Aliiktivität mit Recht stolzen Mannes der Wis- 
ad Wnschaft, ist unbewußt. durch eine Reihe neben- 
fuiender Wertgefühle mitbedingt, von deren 
Wnuk sich niemand ganz frei machen kann; und 
jnter diesen Gefühlen liegen die mächtigsten in 
| Air Linie der allgemeinen Weltanschauung, die 
T fi erseits wieder, in gleicher Weise bei religiösen, 
i N ie bei sogenannten irreligiösen Naturen — welche 


Nie in schwachen Stunden seine besondere 
| istelung gegenüber der Allgewalt des Nicht-Ich 
Haben muß —, Sache derjenigen Überlieferung ist, 
; itlche in der entscheidendsten Epoche der Jugend- 
ei äitwicklung, d. h. zur Pubertätszeit, über uns Herr 
ii Wurde, Bei manchen ist das eine ausgesprochen 
“i a materielle Genüsse gerichtete Überlieferung, 
i anderen stehen die idealen Güter der Mensch- 
Bi it im Vordergrund. 
ng bicktive Evidenz im streng wissen- 
T 'haftlichen Sinn kommt, um es kurz zusammen- 
M tassen, nur solchen Urteilen zu (oder kann ihnen 
P isstens allmählich beigemessen werden), wel- 
‚je nicht allein eine (wenn auch noch so große) 
| anzahl bewährter. Forscher einer- Fachwissen- 
fit in ihren Bann zwingen, sondern welche 
ef Nichtlich gewordenen Weltan- 
|e Khauung nur um so viel abweichen, daß die 
O a der Volksseele 
peir überschritten wird, daß also keine unästheti- 
A und unpraktische Deformation oder gar Zer- 
tlung im Weltbild- der Nation und der Kultur- 
; Änschheit die Folge des neuen Denkens ist. Wie 
1 s eine „Schwelle” der Empfindungs- und Gefühls- 
Ole giebt, so kann man auch von einer Schwelle 
Jy šozialpsychischen Anpassungsfähigkeit reden. 
a Disko ntinuität des Weltbildes, wie sie 
in E endlichen Stürmern und Drängern der Gei- 
IE oi, unter dem Einfluß des begreiflichen 


Ba Mn 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Und dasist gut so. 


Ültztere es eigentlich gar nicht gibt, da auch. der 


pf ties von der vorherrschenden ge-. 


181 


Triebes: „aièv ġ&ọwoteúeiw xal ünelgooyov čuuevaL 
ov“ (immer hervor sich zu tun, und Andren den 
Rang zu bestreiten) gar gern — nur leider manch- 
mal recht ahnungs- und skrupellöos — aufs Tapet 
gebracht wird, verfällt darum dem Schicksal, von 
der älteren und besonneneren Forscherschaft zu- 
nächst mit Mißtrauen aufgenommen zu werden. 
Denn die große Mehr- 
zahl der Menschen, namentlich unter den Bevölke- 
rungsschichten, die durch manuelle und überhaupt 
vorwiegend mechanische Tätigkeit fast ganz in 


= Anspruch genommen sind, und deren Denken auf 


viel kleinere Etappensprünge eingestellt ist, als das 
des Denkers von Beruf, geraten schnell in eine 
teils tatlähmende teils zu unbesonnenen Zwangs- 
handlungen führende Skepsis und Verwirrung, 
wenn man ihnen eine schroffe Umstellung des ge- 
samten Denkens zumutet.®) Erst nachdem inner- 
halb der engeren und weiteren Fachkreise der ge- 
lehrten Welt ein gewisser Ausgleich und eine Be- 
harrungstendenz, als Endergebnis und Anpas- 
sungseffekt des geführten scharfen Kampies, Ein- 
gang gefunden hat, kann der Volksseele zu- 
gemutet werden, sich umzustellen. Die von dieser 
wohl zu unterscheidende Massenseele, die 
auf der Stufenleiter der Menschwerdung um ein 
gewaltiges tiefer steht, sollte man mit Schlagwor- 
ten, die auf Rudimente von vielleicht doch noch 


nicht ganz ausgereiften Theorien hinauslaufen, 


grundsätzlich nicht behelligen. Wer es dennoch 
tut, ist kein Volksfreund, und hat für den einzelnen 
in der Masse kein Herz. 


Gewisse Kreise, denen dies zu Gesicht kommt, 
werden mir nun freilich den Vorwuf machen, daß 
ich einem Konservativismus und Historizismus das 
Wort rede, der in unserem Zeitalter nicht am Platz 
sei. Darauf habe ich zu entgegnen, daß ich den 
Vorwurf einer im rückschrittlichen Sinn gerichte- 
ten konservativen Denktätigkeit und 
Dickfelligkeit aufs energischste zurückweise. 
Unterschiede der Einstellung gegenüber dem über- 
lieferten müssen sein, und es ist ein schönes und 
neidenswertes Vorrecht der Jugend, uns Alten und 
durch Streit und Leid bedächtig und reif Geworde- 
nen mit iugendlichem Feuer (élan vitali.S.Berg- 


6) Vor Versuchen, Theorien gemeinverständ- 
lich zu machen, die selbst in der Fachwelt noch sehr 


“umstritten werden, wird aus diesem Grund von allen 


besonnenen Sozialpsychologen mit Recht- gewarnt. 
Blendende buchhändlerische Erfolge beweisen gar nichts 
für die Stichhaltigkeit der Darstellung. Oft ist es ge- 
radezu schade um das viele der ernsten Forschungs- 
arbeit entzogene Papier und die Schwärze. 


182 


sons) voranzueilen; aber zum Lenken des Fort- 
schrittswagens, der von dieser Generation konkur- 
rierender Bahnbrecher ruckweise und nicht ohne 
Erschütterungen vorwärts zu zerren gesucht wird, 
sind nach altem guten Brauch die Senioren der 
Berufsarbeit vor anderen geeignet, unter ihnen 
freilich vornehmlich diejenigen, die sich bei aller 
durch jahrelange oft schmerzlich enttäuschende 
Erfahrungen erworbenen Nüchternheit des Ur- 
teilens und Handelns ein hinreichend junges Herz 
bewahrt haben, um die Salti mortali der Impressio- 
nisten mit einem entschiedenen ästhetischen Wohl- 
gefallen und nicht ohne Wohlwollen beobachten, 
und da, wo es nottut, zur Ungefährlichkeit abdämp- 
fen zu können. Nicht konservativ, sondern 
vielmehr in hohem Maße fortschrittlich ist 
`- die von mir gepflegte Weltanschauung. Aber sie 
legt Wert darauf, daß der Fortschritt so konti- 
nuierlich als nurirgend möglich, d.h. 
in kleinen, dem Verständnis breiterer Massen 
sich anpassenden Etappensprüngen vor sich 
geht. — In jeder Partei (sei 


Politik) gibt es eine kontinuative und eine 
diskontinuative Gruppe, und es wäre vom 
allergrößten Wert für die ganze Menschheit, wenn 
in sämtlichen wissenschaftlichen Betrieben, in den 
Staatsregierungen und Parteileitungen das kon- 
tinuative Element die Oberhand gewänne, und 
wenn allgemein danach getrachtet würde, durch 
gegenseitiges Sichverstehenwollen eine gewisse 
Kontinuität des Denkens und Fühlens zwi- 
schen den noch so’ disparaten Gruppen herzustellen 
und zu erhalten. Die Geschichte der Politik und 
Wirtschaft während der letzten vier Jahre, in 
Deutschland wie in allen anderen am Krieg: be- 
teiligt gewesenen Staaten, zeigt genügende An- 
sätze, um immerhin nicht ganz daran zu verzwei- 


feln, daß dieses hohe Ziel echten Menschentums in 


absehbarer Zeit von unsern Kindern und Kindes- 
kindern errreicht werden könne. 

Lassen Sie mich ein Bild aus der Flugschiffahrt 
herbeiziehen, um das Gesagte noch- etwas deut- 
licher zu machen. Im atmosphärischen Milieu des 
Lebens bewegen sich viele grundverschiedene Ty- 


pen von Fahrzeugen, deren jedes unter‘ der Not 


des Erwerbslebens mit Energie seinen eigenen 
Weg verfolgt. Sozial korrekt handelt jedes 
dieser Fahrzeuge, gleichviel, welchem Ziel, und 
ganz einerlei, in welchem Tempo es demselben zu- 
steuert, insowieit als es die durch Konvention zu- 
stande gekommenen Regeln über das Einhalten 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


es nun der 


Wissenschaft, des religiösen Glaubens oder der _ gewöhnt, sich nur von dem imponieren lassen, wai a 


ihnen unverständlich ist, so wären viele Mysid "i 


eg natürlich längst bekannt, daß unter den Hau 


dem normalen Leben die Tatsache anführe, dab‘ si i 


lichtelieren” (in oftmals für geistreich ausgegeb@F 


[Nr 27/41 


oder stetige Umsteuern des verfolgteni 
Kurses gewissenhaft befolgt und keine unberechen 
baren Kapriolen ausführt, die durch die ihnen an y 
haftende Unstetigkeit die Sicherheit andere 
Fahrzeuge ohne Not in Gefahr bringen. Ein Flug 3 
zeugführer, der auf andere Keine Rücksicht nimm, in 
verrät damit entweder seine Angst vor dem Ver EN 
folgtwerden (wie sie bei manchen fliegenden Tieg 
ren, namentlich Zweiflüglern, als Zickzackkurs og 
in biologisch hochinteressanter Weise sich ausge" 
bildet vorfindet) oder seine böse Absicht, das Be- X 
stehende zu zertrümmern. Das planmäßige Bef 3 
streben, jähling s zu destruieren, was aß h 
irgendeinem Grund als den eigenen Zielen widetiiiu 
strebend empfunden wird, ist nicht sozial da 
Geradeso unsozial ist die gegenwärtig sehr bei 
liebte Mode, einen mystischen Nebel im Milieu al i 
verbreiten, der allen Fahrern und namegtlich den] a 
Strategen unter ihnen die Orientierung unmöglich 4* 
macht. Wäre die breite Masse nicht so sehr lg jii 
nervenkitzelnde Sensation erpicht, und wäre na] 
eine große Menge sonst verständiger Leute dami j 


gogen der Gegenwart nicht zu dem vorübergeher4 2 
den Ansehen gelangt, das ihnen in der Presid 2 
immer noch beigemessen wird. I 

Den-Psychiatern und Neur olozendi k 


merkmalen der geistigen Krankheit die Diskol 
tinuität des Denkens eine ganz zent : 
Stellung einnimmt. Und darüber dürfte aue 
Ärzten und Rechtskundigen wohl auch keine Meg 
nungsverschiedenheit bestehen, daß der zemeinge 
fährliche Geisteskranke. und der Verbrecher saf 
vom harmlos Irren nur durch die antisozialen Kori 
sequenzen des Sprechens und Handelns unterschek f 
den, zu denen jene Diskontinuität führt; und, was f 
insbesondere den Kriminellen anlangt, durch ($; 
böse Absicht, auch anderen die Konti E 
des Denkens und Lebens schonungslos Zu zes F 
ren. Geradeso werden mir die Psychologen ud 
l.ogiker beipflichten, wenn ich zur Parallele and 


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logische Denken vor dem bloß assoziativel „je i 


nen Gedankensprüngen) vorwiegend durch de 
nach Möglichkeit im Auge behaltene und aul ae 
Weg bloß stetig geänderte Richtung des Endzie 
ausgezeichnet ist. — M. e. W., nicht, onservatit f 
sondern „kontinuativ” ist die Parole. Ar 

| (Fortsotzung folgt) P 


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Von Dr. 
Blätter für Taubstummen- 


| ~ — Taubstummheit- als Entartungszelchen: 
Ad Paul Cohn, Guben. 
Widong 15. Juli 1922. 

. A Während die erworbene Taubstummheit die bekann- 
Yin organischen Ursachen hat, zeigt jeder unbefangene 
“dis Blick auf eine Anzahl taubstumm geborener Kin- 
in er, daß es sich bei dieser angeborenen Taubstummheit 
iist nur um das augenfälligste Entartungszeichen unter 
Bi ndern Entartungszeichen: Schädelabweichung, ungleiche 
Alisärbung, Ohrmißbildungen, abweichende Zahnstellung, 
u Änkanthus usw. handelt. Damit ist mit einem Schlage 
a (o Tatsache aufgeklärt, warum die Taubstummheit 
"Tenso wie der Kretinismus und der Kropf: besonders 
In Hg in gewissen Gebirgsgegenden vorkommt. Es ist 
' draus aber auch der Schluß zu ziehen, daß nur die 
“gien zwischen. taubstumm geborenen Menschen, als 
Aligenerierten, gefährlich sind, während der Ehe zwi- 
| den an erworbener Taubstummheit leidenden Men- 
hi en hinsichtlich der Nachkommenschaft keine prin- 


in, welche der seelischen Erziehung dieser, vereinzelt 
Jen die Idiotie streifenden, Typen gezogen sind, muß 
fon den Leistungen, welche die aufopferungsvolle und 
k M iehénde Tätigkeit der. Taubstummenlehrer hier noch 
T ps upelte Hochachtung entgegen bringen. 

T E 
= Wirtschajitliches. 

i 3 Von A, von Berlepschs Bienenzucht nach ihrem 
Feigen rationellen Standpunkte ist eine siebente Auf- 
A Je erschienen, bearbeitet von Eduard Knoke, Vorsit- 


J 


T: je Marhold Verlassbuphhanding 
f x in Halle a. S. 


JC D Leitfaden a 


| w _PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ij! ipiellen Bedenken entgegen stehen. — Bei den Gren- 


183 


‚Referate. 


zendem des Bienenwirtschaftlichen Zentralvereins für 
die Provinz Hannover und Schriftleiter des Bienenwirt- 
schaftlichen Zentralblatts. Mit 45 Textabbildungen. 
Berlin 1922, Verlagsbuchhandlung Paul Parey, Verlag 
für Landwirtschaft, Gartenbau und -Forstwesen, SW. 11, 
Hedemannstr. 10-11. 200 M freibleibend. — Mit der 
Anzeige des trefflichen Buches an dieser Stelle soll auch 
einmal die Frage der Bienenzucht in den An- 
stalten mit ihren großen Gärten und weiten Feldern 
angeschnitten werden; gewiß haben viele Anstalten Bie- 
nenzucht, aber nicht alle. Ausdrücklich erwähnt wird 
sie z. B. von der Prov.-Heilanstalt zu Treptow i. Pom. 
auf S. 227 Bd. I des Illustrationswerkes: Deutsche Heil- 
und Pflegeanstalten für Psychischkranke: in Wort und 
Bild (Halle a. S., Carl Marhold Verlagsbuchhandlung). 
Anstalten, die Einführung der Bienenzucht planen, aber 
auch solche, die sie schon besitzen, wird obiges Buch ein 
nützlicher Ratgeber sein. Wir brauchen Honig recht 
nötig und in großer Menge in den Anstalten. B. 


\ Druckiehlerberichtigung. 
In Nr. 23/24 muß es S. 156 1. Zeile statt „bereits“ 
heißen: „breiter. In Nr. 25/26 S. 170 rechte Spalte 
1. Zeile statt „meines Wissens’: „m. e. W.“ 


Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schrift- 
leitung resp. den Verlag über redaktionelle 
Fragen das Rückporto beizufügen. 


| 1 i Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummern. 
; Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S 


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Von Dr. 


: n as feste Haus in Plagwitz wurde im Frühsom- 
3 mer 1913 eröffnet. Wenn man von den Kran- 
7" absieht, die nur sechs Wochen oder noch kür- 
a ite Zeit darin stationiert wären, betrug die ge- 
; Nimte Belegungsziffer in den seitdem verflossenen 
; ie m Jahren 90 Kranke. Mehr als die Hälfte, näm- 
i 154 Kranke (= 60 v. H.) waren dem Hause 
1 deshalb überwiesen, weil sie während der Verbü- 
q» einer Freiheits- (fast ausschließlich Zucht- 
1 Mus-) strafe geistig erkrankt waren und als straf- 
Ei. der Irrenpflege anheimfielen. Von 
en — wie ich sie der Kürze halber nennen will 
 Keststraflern, die also noch einen unverbübten 
ihrer Freiheitsstrafe abzusitzen hatten, be- 
i 2 Sich zurzeit der auf die Revolution folgen- 

i îi Amnestie 20 Fälle im festen Haus. Von die- 

in 2 wurden 10, also die Hälfte amnestiert; die 
| bilang ihrer Reststrafe wurde ihnen vorbe- 


Rest 


Psychiatrisch- Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Dr. v. Olah, Budapest, 
| Vien Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. 
Vocke, Eglfing b. München, 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Malle a. S., Mühlweg 26 
Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 


Es wird dringend gebeten, von Vorträgen und Aufsätzen immer recht 
bald einen druckfertigen Eigenbericht an die Schriftleitung zu senden. 


ı Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 

| l Geh; Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir: Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
liberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 


San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, 
Prof.-Dr: A, Pilcz, 


San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Wien, Reg.-Rat Dr. H. SchlIöß, 


Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 
Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Starlinger, 
Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
21. Oktober 1922/23. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg(Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporito 
beizufügen. 


Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 


Marhold Verlag Hallesaale Hans Pusch, Berlin NW. 7, 


Postscheck: Leipzig 32070. = Dorötlieenstraße 7; = 


Ihhalt: Straivollzugsunfähigkeit ohne Anstaltspilegebedürftigkeit. 

Mein Verhältnis zu Einstein’s Weltbild. Von Eudwie Lange, Tübingen. Fortsetzung. 
Mitteilungen. (S. 190.) — Referate. (S. 194.) — Wirtschaftliches. (S. 194.) — Buchbesprechungen. (S. 195.) — Thera- 
= peutisches. (S. 197.) — Personalnachrichten. 


Von Dr, von Schuckmann. (S. 185.) = 


(S. 188.) 
(S. 197.) 


(Aus dem festen Hause der Provinzialanstalt zu Plagwitz, Bober.) 
Strafvollzugsunfähigkeit ohne Anstaltspflegebedürftigkeit. 
von Schuckmann, Oberarzt. 


Vortrag, sehalten in der Sitzung des Vereins ostdeutscher Irrenärzte zu Plagwitz am 30. Juli 1922.) 


haltlich einer gewissen Bewährungsifrist erlassen. 


Die folgenden Ausführungen betreffen ausschließ- 


lich diese 10 amnestierten Reststrafler. Bei vieren 
fanden sich belastende Momente in der Aszendens 
(eines oder beide Eltern trunksüchtig, Mutter ex- 
zentrisch, Mutter starb an Paralyse), einer war 
unehelich geboren, bei zweien war schlechte Er- 
ziehung erwähnt, bei dreien war ätiologisch nichts 
nachweisbar. Zwei waren in Zwangserziehung 
gewesen, alle zehn wurden schließlich stark krimi- 
nell, die Zahl der Vorstrafen bewegte sich zwi- 
schen 4 und 22;- der Beginn der Kriminalität 
schwankte bei dem Einzelnen zwischen dem 13. 
und 30. Lebensjahre; unter den Delikten war vom 
einfachen Diebstahl bis zum Straßenraub und ver- 
suchten Mord ziemlich jedes Genre vertreten. Die 


Psychose begann bei den einzelnen zwischen dem 


20. und 40. Lebensiahr; in sieben Fällen begann 


186 


sie erst nach längerer (ein- bis neunjähriger) Straf- 
verbüßung, in drei Fällen wurde sie sofort bei 
Straiantritt bemerkt und hatte jedenfalls schon zur 
Zeit der Verurteilung bestanden. Die Überführung 
in die Irrenanstalt lag zur Zeit der Amnestierung 


bereits IO bis 21 Jahre zurück; sämtliche 10 hatten 


bereits in mehreren (drei bis sechs) Irrenanstalten 
gesessen, die zehn Personalakten wogen zusam- 
men 30 Pfund, es handelte sich durchweg um völlig 
chronische, seit Jahren stationäre Fälle, die so gut 


wie keine Aussicht auf Änderung in der. Anstalt 
Auf die Krankengeschichten und die 


mehr boten. 
Symptcmatologie der einzelnen Fälle kann ich der 
Papierersparnis wegen nicht eingehen. Bei fünf 
-dieser zehn Kranken war schon früher der Ver- 
such gemacht worden, die Kranken wieder aus der 
Anstaltspfilege loszuwerden: 

l. Der Haushälter Johann H. wurde. nach zwei- 
jähriger Krankheitsdauer im Dezember 1905 als 
gebessert in den Strafvollzug zurückgeschickt, 
aber bereits im September 1906 als straivollzugs- 
unfähig wieder der Irrenanstalt zugeführt. Im Juni 
1910 wurde er trotz des’ Einspruches von Staats- 
anwalt, Landrat und Regierungspräsident von der 
Anstaltsdirektion zu B. mit Zustimmung des Lan- 
deshauptmannes in die Freiheit zunächst beurlaubt, 
nach anderthalbiähriger einwandfreier Führung 
definitiv entlassen: Obwohl die Direktion aui- die 
Anfragen der Staatsanwaltsschaft den H. immer 
wieder als strafvollzugsunfähig erklärte, wurde er 
im April 1913 von der Arbeit weg zur Verbüßung 
seiner Reststrafe verhaftet. In der Haft trat der 
ganze psychotische Komplex wieder auf und stei- 
 gerte sich zu einem ängstlichen Erregungszustand, 
so daß er wieder in die Irrenabteilung und im De- 
zember 1913 nach Plagwitz eingeliefert wurde. 
1920 amnestiert und entlassen, wird er im April 


1922 als arbeitsam, strebsam, ruhig, von guter Füh-. 


rung, ohne Anzeichen von Geisteskrankheit oder 
Gemeingefährlichkeit geschildert. Ergebnis: H. 
war mindestens seit Juni 1910 nicht mehr anstalts- 
pilegebedürftig, trotzdem mußte er von 1913 bis 
1920 in. Anstaltspflege behalten werden, weil zwei 
Versuche, ihn seine ‚Reststrafe absitzen zu lassen, 
scheiterten und ihn als dauernd strafvollzugsun- 
‚ fähig erwiesen, und eine Entlassung in die Frei- 
heit zur Wiederverhaftung durch die Staatsanwalt- 


Schaft:und dadurch zur akuten Exazerbation seiner 


chronischen Psychose führte. 

2. Der Buchdrucker Paul D. wurde nach 15- 
jähriger Irrenpflege als weitgehend 'zebessert (er 
arbeitete allein ohne Aufsicht auf Anstaltsgelände) 
in den Strafvollzug geschickt. Bereits nach vier 


Wochen beantragte der leitende Arzt der zustän- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


'Wahnideen, Sinnestäuschungen und abnormen kör- 4 


bezeichnen konnte. 


F 
N 


4 
digen Gefänenisirrenabteilung die Rückversetzung N 
in die provinzielle Irrenpflege, da D. an seinen alten Zi 


perlichen. Sensationen litte; das ärztliche Attest Ale 
schließt wie folgt: „Ganz unverständlich ist es, daß. di 
die Direktion der Previnzialirrenanstalt zu X. einen‘ 
so offenkundig zeisteskranken, chronisch verrück 
ten Menschen als gebessert und strafvollzugsfähig ar 
Man kann nur annehmen, dab $% 
die Direktion sich dieses Kranken entledigen wollte; Sl 
denn es konnte ilr doch nicht verborgen bleiben, 
daß D. nach wie vor unheilbar geisteskrank war #8 
wenn er sich vielleicht auch einige Zeit ruhig ver 4 
halten und fleißig gearveitet hatte. Gegen ein der 
artiges Abschiebungsverfahren muß jedoch mit 
aller Entschiedenheit Einspruch erhoben werden 4 
da prinzipiell daran festgehalten werden muß, dab FM 
ein Geisteskranker nicht strafvollzugsfähig ist” e 
Der Direktor setzte zwar später eine formale Ge- fin 
nugtuung durch, drang aber mit seinem Wider 1% 
spruch gegen den Satz: „Ein Geisteskranker ist : 


nicht straivollzugsfähig” bei den oberen Instanzen nn. 


nicht durch. D. kam wieder in Provinzialirren-" X 
pflege. = 
3. Der Arbeiter Gustav W. wurde nach neu 
jähriger Krankheit im Juli 1912 in den Strafvollzug i 
zurückgeschickt, nach einem Jahr aber als strafvoll 4 x 
zugsunfähig. wieder in Provinzialirrenpflege über u 
nommen. 1919 gebessert und entlassen. Mai 192 ® 
wird berichtet, daß er ständig arbeite, keine Al- EN 
zeichen von Geistesstörung biete. N 

4. Der Grubenarbeiter Maximilian W.; 1907 be- Ẹ 
antragt die Direktion zu Y. Rückversetzung in den 25 
Strafvollzug; der leitende Arzt der zuständigen Ge- ® 
fängnisirrenabteilung widerspricht; ‚der Staatsale” E 
walt beantragt ein Obergutachten des Medizinal 1 3 
kollegiums, das zu dem Ergebnis kommt: „An Ger" 
steskranken kann eine Strafe nicht vollzogen wer {r 
den.” Der. Antrag der Direktion wird abgelehnt. A 
W. wird 1919,amnestiert, 1920 entlassen. Mai 192 4 
wird berichtet, W. sei an den Stickstoffwerken bi gh 
Beuthen wegen eines Diebstahls entlassen worden x 
arbeite jetzt bei einem Unternehmer. Seine Wah- fu 
ideen seien zwar abgeblaßt, aber noch vorhandet 7 

5. Der Zigarrenmacher Paul J.; 1905 beantragt FT 
die Direktion zu Z. Rückversetzung in den Strak Mi 
vollzug; der Regierungspräsident fordert en "= 
sründetes Gutachten darüber, daß J. volle Krank“ A 
heitseinsicht: besäße. Da ein solches Gutachtel $ 
nicht ausgestellt werden konnte, unterbleibt ara h 
Rückversetzung. J. wird 1919 amnestiert und po 
lassen; hat sich anscheinend in der Freiheit geha k 
ten; neuere Nachrichten liegen nicht vor. | 


In diesen soeben aufgezählten fünf Fällen wa! 4 


Versuch gemacht worden, die Kranken dem bürger- 
Fien Leben wiederzugeben, sei es durch Entlassung 
Alrckt in die Freiheit, sei es durch Absitzenlassen 
‚Ar Reststrafe. Keiner dieser Versuche war ge- 


g 
pälickt; sämtliche fünf Reststrafler wurden nach 
| 


Anehr oder weniger langer Zeit wieder der Provin- 
Inlirrenpflege zugeführt bzw. ihreÜbernahme in den 
‚Mivollzug von vornherein abgelehnt. Bei den 
rigen fünf Fällen war auf jeden derartigen Ver- 
“Ach verzichtet worden, da er bei der engen Aus- 
fong des Begriffes der Strafvollzugsfähigkeit sei- 
‚dis der entscheidenden Instanzen a priori aus- 
„Aschtslos war. | 

I Diese zehn Reststrafler wurden also, wie er- 
Fint, nach der Revolution amnestiert; ihre Rest- 
f ralen wurden ihnen erlassen; die Staatsanwalt- 
Fuiten hatten demnach kein Interesse mehr an 
Jr Internierung dieser Kranken. Ein etwaiger 
Füispruch der Ortspolizeibehörden gegen die Ent- 
g Assung ließ sich durch sachliche Darlegung un- 
fiwer überwinden, so daß sämtliche zehn Fälle 
Firden Jahren 1919 und 1920, zwei erst-1921 in die 
Fiichheit entlassen werden konnten. In der seitdem 
Fillossenen Zeit von durchschnittlich zwei Jahren 
‚Pd von diesen zehn Fällen nur zwei wieder an- 
Pülspilegebedürftig geworden; die übrigen acht 
t. Mben sich in der Freiheit gehalten; von sechsen von 
a nen wird noch in letzter Zeit ausdrücklich be- 
Füitet, daß sie sich ihren Unterhalt durch ihre Ar- 
2 heit verdienen und unauffällig sind; einer hat sich 
; Witdem verheiratet. | 
4 Unm die ganze Tragweite dieser Vorgänge rich- 


a Ub eg in diesen zehn Fällen nur infolge eines rein 
d älligen Ereignisses, das mit der Anstaltspflege- 
Flirtigkeit nicht im entferntesten in irgendeinem 
Fisalnexus steht, nämlich infolge der Amnestie, 
Jülich wurde, zehn Kranke aus der Anstalts- 
| Age zu entlassen. Der Zustand dieser zehn Kran- 
3 A War seit Jahren ein völlig stationärer; sie hät- 
F ebensogut schon Jahre vorher entlassen wer- 
zi können, wegen ihrer Reststraie scheiterten 
T Ale dazu unternommenen Versuche. Wäre 
7 s rein zufällige Ereignis, eben die Amnestie, 
it eingetreten, so würden diese zehn Kranken 
A St nur noch heute, also zwei Jahre nach ihrer 
: poe sondern vorausichtlich auch nach wei- 
! H 7 n Jahren, zum mindesten der größere Teil 
4, en m festen Hause nach wie vor einsitzen. 
ha... man sich weiter vor Augen hält, dab 
"4 den N A Teil der Reststrailer amnestiert wor- 

| tiler i ab es unter den Nichtamnestierten, sowie 
Pichen En recher in Zugang kommenden 

i 1 Fällen von Reststraflern stets einen er- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Alk einzuschätzen, muß man sich vor Augen halten, . 


187 


heblichen Prozentsatz geben wird, der nicht an- 
staltspilegebedürftig ist, bei denen aber, wie bei den 
obigen Zehn, alle Entlassungsversuche an ihrer 
Reststrafe und Strafvollzugsunfähigkeit scheitern, 
dann ist es wohl nicht zu viel gesagt, wenn man 
diesen Zustand unhaltbar nennt. 

Wie kann diesem Zustand abgeholfen werden? 
Das Punctum saliens, die eigentliche Wurzel alles 
Übels in dieser Frage ist die Strafunterbrechung. 
Solange nicht durchgesetzt worden ist, daß der 
Y 493 StPO. (Anrechnung der Krankheitsdauer auf 
die Strafzeit) auch gegenüber geisteskranken Häft- 
lingen in Wirksamkeit tritt, solange besteht keine 
Möglichkeit einer Sanierung dieser unhaltbaren Zu- 
stände. Daß Geisteskranke grundsätzlich straf- 


- vollzugsunfähig sind, entspricht nicht den Tatsachen. 


Einmal sind sie selbst in Preußen zunächst ein 


‚halbes Jahr lang strafvollzugsfähig, denn so lange 


dauert im allgemeinen ihr Aufenthalt in den Irren- 
abteilungen der Strafanstalten, der ihnen ohne wei- 
teres auf die Strafzeit angerechnet wird. Wenn 
also ein Geisteskranker sechs Monate strafvoll- 
zugsfähig ist, ist er es mit dem gleichen Recht auch 
sechs Jahre oder länger. Weiter sind die Geistes- 
kranken in anderen Bundesstaaten ohne weiteres 
und ohne zeitliche Beschränkung strafvollzugsfähig, 
also werden sie es in Preußen auch sein können. 
Wenn der Staat einen vermindert Strafvöll- 
zugsfähigen zu einer befristeten Freiheitsstrafe. 
verurteilen läßt, dann hat er auch die moralische 
Verpflichtung, die nötigen Maßnahmen zu treffen, 
damit der vermindert Strafvollzugsfähige die ihm 
zudiktierte Strafe auch absolvieren kann — ‘und 
das ist. aus naheliegenden Gründen, auf die ich 
hier nicht eingehen will, nur in einer Anstalt unter 
psychiatrischer Leitung möglich. Wenn der Staat, 
wie das zurzeit leider der Fall ist, dieser seiner 
moralischen Verpflichtung nicht nachkommt, so 
führt dies — wie oben an zehn Fällen gezeigt 
wurde — dazu, daß diese vermindert Strafvoll- 
zugsfähigen an Stelle der von Rechts wegen über 
sie wverhängten befristeten Freiheitsstrafe einer 
ohne rechtliche Grundlage über sie verhängten un- 
befristeten Freiheitsentziehung in einem festen 
Hause unterworfen werden — eine schwere und 
unveräntwortliche Ungerechtigkeit gegenüber die- 
sen geistigen NHalbinvaliden, gegen welche von 
irrenärztlicher Seite gar nicht oft und scharf genug 
protestiert werden kann —; außerdem eine bei un- 
serer trostlosen Finanzlage unverantwortliche 
Vergeudung des Geldes der Steuerzahler, indem 
Personen, die in der Lage sind, durch Arbeit Werte 
zu schaffen, nicht nur an dieser nützlichen Tätig- - 
keit verhindert, sondern statt dessen auch noch auf 


= ersparen können. 


Forschungsepochen das Wort reden wolle; 


188 


öffentliche Kosten jahrelang gefüttert werden. Eine 
Besserung der in Preußen beim Strafvollzug ge- 
senüber geistig Erkrankten herrschenden unhalt- 
baren Zustände, die zwangsläufig dazu führen, dab 
vollarbeitsfähige, nicht  anstaltspflegebedürftige 
Personen jahrelang der öffentlichen Irrenpfilege an- 
heimfallen, ist nur möglich, wenn grundsätzlich 
auch bei geistig Erkrankten von einer Unterbre- 
chung des Strafivollzuges Abstand genommen wird 
und die Möglichkeit geschaffen wird, dab sämtliche 
infolge geistiger Invalidität vermindert Strafvoll- 
zugsfähigen ihre gesamte Strafe ohne Unterbre- 


chung in psychiatrisch geleiteten Anstalten absitzen 


können. Als solche Anstalten kommen zurzeit nur 
in Frage die Irrenabteilungen der Strafanstalten 
und die festen Häuser der Provinzialanstalten. 

In welcher Weise die dieser: Regelung entge- 


Mein Verhältnis zu Einstein’s Weltbild. | 

Nebst Grundlinien zu einem pragmatischen System der positiv-ideotropen Kontinuitätsphilosophie. d 
Von Ludwig Lange, Tübingen. 

(Fortsetzung) | 


Den Vorwurf des Historizismus kann ich 
mit wenigen Worten entkräften. Jede Verachtung 
der Geschichte (auch..der Geschichte .der_Wissen- 


schaften) rächt sich ‘dadurch, daß man durch 


eigenen Schaden da klug wird, wo man unter 
Beachtung längst geleisteter Vorarbeit früherer 
Gieschlechterfolgen eine Menge Umwege hätte ver- 
meiden und damit:manche Enttäuschung sich hätte 
Gewißb kann man gerade mir 
nicht den Vorwurf machen, daß ich einem gedan- 
kenlosen Nachtreten (der Gedankengänge älterer 
| denn 
gerade ich selbst bin zwar gewiß ein lebendes Bei- 
spiel dafür, welchen Gefahren der verschiedensten 
Art man sich als selbständiger einsamer Denker 
aussetzt, allein gerade mein Fall lehrt doch auch 
zugleich in schlagender Weise, wie lohnend es 
letzten Endes sein kann,.ohne sich von der 
zeitgenössischen Fachliteratur allzu ängstlich be- 
einflussen zu lassen, auf eine längere Strecke ganz 
unverdrossen seinen eigenen Weg zu gehen. Als 
ich 1886 meine fünf Jahre lang fortgesetzten For- 
schungen über den Bewegungsbegriff abgeschlos- 
sen, in denen ich die relativistische Weiterentwick- 
lung richtig vorausgesagt, im wesentlichen so, wie 
sie seitdem sich vollzogen hat, da harrte ich mit 
großer Spannung, aber jahrelang vergeblich auf 
die werktätige Teilnahme der Physikerwelt. Trotz 
der beharrlichen ehrenvollen Erwähnung bei 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚manenten relativistischen Denkens, dasic 


[Nr. 20/3044 


gcenstehenden verwaltungsrechtlichen und -tech Wi 
nischen Hindernisse zu beseitigen sind,- ob diese gu 
Regelung in der Weise erfolgen soll, daß der Justiz IM 
fiskus die Verpflegungskosten für die zur Strafver 4i 


-© büßung den festen Häusern überwiesenen Rest $ 


strafler trägt, oder ob eine grundsätzliche Bereit. 
erklärung der Justizbehörde genügt, auf Antrag ie m 
in festen Häusern verbrachte Zeit auf die Straiziti 
anzurechnen, das zu entscheiden dürfte Sache der hei 
Verwaltungsbehörden sein. Sache des Irrenarztes $h 
ist es, immer und immer wieder die grundsätzliche $ 
Forderung zu erheben, ohne deren Erfüllung eine $u 
Sanierung der unhaltbaren Zustände im Stratvol- f 
zure gegenüber geistig Erkrankten nicht möglich 4 i 
ist, nämlich die Forderung: „Fort mit der i 
Unterbrechung des Strafvollzugsl% 


Ernst Mach, der in jeder Neuauflage seiner 
klassischen Geschichte der Mechanik auf das dafür 
kenswerteste von. meinen Darlegungen Notiz nahm- Ki 
fand sich, auf dem Gebiet der theoretischen so si gu 
wie auf dem der experimentellen Physik, kein mit ii 
strebender Weggenosse, der mir geholfen hätte, u 
auf dem von mir gelegten, als tragfähig und auch ja 
sonst zuverlässig nachgewiesenen Fundament wel. d 
terzubauen. Beinahe zwanzig Jahre mußten vergo 
gehen, ‘ehe in der Physikerwelt hinreichende" i 
Interesse und Verständnis für philosophisches DU- 
ken erwachte, um meine Anregungen auf Frucht gi 
baren Boden fallen zu lassen. Es war unter diesel” a \ 
Umständen kaum zu verwundern, daß ich nacii A 
fünf Jahren vergeblichen Wartens von der weile u 
ren Verfolgung der eingeschlagenen Bahn, Abstand gi 
nahm und mich praktischen Aufgaben ganz aii E 
derer Art zuwandte, bei deren Bewältigung mit dann k 
freilich die damals etwas einseitig relativistischė H 
und überhaupt zu sehr theoretisierende. Auffassung $ | 
des Weltgeschehens recht verhängnisvoll werk fa 
sollte. Das Umsatteln erfolgte übrigens in klari i 
psychologischer Überlegung vornehmlich Zi dem & 


Zweck, den qualvoll werdenden Zwang eines P f 
hschonda fi 
vonmit A 


mals als äußerst nervenaufreibend erkannte, 
abzuschütteln. Die Kur war schmerzhaft genug, 14 e A 
aber tatsächlich den von mir erwarteten pii 1 
Erst 15 -Jahre nach meinen Publikationen. wurde 


Pr 


N BESTS 

F © 
Ya a ® 
re 


E Bit, 
$ PA. 
LU 


-f ist durch Zufall deutlicher Anzeichen begin- 
e funden tieferdringenden Verständnisses für meine 
Alstührungen gewahr. Als ich nunmehr 1902 in 
Ar Wundt-Festschrift meine Revision des 
-Aljstems der Inertialbegriffe herausgebracht hatte, 
1 herkam mich ein wohltuendes Gefühl der Befrei- 
efg, wie ich mir denke, daß es einer umfassenden 
(fm dabei nicht im mindesten zerknirschten 
Biichte auch sonst folgen mag. -Von diesem Zeit- 
Aunkt an mußten aber immer noch drei weitere 
1 Mire verstreichen, ehe mit Albert Einstein 
i ji Denkrichtung unter den Physikern sich Bahn 
An brechen begann, welche, wenn auch nur in- 
d (rekt, auf verwandten Gedankengängen aufzu- 
q Wien unternahm, und ein viertes Jahr mußte hin- 
i ukommen, bis H. v. Seeliger (1906) in der 
Altonomie meine Nomenklatur ‚Inertialsystem’” 
Anit dem Erfolg einführte, daß sie sich seitdem bei 
En Fachgenossen nahezu völlig durchgesetzt zu 
{ben scheint, während in der Physik freilich erst 
Fir Ansätze dazu wahrzunehmen sind; denn E in- 
ein selber und sein Anhang sträuben sich aus 
ierständlichen Gründen immer noch- dagegen, 
{e so bequeme und charakteristische Bezeich- 
Flingsweise anzuwenden. Nun, die Zeit wird kom- 
i A wo man ch als den vater user No 


arer 


| une kan für die Physik Herönder 
3 tih erkannte, nach Verdienst schätzen wird. Als 


i 4 meiner großen Überraschung eine Stuttgarter 
hr eine Handelsmarke „Inertol” (für ein Rost- 
À \utzmittel bei Eisenbetonbauten) sich hat gesetz- 
3 i sichern lassen: Es kann also nicht fehlen. 
E Aber drei bis dreieinhalb Jahrzehnte der Ent- 
E füschung mußten durchlebt werden, ehe ich den 
E len „Frieden meines Wähnens” (R..Wagner) fand, 
ich beim einsamen Denken nahezu vollständig 
X trloren hatte. Ich darf übrigens bei dieser Gelegen- 
Fit daran ‚erinnern, daß auch Einstein lange 
A Smg hat warten müssen, che H. A. Lorentz 
zur Relativitätsiteorie bekannte; und daß 
5 Pertin volle 15 Jahre dazu gehörten, um ihm zu 
ON Ansehen zu verhelfen, dessen er sich heute zu 
A t wuen mag, und das. ich ihm, soweit es seine 
F dienste um die Elektrooptik betr ifft, von Herzen 
Fl gönne, 
|  Mancher unter den Lesern wird nun vielleicht 
& w eiwas Näheres darüber wissen wollen, wic 
i über den Myperrelativismus, d. h.. die 
1 Nangsmäßige subjektiv-relativi- 
he Einstellung gegenüber den Problemen 
‘Lebens und der Forschung euie Herr ge- 


E 


7 ver 
ee 


l m = PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


worden bin. 


wichtig hervorgehoben werden. 
Airiosität möchte ich erwähnen, daß neuerdings 


Forschers haben, der 


189 


Daß solches in der Schule des Lebens 
ist schon angedeutet worden. Es im 
einzelnen (darzulegen, wäre aber Gegenstand 
einer ziemlich weit ausholenden autobiographi- 
schen und psychoanalytischen Arbeit, und würde 
den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes, ja sogar 
das Arbeitsgebiet der medizinischen Fachzeit- 
schrift, die mir so gastfreundlich ihre Spalten ge- 
öffnet hat, um ein beträchtliches überschreiten. 
Vielleicht finde ich. später einmal Zeit, meine Le- 
benserinnerungen niederzuschreiben, und kann 
schon jetzt versichern, daß es bei der umfassenden 


geschah, 


Beziehung, die ich, ausgehend von einem ur- 
sprünglich . sehr einseitig konzentrierten Stu- 
dium der Mathematik und Erkenntnistheorie, 


ganz allmählich zu den aktuellsten Problemen der 
gesamten Wissenschaft und des praktischen Le- 
bens gewonnen, in einer solchen sine ira et studio 
zu schreibenden und vor einen kontrastreichen 
historischen Hintergrund zu stellenden Individual- 
geschichte an allgemein interessanten Episoden 
durchaus nicht fehlen würde. Sollte übrigens "aus 
pathopsychologischen. und therapeutischen Grün- 
den irgendein Neurolog Interesse daran nehmen, 
nähere Einzelheiten über jene Etappenstraße zu er- 
fahren, so stehe ich dem Ansinnen einer gemein- 
samen Arbeit von solcher Art nicht prinzipiell ab- 
Iehnend gegenüber. Einige Hauptstationen sollen 
immerhin schon jetzt als in diesem Zusammenhang 
Erstens, dab 
ich mehr und mehr die relative Wertlosigkeit jeder 
theoretisierenden Grübelei erkennen lernte, -die nicht 
unausgesetzt mit dem Prüfstein des reinen Gewis- 
sens, während praktischer Berufsarbeit, auf ihren 
bleibenden Gehalt an wahrhaft sozialen (d.'h.gemeini- 
sames Leben fördernden) Ergebnissen untersucht 
und als echt, d.h. vor der ätzenden Säure der Selbstt 
kritik beständig erkannt wird. Nur solche Erkennt- 
nisse dürfen im höheren und höchsten Sinn auf 
Wahrhaftigkeit und Wahrheit Anspruch erheben, 
welche nicht allein ihre eigentlichen Nährwurzeln 
in der ureigensten unverfälschten Naturanlage des 
seinen Namen für sie ein- 
setzt, sondern welche überdies dem Efeu gleich an 


der Jahrtausende alten festgefügten Mauer des ge- 


schichtlich gewordenen Lehrgebäudes der gesam- 
ten Wissenschaft sich mit Haft- oder Kletterwur- 
zeln -zu verankern vermögen; ‘denn wahr im 
vollen Sinn des Wortes ist nur das allen widerstrei- 
tenden Elementen gegenüber lebensvoll sich be- 
währende und die verschiedenen Stufen rela- 
tiver Wahrheit sind, wie schon gezeigt, keineswegs 
einander ganz gleichwertig. Also m. a. W.: was 
mich vom krankhaft relativistischen Zwangsdenken 


190 
erlöste, war die Anerkennung verschiedener 
Grade der Relativität, und der Glaube 


daran, daß die menschliche Erkenntnis zwar, bei 
aller Bewunderung, die sie uns abnötigt, das AbD- 
solute gerade so wenig erreicht, als die Äste 
einer Hyperbel ihre Asymptoten, daß wir aber 
darum das nur. göttlicher Einsicht zu- 
gängliche Absolute gerade so wenig weg- 
leugnen dürfen, als die Asymptotenverlängerungen 
der Hyperbel. — Eine zweite besonders 
wichtige Station brachte mir die Einsicht, 
daß das Prinzip der Relativität ohne das Prin- 
zip der Kontinuität ein recht kümmer- 
liches Stückwerk bleibt. Leider wird das Prin- 
zip der Kontinuität in der zeitgenössischen Philo- 
sophie des Naturerkennens nicht annähernd mit dem 
Gewicht in Rechnung gestellt, welches ihm zu- 
kommt. In den Geisteswissenschaften erfreut es 
sich ungleich größerer Beachtung. Es unterliegt 
aber keinem Zweifel, daß Leibniz, der es zuerst 
in seiner allumfassenden Bedeutung erkannt und 
verkündet hat, in diesem Betracht zwischen den 
Natur- und Geisteswissenschaften gar keinen Un- 
terschied machte; die Forderung „Zurück zu 
Leibniz (und Fichte)!” wird sich, gerade 


Mitteilungen. 


— Bismarckstiftung zu Kreuzburg, Deutsch-Ober- 


schlesien- Die Tage der Fremdherrschaft in Oberschle- 
sien sind vorüber. 

Leider nur für einen Teil seiner Bewohner; denn der 
andere ist aus der Gewalt der Franzosen, der Herren 


der Entente, unter das Joch der Polen geraten; hoffent- 


lich ist auch dieses kein dauerndes. 

Solche Hoffnung gründet sich auf Natur notwen- 
digkeiten. | 

Davon ist die eine die: ein Volk, nämlich das franzö- 
sische, das in der Maske des stolzen und gerechten 
Siegers so schwach dasteht, daß es sein vermeintliches 
Recht, seine angeblich bedrohten Frauen und Kinder 
noch jahrelang nach dem Kriege unter. Schutz und 


ee. Schirm unkultivierter Schwarzer, seiner eigenen Skla- 
¿> ven, stellt, solch ein Volk ist nicht mehr Kulturträger. 
=~ = In der Maske des Siegers gingen Franzosen auch 


in Oberschlesien einher; aber sie haben gar nicht ge- 
siegt. Die es sich anrechnen dürfen, die Franzosen in 
deren eigenem Lande vor der Niederlage gerettet zu 
haben, die Italiener und Engländer, sie verzichteten in 


Oberschlesien auf solche Maske, sie traten offen und 


ehrlich auf und verhinderten oder vermieden nach Mög- 
lichkeit, daß uns Deutschen in der ohnehin rechtlosen 
und schmerzlichen Lage, einer Folge des Versailler 
Lügenfriedens, noch obendrein Demütisungen zugefügt 
wurden. ST er 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚näher ausgeführt zu werden.’) 


“und Volk nur Ausbeutungsobiekt ist. 


[Nr. 293049 
was diesen Punkt anlangt, in nächster Zeit als eine. ti 
unabweisbare Parole des philosophischen Denken $% 
in Deutschland und Europa herausstellen. — Jo 
Eine dritte sehr wichtige Stars ii 
auf dem Weg gesundender Weltanschauung 3 
bildete die fortschreitende Erkenntnis und k 
Berücksichtigung der fundamentalen T atsache a 
der Erfahrung, dab ideale Verwirklichung 
ziele, namentlich -solche, die von vielen gemein $ 
sam hochgehalten werden, zu den felsenfestesten n 
Realitäten der Weltgestaltung“schon langei « 
vor der materiellen Inswerksetzung gehören köny 
nen, und daß es überhaupt ein vergebliches Bemi- e 
hen ist, ohne kontinuative und ideotrope al 
Gesinnung echtes Menschentum fördern zu woll $ 
Da} ausgesprochen nationales Fühlen mit kos- K 
mozentrischer Weltanschauung sehr gut vereinbarg " 
ist, dab hingegen zwischen wahrer intellektueller 4 4 
Kosmozentrizität und charakterlosem Internatio- 4 
nalismus und Kosmopolitentum ein gewaltiger Ui 3 
terschied gemacht werden muß, braucht nie 


D W. Förster. 


(Schluß folgt) Fr 


Die stetige Abnahme der Kinderzahl und des Zei 3 
gungsvermögens und -willens in Frankreich ist ein 2e ® 
chen, daß es mit diesem Volk bergab geht; Gesetz, Ge- N 
wehr und Gold können dies Natur geschehen nicht a = 
aufhalten. E 

Eine andere Notwendigkeit ist die, daß das deutsche: E 
Volk, trotz der Kriegsschäden kerngesund, wenn MS 
von den Folgen der späteren Irreführung absieht, endlich E 
einmal aufhören muß und wird, sich zersplittern und 0 SA 
saugen, sein geschichtliches und Rassebewußtseit vu 
nichten zu lassen von undeutschem, land- und rasy 
fremdem Geist, der mit Geld und Lüge, mit heuchl N 
rischer. Geste und gleißnerischer Rede, mit List, W E 3 
schwach ist, mit Verbrechen, wo er stark geworf ® 
sich der Leidenschaft des Pöbels und der Torheit i a 
Massen bemächtigt und bedient, dem deutsches mE 
Mit Naturu g 
wendigkeit wird das deutsche Nationalgefühl wiede! “i 3 
gegen erstarken und sich frei und rein machen. ai g 

Das Nationálgefühl, heute bei uns von vielen js. & 
Füßen getreten, ist unser kostbarstes Gut; es = P. ® 
einzige, das uns mit elementarer Naturgewalt T k: k 
menhält, das aber auch dem Einzelnen Halt und «in La 
und Zuversicht verleiht; es ist der angeborene me N 
der Selbsterhaltung, der uns nie täuschen kann, = o $ 
mit Urkraft über das geschriebene Gesetz des nd i 
über Polizeischranken und über Lehren künstlich 1 A 3 


Br a 
En. Ai l 
ES: 7 

= ig 


# limmerter Weltanschauung kühn hinwegsetzt, wenn 
Feine Zeit dem Einzelnen oder dem ganzen Volk ge- 
nmen ist. Nationalgefühl ist das So- 
O in seiner natürlichsten, 
Tielsten, stärksten Art und Äußerung; 
ler Deutsche, Franzose, Italiener, Engländer wird immer 
3 ME ieres Mitgefühl empfinden, wenn einer, der irgend- 
A wo in China umkommt, ein Landsmann von ihm als 
em er. ein Chinese ist. 

d ° Es setzt sich auch über den Streit um mein und dein 
linweg; denn ihm, wenn es rein und kräftig ist, handelt 
sich um höheres. Ihm entspringen die großen volks- 
a gschichtebildenden, heiligen Handlungen, die dem 
eigen, trüben Sinn von gestern und heute als Verbrechen 
a oder als Wahn erscheinen. 


7 Über Familie und Stamm als einfachsten und unter- 
3 sin Einheiten des menschlichen Zusammenlebens steht 
4 ierbittlich und unerschütterlich fest als höchste Einheit 
i o N Ä 
Rasse ist die Daseinsform, in welcher und mittels 
a Eicher zu leben dem Menschengeschlecht von Natur 
4 &boten und gegeben ist. | 

; | Rasse schützt die Menschen vor Versklavung und 
4 Verherdung; sie ist das Mittel, wodurch sich die Mensch- 
kit forlaufend verjüngt und jung hält. Denn allen denen, 
= die Rasse für etwas Beschränktes, Rückständiges hal- 
7, sei es in Erinnerung gebracht oder, wenn sie es 
: deht wissen, gesagt: es bilden sich auch heute ‚noch 
a lene Rassen! | 
= | Rasse ist mehr und etwas anderes als bloße Anpas- 
ng an die klimatischen und Bodenverschiedenheiten 
A ler Erde, 

I Rasse ist die naturgewollte Fähigkeit der Menschen, 
- sch vor geistlos-gleichförmigem Dasein zu sichern, vor 
~ em Zustand, den wirklichkeitsfremde Schwärmer als 
7 :strebenswerte und höchste Vollkommenheit ansehen 
J dder üble Gauner anderen einreden wollen, damit sie 
I4 Sch ihres kostbarsten Gutes, des Nationalbewußtseins, 
4 @iledigen und zu vaterlandslosen Sklaven werden. 


Je mehr und je stärker ausgeprägte Merkmale eine 
j A besitzt und zur Schau trägt, desto mehr befeindet 
4 Se die anderen, desto zäher leugnet sie die offenkun- 
f Ake Tatsache, daß es überhaupt Rassen und Rassen- 
5 Merkmale gibt, weil sie nämlich die einzige. sein will; 
2 Često größer wird das Gegengewicht der andern; das 
5t iht Schicksal, denn dadurch sorgt Natur dafür, daß 
og Bäume nicht in den Himmel wachsen und daß die 
1 „ Chheit nicht durch eine Rasse versklavt wird. 
i MaS braucht uns Deutsche aber noch lange nicht abzu- 

"alten, in der Pflege und Wahrung unserer Rasse uns 
A l kienigen Rassen zum Vorbild zu nehmen, die in eiser- 
4 E Festhalten an ihren Rasseeigentümlichkeiten und an 
E a. geschichtlichen Überlieferungen überall und seit 
‚4, ausenden ihr Gedeihen finden, aber auch zum Vor- 
| Ei und wann immer es gilt, rücksichtslos für die 
f ung nur unserer Rasse zu kämpfen. 


ite te © zum Teil an Weltgrößenwahn grenzenden 
; h chen Prophezeiungen und trügerischen Versprechun- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT- 


neinung des - Lebens, ist Selbstmord der 


191 


gen mancher solcher Rassen brauchen wir dabei weder 
zu dulden noch nachzumachen, 

Lebenswert und Triebkraft völkischer Überlieferung 
werden selbst von solchen, die tiefere Einsicht in 
Menschliches und Völkisches besitzen, unterschätzt, wäh- 
rend wir doch ihre Wirkung in der Geschichte überall 
und beständig beobachten. Walther Rathenau 
sagt in: „Von kommenden Dingen“, Berlin, S. Fischer, 
S. 124 von dem Traditionalismus, der Kraft der Über- 
lieferung: „Aber es darf niemals vergessen werden, daß 
diese Kraft eine negative ist’ „ „Verneinung des 
Lebens und seines Wachstums”. Freilich widerspricht 
er sich dabei, denn er selbst sagt unmittelbar vorher, 
daß es die Aufgabe des Traditionalismus ist, „Stetiekeit 
der Bewegung zu wahren, das Schleudern des Wagens 
zu verhindern, willkürliche Experimente einzuschrän- 
ken”. Meines Erachtens ist es gerade Sinn und Ziel der 
Überlieferung, durch bewußte, bekennensfreudige Wahb- 
rung der erprobten lebenswichtigen Zu- 
sammenhänge von Vergangenheit und Gegenwart 
Bestand und Gedeihen der Rasse und des Volkes zu 
sichern, fördern und stärken und aus der Geschichte 
Erfahrungen für die Zukunft zu schöpfen. 


Gerade Verzicht auf diese Zusammenhänge ist Ver- 
Rasse. Dies 
eiserne Gesetz gilt nicht nur für die Menschen, sondern 
für alle Lebewesen, und seine Nichtbeachtung ist der 
Anfang aller selbstvergessenden und selbstwegwerfen- 


den, auflösenden, aber nicht erlösenden Gesetzlosigkeit. 


Auch ist es: ein gewisser Widerspruch, wenn 
Rathenau, der selbst das deutsche Volk preist 
als „das eigenlebigste von allen, die sind und wa- 
ren‘ (S. 339), behauptet, Nationalismus bilde nur 
die Außenfläche des kollektiven Empfindens und Be- 
wußtseins (S. 132). Meiner Ansicht nach ist Natio- 
nalismus eigentlichstes, innerstes Wesen und reich- 
ste Frucht solchen Empfindens und naturgewollte Siche- 
rung gegen wirtschaftliche, kapitalistische und seelische 
Fesselung, die ihr Bereich über die ganze Erde ausbrei- 
ten, sich die ganze Erde unterjochen möchte: ein Herr 
und eine Herde! Es muß immer wieder gesagt werden: 
Nation kommt von nasci, das heißt: geboren werden, 
Nation heißt eigentlich Geburt und bezieht sich im über- 
tragenen Sinne auf die durch Vererbung und Geburt er- 
worbene, gesicherte und zu sichernde Gemeinsamkeit kör- 
perlicher und geistiger Eigenschaften und Fähigkeiten. Da- 
zu gehören aber nicht nur die äußerlichen sichtbaren Merk- 
male, „die Außenfläche”, sondern viel mehr und wesent- 
lich der Inhalt. Die inneren Organe, besonders Hirn, 
Rückenmark und Nerven, die Innendrüsen, und am mei- 
sten Blut, Same und sonstige Säfte. Das haben schon 
die Menschen des alten Testamentes gewußt, indem für 
diesen Begriff geradezu und stets und treffend das einzige 
Wort „Same” gebraucht wird. Inhalt aber auch im gel- 
stigen Sinne. | un 

Eine ‘dritte natürliche Notwendigkeit ist: die an- 
deren Völker können sich der Einsicht nicht länger ver- 
schließen, daß die deutsche Rasse einer der kräftigsten 
und wichtigsten Kulturträger ist, kräftiger und wichtiger 


e 


192 


als das französische Volk, und daß Bewertung und Be- 
handlung des deutschen Volkes durch die anderen sich 
danach richten und gestalten muß, zum selbstverständ- 
lichen und wohlverstandenen Nutzen der Menschheit 
oder, wenn es nicht geschieht, zu ihrem sicheren und 
nicht wieder gut zu machenden Schaden. Denn die deut- 
sche Rasse ist ein wesentlicher und lebenswichtiger Be- 
standteil der Menschheit als eines zusammenhängenden 
Ganzen, kein beliebiger, und noch lange kein abster- 
bender oder dürrer Ast am Menschheitsbaum, sondern 
einer der Hauptäste, in die der Stamm sich teilt, und 


mit dessen Zerstörung nicht nur der Ertrag der Früchte 


sich vermindert, sondern Stamm und Wurzel Gleichge- 


wicht und Halt verlieren und verkümmern und siechen. ` 


% Era 
>» [27 


x“ 


| Wie so manche Schöpfung deutscher, insbesondere 
preußischer Krankenfürsorge sind auch zwei muster- 
gültige, stattliche Anstalten für Geisteskranke, die Pro- 
vinzial-Heil- und Pflegeanstalten zu Rybnik und Lubli- 
nitz verloren gegangen, nachdem sie die Schrecken pol- 
nischer Aufstände und die Ungerechtigkeit und Auswer- 
tung des unzweifelhaft für das Deutschtum in Oberschle- 
sien günstig ausgefallenen Abstimmungsergebnisses über 
sich ergehen lassen mußten. 

Deutsch geblieben sind die Provinzial-Heil- und 
Pfilegeanstalten in Tost und Kreuzbure. 


Während auch in der Toster Anstalt der Aufruhr 


der Polen gehaust hat, blieb die Kreuzburger, davon ver- 
schont — dank der französischen Besatzung! Diese ist 
nämlich zu Beginn des Mai-Juni-Aufstandes 1921 plötz- 


lich bei Nacht und Nebel von Kreuzburg abgezogen, 


angeblich um den Aufstand im südlichen Oberschlesien, 
im Industriegebiet, zu unterdrücken, und mit Hinterlas- 
sung der amtlichen, Öffentlichen Erklärung an die Be- 


œ wohner von Stadt und Kreis Kreuzburg: die französi- 


schen Truppen Könnten die Bevölkerung nicht gegen die 
von der Grenze einbrechenden Polen schützen, die Be- 
völkerung müsse sich selbst Schutz schaffen. Es ist 
allgemein bekannt, wie wenig der französische General 


Le Rond den Polenaufstand unterdrückt, wie er ihn durch 


untätiges Zusehen zum mindesten begünstigt hat und wie 


- die Franzosen sich mit den aufständischen Polen noch 


inniger verbrüderten als es bis dahin schon geschehen 
war. Es war unsere Rettung, daß wir in Kreuzburg 
freie Hand hatten: der Selbstschutz, aufs beste organi- 
siert, und so gut wie möglich mit Waffen, aber unüber- 
trefflich mit dem Geist der Vaterlandsliebe und des 
opferwilligen deutschen Nationalgefühls ausgerüstet, mit 
der Begeisterung von 1914, war schon unterwegs zum 
Schutz der Grenze, als die letzten französischen Bagage- 
wagen, ängstlich durch Maschinengewehre geschützt, 
abzogen. Se | 

Durch Tapferkeit und Heldenmut des einheimischen 
Selbstschutzes wie der vielen echt national deutsch ge- 
sinnten Freiwilligen aus dem Reiche — besonders 
Roßbach und seine getreuen Kämpfer werden unver- 


. geßlich bleiben — gelang es während der ganzen Dauer 


des Mai-Juni-Aufstandes, die Polen vom Kreise Kreuz- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


burg fernzuhalten, in schweren Kämpfen freilich und ie 


nicht ohne große Opfer an deutschem Blut und Leben, i 
Anderenfalls wäre wohl auch der f 
Kreuzburg durch den 
polnischen Bereich gefallen, trotzdem etwa 96 v. H f 
seiner Bewohner deutsch gestimmt haben. = 
So wird die Rettung des Kreises Kreuzburg als Vor- #s, 
bild gesunder, kräftiger, natürlicher, opferwilliger Vater- 4.. 


landsliebe und echten, urwüchsigen deutschen National- f., 
bewußtseins aus trauriger Zeit in eine bessere Zukunit $ 


leuchten. u 
Die Provinzal-Heil- und Pilegeanstalt zu Kreuzbug, $ 


die an die französische Einquartierung in einem großen $ 


Teil ihrer Häuser besonders schmerzlich zurückdenkt, 3 


darf sich freuen, daß die Gefahr der Lostrennung voi $ 
Schlesien und Preußen überstanden und vorüber ist. Eine Pu 


Lostrennung des Kreises von Preußen und vom übrigen P1 


Schlesien wäre unter allen Umständen und in jeder Art ik 
widersinnig, um so mehr, als gerade dieser Kreis seit Fr 
jeher zum Regierungsbezirk. Mittelschlesien (Breslau $ 
gehörte und erst 1820 unter Protest der Stände aüs rein Wi 
verwaltungstechnischen, längst überholten Gründen dem F | 
zugeteilt F 
Ist doch die Anstalt selbst in ihrer ursprüns- fin 
lichen Gestalt während der Regierung Friedrichs des Foi 
Eins der ältesten unter den ul 
zähligen, unvergänglichen und unvergeßlichen Kultur- ® 
werken und -wahrzeichen der Preußischen und Hohen giy 
zollernregierung in diesem Teil ‘Schlesiens, trägt diese Wia 


Regierungsbezirk Oberschlesien (Oppeln) 


wurde. 


Großen erbaut worden. 


Anstalt an ihrer Stirn in lateinischen Worten die M- Fh 
schrift: I 


Zum Wohl der Leidenden von Fried fé 
rich dem Großen errichtet, nach Zerstü 88: 


rung dureh’ Brand: -(1823)” von Friedrich Ik 
Wilhelm III. wieder aufgebaut. Eo 


Zur Erinnerung an den Sieg des Deutschtums M u 
Kreise Kreuzburg bei der Abstimmung am 20. März 1921 1 ste 
habe ich den Betrag, welcher mir zum Besten Geistes- 1 N 
und Pflegeanstalt A 
Kreuzburg, O.-S., zur Verfügung gestellt worden ish d Ni 
dem Schlesischen Hilfsverein für Geisteskranke in Len P 
bus a. O: überwiesen, und zwar, um das Andenken W g> 
den besonderen Anlaß lebendig und weiterhin wirksall i 
zu erhalten, unter dem Namen ‚Bismarckstil Ai 


kranker der Provinzial-Heil- 


tung” und mittels untenstehender Satzungen. 


Daß: ich die Zuwendung mit dem Namen „Bismart d M 
n 4 H Ai 
ntreißbaret 7, 

Arte a i 


stiftung” bezeichnet, hat den uns Deutschen alle 
Fleisch und Blut übergegangenen und nie © 
vaterländischen Sinn in noch einer besonderen 
deren wir immer eingedenk sein sollten. Wer kenn ne 
das treffliche Buch von G. Lomer: Bismarck! | 4 n 
Licht der Naturwissenschaft (Halle + ` f 
1907, Carl Marhold. Verlagsbuchhandlung)? 
Bismarck, der Schöpfer der deutschen H 
und des Deutschen Reiches, den mächtigen Überw! 
aller deutsch- und reichsfeindlichen Heraus 
und Widerstände, ihn lernen wir in diesem 
nen als den großen Selbstbezwingel, 
alle großen Männer, die Gefahren, denen De 


Einheit $ 


O a Ta } 
keit 


urdeutsche Kreis $ ii 
Genfer Unrechtsspruch in den fy 


nder I 
forderunge! fy 
Buche Ke fa 
der, We Zn 
der Last ; 


| 


] k Aufgaben und bei der Bewältigung der ademi: 
Fije Gesundheit, die geistige und körperliche, ausgesetzt 
Ai, mannhaft überwindet, der mit eisernem Willen den 
Firmen gegen seine Nerven trotzt und der uns Deut- 
chen allezeit ein Vorbild ist, auch wo es gilt: 
© Mit den Nerven 
Fselbstaufraffiung 
Fichutz segen 
A Bei: 


dürchhalten: durch 
und durch Selbst- 
Seelenschwäche- und:Ver- 
Bre S We T- 


N) 
r 


der 


1. Von Freunden der Provinzial-Heil- und Pflege- 
foa zu Kreuzburg, O.-S., und von meinen Bekannten 
us dem Reiche wurden mir für meine gemeinverständ- 
ken Schriften über Seelenstörungen zum Besten un- 
bei Geisteskranker dieser Anstalt in hochherzi- 
G und dankenswerter Weise Geldbeträge überwiesen. 


€ Satzungen Bismarckstiftune. 


2. Es hat sich schon immer als segensreich erwie- 
, A sen, wenn für Vorkommnisse, wo gesetzliche Verpflich- 
u nicht obwalten, aus Erträgen solcher Spenden 


Aılassung oder als Notgroschen nach der Entlassung 
Acer zu Weihnachtsgeschenken an Pfleglinge, die keine 
Fuer mittellose Angehörige haben. | 

i = 3. Ich bestimme daher, daß diese Gelder, die am 
Al. Okt. 1921 3523 M 46 Pf. betrugen und auf das Spar- 
Füssenbuch Nr. 27491 bei der Kreissparkasse in Kreuz- 
fg’) eingezahlt sind, als Grundstock einer Stiftung die- 
4, die hiermit errichtet wird und die zugleich unter 
Y der Bezeichnung „Bismarckstiftung” an den glänzenden 
Ft des Deutschtums im Kreise Kreuzburg, O.-S., bei 
: ‚der Abstimmung im Jahre 1921 erinnern helfen soll. 
| Dieser Betrag nebst Zinsen, sowie die weiteren Zuwen- 
Zungen werden dem Schlesischen Hilfsverein für Gei- 
Í Steskranke überwiesen. Der Vorstand dieses .Vereins, 
1 ‚Welcher sich dazu bereit erklärt hat, übernimmt die Ver- 
F Naltung dieser Stiftung und nimmt das Vermögen der 
l Stift ung sowie die etwa später ihr zufließenden Gelder und 
f emögensstücke in das Vermögen des Vereins als ge- 
4 nderten Bestandteil desselben auf. 


4 Die Beihilfen werden aus den Zinsen des Stif- 
A ngsyermögens gezahlt, und. zwar in erster Linie an 
4 Pileglinge der Anstalt zu Kreuzburg, O.-S., die aus Stadt 
i Mer Kreis Kreuzburg, O.-S., stammen. Die Zinsen der 
; Bsmarckstiftung sollen in die Summen eingerechnet 
| 4 Verden, welche bei den, den einzelnen Schlesischen Pro- 
| Ju -Heil- und Pflegeanstalten seitens des Schlesischen 
4 Alsvereins für Geisteskranke, aus dessen zur Vertei- 
: s kommenden Geldern, zufließenden Unterstützungen 
: m Anstalt zu Kreuzburg, O.-S., anteilig zufällt. 

4 = ` Die Verwendung der Zinsen im Einzelfall ge- 
ee 

h 1) Die Gelder sind inzwischen unter dem gleichen 
4 "en auf das Sparbuch Nr. 13008 bei der Sparkasse 
1 $ , Kreises Wohlau in Wohlau eingezahlt worden; es 
li d gebeten, weitere Sendungen dorthin (Postscheck- 
; io Nr. 4108) zu richten. 


Sge, 
a. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Fehilien gewährt werden können z. B. zu Reisegelad bei 


193 


schieht durch den Direktor der Provinzial-Heil- und 
Pflegeanstalt zu Kreuzburg, O.-S., selbständig und nach 
freiem Ermessen im Sinne der Ziffer 2. 

6. Es soll angestrebt werden, das Vermögen der 
Stiftung zu mehren, indem weiterhin durch gemeinver- 
ständliche Schriften über Geistesstörungen und ver- 
wandte Gebiete und auf sonstige Weise Verständnis und 
Wohlwollen der Bevölkerung für die Stiftung und.ihren 
Zweck lebendig und werktätig erhalten wird. 


7. Auch für den Fall, daß die Provinzial-Heil- und 
Pfleseanstalt zu Kreuzburg, O.-S., aufhört zu bestehen, 
verbleibt die Bismarckstiftung bei dem Vermögen des 
Vereins und zwar als gesonderter Bestandteil. Über die 
Verwendung der Zinsen entscheidet alsdann der Vor- 
stand des Vereins mit der Maßgabe, daß in erster Linie 
aus Stadt und Kreis Kreuzburg, O.-S., stammende Pfleg- 
linge berücksichtigt werden. | | 


Kreuzburg, O.-S., den 9. April 1922. 


Dr. Johannes Bresler. 


Nachtrag. Inzwischen sind wieder einige Tau- 
send Mark auf die gleiche Weise zugeflossen. 


— Möbiusstiftung. Der Preis für 1921 wurde ein- 
stimmig Herrn Professor Dr.E mi \ Kraepelin in München 


zuerkannt. 
% II. Nachtrag 


zu den Satzungen der Möbius-Stiftung 
vom 24, ‚Februar 1908.!) | 
I. Ziffer 8 der. Satzungen der Möbius- Stiftung vom 
24. Februar 1908 kommt, in Wegfall. 
I. : Ziffer: 5, 7, 9, 10 und 12 der a der 
Möbius-Stiftung vom 24. Februar 1908 erhalten die 
folgende Fassung: 


„5. Die Aufgabe der Stiftung besteht darin, 


. einen Möbius-Preis zu verteilen, zu dem die Erträgnisse 


des Stiltungsvermögens nach Abzug der Verwaltungs- 


kosten zu verwenden Sind. 


7. Der Preis wird nach dem Schlusse der Jahre 
1921, 1923 usw. alle zwei Jahre verliehen. 


9, Der Preis wird verliehen für eine (oder mehrere) 
im Gebiete der Neurologie oder Psychiatrie gelieferte 
wichtige Arbeit, die in den letzten, vor Erteilung des 
Preises zurückliegenden zwei Jahren selbständig als 
Schrift oder in einer Zeitschrift abgedruckt erschienen 
ist. 

10. Für den Preis gilt, daß weder ein Lehrbuch noch 
eine für eine Prüfung gelieferte Arbeit den Preis er- 
halten kann. 


12. Kann der Preis nicht us rhehlen werden, so hat 
der Vorstand zu bestimmen, ob der ersparte Betrag zur 
Erhöhung späterer Preise verwendet werden oder zur 
Vermehrung des Stiftungsvermögens dienen soll.“ 


IH. In dem ersten Nachtrage zu den Satzungen der 
Möbius-Stiftung vom 2., 4., 5. März 1922 werden im 2. 


1) Vgl. 


diese Wochenschrift 10. Jg. S. 129, 14. Jg. 
S. 497. | Ä 


194 


Absatze von Ziffer 6 die Worte: „sowohl dem A- als 


dem B-Preise“ durch die Worte: „dem Preise” ersetzt. 


Der Vorstand der Möbius-Stiitung. 
Leipzig, den 4. November 1921. 
gez. Prof. Dr. Ad. Strümpell. 


Golditz a. Mulde, den 5. November 1921. 
gez. Dr. H. Dehio. 


Kreuzburg, Oberschlesien, den 13. November 1921. 
Dr. J. Bresler. 


Der vorstehende 1]..Nachtrag zu den Satzungen der 
Möbius-Stiftung in Leipzig vom 24. Februar 1908 wird 
genehmigt. 

Dresden, den 31. Dezember 1921. 

Ministerium des Kultus und öffentlichen 

Unterrichts. 


Für den Minister: gez. Boehme. 
Nr. I 503 a Stift. 


Genehmigungsurkunde. 


Rechnung der Möbius-Stiftung 1921. 
(1. April 1921 bis 31. März 1922.) 


| Einnahme. | 
Kassenbestand v. J. 1920 ..434,36 M 
Zinsen ra nn . : 386,85 M 
Erstattete Kapitalertragssteuer 42,10 M 
Sa. 863,31 M 
Ausgabe. 

Goldammer f. Beschreibung des Diploms 25, — M 
H. Gladenbeck & Sohn f. eine Plakette . . . 176,— M 
F. Müller f. Gravieren der Plakette . . . . . 40, — M 
Dr. Weigelt f. Porto und Verpackungskosten . 16,50 M 
Prof. Dr. Kraepelin, 1921 fälliger Möbiuspreis 500, — M 
Kassenbestand . RE oF . 105,81 M 
"Sa. 863,31 M 

' Vermögen am 31. März 1922. 
3!/2proz. Leipz. Stadtanleihe v. 1887 . 1000, — M 
BHEDTOZ. 3 j „ 1904 . 1600, — M 
5 proz. 5 x „. 1918 .. 500,— M 
4 „ Chemnitzer Straßenbahn . 5000,— M 
9272 SANS Rente. nun R 1000,— M 
4 „Dresdener Stadtanleihe - 1000,— M 
Sparkassen-Guthaben 27,15 M 


Sa. 10127,75 M 
Leipzig, 5. Mai 1922. 


Rats- Stiftungsbuchhalterei, gez. Liebmann. 


-— Reichsverband. Lt. Beschluß der Hauptversamm- 


5 = lung am 23. September in Leipzig soll den Behörden 


‚und gesetzgebenden Körperschaften in den einzel- 
nen Ländern und Provinzen eine Entschließung betr. 
der Einreihung in die Besoldungsgruppen übermittelt 
werden. Es war verabredet worden, daß die Einzel- 
verbände in allen Verwaltungsbezirken alsbald die betr. 
Anschriften an die Geschäftsstelle mitzuteilen hätten. 
Von einem erheblichen Teil der Einzelverbände sind 
uns aber die Anschriften noch nicht zugegangen. Wir 
bitten um möglichste Beschleunigung, damit die Schrei- 
ben, die noch nicht abgesandt werden konnten, ab- 
gehen können. i -L A.: Hussels. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


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[Nr. 29/30 M 


Referate. 


— Grenzen der phänomenologischen Erkenntnis in $ 
der klinischen Psychopathologie. Von Prof. Dr. Erwin? 
Stransky, Wien, Vortrag, gehalten in der Abt. 23° 
Psychiatrie und Neurologie, der Jahresversammlung der 4 
Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, Leipzig # 
17. bis 24. September 1922. JE 

Der Vortr. anerkennt die Verdienste der Phänomen- 
logie — wenn man sie etwa im Sinne. Jaspers verstehen 
will — um die Individualpsycholögie. Sie bietet aber 
bei weitem nicht jene sichere Tragfläche dar, die es ir 
gestatten würde, sich über andere klinisch-psychologi- f 
sche Methoden zu stellen, wie dies viele ihrer eifervollen $ 
Vertreter für sie beanspruchen. In der Natur der Sache Y 
selbst liegen vielmehr Fehlerquellen, die zugleich Gren 
zen ihrer Leistungsfähigkeit markieren. Da ist vor Win 
allem zu betonen, daß die reproduktive Sphäre, aus dr g 
allein wir auf das seelische Innengeschehen schließen í 
können, niemals, weder quantitativ, noch qualitativ, rest- ; 
los wiederzugeben vermag, was im seelischen Innen yo 
vor sich geht; weiter lehrt die Aussageforschung, dab yit 
solche Wiedergabe so gut wie stets irgendwie verfälscht 
wird: dazu kommt die mangelhafte Fähigkeit auch vieler iih 
Gebildeter zu psychologischer Selbstbeobachtung; des 
weiteren gibt es sehr verschiedene seelische Reaktions]; 
und Denktypen, und diese Verschiedenheit bildet sic 
auch gelossopsychisch ab; sie kann, wenn zwischel 4 
Untersuchtem und Untersucher waltend, grobe Mißve $ 
ständnisse erzeugen; vollends, sobald der Untersuchle 
cin Schizophrene ist, denn hier ist charakteristischtr § | 
weise der Zusammenklang zwischen Endo- und (repro 4e 
duzierender) Exopsyche schwer gestört; auch erlebet der 
gerade Schizophrene so viel Neuartiges, dab Sprache Ei) 
und Schrift als Ausdrucksmittel oft genug versagt 
Vortr. erörtert dies und anderes an Hand von Beispie® {i 
fällen und tritt für die klinische Pluralpsychologie a 
Korrektiv der Individualforschung ein. S 

` Schlußwort in der Aussprache: Stransky bemerkt ; 
zu Bumke und Kronfeld, daß auch er durchaus aui d g 
Standpunkte gegenseitiger Ergänzung der verschiede? 
Methoden stehe; eben gerade darum schien es ihm w 
wendig die Übertreibungen einer Methode und ihe 
Einseitigkeiten aufzuzeigen. = 


Wirtschaitliches. 


re Wohnungsamt der Deuischen Studentenschäll fy; 
Vom „Hochschulführer, Lebens- und Studienverhäl " k 
nisse in den deutschen Hochschulstädten” (unter BIS w 
schluß Deutsch-Österreichs und des Sudetenlandes) po? 
die 6. Ausgabe, Winter-Semester 1922/23 soeben E f 
schienen. Im Auftrage des Vorstandes der Deutsche! a 
Studentenschaft herausgegeben von Stadtrechtsrat Ma k 
nen, Münster, Leiter des Wohnungsamtes der Deutsch j 
Studentenschaft. Münster 1922, Selbstverlag der De i 
schen Studentenschaft. Zu beziehen gegen Einsendl ii 
des Betrages von 16 M (Ausland mit hochwertige! a Y 
luta 60 M, sonst 35 M) an das Wohnungsamt der a h 
schen Studentenschaft, Münster i. W., Universität, Po : 4 & 
scheckkonto Hannover Nr. 55 205. 


Buchbesprechungen. 


n 2 = Prinzhorn, Dr. phil. et med. Hans, Nerven- 
i im in Heidelberg: Bildnerei der Geisteskranken. Ein 
i Beitrag zur Psychologie und Psychopathologie der Ge- 
Patung. 361 S. Mit 187 zum Teil farbigen Abbildungen 
E mText und auf 20 Tafeln vorwiegend aus der Bilder- 
a wmmung der Psychiatrischen Klinik zu Heidelberg. 
5 Berlin 1922, Verlag von Julius Springer. | 
l T P bemängelt — ‘wohl zu schroff —, daß „ein so 
g gescheiter und auch ernsthaft kultivierter Mann wie 
fi | ibius in völlig pretensiöse Plattheiten sich verlor und 
4 wz unbefangen Krankheitssymptome in Nietzsches 
l Verken dort T ließ, wo sein eigenes Verständnis 
N Nersagte” (S. 8): will die verletzende Schärfe des 
A rlblems dern; en er es .unpersönlich gestaltet 
r md untersucht, ob der künstlerische Inspirations- und 
staltungsvorgang und das Weltgefühl des Geistes- 
taken irgendwie verwandt sind (S. 10); anstatt große 
= Persönlichkeiten mit psychiatrischem Maße zu messen, 
ik Wobei der Messende in der Regel zu kurz befunden 
grii. Es wird zunächst der Sinn der Gestaltung erör- 
Mi und diese auf das Ausdrucksbedürfnis zurückge- 
f: ‚hr, auf den Zweck: „Seelisches zu verkörpern und 
i dmit die Brücke zu schlagen vom Ich zum Du” (S.'17). 
Diesem Ausdrucksbedürfnis, insofern es im besonderen 
d staltungstrieb ist, sind eng benachbart der Spiel- und 
F Simucktrieb, später folgen die Abbildetendenz, die Ord- 
ingstendenz und das Symbolbedürfnis. Spieltrieb ist 
rätigungsdrang (ich möchte ihn im mancher Form 
isigestaltungstrieb nennen): Schmucktrieb wird von 
| Fr, als Umwelts-Bereicherung erklärt; die Ordnungsten- 
d Úi gibt sich in Rhythmus und Regel zu erkennen; die 
1 Abbildetendenz im Nachahmungstrieb, wobei es ohne 
i Unterschied ist, ob es sich um Abbildung von Wirk- 
a them oder Unwirklichem handelt; denn es handelt sich 
mer um Ab- und Nachbildung von Anschaumgsbildern. 
E. läge es näher, das Mitteilungsbedürfnis zugrunde 
3 a U legen und an erste Stelle zu setzen; damit wäre der 
A rsang zum Symbolbedürfnis ein. unvermittelterer, 
4 Miteilung rein anschaulich nicht zu übermittelnder Ge- 
L Miszustände und Gedanken. 


a ii als Gestaltungskraft bezeichnet die Fähigkeit des 
a „lieber, das, was ihn bewegt — ‚sei es Anschauung 
4 er Gefühl —, so in ein Bildwerk umzusetzen, daß ein 


i E haben kann (S. 48). Sie schlägt die Brücke vom 
F ücksbedürfnis über Anschauungsbild zum Werk 
7," zwischen Erleben und Form. Im Mittelpunkt aller 
aistwertung handelt es sich darum: zwischen leben- 
; 3 ~t Unmittelbarkeit und Formung ist alles Gestaltete 
y Sespannt, und auf das Maß dieser Spannung allein 
e an letzten Endes unsere Wertung sich berufen (S. 48). 
Eu Unterscheidung von zwei verschiedenartigen 


lungsvorgängen, einem, der sich an die Natur hält, 
"einem, der sich an Vorstellung und Wissen hält, wird 
| “ - Psychologisch schlechterdings unmöglich ge- 
Ei; 47); ich glaubte, daß dies auch innerlich die 
one Unterscheidung sei. 


ll ———  PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


In dem Abschnitt: Anschauungsbild- und ‘Gestaltung 


eigneter Beschauer ein möglichst ähnliches Erlebnis 


195 


Bei den Bildwerker aus der Heidelberger Samm- 
lung nun (S. 53 bis 122), denen eine psychiatrische Vor- 
bemerkung. voraufgeht, die sich hauptsächlich auf die 
Schizophrenie bezieht, findet die Darstellung der ein- 
zelnen: Fälle in folgender Gruppierung statt: I. Objekt- 
freies ungeordnete Kritzeleien. II. Spielerische Zeich- 
nungen mit vorwiegender Ordnungstendenz. III. Spiele- 
rische Zeichnungen. mit varwiegender Abbildetendenz. 
IV. Anschäuliche Phantastik. V. Gesteigerte Bedeutsam- 
keit und Symbolik. Es folgen zehn Lebensläufe schizo- 
phrener Bildner (S. 122 bis 291). 

In den Ergebnissen und Problemen (S. 291 bis 352) 
werden die Einzelbetrachtungen noch einmal zusammen- 
sefaßt und übersichtlich erörtert, dann die Vergleiche 
auf dem Gebiete der Kindheits- und Völkerpsychologie - 
aufgezeigt, ferner die Eigenart schizophrener Gestaltung. 
Mit den Kapiteln: Schizophrene Gestaltung und Kunst 
und: das schizophrene Weltgefühl und unsere Zeit — 
endet das Werk P.s. Auf einige Punkte aus diesen be- 
deutungsvollen Kapiteln müssen wir noch eingehen. 

Das Kunstwerk erleben wir nur — sagt P. —, wenn 
wir es.als ein Gestaltetes ohne äußere Zwecke uns zu 
eigen machen. „Dazu gehört nicht der Erlebniserund 
des Schaffenden als eines Privatmannes, Vielmehr för- 
dert solche Erkenntnis nur die volkstümliche Neigung 
zu kunstfremder Indiskretion. Mag man immerhin auch 
der Erlebnissphäre nachforschen, die im Werk sich. 


spiegelt, — wem es ernstlich um: das Werk als ein 
Gestaltetes handelt, der- wird den Akzent auf dem ` "All- 
semeinen, Überpersönlichen, Wesentlichen ruhen las- 
sen. ... Wer ein Bildwerk nicht anschauend zu er- 


leben vermag, ohne von einem Denkzwang zum Ergrün- 
den- und Entlarven-Wollen, befallen zu werden, der mag 
ein guter Psychologe sein, aber an dem Wesen des Ge- 
stalteten geht er notwendig vorbei. — Wir erkennen 
also jede psychologische Aufhellung als ‘solche an, sind 
aber gewiß, daß sie vom Werk weeführt zum Wissen 
um Intima. In vollem Bewußtsein, daß wir uns hiermit 
einer unentrinnbaren Zeitströmung, der jeder von uns 
in irgendeiner Weise Tribut zahlen muß, entgegensetzen, 
legen wir den Akzent auf die überindividuellen Kompo- 
nenten des Gestaltens und ordnen diesem Gesichts- 
punkt alles unter. Aus derselben Gesinnung heraus 
mußten wir Berechtigung und Wert der pathographischen 
Behandlung produktiver Menschen stark einschränken ` 
und die eingehenden Lebensschilderungen unserer zehn 
groben Fälle eigens damit begründen, daß wir ihrer 
als Hintergrund für die rätselhaften Bildwerke bedurf- 
ten” (S. 333). 
Bei der Eigenart der schizophrenen Gestaltung wird 
die ambivalente Einstellung. und. der Autismus hervor- 
gehoben. Dieser Zwiewert mit dem „Verweilen in einem 
Spannungszustand vor der Entscheidung” steht in 
Wesenszusammenhang mit dem Autismus, der Welt- 
flucht, der mangelnden Wirklichkeitsanpassung (S. 340). 
Bemerkenswert ist auch die Feststellung, daß be~ 
stehende bildnerische Fähigkeiten nicht notwendig von 
dem schizophrenen Prozeß zerstört werden, sondern lange 
Zeit unverändert erhalten bleiben können; es kam so- 


196 


car vor, daß im Verlauf eines schizophrenen Prozesses, 
während der Kranke zu einem völlig verschrobenen, un- 
zugänglichen Endzustand mit allen typischen Sympto- 
men in höchster Steigerung verfiel, seine Produktion 
sich von äußerlicher kunstgewerblicher Gewandtheit zu 
einer Gestaltungskraft großen Stils mit künstlerisch 
guten Bildwerken entwickelte. Wo Verfall der Persön- 
lichkeit stattfand, ging der künstlerische nicht parallel. 

Dafür, daß bei Geisteskranken oft nach jahrelangem 
Anstaltsaufenthalt ein solcher Gestaltungsdrang sich 
Bahn bricht, der vielleicht bei ihnen als einem jeden 
Menschen zukommende, aber latent bleibende oder ver- 
kümmernde Eigenschaft vorhanden ist, dafür bezeichnet 
P. als Ursache eben die Krankheit selbst: die innere Ent- 
wicklung und Wandlung des Kranken, seine Abkehr von 
der Umwelt, die autistische Konzentration auf die eigene 
Person, aber auch die Abschließung von der Außenwelt 
durch die Anstalt. Vielleicht begünstigen auch andere 
Formen des äußerlichen Abschlusses oder Selbstverschlus- 
ses solche Wandlungen und Richtungen. Letzterer ent- 
springt m. E. wohl aber auch gewöhnlich einer inneren 
Wandlung (S. 344). | 

P. hält es aber auch für denkbar, daß der Kranke 
unter der ganz spezifischen Einwirkung der. Schizo- 
phrenie zu einer Gestaltungskraft gelangt, die ihm sonst 
versagt wäre, indem in seiner Seele sich Vorgänge ab- 
spielen, die sonst dem Künstler vorbehalten sind 
(S. 345). | 

Während man den tiefen Beziehungen zwischen der 
Kunst unserer Zeit und dem Gestaltungsdrang der 
Schizophrenie nicht durch Vergleich äußerer Merkmale 
beikommen kann — nach P. werde er sogar von „nam- 
haften Psychiatern (welche? Ref.) in platter und sensa- 
 tioneller Weise in der Tagespresse” (S. 346) gezogen, 
aber man dürfe aus Ähnlichkeit der äußeren Erscheinung 
nicht Gleichheit der dahinter liegenden seelischen Zu- 
stände konstruieren —, sieht P. verwandte Züge in der 
allgemeinen Gefühlshaltung der letzten Kunst: Abkehr 
von der schlicht erfaßten Umwelt, konsequente Entwer- 
tung des äußeren Scheins, an dem die gesamte abendlän- 
dische Kunst bislang gehangen hatte, und schließlich eine 
entschiedene Hinwendung auf das eigene Ich. „Diese For- 
meln aber sind uns bei unseren Bemühungen, das Welt- 
gefühl der Schizophrenen zu umschreiben, ganz ge- 
läufig geworden” (S. 347). Aber beim Schizophrenen 
— so formuliert P. die Unterschiede bei aller Verwandt- 
schaft zwischen schizophrenem Weltgefühl und. dem in 


> der letzten Kunst — ein schicksalmäßiges Erleben der 
5 _ Entfremdung der Wahrnehmungswelt, 


segen das er 
lange ankämpft; beim „Künstler unserer Tage” geschieht 
die Abwendung im besten Falle auch unter dem Zwang 
eines Erlebnisses und nach inneren Kämpfen, aber doch 
mehr oder weniger als Folge von Erkenntnis und Ent- 
schluß und mit wenigstens theoretisch klarem Ziele, 
mit der Neigung, sich soweit vom Zwang der äußeren 
Erscheinung loszulösen, daß alle Gestaltung nur noch 
mit unverfälschtem seelischen Besitz zu tun hat und aus 
völlig autonomer Persönlichkeit quillt, die in einem ge- 
heimnisvollen Zusammenhang mit der ganzen Welt zu 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


w Ha 
.der ganzen Zeit etwas von dem ambivalenten Verwelll 4 A 


 vortäuschende Sensationslüsternheit mancher 


Nr. 08 | 


stehen glaubt (oder besser: empfindet. Ref.). Der fr i N 
pressionismus ist der Ausdruck dieses Zerfalls des tradi- h 
tionellen Weltgefühls mit der verstiegenen, oft grog 
artigen, öfter krampfhaft verzerrten Haltung, und eign 
Versuch, das Beste daraus zu machen (S. 347). Es it k 
die „Sehnsucht nach inspiriertem Schaffen”, wie es vol & 
den Primitiven berichtet wird und aus großen Kultur ü 
zeiten bekannt ist. Aber — und das ist das Schmerz Ji 
und Zerrbild unserer Zeit zugleich — jenes primäre Er k 
leben, das vor allem Wissen steht und allein inspaterti y 
Gestaltungen zeugt, scheint unserer Zeit versagt ll 
sein und es bleiben „schließlich fast nur intellektuelle Er. Ir 
satzkonstruktionen” in unseren Händen (S. 348). ; j 

An der Urform des Gestaltungsdranges, wie er sic in 
in den Bildwerken der Schizophrenen verwirklicht, bg 
rauschen sich leicht Menschen, „die gerade durch ihre 
mystischen Neigungen zu anarchischer Auffassung alles 
Kunstschaffens getrieben werden” (S. 348). ; | 

Nach P. können die letzten Strömungen in der Kuigi a 
nicht als Privatunternehmen einiger Sensationslüsten W 
gelten, welche harmlose und bequeme Meinung offenbar In 
immer noch beliebt sei; kulturelle Werte und Entwilsf 
lungen könne man niemandem zeigen, der sie nicht er 
lebnismäßig kenne; in der bildenden Kunst wie in allen 
Zweigen der Literatur finde man heute eine Reihe val Jg 
Strebungen, die nur bei einem echten Schizophrenen Wap 
Genüge finden würden; und eine triebhafte Neigung W 
Nuancen; die uns bei Schizophrenen geläufig sind. Mii | 
dieser Verwandtschaft der Abstammung erklärt s i s 
auch die Anziehungskraft der schizophrenen Bildwerli, s 
die sie auf gewisse Künstler und auf manche Menscitl | 
ausüben. 

„Was wir von dem Zerfall des traditionellen Wet i 
sefühls bei den bildenden Künstlern sagten, gilt von der m 
ganzen Zeitwelle durch alle Berufe. Und nicht mind 3 
allgemein ‚verbreitet ist die Sucht nach unmittelbar 
intuitiven Erleben mit mystischer Selbsvergottung, der 
metaphysische Drang, von dem echten philsophischet 5 2 
bis zum sektiererischen und theosophischen, in de $ 
magische Mächte wieder eine Rolle spielen. Ja, vi 3 
sind versucht, unsere Formulierung "für die Gesamt 


tung der schizophrenen Gestaltung heranzuziehen und n l 


d 


auf dem Spannungszustand vor Entscheidungen ZU it 
den. Die Tendenzen aber, die sich in dieser Hinneigll b 
zu „schizophrenem” Weltgefühl zeigen, sind in f% 
Hauptsache die gleichen, die vor zwei Dezennien ind | 
Ausdrucksformen und dem Weltgefühl des Kindes’ aj 4 
des Primitiven Erlösung zu suchen begannen vol 
wuchernden Rationalismus der letzten Generationen 1 
dem nicht die Schlechtesten zu ersticken meinen "6% 
349). 

Wenn ich von der zu großen Harmlosigkeit abseti 


mit der die geschäftstüchtige, „mystische 2] 
moderi 7 


Sen 


sogenannten Künstler beurteilt wird, und wenn ich | 
Einschränkung mache, daß die ienen ng m a 
künstlerischem Schaffen und schizophrenem Gesta 


drang doch wohl nur auf manche heutige Kine | 


4 furen sich bezieht, deren Art es doch aber zu allen 
| kiten gegeben hat, und abgesehen von einzelnem Un- 
1 esentlichen, in dem der Natur -der Sache nach Mei- 
a ngsverschiedenheiten bestehen könnten; auch schließ- 
i. ih von dem Ausgang, daß in unserer ganzen Zeit etwas 
a ASiizophrenes liege, was wohl eine Überstreckung 
d (ses Begriffs ist, und wobei dem Verf. aus der beab- 
1 ültigten unpersönlichen Gestaltung des Problems und 
kr Berührung der Taktirage gegenüber großen Per- 
Ä Ainlichkeiten (S. 9) am Schluß ein Zerfall des „tradi- 
d Fioellen Weltgefühls’” sogar „bei den bildenden Künst- 
di" und „bei der ganzen Zeitwelle durch alle Berufe” 
4 rd, worin er nicht viel Zustimmung finden dürfte, — 
T er ist damit am Ende nicht weit über den Stand- 


ha. daß ich seit vielen, vielen Jahren nicht mehr ein 


A y gedankenreiches und zum Nachdenken anregendes | 


Psychiatrie und Psychologie ge- 
ksen habe. Der Stoff ist so wundervoll geordnet und 
dar dargestellt. Die Fäden zur Kunstpsychologie sind 
M 4 deutlich gezogen, 
. Akte Betrachtung den Gestaltungs- und Bilddrang der 
j Shizophrenen mehr beachten wird, den Drang, das 
; ere Bild zu einem äußeren zu machen, es dadurch zu 
| pg lenden und zu bewältigen, in unseren Augen ihm 

U | 


 Ineiner- Note S. 353 sagt Verf., daß-er zwei Jahre 
Tndinch den größten Teil seiner Tätigkeit dem Werke 
Eo habe: es läge aber 
Snicht in P. den berufenen und richtigen Meister ge- 
ef bt hätte. Z. B. das Kapitel: „Der seelische Wurzel- 
Fteich des Ausdrucksbedürfnisses”,-S. 301, ist ganz aus- 
eichnet. P.s Werke lesen, das verleiht unserem Be- 
Mi Alsempfinden geradezu einen neuen und kräftigen 


| Buch im Bereich der 
1 


r 


m d kene Reaktion oder ein neues Rindenzentrum gefunden 
" Pi wäre. Möge es daher recht fleißig. gelesen 
erden, A 


Mm ; = Werk, von ı Kunst handelnd, ist selbst ein Kunst- 
i Wr 
LE Von den Abbildungen und der Ausstattung des Bu- 


ni ie Pam nur Rühmendes gesagt werden. Bresler. 
4" 


Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 


zur spezifischen Arzneibehandlung: der 


12 iX . 
J I Literatur zur Verfügung. 


TA | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Mkt von Möbius hinausgekommen —, so muß ich ge, 


daß man in Zukunft auch bei klini-. 


micht so vor uns, wenn 


f Schwung wie es nicht stärker sein könnte, wenn eine 


Basedowschen Krankheit 


I wie thyreotoxischer Krankheitsformen überhaupt. 


JE Merck, Chem. Fabrik, Darmstadt 


197 


Therapeutisches. 


— Über Zusammenhang von Dermatosen und innerer 
Sekretion. Von Dr. Walter Brock, Universitäts- 
hautklinik, Kiel. Deutsch. med. Wochenschr. 1921 Nr. 47. 

Jahrelange Beobachtungen bei Psoriasisbestrahlun- 
gen mit Röntgen ergaben folgende Feststellung: 1. Die 
Thymusfunktion ist von ausschlaggebender Bedeutung, 
2. Reizdosen stellen das wirksame Prinzip dar. . Die 
Hypofunktion der Thymusdrüse setzt die Widerstands- 
fähigkeit der Haut gegenüber irgendwelchen Reizen, 
z. B. den Infektionen, herab. Diese Erwägungen veran- 
laßten Verf., Psoriasis mit Thymoglandoliniektionen zu 
behandeln. Im Hinblick auf die Arbeit Sambergers 
der vollen Erfolg mit Thymusextraktiniektionen erzielt 
hat, scheint Verf. die Beweisführung geglückt, daß die 
Thymusdrüse der. ausschlaggebende Faktor sei. Die 
Thymusbestrahlung und die Thymoglandoliniektion sird 
bei Dermatosen, denen eine konstitutionelle Disposition 
zugrunde zu liegen scheint, zum mindesten in vielen 
Fällen ein unterstützender Heilfaktor. | 


Personalnachrichten. 


— Prov. Brandenburg. In der Zeit vom 1. Mai bis 
Ende September 1922 sind unter dem Ärztepersonal der 
Brandenburgischeu Provinzialanstalten folgende Ver- 
änderungen eingetreten: Ausgeschieden: Oberärzte Dr.. 
Fehsenfeld von der Landesirrenanstalt Neuruppin infolge 
Übertritts in den Staatsdienst, Dr. Bäcker von der 
Landesanstalt Görden nach Gründung einer Privatpraxis 
Beurlaubt: Oberarzt Dr. Vollrath von der Landesirren- 
anstalt Neuruppin zur kommunalen Verwaltung der Stadt- 
arztstelle in Fürstenwalde (Spree). 

— Dresden. Stadt-Obermedizinalrat San -Rat Dr. 
Hecker, Direktor der II. Abt. der städt. Heil- und Pflege- 
anstalt, feierte am 1. Oktober ds. Js. sein 25jähriges 
Dienstiubiläum. 


Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schrift- 
leitung resp. den Verlag über redaktionelle 
Fragen das Rückporto beizufügen. 


"Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummern. 
— Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S 
Druck: Sau Wolff & Söhne, Halle a. S, 


ee MOEBIUS 


 schnetie Hebung des Anesnlabskhdens N 
Besserung der nervösen Erscheinungen, 
der Unruhe und Schlaflosigkeit. Vermin- 
derung des Zitterns und der Schweiße. 
Rückgang von Struma und Exophthalmus. 
Besonders günstiger Einfluß auf die Herz- 

ee (herztonisierende Wirkung). pe 


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Siehe auch die nachstehenden Seiten. 


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Werner. (S. 199.) 


ey (4 
sr 


N Jer sich mit der Behandlung psychisch ka 
ker beschäftigt, wird notgedrungen auf das 
thiet Sozialer Hygiene geführt.. Deshalb sind 
fähygicnische Bestrebungen stets von den Heil- 
N Pilegeatstalten gefördert worden. Ich brauche 
t auf die Hilfsvereine für Geisteskranke hinzu- 
Wien, um für den Eingeweihten das Problem zu 
a Schreiben. Neuerdings sind diesen Vereinen 
ie Aufgaben gestellt worden, nachdem Bleuler 
a andere sich sehr warm für die Frühentlassung 
Maöphrener (ieisteskranker ausgesprochen haben. 
Mt hat man in den letzten Jahren so ermuti- 
tnde Ergebnisse erzielt, daß man nicht mehr um- 
kan, diese Möglichkeit, den Kranken bald wie- 
häuslichen ‚Verhältnissen und seinem Beruf zu- 
ükzugeben weiter auszugestalten. Das aber hat 
2 und die Erweiterung sozialpsychiatri- 
 tätigkeit überhaupt zur Voraussetzung. 


FF Wochenschrift | 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzite. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


| Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle,- Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 

Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 

Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
| Dr. v. Olah, Budapest, 
| Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Dr. Vocke, Eglfing b. München, 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


XaSchriftlleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


4. November 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 — Telegr.-Adr.: 
Postscheck: Leipzig 32070. 


fhalt: Die Heil- und Pflegeanstalten als Träger sozialipeemscher Bestrehingen “yon Medizinalrat Dr. 
— Mein Verhältnis zu Einstein’s Weltbild. Von Ludwig Lange, Tübingen. (Schluß.) 
8.91) ~ ‚Mitteilungen. (S. 207.) — Referate. (S. 209.) — 
E (S. 210.) — Personalnachrichten. 


a Er Heil- und Pflegeanstalt Heppenheim a. = B. (Hessen) (Direktor: 


auf seiner 


TEs wird dringend gebeten, von Vorträgen und Aufsätzen immer recht 
4 bald einen druckiertigen Eigenbericht an die Schriftleitung zu senden. 


=] 


San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 


Prof. Nr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


1922/23. 


Zuschriften für die Schriftleitung 
sind an San.-Rat Dr. Bresler in 
Kreuzburg (Ob.-Schl.) zu richten. 
Bei Anfragen ist das Rückporto 
beizufügen. 
Alleinige 
Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin NW. 7, | 
Dorotheenstraße 73. = 


Marhold Verlag Hallesaale 


Buchbesprechungen. (S. 210.) — Therapeutisches. 


(S. 210.) 


Professor Dr. Dannemann). 


Die Heil- und Pflegeanstalten als Träger sozialhygienischer Bestrebungen. 
En Von Medizinalrat Dr. Werner. 


Kolb und Römer haben in dieser Wochenschrift 
mit Nachdruck auf die sozialen Aufgaben hinge- 
wiesen, die dem Psychiater in der Gegenwart er- 
wachsen. Drei Forderungen wurden von ihnen 
aufgestellt. 1. Planmäßiger Ausbau der Entlas- 
sungsfürsorge zwecks Anbahnung der Frühent- 
lassung. 2. Einrichtung von Beratungsstellen für 
Nerven- und Gemütskranke an den Heil- und 
Pflezeanstalten. - "3. Psychiatrische Aufklärungs- 
arbeit. Diese drei Fragen hängen eng miteinander 
zusammen und können nur im Zusammenhang ge- 
löst werden. Wer die Verhandlungen des Hilisver- 
eins für die Geisteskranken in Messen. vor dem- 
Krieg verfolgt hat, weiß, daß man sich damals 
schon häufig mit diesen Problemen beschäftigt hat. 


Die Bedeutung des hessischen Hilfsvereins beruht 
ausgezeichneten  Vertrauensmänner- - 


organisation, die so fein verzweigt ist, daß sie alle 


200 


Städte des Landes und fast alle Dörfer umfaßt. 
Es verging fast keine Versammlung, in der nicht 
die Forderung erhoben wurde, die Beziehungen der 
vier hessischen Heil- und Pflegeanstalten und der 
psychiatrischen Klinik Gießen zu der Organisation 
der Vertrauensmänner zu vertiefen. Psychiatri- 
sche Aufklärungsarbeit sollte die Bande zwischen 
den Ärzten der Anstalten und den Vertrauens- 
männern festigen. Ein Antrag Dannemann schuf 
zur Erleichterung dieser Arbeit einen Propaga- 
tionsfonds. ‘Nach dem Krieg heißt es für die sozial- 
psychiatrische Tätigkeit Hessens auch heute noch, 
Ausbau und Vertiefung der Organisation der Ver- 
trauensmänner, bes. in bezug auf die Lösung des 
Problems: der Frühentlassung. 
chiatrie stellt nun nur einen kleinen Ausschnitt aus 
der sozialen Hygiene dar. Die Fürsorge für Tuber- 
kulöse, Geschlechtskranke und neuerdings auch 
- wieder für Trinker erheischt auch auf dem Lande 
besondere Aufmerksamkeit. In großen Städten 
müssen diese einzelnen Gebiete getrennt behandelt 
werden. Anders auf dem Land. Hier wird nur 
eine gemeinsame Arbeit fördernd wirken. Bei der 
verhältnismäßig geringen Häufigkeit psychischer 
Erkrankungen auf dem Lande kommt-es nicht sel- 
ten vor, daß ein Vertrauensmann auf dem Dorfe 
jahrelang sein Amt vertreten kann, ohne dab die 
Hilfe des Vereins in Anspruch genommen wird. 
Infolge dieser geringen praktischen Betätigung 
kann natürlich auch die rein sozialpsychiatrische 
Tätigkeit nicht viel Interesse wecken und daher 
sind die Beziehungen zwischen den Anstaltsärzten 


und Vertrauensleuten häufig sehr lose. Nur prak- 
tische Arbeit bringt pulsierendes Leben in eine 
Organisation. Die Wirksamkeit unserer sozial- 


psychiatrischen Tätigkeit wird dadurch gefördert, 
dab- die Organisation der Vertrauensmänner auf 
dem platten Land erweitert wird zu einer sozial- 
hygienischen Organisation überhaupt. Die Zentral- 
stellen, denen die sozial-hygienische Bekämpfung 
der Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten ob- 
liegt, haben die Schaffung eines Vertrauensmänner- 
stabes auch auf ihrem Programm stehen. Bis ietzt 
steht sie aber nur auf dem Papier. 


 "Tuberkulöse und wieder einen anderen für Ge- 
‚schlechtskranke haben. Diese einzelnen. Funktio- 
nen müssen hier in der Hand eines Einzelnen ver- 
einigt sein. Diese organisatorische Verbindung der 


einzelnen sozial-hygienischen Zweige wurde schon. 


von Römer in seinem Aufsatz in Nummer 45 1920 
dieser Wochenschrift gefordert und darauf hinge- 
wiesen, dab in verschiedenen badischen Heil- und 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Die soziale Psy- 


ratungsstelle 


Br Wir können. 
~ — nun nicht in jedem kleinen Ort einen Vertrauens- 
mann für psychisch Erkrankte, einen anderen für 


INr. au 


Pflegeanstalten Fürsorgestellen sowohl für ni | 
kulöse wie Geschlechtskranke neben den schon be}: 

stehenden für Gemüts- und Nervenkranke geschat 
fen worden sind. Diese Angliederung von Bera- 
tungsstellen an die Heil- und Pflegeanstalten wf 
deutet eine fruchtbare Erweiterung der sozial 
hygienischen Arbeit überhaupt, die die Heil- wif 
Pflegeanstalten in ihrem Aufnahmebezirk zu leisten 
berufen sind. In Hessen besteht seit Anfang wi, 
an der Heil- und Pflegeanstalt Heppenheim ein 
solche Beratungsstelle, die sich der Fürsorge fit Í 
psychisch Erkrankte, für Tuberkulöse und für Of 
schlechtskranke annimmt. Im Philippshospital bei i 
Goddelau wurde eine Wassermannuntersuchungs 4 | 
stelle eingerichtet und damit die Möglichkeit se $p 
schaffen, Anschluß an die Geschlechtskrankentirg i 
sorge zu finden. Mit das wichtigste . Mitglied der N 
Beratungsstelle ist die Kr eisfürsorgeschwesten# il 
Diese hält die Verbindung mit der Bevölkerung y 
durch‘ Hausbesuche aufrecht. Sie ist besonders 4 
wertvoll durch ihre Lokalkenntnisse (Wohnunge® i 
usw.) und durch ihre Einblicke in die besondere, 
Familienverhältnisse. Sie versorgt nicht nur die į 
Stadt Heppenheim, sondern auch einen großdiä 
ländlichen Bezirk durch regelmäßig stattfinden, 
Besuche. Gerade bei dieser Tätigkeit in den Döm il 
fern habe-ich das Fehlen eines solchen si a 
hygienischen Vertrauensmannes sehr als Mangel i 
empfunden. Ein lokalkundiger Vertrauensmamg 
würde die Arbeit der Schwester auf dem Dal 
sehr erleichtern. Diese führt die ihr auffallend i 
Personen der Beratungsstelle zu. Damit de 
dem Gedächtnis der Bevölkerung eingeprägt wird i 
erscheint alle 14 Tage in der Zeitung eine Anzeige 
die auf die öffentlichen ‘Sprechstunden inwest 
Im Berichtsiahr 1921 wurden über 300 Tuberkt $ 
löse, 135 Geschlechtskranke, 23 psychisch Nervöst: i 
darunter eine Reihe von Kinder, beraten. cng 
in bezug auf psychisch Erkrankte bedarf die Ber j 
noch weiteren Ausbaues. Die ng 

dieser Beziehung Hilfsbedürftigen sind nicht J 
leicht herauszufinden wie z. B. die Tuberkulöset 
die meist von selbst kommen. Psychisch Auffällig 2 
bedürfen sehr oft fremder Initiative, um die T 
ratungsstelle aufzusuchen. Dazu kommt noch, ul n 
leicht psychisch Kranke und Nervöse die Anstalt I 
scheuen mit der Begründung, sie wären doch niont i 
verrückt. Sie suchen deshalb häufig psychiater = i = 
den großen Städten oder den umliegende! sc 
torien auf, um sich Rat zu holen. (ir e 
Heil- und Pflegeanstalten, nur a das Asy Bi 
vollkommen Verrückte zu gelten, mub gem A 
werden. Die Bevölkerung muß immer wieder efi 
auf hingewiesen werden. “aß die Heil- und pi a 


ji 


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nT, 
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2 l 2 
1 Aasuten Fachkrankenhäuser sind, in denen alle 
revösen und psychischen Störungen behandelt 
i Menden. An jeder Anstalt läßt sich leicht eine Ner- 
A enabteilung (siehe Forderung des Reichsverbands 
iamteter Irrenärzte) angliedern, der man durch 
IE dine Beratungsstelle, wie der hiesigen, leicht eine 
Wiehe von Kranken, vom nervösen Kriegsbeschä- 
Li f ügten und Rentenneurotiker an bis zum Organiker, 
; miühren kann. Auf diese Weise und nur dadurch, 
o dab eine Reihe von Kranken, die nicht ausgespro- 
Mhen verrückt sind, in den Heil- und Pflegeanstalten 
in und ausgehen, kann das Vorurteil gegen sie 
hei der Bevölkerung gebrochen werden. Gerade 


a Bevölkerung gehoben, wenn man sieht, daß diese 
y fie nicht allein nur mit Verrückten umgehen 
onnen. Bei der Wichtigkeit einer frühzeitigen 
ind energischen Behandlung der Syphilis, um spe- 

A itischen Erkrankungen des Zentralnervensystems 
4 vorzubeugen, werden in der Beratungsstelle Hep- 
d jenheim auch (ieschlechtskranke behandelt. -Auf 
1 dem Land ist die Behandlung der Syphilitiker häu- 
| ii sehr mangelhaft. Die intermittierenden Kuren 
l Í verden nicht durchgeführt, wenn nicht eine mah- 
ende Stelle 
7 überwacht. 


a TE en Br © 
METE TAa : 


Der Zeitverlust, der für die Bewohner 
4 des flachen Landes mit einer durch Wochen hin- 
[e ab, den Arzt regelmäßig aufzusuchen. Zu 
4 deiner Kollision mit den praktischen Ärzten 
st es niemals gekommen, da ia die Beratungsstelle 
2 die Erkrankten anhält, die Behandlung bei dem ge- 
3 A viiite Arzt durchzuführen. Auf dem Land fehlt 
och vielfach die Kenntnis von der Bedeutung der 
4 A ischlechtskrankheiten. Ich habe.deshalb in den 
tzt zten Jahren in zwölf kleineren Landstädten und 
Dörfern aufklärende Lichtbildervorträge gehalten. 
AN manchen Orten konnte der Aufklärungsfilm der 


2A 


Si F: Der NE E steht, insoweit als mit 
diesem Wort ein klarer nüchterner Begriff ver- 
o wird, das pragmatische Systëm 
r pu pesitiv-ideotropenKontinuitäts- 
E °Sophie des Naturerkennens und 
Ad ner Naturbeherrschung nicht so ableh- 
end segenüber, als ess- Ernst Mach und mir 


A w 
4  amnähernd 40 Jahren angemessen erschien. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


> das Vertrauen zu den Anstaltsärzten wird bei der . 


die Durchführung der Behandlung allein 


A hırch geführten Kur verbunden’ ist, hält die Fr- 


201 


deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge- 
schlechtskrankheiten gezeigt werden und in eini- 
gen Städten wurde die Ausstellung des deutschen 
Hygienemuseums in Dresden über die Bekämpfung 
der Geschlechtskrankheiten vorgeführt. Diese in den 
Wintermonaten stattfindende Vortragsarbeit ließ 
wertvolle Beziehungen auf dem Lande anknüpfen 
für die Fortführung sozialhygienischer Aufklä- 
rungsarbeit in den kommenden Jahren. Gerade - 
was die sozialpsychiatrische Aufklärungsarbeit an- 
geht, so kann man den Zuhörern nicht jedes Jahr 
nur Dinge aus der Psychiatrie vortragen. Es wirkt 
belebend, wenn sich diese Arbeit in dem größeren 
Rahmen der Behandlung sozialhygienischer Pro- 
bleme überhaupt vollzieht, Auf diese Weise läßt 
sich das Programm mannigfacher gestalten. Ins- 
besondere. wird das Interesse der Vertrauens- 
männer des Hilfsvereins für die Geisteskranken ge- 


‚hoben, wenn sie auch in die anderen Seiten sozial- 


hygienischer Bestrebungen Einblicke tun und prak- 
tisch mitarbeiten können. Das Ansehen der in 
dieser Beziehung tätigen Anstaltsärzte wächst so- 
wohl bei den Vertrauensmännern, wie bei der Be- 
völkerung, die in dem Anstaltsarzt dann nicht mehr 
den Spezialisten für  Geisteskrankheiten 
sehen. Kolb hat, um die sozialpsychiatrische 
Tätigkeit zu organisieren, den externen Anstalts- 
arzt geschaffen, dem die Fürsorge für die entlasse- 
nen Pfleglinge der Anstalt und die Leitung der Be- 
ratungsstelle zufällt. Wie sich diese Fürsorgetätig- 
keit in die Anstaltsbetriebe eingliedert, das muß 
ieder einzelnen Anstalt überlassen bleiben. Generell 
läßt sich das nicht regeln, aber ich bin sicher, daß 
sich eine Beratungsstelle in jeden Anstaltsbetrieb 
einfügen läßt, und daß sie zur Blüte kommt, wenn 
organisatorisch die Beziehungen der einzelnen 
sozialhygienischen Zweige so hergestellt werden, 
wie das in Wiesloch und Heppenheim der Fall ist. 


k Mein Verhältnis zu Einstein’ s Weltbild. 

l Nat Grundlinien zu einem pragmatischen System der positiv-ideotropen Kontinuitätsphilosophie. 
= | | Von Ludwig Lange, Tübingen. 

Eo a - (Schluß.) 


Ein grundsätzlicher und zur energischsten Abwehr 
serüsteter Gegner bin ich eleichwohl nach wie 
vor allen jenen sich „Metaphysiker” nennenden 
Mystifikanten und Obskuranten gegenüber, welche 
einfache und klare Tatbestände mit dem Nebel des 
Geheimnisvollen zu verhüllen trachten, was be- 
kanntlich bei manchen gerissenen Geschäftsleuten 


von celehrter Herkunft ein beliebtes und wohlbe- 


kammer gewandert ist. 


‚ihrer 
andere geworden sind, als sie anfangs waren. Ein. 


blick wechseln. 


 zebende Rolle. 
sophie auch die einfache 


202 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


währtes Mittel ist, und zu allen Zeiten war, um ein 
gläubiges Publikum aus der kritiklos staunenden 
Masse der Ungelehrten und der Emporkömmlinge 
um sich zu versammeln. Auf die „Gänsehaut” sol- 
cher Neomysten zu spekulieren, ist ein wohlfeiles 
Manöver, das mit echter Wissenschaft nicht das 
geringste gemein hat. Man kann übrigens, wie ich, 
erundsätzlich zugeben, daß es (z. B. auf dem Ge- 


"biet der Telepathie) tatsächlich okkulte Erscheinun- 


gen gibt, und dabei doch bestrebt und berechtigt 


sein, von den sog. „Okkultisten” und anderen Ob- 


skuranten in der energischsten Weise abzurücken. 

Damit steht es nicht im Widerspruch, wenn ich 
noch deutlicher als bisher betone, daß der auf die 
greifbare: und überhaupt mit den Sinnen wahr- 
nehmbare Materie beschränkte vuleäre Begriff 
der Realität bei mir längst in die Rumpel- 
Sehen wir am Horizont 
eine Wolke auftauchen, sich fortwährend gestalt- 
lich verändern und schließlich sich ganz auflösen, 
so ist es nach herrschendem Sprachgebrauch im- 
mer eine und dieselbe Wolke, und doch wissen wir 
genau, daß die materiellen Teilchen, welche zu 
Konfiguration beitragen, allmählich ganz 


Wellenzug, den der ins Wasser geworfene Stein 
erregt, bleibt für unsere Anschauung eine individu- 
elle- Wirklichkeit; obwohl -die Wasserteilchen, die 
an ihm beteiligt sind, unausgesetzt in jedem Augen- 
Sichtlich spielt auch in diesen Fäl- 
len das Prinzip der Kontinuität, und zwar in seiner 
besonderen Form als Prinzip der raum-zeit- 
lichen Stetigkeit eine. geradezu ausschlag- 
Neben dieser ist in der Naturphilo- 
räumliche und vor 
allem die logische Kontinuität. des 
eleichartigsen wohl im. Auge zu behalten. 
Ein fester Körper, den wir sich bewegen sehen, 


= wird in vielen Fällen zum erheblichen Teil nur 
darum als ein und derselbe Gegenstand, der er 


für uns beim ersten Augenblick war, aufgefaßt, 


weil sich uns auf induktivem Wege der Gedanke 

 aufzwingt, er sei an all den unzähligen Zwischen- 
punkten seiner Bahn gewesen, ehe er den End- 
-punkt erreichte; die Stetigkeit des zurückgelegten 
 Wegs ist von entscheidender ‚Bedeutung: für die 
| - Identität. Ein Wald wird als eine 

| zusammenhängende Realität empfun- 


logisch 


den, obwohl die einzelnen Bäume, die ihn zusam- 
mensetzen, getrennte Individuen zu sein scheinen, 
deren Greifbarkeit uns auch gar nicht die Haupt- 
sache ist; und obwohl der (großenteils unsichtbare) 
symbiotische Zusammenhang vermittels der akzes- 


sorischen Waldflora und Waldfauna zunächst ganz 


materiellen und geistigen Güter, darunter auch alte T; 


schaftlichkeitsideals heraus glaubt, solche vorüber ff 


ker ihre ungeheuer zähe Lebenskraft, die selbst 4 


bereits der Fall sein. 


[Nr. a12 4 


außer Betracht bleibt. -In ähnlichem Sinne reden # 
wir mit Fug und Recht von einer deutschen # 
Nation und von einer Kulturmenschheit,. S 
und es wäre eine grundfalsche und nichts weniger 
als positive Art von Antimetaphysik, solche Rede d 
formen aus dem Sprachschatz verbannen zu wo- 4 i 
len, bloß weil sie sich in das vulgär- naturalistische | 
Schema der zeitlich und räumlich „zie 
kumskripten” Materie nicht ohne weite- 
res eingliedern lassen. Die Worte „Nation” und 
„Menschheit” entsprechen, aus einer höheren Warte} 
betrachtet, völlig klaren, wenn auch abstrakten f, 
Vorstellungen, die alle von der Nation bzw # 
Menschheit im Lauf der Geschichte erworbene 4 


zeitweilig latent gewordene Ideale mit umia $| 
sen. Der ist nicht zum besten beraten, der aß. $ 
einer verfehlten, auf unvollständiger Induktion be i 
ruhenden Auffassung des positivistischen Wissen * 


gehend zurückgetretene Ideale ungestraft vernach- 
lässigen zu dürfen. Woraus schöpfen denn die? 
orientalischen und vor allem die ostasiatischen Voki 


4 
dem volkreichen und finanziell starken, eaii 
himmelweit überlegenen Amerika Respekt ab- 
zwingt, wenn nicht vorwiegend aus der Anerkeil- ° 
nung der nachwirkenden Arbeit längst gestorbenef 
Generationen, deren Kontinuität mit: der Ein ' 
tagsfliegenleistung des gerade eben l- 1 
benden Geschlechts sie als wichtig ängstlich zu er A 
halten streben? Der alternde Auguste Comte f 4 
hat bekanntlich eine Glaubensgemeinschaft den $ $ 
kender Gesinnungsgenossen um sich versammelt E 
um einem ihm fühlbar gewordenen Mangel seine $ 
Jugendarbeit abzuhelfen; und ich glaube nicht A I 
irren, wenn ich voraussage, daß auch der Monis- 1 l 
mus unserer Tage immer mehr zu der Einsicht ge- Fi 
langen wird, wie er sich gar nichts damit vergibt J 
wenn er eine, von abergläubischen Schlacken 8% i 
reinigte Symbolik in seinen Dienst stellt, um jenem 1 
dem Menschengeist inhärenten Kontinuitätsbedi ff 
nis: gerecht zu werden. 8) Der rabiate Kani 
Voltaires gegen alle und jede Symbole ist schon 
deswegen als eine ganz törichte Übertreibung al © 
zusehen, weil ein Gedankenaustausch, der 1a doch 
zum Menschentum unentbehrlich ist (s. 0.) ohne 
die akustisch-optische Symbolik der Schrift 
und Sprache zu den Unmöglichkeiten Be 
und nicht ohne Grund betrachtet man E. Littré 
den : gründlichen Erforscher des französischt! N Y 


BGE ; Ark wh 
5) In den sog. „monistischen” Logen dürite ©" 4 


Pa / 
i p 


fo chgebrauches als einen der bedeu- 
Pisten Philosophen der von Comte begründe- 
G positivistischen Schule in Frankreich. 


Nahe genug läge es, in diesem Zusammenhang 
ki darauf en dab -das T-astbar- 
feits smorment im Begriff der Materie, welches 
A iiheren Naturiorschungsepochen bei der Bildung 
Als Begriffs der Wirklichkeit (im Gegensatz gegen 
fo bloß optischen oder bloß akustischen Schein) 
sonders wichtig erschien, infolge der modernen 
Elektronik und Radioballistik ganz in den Hinter- 
| In gedrängt wird; wozu auch O ns mit 
einer energetischen Auffassung der Ma- 
| forie erheblich beigetragen hat. Wer Bar wis- 
| sen, ob nicht die sogenannte Undurchdrine- 
liehkeit des Stoffes demnächst nur noch 
f ein dynamischer Effekt einer besonderen Art 
f ind Weise des coniluxus electronum auf- 
A riab werden wird? Von da aus bis zu einer 
itleo-energetischen Übertragung 
ler Materie wäre dann der Schritt gar nicht 
4 mehr weit. Doch würde es hier zu weit führen, 
Jahr auf solche Zukunftsträume einzugehen. 


Denn ich habe die Geduld des Lesers schon fast 
1. Gebühr in Anspruch genommen, um den 
Standpunkt der Weltbetrachtung zu 


Erktivitätstheoretische Literatur, einschließlich der 
4 Arbeiten Einsteins selbst und seiner hervor- 
| ittendsten Mitarbeiter, einzuschätzen mich nun- 
ehr anschicke.: Nach dem bereits Vorgetragenen 


fin ich mich ja glücklicherweise ziemlich kurz 
isen, 


Im Rahmen dieser Wochenschrift en man 
| fo mir keine Formelentwicklungen, obwohl ich 
1 fiine mathematischen Fähigkeiten und Kenntnisse 
Jineswegs verschwitzt habe, und mich noch heu- 
f Sentags (so gut wie viele andere) für fähig halte, 
1 uch auf analytischem oder synthetisch- geometri- 
i Shem Gebiet den Hebel zu wirksamer Förderung 


| Pen Escheinungswelt anzusetzen. Das wird an 
F tinem anderen Ort und bei einer anderen Gelegen- 
ieit auch sicher geschehen; nur nicht von heute 
ja Morgen, und voraussichtlich unter Mitwirkung 
Jon Mathematikern, die mir indergewandten 

| Eoo der analytischen Formelsprache 
sen sind. Von dem Vorurteil, als sei es das 


Issiebi 1g von dieser mathematisierenden Sym- 


se Gelehrten nicht zugänglich ist), i 
an ja t zum Glück längst abgekommen; bei maT 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


" den Formelentwicklungen.. von ‚Maxwell, 
4 izzieren, von dem aus ich die zeitgenössische: 


f" telativitätsfreudigen Erkenntnis der physikali- 


Die Gefahr 


Mea] der, physikalischen Wissenschaft, recht als allein berechtigt angesehen. 


Gebrauch zu: machen (die vielen sonst ar 


203 


tativen Feststellungen wird ihrer natürlich 
nie entbehren können. 

Ich knüpfe an an das, was ich weiter oben über 
den Gebrauch der Sprachen überhaupt gesagt habe. 
in der guten alten Zeit der Naturforschung war es 
allgemein Brauch, und ganz besonders bei den 
Positivisten in Übung, sich schon im Titel einer 
wissenschaftlichen Abhandlung, aber "vollends in 


man 


ihrem ganzen weiteren Verlauf so konkret, 
prazis-und- prarenanft W Ee- mörlich 
auszudrücken. - Wäre Albert Einstein 


durch: die gleiche Schule gegangen, wie meine um 
etwa 15 Jahre ältere Generation, hätte er insbeson- 
dere die humanistische Laufbahn durchlaufen, auf 
die wir Alten nichtohne Grund stolz sind, 
so würde er die beiden Theorien, die jetzt unter 
seinem Namen umlaufen, niemals als „spezielle 
Relativitätstheorie” und „allgemeine Relativitäts- 
theorie” auf den Markt der wissenschaftlichen und 
populären Publizistik gebracht haben. Er hätte 
sich:begnüst, -eine- „relativistisch-chr:o- 
NOEROSTISche -EHeofie. derzeleKtro> 
optisch gedeuteten physikalischen 
(nb. auch mechanischen’) Erscheinungenin 
bewegten materiellen Systemen” zu 


publizieren; er hätte auch nicht versäumt, auber 
Lo- 


ae 


entz und "anderen sleich “anfangs de müh- 


samen und fruchtbaren logischen und historischen 
Vorarbeiten mathematisch geschulter 
Philosophen zu Rate zu ziehen, und 
ev. zur Grundlage seiner Darstellung zu machen, 
von denen er mittelbar, ohne es zu wissen, den 
allergrößten Gewinn gehabt hat. Das alles wäre 
etwas weitläufiger in der Form und zugleich der’ 
Sache nach um einige Grade anspruchsloser ge- 
wesen. Dafür wäre mancher belanglosen Streite- 
rei und mancher spekulativen Entgleisung wirk- 
sam vorgebeugt worden; freilich auf Kosten der 
populären Sensation, die mit dem kurzen Sehlag- 
wort „Relativitätstheorie” in einer ganz überwie- 
gend intellektualistisch und quoad politicam anti- 


absolutistisch eingestellten Welt von vielfach un- 


kritischen Zeitungslesern erregt werden konnte. 
der um die Jahrhundertwende herum 


°) Das frühere Ziel der theoretischen Physik, alle 
Naturkräfte aus der mechanischen (dynamischen und 
statischen) Wechselwirkung kleinster (taktil gedachter) 
Massenteilchen abzuleiten, wird bekanntlich nicht mehr 
Im Gegenteil trachtet 
man danach, die mechanischen Erscheinungen elektro- 


‚optisch, d. h. aus dem Fluten der Elektronen abzuleiten. 


Ob für die Ökonomie des Denkens mit dieser veränder- 
ten Strategie viel gewonnen wird, bleibt abzuwarten. 


204 


dem buchhändlerischen Erfolg zuliebe auigebrach- 
ten Mode, im Titel von Veröffentlichungen die Stel- 
lung bestimmter Fragen grundsätzlich zu vermei- 
den, ist schon von anderen Seiten richtig gekenn- 
zeichnet worden. In der Wissenschaft führt sie 
leicht zu Unklarheit und Verflachung, und den 
Hauptvorteil hat einzig der intellektuelle 
Snobismus der Leute, die daran Ärgernis 
nehmen, nicht über alles mitreden zu können. Wie 
es den Anschein hat, geht diese wenig erfreuliche 
Zeitkrankheit ihrem Ende entgegen, und die viel- 
verspottete philologische Akribie, die der -natur- 
wissenschaftlichen Exaktheit zweifellos gleich- 
wertig ist, gelangt wieder zu dem Ansehen, das 
sie verdient. Die Reellität im wissenschaftlichen 
Ideenaustausch würde dadurch nur gewinnen 
können. 

Das Historische ist allerdings nicht nach jeder- 
manns Geschmack. Es darum zu verachten und 
als unfruchtbar einzuschätzen, ist weder wissen- 
schaftlich, noch vom Standpunkt des Positivismus 
gerechtiertigt. a | 3 

Man mag übrigens von den Verdiensten Ein- 
steins und seiner nächsten Mitarbeiter halten, 
was man will, sicher wird diese Gruppe von For- 
‘schern es nie durchsetzen können, daß andere 
Forscher ihren Sprachgebrauch sklavisch anneh- 
men, d. h. das Wort ‚„Relativitätstheorie” just nur 
‘in dem Sinn anwenden, in dem es von Einstein 
(für seine relativistisch-chronognostische Theorie 
der elektro-optisch gedeuteten physikalischen Er- 
 scheinungen) auf den Markt gebracht wurde. Viele 
bedeutende Forscher lehnen sich gegen diese Zu- 
mutung schon jetzt auf, und manche, die noch un- 
schlüssig abseits stehen, . werden folgen. Ein 
Monopol auf ein Wort, das er aufgebracht, hat 


keinForscher, namentlich nicht auf ein Wort, 


weiches schon länest- vor ‘ihm einen 
klaren, von seinem individuellen Sprachgebrauch 
abweichenden Sinn in der Wissenschaft 
gehabt hat, wie das bei dem Wort „Relativi- 
-tätstheorie” zutrifft; unter der jeder Gelehrte und 

-Jeder Laie zunächst einfach die „Theorie von 
der Relativität”, d. k. die philosophische 


Lehre vom Begriff der Relation und seinen Anwen- 


dungen in den Wissenschaften verstehen muß, 
wenn er logisch denken gelernt hat. Auch die sog. 
„allgemeine Relativitätstheorie” Einsteins 
(d. h. seine auf _rotierende und beschleunigte Be- 
‚zugssysteme ausgedehnte r.-chr. Th. d. el.-o. g. ph. 
Erscheinungen) ist nur eine spezielle Anwen- 
dung dessen, was -im obigen Sinn unter ‚Relativi- 
tätstheorie” zu verstehen ist; die von ihm so ge- 
nannte „spezielle Relativitätstheorie’ ist sogar 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE . WOCHENSCHRIFT 


‚wollen, als sei er der erste gewesen, der die Re 


sogar, in dieser Hinsicht, zu verhängnisvollen Ur 


schwindigkeit des Lichts im Universum überhaup 


Energieformen a limine abzustreiten, die mil 


sequent die Relativität des Begriffes der B 


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[Nr. 31/321 

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ein noch speziellerer Fali der-sog ‚all I 
gemeinen’. Wer mehr als bloß das physikalische ! 
Wissenschaftsgebiet überschaut, wird mich ohne- { 
weiteres verstehen, wenn ich fordere, daß dis’ | 
Recht anerkannt wird, das Wort „Relativie 
tätstheorie“ im oben charakterisierten all-# 
gemein-philosophischen Sinne ang g 
wenden. Als „Relativitätstheorie derg 
Physik“ möge man dann die Lehre von dag 
Relationen in der physikalischen Erkenntnis be: 
zeichnen, von welcher die Ein stein schen The g 
rien, die „allgemeine” geradesogut wie die „spe 
zielle nur besondere Anwendungen sind. Da 
Einstein sich durch die Beschlagnahme des iii 
Rede stehenden Wortes, den Ruhm habe sicher 


tivität von Raum, Zeit und Bewegung gelehrt, kon- 3 
sequent vertreten und in der Physik angewani 
habe, ist kaum anzunehmen; alles spricht dafina 
daß es sich nur um eine (bei Spezialisten häuigp‘ 
vorkommende) Unsorgsamkeit in der Wall 
der Worte handelt. Einem wahrhaft philosophis i 
d. h. universell denkenden Autor läuft dergleichen 
freilich nicht unter; aber Einstein liegt dsi 
philosophische Denken überhaupt fern, so seht $ 
auch einige seiner Lobpreiser sich bemühen, ihn ig 
die Gloriole eines großen und tiefen Denkers AU $ 
hüllen, auf die er vermutlich gar keinen Anspruch i 
erhebt. Wenn von- Einstein nahestehendd 
Seite für ihn die Priorität geltend gemacht wird, g 
als Erster wenigstens die Relativität dd 
rotierenden Bewegung gelehrt zu haben IF 
ist das ganz verfehlt. Gerade seine Auffassung von 
Wesen der Bewegung und Geschwindigkeit fühl g 


gereimtheiten. So soll aus der (sensualistisök? . 
optisch aufgefaßten) Relativität des Gleichzeitig ; 
keitsbegriffes angeblich folgen, . daß gröbere Ges F 
schwindigkeiten als die Fortpflanzung 
unmöglich sejen. Die Frage, ob es wissenschal | 
lich haltbar ist, die Möglichkeit noch unbekannte h 
melt 5 
als 300000 km Geschwindigkeit in der Schr 
sich ausbreiten, soll hier unerörtert ble 


J N j 0.3 u 
ben. Gesetzt aber den Fall, das von dieser 3 a i 
tür Fortpfilanzungs- (Ausbreitungs-) Bi H 


schwindigkeiten Behauptete treffe zu, SO g- 
aus noch keineswegs, ‚daß es Gesch ee 
keiten schlechthin, größer als die Licht 


5 . -. z 2 ) 12 
geschwindigkeit, nicht geben könne. Wer 7 4 
idt 

gung lehrt und, wie M a c h und ich, J. P etzo d l 


H. Kleinpeter u. a, auch bei rotieref 


"DE 


Ipwegungen nicht Halt macht, weiß, daß die Ge- 
Aelwindigkeit, bezogen auf den Erdraum, mit wel- 
\ The ein sehr entiernter Himmelskörper um die 
; fimmelsachse rotiert, kein Trug der Sinne ist, und 
| ab sie eine viel größere sein kann, als 300 000 km 
g Finder Sekunde, daß sie bei entfernten Sternhaufen 
Ju Nebelflecken sich sogar ins Gebiet der hohen 
[Millionen vergrößert. 
- Die entscheidende Frage, auf die in diesem Zu- 
Eonmennang alles ankommt, ist, welcher Sprach- 
i Asbrauch des Wortes „Bewegung” durch- 
| führ bar sei. Da dieses Wort kein Monopol der 
Mathematiker und Physiker darstellt, haben die 
ZPhilologen und Historiker der Wissenschaft ein 
I BE iichtiges Wort dabei mitzusprechen. Es würde 
u weit führen, wollte ich im nachstehenden den 
Fior meiner 140 S. umfassenden Untersuchung 
; Jo 1886 („Die geschichtliche Entwicklung des Be- 
F eeungsbegrifies und ihr voraussichtliches End- 
esebnis; Leipzig, W. Engelmann) auch nur im 
F iiszug wiedergeben. Es ist vom Standpunkt- der 
F modernen Naturforschung aus schlechterdings un- 
möglich, eine andere Definition des mit dem gelten- 
den Sprachgebrauch des Wortes „Bewiegung” vet- 
A hindenen abstrakten Begriffs zu geben, als die 
1 Dei finition „Veränderung des relativen Orts”. Wer 
ANewtons nachgewiesenermaßen theolo- 
Fisch fundierte- Lehre vom 
TRaume nicht gelten läßt (und Einstein und 
| Sine nächststehenden Mitarbeiter verwerfen sie 
ohne Ausnahme), der muß es willkommen heißen, 
7 Venn ihm in dem klar (definierten Begriff des Iner- 


F. 
i 
t 


tion ein Ersatz dafür geboten wird. Die von J. 
“etzoldt 1908 erhobenen Einwände gegen die 
hertialtheoric 10) hätte ich schon bald darauf ent- 
| kräitet, wenn mir nicht Ärztlicherseits empfohlen 


4 diche) Polemik zu vermeiden. Eine kurze brief- 


fi 
| Has, daß ich mich nicht für widerlegt halte. Im 
gleichen Sinn habe ich auch Ernst Mach auf 
ie Anfrage wegen meiner Stellungnahme zu 
etzoldts Einwürfen 1911-12 geantwortet. 
| tente in umfangreicheren Ausführungen auf die- 
‚üben zurückzukommen, halte ich nicht für nötig, 
a die Anerkennung meiner Nomenklatur sich in 
mer steigendem Umfang durchzusetzen begon- 
a hat, und seit jenem Angriff abermals volle 
1 =“ vergangen sind, ohne meine Darlegungen 
“ 884-86 mundtot zu machen. 
| "erwähnt, daß es mir schon einseitig erscheint, 
Be 


f 
Br 


» Annalen ‘der Naturphilosophie VII, S. 29 f. 


P TOULA T KISCH NEUROL OOE SIHE WOCHENSCHRIFT 


den Mathematiker, 


„absoluten - 
4 falsystems als einer partiellen Konven- 


F vorden wäre, eine (mir damals vielleicht unzuträg- 


iche Erklärung an Petzoldt mußte genügen, des 


Nur ganz kurz . 


205 


wenn Petzoldt gleich anfangs seinen optisch- 
phänomenalen egozentrischen Raum so in den 
Vordergrund rückt, daß der empirische Raum der 
Feldmesser und anderer Praktiker ihm gegenüber 
zu einem Schemen deeradiert erscheint; das läuft 
auf dasselbe heraus, als wenn man dem Geometer 
vorschreiben wollte, nur polare Koordinaten zu be- 
nutzen, orthogonale (oder plagiogonale) Koordi- 
naten dagegen aus dem Spiel zu lassen bzw. sie 
als bloße Fiktionen hinzustellen. Andere 
Einwände sind von solcher Art, daß sie meiner An- 
sicht nach schon sechs Jahre vorher in meiner Re- 
visionsschriit entkräftet, d. h. in der Hauptsache 
als belanglos nachgewiesen werden konnten; wie- 


der andere werden ohnehin auf den Leser nicht.den 


schwerwiegenden Eindruck machen, den Pet- 
zoldt erwartet. Man hat u. a. auch bemängelt, 
daß es unter den Systemen, in welchen drei in 
Distanzänderung voneinander begriffene Punkte 
geradlinige Bahnen beschreiben, auch solche geben 
kann, die vorübergehend imaginär werden. Auf 
der mit imaginären Schnitt- 
punkten zweier Kreise rechnet, welche zu weit 
voneinander abstehen, um sich reell zu schneiden, 
kann dieser Einwurf keinen Eindruck machen; die 
Bedeutung jener Systeme ist von dem Augenblick 
an, wo sie ins imaginäre Gebiet übergehen, selbst- 
verständlich nur eine analytische. Wer den Satz 
als grundlegend und wichtig anerkennt, daß eine 
Ebene im Raum durch drei ihrer Punkte eindeutig 
fixiert wird, kann meines Erachtens ebensowenig 


in Abrede stellen, daß die phoronomische Fundie- 


rung des Inertialsystems auf drei bewegte Punkte 
von fundamentalem theoretischem Wert ist. Auch 
ist Petzoldts Kritik überhaupt weder der Form 
noch der Schlagkraft nach so: „vernichtend” ge- 


meint, wie sie sich- gibt; ich behalte mir übrigens 


vor, das anderwärts noch eingehender nachzuwei- 
sen, wenn es nötig werden sollte. | 

Daß ich Petzoldts Verdienste um die Gel- 
tendmachung der von Mach verfochtenen natur- 
philosophischen Grundanschauungen ganz und gar 
nicht gering anschlage, versteht sich von selbst. 
Der relativistisch e- Positivismus, wie er 
ihn vertritt, scheint mir dessen ungeachtet eine 
Übertreibung zu sein, die vielleicht auch Mach 
selbst nicht gut heißen würde. Von einem gerad- 
linigen Stab, der ins Wasser getaucht gebrochen 
erscheint, zu sagen, er sei in Wahrheit gebro- 
chen, weil er sich dem Gesichtssinn gebrochen dar- 
stellt; ist eine optisch-sensualistische Einseitigkeit, 
die ich ebensowenig. billige wie andere Kritiker 
(z. B. Poske). Vor derartigen Übertreibungen 


‚und Einseitigkeiten bewahrt die Anerkennung des 


206 


Kontinuitätsprinzips hinlänglich: ein transzenden- 
s Sein anzunehmen, ist dazu nicht .nötig. 

Hätte 1887 ein revolutionärer Geist in den brei- 
ten Massen der Zeitungsleser geherrscht, wie es 
1919 der Fall war, so würde die Tagespresse ver- 
mutlich aus Machs -und meinen absolutismus- 
feindlichen Darlegungen Kapital geschlagen haben, 
um zu gleicher Zeit dieser Richtung der 
Masse zu schmeicheln und 
(kinematographisch großgezüchteten) Sensations- 
hunger zu befriedigen. Ich bin froh, daß ein gütiges 
Schicksal mich davor bewahrt hat, auf so wohlfeile 
Weise zum Abgott des Publikums zu werden, wel- 
ches in seinem überwiegenden Teile die ganze Sache 
nicht versteht, und das, was bei Einstein (un- 
seren damaligen Darlegungen gegenüber) neu ist, 
vollends nicht verstehen kann, weil es die mathe- 


matischen Vorkenntnisse gar nicht a die da- 


zu unerläßlich sind. Gläubige Verehrung 
unverstandener neuer theoretischer o 
zu pflegen, ist ein Ziel; das auch.M ach höchlichst 
mißbilliet haben würde, wenn er diese Zeit mit- 
erlebt hätte; denn er, wie ich, waren davon weit 
entfernt, der Revolution im politischen Leben Vor- 
schub leisten zu wollen. 
nehmen, daß die verhimmelnde Pressepropaganda 
auch Einstein allmählich zum Ekel geworden 
‚ist. 


Ob Einsteins Theorien sich auf die Dauer 


halten werden, ist noch nicht mit Sicherheit- zu 
sagen. Gegen seine Deutung der anormalen Mer- 
kurperihelbewegung und seine Voraussage .des 
photographisch-astronomischen Befunds der Son- 
. nenfinsternis vom 29. Mai 1919 verhalten sich un- 
sere. kritischen Astronomen, unter denen sich 
Namen ersten Ranges befinden, skeptisch. -Die 
amerikanische Astronomie, die dank ihren überaus 
reichen Mitteln in dem Gebiet der Himmelsphoto- 
graphie an erster Stelle steht, will von Ein- 
Steins Erklärungen nichts wissen. Man darf ge- 
spannt sein, was bei der totalen Sonnenfinsternis 
des kommenden Äquinoktiums herauskommen 


wird. Die von Einstein aufgestellte „Gravi- 


tationstheorie” würde von dem Augen- 


: = Dlicke an die größten wohlverdientesten Triumphe 
"feiern, wo sie der Technik die Aussicht darböte, 
re stellenweise als Übel empfundene Gravitation 


durch Anpacken an der Wurzel aufzuheben, was 
in der Luitschiffahrt ungeahnte Möglichkeiten er- 
öffnen könnte. Leider ist der Weg zu diesem Ziel 
noch unendlich weit entfernt. 

Wenn übrigens Einsteins Theorien wieder 
fallen sollten, so wird davon die allgemeine Lehre 
von der. konsequent festzuhaltenden 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


groben 
ihren unersättlichen 


Übrigens -darf man an- 


[Nr. 31/32 | 


Relativitätsbegnügtheit im Rahme 
der Physik nicht betroffen. In dem Umfange, i 
wie sie von Mach und mir im Anfang der achte 3 
ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts _verkünde ii 
wurde, wird sie auch weiter bestehen. Daß die alk 
nächtlich sichtbare Drehung des Firmaments um 
die Himmelsachse keine optische Täuschung i 
wird man in jeder Dorfschule in 30 Jahren ’'verkün- 3 
den dürfen, ohne der wissenscháftlichen Rück 
ständigkeit geziehen zu werden. Den Antikopernie $ 
konismus Johannes Schlafs freilich wird mat 4 
auch dann nicht ernst nehmen, da er eine geozen- 
trische Einseitigkeit verrät, die mit dem geschicht 
lich gewordenen Sprachgebrauch des Wortes Bel 
wegung” sich nicht, vereinen läßt und auf einem 
metaphysischen Gefühlsbedürfnis beruht, für das 
die Naturwissenschaft nie Verständnis wird auf 
bringen können. a 4 
Ich komme zum Schluß. Daß zwischen der ag 
solutistischen und der relativistischen Autas 
der Physik (und anderwärts) dauernd einmii 
die Entscheidung zugunsten der einen und geget i 
die andere Richtung fallen werde, ist mir auf meine] 2 
alten Tage wenig wahrscheinlich. Anhänger vol 
beiden, die einander beiehden, wird es jederzeit i F 
geben, bald wird die eine, bald die andere Antias: 
sung vorherrschend sein. Mein ganz persönliche 
Wunsch ist der, daß die Relativisten, in ihrem er 
sreiflichen Eifer für die Sache, zu der ich bekennen N 
muß, selber beigetragen zu haben, nie so weit 3 
gehen möchten, gegen die abweichende Auffassung 3 
terroristisch vorzugehen, und daß die absolutisti 2 
sche Richtung, wenn sie die Oberhand gewinui 
sich der gleichen Duldsamkeit befleißigt; stets ein- 
gedenk der Tatsache, daß die menschliche M Er- 
kenntnis unvollkommen ist und bleibt: oE 
ist es sogar ‘eine berechtigte Hoffnung, anızunelk N 
men, daß eine heranwachsende Forschergeneratiot : 
in ihren Lehrbüchern von dem absoluten Raut A 
und der absoluten Zeit im religiös basiert i 
ten Wortverstand Isaac Newtons („sensoria Ve pei’) i 
in Kenntnis gesetzt und ihr dieser Standpunkt ag 
nehmbar gemacht wird. Er hat immerhin etwas 
Lebensvolles und kann etwas sehr Lebensförderi- ° 
des haben, was sich von dem gespenstischen d d 
soluten Raum des Aufklärungszeitalters freilich 
nicht sagen läßt. Diejenigen, welche sich dazu it 
stande fühlen, ihre physikalische W eltanschatug 
auf eine solche ausgesprochen gottgläubige Basis 
zu gründen, sind in vieler Hinsicht zu beneidet i 
und werden um so mehr zu loben sein, je geneigte! 
sie sind, den relativistischen Standpunkt danebel 1 N 
als zur Konkurrenz berechtigt anzuerkennen. p \ 
individualgeschichtliche Verschiedenheiten der 


Rhungsgrundlagen und Konstitutionen bringen es 
itsich, daß es jederzeit geistig hochstehende For- 
| gher geben wird, die die religiöse Glaubensstärke, 
| penso wie jene zu denken, nicht aufzubringen ver- 
Aigen. Solche Zweifler und Kritiker muß es ja 
f lich geben, wenn nicht die wissenschaftliche Fort- 


d E 
v k> 


l- Es wird erneut dringend gebeten, Tagesordnun- 
ga pi von Versammlungen stets druckfiertig unmittelbar 
Zu a den Verlag „Carl Marhold Verlagsbuchhandlung” in 
di alle a. S., Mühlweg 26, zu senden. 


B Sanatorium Salzbergtal ist verkauft und Hotel 
Ben — ein Beitrag zum „Zug der Zeit”. 

— In einer Kritik meiner Schrift „Jenseits von klug 
mi blöde” (Zentralbl. f. d. ges. Neurol. u.-Psychiatrie 
Hi X, S. 144) sagt Gruhle: „Er bildet sogar entartete 
= enfäden eines Schizophrenen ab.” z 
ERs handelt sich, wie aus dem Original S. 102 er- 
stich, um die Befunde, die F. Mott bei Schizophrenen 
; macht hat. F. Mott hat mir in dankenswerter Weise 
Ai Klischees zur Verwendung überlassen. 
Über diese Befunde ist auch im Zentralbl. f. d. ges. 
1 i u. Psychiatrie referiert, ..B. Bd. XXIX, S.. 381, 
A, 508. 

Alle stammender Mitarbeiter Prados y Such ernst 
iu ‚nehmende Forscher sind, deren Arbeiten und. Be- 
Fü größte Beachtung verdienen, daran wird wohl 
Prd zweifeln; ebensowenig daran, daß es für die 
Aschiater von Interesse ist, 
A de zu sehen. I 
Auch die Angabe über Keimdrüsengewichte ist, wie 
A dem Original S. 102, 103 ersichtlich, der Veröffent- 
| iting von F. Mott entnommen und keine „persönliche 
E von mir, als welche sie Gruhle bezeichnet. 
g Bresler. 


a — Ärztliche Gesellschaft für parapsychische For- 
| — zu Berlin. Sitzung vom 16. Oktober 1922. 
1 Ma: Telepathie, 
Fsanitätsrat Dr. Körber entwickelt. die eoe 
| Nehologischen und psychophysischen. Grundlagen für 
| © Möglichkeit von Telepathie und Hellsehen. Nur 
I tse beiden Phänomenreihen bezeichnet er als echte 
4 kulte Phänomene, an deren wissenschaftliche Erfor- 
| n = bereits jetzt heranzugehen möglich und lohnend 
eint. Die psychologischen Voraussetzungen der 
Krung entnimmt er der Psychologie Freuds, wonach 
»ewußtsein fiktiv als Organ zur Wahrnehmung 
Minsvchischer Vorgänge zu deuten ist. Die Wahr- 
BE eeen. ‚brauchen ‘nicht nur exogenen Reizen 
= en sie können auch aus endogenen Vor- 
ommen; und auch das Wissen braucht nicht 
in üierten und rekonstruierbaren Wahrnehmun- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


gewöhnlich” 


Daß F. Mott und sein aus der Ramon y Ganfschen 


Abbildungen: dieser Be- 


207 
entwicklung verknöchern oder versumpfen soll, 
was niemand wünschen kann. 

In friedlicher Konkurrenz nebeneinander wir- 
kend und das Recht der Minorität achtend, können 
beide Richtungen dem Fortschritt der Wissenschaft 
dienstbar sein und das Menschentum fördern helfen. 


Mitteilungen. 


gen und Vorstellungen zu gründen, sondern kann un- 
sein, unabhängig von derartigen Voraus- 
setzungen, ein mystisches oder magisches Wissen, wel- 
ches wir überall in der primitiven und pathologischen 
Psychologie antreffen und welches auch als Intuition, 
als Wissen ohne Erfahrung, aus Instinkt phänomenolo- 
gisch erfaßbar ist. Dies Wissen als Inhalt unseres Be- 
wußtseins hat seine Front nach innen, wird vom Unter- 
bewußten oder Unbewußten her beeindruckt. Betrach- 
tet man einerseits die Tatsache dieses Wissens, anderer- 
seits die weitere Tatsache, daß ieder Inhalt des Sub- 
iekts letztlich auf einer Subiekt-Obiektbeziehung be- 
ruht, und daß im Obiekte schon vorgebildet ist, was im 
Subjekt als Wissen erscheint, so läßt sich nicht mehr 
leugnen: okkulte Phänomene können auftreten, wenn 
ein Subjekt in gegebenem Zustande in einer besonderen, 
intimeren Subiekt-Objektbeziehung lebt. Die echten ok- 


kulten Phänomene ‚entstammen Bewußtseinsalterationen s 


und sind transnormale Wahrnehmungs- und Wissens- 
erscheinungen unter Ausschluß der in den Sinnes- 
organen gegebenen Reizquellen. Vielleicht beruhen 
sie in einer Verschmelzung oder Identifikation der 
Unterbewußtseine zweier Subjekte, jenseits ihrer 
bewußten _ Ichdifferenzierungen, etwa im Sinne 
Eduard von Hartmanns. Eine derartige Annahme 


‘Könnte auch die direkten Einfühlungserscheinungen er- 


klären. Telepathie ist hiernach ein von anderen’ über- 
kommenes Wissen ohne Vermittlung der Sinne. Hell- 
sehen ist ein direktes intuitives Wissen von Ereignissen, 
und zwar unterscheiden wir: Kryptoskopie, räumliches 
und zeitliches Fernwissen, und Psychoskopie, d. i. das 
Erfühlen einer Stimmung, die an einem Gegenstand 
hängt, seines Schicksals, seines Besitzers usw. Vorttr. 
gibt reiche Belege aus der ernsten Literatur, für diese 
Phänomene. Die rein naturwissenschaftliche Erklärung 
derselbe wird antinomisch, vielmehr ist eine Eigen- 
stellung der Psychologie, eine neue Anschauungsebene, 
eine erfassende Wesensschau hierfür notwendig. 


Sanitätsrat Dr. Carl Bruck teilt systematische Ver- 
suche über telepathisches Zeichnen mit vier 
Versuchspersonen mit, die er unter Assistenz vieler 
Berliner Nervenärzte. und Psychiater im Sommer und 
Herbst 1922 angestellt hat. Er hat eine große Reihe 
klarer gegenständlicher Strichzeichnungen von jeweils 
einem Objekt mit vielen Einzelheiten charakteristischer Art 
vorbereitet; zum Teil haben kontrollierende Kollegen 
auch während der Sitzungen im Nebenzimmer solche 


208 


Zeichnungen angefertigt. Die Versuchsperson saß in 
tiefer Hypnose mit geschlossenen Augen unter Kontrolle 
von Ärzten in einem anderen Zimmer, während Bruck 
eine Zeichnung ansah und in eine feste undurchsichtige 
Mappe verschloß. Nach seiner Rückkehr öffnete er dem 
Hypnotisierten die Augen und gab die Suggestion: In 
meinem Gehirn ist ein Bild der Zeichnung in dieser 
Mappe; Sie werden das Bild jetzt immer ‘deutlicher er- 
erkennen und nachzeichnen. Von 22 Versuchen fielen 
acht. absolut positiv aus, darunter einer, bei welchem 
zwei Versuchspersonen gleichzeitig beeindruckt wur- 
den. In 3 Versuchen ergaben sich Anhaltspunkte für einen 
mindestens teilweise positiven Ausfall. Der 
negativ. Dies ist ein ungewöhnlich hoher positiver 
Prozentsatz. Vortr. erörtert die Fehlerquellen methodi- 
scher und psychologischer Art. Letztere liegen vor 
allem in den  Automatismen vorstellungsmäßiger und 
psychomotorischer Art, welche durch den hypnotischen 
Zustand in besondere Bereitschaft: geraten und den be- 
treffenden Persönlichkeiten und ihren Triebfundamenten 
entsprechen. Phänomenologisch erschien bedeutsam, 


daß nach dem Erwachen bei allen Versuchspersonen für- 


den zeichnerischen Vorgang großenteils Amnesie bestand 
und daß sie zum Teil auch nicht fähig waren, das Ge- 
zeichnete als ihre Zeichnung zu identifizieren und 
eeeenständlich zu deuten. Eine vorstellungsmäßige, 
bildmäßige Vergegenwärtigung bewußter Art des zu 
zeichnenden Gegenstandes fehlte ihnen. Um so über- 
raschender waren genaue Übereinstimmungen selbst in 
Details. (Der Vortrag soll mit dem Bildermaterial 
publiziert werden.) Die Ergebnisse sind viel eindeu- 
tiger als en gleichartigen Versuche von Hyslop. 
Kronfeld, Berlin. 

. 2. Herr Professor Dr. Hans Gruhle in Heidelberg 
veröffentlicht im Zentralblatt für die gesamte Neurologie 
und Psychiatrie vom 15. September 1922 5 . 69 folgendes 
Referat über meinen Artikel: 
Psychiatr.-neurol. Wochenschrift 1922 Jahrg. 24 Nr. 5-0 
S. 37: „Der Streit um den Okkultismus gibt Bresler 


Anlaß zu schlechten Witzen und politischen Bemerkun- 


gen, die nicht in eine Fachzeitschrift gehören.” Herr 


Gruhle kann sich aus vielen Nummern dieser Zeitschrift: 


davon überzeugen, daß die Erforschung dieses noch un- 
bekannten Seelenbereiches eine ernste und würdige Stätte 
-gerade in dieser Zeitschrift gefunden hat; meine Be- 
 merkungen dagegen beziehen sich auf den  ungeheuren 
Unfug, der mit Okkultismus und ähnlichem. heutzutage 
von Unberufenen getrieben wird und der doch nicht zu 


selten auch vor Gericht als Betrug aufgedeckt wird. 


Mit den „schlechten Witzen” ist es mir wirklich bitter 


” ernst; und die Form eines gewissen Sarkasmus ist für 
solche Dinge durchaus angebracht und‘ in wissenschaft- 


licher Kritik nicht ungebräuchlich, auch im Zentralblatt 
für die gesamte Neurologie und Psychiatrie. Es ist mit 
dem Ernst wie mit dem- Verstand: Wer über gewisse 
Dinge den Ernst nicht verliert, der hat keinen zu ver- 
lieren. Und ein bißchen Humor wird in der trockenen 
Wissenschaft wohl noch gestattet sein, und er ist bisher 
von großen und guten Geistern stets verstanden und 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Rest war 


-in Erlangen-Nürnberg zu machen. 


en in der 


- Anstalten Emmendingen und bei Konstanz 1922 ie 1A 


‚wurde in diesem Jahre einem Arzt der Anstalt Emmeli], 


Klinik Tübingen, einem Arzt der Anstalt bei Konsiei 


S ER 
s x 25 A 
Pre 
PA- 
mr- i 
vos 
s DE 


[Nr. zu / 


richtig. aufigeiaßt worden. Daß vollends politische Ei \ 
wicklungen und Ereignisse nicht Gegenstand der psychi ) 
trischen Betrachtung und Forschung sein sollen, würd 
eine ganz neue Wendung in der Auffassung der Psychiag fi 
trie bedeuten, eine Einschränkung ihres Gesichtskreisé y 
und wissenschaftlichen Arbeitsfeldes, einen Verzicht aii | 
große Aufgaben und hohe Ziele, eine Einschliebunzg nf 
Anstalt und Klinik, einen Autismus, Fü 

P. J. Möbius sagte in seinem Aufsatz Psychiatidi 1 
und Literaturgeschichte”, mit dem er diese Zeitschr el 
aus der Taufe heben half, Bd. I S. 18: „Der Psychiatep@ 
wird ein Richter in allen menschlichen Dingen, eine 
Lehrer des Juristen und des Theologen, ein Führer i F 
Historikers und des Schriftstellers.” Wenigstens aM 
Leitstern sollte uns dieses unerreichbare Ziel vo h 
schweben. I ni 

Die zahlreichen Zustimmungen zu meiner Stellung f 


nahme gegenüber gewissen neuen Strömungen def" 
Seelenforschung und neuen — und doch schon dag} k 
weseneir — Gestaltungen, künstlichen und natürlichen 


des Seelenlebens können mich aber nicht von dem Enid f 
J 


schluß abbringen, mich von dem Streit der Meinungeijs à 
über diese Dinge, in dem ich fast seit einem Vierteliaht E 
hundert mitkämpfe, in Zukunft fern zu halten; ich glaubt 
das Meinige getan zu haben. Bresler. fiir 


— Baden.’ 

Entlassenenfürsorge. Das Ministerium d& n 
Innern hat beschlossen, zur Förderung der Frühentlassung W 
in der Stadt Mannheim einen. Versuch mit der plariN 
mäßigen Entlassenenfürsorge nach dem Vorgange Kolis in 
Am 4. Oktober ds] N 
Js. wurde die von der Heil- und Pflegeanstalt WieslochfR 
eingerichtete und zu unterhaltende "Fürsorgestelle tin 
Nerven- und Gemütskranke“ eröffnet. Der Dienst wir 
unter Aufsicht eines hierzu bestimmten Wieslocher Arztes $ 
von einer in Mannheim stationierten Pflegerin der And ni 
stalt versehen, die dank dem liebenswürdigen Entgegen 
kommen von Obermedizinalrat Dr. Kolb und der Regierung fa 
des Kreises Mittelfranken in Erlangen-Nürnberg aussè N 
bildet wurde. IP 

Ärztliche Fortbildung. Von den Anstaltell £ 


Illenau und Wiesloch wurden 1921 je 2 Ärzte, von wa A 
iiy 


zu den Fortbildungskursen für beamtete Ärzte auf Staats i ; 
kosten zugelassen; der 1921 in Heidelberg abgehalten]; 
Kurs behandelte vorwiegend die soziale Hygiene, i 
diesjährige in Freiburg daneben die diagnostisch- -therag 


peutischen Fortschritte der Spezialgebiete. Außerdem 


i 
Ki 


i 
nen 3 
dingen ein Studienaufenthalt an der psychiatrisel®® 


ein solcher am anthropologischen Institut der Universit 
München ermöglicht; ein weiterer Arzt der Anstalt te 
Konstanz hielt sich zu seiner Fortbildung an der psyc 
trischen Klinik Burghölzli auf. 

Einem Illenauer Arzt wurde ‘ein 
Aufenthaltander genealogisch-demographi 
der Deutschen Forschungsanstalt für Psy 
München genehmigt. | 


viermonatiicte | 
schenAbtelllf A 
chisini m f: 


Ausbildung des Pilegepersonals. Am 1. 
- 1: 1921 wurde in Illenau die erste Pilegeschule in 
N den mit 12 Pfilegeschülern und 14 Pilegeschülerinnen 
d jiiinet. Ende März 1922 konnte die einjährige theore- 
che Ausbildung, bei der neben den: üblichen Fächern 
i ach die Elementarfächer (Rechnen, Rechtschreiben, Auf- 
$ dir, Heimatkunde) berücksichtigt wurden, durch eine 
fung unter dem Vorsitz des Medizinalreferenten mit 
diem Erfolg abgeschlossen werden. Da jedoch die 
hule in Illenau für den starken Bedarf sämtlicher An- 
Maten an weiblichen Pflegepersonen allein für absehbare 
| kit nicht ausreicht, wurden neben dem am 1. Juni d. J. 
Miegonnenen zweiten theoretischen Lehrgang in Illenau am 
Oktober d. J. weitere Schulen zur Ausbildung von 
ilegerinnen in den Anstalten Wiesloch und bei Konstanz 
öffnet. Die Schüler haben außer der durch die Prüfung 
geschlossenen einjährigen theoretischen Ausbildung 
| ie Bewährung in einer einjährigen praktischen Dienst- 
J istung nachzuweisen und erhalten dann die staatliche 
fi Mierkennung als Krankenpflegeperson für Geisteskranke; 
firar können sie als außerplanmäßige Beamte der 
soldungsgruppe IV angestellt werden. 


| ’ — Aus dem 14. Jahresbericht der Mecklenburg. Stre- 
“itzschen Landes-Heilanstalt Domjüch bei Strelitz (Alt). 
lir die Zeit vom 1. April 1920 bis 31. März 1922. 


7 Am1. April 1920 betrug der Krankenbestand 139, 
ud zwar 47 Männer und 92 Frauen. Im Laufe der 
{iden Berichtsiahre 1920/22 wurden aufgenommen 78 
{Miner und 88 Frauen, während abgingen 69. Männer 
ind 81 Frauen, so daß der Krarmkenbestand am 31. März 
1922 155 betrug, und zwar 56 Männer und 99 Frauen. 
Es macht sich also schon eine weitere langsame Zu- 
j Tahme der Kranken bemerkbar. 

Durch die notwendig gewordene Erhöhung der Pflege- 
[Sätze fand eine Abwanderung aus den höheren in die 
federen Klassen statt, so daß am 1. April 1922 nur 


[Anstalt waren. Auch von den Selbstzahlern wurden 
[Mehrere herausgenommen oder mußten der öffentlichen 
| Pilege übergeben werden. Die Erhöhung der Pilege- 
[Sätze ist insofern eine bedenkliche Maßregel, als die 
Angehörigen und Gemeinden sich nur sehr spät zur 
| Aihrung in die Anstalt entschließen und dadurch die 
‚eilbarkeit der Kranken in Frage gestellt und die Ge- 


lichkeit der Kranken für sich und die Umwelt er- 
tönt Wird. { 


\ 
f Die Beköstigung ist gut ausreichend, wenn auch 
“ Teuerungsverhältnissen entsprechend nicht so gut 
Vie vor dem Kriege. 


Trotz der hohen Kohlenpreise konnten Dauerbäder 
i Senügender Weise gegeben werden. 


an recht groß, trotz der Aufbesserung der 
a die-die im Strelitzer Lande üblichen überschrit- 
en Unterricht, und es unterzogen sich fünf Pflege- 
in dem vor einem Regierungsvertreter abgehaltenen 
Mamen mit Erfolg. 


| 2 | PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


noch 1 Patient I. und 17 Patienten II. Klasse in der 


Der Wechsel beim Personal war auch in diesem 


\: Das Pflegepersonal erhielt wie früher auch theore- | 


209 


Die Anstaltsärzte erhielten analog den Beamten 
anderer Kategorien die Amtsbezeichnung Medizinalrat. 

Nachdem schon immer Verhandlungen wegen Er- 
richtung einer Tuberkulosenheilstätte auf Anstaltsgelände 
stattgefunden hatten, die aber wegen der enormen Kosten 
zu keinem Resultat führten, wurde am 25. September 
1920, um ein leerstehendes Gebäude auszunutzen, das 
Landessäuglingsheim aus Neustrelitz mit etwa 50 Bet- 
ten der hiesigen Anstalt angegliedert. 

Der landwirtschaftliche Betrieb hat sich durch den 
Ankauf der -Domjüchländereien nicht nur sehr vergrö- 
Bert, sondern ist durch. Einrichtung von Viehaufzucht 
auch rationell gemacht. Um das nötige Futter selbst 
beschaffen zu können, ist trotz einmaliger hoher Kosten 


die Nutzbarmachung der etwa 60 Morgen großen Torf- 


wiese durch Überschüttung dringend notwendig zur 
Gewinnung des nötigen Heufutters. 


Referate. 


— Mempbranänderung und Nervenerregung. Von 
U. Ebbecke. Aus dem Physiologischen Institut in 
Göttingen. Mit zwei Textabbildungen. Pilügers Archiv 


ï: d. ges. Physiologie d. Menschen u. d. Tiere 1922 
DUAS: TE 0; 
Zusammenfassung, 
Befunde: Wird ein konstanter Strom durch einen 


Nerven so durchgeleitet, daß eine der beiden Elektroden 
an einer abgetöteten Nervenstrecke anliegt, so ist der 
Widerstand des Nerven bei sehr schwachen Strömen für 
beide Stromrichtungen nahezu gleich, bei etwas stärkeren 
Strömen aber größer, wenn die Anode als wenn die 
Kathode die differente, dem normalen Nerven anliegende 
Elektrode ist. Das Überwiegen des anodischen Wider- 
standes wird um so beträchtlicher, je stärker der Strom 
ist oder je länger er dauert. Bei unveränderter Span- 
nung nimmt der Strom mit der Zeit zu, wenn die Ka- 
thode, und ab, wenn. die Anode die differente Elektrode 
ist. X | | 

Fließt ein konstanter Strom durch ‘einen Nerven, so 
ist der galvanische Elektrotonus auf der Anoden- und 
Kathodenseite bei sehr ‘schwachen Strömen nahezu 
gleich. Das Überwiegen des Anelektrotonus wird um so ` 
beträchtlicher, ie stärker der Strom ist und ie länger er 
dauert.. 

Wird eine Nervenstrecke mit starkem Wechsel | 
faradisiert, so bleibt danach die Stelle des Nerven, die 
der Anode der Öffnungsschläge entspricht, negativ 
gegenüber der Stelle, die der Kathode der Öffnungs- 
schläge entspricht. Diese Nachwirkung — Negativitäts- 
rückstand — dauert bei stärkeren faradischen Strömen 
viele Minuten. 

Durch Reiben- der Haut wird die elektrische Reiz- 
schwelle der sensiblen Hautnerven verändert, und zwar 
die Schwelle für Induktionsstöße und Kathodenschließung 
erhöht, die für Anodenöfinung aber erniedrigt. 

Folgerungen: Beim Durchfließen eines Stromes 
durch den Nerven wird die Nervenmembran an der Ka- 
thode aufgelockert, an der Anode verdichtet. 


tr 
i PEN 
A-A 
P P 
En 


der 


Jonenstauung schwerer, 


entwickelt.. 


210 


Durch die Membranänderung ändert sich die Polari- 
sierbarkeit des Nerven. Das Überwiegen des Aneiek- 
trotonus beruht auf der größeren Polarisierbarkeit der 
anodisch verdichteten Nervenstrecke und verschwindet 
infolge aller der verschiedenartigen Einflüsse, welche 
die Nervenmembran durchlässiger machen. 

Durch "elektrische, mechanische, thermische oder 
chemische Einwirkungen von größerer Stärke wird die 
Nervenmembran für längere Zeit reversibel aufge- 
lockert. Die betroffene Nervenstrecke befindet sich in 
einer lokalen, parabiotischen Dauererregung. 


Unerregbarkeit, Erregbarkeitsherabsetzung und Er- 


regbarkeitssteigerung sind die drei Stadien, die ver- 
schiedenen Graden der Mempbranauflockerung entspre- 
chen.. 
keitssteigerung zu depressiver Kathodenwirkung und 
zeitweiliger kathodischer Unerregbarkeit ist ein Beispiel 
hierfür. ' 

Herabsetzung der Öffnungsschwelle bei erhöhter 
Schließungsschwelle ist charakteristisch für den Zustand 
Membranlockerung, in welchem der für die Reiz- 
wirkung der Kathodenschließung erforderliche Grad von 
der für die Anodenöffnungswir- 
kung maßgebende Ausgleich der gestauten lonen da- 
gegen leichter zustandekommt. Ä 

Die auch vom „„einschleichenden’” Strom bewirkte 
Durchlässigkeitssteigerung steht vermutlich im Zusam- 


 menhang mit der Nernstschen Akkommodation. 


Eine aufgelockerte Nervenstelle behält auch nach 
ihrer Restitution eine latente Nachwirkung, indem die 
Mempbranlockerung auf erneuten Reiz vertieit und zeit- 
lich verlängert eintritt. ` 

Durch die hier gegebene Anwendung und Erweite- 


rung der Membrantheorie lassen sich eine große Zahl 
bekannter Tatsachen aus 


der Elektrophysiologie des 
Nerven einheitlich zusammeniassen. 


Buchbesprechungen. 


— Ziehen, Dr. med. et phil. Theodor, Prof. der 
Philosophie an der Universität Halle: Grundlagen der 
Naturphilosophie. Bd. 182 von „Wissenschaft und Bil- 


- dung“. Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens. 


135 S. Leipzig 1922, Verlag von Quelle & Meyer. 
Ziehen fordert eine neue erkenntnistheoretisch ge- 
richtete Naturphilosophie, die sich weder auf die Kombi- 


nation der materiellen Tatsachen untereinander noch 
‚auf die Kombination der materiellen mit den psychischen 


Tatsachen beschränkt, sondern mit der erkenntnistheo- 


E  retischen Untersuchung der Abgrenzung des Materiellen 
vom Psychischen oder der R -Bestandteile von den 


N-Bestandteilen beginnt und dann auf Grund dieser 


‚Zerlegung und unter Verwertung der Ergebnisse der 
Naturwissenschaften das allgemeine Bild der R-Bestand- 


teile und damit des Gegenstands der Naturwissenschaften 
(Über Ziehens Lehre von den R- und N- 
Bestandteilen des Empfindens vergl. seine Schrift: Er- 
kenntnistheorie auf psychophysiologischer und psycho- 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummert. 
Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S- | 
Druck: Emil Wolf & Söhne, Halle a. S 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


psychischen Tatsachen aufgestellt werden können. In 


Der Übergang von katelektrotonischer Erregbar- 


` nenten, welche die Zeitschrift durch Kreuzband erhaltet 


m $ ba AL PT 
UA RE Br. 
Ba.‘ 
a 
on 


[Nr. 31 % 
logischer Grundlage, Jena 1913, und Zum gegenwärtigen 
Stand der Erkenntnistheorie, zugleich eine Einteilung der. 
E.n, Wiesbaden 1913, diese- Zeitschr. XX, S. 111.) 

Gerade die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, 
dab die allgemeinen Begriffe und Gesetze der Natur- 
wissenschaft gar nicht ohne Mitberücksichtigung der 


dieser Beziehung sind Ziehens erkenntnistheoretischen 
Einwände gegenüber einzelnen Hauptannahmen Einsteins 
beachtenswert. Die Relativitätsirage gehört nach Ziehen 
in letzter Instanz vor das Forum der Erkenntnistheoni | 
und damit der Naturphilosophie (S. 89). Bezüglich der A 
von Ziehen präziser formulierten Relativitätslehre 
Berkeleys vergl. S. 69—71 und den Abschnitt: Rückkehr 
zur modifizierten Berkeleyschen Relativitätslehre (5.9%, 

Ziehens Grundlagen der Naturphilosophie verdienen 
die größte Beachtung aller Gebildeten und wir sind ihm 
tür diese Aufklärungsarbeit großen Dank schuldig. 4 

Von den einzelnen Kapiteln seien besonders ange 
führt: Reduktion der Empfindungsqualität (Elemente 
Elektronen, Äther, seitherige Antworten und heutige 
Fragestellung), Reduktion der Empfindungsintensitä 
-Jokalität, -temporalität (Raum-, Zeitproblem), Reduktion 
des Gefühlstons (Wertproblem), Philosophie des Ors 
ganischen. A 


is 
2 


Iherapeutisches. 

— Neues Material zur Behandlung septischer Abort 
Von W. Offiermann, a Monatsschr. I 
Gieburtsh. u. Gyn. 1921 Bd. 55 H. | 
Bei-iedem fieberhaften Abort, ie el mehr auii 
halten ist, hat man danach zu streben, ihn durch Wehe 5 
mittel (Chinin, Pituglandol) zur Erledigung zu bringt 
Wenn nach mehrfachen Versuchen die Wehenmittel ei 
folglos geblieben sind, so wird an der Königsberger Uni- 
versitätsfrauenklinik erst ausgeräumt, wenn das Fieber 
fünf Tage abgeklungen ist und ev. vorhandene Streptód 
kokken aus dem Vaginalsekret verschwunden sind. 4 


Personalnachrichten. A 

— Düren. San.-Rat Dr. Neu, zuletzt Direktor des 
Landarmenhauses in Trier, ist seit 1. Oktober Direktor 
der Prov. en. ‚und Pilegeanstalt in Düren. 3 


Bezieher der Zeitschrift, A 
denen diese durch die Post zugestellt wird, wollen sich 
im Falle unregelmäßiger Zustellung stets an die Post- 
anstalt ihres Wohnortes bzw. ihres Postbezirks wenden. 
Bei Wohnungswechsel ist ebenfalls sofort die Bestell- 
postanstalt zu benachrichtigen und. die Überweisung all 
die neue: Adresse zu beantragen. — Bezieher, die 
Zeitschrift bei einer Buchhandlung bestellt. haben und 
durch diese zugestellt erhalten, müssen ihre Reklamation 
bei der betr. Buchhandlung anbringen. — Auslandsabon- 


e E 2 


reklamieren direkt beim Verlag. | E 


{i Jahrgang, 1922/23, Nr. 33/34. | Halle a.S., 18. November. 


Psychiatrisch-Neurologische 
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Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 
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Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
p internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 
= Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 


Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Oeh, Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
fbirken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
“Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Proi. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
Rhi), Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 


Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
"wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer. Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
 Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Ss Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 

Schriftleiter: 
a Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
X — 
"Nr. 33/34. 18. November 1922/23. 


Du: 
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Bezugspreis: 


| Mt, — für das Vierteliahr, zuzügl. Post- 
T überweisungsgebühr. 


Verlag und Ausgabe: 


Zu beziehen durch jede Buchhandlung, 

die Post und unmittelbar vom Verlage, 

Erscheint bis auf weiteres vierzehn- 
tägig in Doppelnummern. 


| Baugspreise nach dem Auslande: 


für den vollständigen Jahrgang, ein- 
schließlich Portokosten: Belgien Fr. 16, 
È gland sh. 7, Dänemark Kr. 7, Frank- 
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tika Dollar 2, Tschech.-Slov. Kr. 24. 


Zuschriften für die Schriftleitung sind 

an San.-Rat Dr. Bresler in Kreuzburg 

(Ob.-Schl.) zu richten. Bei Anfragen ist 
das Rückporto beizufügen. | 


Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 
| Halle a. S., Mühlweg 26 | 


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Postscheck: Leipzig 32070. | Hans Pusch, Berlin SW. 48 


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Von Priv.-Doz. Dr. Heinrich Fischer, Gießen. (S. 211.) — Die 

- Freigabe der Vernichtung. lebensunwerten Lebens, Von Oberarzt Dr. Wauschkuhn,. Berlin-Buch. 
215) -— Gottesglaube und Sexualität. 
(tein. (S. 218.) — Mitteilungen- (S. 2 
: peutisches. 


nhalt: Psychiatrie und innere Sekretion. 


19.) — Referate. (S. 221.) — Buchbesprechungen. 
(S, 223.) — Personalnachrichten. (S. 223.) 


(S. 222.) — Thera- 


Psychiatrie und innere Sekretion.) 


Von Priv.-Doz. Dr. Heinrich Fischer, Gießen. 
den- Vordergrund gerückt werden darf. Weder die 
seit Jahrtausenden bekannten psychischen Kastra- 
tionsiolgen, noch andere frühere klinische Erfah- 
rungen, haben einen Einfluß auf die Entwicklung 
der klinischen Psychiatrie gehabt. Nicht etwa nur 
deshalb, weil sie im allgemeinen kein Gegenstand 
der klinisch-psychiatrischen Beobachtungen waren; 
der Grund liegt vielmehr tiefer in der Entwicklung 
der klinischen Psychiatrie selbst. Abgesehen da- 
von, daß biologische Methoden hier überhaupt spä- 
ter und schwerer als in anderen medizinischen 
Disziplinen Eingang fanden, mußte die. klinische 
Psychiatrie selbst erst die Probleme schaffen, die 
eine Verwendung innersekretorischer Forschungs- 
ergebnisse im weiteren Maße möglich machte. So 
ist sowohl die Erkenntnis der endogenen Genese 
mancher. Geisteskrankheiten, wie deren Erklärung 
durch Autointoxikation.älter als die Erfahrung, dab 
innersekretorische Krankheiten von psychopatho- 


al A über das umfangreiche Gebiet, das 
4 in unserem Thema „Psychiatrie und ‚innere. 
Sr tion” enthalten ist, kann sich natürlich nicht 

Eier Wiedergabe der Einzeltatsachen oder auch 
t der wichtigeren Arbeiten auf diesem Gebiete 
, hssen, sondern muß sich auf die Besprechung 
N in ihm enthaltenen Probleme beschränken und 
eine Zeichnung der Wege, welche die For- 
Eng gegangen ist und auf Grund der bisherigen 
i ilge in Zukunft gehen kann. Ein kurzer ein- 
nder Hinweis auf Absichten und Inhalt ist er- 

tn) h. Die interessante. geschichtliche Ent- 
: Ping unserer Aufgabe müssen wir übergehen. 

Wi hier nur darauf hingewiesen, daß dabei nicht 
bti die Entwicklung der inneren Sekretion in 


) Nach einem im Deutschen Verein für Psychiatrie 
a W. in der Abteilung 23, Psychiatrie und Neurologie 
f Nundertiahrfeier Deutscher Naturforscher und Ärzte 
“l September 1922 in Leipzig gehaltenen Referate 


‚von Dr. theol. et phil. Merschmann und Pastor Sinn, Prov.-Heilantalt 


212 


logischen Erscheinungen begleitet sind, die Ähnlich- 
keit mit diesen iendogenen Geisteskrankheiten 
haben. Gerade die. Ergebnisse der exaktesten 
Forschungsmethoden der speziellen Organphysio- 
logie. und Organpathologie des Zentralnerven- 
systems, die Lokalisationslehre und Histologie, 
mußten erst den Beweis erbringen, daß die Lehre 
„Geisteskrankheiten sind Gehirnkrankheiten”, . die 
gewissermaßen eine Fortsetzung der Lehre von 
der rein neuralen. Korrelation im Organismus ist, 
den Tatsachen nicht gerecht wird. Selbst bei 
einem Krankheitsbilde, wie die Paralyse es ist, von 
der wir Ätiologie und anatomische Gehirnverände- 
rungen kennen, blieb der ganze Weg der Patho- 
‘genese, der zwischen dieser Ätiologie und der 
anatomischen Hirnveränderung liegt, ungeklärt, 
ebenso wie die Zuordnung der klinischen Äuße- 
rungsform zu dem speziellen anatomischen Be- 
‘funde. Auch die ätiologische Betrachtungsweise 
wies auf die Bedeutung pathogenetischer Zwi- 
schenglieder für das Wesen der Psychosen hin. So 
bekam die Konstitutionsforschung, die auf allen 
Gebieten der klinischen Medizin als klärende Syn- 
these in die immer zusammenhangloser werdende 
Spezialisierung der Einzelforschung hineinwuchs, 
auch in der klinischen Psychiatrie ihre Bedeutung. 
Man eine der Einordnung des Zentralnerven- 


systems in den Gesamtorganismus nach. An Stelle 


der organphysiologischen und organpathologischen 
Betrachtungsweise trat mehr und mehr die Beto- 
nung der Korrelationsphysiologie und -pathologie. 
Ganz besonders war es hier die Entdeckung der 
Cachexia strumipriva, durch die bewiesen wurde, 
dab bestimmten innersekretorischen Ausfällen ge- 
setzmäbig Störungen der -Hirnentwicklung, -der 
nervösen und psychischen Funktion entsprechen. 


So bekam die Vorstellung, daß Geistesstörun- . 


gen primäre Erkrankungen des Gesamtorganismus 
zugrunde liegen können, in deren Wirkung das 


Gehirn erst sekundär eingezogen: ist, einen festen. 


Boden. Die weitere Entwicklung der klinischen 
Psychiatrie machte es dann erst möglich, daß wir 
innersekretorische Funktionen zu einzelnen 'Auße- 


- rungsformen des erkrankten Seelenlebens in Be- 


ziehung setzen können. 

In großen Zügen werden unsere Ausit ice 
Sich zunächst mit einer kurzen Besprechung der 
psychischen Folgezustände nach innersekretori- 
schen Ausfällen und Krankheiten zu befassen 
haben, von denen ein Teil, wie die Tetanie und das 
Myxödem, von jeher unter den Erkrankungen 
des Nervensystems abgehandelt werden. Diese 
immerhin selteneren Vorkommnisse würden an 
sich für die Klinik keine größere Bedeutung haben 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


geht schon auf alte Anatomen zurück. Über @ 
 Abhängigkeitsverhältnis dieser Befunde bes 


[Nr. 33/34 


als andere symptomatische Psychosen. Doch sind 
diese Beobachtungen die Grundlage für. alle weite: 
ren Erörterungen über die- funktionellen Zusam- 
menhänge von innerer Sekretion und Scelenicheng 
geworden. ; 

Weiter haben wir dann die Bedeutung der m 
ren Sekretion für die klinisch- psychiatrische 
Krankheitsbilder zu betrachten. 

In der Hauptsache liegt in unserem Thema eo 
schließlich die Frage: Welche Bedeutung kommt " 
der inneren Sekretion in den biologischen Grund 
lagen für das normale und kranke Seelenleben ad 
Wir haben also im Laufe unserer Ausführungeg 
auch auf die Rolle der inneren Sekretion in Wachs 
tum und Entwicklung, in der Konstitution und be 
sonders in den sensiblen Entwicklungsphasen eind 
zugehen, in die der Ausbruch der meisten enb 
genen Oeisteskrankheiten fällt. E 

Die, innersekretorische Forschung hat al 
Grund der zentralen Stellung der Drüsen in del ' 
Wachstumsbedingungen des Organismus an “a 
Klärung der pathogenetischen Grundlagen mal 
cher aneeborener Defe Kt zustand | 
wesentlich beigetragen. _ 

Zunächst kurz einiges zur Hir en da i 
lun g selbst: Wir wissen heute mit Sicherheit, dl | 
au SChIle@drLuUsen- "urdeı I ymusausa 
fallim frühen Kindesalter schwere Störungen is ! 
Hirnentwicklung folgen. i 

Die Beobachtung, daß Hir nh y p er tropi H 
zusammen mit Hyperplasie der Thymus und Wd 
Lymphdrüsen bei gleichzeitiger Hypoplasie voll { 
Gefäßsystem und Genitale vorkommt, hatte schold i 
Rokitansky gemacht. Bartel rechnet diese Hing ! 
hypertrophie auf Grund des Gesamtbefunds zu Wii 
Nebenbefunden des Status thymicolymphat us N 
(Stat. th. 1.) resp. seines. Status hypoplasit o 
Bartel betont weiter die fließenden Überzälff 
dieser Befunde zur Hirngliosis und stellt die DSF 
position der Iymphatischen Individuen zur lien 

Yildung fest. Aus Antons klinischen Bach 
gen geht die Neigung solcher Individuen mit Hin i 
und Thymushyperplasie zu Krämpfen hervor 

Auch die Beschreibung von Neb enniereiip 
defekten bei schweren Großhirnmißbildonstij 


nS | 
2 A 


rel 


verschiedene Theorien. Die meisten Autoren sel ii j 
mit -Allessandrini das Wesen in dem Ausfall (9 
entgiftenden Nebennierenfunktion. Kohn zieht a8 
Bindeglied die mangelhafte  ezitninprodukton A 
folge des Nebennierenausfalles bei gostei? 
Lezithinbedürfnis des wachsenden Hirnes her 1 
Weigert endlich sieht in einer fehlerhaften sw i 


Antikusentwicklung die Ursache für die: mangel- 
fuite Nebennierenausbildung. Ich hatte bei der 
Untersuchung solcher Fälle den Eindruck, daß auch 
Hier die Kombination des Hirndefektes mit einem 
i oehgradigen Stat. th. I. vorliegt. Wir hätten dem- 
-fuch in einer Kombination der beiden letzten Theo- 
rien von Kohn und Weigert die Genese zu suchen. 
fam Wesen des Stat. th. 1. gehört die Minderwer- 
Tirkeit des vegetativen Nervensystems und damit 
wch der sympathischen Bildungszelle, die den 
Alutterboden für das Adrenalsystem stellt. Die 
Ausbildung der Nebennierenrinde scheint wieder 
Miesentlich von endogenen Reizen abhängig, die 
Jom Adrenalsystem ausgehen; ‘im allgemeinen 
üitsprechen sich in der Pathologie Hypoplasie von 
4 Nrenalsystem und Nebennierenrinde. Die Größe 
der Nebennierenrinde scheint also wesentlich an 
i in Anlagewert des Adrenalsystems und damit auch 
d Wieder an den des sympathischen Nervensystems 
ni bunden. Zudem ist dann zweifellos die Neben- 
i ierenrinde für den Lipoidaufbau im Körper von 
A rößter Bedeutung. So klärt sich das Abhängig- 
4 ftitsverhältnis von Nebennierenhypoplasie und 
A limdefekt. | 

4 Operative oder sonstige Störungen, die an be- 
immten Stellen des Gefüges der innersekretori- 
schen - Wachstumsträger angreifen, 
liotie, Die Klinik und innersekretorische Ge- 
4 iese der thyreogenen torpiden Idiotie, des M yx- 
ülems, sind zur Genüge bekannt. Gerade am Bei- 
el des Schilddrüsenausfalles zeigt sich besonders 
(Zäschaulich, daß Wachstum und Differenzierung 
iE s Gehirns weitgehend durch die Funktion inner- 
i Näretorischer Organe beeinflußt sind und die Aus- 
, hlserscheinungen um so gröber und intensiver 
erden, je früher die Störung einsetzt. Kurze Er- 
i Wåhnung bedarf hier die Genese des Kr etinis- 
i is; Die vielen Theorien, die auf der Bedeutung 


r: tinkwass sers, dem Fehlen der’ Krankheit an der 
j Meereskiste, der Feststellung Wagner von Jau- 
~ daß die Endemie Flußläufen folgt u. a. m., 
i PR und auch Mikroorganismen zur Erklärung 
1, ziehen, sprechen für die exogene Ätiologie. 


| Er im Organismus: nimmt, noch unaufgeklärt; 
I en sich diese nicht nur auf eine Störung 
R childdrüse beschränken, derart, daß letztere 
i " “ pathogenetische Grundlage für alle weite- 
7 >»Ymptome abgibt: Die klinischen Erscheinun- 
i tn Sprechen vielmehr dafür, daß die Schilddrüsen- 
J |: lt, ‚Dieses zeigt sich schon daran, dab die 
were der körperlichen und psychischen Stö- 


führen zur. 


je geologischen Formation, der Bedeutung des 


Nbei ist der Weg, den die noch unbekannte Schä- 


ankung nur einen Teil der Gesamtstörung dar- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT | 213 


rung nicht in dem Maße parallel gehen, wie dies 
bei der myxödematösen Idiotie der Fall ist. Dazu 
stehen die Erfolge der Schilddrüsentherapie vor 
allem wieder, was die Beeinflussung der psychi- 
schen Störungen anlangt, weit hinter den Erfol- 
gen beim Myxödem zurück. Wirksame Erfolge 
sind nur zu erzielen, wenn die Therapie in der 
allerersten Lebenszeit einsetzt. Die Schilddrüsen- 
erkrankung scheint vielmehr zu der Gehirnerkran- 
kung in einem teils nur koordinierten, teils die Hirn- 


störungen komplizierenden Verhältnis zu stehen. 
Auch gibt die Schilddrüsentherapie im ganzen 


keine besseren Resultate als die von Wagner von 
Jauregg schon vor vielen Jahren empfohlene Jod- 
prophylaxe, deren Brauchbarkeit gerade in: letz- 
ter Zeit vielfach erwiesen ist, und es ist dabei nicht 
auszuschließen, daß die Wirksamkeit der Schild- 
drüsensubstanz im wesentlichen auf ihrem Jodge- 
nalt beruht. Demnach dürfte es sich bei der Ge- 
nese des Kretinismus zweifellos um den Ausfall 


wichtiger exogener Aktivatoren handeln, eine 
Genese, die etwa in Parallele zur Genese des 
dystrophischen Infantilismus zu setzen wäre. Dab 


dieser ätiologische Faktor für den Kretinismus 


außerdem an die Besonderheiten des Aufenthalts- 
-Ortes gebunden ist, beweisen die Erfahrungen bei 


Verpflanzung gesunder Familien. in eine Endemie- 
gegend und umgekehrt. 

Beziehungen der. Thymus, der Wachstums- 
drüse des ersten Kindesalters, zum Hirnwachstum 
hatten wir schon kennen. gelernt. Aus den wich- 
tigen Experimenten von Basch, Matti, Klose, Vogt 
u. a. wissen wir, daß Thymusausfall in den ersten 
Lebenstagen beim Hunde zu spezifischer Körper- 
wachstümsstörung, ‘psychomotorischen Störungen, 
Steigerung der elektrischen Erregbarkeit, schlep- 
pendem breitspurigen Gang besonders der hinteren 
Extremitäten, Abnahme der Muskelkraft, Krämp- 
ten und zu schwerer Idiotie führt. Bezie- 
hungen .zur Idiotie beim Menschen zeigen’ sich in 
Untersuchungen. Bournevilles darin, daß eine grö- 
Bere Reihe schwachsinniger Kinder (in 75 v. H.) 
eine mangelhafte Entwicklung der Thymus aufwie- 
sen, und zwar besonders epileptische Idioten, Ge- 
nauere Erfahrungen am Menschen haben wir erst 
in neuerer Zeit aus den interessanten Mitteilungen 
Birchers. Bircher fand nach operativer Entfer- 
nung großer Teile der Thymus im Kindesalter auch 
die psychischen Funktionen .späterhin ungünstig 
beeinflußt. Nach dem siebenten bis achten Lebens- 
ıahr hatte die Operation sehr wenig Einfluß. Sonst 


ist die Idiotia thymica noch wenig aus dem Sam- 


melbegriff der Idiotie herausgearbeitet. Ich hatte bei 
der Untersuchung eines Falles den Eindruck, daß die 


214 


Erscheinungen am Menschen mit denen im Tier- 
experiment weitgehend übereinstimmen. Von der 
myxödematösen Idiotie ist die Idiotia thymica u.a. 
durch die ungestörte Sexualentwicklung unter- 
schieden. 

Die entwicklungsgeschichtlich zusammengehöri- 
een drei branchiogenen Organe, Schild- 
drüse, Thymus und die Epithelkörperchen bilden 
ein einheitliches Wachstumssystem, das besonders 
im Kindesalter für die Gesamtentwicklung ein- 
schließlich der Hirnbildung von ausschlaggebender 
Bedeutung ist. Diese zentrale Stellung in.den 
Wachstumsbedingungen der Kindheit macht es 


. wahrscheinlich, daß diesem System, abgesehen von 


den drei Hauptausfallstypen, der thyreogenen und 
tnymogenen Idiotie sowie der Spasmophilie noch 
weitere gemeinsame Beziehungen zur, Genese 
anderer Idiotieformen zukommt. Ich denke dabei 
an die rachitischen Idioten und andere Idiotien mit 
grcben Wachstumsstörungen. 

Die Genese eretischer Schwachsinnsiormen hat 
man weiterhin z. T. auch aus einer Aypophysen- 
störung zu erklären gesucht. Im Wachstumsalter 
beherrscht das branchiogene System die Gewebs- 
bildungen, z. B. die Knochenbildung, während die 
fıypophyse, wie wir noch sehen werden, mehr die 
Frtwicklunge der Körperproportionen reguliert. 

Auch für die Genese und Ausgestaltung: -der 
Idiotien mit exogener Ursache kom- 
men innersekretorische Organe als pathogenetische 
Z/wischenglieder in Betracht. So ist wieder in der 
letzten Zeit von Nonne auf die Beziehungen der 
kongenitalen Lues zu den Affektionen der Drüsen 
hingewiesen, Beziehungen, die besonders. auch 
durch die Untersuchungen Simmonds, Weyzandts 
u. a. bekannt geworden sind. Eine große Zahl von 
Infektionen führt weiter zu akuter Thyreoiditis und 
Störungen der Schilddrüsenfunktion, wie auch zu 
einer weitgehenden akzidentellen Involution der 
Thymus. | 

Wenig Bestie ist bisher die ner seereiorisei 
- Genese der charakteristischen mongoloiden 
 Ldiotie. Diese Theorie stützt sich im wesent- 
lichen auf gelegentliche Zeichen von Hypothyreo- 
 ‚dismus an den Bildungen ektodermalen Ursprunges. 
Die ‚Störung der Zahnbildung, die Linsentrübung 
sprechen - für eine  Epithelkörperchenbeteiligung. 
Dazu kommen Beobachtungen Stölzners, der in 
einigen Fällen eine Schilddrüseninsuffizienz der 
Mütter während der Schwangerschaft beob- 
achtete. Entsprechende tierexperimentelle- Studien 
(Lanz, Hoskins u. a.) haben bisher zu keiner Klä- 
rung dieser Frage geführt. Die Kombination der 
mongoloiden Idiotie mit. anderen Entwicklungs- 


~ 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


der gesamte Organismus körperlich und psychisd f 


»traktus:und der großen Stoffwechseldrüsen kommet d 


Korrelation zu sprechen kommen. 


-tischem, räsonierendem Wesen bei gute 


sexueller Erreebarkeit. 


[Nr. 33/34, | 


hemmungen resp. Degenerationszeichen u. a m 4 


sprechen für eine allgemeinere Entwicklungsstö-# 
rung infolge Anlageanomalie. Der psychische Be # 


fund gibt keine Anhaltspunkte für die Genese; tor & 
pide und eretische Formen kommen zur Beobach- ! 
tung, und zwar im früheren Alter anscheinend $ 
mehr torpide, im späteren mehr eretische Formen. | 
Besonderheiten der. Psychomotilität zeigen sich i 
darin, daß in der Literatur die Neigung dieser Idio- $ 
ten zu Rhytmus, Tanz und Musik wiederholt be" 
tont wird. Auch hier ließe sich vielleicht an die” f 
Beteiligung des ganzen branchiogenen Systems } 
denken. 

Anton reiht die mongoloide Idiotie in die Grunn | 
der generellen Infantilismen ein, die von diesen be 
sprochenen Störungen zum Teil nicht absolut ab- P 
grenzbar sind. Wir verstehen unter Infantia 
lismus eine Entwicklungsstörung, bei welche] 


die charakteristischen Züge der Kindheit behält] 
Anton betont neben der innersekretorischen Ge- 4 
nese- den oft vernachlässigten Wachstumseintlil $i 
des Gehirns, d. h. die primäre Funktionsstörung ds i 
Gehirns als Ursache des Infantilismus. Weiter f 
hebt Anton, die Wirkung ungünstiger Milieuver- l 
hältnisse, den Infantilismus als Kümmerform he 
vor. Auch Resorptionsstörungen des Magendarn- 4 


in Betracht. Dagegen ist es unzweckmäßig, hier 
Folgezustände innersekretorischer Krankheiten des i 
Kindesalters oder auch den Eunuchoidismus einzi i 
reihen. Dabei ist noch hervorzuheben, daß emigi 
Befunde an den innersekretorischen Organen selbst 
so an Thymus und Genitale, nicht ätiologisch ngi 
Betracht kommen, sondern lediglich auch Erschei È 
nungen der Unreife sind. Biedl hebt die Bedeir 
tung einer Hypophysenstörung für die Genese sg f 
Infantilismus hervor. 

Diesen Entwicklungshemmunger 
torischer Genese stehen andererseits die Bilder. der 
prämaturen Reife gegenüber. Diese brit- í 
gen uns wesentliche Aufschlüsse über die allge $ i 
meinen Entwicklungsbedingungen von Körper und | 
Seele. Doch können wir, um Wiederholungen ni l 
vermeiden, hierauf erst bei der Abhandlung der 1 


innersckte i 


Kurz hingewiesen sei hier noch auf die a chon 
droplastischen Zwerge! Diese sollen ge | 
legentlich charakteristische psychische Anomaliet | 
aufweisen, die diese Individuen zu Hofnarren ad 
eignet machten, hypomanischer Grundton mit spok 4 
fs mandli 
Intelligenz und gesteige! ier 1 


überwertiger D 
(Fortsetzung op 


mal 


Von Oberarzt Dr. 


Als die Taube mit dem ÖOlblatt zurückkehrte, 
74% vernahm Noah, „daß das Gewässer gefallen 
wire auf Erden”. Mancher moderne deutsche 
Fah von 1922, der nach der deutschen Sintflut von 
44 bis 1918 auf dem Ararat seiner fossilen Ge- 
Tlnkentrümmer in seiner Arche festsitzt, läßt zeit- 
i mä ab und zu einen Versuchsballon aufsteigen, 
fin zu ergründen, ob die übriggebliebene Mensch- 
1 heit für seine Ladenhüter aus Leben und Sitte nie- 
1 ngstehender barbarischer Völker inzwischen 
fer geworden ist. 
4 Hoche, der Freiburger Ordinarius für Psy- 
latrie, scheint zu glauben, daß wir soweit leider 
{och nicht sind. Binding hats ihm angetan, der 
i d Jurist, „mit dem Feuerkopf voll kühlscharfen Ver- 
findes”, dem die Fragen nach der Vernichtung 
Foensunwerten Lebens, nach Hoches Zeugnis, 
E asana eines von lebháftestem Verantwor- 
q msgefühl und tiefer Menschenliebe getragenen 
achdenkens gewesen sind.“ (Bind ng-Hoche: Die 
Eiane der Vernichtung lebensunwerten Lebens. 
Zläpzig 1920, Meiner.) 
4 Mit Bindings juristischen ` Thesen mögen sich 
Jiristen auseinandersetzen. Hier interessiert nur 
| tie Gruppe der Personen, die nach Binding besteht 
i {is den unheilbar Blödsinnigen — einerlei, ob sie 
10 geboren oder etwa wie die Paralytiker im letz- 
E Stadium ihres Leidens so geworden sind. 
‚Sie haben weder den Willen zu leben, noch zu 
E So gibt es ihrerseits keine beachtliche 
1 Finwiligung in die Tötung, andererseits stößt diese 
Aui keinen Lebenswillen, der gebrochen werden 
dilte, Ihr Leben ist absolut zwecklos, aber sie 
inpfinden es nicht als unerträglich. Für ihre 
Fetörigen wie für die Gesellschaft bilden sie eine 
Fitchtbar schwere Belastung. Ihr Tod reißt nicht 
qi geringste Lücke — außer vielleicht im Gefühl 
A Mutter oder der treuen Pileserin. Da sie gro- 
Bi Pier, bedürfen, geben sie Anlaß, daß ein Men- 
entsteht, der darin aufgeht, absolut 
fi nwertes Leben für Jahre und Jahrzehnte 

l Îristen, 

Daß darin eine furchtbare Widersinmickeit, ein 

O der Lebenskraft zu ihrer unwürdigen 
[iea enthalten ist, läßt sich nicht leugnen. 

? Wieder finde ich weder vom rechtlichen, noch 

Sozialen, noch vom sittlichen, noch vom reli- 
| sen. Standpunkt aus schlechterdings keinen 
3 die Tötung dieser Menschen, die das furcht- 
egenbild echter Menschen bilden und fast in 

Km Entsetzen erwecken, der ihnen begegnet, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


AI: 


215 


Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. 
Wauschkuhn, Berlin-Buch. 


freizugeben — natürlich nicht an jedermann! Zu 
Zeiten höherer Sittlichkeit — der unseren ist aller 


Heroismus verloren gegangen — würde man diese 


armen Menschen wohl amtlich von sich selbst er- 
lösen. Wer aber schwingt sich heute in unserer 
Entnervtheit zum Bekenntnis dieser Notwendig- 
keit als solcher Berechtigung auf?” 

Der irrtum der Freigabebehörde wiegt bei Bin- 
ding nicht schwer. „Nimmt man aber ‘auch den 
Irrtum einmal als bewiesen an, so zählte »die 
Menschheit jetzt ein Leben weniger. Dies Leben 
hätte vielleicht nach glücklicher: Überwindung der 
Katastrophe noch sehr kostbar werden können; 
meist aber wird es kaum über den mittleren Wert 
besessen haben. Für die Angehörigen wiegt natür- 
lich der Verlust sehr schwer. Aber die Menschheit 
verliert infolge Irrtums so viele Angehörige, dab 
einer mehr oder weniger wirklich kaum in die 
Wagschale fällt.” 

Nach diesen Kraftstellen, an die vielleicht Hoche 
dachte, als er Bindings tiefe Menschenliebe und 
lebhaftestes Verantwortungsgefühl rühmte, wollen 


wir zuvor noch Hoche, den zweiten Wegkünder I: 
„heroischer” ‚Lebensauffassung, zu Wort kommen 
lassen. \ 


Während Binding ganz allgemein und. unklar 
von „Geistesschwachen”, „unheilbar Blödsinnigen”, 
„Ldiotenanstalt’, „Vorstehern dieser Anstalten zur 
Pilege der Idioten” spricht, kann sich Hoche doch 
nicht. seiner Sachkenntnis entäußern und sieht 
sich genötigt, Bindings verwaschene Kategorie 
der „unheilbar 'Blödsinnigen” nach klinischen Ge- 
sichtspunkten zu gliedern. So gelangt Hoche natür- 
lich zu den angeborenen und zu den später er- 
worbenen Defektzuständen oder „Zuständen gei- 
stigen Todes”. Schließlich schrumpft bei Hoche 
auch noch die Gruppe der angeborenen Defekt- 
zustände zu Fällen von „Vollidiotie” auf Grund 
allerfrühester Veränderungen zusammen, welche 
nach seiner Ansicht am ehesten alle Voraussetzun- 
sen des vollständigen geistigen Todes erfüllen und 
deren Existenz am schwersten auf der Allgemein- 
heit lastet. 

Hoche schätzt die esanta der Idioten, die 
sich 1920 in deutschen Anstalten befanden, auf 
20 000 bis 30 000. 

Schließlich muß er zugeben, daß diese ge- 
schätzte Gesamtzahl der Idioten sich nicht deckt 
mit der Zahl der geistig völlig Toten. „Immer- 
hin werden (auf meine Rundfrage) doch 3000 bis 
4000 Fälle als solche bezeichnet, bei denen keiner- 


316 - PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT (Nr. 39 


lei geistiges Leben, kein Rapport zur Umgebung 
usw. zu finden ist.” 

Die billige Spielerei. der Berechnung des „un- 
geheuren Kapitals, das in Form von Nahrungsmit- 
teln, Kleidung und Heizung dem Nationalvermögen 
für einen unproduktiven Zweck entzogen wird”, 
hätte sich Hoche wirklich schenken können. 
Ähnliche, den Laien verblüffende Riesenge- 
winne für das deutsche Nationalvermögen lassen 


sich mit Leichtigkeit auf dem Papier erzielen beim 


Fortfall des Alkohol-, des Tabak-, des Konfitüren- 
konsums, oder der Geschlechtskrankheiten oder 
beim Verschwinden der Kosten für die Reglementie- 


rung der Prostitution; alles offenbar viel ergiebigere. 


Felder ‘der Betätigung für „echte Menschen” ‚mit 
heroischer Auffassung”, die aber natürlich an den 
Einzelnen größere Anforderungen stellen, als es die 
dumpfen Orakelsprüche Moches von seinen Gläu- 
biegen verlangen. Nachdem er für diese „Genera- 
tionen von Pflegsern neben diesen leeren Menschen- 
hülsen” ‚die geschmackvolle. Bezeichnung Ballast- 
existenzen gefunden ‘hat, kommen wir zu dem 
eigentlichen Kern der Bemerkungen Hoches, die so 
herzlich wenig mit Psychiatrie oder gar mit Rassen- 
hygiene zu schaffen haben. | 

„Die Frage, 6b der Tür diese Kategorien, von 
Ballastexistenzen notwendige Aufwand nach allen 
Richtungen hin gerechtfertigt ist, war in den ver- 
flossenen Zeiten des Wohlstandes nicht dringend; 
jetzt ist es anders geworden, und wir müssen uns 
ernstlich mit ihr beschäftigen. 

‚Unsere Lage ist wie die der Teilnehmer an einer 
schwierigen Expedition, bei der die größtmögliche 
Leistungsfähigkeit aller die unerläßliche . Voraus- 
setzung für das Gelingen der Unternehmung be- 
deutet und bei der kein Platz ist für halbe, Vier- 
tel- und Achtelkräfte. Unsere deutsche -Aufgabe 
wird für lange Zeit sein: eine bis zum höchsten 


gesteigerte Zusammenfassung aller Möglichkeiten, 


ein Freimachen jeder verfügbaren Leistungsfähig- 
keit für fördernde Zwecke.” | 
Welcher Art mögen wohl die Leser sein, an die 
Hoche dachte, als er die Lage des deutschen Vol- 
kes 1920 mit der von Expeditionsteilnehmern ver- 
glich, um ihnen die Entlastung von den „Ballast- 
existenzen der 3800 bis 4000: Vollidioten’”, seiner 
 Maximalstandardzahl zur Tötung, plausibel Zu 
machen? | 
Er a ihnen zwei Ancktöien auf, wohl in 
der Hoffnung, daß sie den Unterschied zu seiner 
„Expedition” des deutschen Volkes nicht merken. 
„Wir lesen mit tragischem Mitgefühl in Greelys 
Polarbericht, wie er genötigt ist, um die Lebens- 
wahrscheinlichkeit der. Teilnehmer zu erhöhen, 


- Tötung unheilbarer Geistesschwacher” in elf Part 
graphen, wie sichs gehört, seinen Platz gefunden. ” 


‚leicht auch „heroische Seelenstimmung” springt mit A % 


"hej yürdell 
heime, Volkshochschulen, ‘Waisenhäuser \ 


einen der Genossen, der sich an die Rationierung | 
nicht hielt und durch unerlaubtes Essen eine Ge f 
fahr für alle wurde, von hinten erschießen zu # 
lassen, da er ihnen allen an Körperkräften über. i 
legen geworden war; 1 

ein berechtigtes Mitleid überkommt uns, wenn, i 
wir lesen, wie Kapitän Scott und seine Begleiter # 
auf der Heimkehr vom Südpol im Interesse de#: 
Lebens der Übrigen schweigend das Opfer a I 
men, daß ein Teilnehmer freiwillig das Zelt a 
ließ, um draußen im Schnee zu erfrieren. | 

Ein kleiner Teil solcher heroischen Seelenstim $ 
mungen müßte uns beschieden sein, ehe wir an die, ; 
Verwirklichung der hier theoretisch erörterten 
Möglichkeiten herantreten können.” a 

Hoches Wunsch nähert sich inzwischen seiner 
Erfüllung. Ex oriente lux! Für dieses Mal aus 4 
Liegnitz. Stadtrat Borchardt konnte einen Gesetz í 
entwurf nicht länger zurückhalten. Natür f 
„zum Wohle iener armen Wesen, die weder dai 
Willen zu leben noch zu sterben haben, aber aui f 
zum Wohle der Volksgesamtheit, die ein Recht $ 


darauf hat, von diesem furchtbaren Gegenbild ech i 
1 


$: 
3 
| 
4, 
1 


ter Menschen erlöst zu werden”. 4 
In der „Deutschen Strafrechts-Zeitung” w24 
Heft 7-8 (Verlag Liebmann, Berlin, Potsdamu i 
Str. 96) hat nun sein „Gesetz über die Freigabe der? i 


: 
Borchardt kommt schneller zum Ziel, seime viel- 4 a 


a 


1 


den Begriffen nicht so zaghaft um wie Hoche. Er hält! 
sich an Bindings Gruppe der „unheilbar Blödsinn 
gen”, setzt sie kühn den „geistig Toten” Hoc 
gleich, so -daß er bald von den „unheilbar Blöt f 
sinnigen”, bald von „Idioten” redet Bald e 
41 700 „Blödsinnige”, die ihr Leben lang aus einet | | 
falschen Humanitätsgefühl heraus verpilegt wer í 
den, ohne ie etwas Produktives für die Gesamt- 
heit zu leisten, bald sind es: 15000 Idioten, die vi 
einem Pfilegesatz von 21 M täglich, im uf 
114 975 000 M, also rund 115 Millionen Mark kosten Jj 
Um so produktiver ist Borchardt. | 

Ohne Räuspern vor der Kultur gehts ati š 
auch bei ihm nicht. Alle die Wünsche, de ed: 
moderne Wohlfahrts- und Kulturpolitik schon langg À 
hest, die aber wegen Geldmangels nv ; 
sind, könnten verwirklicht werden, wenn WI ] 
Idiotenanstalten und die 115 Millionen Mark au 
lich freibekämen. Alters-, Kleinrentner-, E 


: 


3 


y 4 


erstehen.” 
Natürlich gibt Borchardt auch d 
Armenverband’ein Antragsrecht auf Freis?! 


em mustin 
abe 4% 


A Tötung und nicht nur den Angehörigen, denn „dic 
Aneisten Angehörigen würden sich aus falschem 
1 imanitätsgefühl scheuen, einen Antrag zu stellen, 
fi zumal, wenn sie er Pflege des Idioten nicht zu 


F i E kenn der Armenverband Aniaesteller ist, gibt 
char dt dem gesetzlichen Vertreter kein Wider- 
Ayrichsrecht, da ia absolut die Kosten gespart 
Ferden sollen. Der Freigabeausschuß wird bei 
dan Oberlandesgerichten gebildet und besteht aus 
foem Senatspräsidenten, einem Oberlandesge- 
| Bra! und drei Fachärzten, die von der medi- 
nischen Fakultät der im Bezirk des Oberlandes- 
ch: belegenen Universität gewählt werden. 
Mindestens einer der Fachärzte muß Mitglied der 
wählenden Fakultät sein. Der Beschluß darf auf 
Mirizane der Tötung nur lauten, wenn mehr als 
drei Mitglieder dafür stimmen. Der zuständige 
I Meisarzt vollzieht die Tötung auf Verlangen des 
Ailtragstellers.. Der Vollzug kann auf Verlangen 
Jis Antragstellers einem anderen Arzte übertragen 
a reden im Beisein des Kreisarztes. 

Die Tötung ist in sachkundiger Weie schmerz- 
I. zu vollziehen. Die Länder können Ausfüh- 
Ftingsvorschriften über die Art der Tötung- er- 
F hassen. Sie sind befugt, die den. Kreisärzten ob- 
í F legenden Befugnisse (also die Hinrichtung) auf 
fadere beamtete Ärzte oder auf Universitätsiehrer 
| i übertragen. 

i Der Antrag wird beim Vormundschaftsgericht 
| Engereicht, dem der behandelnde Arzt oder der 
Anstaltsarzt ein schriftliches Gutachten erstattet. 
it ein Gutachten weder von dem behandelnden 
Arzt noch von dem Anstaltsarzt zu erlangen, so 
| a der zuständige Kreisarzt zur Abgabe eines Gut- 
Acltens zu ersuchen. 

41 Man sieht, die Synthese von Arzt und Henker, 
EO den Professoren schwante und die der deut- 


t 3 
K 
TA 
$ 


f schen Kultur auf die Beine helfen soll, ist dem 
f ktischen Borchardt spielend geglückt. 
1 Sollte dieses Triumvirat Paul Eltzbacher („Der 


Bilschewismus und die deutsche Zukunft”, Diede- 
ichs, 1919) gekannt und aus seinen Blüten Honig 

sogen haben? Ich weiß es nicht; jedenfalls ktel- 
Fa alle miteinander um ihre Sonne Macchiavelli, 
dessen: Licht auch Eltzbachers Pfad erhellte. 


seht, darf nicht gefragt werden, ob gerecht oder 
 Mgerechit, mitleidsvoll oder grausam, Jobenswür- 
Fir Oder schmachbedeckt, Sondern alle RückSich- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


unsere Menschheitsbeglücker 


produktiv genug sind? 


Wo es um Sein oder Nichtsein der Heimat 


217 


ten müssen samt und sonders zurücktreten vor 


dem Entschluß, dem Vaterland das Leben zu ret- 


ten und die Freiheit zu erhalten.” 

Auf einen Menschen mehr oder weniger 
kommts nicht an — bei Binding. Aus Hoches 3000 
bis 4000 Todgeweihten werden bei Borchardt schon 
15000. Ja, schließlich ist auch Borchardt hierbei 
nicht schüchtern, da es ihm untunlich erscheint, in 
seinem Gesetz eine Begriffserklärung der „geistig 
Toten” oder „unheilbaren Geistesschwachen” zu 
geben. 

Das können dann die fünf Mitglieder des Freit 
gabeausschusses unter sich ausmachen. Hier zeigt 
sich Borchardts ganze Produktivität, die er bei 
(seisteskranken so sehr vermißt. Es wird dann 
nur noch von der Geschicklichkeit und Tüchtigkeit 
seiner Mordkommission abhängen, um die arm- 
seligen Ziffern Hoches — und Borchardts zu: Re- 
korden anschwellen zu lassen, vor denen auch die 
zahlengläubigen Laien endlich Respekt bekommen. 

Vielleicht ist es erlaubt zu fragen, wie lange 
"ihre Hinrichtungen 
mit Ärztlichem Henker nur auf Geisteskranke be- 
schränken werden? Wann werden sie entdecken, 
daß Kriegsbeschädigte, Arbeitsinvaliden, Blinde, 
Taubstumme, Tuberkulöse und Krebskranke nicht 
Dann vermutlich, wenn. 
humane Lehren von den medizinischen Fakultäten 
nicht mehr vertreten werden und die Humanmedi- 
zinstudierenden der deutschen Zukunft ihre Aus- 
bildung zur Kostenersparung an den tierärztlichen 
Hochschulen erhalten müssen.  Einstweilen mar- 
schiert der Nationalbolschewismus Eltzbachers mit 


Binding-Hoche-Borchardt unter dem Banner. „tie- 


fer Menschenliebe” ganz ‘im Sinne dieser. „heroi- 
schen Seelen anr echter Menschen” gegen die 


Wehrlosesten zuerst — gegen die Geisteskranken 
in -den öffentlichen Irren- und  Idiotenanstalten 
Deutschlands. | 


Sollte Borchardts Gesetzentwurf jemals zum 
Gesetz erhoben werden, dann wird der Aufenthalt 
für Geisteskranke, so wie Borchardt mit seinen 
Kautschukdefinitionen sie auffabt, in öffentlichen 
Irrenanstalten höchst lebensgefährlich werden. So 
mancher kann dann dort hingerichtet werden, der 
es sich vorher nicht träumen ließ. Die Öffentlichen 
Irrenanstalten würden dem dann erst verdienten 
Mißtrauen des Volkes mit Recht auf immer- ver- 
fallen sein. 


Oo (EEE 


218 


Gottesglaube und Sexualität. 


theol. et phil. Merschmann, kath. Anstaltspiarrer, 
Prov.-Heilanstalt Warstein. 


Von Dr. 
pfarrer, 


pD“ Artikel „Religiösität als physiologisches Pro- 
blem” von Dr. Paul Cohn. in: Nr. 23-24 dieser 
Wochenschrift gibt Veranlassung zu folgenden kur- 
zen Ausführungen. 

Abhandlungen über allgemeine Probleme der 
Religion und des Glaubens gehören unseres Erach- 
tens nicht in eine Fachschrift, die 
blatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens 
und der praktischen Psychiatrie” nennt, falls man 
nicht Glauben und Religiosität als eine Art Geistes- 
krankheit ansprechen will. Es will fast scheinen, 
als ob der Verfasser des genannten- Artikels dieses 
andeuten und damit die Berechtigung seiner Ab- 
handlung in einem Blatte für Irrenwesen dartun 
wollte, wenn er schreibt: „Die Religion der ver- 
ilossenen Menschheit ist so eine Art normaler 
Paranoia der Menschheit gewesen.” Jedenfalls 


werden die meisten Leser der Wochenschrift, mögen : 


sie sich persönlich zur Religion stellen wie sie wollen, 
mögen sie, um mit Dr. Cohn Zu reden, „die Über- 
fülle des religiös machenden Rauschstoffes noch in 
sich tragen” oder‘ nicht, nichts vermissen, wenn 
erundsätzliche Abhandlungen über das Problem der 
‚Religion, soweit sie nicht das- Gebiet. des lrren- 
wesens und der Psychiatrie berühren, den philo- 
sophischen bzw. theologischen Fachschriften und 
Fachgelehrten überlassen bleiben. | 
Nachdem aber der Artikel einmal Aufnahme ge- 
funden, erlauben wir uns zu den Ausführungen des 
Verfassers folgende grundsätzliche Bemerkungen, 
ohne an eine ‚weitere 
ohne auf einzelne unbewiesene Behauptungen und 
unberechtiete Folgerungen einzugehen, die, abge- 
sehen von den Resultaten der wissenschaftlichen 
Forschung, den Erfahrungstatsachen widersprechen 
und eher Kopfschütteln erregen, als Widerspruch 
‚herausiordern.. Wenn der Verfasser versucht, 
das religiöse Grundgefühl aus der sexuellen Liebes- 
inbrunst abzuleiten, so ist das gar nichts Neues und 
Originelles. Wer denkt da nicht sogleich an den 
Flexensabbat iener Anhänger der Freudschen 
Schule, die die Sexualität zum Angelpunkte des ge- 
samten psychischen Lebens machen. Mag auch 
die Methode von Freud einen gesunden Kern ent- 
halten, sie schießt jedenfalls weit über das Ziel: 
Bei seinen Anhängern aber hat man zuweilen den 
Eindruck einer Monomanie, die überall, auch in den 
einfachsten seelischen Geschehnissen sexuelle Un- 
tergründe wittert. Besonnene Fachmänner lehnen 
den Unfug ab. | : 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


sich „Sammel- 


Kontroverse zu denken und . 


INr. 33/ 34 | 


und Pastor Sinn, stellvertr. ev. ansats A 


Es muß merkwürdig anmuten, wenn mit dem 
Anspruch ernst genommen zu werden auf einmal ji 
eine : Deutung religiösen Erlebens auf Grundlagen | 
versucht wird, über die die Fachforschung längst 4 
zur Tagesordnung übergegangen ist. Die Re- T 
giösität als physiologisches Problem hinzustellen 7 
und den Gottesglauben als religiösen Akt aus sent 
ellen Vorgängen ableiten zu wollen, sollte eigent- : 
lich bei dem heutigen Stande der Religionsphäng-® 
menologie und Religionspsychologie nicht mehr, 
möglich sein. Denn es ist längst ein Selbstver y 
ständliches für Forscher so verschiedener Richtung $i 
wie James, Otto, Girgensohn, Scheler usw., um nu 1 
cie bedeutendsten zu nennen, dab im religiösen E 
Vorgang ein geistiger Gesamtlebensakt® 
(so Simmel, Girgensohn, Scheler) vorliegt, der weit. 4 
entfernt nur eine Sphäre psychiatrischer Ge 
richtetheit zu umspannen, von physiologischen Vor 4 
gängen ganz zu schweigen, vielmehr das Gesamt- 4 


leben in innerer und äußerer Anschauung trans 


zendiert (so Girgensohn und Scheler). Im rei $i 
eiösen Vorgang haben wir den Höhepunkt geistigen” k 
Verhaltens in Erkenntnis und Liebe (so Girgensohn“ 
und Scheler). Die Position aber rein sensualisi- 
scher Erklärung der Denkakte wie der höheren $ 
Gefühle ist durch die Arbeiten der Külpe-Schule” 
wie der Phänomenologen längst überholt, wied 
derum ganz zu schweigen von einer rein physiolo- $ 
gischen Erklärung, die in heutigen Forscherkreisel® 


aSa a 


> 
a en TEE 


St 

a 
a u an im ga RT ae Sn ee a nn EINEN N A A 
WEA a a A ee er N 


nur als seltsamer Atavismus belächelt werde $ 
dürfte. | 


Die Psychologie läßt sich nun einmal nicht 
in Physiologie auflösen. | 


Angesichts der ungeheuer komplizierten Ver i 
flechtungen von inneren seelischen Vorgängen und 
äußeren Phänomenen im religiösen Leben ist das : 
Problem doch nicht so einfach, wie es sich dem 
Verfasser darzustellen scheint. Unwillkürlich hält 3 
man inne und staunt, wenn man den Satz geiesell 4 ; 
hat: „In dem rauschgefüllten Zustand glaubt der 4 
Mann an das Weib, das der Rausch ihm vorzaubert: 4 

nach der Entleerung des rauschmachenden Stoffes f 
sieht er das Weib plötzlich schal, wirklich, &° $ 
nüchtert. Dieses einfache Schema ist die physio- 4 
DEISCHE Lösung des ganzen Problems des Glat- d 
bens.” Einfach ist das Schema allerdings, furchi 
bar einfach, aber leider viel zu einfach und leicht- 4 
fertig gemacht, als daß ein Problem, mit dem "a 
viele Köpfe und Herzen theoretisch und praktisch 3 
ernst und schwer gerungen haben, in diesem ein- l 


sirah 


Aars 


Fen Schema jemals auch nur annähernd seine 
f lösung finden könnte. Eine physiologische Lösung 
! Problems gibt es nicht, kann es nicht geben. 
Aimerkt sei noch, daß, wer religiöse Erlebnisse an- 
- derer richtig deuten und verstehen und analysieren 
i Wl, selbst religiöses Innenleben haben und zur 
Fechlichen Selbstbeobachtung geneigt und durch 


M 


| | — Reichsverband. Gebührenerhöhuneg. 

1. Der Reichstarif für das Versorgungswesen ist 
|; \ l. April 1922 erhöht (Veröffentlichung Nr. 37 des 
Alipziger Verbandes). Zu diesen erhöhten Gebühren 
Feten noch die jeweils für die Krankenkassen gültigen 
Fuerungszuschläge hinzu (im 3. Quartal 1922 : 225 v. H.) 
Bemerkenswert ist, daß mit der Gutachtengebühr 
Auch Nr. 15c und d nur die körperliche Untersuchung 
Aihregolten ist, die psychiatrisch-neurologische Unter- 
Fächung kann also nach Nr: 37a besonders  Nauidiert 
Ferden. 

4 2. Die Gebühren der preußischen Medizinalbeamten 
Pos. v. 14. Juli 1909), nach denen die preußischen Pro- 
j E e vor Gericht liquidieren müssen, sind durch 
flin -Erl. v.:18. Sept. 1922 mit Wirkung vom 1. Sept. 
p auf das 30fache der Friedenstaxe erhöht (also 
AB. Termin bis 2 Stunden: 180 M, Gutachten 300 bis 
PM usw.), Rein. 


7 — Aus dem 21. jahresbericht des Hilisvereins für 
f steskranke in der Rheinprovinz. Der Bericht, den 
fiir hiermit unseren Mitgliedern erstatten, schließt nicht 
Tarinstig ab; wiederum hat die Zahl der Mitglieder be- 
rächtlich zugenommen, und zwar um ungefähr 4000. 
A Leider ist uns ein Teil des Regierungsbezirks Trier an 
is Saargebiet verloren gegangen, den verbleibenden 
Heil haben wir, da die Anstalt Merzig im Saargebiet 
First, der für den Regierungsbezirk Coblenz bestimmten 
Hineigstelle, Anstalt Andernach, der auch die Aufnahmen 
ji Kranken aus dem Trierer Bezirk zuiließen, zugeteilt. 
Die Gesamtzahl der Mitglieder beläuft sich jetzt auf 
DW Die Summe der- laufenden Beiträge machte 
hio l2 M aus, rund 35500 M mehr als im Vorjahre; 
ZU meisten hatten sie zugenommen wiederum im Be- 
px Coblenz und im Bezirk ‚Düsseldorf. 
4 Dem Verein floß ein Vermächtnis in der Höhe von 
12000 M aus Aachen zu. Ein Ungenannter in Köln über- 
f vies dem Verein 650 M, ein Herr in Merzig 200 M, ein 
peren durch die Anstalt Merzig 121 M. 
, An Unterstützungen wurde eine um 15 303,20 M grö- 
Kre, Summe als im J ahre 1920, im Ganzen 40280 M aus- 
fever | 
Die Kasse und Kassenbücher wurden in dankens- 
= Weise von Herrn Rentmeister Weck in Diüssel- 
"Grafenberg revidiert. 
Das Ehrenmitglied unseres Vereins, Herr Wirkl. 


1 ih berregierungsrat Regierungspräsident a. D. Dr. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


und 
Geisteskranke beraten wurde. 


219 


Fachstudien befähigt sein muß. 
sultat Phantasie und Dichtung: 

Wir können dem Verfasser nur ein eingehendes 
Studium vorab Girgensohns (Der seelische Aufbau 
des religiösen Erlebens, 1921) und der Schriften 
Schelers empfehlen, wenngleich wir nicht behaup- 
ten wollen, dab beide allweg genügen. 


Sonst ist das Re- 


tteilungen. 


von Renvers zählt, da er das Amt des Landeshaupt- 
manns der Rheinprovinz niedergelegt hat, satzunzsge- 
mäß nicht mehr zu unseren Ausschußmitgliedern. An 
seine Stelle ist Herr Landeshauptmann Dr. Horion ge- 
treten. Als Nachfolger des verstorbenen Herrn Weih- 
bischofs Dr. Müller gehört ietzt Herr Weihbischof Dr, 
Lansberg als Mitglied von Amts wegen dem Ausschuß 
an. | | 

Herr Kaplan 
seines Wohnsitzes 


Oberlender schied durch Verlegen 
in einen anderen Regierungsbezirk 


=- aus dem Vorstand aus, als sein Nachfolger wurde Herr 


Kaplan Engels in Aachen vom Vorstand gewählt; weiter 
wurde noch gewählt Herr Schriftleiter Dr. Franz Ziegler 
in Remscheid. 


Während der Drucklegung dieses Berichts trifft uns 
die erschütternde Nachricht von dem plötzlichen Hin- 


scheiden des Direktors der Provinzial-Heil- und Pflege- 
anstalt in Düren, des Herrn Sanitätsrats Dr. Deiters, 
der von 1905 bis 1917 Schriftführer unseres Vereins war 
und auch später regelmäßig, zuletzt noch wenige Tage 
vor seinem Tode, an den Ausschußsitzungen teilnahm. 
Ein dankbäares. Andenken wird ihm in unserem Verein 
erhalten bleiben. 


Aus dem Vorstand schied Herr Oberarzt Dr.. Wiehl 
durch seine Ernennung zum Landesmedizinalrat bei der 
Provinzialverwaltung in Düsseldorf als Schriftführer 
aus. Herr Oberarzt Dr. Geller trat dem Vorstande bei. 


An Stelle des an eine andere Anstalt versetzten 
Verwaltungsinspektors Herrn Köller wurde sein Nach- 
folger an der: Anstalt Grafenberg, Herr Verwaltungsin- 
spektor Latzel satzungsgemäß Vorstandsmitglied und 
Rechnungsführer. 


Am 10. März 1921 fand in Bonn die VI. Hauptver- 
sammlung statt, in der häuptsächlich über die Errich- 


- tung neuer Fürsorgestellen und über Richtlinien für das 


Zusammenarbeiten des Vereins mit den an den Wohl- 
fahrtsämtern in mehreren Städten bereits eingerichteten 
in: weiteren Orten geplanten Fürsorgestellen für 
| Es folgte dann noch ein 
Vortrag des Vorsitzenden: „Über die Krankenbewegung 
in den rheinischen Provinzial-HMeil- und Pflegeanstalten 
während des Krieges.” i 


Düsseldori-Grafenberg, im Juni 1922. 


Prof. Dr. Peretti. San.-Rat Dr. 
Dr. Geller. Latzel. 


gez:: Schröder. 


zn N Pa E 
\ a a 


f 


ER 


220 


— Psychoanalytisches. 


„Wir wissen von Freud,') daß der Kotverlust, als 
Verlust eines lustspendenden Körperteils, eine der frühe- 
eine geeignete Darstel- 


sten narzißtischen Kränkungen, 
lung der Kastration bilden kann.” 

Aus: Dr. Franz Alexander, Berlin, Kastrations- 
komplex und Charakter. (Eine Untersuchung über pas- 
sagere Symptome.) Internationale Zeitschrift für Psy- 
choanalyse. Offizielles Organ der Internationalen Psy- 
choanalytischen Vereinigung 1922-VIll, Heft 2 S. 

Zu Prinzhorn, Der Psychiater 
lyse. (Zentralblatt f. d. ges. Neurologie u. 
Bd. XXX Heft 3-4. Eigenbericht.) 

Wenn Hoche 1910 in Baden-Baden die Psychoana- 
lyse als eine vorübergehende „Seuche, ärztliche 
Taumelbewegung” dargestellt hat, so, haben ihm die 
inzwischen vergangenen zwölf Jahre Recht gegeben. 
Hoches Angriffe waren selbstverständlich gegen. dogma- 


Psych. 


tische Einseitiekeiten pseudowissenschaftlicher psycho- 
analytischer Deutekunst gerichtet. — Weder einem 


- Forscher wie Hoche, noch irgendeinem andern Psychia- 
ter wird es einfallen, praktisch-therapeutische wie all- 
semeinpsychologische: Gewinne der psychoanalytischen 
Forschung abzusprechen. — 

' Wir Psychiater brauchen uns nicht zu sorgen, in 

- dieser Sache die Führung zu verlieren, vorausgesetzt, 
daß wir auch hier Wirklichkeitsforscher bleiben und 
nicht Dichterphantasten den kang siueilig:, Zu machen 
suchen. — Ä 
Gegen Auswüchse teteterer Art dürfen wir uns 
allerdines nicht mit der „Rolle eines Polizisten” begnü- 
sen. Hier soll allein der Spötter mit seinen „albernen 
"Tiraden” das Wort haben. 


Schmitz, Oberneuland-Bremen. 


Zu dem Eigenbericht des Vortrages: Prinzhorn: Der 
Psychiater und die Psychoanalyse (Zentralbl. f. d. ges. 


Neurologie u. Psych. Bd. XXX Heft 3-4 S. 144) einige 
Worte: 
Es ist noch immer kein gutes Zeichen für den 


wissenschaftlichen Wert einer neuen Richtung gewesen, 
wenn diese, bei der eigenen Zunft zu vier Fünfteln in 
mehr oder weniger deutlicher Weise abgelehnt, bei den 
Nachbardisziplinen oder gar in Laienkreisen Anerken- 
nung und Unterschlupf suchen will. Auch ärgerliche 
„Tiraden”, Schimpfworte und überhebliche Anpreisun- 
gen helfen nun einmal über die Tatsache der bis jetzt 


fast allgemeinen Zurückweisung der Psychoanalyse in 


den streng prüfenden psychiatrischen Kreisen nicht 


hinweg, 


t) Freud, Über Triebe und Triebumsetzungen. 
Sammlung kleiner Schriften‘ zur Neurosenlehre. IV. 
Folge. Ferner Freud, Die Geschichte einer infantilen 
Neurose. Ebenda. | 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


. x E 
r m W i 
jr u 
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132. - 


und die Psychoana- 


| INr. 33134 i 


Der Eigenbericht gesteht zu, daß in der ganzen i 
Medizin ein stärkeres Verlangen zu spüren ist, sich derdi 
seelischen Zusammenhänge jetzt mehr anzunehmen als f 
vordem. Und hierin kann man gewiß der Psychoanalyse f 
auch das Verdienst zubilligen, ihrerseits Anregungen {i 
und Antriebe wesentlicher Art beigetragen zu haben i 
Die „psychiatrische Klinik” war vielleicht etwas allzu 4 
einseitig geworden in ihren bloßen Beobachtungen, Fest- #4 
stellungen und Registrirungen der Krankheitsersche- 4 
nungen an sich. Es ging damit, um im Gedankengange #1} 
des Eigenberichtes zu bleiben, etwa so, wie auf den ) 
Geistesgebieten der: Literatur und Kunst und der Wis fi 
senschaft überhaupt. Rein sachliches Erfassen und mög- Fi 


dann zum Impressionismus führte. | 
immer und überall, der Rückschlag im das andere Ex 
trem: Die Darstellung des rein Seelischen und. Geistigen $ 


die Betonung des Ausdrucks, der Expressionismus. Und“ y 
wie dieser zu den ünsinnigsten Einseitigkeiten, zu lag 
rungen und Wirrungen verschrobenster Art führte und i) 
gerade auch im Sexuellen das Unerhörteste fertig bekam f 
so fand sich auf psychiatrischem Gebiete in den Aus Í 
wüchsen- der Psychoanalyse mit ihrem Zerhacken der g 
Empfindungsvorgänge und mit ihren symbolistischen 4 
Schamlosigkeiten ein analoges Gegenstück — beides I 
aber von sich als einzig gültiger „öffentlicher Ange E 
legenheit” und „intuitiver Wahrhaftigkeit” überzeugt I 

Nun, der Expressionismus baut langsam ab, und 0 E 
wird wohl auch der Übereifer der Psychoanalyse, in der $ 


Psychiatrie wenigstens, allmählich zum Abstoppell : 
kommen. SS RU 2 

Gruppe 3 der „Verhaltungsweisen” des Eigene 
richtes.) | Dr. Kluge, Potsdam. "F° 


ee X 

Bemerkung zu dem Eigenbericht Prinzhorns über $ 
seinen Vortrag: Der Psychiater und die Psychoanalyse 1 
Baden-Baden am 27. Mai 1922, Zentralbl. f. d. ges. Ne A 
rologie u. Psych. XXX Heft 3-4 S. 144. i 
Die meine Stellung zu den Auswüchsen. der Psych I 
analyse betreffende Wendung in diesem Eigenbericht i 
konnte mich nicht treffen und macht mich nur Jächelt. $ 
Da ich vor 1892 ab Referent beim Neurologist 
Zentralblatt war, worin am 1. Januar 1893 die Verötfenk 
lichung von Breuer und Freud erfolgte, die den AW 4 
gang dessen bildete, was zur Psychoanalyse im weitere! 
Sinne wurde (in jener Veröffentlichung sind auch = ; 
Vorläufer aufgeführt); da ich schon 1896 in der N } 
des Neurol. Zentralbl. vom ł. November in meinem A 
satz: „Beitrag zur Lehre von der Maladie des Tics i 
vulsifs” eine Erklärung dieser Ausdrucksstöruns e 
suchte, die Bezug nahm auf die Theorie von Be i 
und Freud; schon 1897 in der Allgem. Zeitschr. I. e i 
chiatrie Bd. 53 S. 335 in meinem „Kulturhistorischt 2 i 
Beitrag zur Hysterie” an dem darin mitgeteilten Fall A N 
eine Art Selbstkonversion im Sinne Breuers und s1 1 
hinwies:; ferner in der Zeit von etwa 1896 bis 1898 r | 
Journal of Mental Science über diese Theorie berichte 


ii 
ne - 


ra m DS Thu Mae > 
We aa ee ne een - 2 


u 


#dlich, mir seither die Mehrzahl der Arbeiten auf dem 
Fhebiet der Psychoanalyse zugänglich waren und ich 
. en Teil selbst besprochen habe, so bin ich 'in der 
$ licklichen Lage, nachweisen zu können, daß ich nicht 
Ahr die Entstehung dieser Lehre miterleben, sondern 
¥ ire Entwicklung von Anfang an unter besonders gün- 
f stigen und erleichternden Umständen begleiten und mir 
Fien ziemlich weitreichenden Rück- und Überblick er- 
rben durfte, so daß ich zu obigem Lächeln ob Prinz- 
Wms Wendung einigen beruhigenden Grund habe, so 
fair ich über das sanfte Entschweben der Theorie in 
fs selige Gefilde der Naturphilosophie einerseits, in die 
Fillerischen Höhen des Pananismus andererseits trauere. 
Fb ich dabei immer nach Kräften bemüht war, fest- 
@ustellen, ob bei meinen Geisteskranken die Lehren der 
W Bychoanalyse, wie sie ist, anzuwenden seien, dafür 
Fuh ich freilich bitten, sich mit der bloßen Versiche- 
g fing. zu begnügen. Was die Heilerfolge der Psychoana- 
i dse anbelangt — und damit die Behauptung, 
ete eine öffentliche Angelegenheit geworden —, so 
1 Sollte die Spanne von nunmehr 30 Jahren wirklich groß 
4 enug sein, um ein Urteil. zu gestatten. :Die meisten 
j Bychoanalytiker übersehen — trotz der tieferen Seelen- 
E die sie zu N W ähnen — ‚ die ee Tat- 


sie sel 


A edssn air Pacien läßt, das sich 
4 licht aus der Welt schaffen läßt, das sich nicht restlos ent- 
| men läßt wie die Kreide von der Tafel; denn es ist 
F bst die Tafel. J. Bresler. 


Referate. 


E — Gibt es heute noch eine Kriegsneurose? | 
Satistische Untersuchung. Von Heinrich Bickel, 
f Bulle, Dtsch. Zeitschr. f. Nervenheilk. 1922 Bd. 74 
18.206 bis 219. 
sammeniass sung des 


i~ 


Wesentlichsten: 


El. Statistische Untersuchungen ergeben, daß die 
nktionellen Neurosen (Neurasthenie, Hysterie, Psycho- 
i Mathie) nach dem Krieg unter den Studenten nicht häufi- 
ser u als vor dem Krieg. 
2 Trotzdem führen 41 v.‘H: der-vom Verf. unter- 
chen funktionell nervösen Studenten in gutem Glau- 
ben, aber: irrtumlich ihre Nervosität bzw. deren Ver- 
E ean auf den Kriegsdienst zurück. Rentenan- 
irge wegen Kriegsdienstbeschädigung wurden von die- 


‚sen Studenten nicht gestellt, weil Rentenbegehrungs- - 


stellungen offenbär fehlten! 

3 Die Aufnahmeziffern der Bonner Nervenklinik an 
tıktionell Nervösen, und ‘zwar Nichtkriegsneurotikern, 
e nach dem Krieg eine unbedeutende, nicht sicher 
U verwertende Abnahme im Vergleich zur Vorkriegs- 
= Die Kriegsneurotiker bilden demnach zahlenmäßig 
Ne besondere Kategorie von  Neurotikern, die sich 


 Muptsächlich aus den niederen Schichten der Bevölke- 
ung. Tekrutiert. 


R a 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Verwertung 
‚noch ganz unklar ist. | 


Bine.: 


4. Die Parallele der Untersuchungen an den Studen- 
ten zeigt, daß bei Fehlen von Rentenbegehrungsvorstel- 
&ængcn die oben genannten funktionellen Neurosen allge- 
mein infolge des Krieges nicht zugenommen haben wür- 
den. Eine „Kriegsneurose’” in des Wortes eigentlicher 
Bedeutung gibt es heute so gut wie nicht mehr. Die 
heutige „Nachkriegsneurose” ist vielmehr meistens eine 
Militärrentenneurose, und Dienstbeschädigung ist für 
solche abzulehnen. Einige der sog. Kriegsneurotiker 
sind Psychopathen oder endogen Nervöse und führen, 
ähnlich wie die Studenten, ihre Nervosität bzw. deren 
Verschlimmerung: in gutem Glauben, aber irrtümlich auf 
den Kriegsdienst zurück. Die große Mehrheit der sog. 
Kıiegsneurotiker lassen sich jedoch zu ihrem Antrag auf 
Militärversorgung nicht. durch Krankheit, sondern aus- 
schließlich ` durch Rentenbegehrungsvorstellungen be- 
stimmen und geben damit in der Regel einer moralischen 
Minderwertigkeit Ausdruck. (Selbstbericht.) 


— Untersuchungen an sexuell Abnormen (Klinisches 
und Forensisches). Von Hübner, Bonn. Vortrag, 
gehalten in der Abt. 23, Psychiatrie und’ Neurologie, der 
Jahresversammlung der Gesellschaft Deutscher Natur- 
forscher und Ärzte, Leipzig, 17. bis 24. September 1922. 

l. Angeregt durch die Befunde Steinachs u. a. ist 
erneut die Frage der strafrechtlichen Zurechnungsfähig- 
keit Homosexueller aufgeworfen worden. 

Vortr. warnt eindringlich vor der gerichtsärztlichen 
dieser Befunde, :deren Deutung vorerst 


>. Der in geriehtlichen Gutachten häufig yagen 
Ausdruck „krankhafit” "gesteigerte Ge- 
schlechtstrieb ’-bedari präziserer a Von 
einer krankhaften Steigerung Kann man nur ausnahms- 
weise, nämlich dann sprechen, wenn die Grenze des 
Üblichen weit überschritten ist, bei älteren Personen 
z. B. dann, wenn sich das Geschlechtsbedürfnis noch 
täglich regt, oder wenn die sonstige Lebensführung be- 
weist, daß das Denken und Handeln des Inkulpaten. von 
sexuellen Dingen ganz beherrscht wird (Korrespondenz, 
Betätigung in Vereinen usw. aus sexuellen Motiven). 
Wenn sich im Leben eines Menschen Phasen relativer 
Zurückhaltung und Solche starker sinnlicher Erregung 
abgrenzen lassen, so sind die letzteren meist Äußerun- 
gen einer krankhaften Steigerung des Triebes (zirkuläres 
Irresein!). 

Von krankhafter Steigerung kann man ’auch dann 
sprechen, wenn entweder die. Auslösung des Orgasmus 
eine ungewöhnlich leichte ist oder wenn. der Orgasmus 


von Komplikationen begleitet ist (reaktive Anfälle, Zit- 


tererscheinungen, Bewußtseinstrübungen), 


3. © Der‘. Begriff... des  unwiderstehlichen 
Zwanges ist durch unberechtigte Erweiterung voll- 
kommen verwässert worden. - Berechtigt ist er in fol- 
senden Fällen: | 


a) Wenn: Einzelhandlungen—den Charakter des 
Zwanges im Sinne von Bumke tragen. 
‘b) Es gibt Serienhandlungen, denen Apene 


vorausgeht, der Täter kämpft gegen einen Zwang an, 


222 


‚erliegt ihm schließlich und hat hinterher für kurze Zeit 
das Gefühl der Befreiung. 

c) Einzelhandlungen entspringen mitunter aus echtefi 
Phobien. 

Die drei genannten Gruppen zeigen bei klinischer 
‚Untersuchung sämtlich psychopathische Symptome, ins- 
besondere tritt die nahe Beziehung zur manisch-depres- 
siven Anlage deutlich hervor. 

d) Bei einer weiteren Gruppe von 
Frauen, die serienweise Diebstähle zwecks 
des. Orgasmus begehen, läßt Vortr. 
echter Zwang oder eine Bewußtseinstrübung 
offen. 


hysterischen 
Auslösung 


vorliegt, 


Forensisch will er diese Fälle unter dem Gesichts- 
punkt der Tatbestandsmäßigkeit betrachtet wissen, d. h. 
es liegt meist keine Unzurechnungsfähigkeit vor und der 
Tatbestand des Diebstahls ist erst dann gegeben, wenn 
die Täter die entwendeten Gegenstände nach Abklingen 
des Orgasmus behalten. 

e) Sicher nicht in das Gebiet des unwiderstehlichen 
Zwanges. gehören die Delikte der meisten Imbezillen, 
Senilen, Epileptiker und mancher Hysteriker. Ferner 
die Massendelikte mancher Hypomanischer und die in 
bestimmten, häufig vorkommenden Situationen mit ge- 
schlechtlichen Handlungen reagierenden Neurotiker. 


Daß auch in dem Leben dieser Persönlichkeiten das 
Geschlechtsleben eine große Rolle spielen kann (Grün- 
dung von Jusendorganisationen, literarischen Zirkeln 
usw. zwecks Gewinnung von geeigneten Partnern Tür 
ihre sexuellen Neigungen), ist forensisch wichtig. Trotz 
des fehlenden Zwanges ist bei den -ausgeprägtesten Fäl- 
len die freie Willensbestimmung als ausgeschlossen an- 
zusehen. ie 


3. Es ist notwendig, die ‚sexuell Abnormen nach 
verschiedenen Richtungen hin genauer zu studieren. 

a) Die Erblichkeitsforschung hat H. zwei 
wichtige Erscheinungen gezeigt, nämlich erstens, dab 
da, wo bei Aszendent und Deszendent die gleichen ge- 
schlechtlichen Abweichungen vorkommen, die Störung 
des Nachkommen oft erst durch exogene Faktoren her- 
vorgelockt wird. H.-hat ferner festgestellt, daß die An- 
lage beim Deszendenten sich relativ selbständig weiter- 
entwickelt. 


b) Untersuchungen über konstitution elle 
Fragen haben bei einem bestimmten Typ Frauen den 


Er = Vortr. an die Möglichkeit denken lassen, daß da zwi- 


schen- Entwicklung der Sexualsphäre, Körperbau und 


"psychischen Eigenschaften gewisse Beziehungen be- 


stehen. Es handelt sich um spät menstruierte und spät 
ins Klimakterium. kommende, schwarzhaarige, spät er- 
‚grauende Frauen, deren Geschlechtsempfinden sich spät 
entwickelt. Im Körperbau Gelbsterntypus mit geringer 
Nachreife. = 


c) Bei den endokrinen Störungen in der 


Sexualsphäre weist H. kurz auf die beim Basedow vor- 


kommenden. hin. ‚(Eigenbericht.) 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‘von Friedrich 


die Frage, ob ein 


für diese Theorie trifft der Ausspruch nicht zu. 


Buchbesprechungen. 


— THI1aas, Dr. Willi, Privatdozent an der Universi- F 
tät Köln: Kraft und Erscheinung. _Grundriß einer ; 
Dynamik des Psychischen. 112 S. Bonn 1922, Verlag $ 
Cohen. Geh. 60,00 M, geb. 85.00 M #4 

„Die Kraft bezieht sich im Psychischen wie überall ; 
auf eine prinzipiell von der Wahrnehmung des Subiekts ° i 
unabhängige Wirklichkeit, die wohlbekannt oder wenig" $ 
stens kennk“* a den Wahrnehmungen liegt, aber mit 4. 


ihnen nicht zusammenfällt” (S. 8). Dieser „Ausgangs I, 
punkt” für eine Dynamik des Psychischen ist leider dr $ 
Irrtum. Diese Kraft ist gar nicht getrennt von dr 


Wahrnehmung derselben durch das Subiekt. F 
In etwas mystisch an- und zumutender Weise wer 7 
den drei „Reiche? aufgezeigt. 1. Das Reich der Herr- | 
schaft der Kraft: gleiche Kräfte, ungleiche Erscheinu-) l 
gen. 2. Das Reich der Herrschaft der Erscheinuigis 
gleiche Erscheinungen, ungleiche Kräfte. - Hier „triun A 
phiert die Erscheinung”. „Die Erscheinung sucht sich 
zu festigen und setzt gegen den Ansturm der Kraft ihre 
Gleichheit durch.” Die Kraft nimmt ab. 3. Das Reich 
der Gleichheit von Kraft und Erscheinung. Hier ist der 
Widerstreit von Kraft und Erscheinung überwunden. | 
H. läßt es dahingestellt, ob dieses dritte Reich 4 N, 
„schlechthin identisch ist mit dem Religiösen oder ob es fy 
auch außerhalb der Religion sich. verwirklichen kann und ai 
wird”. „Aber das freilich ist gewiß, dab die seelische 4 a 
Umgestaltung, auf die die Religion abzielt, und ihre Ki 
subjektive Grundlage, sofern sie sich erfüllt, in nichts” ' 
anderem-besteht als-in der Überwindung des Zwiespalts 
zwischen Kraft und Erscheinung.” In 
JN 
' 


è 


Aber, wie bemerkt, dies „Gesetz” beruht auf einem 
argen Konstruktionsfehler dieser Kos b 
chologie’”; so nennt H. seine Theorie. 

Der „Kraft? und der ‚„Erscheinung” werden I st k 
anthropomorphe, persönliche Eigenschaften und Tätis- A 3 
keiten zugeschrieben und es entstehen Illustrationen, > 3 l 
aber keine Erkenntnisse. „Vorstellungen, Empfindungen $ 
Lust- und Unlustgefühle sind nicht das lebendige, Witi- ” 
liche Psychische” (S. 101). Mit solcher Seelkunde ist T 
nichts anzufangen; das ist überhaupt keine Psychologie 

H. setzt über sein Vorwort den Ausspruch 'Heraklits: 
„Aus Seele stammt sich selbst mehrender Geist.” Aber f 


H.s Schrift ist für den Psychiater lesenswert, weil i 
man darin sieht, wie man-mit einem Schein formaler f 
Logik über die größten Schwierigkeiten glatt hinwes i 
kommt, aber eben nur darüber hinweg, nicht hindurch 1 $ 
und die Schwierigkeiten bleiben. ; 

=- Verf. sagt im Vorwort, daß im ansehen ein tiete, 4 
Widerspruch sei, um dessen Lösung es sich handle. Ein F 
müder Traum der „Erlösung” zieht sich auch durcli g 
dieses Buch. Bresle. f 

— Wlassak, Dr. Rudolf: Grundriß der = | 
frage. 108 S. Mit 2 Abb. Leipzig 1922, Verlag YH # 
S. Hirzel. Geh. 60,00 M. 2 


Nach einer kurzen Pause, deren ‘Vater 
war, wird wieder weiter getrunken, und trotz des 


der zwi i 


j 
ee 


M i Aikonolismusforschers sehr zengenah Sie gibt 
Alıskunft über die physiologischen Wirkungen des Alko- 
As, den Einfluß des Alkoholismus auf Erkrankungen 
, md Todesfälle, die alkoholischen Geistesstörungen, 
Alkoholismus und Nachkommenschaft, Alkohol und Ver- 
Ahrechen, den Verbrauch der geistigen Getränke, die 
a Wzialen Bedingungen des Alkoholismus, die Alkohol- 
1 daden als Massenerscheinung und behandelt sehr aus- 
firich die Bekämpfung des Alkoholismus. Ein 240 
i Nummern umfassendes Literaturverzeichnis ist beigefügt. 
; Die Veröffentlichung wird großen Nutzen stiften. 

7 Baudouin, Charles, Professor am Institut 
E Rousseau und Dozent an der Philosophischen 
F Rkultät in Genf: Suggestion und Autosuggestion. Psy- 
| Anlogisch- pädagogische Untersuchung auf Grund der 
fioe der neuen Schule von Nancy. Autorisierte 
en aus dem Französischen von Paul Amann. 
Ms. Dresden 1922, Sibyllen-Verlag. Ä 
- Dem Rezensionsexemplar liegt ein blauer mit fol- 
Finden Worten bedruckter Zettel bei: Graf Hermann 
Fieserling nennt»das Werk „das praktisch wichtigste 
| nm allen psychologischen Büchern, das darum schleu- 
fis ins Deutsche übersetzt werden und in die weite- 
Zen Kreise dringen sollte”. Ich bin nicht dieser An- 


j Vobei das Unterbewußte uns. näher 
Pocher auf unseren Anruf antwortet (S. 145), mag für 
Anuchen angebracht und nützlich sein, aber etwas 
Jußerordentliches und Neuartiges liegt darin wohl nicht. 
| fire große Rolle spielt das „Gesetz der das Gegenteil 
4 wirkenden Anstrengung” (S. 127), womit Coué angeb- 
ih die Ansätze zu einer wahren Umwälzung in der 
Beherrschung unserer Seelentätigkeit OPRAN habe 
ES. 133). 

M Cornelius, eneraláizit a D-Dr: Ar, Leiter 
fir der Charité angegliederten Lehranstalt für Nerven- 
Nuktmassage: Peripherie und Zentrum. Zyklus in sich 


fen Leiden. 58 S. Leipzig 1922, Verlag von Georg 
[one Geh. 36,00 M. 

Die vom Verf. eingeführte Nervenpunktmassage, eine 
jm ihm als Lebensaufgabe aufgefaßte Behandlungsart, 
h "zu einem festen und starken Zweig der ärztlichen 
\üst geworden. Der größte Teil der in der Nerven- 
Piktbehandtung ausgebildeten Ärzte hat sich in dem 
ein der Ärzte für Nervenmassage zusammengeschlos- 
Is. Die im vorliegenden Buche zusammengefaßten Vor- 
e Sind in diesem Verein gehalten worden. In der 
| “annten Poliklinik wurden bisher — April 1922 — 
6326 Kranke mit 241907 Nervenpunktmassagen be- 
[ic C. macht auf die Gefahr aufmerksam, daß sich 
y Ärzte diese Behandlungsmethode durch Laien- 


3 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Fit; die Anleitung zu Sammlung und Konzentration, 
rückt und uns. 


Äirsschtossener Vorträge über die sogenannten ner- 


ar E ; } > 
eo entwinden lassen, wenn sie nicht noch mehr 


223 


als bisher von Ärzten angewendet wird. In Zeitungen 
und populären Schriften wird sehr vielfach Nerven- 
massage von Laien angekündigt, oft geradezu als Cor- 
neliusmassage. Diese zu geringe Beachtung der Ner- 
venpunktmassage seitens der Ärzte hat nach C. den 
Grund darin, daß der Anteil der peripheren Nerven bei 
der Beurteilung und Behandlung der in Frage kom- 
menden Krankheiten unterschätzt wird, der Anteil, der 
auch im Zentrum seinen Widerhall findet, hier. aber auch 
entlastend wirkt. Mögen C.s Ratschläge möglichst von 
vielen Nervenärzten und Ärzten überhaupt beherzigt 
oder. wenigstens geprüft werden. | 


Therapeutisches. 


— Zür Verwendbarkeit diagnostischer Tuberkuiine. 
Von Dr. E. Diehl, Kinderkrankenhaus, Karlsruhe: 
Münch. med. Wochenschr. 1921 Nr: 43. 

Verfasser sieht in dem Diaznostischen Tuberkulin 
nach Moro ein Mittel, welches „die sichere Gewähr 
eines wirklich zuverlässigen, unverdünnten, unter staat- 
licher oder besser noch unter klinischer Prüfung stehen- 
den Präparates’” bietet. Unter dem 221 Fälle umfassen- 
den Versuchsmaterial erlebte er nicht nur nie einen Ver- 
sager des Moroschen Tuberkulins bei den Kindern, bei 
denen Höchster Alttuberkulin positiv war, sondern salı 
auch in weiteren Fällen Differenzen, die das Moro- 
sche Tuberkulin „gelegentlich als überlegen” erscheinen 
lassen. -Auch die Stärke der- ‚Reaktion fällt bei dem . 
Moroschen Tuberkulin nicht eanz selten intensiver 
aus, so daß manches sonst wohl als zweifelhaft bezeich- 
nete Ergebnis schon bei der ersten Prüfung einwandfrei 
als positiv angesprochen werden konnte. Ebenso tritt 
die Reaktion mit dem Diagnostischen Tuberkulin nach 
M oro- häufig zwischen 12 bis 24 Stunden früher auf als 
bei Impfung mit anderen Präparaten. Durch die Ein- 
führung von besonderem’ Diagnostischen Tuberkulin ist 
die Pirquetsche Reaktion wieder zu einer für die Praxis 
hinreichend zuverlässigen Methode geworden. Seitdem 
man sich wieder guter diagnostischer Tuberkuline bedic- 
nen kann, ist die Zahl der in den letzten Jahren häufiger 
beobachteten Versager auf ein Minimum zurückge- 
gangen. 


Personalnachrichten. 


— Der Oberarzt an der Brandenburgischen Landes- 
irrenanstalt Teupitz Dr. Ulrich Vollrath, wurde am 
1. November 1922 zum Stadtarzt in Fürstenwalde (Spree) 
gewählt. Er verwaltete diese Stelle kommissarisch 
schon vom 15. Juli d. J. an, 


Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schrift- 
leitung resp. den Verlag über redaktionelle 
Fragen das Rückporto beizufügen. 


| Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Überschtesien) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Donna 
| „Schluß der ‚Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle 2.5 
. Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S 


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Siehe auch die nachstehenden Seiten. 


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Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


|  Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
| — Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


| Peh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
| birken b. Leichl., Prof. Dr. a Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
I | Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friediänder, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
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| Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
| Mauer- Öhling (N. a Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Nr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med, et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 


I Schriftleiter: 


Bezugspreis: 


Postüberweisungs gebühr. 


I schließlich Portokosten: Belgien Fr. 32, 
| England sh. 14, Dänemark Kr. 14. Frank- 
[teich Fr. 32, Japan Yen 7, Italien Lire EN 
Norwegen Kr. 16, Schweden Kr. iz 


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Unter denpsychopathologischenBe- 


irischen Krankheiten des Erwach- 
nen haben wir zunächst solche mit klarem 
| tetischen Abhängigkeitsverhältnis, Ausfallser- 
Meinungen, an denen jeder Organismus er- 
fanken kann. Zu diesen gehört der nach Pilcz 
M Wagner von Jauregg sogenannte „myX- 
o Geisteszustand”, charakte- 
t durch Erschwerung und Verlangsamung. aller 
chischen und psychomotorischen Vorgänge. 
fi lihej behält der Patient das Bewußtsein der Stö- 
iig, die nach Dauer und Schwere der Erkrankung 
Phieden ausgeprägt ist. 
‚Nierhin gehören weiter die Anomalien der Stim- 
ing nach Epithelkörperchenausfall, 
* ileptoiden. Verstimmungen ähnlich sind, so- 
die leichte Ermüdbarkeit und Reizbarkeit bei 
ne an die Intelligenz und das erhöhte 
bedürfnis der Tetaniekranken. 


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halt: Psychiatrie und innere Sekretion. Von Priv.-Doz. Dr. Heinrich Fischer, Gießen. Fortsetzung. (S. 225.) 

== Bericht über die Jahresversammlung. des Reichsverbandes beamteter deutscher Irrenärzte am 
l September 1922 in Leipzig. Von den Oberärzten Dr. 
8.235.) — Buchbesprechungen. (S. 236.) — Therapeutisches. (S. 237.) — Personalnachrichten. (S. 238.) 


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n Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


| Nr. 35/30. | 2. Dezember 1922/23. 


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Baumann und Dr. Hussels. (S. 229.) -— Mitteilungen. 


Psychiatrie und innere Sekretion. 


Von Priv.-Doz. Dr. Heinrich Fischer, Gießen. 
(Fortsetzung.) 


Eine | ausgesprochene Charakteranomalie tritt 


am klarsten nach Ausfall der Geschlechtsdrüsen- 


funktion in dem hinreichend bekannten Charak- 
ter der Kastraten und Eunuchoiden 
zutage. Bei männlichen Eunuchoiden häufig ge- 
kennzeichnet durch. Ausfallserscheinungen altruisti- 
scher Gefühle und Instinkte, kriminelle Neigungen, 
Zurückgezogenheit, Verschlossenheit. Die intellek- 
tuellen Fähigkeiten als solche bleiben intakt, aber 
der Trieb zur Ausbildung und die Initiative zur 
Verwertung der Intelligenz leidet. In der gleich- 
zeitig auftretenden Spannungslabilität des Affektes, 
der gelegentlichen explosiven Reizbarkeit und 
Empfindsamkeit, in den Verstimmungszuständen 
und anderen anfallsartigen Zuständen wie Migräne 
u. a. m.‘ besteht eine auffallende Verwandtschaft 
zur Epilepsie. Der Charakter des genuinen Epilep- 
tikers aber unterscheidet sich fundamental von 
ersterem durch seine wertvolleren aktiven Züge. 

Der noch wenig bekannte weibliche Früh- 


Menschen schließen. 


226 


kastrat und Eunuchoidismus zeigt vom männ- 
lichen wesentliche charakterologische Differenzen, 
die nicht für das Auftreten einer asexuellen Kon- 
vergenz beider sprechen. Der Ausfall altruistischer 
Gefühle und die Abgeschlossenheit von der Um- 
gebung sind weit weniger auffallend, die Patientin- 
nen zeigen im Gegenteil oft ein Anlehnungsbedürfnis 
und auch Hilfsbereitschaft. Übereinstimmend fin- 
den sich dieselben Beziehungen zur Epilepsie wie 
bei den männlichen Eunuchoiden. 


Hierher gehört weiter noch die nach von Frankl 


Hochwart sogenannte „Aypophysärstim- 
mung”. Daß es sich dabei um eine AHypophysen- 
ausiallserscheinung handelt, läßt sich mit Wahr- 
scheinlichkeit aus der Parallele mit dem Tierexperi- 
ment und auch aus therapeutischen Erfolgen am 
Diese MHypophysärstimmung 
ist gekennzeichnet -durch die. unbekümmerte Zu- 
friedenheit, ja Euphorie und die Vertrauensselig- 
keit, die in .offensichtlichem Gegensatz zu .dem 
‚schweren Krankheitsbilde steht, sowie durch 
Schwerfälligkeit und Schlafsueht. Selbstverständ- 
lich sind bei den hypophysären Prozessen die Fol- 


gen eines eventuellen raumbeengenden Prozesses 


zu berücksichtigen. Die Gegensätzlichkeit, wie 
wir sie von der Schilddrüsenstörung her kennen, 
ist bei der Aypophyse nicht in dem Maße ausge- 
 sprochen, wenn auch bei der Akromegalie, insbe- 
sondere in den Anfangsstadien, andere Zustands- 
bilder mit manisch-depressiver Färbung und Er- 
regungen vorkommen. 

Bei den nun folgenden Störungen versagt die 
Kontrolle durch die experimentelle Pathologie. Es 
handelt sich zunächst um Ausfallskrankheiten, für 
welche die Anlage zur Krankheit eine wesentliche 
Rolle spielt. 

So haben wir beim Nebennierenausfall 
der Addisonschen Krankheit neben diesem die Be- 
sonderheiten der Konstitution in Rechnung zu 
setzen. Diese findet ihren morphologischen Aus- 
druck in dem Stat. th. 1. Mehr noch wie in den 
Fällen exogener Genese der Addisonschen Krank- 
heit ist die genetische Wirkung der Anlage bei den 
konstitutionellen Fällen deutlich, bei- denen die 
Nebenniere selbst nicht Sitz der Erkrankung ist 
(Wiesel). 

Leichtere Störungen auf psychischem Gebiete 

sind der fortschreitende Ausfall der Affektspan- 
nung, die zunehmende Apathie und weiter die ge- 
legentlichen verzweifelten querulierenden Ver- 
stimmungen und Neigung zu ängstlicher Ratlosig- 
keit und Phobien. Dazu kommen noch epilepsie- 
ähnliche Störungen, Migräne, Ohnmacht, Anfälle 
von Muskelschwäche und Schlafsucht: Bei Er- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


nicht möglich. Denn die konstitutionelle Wertig fi 


 standteil der Gesamtkonstitution des Organismus $! 


INT. 35/36. | 


örterung des Abhängigkeitsverhältnisses dieser # 
psychischen Anomalien vom Nebennierenausfall ist f 
die Gegensätzlichkeit dieser Erscheinungen zu der #: 
auffallenden Charakterveränderung der Individuen %4 
mit Nebennierenrindentumoren zu betonen. Hier-# 
bei beobachtet man Steigerung der affektiven Vor fi 
eänge, überschwängliches Wesen, gesteigerte kör- # 
perliche Leistungsfähigkeit sowie sexuelle Über- #1 
erregbarkeit. Diese Gegensätzlichkeit zusammen fs 
mit den. Erfahrungen im Tierexperiment sprechen {i 
dafür, daß mindestens ein Teil der beschriebenen $i 
Erscheinungen beim Addison auf dem Ausfall der Pi 
Nebennierenfunktion beruht. 1 

Noch schwieriger stellen sich die Aufgaben {e 
beim Basedow, Diabetes und gelegentlich $ 
auch bei der Akromegalie. In der Diskussin®1 
über die Basedowgenese tritt an Stelle der ver fi 
alteten Intoxikationstheorie die grundlegende Be fi 
deutüng erstens der Konstitution mit Betonung der $$ 
neuropathischen Anlage und zweitens der Minder- Ẹ 
wertigkeit des Blutdrüsensystems immer klarer $i 
hervor. Selbstverständlich ist eine scharfe Tre” 
nung zwischen der degenerativen Konstitution ud 4 
der degenerativen Anlage des Blutdrüsensystems $ 


keit des Blutdrüsensystems ist ja ein wichtiger Be ffi 


Ja es ist vielmehr die Konstitution durch die Blut fi 
drüsenneurose besonders gekennzeichnet. p 

Die beim Basedow beschriebenen nervöst 
und psychischen Störungen sind nicht ganz einheit \ 
lich. Auf Grund der nervösen Störungen hat mati k 
einen sympathikotonischen und einen vagoton gn 
schen Basedow unterschieden; letzterer soll proi 
gnostisch besonders ungünstig sein. Auf psychi- | i 
schem Gebiete finden sich Charakteranomalien, d {l 
gewisse Ähnlichkeit mit dem zyklothymen Charak- 5 
ter haben, weiter Neigung zuBeeinträchtigungsideel, Fi 
Phobien und Zwangsideen. Die nervösen Zustané Th 
zeichnen die’ psychomotorischen Besonderheiten, \ 
die auffallende Hast und Unruhe bis zu gelegt A 
lichen Krämpfen vor anderen Neurasthenien aii 
Hinzu kommen noch die fast nie fehlenden ängs H 
lichen Träume und die Schlaflosigkeit. Wir sehet ip 
daß eine ausgesprochene Gegensätzlichkeit 70 $a 
Myxödem nur in den Grundstörungen und in den N 
leichteren Anomalien besteht, insbesondere finden! . 
sich bei beiden gelegentlich Neigung ZU Decii g 
trächtigungsideen, Phobien und Zwangsideet. 7° 

Wenn wir das Abhängigkeitsverhäl : 
nis 


der psychischen Störung ys 7 
Ayperthyreoidismus klären wollen, 4 
müssen wir dabei folgendes berücksichtis" i 
Erstens gibt es Basedowkranke ohne bemerken p 


yá 
A AERA, 


[rrt psychische Störung; zweitens zeigen auch 
fadere Familienmitglieder ähnliche degenerative 
I hen und Psychosen, ohne an Basedow er- 
frankt zu sein. Andererseits spricht aber wieder 
fir eine mindestens verstärkende und komplizie- 
fende Wirkung des Hyperthyreoidismus, daß bei 
disponierten Individuen durch übermäßige Schild- 
Itisenmedikation leichtere und gröbere psychoti- 
Ishe Störungen (Bewegungsdrang, Verfolgungs- 
Jiken, inkohärenter Rededrang) zu erzeugen sind, 
die mit Aussetzung der Medikation wieder ab- 
f heilen. In derselben Richtung spricht, daß ge- 
zentlich die operative Schilddrüsenreduktion aui 
Tine bestehende Psychose des Basedowkranken hei- 
Fladwirkt. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen 
kommen wir zu dem Schluß, daß bei vorhandener 
Flonstitutioneller Grundlage eine pathologische Stei- 
Akrung der Schilddrüsensekretion zu psychischer 
i Störung führen kann. 

f Ahnlich liegen die Verhältnisse beim Dia- 
fetes. Auch hier sind die Konstitution mit der 
iauropathischen Anlage und Besonderheiten der 
| Bhtdrüsenanlage genetische Faktoren von grund- 
f zender Bedeutung. Fehlerquellen für die Diffe- 
Trtialdiagnose liegen in der Verwechslung mit 
; ndersartiger Glykosurie, z. B. auch als Folge von 
limkrankheiten, weiter mit den chronischen Ver- 
Finderungen einer verfrühten Seneszenz und kom- 
Pizierenden Arteriosklerose, Auf letztere führt 
Bonhöffer die depressiven Angstpsychosen des 
jMäteren Lebensalters zurück, die als Diabetespsy- 
| Mosen beschrieben sind. Leichtere Störungen sind 
Zltirasthenisch-hypochondrische Symptome, Kopf- 
Aimerz, Schwindel, Reizbarkeit, schreckhafte 
flume, herabgesetzte Leistungsfähigkeit, Geiz, 
‚Runenhaftigkeit und Ängstlichkeit. In dem tat- 
| ‚Schlich beobachteten Zusammenvorkommen von 
Diabetes mit echtem manisch-depressiven Irresein 
1 i mmt zweifellos eine gewisse Verwandtschaft der 
ghstitutionen beider zum Ausdruck. 

1 Diese bisher beschriebenen psychopathologi- 
| en Besonderheiten sind für die zugrunde lie- 
fende Störung in gewissen Breiten kennzeichnend 
Ind Stehen zum Teil in einem klaren genetischen 
f llängigkeitsverhältnis von der innersekretori- 
Zen Störung. 

} Mieran schließen sich zweitens nicht scharf 
Bett Psychosen, die klinisch in 
IS Gebiet des Irreseins der Dege- 
tierten gehören. In diesem einigenden 
E iscer Gesichtspunkte - liegt das Ge- 
f usame auch für die zur Beobachtung kommen- 
| den atypischen Bilder, die zum Teil zur Dementia 
| Du ‚gerechnet sind. Auf ihre Beschreibung im 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


227 


einzelnen einzugehen, würde zu weit führen. Das 
Wesen in der Pathogenese dieser Bilder ist also 
die schon im einzelnen gekennzeichnete degenera- 
tive Anlage. Die innersekretorische Krankheit ist 
hier ein weiterer Ausdruck der degenerativen An- 
lage, die der Seelenstörung teils nur koordiniert ist, 
teils diese kompliziert. Dazu wird die Konstitution 


durch die innersekretorische Störung noch nach be- 


stimmter Richtung gekennzeichnet. Es kann sich 
dabei z. B. um Neurosen der Blutdrüsen in ihrer 
Eigenschaft als vegetative Erfolgsorgane handeln. 
Für die diagnostische Bewertung dieser Psycho- 
sen spielt die Art der psychischen Störung keine 
Rolle, die Diagnose wird vielmehr durch die kör- 
perlichen Begleiterscheinungen bestimmt. 

Die Beziehungen der Geschlechts- 
drüse zur Geisteskrankheit sind -oft 
überschätzt. Psychische Krankheitsbilder, die wir 
— wie bei den anderen Drüsen — auf eine Hypo- 
oder Hyperfunktion beziehen könnten, sind unbe- 
kannt. Die Fehlerquellen für diese Überschätzung 
liegen in der Auffassung der Pubertätspsyche als 
Geschlechtsdrüsenleistung und des Klimakteriums 
als physiologischer Kastration. Geschlechtsreife und 
Involution -der Geschlechtsdrüse sind aber, wie wir 
noch sehen werden, nur Teilerscheinungen, nicht 
Ursache der beiden biologischen Umwälzungen als 
Pubertät und Klimakterium. Die Gefahren für die 
Psyche liegen in dem sensiblen Charakter der Ge- 
samtphase. Die Idee einer einheitlichen Puber- 
tätspsychose, einer Menstruations-, Wochenbetts- 
und klimakterischen Psychose.hat sich klinisch als 
falsch erwiesen. Dasselbe gilt von den Beziehun- 
gen der Kastration zur Geisteskrankheit,' die aus 
gemeinsamen. Erscheinungen im Körperbau ge- 
schlossen sind. Nach meinen Erfahrungen zeigt 


‘weder die Kastration noch der Eunuchoidismus Be- 


ziehungen zur Dementia praecox, sondern zur Epi- 
lepsie und selten auch zum Irresein der Degene- 
rierten. Die einzige schwerere Psychose, die ich 
bei einem Eunuchoiden sah, war ein Depressions- 
zustand mit paranoischen Zügen, der durch Suizid 
endete. | 

Drittens finden wir dann meist in fortge- 
schrittenen Stadien der besprochenen innersekre- 
torischen Erkrankungen symptomatische 
Psychosen, die sich in nichts von sonstigen 
symptomatischen Psychosen unterscheiden: Hallu- 
zinosen, delirante Verworrenheit und amentia- 
artige Bilder mit zunehmendem geistigen Zerfall, die 
häufig in Koma und Exitus ausgehen. Die ÄAuße- 
rungsiormen werden um so uncharakteristischer, 
je schwerer die Krankheit ist. Zeigt sich z. B. die 
Gegensätzlichkeit von Myxödem und Basedow 


228 


gerade in der Verlangsamung der psychomotori- 
schen Vorgänge einerseits und der psychomotori- 
schen Erregung andererseits, so zeigt die akute 
Myxödempsychose diesselbe motorische Erregung 
wie „auch die Basedowpsychose. Auch hier kön- 
nen wir wieder auf die funktionelle Zusammenge- 
hörigkeit des branchiogenen Systems hinweisen. 
Diese zeigt sich einmal in der Kombination myxö- 
dematöser, tetanischer und basedowoider Sym- 
ptome auf körperlichem Gebiete und weiter darin, 
daß die psychomotorischen Störungen bei den aku- 
ten Psychosen des Myxödems, des Basedows und 
der Tetanie trotz ihrer Vielseitigkeit untereinander 
wieder recht ähnlich sind. Die motorische Unruhe 
kann sich bei allen drei Krankheiten in einfacher 
Steigerung weiter in choreatischen, jaktationsarti- 
sen und katatonischen Bewesungsstörungen aus- 
drücken. Dazu zeigen diese Bewegungsstörungen 
eine weitgehende Ähnlichkeit mit den von Blum, 
Parhon und Pineles gefundenen Bewegungsstörun- 
sen bei thyreo - parathyreodektomierten Hunden 
und Affen. | | 
Unter den psychopathologischen Begleiterschei- 
nungen der innersekretorischen Krankheiten des 
Erwachsenen sind demnach drei Gruppen zu unter- 
scheiden. Erstens leichtere nervöse und psy- 
chische Anomalien vom Werte einer Charakter- 
anomalie oder Psychopathie, die für die vor- 
liegende Krankheit ‘kennzeichnende Züge aufwei- 
sen. Zweitens von diesen nicht scharf abge- 
setzte Psychosen, die in das Irresein der Degene- 
rierten gehören und auch noch bis zu einem ge- 
wissen Grade charakteristisch sind. Drittens 
Psychosen, die sich durch nichts mehr von sonsti- 
gen symptomatischen Psychosen unterscheiden. 
Bei den bisher besprochenen Anomalien war 
dere Status thymicölymphaticus 
häufiger Ausdruck der konstitutionellen Minder- 
wertigkeit. Letztere kennzeichnet sich in der 
reuropathischen degenerativen Anlage und in der 
Neigung zu innersekretorischen Krankheiten. Im 
Zentrum der Anomalie des Stat. th. 1. steht die 


Minderwertigkeit des vegetativen Nervensystems, 


zu dieser gehört die Minderwertigkeit der sympa- 


| 2 thischen Bildungszelle. des Mutterbodens für das 


Adrenalsystem. Die Minderwertiskeit des Adre- 
nalsystems ist mit eine der Grundlagen für wich- 
tige klinische Symptome, so für Vagotonie,. für 
Gefäßlähmung und Herzstillstand infolge Chokwir- 
kung harmloser Reize. Sonstige Erscheinungen am 
innersekretorischen System, die Hypoplasie von 
Geschlechtsdrüse und Nebennierenrinde scheinen 
sekundäre Symptome, abgesehen davon, daß 
Lymphatismus, Thymus- und Nebennierengewicht 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ein 


auf die Dysfunktion bestimmter Drüsen oder 8° 7 


Bi; 
F 


[Nr. 35/36 


r 
> 


auch im Abhängigkeitsverhältnis von den Vorgän# 
gen der Resorption bei der Verdauung stehen. Bft 
der Annahme, daß die Nebennierenrindengröße À 
wesentlich von der konstitutionellen Größe des M 
Adrenalsystems und damit auch von der des sym- #4 
pathischen Nervensystems abhängig ist, wurden 
auch die Beziehungen der angeborenen Neben $ 
nierenhypoplasie zu den Großhirnmißbildungen fl 
verständlicher. Bei diesem genetischen Abhängig # 
keitsverhältnis der Erscheinungen des Stat. th, 1% 
bildet späterhin die degenerative Anlage voi 
vegetativem Nervensystem und innersekretor-# 
schem System doch eine funktionelle Einheit, ingi 
einandergreifend und sich komplizierend als ge È 
meinsame Grundlage für die pathologischen Er 4 
scheinungen auf nervösem und innersekretorischem w 
Gebiete. 1 
Die entwicklungsgeschichtliche und funktionele#4 
Zusammengehörigkeit von sympathischen Nerven M 
system und Adrenalsystem zeigt sich besonders $" 
klar bei Betrachtung der vegetativen Tof 
nuszustände. Das Hormon des- Adrena- AN 
systems hat im sympathischen Nervensystem wie 4" 
der eine wichtige tonische Funktion zu erfüllen, 01 
kommt auch in der Leistung die genetische Ver 4" 
wandtschaft wieder zum Ausdruck. Die Wirk! 
des Adrenalins ist gleich der einer nervösen Leng 
tung und Endplatte, und Trendelenburg spricht vol R 
der verflüssigten postganglionären Faser. ; 
Eine bestimmte nervöse und innersekretorischt i 
Einordnung gehört zu den Lebensbedingungen der 4" 
Zelle, über deren Wirkungsweise uns die Une 
suchungen von Langley, Löwy, Kraus, ZondekF 
u. a. Autoren Aufschluß geben. o e e 
Die im Anschluß an die Hypothese von Eppu 
ger und Heß ausgebaute funktionelle Diagnostik 
| 


n 
H 
A 

SN 


der vegetativen Tonuszustände darf auch in @F 
Psychiatrie nicht übersehen, daß wir im Tont 1 
eine komplizierte Leistung vor uns haben, dab «è 7 
pharmakodyramische Funktionsprüfung uns mip 
über den Teiltonus vegetativer Erfolgsorgan® Auk | 
schluß gibt. Der Wert der Prüfung liegt datti 
daß sie einzelne konstitutionelle Schwächen au 4 
deckt und so funktionelle Degenerationszeichel " r 
kenntlich macht. Doch: dürfen wir aus Einzebe 3 
funden nicht zu weitgehende diagnostische Schlüsse P 


i 


die Genese ganzer Krankheitsbilder machen. T 
ist dabei nicht zu vergessen, daß die Drüsen selbs i 
wieder vegetative Erfolgsorgane sind, deren Ned 
rosen die Anlage wieder komplizieren und ei 3 
Schwächen nach bestimmter Richtung kennzeii | i 
nen können. | | a 

Auch die Affekte greifen in diesen ‚ru 


„nei t a 


m 


Autiven Tonus ein und führen zu Schwankun- 
en, nach denen die jeweilige Art der psychischen 
Herung als Schamröte, Ekelgefühl, Schreckens- 
fiiisse, Angstzittern u. a. m. ihren Namen bekommt. 
lndererseits haben vegetative Vorgänge in der 
| Peripherie einen Einfluß auf die Qualität der psy- 
dischen Äußerungsform, z. B. die Vorgänge bei 
kt Verdauung. Der psychische Impuls führt nun 
5 Teil durch Vermittlung der Blutdrüsen zu 
ginen peripheren Begleiterscheinungen. Dieser 
Isammenhang ist am Beispiel der Nebenniere be- 
| rs klar. Im Tierexperiment tritt nach den 
\ een von Cannon u. a. bei psychischer 
Tiregung eine vermehrte Adrenalinabgabe auf. 
Nitererseits fallen nach Nebennierenexstirpation 
fie den Affekt auf körperlichem Gebiete beglei- 
fenden Reizerscheinungen aus, weshalb man diese 
is Nebennierenwirkung aufgefaßt hat. Gleich- 
Teitig damit ist aber auch die psychische Affekt- 
, Täberung, die Aggressivität, Wildheit und Bissig- 
Zeit der Tiere herabgesetzt (Biedl). Demnach 
Tikt also einerseits der Affekt funktionssteigernd 
Jul die Nebennieren und andererseits läßt die affek- 
five Ansprechbarkeit des Tieres bei Nebennieren- 
Jusall nach. Ähnliche Zusammenhänge zwischen 
inersekretorischer Leistung und Affekt kennen 
Air vom Schilddrüsenausfall. 

4 Der psychische Tonus ist also eng ver- 
Ahtipft mit dem Tonus des peripheren vegetativen 
A rvensystems. Das innersekretorische Hormon 
| au Tonusregulator für den vegetativen Tonus und 


mm 


dn Auftakt für unsere Versammlung mit ihrer 
i Mehr nüchternen urd praktischen Arbeit. Gewiß 
| ji Sich gar mancher der Erschienenen bei den 
Alegenden wissenschaftlichen Vorträgen wohler 
je haben; aber gerade in heutiger Zeit zwingt 
"S die: harte Notwendigkeit immer wieder zur 
Det an unserer wirtschaftlichen Lage. So war 
| > man kann sagen, trotz des vorangegangenen 
| = Glanzes — unsere Versammlung 
f gut besucht und von Anfang bis Ende erfüllt 


en das rege Interesse der Anwesenden. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


f Dieses Mal gab die Hundertiahrfeier der deut- 
q schen Naturforscher und Ärzte den glänzen- 


ee: war nach Erfahrung der vorigen Jahre 


229 


für das Affektleben, für psychische und psycho- 
motorische ÄAußerungsformen. Dabei sind die psy- 
chologischen Bedingungen, unter denen psychische 
Impulse an bestimmten Anteilen des innersekretori- 
schen Systems angreifen, nicht wahllos, sondern 
bis zu einem bestimmten Grade spezifisch, ebenso 
wie umgekehrt die Hormone der Affektäußerung 
eine bestimmte Färbung geben. 

Auch auf diesem Wege kommen wir der Be- 
deutung der inneren Sekretion für das Seelenleben 
näher. Wir gehen so der Einordnung des Zentral- 
nervensystems in Mechanismen nach, in 
denen nervöse und hormonale Apparate zu einer 
Einheit zusammengeordnet sind. Die Einordnung 
des Gehirns in die Wechselwirkung dieser Mecha- 
nismen ist derart, daß experimentell herstellbaren 
Korrelationsstörungen gesetzmäßige Ausfallser- 
scheinungen der Psyche entsprechen. Diese Ein- 
richtungen sind physiologisch vorgeblidete Me- 
chanismen, die für die psychischen Äußerungen 
funktionsbereit liegen. Hierbei ist besonders her- 
vorzuheben, daß pathologische Äuße- 
rungsiormen keinen nenen patho- 
logischen Mechanismus erfordern, 
sondern die Folge pathologischer 
Einwirkungen auf den normalen Me- 
chanismus sind. So sahen wir, daß der 
Tonus der Psyche Schaden leidet, wenn der phy- 
siologisch vorgebildete Mechanismus für die Affekt- 
spannung gestört ist. 

(Fortsetzung folgt.) 


| ’ Bent; über die Jahresversammlung de Reichsverbandes beamteter | 
a deutscher Irrenärzte 
am 23. September 1922 in Leipzig. 


"Mon den Oberärzten Dr. Baumann und Dr. Hussels. 


den einzelnen Mitgliedern gestattet worden, anhö- 
rend und beratend an der Ausschußsitzung teilzu- 
nehmen. Das wurde reichlich benutzt, so daß die 
für den Nachmittag 5 Uhr angesetzte FHauptver- 
sammlung überflüssig wurde. Wir werden mög- 
lichst auch künftig wieder so verfahren. 

Vorbereitet waren die Beratungen durch Sit- 
zungen des Vorstandes am 21. und 22. September. 
Leider war dieser nicht ganz vollständig. Ein 
Mitglied-war durch Krankheit verhindert, ein zwei- 
tes (Rautenburg, Hamburg), hatte sich kurz vor der 
Tagung entschlossen, aus dem Vorstande auszu- 
scheiden aus Gründen, denen man sich nicht ver- 
schließen konnte. 


230 


Nach der Eröffnung der Versammlung begrüßte 
der Vorsitzende des Sächsischen Standesvereins 
in beredten Worten die Anwesenden und wünschte 
den Verhandlungen guten Verlauf. | 

Zunächst gab der Vorsitzende den Bericht 
über den äußeren: Stand des Ver- 
bandes. Es sind 21 Einzelverbände mit etwa 
650 Mitgliedern vorhanden. Es stehen nachweis- 
lich nur zwei Öffentliche Anstalten in Deutschland 
abseits des Verbandes und haben sich Aufforderun- 
gen gegenüber bisher ablehnend verhalten. Der 
weitere Bericht über die Tätigkeit des geschäfts- 
führenden Vorstandes, insbesondere über seine Ein- 
gaben an Behörden, Schritte zugunsten von Ein- 
zelverbänden usw. konnten ganz kurz gehalten 
werden, weil das meiste davon den Einzelverbän- 
den schon durch Rundschreiben oder Veröffent- 
lichung im Verbandsorgan bekanntgegeben war. 
Es mußte aber lebhafte Klage darüber geführt wer- 
den, daß die äußere Organisation nicht 
straff genug durchgeführt sei, es müsse 
verlangt werden, daß die Anfragen und Anregun- 
gen des Vorstandes mehr berücksichtigt und bes- 
ser beantwortet würden und .daß die regelmäßig 
zum 1. April und 1. Oktober zu erstattenden Be- 
richte über den Stand und die Vorgänge in den 
Einzelverbänden pünktlicher, ausführlicher und in 
 zweckmäßigerer Form (einzelne Punkte: auf be- 
sonderen Blättern) erfolgten. 

Bezüglich der Durchführung der Richt. 
linien wurde nach Aussprache beschlossen, daß 
jeder Einzelverband zum 1. Januar 1923 einen aus- 
führlichen Bericht über die bisher erfolgten Schritte 
und die Ergebnisse zwecks neuer Dienstanweisun- 
sen oder Anpassungen der vorhandenen, auch et- 
waige Wünsche oder Abänderungsanträge dem ge- 
-schäftsführenden Vorstand zur Kenntnis und Wei- 
- tergabe an den Richtlinienausschuß einreichen 

solle. Der Ausschuß wird das erhaltene Material 
dann bis zur nächsten Versammlung bearbeiten. 
Römer, Karlsruhe (siehe auch unter Vorstands- 
wahl), erklärte sich auf Bitten bereit, die Arbeit 

und den Vorsitz im Richtlinienausschuß weiterzu- 
= führen; der Ausschuß selbst wurde durch Zuwahl 
. von Maaß, Dösen, ergänzt. 
Die Tätigkeit des Presseausschusses hatte be- 

sonders auch darunter gelitten, daß wir kein „ein- 
getragener Verein” sind und in geeigneten Fällen 
nicht Klagend vorgehen können. Der Vorstand hat 
es deshalb und auch aus Gründen der Festigung 
des Zusammenhalts für richtig erachtet, den früher 
abgelehnten Antrag zu wiederholen, daß wir uns in 
das Vereinsregister eintragen lassen mit dem Sitze 
im Poi des neu zu wählenden geschäftsfüh- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


erheben könne. 
der höheren Beamten berichtete der Vor 
‚sitzende. 


. Reichsverband und einigen anderen kleinen vE 


[Nr. 35164 


renden Vorstandes. Das wurde dieses Mal genek 4 
migt, zugleich mit der infolge Gesetzesvorschriff | 
dadurch notwendig gewordenen Änderung einiger f 
minder wichtiger Teile unserer Satzungen (Abfas $, 
sung der Sitzungsberichte, Mitgliedsbeiträge usw); # 
aus ` gleichem Grunde wurde -beschlossen, de# 
„Hauptversammlung” in den Satzungen bestehen 
zu lassen, aber den oben erwähnten Gebrauch der fi 
Beteiligung aller Mitglieder an der Au Se ; 
zung vorläufig künftig beizubehalten Ai 
Rittershaus, Hamburg, berichtete über die ei i 
der bisher meist negativ verlaufene Tätigkeit da f 
Presseausschusses und bat um größer] 
Beteiligung an der Arbeit und Mitteilung geeignef| 
ter Fälle sowie bessere Beantwortung der Anir f 
gen des Ausschusses. Römer, Karlsruhe, erstatteie#: 
ein anregendes Referat über den Stand der psy- f 
chiatrischen Aufklärungsarbeit; def 
durch seine Bemühungen und mit Hilfe anderer 
Kollegen, insbesondere von Rein, Landsberg, ange fi 
legte Sammlung von Lichtbildern und Diapositiva 
soll dem Hygiene-Museum in Dresden zur wr 
waltung und gelegentlichen Ergänzung überliefert 4 
werden; dort wird sie gegen eine mäßige Leige f 
bühr zur Verwendung bei Aufklärungsvorträgat i 
ausgeliehen werden können. F 
Den Kassenbericht erstattete Maaf, Dò- 
sen; er- konnte zwar über einen Aktivbestand be- 
richten, mußte aber klagen, daß die Beiträge nicht d 
pünktlich genug, von manchen- Einzelvrknl 
überhaupt noch nicht, geleistet worden seien. e 
mußte auch daran erinnern, daß die Beiträge void 
den Einzelverbänden, nicht von den einzelnen Miti 
gliedern oder auch Ortsgruppen abzusenden. ser A 
Die Kassenabrechnung wurde geprüft und richtig $ 
beiunden, hierauf dem Schatzmeister En, \ 
erteilt. Das Beitragsjahr soll künftig das Kaler $ i 
derjahr sein. Als Beitrag für 1923 wurde auf An 
trag des Vorstandes 100 Mark beschlossen, jedoch $ 
mit dem Vorbehalt, daß der Vorstand bei weitere 4 f 
erheblicher Entwertung der Mark einen Zuschlag $ 


Gs: (EM 


Bezüglich des R ich hund | 


| 
l 
? 


Es liegt ein Antrag. des „Reichsmedi fii 
nalbeamtenbundes” auf Zusammenschliuß mit dem 


bänden vor, zwecks Gründung einer Säule „Me 
zin”. In der Versammlung wurden erhebliche De se 
denken gegen -diesen Plan geäußert. Es wurde t-f! 
gegen beschlossen, Anschluß bei der Säule dur 
Kommunalbeamten zu suchen; falls sich das ver] i 
der unserm Verbande direkt angehörenden Staats | 
beamten als unmöglich erweisen würde, solle der 


Reichsverband als solcher aus dem Reichsbund (# u 


i 


5 fin überlassen, für sich da Anschluß zu‘ suchen, 


E die geplante Perei koterci Ta 
Mirektoren und die damit verbundenen, den 
Fihzelverbänden schon größtenteils bekanntgewor- 
Alnen Vorgänge. Direktor Fischer, Wiesloch, 
machte erklärende Ausführungen über Zweck und 
Fielder Konferenz und teilte mit, daß eine am 20. 
Direktorenzusammenkunft beschlossen habe, keine 
BE idere Organisation mit ihr zu verbinden; es 
T nur die Möglichkeit einer kollegialen Aus- 
M vor jeder Versammlung des Deutschen 
Bi: für Psychiatrie gegeben sein, offen für 
I klen Direktor, der kommen wolle, ohne feste Ta- 
N usw.; ein Gegensatz zum Reichsver- 
4 hand komme selbstverständlich nicht in Frage. Die 
{sammlung nahm mit Genugtuung von diesen 
P Ausführungen Kenntnis und erklärte sich von ihnen 
dleiriedigt. Es wurde aber von vielen Seiten noch- 
F mals ausdrücklich darauf hingewiesen, daß jeder 
[rsch einer Sonderorganisation einzelner Grup- 
f un unserer Mitglieder unmöglich und für den Ver- 
1 band unerträglich sei; es müsse außerdem verlangt 
F verden, daß der Vorstand rechtzeitig und offiziell 
davon in Kenntnis gesetzt werde, falls ähnliche 
1 Pline irgendwie wieder verfolgt würden, schon um 
iöverständnisse zu vermeiden. Eine absolute 
dünigkeit im Reichsverband sei um so notwendi- 
H kr, als immer wieder versücht werde, die aus- 
1 Shlaggebende Stellung der Ärzte, insbesondere 
f ie Einheitsleitung durch die ärztlichen Direktoren 
durch Ausbau der Stellung der Verwaltungsbeam- 
} ‚en mit dem Ziel ihrer Verselbständigung zu ändern. 
I > wurde insbesondere auch die Ansicht vertre- 
Wn daB es eigentlich Belange, welche die Anstalts- 
rktoren allein angingen, nicht mehr geben 
| One. 

Zum zweiten Punkt der Tasesordmine: Aur- 
Inn. von Klinikern in den Reichs- 
jNerband erstattete Groß, Schussenried, ein mit 
Slagender. Begründung ausgestattetes: Referat: 
Die Ärzte einer Klinik in Deutschland gehören 
durch ihren Einzelverband dem Reichsverband an; 
‚© se fühlen sich beschwert durch die Ziffern unse- 
$r Richtlinien, welche die anzurechnende Dienst- 
Bit bei der festen Anstellung als beamteter Irren- 
at zu regeln versuchen; sie verlangen Entschei- 
ng des Reichsverbandes darüber, ob nicht ihre 
Atze an der Klinik zugebrachte Dienstzeit in jeder 
| hung angerechnet werden kann, und machen 


í 


l BE 1922 ‚in. Leißzig "statiestüngne erete. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT rs 


ihr Verbleiben im Reichsverband hiervon abhän- 
gig. Groß kam zu dem’ Ergebnis, daß ein Austritt 
der Kliniker aus dem Reichsverband nur bedauert 
werden könne; die Anerkennung eines Rechtes der 
Kliniker aber, unter voller Anrechnung ihrer klini- 
schen Dienstzeit in die staatlichen bzw. Provinzial- 
anstalten übernommen zu werden, sei abzulehnen, 
da, wie auch in den Richtlinien ausgeführt sei, die 
Übernahme älterer Ärzte stets einen Berufs- 
wechsel darstelle, von den bedenklichsten Folgen 
für das kollegiale Zusammenarbeiten sein würde, 
Erbitterung bei übergangenen Anstaltsärzten erre- 
gen und den psychiatrischen Nachwuchs auf das 
ungünstigste beeinflussen müßte. Ausnahmen soll- 
ten nur unter ganz besonderen Umständen und nie- 
mals ohne Anhörung der Standesvertretung statt- 
finden dürfen (s. dazu die in den Richtlinien Ziff. 8 
S. 12 oben vorgesehene Anrechnung anderweitig 
zugebrachter Dienstiahre auf das Besoldungs- 
.dienstalter). In der Aussprache ergab sich 
volle Übereinstimmung mit den Großschen Aus- 
führungen. Es wurde beschlossen, daß eine Ände- 
rung der Richtlinien. gemäß dem Wunsch der Kli- 
niker nicht vorzunehmen sei. 

Über den Stand der Besoldungsfrage 
gab Rein, Landsberg, einen kurzen Bericht. Das 
Ergebnis der damit verbundenen Umfrage sei 
durchaus nicht gleichmäßig, oft recht ımerfreulich 
und meist noch ganz unsicher, da die Fingruppie- 
rung vielfach noch nicht endgültig angenommen 
sei und durch das Sperrgesetz gefährdet werde. 
Er schlug vor, daß sich der Vorstand des Reichs- 
verbandes an die zuständigen Behörden mit einem 
Beschluß über einige Punkte wenden möge. Die- 
ser Beschluß erhielt nach eingehender Aussprache 
folgende Fassung und soll allen Behörden und ge- 


setzgebenden Körperschaften zugehen, welche von ` 


den Einzelverbänden ‘dem Vorstand namhaft zu 
machen sind: 

„Der Reichsverband beamteter deutscher 
Irrenärzte hat in seiner Hauptversammlung am 
23. September 1922 in Leipzig die folgende, allen 
in Betracht kommenden Behörden (bzw. Pro- 
vinzialausschüssen) zu übermittelnde Entschlie- 
Bung angenommen: 

Der Reichsverband fordert, daß die beamte- 
ten Irrenärzte nicht ungünstiger in den Besol- 
dungsordnungen eingereiht werden als die ande- 
ren akademisch gebildeten Beamten der betrei- 
fenden Behörden. | 

Die Direktoren aller Vollanstalten sind in 
Gruppe 13 einzureihen, die angestelllten Ärzte 
entsprechend in die Gruppen 11 und 12, Assi- 
stenzärzte sind nach Gruppe 10 zu besolden. 


232 


Die Steigung von Gruppe 11 nach 12 ist nicht 
nur durch Beförderung: zu erreichen, sondern 
auch durch Aufrückung nach einer Dienstzeit 
von 10 Jahren in Gruppe 11. 

Begründung: Die bisherigen niedrigeren 
Eingruppierungen der Irrenärzte sind unter Hin- 
weis auf das Sperrgesetz erfolgt; ob und wo 
aber tatsächlich ein Einspruch des Herrn Finanz- 
ministers gegen die von uns geforderte Eingrup- 


nis. 

Gegenüber dem Hinweis auf das Sperrgesetz 
müssen wir zunächst bemerken, daß es ja unter 
den Reichsbeamten Irrenärzte überhaupt 
nicht gibt, und daß eine Gleichstellung der Irren- 
ärzte mit den in der Besoldungsordnung ange- 
führten ärztlichen Beamten aus "verschiedenen 
Gründen nicht ohne weiteres gegeben ist. 


Der Beruf des Irrenarztes bringt eine Reihe 


von Forderungen mit sich, wie sie an die ande- 
ren beamteten Ärzte und auch an andere akade- 
misch gebildete Beamte wohl kaum gestellt wer- 
‘den. Der ständige Umgang mit den Geisteskran- 
ken setzt den Irrenarzt gewissen Gefahren aus 
und stellt an seine Nervenkraft recht erheb- 
liche Anforderungen; dazu kommt, daß die Irren- 
ärzte in den meist abgelegenen Anstalten woh- 
nen müssen und-sich die jedem geistigen Arbei- 
ter besonders notwendige Erholung und gele- 
gentliche geistige Anregung nur schwer ver- 
-schaffen können; der Dienst- in den Anstalten 


bringt es mit sich, daß der Irrenarzt, eben weil - 


er in den Anstalten wohnen muß, eigentlich fast 
ständig in Beziehung zu seinen Kranken steht 
und nicht nur eine bestimmte Anzahl von Stun- 
den am Tage beruflich tätig ist. 

Anderen beamteten Ärzten, z. B. den Ver- 
sorgungsärzten, ist die nebenamtliche Privat- 
praxis gestattet, wodurch ihnen nicht nur eine 
Erhöhung ihres Einkommens, sondern auch die 
berufliche Weiterbildung ermöglicht wird; bei 
der abgelegenen Lage der Irrenanstalten unter 
Anhäufung von Psychiatern in ihnen kommt Pri- 
vatpraxis, falls sie überhaupt behördlicherseits 
gestattet wird, wohl nur für einzelne Ärzte 
in Betracht. | 

Alle diese. Eigenarten des Berufs der Irren- 
ärzte sind tatsächlich früher immer anerkannt 
worden, indem überall diese Ärzte besser besol- 
“det wurden als andere Berufsklassen (z.B. Rich- 
ter, Oberlehrer usw.), und zwar nicht immer 
in der Form höherer Bargehälter, wohl aber da- 
durch, daß ihnen neben Dienstwohnung und Hei- 


zung, Beleuchtung, Garten u. dgl. Emolumente 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


pierung erfolgt ist, entzieht sich unserer Kennt- 


regierung zur Verfügung gestellt und von 077 


nn 3 
ausgewählt, um dann hierfür benannt zu werdet. i 


jetzt überall imi 
sind. Data w 1 


gewährt wurden, | die 
ar tere RN 


Bene in ihrer Pene 1 

Bezüglich der Eingruppierung der Direktoren i 
sei hingewiesen auf die Bedeutung und Größe 1 
der meisten Irrenanstalten; die Direktoren sind f 
nicht nur Vorgesetzte einer großen Anzahl von $ 
Beamten, sie sind vor allem Leiter umfangreicher I 
Institute, deren soziale und wirtschaftliche Be} 
deutung für Staat und Volk wohl keiner näheren 3 
Besründung bedarf. 4 

Die Forderung des Aufrückens der Irrenärzte f 
von Gruppe 11 nach 12 nicht nur durch Beförde- f 
rung, sondern auch nach Dienstalter ist begrün- # 
det durch die geringe Zahl von Beförderungs f 
stellen, die zu erreichen nur wenige Aussicht 1 
haben, selbst bei bester Bewährung. 1 

Die Eigenart des Berufs und die geringen Ber 2 
förderungsmöglichkeiten werden dazu führen, 4 
daß, wenn nicht wenigstens durch die geforderte Fi 
Besoldung der Beruf des Irrenarztes einiger 1. 


oder doch nur wenige wirklich geeignete Ärzte f, 
für diesen Beruf finden werden. Nur durch eine f, 
genügende Besoldung kann der Nachwuchs der? 
Irrenärzte auf einer Höhe gehalten werden, wie 
sie für diesen Beruf ganz besonders notwendig 4 
ist. E o 
Wir stellen diese Forderung nicht nur mfi 

Interesse unseres Standes, sondern vor allem im i 

Hinblick auf die Bedeutung der Irrenheilkund i $ 

und ihrer Ärzte für die Gesundheit des Volkes“ 4 

Bezüglich , des zu erwartenden Irrenfül- N i 
sorgegesetzes berichtete Baumann, Lands- A 
berg, über die vom Vorstand des Reichsverbands f 
erfolgten Schritte und Umfragen. Aus der Ver f 
sammlung heraus ergab sich bei der Aussprache: 1 
Es sei leider ziemlich sicher, daß im Preußischet 4 
Wohlfahrtsministerium ein Entwurf ausgearbeitet i 
sei mit Hilfe von Personen, die keine Gewähr i 4 
eine wirklich sachliche und ersprießliche Arbeit $ 
bilden. Es sei weiter anzunehmen, daß der se f 


heim gehaltene Entwurf als Material der Ri | i 


im Laufe des kommenden Winters ein Reichs: 4 
irrengesetz (nicht nur ein preußisches) als Vorlage 7 
an das Parlament gehen werde. Für den Fall, dab 
entsprechend früherer Zusagen Vertreter des 4 
Reichsverbandes von der Regierung zur Mitarbeit Bi 
an dem Entwurf zugezogen werden sollten, wit T 
den mehrere bekannte Vertreter unseres Berus I 


fis wurde als selbstverständliche Notwendigkeit 
Anerkannt, daß der Reichsverband in dieser Per- 
Aynenfrage nach Verständigung mit dem Vorstand 
ss Deutschen Vereins für Psychiatrie vorgehen 
nisse | | 

| Die Gefährdung der einheitlichen ärzt- 
#ichen Leitung der Anstalten nahm Hussels 
fam Gegenstand eines wichtigen Berichts. Er 
Fährte aus, daß neuerdings wieder aus einigen Lan- 
steilen teils von Verwaltungsbeamten, teils von 
Ahspektoren ausgehend Bestrebungen bekannt ge- 
Forden seien, eine Gleichstellung dieser Beamten 
nit den ärztlichen Direktoren herbeizuführen. Es 
Fsiien dementsprechende Eingaben bei den Behör- 
l den gemacht und Dienstanweisungen vorgelegt 
worden. Solchen Bestrebungen gegenüber müßten 
{vir unermüdlich auf die Gründe hinweisen, die in 


fihen ärztlichen Leitung so treffend dargelegt 
Asien. Die nächste Folge einer Gleichstellung. des 
Alerwaltungsdirektors mit dem ärztlichen Direktor 
„ Würden zudem beständige Kompetenzstreitigkeiten 
4 ind Bifersüchteleien sein, die den Betrieb erschwe- 
gen und die Stimmung aller, Beamter und Insassen, 
verderben würden; auch würde eine solche Gleich- 
Stellung nicht lange dauern, ganz von selbst würde 
Fir Verwaltungsdirektor, gestützt von seiner Be- 
Förde, die naturgemäß größeres Verständnis für 
f Verwaltungs- als für Fragen der Irrenpflege habe, 
{Wer den ärztlichen Direktor hinauswachsen. Alle 
f Čnrichtungen der Anstalt würden mehr. und mehr 
fch verwaltungstechnischen Normen gehandhabt 
4 Verden. Das Bestreben, den „srößtmöglichsten 
F Nutzetfekt”, wie es in den Eingaben meist heißt, 


ginehmend nach ihrer Arbeitsleistung zu 
| behandeln und zu bewerten. Aus der Straf- und 
| ernierungsanstalt alter Zeiten würde leicht ein 
1 istitut werden, das manche Ähnlichkeit mit einem 
f itbeitshause haben würde, besonders auch für den 
Außenstehenden. 
{® bald auf die veränderten Verhältnisse in den 
‚Anstalten aufmerksam werden; -die durch Jahr- 
| inte hindurch. geleistete psychiatrische Aufklä- 
f üssarbeit wäre völlig vergebens gewesen, und 
4 Itrenanstalt würde ohne weiteres eher für ein 
1 Deitshaus als für eine: Krankenanstalt angesehen 
Werden, Wenn die Verwalter im übrigen ihre For- 
[emng der Gleichstellung mit den Verhältnissen 
® den Anstalten für körperlich Kranke in Groß- 
i ülten begründeten, so sei das natürlich ganz irrig. 
[in enkenhäusern seien geistig Gesunde lediglich 
1. Jbjekt der körperlichen Behandlung, während 
n egen in Irrenanstalten geistig Defekte und 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Fin Richtlinien für die Notwendigkeit der einheit- 


g% erzielen, würde bald dazu führen, die Insassen‘ 


Die Öffentlichkeit werde natür- 


233 


nicht im Besitz ihrer freien Willensbestimmung be- 
findliche Kranke zum Zwecke ihrer Behandlung mit 
Arbeiten für die Anstalt und die Allgemeinheit be- 
schäftigt würden. Der Leiter einer solchen Anstalt 
könne nur ein Psychiater sein, und zwar ein Arzt, 


der mit gediegenem Fachwissen ein hohes Maß 


praktischer Erfahrungen verbinden müsse, das ihn 
in den Stand setze, Wesen und Zweck einer Anstalt 
für Geisteskranke wirklich‘ zu erfassen und sie 
demgemäß in ihren mannigfachen Beziehungen zu 
Behörden und Publikum verständnisvoll und wirk- 
sam zu vertreten, sie für ihre soziale Aufgabe ge- 
eignet zu erhalten und sie darüber hinaus den Er- 
fordernissen einer allgemeinen Irrenfürsorge dienst- 
bar zu machen. Diese Vorbedingungen seien bei 
einem Verwaltungsbeamten, selbst wenn er über 
die umfassendste Vorbildung und hohe Fähigkeiten 
verfügen sollte, ja nicht einmal bei den sich in erster 
Linie wissenschaftlich betätigenden Ärzten 
vorhanden. Der berufenste Leiter einer Irrenan- 
stalt sei vielmehr der in langjähriger Tätigkeit an 
groBen Anstalten herangereifte, mit ihr gleichsam 
grob gewordene, alle Zweige des Anstaltswesens 
mit seiner Erfahrung beherrschende Anstaltsarzt. 


-Nur die ärztliche Leitung der Anstalten gebe ferner 


die Gewähr, daß der Nachwuchs geeigneter Mit- 
arbeiter an den Aufgaben der immer weitere Kreise 
umfassenden modernen Irrenpflege erhalten bleibe. 

Die Frage, ob neue Amtsbezeichnun- 
sen von uns gewünscht werden und welcher Art 
sie sein sollten, hatte uns bereits seit Beginn dieses 
Jahres lebhaft bewegt, wenigstens in den preußi- 
schen Provinzen. Der Freistaat Sachsen war be- 
reits vor über Jahresirist mit einer Regelung vor-- 
gegangen in Form der Einführung des Regierungs- 
medizinalratess bzw. -Regierungsobermedizinal- 
rates. In anderen Landesteilen hatte man 
wohl die Bezeichnung in den Stellen geändert, 
aber nicht einheitlich; im. preußischen Regierungs- 
bezirk Nassau (Wiesbaden) war auf Antrag des 
Einzelverbandes der Einführung des „Rates” zu- 
gestimmt; aber verlangt worden, daß zuerst eine 
Einigung im Reichsverband und danach eine Ein- 
führung in allen preußischen Provinzen stattfinden 
möge. Bei Versuchen einer schriftlichen -Verstän- 
digung, die vom geschäftsführenden Vorstand aus 
in den preußischen Verbänden eingeleitet wurde, 
ergab sich zwar eine große Mehrheit dafür, dab 
neue Amtsbezeichnungen von uns gewünscht wer- 
den sollten — von den Verbänden, die eine Ände- 
rung der Amtsbezeichnungen nicht für angebracht 
hielten, wurde wenigstens kein direkter Wider- 
spruch erhoben —, eine einigermaßen brauchbare 
Finigung bezüglich der Abstufung und Art der 


234 
Amtsbezeichnungen wurde aber trotz Hin- und 
Herschreibens nicht erzielt; jeder Einzelverband 


hatte da einzelne Wünsche. Zuletzt fand ja ein 
brandenburgischer Vorschlag den meisten Beifall; 
aber einzelne Verbände waren sehr energisch ge- 
gen jede Abstufung, auch bei Übergang in höhere 
Besoldungsgruppen, und wollten da nicht nachge- 
ben. Es blieb also der Geschäftsleitung weiter 
nichts übrig, als vorläufig bei der Konferenz der 
preußischen Landesdirektoren den allgemeinen An- 
trag auf Einführung der Amtsbezeichnung „Medi- 
zinalrat” mit sinngemäßer Anwendung auf die ein- 
zelnen Gruppen, entsprechend dem Gebrauch bei 
anderen akademisch gebildeten Staatsbeamten, zu 
stellen. Die Aussprache ergab, daß man zunächst 
einmal die Bezeichnung „Rat? haben müsse ebenso 
wie die Staats- und Reichsbeamten; dann auch, 
daß man sozusagen von unten her damit anfangen 
müsse, schon mit Rücksicht auf die Einreihung in 
die einzelnen Besoldungsgruppen, die man errei- 
chen wolle; es sei daher der „Medizinalrat’ gleich 
bei der festen Anstellung (wie bei den Gerichts-, 
Studien- und anderen Räten im Staate) zu verlan- 
gen, und auch vor dem Obermedizinalrat dürfe 
man deshalb nicht zurückschrecken, alle diese Be- 
zeichnungen in Verbindung mit den Vorsilben 
„Landes”; demgemäß wurde folgende Eingabe an 
Landesdirektoren und Provinzialausschüsse be- 
schlossen: | 

„Auf Grund eines Beschlusses des Reichsver- 
bandes beamteter deutscher Irrenärzte in seiner 
Hauptversammlung am 23. September 1922 in 
Leipzig bitten wir ergebenst, für eine zeitgemäße 
Änderung der Amtsbezeichnungen der beamteten 
Irrenärzte Sorge tragen zu wollen. 

In sinngemäßer Anwendung der Amtsbezeich- 
nungen im Reich — wie sie z. B. bei den Studien- 
räten, Amtsgerichts- und ‚Landgerichtsräten üb- 
lich sind — auf solche Bezeichnung bei den Irren- 
ärzten dürfte zunächst für alle fest angestellten 
Provinzialärzte die entsprechende Seramin 
„Medizinalrat” sein. 

In gleicher Weise würden die ala 
nungen in den Beförderungsstufen denen der Be- 

- amten im Reich und in den Einzelstaaten anzu- 
- passen sein. 
| Der Reichsverband beamteter deutscher 

Irrenärzte ist bereit, Vorschläge über die Amts- 

bezeichnungen in den Aufrückungs- DZW. Beiör- 

derungsstufen zu machen.” 

Für den Fall weiterer Verhandlungen wurde 
folgender Vorschlag dem Vorstande aufgegeben: 
„Landesmedizinalrat” bei fester Anstellung, „Lan- 
desobermedizinalrat” bei Übergang in Gruppe 12, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


die Een der Einzelverbände and 


Snas ade 
ee 


[Nr. T 


„Landesmedizinaldirektor” für Direktoren von 
Vollanstalten, „Landesmedizinalreferent” für wf h 
sere Vertreter bei den Behörden. 3 ; 
Es wurden sodann einige Initiativanträge von? i 
Einzelverbänden erledigt. Angenommen wurde i ; 
von diesen ein Antrag Hannover über Dienst- 
wohnungen und demgemäß an idie Lande-4 
direktoren usw. folgende Eingabe beschlossen; $ 
„In den einzelnen preußischen Provinzen ua i 

in letzter Zeit bei Versetzung von Ärzten an at- 4 
dere Anstalten den Ärztefamilien nicht ausre- 
chende Wohnungen zugewiesen worden; auch hf 
man in dem Bestreben, die Wohnungsnot zu mil-# 
dern, in unteilbaren Ärztewohnun 
sen Familien untergebener Anstalts- 
beamter (Pilegerfamilien) untergebracht, was 
natürlich leicht zu Unzuträglichkeiten führen md 
Der Reichsverband beamteter deutscher 
Irrenärzte hat deshalb in seiner Hauptversamn $ 
lung am 23. September 1922 eine allen Landes- f 
direktoren und Provinzialausschüssen zu über- 4 
mittelnde Entschließung folgenden Inhalts ange: f 
nommen: 2 a 
Der Reichsverband beamteter deutscher 4 
Irrenärzte hält es für dringend erforderlich, dal’ i 
die den beamteten Irrenärzten von ihrer vorge | 
setzten Behörde überlassenen Dienstwohnungel’ | 
den Anforderungen entsprechen, die eine stat |; 
l 
d 


deswürdige Unterbringung der Ärzte und. ihrer | 
Familien unter Berücksichtung der Eigenart des 4 
irrenärztlichen Berufs unbedingt ze wahr 
Insbesondere dürfen den Ärzten: bei Versetzuük® 
gen,. durch die sie bei den derzeitigen Verhält A 
nissen ja schon ohnedies stark belastet vii 
nicht noch durch die Unterbringung in wa 
reichenden Wohnungen erhebliche Nachteile 4 ej 
wachsen.” i i 
Auf Antrag Hessen-Nassaus soll eine Eo 


Eingabe an die preußischen Landesdirektoren übe 


dem Woa l 
„Der. Reichsverband beamteter ousi | 
ee hat es nach einer Aussprache wg 


=. 
Sanaa 


TET ENTS Mt 

en ie En, I 
Ba 

N ie Ea e rE ES OES NEST -23 

er ag paa A: ae a n ne FE A N E EAT A a A IR 


Sr Ar Ze 
s ER A a 
©” āga mr ae M OG O 


1922. in e annie für S inschensi f 
erklärt, daß offizielle Vertreter der in jeder Pre 
vinz vorhandenen Standesorganisation der % 
amteten Irrenärzte zu den von den Landeshauß ; 
leuten einberufenen Konferenzen der Ansu 
direktoren zugezogen werden, auch wenn die A \ 
zu vorgeschlagenen Persönlichkeiten nicht pirer : ; 
toren sind. F 


È. 
f 


| 


N 
J 
y 


1922] 
$ Dieser Wunsch wurde damit begründet, dab 
F cs keine Dinge mehr in der Leitung der Irren- 
f anstalten gebe, die für die anderen Ärzte nicht 
fuch von Belang seien, daß es außerdem sehr 
4 vieles gebe, was auch vom Standpunkt der wirt- 
4 schaftlichen und Standesinteressen aller Irren- 
F ärzte betrachtet und erörtert werden müsse, und 
F bei dessen Beratung also die Anwesenheit offi- 
4 zeler Standesvertreter neben den Direktoren 
2 unbedingt geboten sei. 

4 Der Vorstand des Reichsverbandes  be- 
A amteter deutscher Irrenärzte bittet daher er- 
F gebenst, künftig die betreffenden Provinzialirren- 
f ärzteverbände gegebenenfalls aufzufordern, einen 
4 oiliziellen Vertreter für derartige Direktorenkon- 
F frenzen vorzuschlagen und abzuordnen.” 

4 Es bleibt nun noch zu berichten über das Er- 
fnis dr Vorstandswahl. Nach den Sat- 
Zungen mußte die Neuwahl des ganzen Vorstandes 
Moolen. Außerdem hatte Rautenberg, Hamburg, 
{nmen Sitz im Vorstande niedergelegt. . Römer, 
C karlsruhe, hatte gebeten, von seiner Wiederwahl 
güzusehen, da er nach Übergang in seine Stellung 
Zi Medizinalreferent im Badischen Ministerium 
is Innern nur noch außerordentliches Mitglied des 
MBadischen  Einzelverbandes sei. Der Vorstand 
Fonnte sich den Gründen beider Herren nicht ver- 
Asließen und mußte empfehlen, an ihrer Stelle 
za alle Fälle neue Wahlen vorzunehmen. Auch 
f sei beiden Herren, die sich bei der Gründung 
f is Reichsverbandes sowie später durch unermüd- 
che Mitarbeit im Vorstand große Verdienste um 


k 
17 
| 
! 
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EA See a 


= — Reichsverband. 

„~ Anderung der Reichs-Gebührenordnung 
Eisen und Sachverständige (Ges. v. 13. März 
4) Durch Gesetz vom 24. Oktober 1922 bekommt 
w Sachverständige vor Gericht für Zeitversäumnis 
3 3) 180 M für die angefangene Stunde, bei besonders 
Wierigen Leistungen bis 240 M. — Als Reiseent- 
Mädigung bei Fußweg erhält der Sachverständige 2M 
Bes angefangene Kilometer des Hin- und Rückwegs 
y n Als Aufwandsentschädigung ($ 8) werden je Tag 
onders teuren Orten (§ 15 der Reisekostenverord- 
E vom 14. Oktober 1921 R.G.Bl. S. 1345) bis 480 M, 
a bis 350 M gewährt, als Übernachtungsgebühr den 
"gemessenen Betrag, der glaubhaft gemacht ist.“ 
Rein. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Es wird dringend gebeten, von Vorträgen und Aufsätzen immer recht 
bald einen druckiertigen Eigenbericht an die Schriftleitung zu senden. 


‚238 


unsere Sache erworben haben, nochmals unser 
herzlicher Dank ausgesprochen. Vorstand wie 
Ausschuß waren sich, wie die Aussprache ergab, 
einig darüber, daß man unbeschadet des Wortlauts 
der Satzungen, den man bestehen lassen wolle, zu 
vermeiden suchen’müsse, daß durch irgendwelchen 
Umstand der ganze Vorstand auf einmal neu ge- 
wählt werde; es ist klar, daß unter einer solchen 
völlig neuen Vorstandswahl die ganze Geschäfts- 
führung und die notwendige Stetiekeit im inneren 
Gefüge sehr leiden würde. Es wurde - daher be- 
schlossen, für dieses Mal, und bei Bewährung des 
Systems auch späterhin, einen Teil des Vorstandes 
für zwei Jahre, einen anderen für ein Jahr zu wäh- 
len, so daß künftig zwar alle Jahre neu gewählt 


werden muß, dann aber nur die Hälfte des Vorstan- 


des. Die Wahlen selbst wurden durch Zuruf voll- 
zogen, und zwar wurden an Stelle der beiden Aus- 
scheidenden die Oberärzte Enge, Lübeck, und Mat- 
thes, Wiesloch, auf zwei Jahre gewählt. Die 
eigentliche Geschäftsführung wurde wiederum auf 
zwei Jahre Landsberg anvertraut mit Baumann als 
Vorsitzendem und Hussels als Schriftführer. - Für 
ein Jahr wiedergewählt wurden Maaß, Dösen, 
Schatzmeister; Köster, Düren, Kundt, Deggendorf, 
und Schneider, Goddelau, als Beisitzer. 

Nach Worten des Dankes an die Leipzig-Döse- 
ner Herren, die in liebenswürdiger Weise für Un- 
terkunit und äußere Gestaltung unserer Tagung 
gesorgt hatten, desgleichen an die Tagungsleitung 
konnte nachmittags 5 Uhr die Versammlung ge- 
schlossen werden. 


Mitteilungen.- 


— Gesellschaft für experimentelle Psychologie. Der 
8. Kongreß für experimentelle Psychologie findet am 
17. bis 20. April 1923 (Montag, den 16. April Begrüßungs- 
Abend) zu Leipzig statt. 

Folgende Sammelreferate werden erstattet werden: 
O. Selz: Über die Persönlichkeitstypen und die Me- 
thoden ihrer Bestimmung. Dazu ein Korreierat von 
R. Sommer. J. Cohn: Geschlecht und Persönlichkeit. 
W. Peters: Vererbung und Persönlichkeit. F; Krüger: 
Der Strukturbegriff in der Psychologie. | 

Es wird gebeten, Anmeldungen von Vorträgen 
Herrn Prof. Dr. Felix Krüger, Leipzig, Liviastr. 6, zu- 
kommen zu lassen, dagegen Anfragen betreffend Woh- 
nung u. dergl. an Herrn Prof. Dr. Otto Klemm, Leipzig, 
Schwägricherstr, 5, zu richten. 


ha - 1923 ist pünktlich erschienen. 


236 


Die Jahresbeiträge, welche die Mitglieder unsrer 
Gesellschaft vom Jahre 1923 ab zu zahlen haben, sowie 
die Beiträge, welche die nicht zu unserer Gesellschaft 
gehörigen Kongreßteilnehmer zu entrichten haben, wer- 
den erst später festgesetzt werden. 

Behufs Erleichterung der Reise wird mitgeteilt, daß 
bei allen Veranstaltungen des Kongresses das Erschei- 
nen im Reiseanzug genügen wird. | 

RAZ Prot: Dr. GRE -Mulher 


— Zur Besoldungsirage: Die Vereinigung deutscher 
Kommunal-, Schul- und Fürsorgeärzte hat auf ihrer 
diesjährigen Jahresversammlung in Frankfurt a M. am 
13. September 1922 bezüglich der Besoldung der haupt- 
amtlichen Ärzte im Kommunaldienst Beschlüsse gefaßt, 
die als Parallele zu den Beschlüssen des R.-V. hier mit- 
. geteilt seien: | | 

Die Besoldung der Kommunal-, Schul- und Für- 
sorgeärzte ist einheitlich für das ganze Reich zu regeln. 

Nur Ärzte in assistierender unselbständiger Tätig- 
keit sind nach Gruppe X zu besolden mit Aufstiegsmög- 
lichkeit nach Gruppe XI. . 

Versehen Schul- oder Fürsorgeassistenzärzte im 
Hauptamt selbständig und in vollem Umfange schul- 
oder fürsorgeärztlichen Dienst, so sind sie wie haupt- 
amtliche Schul- oder Fürsorgeärzte nach Gruppe XI zu 
besolden. Er 

Selbständig tätige Kommunal-, Schul- und Für- 
sorgeärzte im Hauptamte sind mindestens nach Gehalts- 
gruppe XI zu besolden bei Aufstiegsmöglichkeit nach 
Gruppe XII. 

Leitende Kommunal-, Schul- und Fürsorgeärzte in 
größeren Gemeinden und ärztliche Leiter von Gesund- 
heitsämtern sind in Gruppe XII oder XIII einzureihen. Sie 
- sind jedenfalls den auf Grund einer besonderen fachtech- 
nischen Vorbildung oder Bewährung berufenen Dezer- 
nenten oder Vorständen der technischen Ämter gleich- 
- zustellen. 

Für den Beginn des Besoldungsdienstalters ist die 
Approbation maßgebend. Rein. 


Buchbesprechungen. 


— Paul Börners Reichsmedizinalkalender für 
Der Hauptband brinst 
wieder die Anwendung, Dosierung und Arzneiform -der 
gebräuchlichen, der neu eingeführten und der in dem 
Arzneibuch für das Deutsche Reich (5. Ausg.) 1910 ent- 
‚haltenen Heilmittel: von Prof. Dr. Straub und einige kurz- 
geiaßte wichtige Abhandlungen. Das Beiheft enthält in 
neuer Bearbeitung wiederum die Verzeichnisse der ver- 
schiedensten Heil- und Kuranstalten und Kurorte, die 
Daten und Tabellen für die Praktiker usw.. Tages- 
‚kalendarien für die einzelnen Quartale sind beigegeben. 

— Lomer, Dr. Georg, Nervenarzt:- Charakter 
und Gesundheit im Spiegel der Schrift. 1. bis 5. Tausend. 
Siegmar-Chemnitz, Verlag „Das Wissen dem Volke”, 
Otto Uhlmann. -=s ns | 

Eine treffliche Aufklärungsschrift, die sich von 
Übertreibungen in der Deutung frei hält, wenn auch 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Na: i ; Hinweis W F 
auch Geisteskrankheiten, sonderlich unter HinweB ~~ 


"In OE Tr 
S t4 naw 
en 

> E | al 
T ai i 
4 ; 
RA y 


{ 


[Nr. 35 


manches noch nicht als so allgemein gültig zu betrachten i 
ist, wie es scheinen mag. Die 103 Schriftproben sind. i 
recht gut gewählt. EN 
Verf. nennt unter den Hilfsmitteln zwar die Lupe fi 

und erwähnt ihre Anwendung in einem besonderen N 
Falle. — Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit emp- Mit 
fehlen, das Mikroskop zu benutzen, indem man auf I 
einen Obiektträger schreiben läßt und die Schriftzüge, Mi 
eventuell nachdem sie getrocknet, bei starker Vergröfe- Ali 
rung untersucht. Ich habe dabei den sonst scharfen At 
geraden hellen Saum des Strichs an einzelnen Stellen I 
wellig gesehen, wo dies mit schwacher Vergrößerung ji 
noch nicht zum Vorschein kam oder nur undeutlich, Es $u 
ist z. B. nicht unbeachtlich, bei welcher Strichrichtung $i 
das Zittern oder die Ataxie auftritt, ob bei den Beugen yi 
oder Streckern oder Seitwärtsbewegern. Man mub W 
natürlich eine sehr feine weiche Zeichenfeder benützen $i 
Tinte bestens filtriert. ek 
Jedenfalls führt die Untersuchung der Schrift 
dem Mikroskop ein nennenswertes Stück weiter. $ 
= Bresler. $i 

— Ponndorf, San.-Rat Dr. med. Wilhelm: Die‘ i 
Heilung der Tuberkulose und ihrer Mischinfektionei 4 
(Skrofulose, Rheumatismus, Basedowkrankheit u. a) N 
durch Kutanimpfung. Weimar 1921. Fi 
Die ältesten Veröffentlichungen über das in dieso 
Buche eingehend erörterte Verfahren gehen zurück b $ 
zum Jahre 1914. Man sollte daher annehmen, es müble 
schon weit mehr, als es leider der Fall ist, in wisse" 
schaftlichen Kreisen verbreitet sein. Wie weit es indes’ 
sen doch den Ärzten Deutschlands bekannt und vertrauti 
ist, beweisen das von dem Sächsischen Serumwerk 11% 
Dresden A. 5, Löbtauer Str. 5, herausgegebene Literar 
turverzeichnis und besonders der Bericht über die Ver? 
handlungen auf der am 27. November 1921 in Wem 
abgehaltenen Versammlung über die bisherigen Ertal- $ 
rungen mit der Hauptimpfmethode Ponndoris von Dr. y 
med. W. Böhme, Dresden, in dem zwölf Referenten und r 
außerdem 19 Diskussionsredner ihre eigenen Ergebnisse M 
vortrugen und austauschten, darunter nur zwei Kolle: 3 
gen aus Erfurt, welche keine oder Mißerfolge gehabt wA ; 
haben behaupteten. I 
Das Buch Ponndorfs giebt in der Einleitung die 5° 7 
schichtliche Entstehung der jetzt üblichen Kutanimpiuns: 
welche dann in dem Abschnitt Hautimpfung ausführlil 
beschrieben wird. In dem ersten Teil des Buches nein g 
men die für die Behandlung mit der Kutanimpfung gern 
neten Krankheitsformen der Tuberkulose einen berechtis 
ten großen Abschnitt ein. Unter diesen sind vor allem wo 
im zweiten Teil ausführlich besprochenen Mischinfektiond! : 
d. h. solche mit Tuberkulose- und anderen Krankheit 4 i 
erregern, namentlich Strepto- und Staphylokokken. Eo 
diesen will ich besonders die Nervenentzünduns, Jschias 


de. 

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das Referat von Ford Robertson-Edinburg: Piek Bi 
bei Dementia praecox im Januarheft 1922 dieser e | 
schrift, Hysterie, Streptokokken-Epilepsie und mo 
dere auch die Arteriosklerose als Ursache Zu Geiste 3 1 
störungen hervorheben. 4 


=: 
> 


4 Die Anwendung der Impfung ist so einfach, trotz 
i ılweise sehr heftigen Gegenäußerungen des erkrankten 
Pipers immer ohne nachbleibenden Schaden vor- 
#irrgehend, so daß in allen -nur einigermaßen geeig- 
Akten Fällen mindestens ein Versuch mit der Immunisie- 
| ng des Kranken durch Erzeugung von Antitoxinen in 
; kr Haut des Geimpiten gemacht werden sollte, welche 
; i einer sechs- bis acht- ausnahmsweise zehnmaligen 
Aiderholung in nicht allzuweit vorgeschrittenen Fällen 
1 meichbar ist. 

7 Die Methode hat vor allem den großen Vorzug der 
l Hligkeit, dazu erreicht sie die Immunität gegen Anstek- 
: ing mit Tuberkulose und mancherlei anderen allerorts 
AR breiteten Krankheitserregern in kurzer Zeit, so dab 
1 Hr hoffen können, mit diesem immer noch neuen Heil- 
1 Wahren die größte Volksseuche, die Tuberkulose, er- 
gi ilkreich in ihrer Auswirkung zu beschränken, wie es 
gi Jennersche Pockenimpfung bei den Schwarzen Blat- 
1 im erreichte. 

$ Ichhoffe, daß besonders die Herren Anstaltsärzte, wel- 
fitam Besten in der. Lage sind, die tuberkulösen Pileg- 
fie regelrecht zu impfen und genau zu beobachten, 
fwi nun an recht reichlichen Gebrauch besonders bei 
fixchen Fällen von Psychosen, sonderlich beginnenden 
1 üiktankungen an Dementia praecox machen werden. 
= die Privatpraxis bietet reichlich Gelegenheit. Je- 
fe Versuch aber, das ist die Überzeugung der Ärzte, 
1 elche sich eingehend mit der Ponndorfschen Impfung 
Ahtapt haben, wird zur Erweiterung der Anwendungs- 


Üsichtspunkte der Wirkung der Toxine -der im Blute 
i Itisenden Krankheitserreger, seien dies nun Bazillus 
i Niherkulosis, Streptokokkus pyogenes aureus oder 
1 As, Erysipelas, Diphtherie, Pneumokokkus u. a. m. 

| Ich empfehle, von dem Sächsischen Serumwerk in 
Í itesden. A. sich zunächst das Blatt „Die spezifische Tu- 
ee: Ponndorf” und, wo die ortsstän- 


Por 


Her tür sn in Haarröhrchen kommen . zu 
issen, gleichzeitig mit zwei oder drei der sehr prak- 
chen Doppelimpflanzetten. Ich ziehe eine kleine leicht 
| (ölihbare Platiniridiumlanzette vor, wie sie die Kriegs- 
[een Truppenärztebestecke enthielten, um die etwa 
E lie bis 5 cm langen, dicht nebeneinander. gleichlaufen- 
ja Schnitte auszuführen, welche die Hornschicht der 
fia gerade durchdringen sollen, so daß eine ganz ge- 
[ie Blutung eintritt. 

Eo y Blomberg, Weimar, ehemals Kosten, Posen. 

| Bartsch, Karl, Hilfsschullehrer in Leipzig: Das 
j tologische Profil. Eine Anleitung zur Erforschung 
„ ychischen Funktionen des normalen und anorma- 
Ende. 62 S. Mit 101 Abbildungen im Text und auf 
A Testtafel in zwei Exemplaren. Halle a. S., 1922, 
gr | Marhold Verlagsbuchhandlung. M. 25,00. 

Eine außerordentlich gründliche, wissenschaftliche 


k 
i oip bei schwachbefähigten Kindern zu ermitteln (cf. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


| krankungen der Bauchhöhle. 
Mglichkeiten und ihrer Erfolge führen immer unter dem 


5 I tische Verarbeitung der von Bartsch abge-. 
en Methode Rossolimos, das „psychologische - 


237 


Rossolimo, Sommers Klinik für psych. u. nèrv. Krank- 
heiten VI 3, VII 1, VII 2, Carl Marhold Verlagsbuch- 
handlung Halle a. S.). An zehn Beispielen ist die nach 
dem Leben durchgeführte Methode geschildert. Das 
Buch von Karl Bartsch darf in keiner Schule, auch in 
keiner Normalschule fehlen. 

— Frenzel, Franz, Hauptlehrer- und Leiter der 
städtischen Hilfsschule in Stolp i. Pommern, Her- 
ausgeber des Hilfsschulkalenders: Die Sprachpflege in 
der Hilfsschule. Sprache, Sprachstörungen, Behandlungs- 
methoden, Artikulations- und Schwerhörigenunterricht. 
Zweite vervollständigte Auflage. 104 S. Mit 14 Abbil- 
dungen. Halle a. S., 1922, Carl Marhold Verlagsbuch- 
handlung. M. 13,00. 

— Derselbe: Die Hilfsschulpädagogik, Hilfisschul- 
erziehung, Hilfsschulunterricht und Hilfisschulfürsorge. 
Zweite vervollständigte Auflage. 116 S. Halle a. S., 
1922, Carl Marhold Verlagsbuchhandlung. M. 14,00. 

Das Erscheinen einer zweiten Auflage beweist, daß, 
wie nicht anders zu erwarten war, F, Frenzels gründ- 
liche und rührige Arbeit und Forschung auf diesem Ge- 
biet mit bestem Erfolg gekrönt ist und nicht bloß vollste 
Anerkennung, sondern auch weit und breit reiche Nutz- 
anwendung findet. Es steht zu hoffen, daß unter seiner 
weiteren ‘Führung das Hilfsschulwesen sich fernerhin 
bestens entwickeln wird. 

— Kehl, Prof. Dr. med. Hermann: Die durch 
tierische Parasiten hervorgerufenen chirurgischen Er- 

Halle a. S. 1922, Carl 
Marhold Verlassbuchhandlung. Grundpreis 1,00 M, 
Schlüssel zurzeit 100, 

Bei der Neigung mancher Geisteskranken, alles Mög- 
liche in den Mund zu bringen, ist es erklärlich, daß 
Darmparasiten bei ihnen besonders häufig vorkommen. 


Die vorliegende Schrift unterrichtet trefflich und über- 


sichtlich über die Folgezustände der daraus entstehen- 
den Erkrankungen und gibt manche diagnostische Finger- 
zeige. 


| Therapeutisches. 


— Über die Anwendung von Flavicid in der Derma- 
tologie. Von Dr. C. Kallmann, 
Klinik. Aus der Privatklinik für Haut- und Geschlechts- 


krankheiten von San.-Rat Dr. R. Ledermann, Berlin. 


Med. Klinik 1921 Nr. 49. 

Zusammenfassung: Flavicid eignet sich infolge seiner 
hohen Desinfektionskraft bei völliger Reizlosigkeit be- 
sonders zur Behandlung aller Arten der Pyodermien, 
nässenden rhagadiformen und intertriginösen Ekzeme. 
Es zeichnet sich ferner aus durch seine Fähigkeit, näs- 
sende Hautstellen schnell zu epithelialisieren und auszu- 
trocknen, und durch seine Wirksamkeit auf schmierige 
Granualtionen. 

— Luminal gegen andauerndes Schlucken. Von Dr. 
Th. E. Heß, Thaysen. Ugeskrift for Laeger 1922 Nr. 10. 

In mehreren Fällen von hartnäckigem Singultus, wo 
Morphin und Chloral erfolglos waren, wurde Luminal 
mehrmals täglich 0,15 g, abends 0,2 g verordnet mit dem 


Assistenzarzt der 


.. en 
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238 - PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT INr. 35) 


Erfolg, daß das Schlucken aufhörte und die Kranken ein- — Haustechnische Rundschau. Zeitschrift für Hais 
schliefen. Nach dem Erwachen trat das Schlucken und Gemeindetechnik. Halle a. S., Carl Marhold Ver 
nur noch selten auf, um nach einer weiteren Luminalgabe lagsbuchhandlung. | 
ganz zu verschwinden.. Es wird dahingestellt, ob das Aus dem Inhalt der letzten Hefte: Heft 13: Über di ia 
Luminal entsprechend seiner Wirkung bei genuiner Epi- Umtriebsdruck in Warmwasserheizungen,. — 24, Haupt 
lepsie auch auf den Krampfzustand des Zwerchfells bei versammlung des Verbandes der Centralheizungs-Indt 
Singultus einwirkt, oder der Erfolg durch die Schlafwir- strie e. V. im „Stadtpark Cassel” vom 25.—27. Septembe 


kung entsteht. (Die Meinung des Verf.s, Luminalanwen- 1922. — Nr. 14: Die Einstellung der Zentralheizung a 
dung gegen Singultus sei vorher noch nicht erwähnt, unsere Sg Kesselsteinverhütung und -beseitigung 
ist indessen nicht zutreffend. Es sei z. B. auf die Mit- — Nr. 15: Die Ausbildung von Heizkesseln unter Berid 
teilung von Stockmaier in Nr. 16 der Münch. med. der. inländischen Brennstofiverhältnisse, * 


Wochenschr. 1919 verwiesen.) Technische Richtlinien für die Anwendung des $ 134 
Reichsmietengesetzes. | 


Personalnachrichten. Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schi 


— Wiesloch, Baden. Dr. Erich Bersch aus Mann- leitung resp. den Verlag über redaktionell 
heim wurde am 21. August 1922 als Hilfsarzt hier ein- Fragen das Rückporto beizufügen. 
gestellt. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres l4tägig in Doppelnummern, E 
Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. E 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. a 


TOILETTESEIFEN, 
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1; Schriftleiter: Sanitätsrat. Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


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Dritte durchgesehene Auflage. 
Mit 12 Abbildungen. | 
Preis auf Anfrage beim Verlag 7 


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-m 


ATILAN 


lich beschriebenen Versuchen die mit 
allen Mitteln wissenschaftlicher For 
schungsarbeit durchgeführt wurde 
hat der Verfasser das ganze Gebitt 
der Telepathie und des Hellsehen 
umschritten. Neben der Darstellwigi 
telepathischer Experimente mil im 7 
ohne Gegenstand, von Gehörsüber 
tragungen, kryptoskopischen Ve 
suchen, Lesen aus geschlosseikli 
Briefen, Auffinden verborgener Gea 
genstände, Fernsehen, Hellsehen ma 
kroskopisch kleiner Dinge, Hellseieii 
in die Vergangenheit und Hellseltl? 
in die Zukunft gibt der Verfasst 
ausführliche, auch dem Laien Vemi 
ständliche Erklärungen, soweit dies! 
Fragen der Erklärung -bereits zugats 
lich" sind. Der Verfasser verpilioit l 
sich, dem Ersten, der unter pesii 
ten Bedingungen einige von Mm n i 
bestimmende Versuche der in sein d 
Buche geschilderten Art nachweishi 
ohne okkulte Fähigkeiten durch E 
schenspielerische oder damit be 
gleichbare Kunstgriffe und Geschic 
lichkeiten auszuführen vermas = 
Summe von 20.000. M auszuzahlen” i 


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er tritt also. für die Unantastbarke" 
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men, sondern auch mit Se 
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Psychiatrisch- -Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschlieBlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


| | Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
| birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
I Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen ` 
Frl), Geh. Med.-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
- Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
IF Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen. Reg.-Rat Dr. Starlinger, 


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| Mauer- Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir: Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H: Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
® Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorfi, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 
Schriftleiter: 
A Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
ı Nr. 37/38. 16. Dezember 1922/23. 


| Bezugspreis: 
I M 50,— für Monat Dezember, 
I Postüberweisungsgebühr. 


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zuzügl. 


I | Bezugspreise nach dem Auslande: 


| Für den vollständigen Jahrgang, ein- 
| schließlich Portokosten: Belgien Fr. 32, 
|| England sh. 14, Dänemark Kr. 14, Frank- 
| Teich Fr. 32, Japan Yen7, Italien Lire 40, 
Ni Luxemburg PrE 32, Niederlande fl. 8, 
| Norwegen Kr. 16, Schweden Kr. 12, 
Spanien Pes. 16. Schweiz Fr. 16, Ame- 
ji Dollar 4, Tschech.-Slov. Kr. 


kämpfung in der Irrenanstalt. 


Ekretion. Von Priv.-Doz. Dr. 


p aneen. (S. 250.) — Referate. 


p ekümmerten Herzens hatten Eingeweihte seit 
langem um das traurige Geheimnis gewußt, 
die Tage Heinrich Obersteiners gezählt seien. 
Mh unerwartet, aber noch immer viel zu früh 
ind viel zu. schmerzlich erklingt nun die Kunde, 
u er am 19. November 1922 einem Herzleiden 
Megen ist, daß die so unsagbar gütig blickenden 
[feen in dem prachtvollen Gelehrtenkopfe für 
3 er geschlossen sind. _ | 

Die trockenen biographischen Daten: Ar 13. 
Äovember 1847 in Wien geboren, aus einer ange- 
henen Ärztefamilie stammend, 1865 am Wie- 
j kr Schottengymnasium „mit Auszeichnung” matu- 
Mt an der Wiener medizinischen Fakultät 1870 
Nomoviert, 1873 für Anatomie und Physiologie des 
Arius, 1898 Ordinarius, 1896 Hofrat usw., wie 
!bersteiner 1882 das neurologische Institut an der 
ine Universität gründete, wie er aus mehr als 


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Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 
Halle-a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 
Telegramm-Adresse: Marhold Verlag Hallesaale 
Postscheck: Leipzig 32070. | 


Wilhelmstraße 28. | 


Inhalt: Heinrich Obersteiner * Von Dr. Alexander Pilcz, Wien. 
| Von Reg.-Med. -Rat Dr. Künzel. 
Heinrich Fischer, Gießen. Fortsetzung. 

der Untersuchungskommission der Psychologischen Gesellschaft in Berlin. 


— Personalnachrichten. 


ttrainervensystems habilitiert, 1880 Extraordi- 


Zu beziehen durch jede Buchhandlung, 

die Post und unmittelbar vom Verlage. 

Erscheint bis auf weiteres vierzehn- 
tägig in Doppelnummern. 

Zuschriften für die Schriftleitung sind 

an San.-Rat Dr. Bresler in Kreuzburg 

(Ob.-Schl.) zu richten. Bei Anfragen ist 
das Rückporto beizufügen. 


Alleinige Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin SW. 48, 


(S. 239.) — Zur Frage der Tuberkulosebe- 
(S. 242.) — Psychiatrie und innere 


HEINRICH OBERSTEINER + 


(S. 244.) -— Bericht über das Ergebnis 
Von Dr. med. Paul Sünner. (S. 248.) 
(S. 250.) — Buchbesprechungen. (S. 250.) Wirtschaftliches. (S. 252.) 
(S. 252.) 
Von Dr. Alexander Pilcz, Wien. 
primitiven Anfängen heraus, unter den größten 


persönlichen Opfern (nicht zuletzt auch rein peku- 
niärer Art), allen schier unüberwindlich sich: auf- 
türmenden bureaukratischen und fiskalischen Hin- 
dernissen und Schwierigkeiten zum Trotze diese 
seine ureigenste Schöpfung immer weiter ausge- 
staltete zu einem Institute, dem aus allen Welt- 
eegenden Gelehrte, Ärzte und Studierende zu- 
strömten, wie er ihm endlich moderne Räumlich- 
keiten und Arbeitsmöglichkeiten geschaffen, seine 
ganze, einzige dastehende Bücherei schenkte, wie 
dieses Institut im Rahmen der internationalen Asso- 
ziation der Akademien zum österreichischen Zen- 
tralinstitute für Hirnforschung geworden, jener inter- 
nationalen Assoziation, deren Brain-commission zu 
ihrem Vizepräsidenten Obersteiner auserkoren 
hatta; — die große Zahl äußerer Ehrungen (er war 
einer der wenigen Ehkrendoktoren der Universität 
Oxford, korrespondierendes Mitglied der Akademie 


240 


der Wissenschaften in Wien, Ehrenmitglied medi- 
zinischer Gesellschaften zu Tokio, Paris, London, 
New York, Petersburg usw. usw., des deutschen 
Vereins für Psychiatrie, Ehrenpräsident des Wiener 
neurologisch-psychiatrischen Vereins, dessen Präsi- 
dent er seit 1902 gewesen, Mitglied der Leopold- 
Karol. Akademie), von Ordensauszeichnungen 
(Komtur (des Stanislausordens, Mediidie, Danebrog 
usw.) — die imponierende Anzahl wissenschaft- 
licher Arbeiten,‘) welche die erstaunliche Vielseitig- 
keit dieses Forschers beleuchten; 
tes, bereits ins Englische, Russische, Französische 
und Italienische übersetzte Lehrbuch mit dem be- 
scheidenen Titel ‚Anleitung beim Studium des 
Baues der nervösen Zentralorgane im gesunden und 
kranken Zustande” (fünf Auflagen): — all: das 
wurde ja oft schon in glücklichen Stunden erwähnt 
und hervorgehoben, bei festlichen Gelegenheiten, 
wenn dankbare Jünger zusammentraten, um ihren 
geliebten Lehrer zu feiern; wiederholt hatte uns 
die kundige Feder seines Lieblingsschülers und 
Nachfolgers Marburg den Werdegang Obersteiners 
vor Augen geführt, und war auch bemüht gewesen, 
so weit dies überhaupt Worte vermögen, ein Bild 
des unvergleichlichen Zaubers zu entwerfen, der 
von dem Menschen Öbersteiner ausgegangen 
war. „In ihm finden wir noch jenes hochkultivierte 
Wienertum verkörpert, das neben universellem 


Allgemeinwissen und tiefgehender Gelehrsamkeit 


das rein Menschliche nicht vergessen hat und den 
Schwächen anderer wohlwollendes Verständnis 
und väterliche Güte entgegenbringt.’” Mit diesen 
Worten feierte noch 1917 Marburg den 70 jährigen 
- Altmeister in einem Aufsatze, der mit dem Aus- 
spruche beginnt: „Wenn auch der Weltkrieg un- 
ermeßliche Kulturwerte zerstört hat, eines konnte 
‚er nicht ganz vernichten, die Dankbarkeit . i 
Auch ich will heute nicht von dem Gelehrten, 
sondern von. dem Menschen Obersteiner reden. 
Was er als Forscher bedeutete, weiß jeder Fach- 
mann, und die allgemeine Anerkennung, welche er 
als Gelehrter gefunden, spiegelt sich wieder in der 
flüchtigen, keineswegs vollständigen Aufzählung 
all der Ehrungen, die er erfahren, seine wissen- 
schaftliche Bedeutung in dem Verzeichnisse der 
wichtigsten seiner Arbeiten. Der Name Ober- 
. Steiner hatte in der gesamten Fachwelt ehrfurchts- 
gebietenden Klang. Allein, Ehrfurcht flößten viele 
Geistesheroen ein, nicht Allen war es dagegen ver- 
gönnt, auch innige Liebe und Dankbarkeit zu er- 
wecken und zu ernten. Zu diesen Wenigen ge- 
hörte Obersteiner. Unerschöpfliche Güte und hilfs- 


!) Die ersten beiden fallen noch in die Studentenzeit. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT [N] 


sein unerreich-. 


er in mehr als lediglich dilettantenhafter Weise für 


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eifriges, werktätiges Wohlwollen bildeten — | 
Grundzug seines Charakters, der mit unwidersteh- l 
lichem Zauber jeden vom ersten Augenblicke an i 
gefangen nahm, der das Glück hatte, Obersteiner 
persönlich kennen zu lernen. Scheelsucht oder Neil i 
lagen seiner vornehmen Natur so ferne, daß Nie 1 
mand auch seiner Intimen sich erinnern wird kön # 
nen, je eine übelwollende Bemerkung, nicht ein- 4 
mal eine harmlosere Bosheit über einen Kollege ff R 
aus ÖObersteinerschem Munde gehört zu haben 
Giepaart mit dieser Güte wirkte bei ihm so herz f | 
erquickend sein liebenswürdiger feiner Humor wii 
seine geradezu ängstliche Bescheidenheit. Dasdi 
„Olympierhafte” mancher akademischer ,„Bonzen 4 
empfanden wir Jüngere nie und niemals; Ober 4 
steiner war Derselbe im Gespräche mit dem eben 4 
erst ins Laboratorium eingetretenen Anfänger, wie 3 
mit dem “Gelehrten von Weltrufe, derselbe an # 
spruchslose, ungezwungene Redner als Vortragen 4 
der in seinem neurologisch-psychiatrischen Ver 
eine, wie als Regierungsvertreter bei einem inter- 
nationalen Kongresse. 


Marburg hatte von dem alten hochkultivierter@ 
Wienertum gesprochen, das in Obersteiner noch 4 
verkörpert gewesen. So groß Obersteiner ak 
Forscher und rastloser Arbeiter gewesen, war «i 
nichts weniger als ein einseitiger Fachge lehrter. 
Er überraschte durch seine Universalität, mit de] 


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alle schönen Künste Interesse und Verständnis be# 
saß.: Vor allem war es — und darin lag wohl auch I: 
etwas spezifisch Wienerisches — die Musik; gleich i 
Billroth, war Obersteiner musikalisch durch und 4 4 
durch, genießend, verstehend und ausübend; und. ! 
sein Gedächtnis auch auf diesem Gebiete verblit $ 
fend, wenn er z. B: mit nie versagender Sicher ® 
heit die opus-Zahl irgendeines Streichauartel if 
die Instrumentierung eines Par titurbeispieles oder g 
dergleichen zitierte. T 
In der letzten Zeit seiner schweren Krankheit 
die Oberstenier mit bewunderungswürdiger, antik- f 
stoischer Gelassenheit ertrug, sprachen wif vedr 
einmal von der geliebten Musik, und es kam die 4 
Rede auf Brahms’ „Vier ernste Gesänge, jene I 
„paar Liederchen” oder „Schnadahüpfeln”’) wer A 
che Brahms sich selbst zu seinem 63. und letztet 4 
Geburtstage geschenkt hatte. Zum letzten Gesang $ 
aus op. 121 wählte Brahms bekanntlich den 10X 
aus dem 1. Korinther Briefe: „Und wenn ich ve] # 
sagen könnte und wüßte alle Geheimnisse und hätte | | 
alle Erkenntnis, und hätte die Liebe nicht, SO wäre 
ich nichts. ... Nun bleiben aber Glaube, Hotte d fi 
IV. Bd. 3 


| 
1’ 


2) Vergl. Kalbeck: Brahms Biographie. 


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fd Liebe, diese drei. Die Größeste aber unter 
| men ist die Liebe!” 

f An diese Worte muß ich denken, wenn ich rück- 
E iena die hehre Gestalt des Entschlafenen mir 
| yor Augen führe. Für die Wissenschaft hat Ober- 
Feiner Großes geleistet; wir aber betrauern in 
fim mehr noch den edlen, so unendlich liebevollen 
Alienschen. Sein Andenken wird unauslöschlich in 
Ainseren dankbaren Herzen gehegt werden. 

i 


Fir Entwickelung und Wachstum der Sehne. Sit- 
f zungsber. d. Akad. d. Wiss. Bd. 56 2. Abt. 1807. 

A Beiträge zur Kenntnis vom Je Bau der Kleinhirn- 
4 rinde. Ebenda Bd. 60 2. Abt. 1809. 

Ahr pathologischen a der paralytischen Geistes- 
| krankheit.  Virch. Arch. 1871 Bd. 52. 

e einige Lymphräume im Gehirne, Sitzungsber. d. 
Akad. d. Wiss. 1872. 

E ieor. 1872. 


Fier Ektasien der Lymphgefäße des Gehirnes Virch. 
‚Arch. 1872:"Bd.: 55. 3 
De eine einfache Methode zur Bestimmung usw. 

 Ebenda 1873 Bd. 59. | 
Jinge Hereditätsgesetze. Wien. med. Jahrb. 1875. 
Fe paralytische Irre. Ber. 


d. Privatirrenanstalt Döb- 

ling, 1876. | 
hr das Gewicht der Geisteskranken. FEbenda. 
f Wien. med. Jahrb. 1877. 

gische Leistungen der Großhirnrinde. W. m. J. 
1878. 
mic über Aufmerksamkeit. 1879. 
Wher Erschütterung des Rückenmarks. W. m. J. 
F ironic Morphinismus. Brain 1880, 1882. 
1 ‚Nlocheirie 1880, 
ger die prognostische Bedeutung der Körpertempera- 
4 tur in Nervenkrankheiten. Mittlg. d. W. m. Dokto- 
a Tenkolleg. 1880. 
Í Shilis und Dementia paralytica. 
| Dermat. 1882. 
| Ss neue niederländische Irrengesetz. 
R Venheilk. 1882. 
A chronische Morphinismus. 
[nis und Dementia paralytica. 
~ 1883. 

jè Lipom des Plexus ee Zentralbl. í. Nerven- 
heilk. 1883. 
it hiemalis. W. m. W.:1884. 
Itumsuch. usw. Deut. med. Woch. 1884. 
t Hypnotismus. Klin. Zeit- u. Streitfragen 1885. 
AVendung des Kokains Wien. med. Presse 1885. 
| (trace Wiener Klinik 1886. 

E Österr -ung, Psychiatertag usw. Erlenmayers Zen- 

- ttalbl. 1886. 
1 [hi beim Studium usw. -1. Aufl; 1887. 
m und Morphinismus. W. kl. W. 1888. 


; F notismus als a Sen Erlenmayers Zen- 
‚tralbl. 1889, 


1879, 


Monatsh. f. prakt. 
Zentralbl. f. Ner- 


Wiener Klinik 1883. 
Wiener med. Woch. 


 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Beitrag zur pathologischen Anatomie der Hirngefäße.. 


241 


Il. Bericht der Privatheilanstalt usw. 1891. 
Therapie des Morphinismus. Intern. kl. Rundschau 1891. 
Halluzinationen im Verlaufe: der p. P. Ebenda 1892. 
Beziehungen der Syphilis zur P. p. FEbenda. 
Bedeutung einiger neuerer Untersuchungsmethoden usw. 
Arbeiten a. d. Inst. usw. 1893. | 

Nachträgliche Bemerkungen usw. Ebenda 1894. 

Über vergleichend-pathologische Untersuchungen 
Ebenda 1894. 

Über Wesen und Pathogenese der 
strangdegeneration. (Zusammen 
Ebenda. 

Zur Psychologie des Geruches. 

Bemerkungen zur tabischen PO ira e 
Arbeiten a. d. Inst. usw. 1895. 

Interfibrilläre Feldekenerätion usw. Ebenda. 


W.- kl. W. 


USW, 


Hinter- 
Redlich.) 


tabischen 
mit 


1894. 


Die sog. funktionellen Nervenkrankheiten. 
1895. 


Die neueren . Forschungen auf dem Gebiete der Histo- 
logie usw. W. m. Presse 1895. 


Über Innervation der Hirngefäße, Arbeiten a. d. Inst. 
usw. 1897. 
Pathogenese der Tabes. Moskauer intern. med. Kon- 


greß 1897. 


Idem. Berl. kl. Woch.. 1897. 


~- Erhaltung des Körpergleichgewichtes als Funktion usw. 


Verein z. Verbreit. naturwissensch. Kenntn, 1897. 
Der zentrale Sehakt usw. W. m. Presse 1897. 
Krankheiten des Rückenmarks. (Zus. mit Redlich.) In. 

Ebsteins Handb. d. prakt. Med. 1899. | 
Die Bedeutung der individuellen Verschiedenheiten im 

Gehirn. Verein z. Verbr. naturwiss. Kenntn. 1899. 
Zur Frage der hereditären Übertragbarkeit usw. NZBl. 

1900. 

Les limites exactes etc. Revue neurolog. 1900. 
Funktionelle und organische Nervenkrankheiten. Grenz- 
fragen d. Nerven- und Seelenlebens 1900. 


Bemerkungen zu Helwegs Dreikantenbahn. 


Arbeiten a. 
d. Inst. usw. 1900. | 


Histologie der Gliazellen usw. Ebenda. 
Ein porenzephales Gehirn. Ebenda 1901. 
Über das Helwegsche Bündel. Ebenda. 


Zur Kenntnis d. strat. (fasciculus) subcallos usw. (Zus. 
mit Redlich.) Ebenda” 1902. 


Nachträgliche Bemerkungen zu den seitlichen Rücken- 


marksfurchen. Ebenda. 
Über Variationen in der Lagerung der Py-bahnen. 
Ebenda. | | | 
Porenzephales Gehirn. Ebenda. 
Rückenmarksbeiunde bei Muskeldefiekten. W. kl. R. 


1902. 


Über nuptiales Irresein. Jahrb. f. Ps. 1902. 
Über das hellgelbe Pigment usw. Arbeiten a. d. Inst. 
usw. 1903. 


"Nachruf an v. Krafft-Ebing. Jb. f. Ps. 1903. 


Radiumbestrahlung und Nervensystem. W. kl. W. 1904. 
Weitere Bemerkungen über das hellgelbe Pigment. Ar- 
beiten a. d. Inst. usw. 1904. 


242 


Zur vergleichenden Psychologie der 
Grenzfir. d. Nerven- u. Seelenlebens 1905. 

Wirkung der Radiumbestrahlung usw. Arbeiten a. d. 
Inst. usw. 1905. 

Die progressive Paralyse. In Nothnagels Handbuch, Be- 
arbeitung der Monographie von v. Krafft-Ebing, 
1907. 

Das Studium der feineren NHirnlokalisation usw. 

Trauma und Psychose. W. m. W. 1908. 

Das Verhalten des N. cochlearis usw. 
der.) Zeitschr. f. Ohrenheilk. 1908. 

Sinnestäuschungen. In Dittrichs Handb. der Ärztl. Sach- 
verständigentätigkeit, 1909. 

Körnerschichte des Kleinhirns. 


1907. 


(Zus. m. Alexan- 


Jb. f. Ps. 1909. 


Funktion der Nervenzellen. Arbeiten a. d. Inst. usw. 
1910. 
Der Geisteskranke und das Gesetz in Österreich. Jur.- 
psych. Grenzfr. 1911. 
Kleinhirnrinde bei Elephas ind. Arbeiten a. d. Inst. USW. 
1912. 
W. kl..W. 1913. 


Zur pathologischen Veranlagung usw. 


Aus der Heil- und Pfleganstalt Waldheim. Direktor: 
Zur Frage der Tuberkulosebekämpfung in der Irrenanstalt. 
Von Reg.-Med.-Rat Dr. Künzel. | 


j dem Bericht der Heil- und Pfleganstalt Wald- 

heim-für.das. Jahr-1921-habe-ich. mich dahin- ge- 
äußert, daß die hier gebräuchlichen -hygienischen 
Maßnahmen zu keinem durchgreifenden Resultat 
führen werden, da die Tuberkulosebazillen zu 
sehr verbreitet sind und sozusagen einen eisernen 
Bestand der Anstalt bilden. Die Gründe hierfür 
liegen in dem Charakter der geschlossenen Anstalt. 
Ein wesentlicher Faktor ist das enge Zusammen- 
leben der Kranken, das durch die räumliche Be- 
schränkung bedingt der Übertragung der Bazillen 


| von Mund zu Mund leichtere Möglichkeit gibt, als 


in offenen Anstalten. Ferner können wir unseren 
Patienten nicht die reichliche Luft- und Sonnenzu- 
fuhr bieten, wie sie in Anstalten für körperlich 
Kranke üblich ist, da für die mit durchschnittlich 
-= 180 bis 190 Mann belegte Anstalt ein verhältnis- 
mäßig kleiner Garten zur Verfügung steht, der nur 
_ abteilungsweise benutzt werden kann, aber für die 
| Unterbringung geisteskranker Verbrecher und ver- 
 brecherischer Geisteskranker durchaus zweckent- 
sprechend und ausreichend ist. Mit Ausnahme der 
im: Gemüsegarten beschäftigten Kranken hat jeder 
Insasss im Sommer 2+/> Stunden und im Winter 
1 Stunde Gartengang. Aber gerade wegen dieser 
' für Tuberkulöse weniger günstigen Verhältnisse 
haben wir uns im. Jahre 1918 entschlossen, ener- 
gisch gegen die Tuberkulose vorzugehen. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Sinnesqualitäten. 


vi; 
R 


[Nr. 37/38 T 


Die progressive Paralyse usw. W. m. W. 1914 


Bedeutung des endogenen Faktors usw. NZBI, 1915. E 


Kleinhirn ohne Wurm. Arbeiten a. d. Inst. usw. 1916. 
Über Genese der corpora amylacea usw. Ebenda. 
Neurologie in Wien vor 50 Jahren. 


Woch. 1918. ; 
- Geschichte des Vereins für Neurologie und Psychiatrie $ 
in. wien... IDEE, 2s21918. | 


Lustmord eines Sadisten. (Zus. 


Zeitschr. f. Ps. 1919. 
Rückblick — Ausblick. 
Bruno Görgen. Deutsche Irrenärzte Bd. I 1921. 
Michael v. Viszanik. Ebenda. 


Makroskopische Untersuchung des Zentralnervensystems, 
In Abderhaldens Handb. d. biolog. Arbeitsmethoden - i f 


1921, PAE Urban & Schwarzenberg. 


u, 
_- 
5 


* 


Ein Bild des Verewigten befindet sich in der 4 ; 
Beilage zu Nr. 27 Bd. XII dieser‘ Wochenschrift. $ 


Medizinalrat Dr. Wendt. 


Ein im zweiten Stockwerk gelegener luftige 
Saal dient zur Unterbringung der meisten tuber- § 
Neben diesem werden in i f 
kleineres Zimmer tuberkuloseverdächtige Fälle ge- = 
Außerdem stehen noch sechs Einzelzimmel” 
für solche Kranke zur Verfügung, die wegen ihre! 7 
psychischen Eigenschaften sich zur Gemeinschaft f 
Ein Baderaum neb 
emé 


kulös Erkrankten. - 


legt. ` 


verpflegung nicht eignen. 


der Tuberkuloseabteilung fehlt, ebenso 


Veranda für Liegekuren, Dinge, nach denen BE 
wohl streben, auf die wir aber begreiflicherweis@ 


wegen der bedrängten geldlichen Lage des nn X 
er 4 


auf nicht absehbare Zeit verzichten müssen. 


Kostenaufwand, würde in keinem Verhältnis ZU der # 
Wegen Platz- ; { M 
mangels und besonders auch wegen fehlenden elek- g 
trischen Anschlusses -bleiben der Röntgenape 5 h 
-und die Einrichtung für Lichttherapie er g ? 
Im Vergleich zu den beneidensw&l ] i 
günstigen Verhältnissen, die Löw *) aus der Rheinl 4 
schen Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Bei g 3 
sind unsere Einrichtungen a a 
Und doch d 
ng 

haben wir trotz der räumlichen Schwierigkeit 4 
gute Erfolge erzielt. 4 


Kopfzahl der Nutznießer stehen. 


Wünsche. 


Mau beschreibt, 
primitiv, daß es den Anschein erweckt, als s0 
besser darüber geschwiegen werden. 


1) Psych.-Neurolog; Woch. 24. Jahrg. Nr. 21-22. 


Psychiatr.-Neurol, i 


r 
nn. Be £ 2 X Du ee I m man nn en a Zu at = 

. . z eo: z Ba t 

r A — — E _—  — D a iD = m 


mit Stransky.) Allg. 


u 


Arbeiten a. d. Inst. usw. 1919, 1 


Kr un ETA 
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a) —_ RE a SE a L aE 


ER EE A ELERS T 


u. 


£ ` ’ A 
et Se T AN CEPS o git a r rena, i f ung i-t ea 


11922) 


- Ferner fällt auch die Eigenart des Krankenbe- 
tandes, der zum größten Teil aus Psychopathen 
besteht, bei der Bekämpfung der Tuberkulose nicht 
f merheblich ins Gewicht. Viele von ihnen stehen 
der Krankheit selbst, besonders aber den notwen- 
fügen ärztlichen Maßnahmen trotz ihrer oft gut erhal- 
tenen Intelligenz uneinsichtig gegenüber. So wer- 
fen nicht selten schon die Tremperaturmessungen 
von ihnen abgelehnt, wie sie auch gelegentliches 
wendliches Unwohlsein, ja sogar leichten Husten 
mit geringem’ Auswurf dem: Arzte verschweigen. 
Daher lassen oft erst hohe Temperaturen und an- 
‚dere schwere Krankheitszeichen den Patienten als 
A tiberkulös erkrankt erkennen. Viele Insassen sind 
{sich selbst gegenüber zu stumpf und gleichgültig, 
im sich rechtzeitig zu melden, andere aber. auch 
{veder fürchten sich, als tuberkulös erkannt zu 
Verden, da ihnen durch Versetzung auf die Sonder- 
f ibteilung die Arbeit und mit ihr die angenehm 
4 mpiundene Ablenkung genommen wird. Man- 


er sieht auch die Verlegung auf die Tuberkulose- 


Fation als Anfang vom Ende seines Daseins an 
iind hat aus diesem Grunde eine gewisse Angst 
{d einen Abscheu davor. Unsere Kranken wer- 
f&n mit Tütenkleben, Bemalen von Holzspielwaren 
ind Anfertigen von Zwirnwäscheknöpfen beschäf- 
fet. Aus leicht ersichtlichen Gründen können wir 
f nm Interesse der Allgemeinheit Tuberkulösen solche 
f teiten nicht übertragen. Wir haben uns aber 
fus psychotherapeutischen. Gründen in diesem 
Í haire entschlossen, geeignete Fälle und Rekon- 
Flszenten zu leichten gärtnerischen Handhabun- 
den heranzuziehen und haben bisher gute Erfah- 
| fügen damit gemacht. Es wird dabei freilich 
Streng darauf gesehen, daß die Kranken der Tuber- 
| E nne mit den anderen körperlich gesun- 
fi Gartenarbeitern nur während der Arbeit im 
d Freien in Berührung kommen, ist diese »erledigt, 
f hen sie sofort auf die Sonderabteilung zurück. 

Um eine sichere Reinigung des Gesamtkranken- 
istandes von Tuberkulösen zu gewährleisten, ist 
ES meines Erachtens nötig, bei sämtlichen Insassen 
kr Anstalt Kontrollmessungen und daran anschlie- 
ing diagnostische Tuberkulinspritzen anzuwen- 
den, Ebenso. müßte jeder neue Zugang diesen 
Mbnahmen unterzogen werden. Das ist unmög- 
ch, und läßt sich selbst bei Aufwendung ‚größter 
etgie nicht durchführen. Es ist eben zu berück- 
Sthtigen, daß unser Krankenmaterial der Anstalt, 
n Ärzten und dem Pflegepersonal mit großem 
i Mibtrauen und oft sehr lebhafter Abneigung gegen- 
bersteht: und deswegen zu dem geforderten Ein- 
riffe nicht zu bewegen ist. Zwang kann und darf 
aus | . sesetzlichen Gründen nicht angewendet wer- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


A 


kranken geben, der sich hierzu eignet. 


243 


den. In meiner früheren Dienststelle an einer 
offenen Anstalt habe ich vor Jahren aus hygieni- 
schen Gründen auf der Frauenabteilung die Blut- 
entnahme in Kapillaren für die Widalsche Reak- 
tion vorgenommen. Die Widerstände und Szenen, 
die ich dabei erlebt habe, geben mir Veranlassung, 
die Möglichkeit der restlosen Durchführung dia- 
gnostischer Spritzen auch bei den Kranken einer 
offenen Anstalt zu bezweifeln. Wir müssen uns 
daher damit abfinden, daß wir nur den annehmbar 
größten Teil Tuberkulöser aus dem Gesamtbe- 
stande entfernen können und somit die Infektions- 
gefahr zwar nicht ganz beseitigen, aber doch 
wesentlich herabsetzen. 


Die guten Erfahrungen, die ich früher mit der 
subkutanen Tuberkulosebehandlung gemacht habe, 
ließen den Wunsch in mir wach werden, diese 
Therapie auch bei den tuberkulösen Geisteskran- 
ken anzuwenden. Wir haben uns aber doch nicht 
dazu entschließen können. Eine Spritzkur möchte 
ohne Unterbrechungen durchgeführt werden. Da- 
zu sind einsichtsvolle Patienten nötig, die den 
ernsten und festen Willen zur Gesundung haben. 
Bei unseren Kranken mit ihrem labilen Willen müs- 
sen wir aber damit rechnen, daß die Kur plötzlich 
unterbrochen und vielleicht überhaupt aufgegeben 


wird. Es ist dabei zu bedenken, daß hierdurch 
unter Umständen mehr geschadet, als genützt 
werden kann. Wir haben das „Nil nocere” zur 


Grundlage unserer Überlegungen gemacht und uns 
entschlossen, .von dieser Behandlungsweise abzu- 
sehen. Ebenso denken wir über die Ponndorische 
Impfung. Es wird nur ganz selten einen Geistes- 
Sie ist 
meines Erachtens nur bei Kranken anzuwenden, 
die sich selbst einwandfrei sauber halten und ver- 


möge ihrer Intelligenz fähig sind, die Bedeutung 


des Eingriffes sowie die Notwendigkeit der pfleg-. 
lichen Behandlung der Impfstelle zu erfassen. Wer 
kann aber bei einem Geisteskranken für die dau- 
ernde Durchführung dieser Notwendigkeit die 
Garantie übernehmen? Wir haben in unserem 
tuberkulösen Krankenbestand einen Paranoiker, 


der sich peinlich sauber hält und sicherlich ietzt 


zugeben würde, daß die Impfung an ihm vorge- 
nommen wird. Der Eingriff, denn als solcher ist 
die Impfung immerhin zu bezeichnen, unterbleibt, 


da schließlich die ärztlichen Handlungen in seinen 


Wahn einbezogen werden können. Der Erfolg ist 
dann in körperlicher und besonders auch psychi- 
scher Hinsicht ein negativer. Da wir iedoch von 


einem spezifischen Heilmittel nicht absehen woll- 


ten, haben wir uns zu der Verabreichung von 


244 


Tuberoid Moeller?) entschlossen, und wenden es 
seit 1919 an. Dieses Präparat hat den großen Vor- 
teil, daß es per os dargereicht wird. Somit wer- 
den Injektionen, also körperliche Eingriffe, voll- 
kommen vermieden und die Kur bietet dadurch 
weniger bzw. keine Unannehmlichkeiten. Es mub 
allerdings darauf geachtet werden; daß die Pa- 
tienten die Tuberoidkapseln unversehrt ver- 
schlucken. Wir sind damit bisher noch auf keine 
Schwierigkeiten gestoßen, haben freilich auch hier 


schwer negativistische und vollkommen verblödete 


Kranke, denen das sachgemäße Einnehmen nicht 
beizubringen ist, ausgeschaltet. Es gibt eben bei 
dem Material der Heil- und Pflegieanstalten Fälle, 
die sich gegen jegliche ärztliche Maßnahme refrak- 
tär verhalten. Wir haben bei der Darreichung des 
Tuberoids gefunden, daß ein Schaden für den Pa- 
tienten nicht entsteht, wenn sie aus irgendwelchen 
psychischen Gründen zeitweilig verweigert wird, 
oder wenn die Kur eine dauernde Unterbrechung 
erfährt. Anderseits kann das Mittel monate- oder 
jahrelang gegeben werden, bis der gewünschte Er- 
folg eintritt. Es werden mit dem Tuberoid zweifellos 
dem Körper Gegengifte zugeführt, die als Unter- 
stützung der von diesem natürlich produzierten 


Heilfaktoren anzusehen sind und die Stoßkraft im 


Kampfe gegen die verderbenbringenden Keime 
nicht unwesentlich erhöhen. Besonders geeignet 
erscheinen uns Fälle im Anfangsstadium und kön- 
nen hierin Moeller nur beipflichten, wie wir auch 
seine, übrigen in der angeführten Arbeit verzeich- 
neten Beobachtungen bestätigen können. 

Es würde einerseits zu weit führen, alle mit 
“Tuberoid behandelten Fälle eingehend zu schil- 
dern, anderseits ist aber auch unser Material zu 
klein, um Erfolg und Mißerfolg prozentual berech- 
net als Basis für ein Werturteil über das Mittel zu 


2) Münch. med. Woch. 1908 Nr. 45. 


Psychiatrie und innere Sekretion. 


Von Priv.-Doz. Dr. Heinrich Fischer, Gießen. 
(Fortsetzung.) 


> Neben "diesen besprochenen neurohormonalen 
und :hormoneuralen Wechselwirkungen ’ haben 
wir noch kurz die wichtige Korrelation 


der Blutdrüsen untereinander zu be-, 
trachten. Ihre Besprechung ist für das Ver- 
ständnis  innersekretorischer. Vorgänge über- 


haupt wie für die. klinischen Begriffe der Auto- 
intoxikation, der Dysfunktion, der Polyvalenz der 
Hormone und der pluriglandulären Krankheit un- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‘zwei bis drei Tassenköpfe, mit gutem Erfolg ver 


druck findet.die funktionelle Zusammengehörig 


[Nr. 37/38 


benutzen. Ich möchte nur einen besonders guten # 
Erfolg kurz erwähnen. Bei Beginn bzw. Erken 
nung der tuberkulösen Erkrankung hatte der be ° 
treffende Patient schwerste Lungenblutungen und 
positiven Bazillenbefund. Hinten über der rech- 
ten Spitze fand sich eine Schallverkürzung. Über 
der ganzen. rechten Lunge waren massenhaft groß- 
blasige Rasselgeräusche, mit Pfeifen und Giemen 
untermischt, zu.hören. Er hat bei stärkender Kost 
17 Monate lang regelmäßig Tubieroid genommen 
und konnte schließlich nach dieser Zeit mangels 
jeglichen objektiven Befundes, frei von subjektiven 
Beschwerden von der Tuberkuloseabteilung weg 
versetzt werden. Bei der üblichen Anstaltsbe 
köstigung ist im weiteren sein Ernährungszustand 
gleich günstig geblieben, auch sind bisher bei ihm” 
keine Erscheinungen aufgetreten, die auf eine < 
tuberkulöse Erkrankung schließen lassen konnten. 
Erwähnt sei hier noch nebenbei, daß wir bei Häm- 
optoe gesüßte Zitronengelatine, täglich ein bis- 


abreichen. Sie wirkt nicht nur günstig auf de’ 
Blutstillung ein, sondern wird von den fiebernden 7 
Kranken sehr gern als angenehme Erfrischung gè- 
nommen. An Stelle von Zitrone kann jeder be f 
liebige Fruchtsaft Verwendung finden. | 


Meine kurzen Darlegungen sollen einerseits da- 
zu dienen, den Beweis zu erbringen, daß der 
Kampf gegen die Tuberkulose auch unter wenige” 
günstigen äußeren Verhältnissen aufgenommel g 
werden kann oder vielmehr muß. Anderseits sok f 
len sie eine weitere Möglichkeit in der Behandlung F 
tuberkulöser Geisteskranker zeigen, die erfal- f 
rungsgemäß von gutem Erfolg begleitet ist, Die 
Tauglichkeit des Krankenmaterials offener Heil 
und Pflegeanstalten für die Behandlung mit g 
Tuberoid Moeller muß freilich erst in einer sol ; 
chen erprobt und festgestellt werden. | 


u 


í 


erläßlich. Diese korrelative Zusammengehőrigtt d 
einzelner Drüsen zeigt sich schon zum Teil in a i 
entwicklungsgeschichtlichen EN, 


heitlichkeit, z.B. der branchiogenen Orsal® 4 


Aus Be ; 
keit 4 
breite fs 


vorbereitet. Einen morphologischen 
zweier Systeme in der einheitlichen Nebe 
dem Zentrum des im Organismus weiter Ver’ 
ten Adrenalsystems und Interrenalsystems. 


Ausdruck dieser 
Drüsen untereinander ist 
fhr vielseitig und zum Teil kompliziert. Schon 
Teim experimentell hergestellten Ausfall einer 
{Düse am normalen Tiere kommt diese funktio- 
Felle Einheitlichkeit an Störungen im ganzen 
system zum Ausdruck. Dieser Ausfall der Drüse 
[vid zum Reiz, der zu einer Neueinstellung 
ker übrigen Drüsen führt. Diese Neueinstellung 
igt sich dabei teilweise in bekannten anatomi- 
schen Veränderungen einzelner Drüsen. . Sie ist 
fir den jeweiligen Ausfall kennzeichnend und be- 
Faust, daß die Drüsen gegenüber dem neuen Reiz 
Feine neue Reaktionsfähigkeit erlangt haben. Diese 
Alnpassungsfähigkeit geht so weit, daß 
d geradezu neue Zellelemente in den Blutdrüsen 
{ uitreten, ich erinnere an die Schwangerschafts- 
fulen der Hypophyse. Als lehrreiches Beispiel der 
| fesetzmäßigkeit dieser Wechselwirkungen wollen 
{vir kurz die Korrelationserscheinungen in der 
f Sexualsphäre betrachten, die bei der hypophysären 
9 Dystrophia adiposogenitalis und bei der Akro- 
f megalie in die Erscheinung treten. Es handelt sich 
flier also um verschiedene Erkrankungen derselben 
| Drise. Bei der Dystrophie stellen sich von Anfang 
fan regressiv atrophische Veränderungen in der ge- 
fumten Genitalsphäre ein, bei der Akromegalie da- 
gegen Verstärkung der äußeren Genitalien und der 
f Körperbehaarung als Geschlechtscharakter bei 
f gleichzeitig regressiv atrophischen Veränderungen 
f&r Geschlechtsdrüse und inneren Genitalien. An 
f dieser Dissoziation in den einzelnen Erscheinungs- 
men der Geschlechtscharaktere, die oft als 
Äirekte Leistung der Geschlechtsdrüse aufgefaßt 
f Werden, sehen wir schon, daß die Geschlechts- 
| tüse ihre Wirkung auf diese Eigenschaften über 
Aiwischenglieder entfalten muß. Darüber hinaus 
| seien wir noch, daß Geschlechtsmerkmale sogar 
dir ‚atrophischer Geschlechtsdrüse durch einen 


À Der iunktionelle 
AWechselwirkungen der 


| stärkt werden. 


1 Am Beispiel der Geschlechtsdrüse sehen- wir 
p weiter, daß die Wirkung des Ausfalles einer 
| tüse bei verschiedenen Konstitutionen auch schon 
jo normalen Breiten schwankt. Diese Variation 
mmt z. B. nach Geschlechtsdrüsenausfall vom 


i &Stratentyp mit allen graduellen Übergängen zum 
truck, 


a nen Reiz sind also nicht nur reizspezifisch, 
wu die Auswirkung im Einzelfall auch wieder 
a ‚der konstitutionellen Reaktionsfähigkeit der 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


om Aypophysenvorderlappen ausgehenden Reiz 


3 leinen fettwüchsigen bis zum hochwüchsigen 


Die Neueinstellungen der Drüsen auf 


245 
Drüsen abhängig, also auch konstitutions- 
SPEZITLTSCH: 

Diese Betrachtungen sind auch ganz ienen 
für das Verständnis der Wachstumsvorgänge von 
Bedeutung. Ihr praktischer Wert liegt darin, daß 
wir den pathogenetischen Inhalt einzelner Körper- 
bauzeichen richtig einschätzen lernen. Dieser Wert 
darf im Einzelfall nicht überschätzt werden, er 
kann mit der Art der Korrelationsstörung wech- 
seln. Demnach müssen wir auch mit der Bezeich- 
nung solcher Körperbauzeichen vorsichtig sein. 

Neben dieser beschriebenen Anpassungsfähig- 
keit zeigt sich die Reaktionsfähigkeit der Drüsen- 
zellen vielleicht noch deutlicher darin, daß die Ver- 
änderungen, z. B. der Schwangerschaftspsychose, 
mit Fortfall des Reizes wieder weitgehend rück- 
bildungsfähig sind. Hier liegen die Schwie- 


rigkeiten, mit denen die histologische For- 


chung der Drüsen rechnen muß. Dadurch 
erschwert sich die Beurteilung histologischer Be- 
funde, wenn es sich um funktionelle vorüber- 
gehende Geistesstörungen handelt. Bisher haben 
die zahlreichen histologischen Untersuchungen der 
innersekretorischen Drüsen in der. Psychiatrie zu 
keinem wesentlichen Erfolge geführt. Es haben 
sich keine für eine bestimmte Krankheit kennzeich- 
nende Veränderungen gefunden. Weiterhin ist die 
Deutung der histologischen Befunde oft noch durch 
die Komplikation mit senilen, präagonaien u. a. 
pathologischen Prozessen unmöglich gemacht. 
Bei den physiologischen Leistungen der inner- 
sekretorischen Drüsen spielt die Korrelation die- 
selbe Rolle, so für die Entstehung der 
sekundären Geschlechtscharaktere. 
Schon die besprochene Dissoziation in der Sexual- 
sphäre zeigte, daß wir eine unmittelbare Wirkung 
des Hormones auf die Geschlechtsmerkmale nicht 
annehmen können. Diese körperliche Verge- 
schlechtlichung kommt vielmehr durch Vermittlung 
anderer Drüsen zustande und ist sogar zum Teil 
an einem zgeschlechtsspezifischen Verhalten der 
Drüsen erkennbar. Damit ist aber auch die Aus- 
bildung des Einzelzeichens nicht direkt der Inten- 
sität der Geschlechtsdrüsenwirkung gleichwertig. 
Durch diese Zwischenschaltung der Korrelation 
zwischen Geschlechtsdrüsenhormon und körper- 
liche Geschlechtsmerkmale wird die Geschlechts- 


drüsenwirkung auf die einzelnen Merkmale der 


Konstitution angepaßt, so daß sie konstitutionelle 


Eigentümlichkeiten dieser nicht verwischen kann. 


Nach diesen Erörterungen werden uns auch die 
Zustände pathologischer Frühreife kla- 
rer. Diese Frühreifen zeigen den Hauptunterschied 
auf psychischem Gebiete. . Hier finden wir ausge- 


Pr «die körperliche Reifung erstrecken soll. 


246 


sprochene Frühreife des gesamten Seelenlebens, 
Kinder, die sich schon mit philosophischen Fragen 
beschäftigen, zweitens Kinder mit normaler kind- 
licher Intelligenz, drittens seltener psychische Aus- 
fälle bis zu schwerer Idiotie. 

Die körperliche und psychische Gesamtreifung, 


meist kombiniert mit den Erscheinungen eines 
raumbeengenden Prozesses in der Vierhügel- 
gegend, ist die Folge eines Zirbeldrüsentumors. 


Dabei wird insbesondere von Marburg die An- 
sicht vertreten, daß der Tumor durch Zerstörung 
des funktionierenden Zirbeldrüsengewebes zu den 
Erscheinungen der Frühreife führt. Doch ist die 
Frage nach der inneren Sekretion der Zirbeldrüse 
noch nicht genügend geklärt. 

Frühreife mit normaler kindlicher Intelligenz ist 
‚die Folge ‘einer Hyperplasie resp. eines Tumors 
der Nebennierenrinde. Psychisch sind diese Fälle 
durch Lebhaftigskeit, gesteigertes Kraftgefühl bei 
Erotisierung der Gesamtpersönlichkeit gekenn- 
zeichnet. 

Eine dritte Form ist dann der primäre Hyper- 
genitalismus als or eines .Geschlechtsdrüsen- 
tumors. 

Diese Beofnchtingen sn aui eine weit- 
gehende Unabhängigkeit körperlicher und psychi- 
scher Reifung schließen. Sie helfen weiter das 
Abhängigkeitsverhältnis der Pubertätspsyche_von 
der Geschlechtsdrüse klären, das die Psychiatrie 
besonders interessiert. 

Die Selbständigkeit er intellek- 
tuellen Reifung zeigt vielleicht noch klarer 
folgender Fall: Ein Mädchen, das unter den Er- 
-Scheinungen eines Zirbeldrüsentumors erkrankte, 
zeigte bald Stillstand des Wachstums und der kör- 
perlichen Reifung bei fortschreitender intellek- 
tueller Entwicklung. Bei der Sektion fand sich eine 
den ganzen dritten Ventrikel ausfüllende Zyste, die 


gleichzeitig zu einer Druckatrophie von Zirbel und 
Den Wachstumsstill- 


Hypophyse geführt hatte. 
-stand und Ausfall der körperlichen Reifung erkläre 
ich mir aus der Hypophysenstörung. Es muß also 
‚die Hypophyse reaktionsfähig eingestellt sein, 
wenn sich die Wirkung von der Zirbel aus auch auf 


 wachstumsiördernden Einfluß der Hypophyse ken- 


Ben wir auch als Riesenwuchs zum Teil schon im 


frühesten Kindesalter als Folge einer Hyperplasie 
des Hypophysenvorderlappens. 

Diese besprochenen Hormonorgane scheinen 
zu einem Reifungsmechanismus in be- 
stimmter Korrelation zusammengeordnet, in dessen 
Mittelpunkt zur Zeit der Pubertät mehr und mehr 
die Hypophyse zu rücken scheint. Dabei kommt es 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


niere einen ausgesprochenen Geschlechtscharakter i 


nicht kennen. 


Diesen 
stehen wieder in engem funktionellen Zusammen A | 


‚ihnen verwandt ist. 


[Nr. 37/38. 


in der Peripherie teils zur Involution anderer Hor-# 
monorgane, z. B. von Ihymus und Adrenalsystem, 5 
und teils zur Reifung anderer Drüsen und zum Avi- i 
treten einer innersekretorischen Wirkung im reifen f 
Geschlechtsdrüsenhormone. Diese Se lb ststeue t 
runeder Korrelation- spiel IE Ent} 
wicklung für den geordneten Ablauf der Entwick fy 
lungsrhythmen eine große Rolle. Die Korrelation $n 
durchläuft nach biologischen Gesetzen eine Reihe {y 
phasenspezifischer Umstellungen& 
denen die körperlichen und psychischen Entwick, 
lungsphasen entsprechen. Die Drüsen selbst sinifi 
in den einzelnen Phasen nicht durchweg funktionel fh 
gleichwertig. Dies wissen wir aus dem Experi $s 
ment wie auch aus den Erfahrungen am Menschen. $4 
Am Menschen ist besonders die differente Wirkung fi 
der Nebennierenrindenhyperplasien in den en W 
zelnen Phasen deutlich. Diese führen bekanntlich fi 
in der Fötalzeit zu Pseudohermaphroditismus, på- 44 
puberal zu den besprochenen Erscheinungen der j 
Frühreife, nach der Pubertät beim weiblichen wE 
schlechte zum Virilismus, einem morphologischen $ | 
Umschlag in das andere Geschlecht, und sind nadig ni 
dem Klimakterium überhaupt unwirksam. gu 

Gerade an diesem Beispiele machen wir somit p 
die wichtige Erfahrung, daß die Nebennieren für 4 N 
die Entwicklung der Geschlechtscharaktere, und k 
zwar vorwiegend der männlichen, eine grobe Be- 3 
deutung haben. Die Nebennieren stehen der Geh 
schlechtsdrüse auch entwicklungsgeschichtlil 1 A 
nahe. Weiter wissen wir, daß gerade die Neben il 


zeigt, aus den interessanten Untersuchungen Kol- 9 5 
mers am Meerschweinchen. Es ist auch vielleicht f 
nicht unwesentlich, darauf hinzuweisen, dab wir 
einen Umschlag männlicher Merkmale in weibl | 
Fälschlicherweise hatte man u i p 

in einzelnen Körperbauformen des Eunuchoidismis d 
einen Umschlag in das weibliche Geschlecht r is 
deutet. e i 
Der Einfluß der Nebennieren auf die morpho- A al 
logischen Geschlechtscharaktere wirkt sich dabei Fi 
auch ganz. unabhängig von dem Charakter der Ge 
schlechtsdrüse selbst aus. 
Wichtige zerebrale Zentren für. diese, 
trophischen und funktionellen Reimane 
liegen am Boden des dritten Ventrikels. D% g 


I: 
í 
| 


hang mit der Hypophyse, deren hinterer Abschnitt | 
als Neurohypophyse entwicklungsgeschichtlich mit | 
Das Inkret des Hypophyst! | 
mittellappens hat anscheinend einen wichtigen ton x 
sierenden Einfluß auf Ve Zent d 1 
apparate. i | = 


u 
u p & 


Br; 
41022) 
u; 


| Wir sahen die intellektuelle Reifung sich ganz 
i abhängig von der Geschlechtsreifung entwick- 
: keln, entsprechend gehören intellektuelle Ausfälle 
Ficht zu den kennzeichnenden Ausfallserscheinun- 
Iren der Frühkastration und des Eunuchoidismus. 

f Auf Grund der Erfahrungen der Pathologie läßt 
Asch annehmen, daß die Zirbel irgendwie auch nor- 
| malerweise zu der physiologischen Reifung in Be- 
uns zu setzen ist. 

f Die Geschlechtsreifung ist nur ein Teil der Ge- 
E icing in der Pubertät. Nicht die Puber- 
Jütspsyche, sondern lediglich die Erotisie- 
fing ist eine Leistung der innersekretorischen Ge- 
Ashlechtsdrüse. Auch 
Feine unmittelbare Wirkung der Geschlechtsdrüse 
fui das Zentralnervensystem, auch sie geht durch 
Alemittlung anderer innersekretorischer Apparate, 
die zu den biologischen Einrichtungen für die 
Aluerungsformen des Affektlebens gehören. Die 
Bedeutung der Nebenniere an diesen Vorgängen 
feigt sich an den Erscheinungen der Brunst. In der 
A Brunst finden wir eine Hyperplasie der Neben- 


Fund Reizbarkeit der Tiere. Ähnlich führt die be- 
I sirochene pathologische Nebennierenhyperplasie 
fim Menschen neben Steigerung der körperlichen 
firat und affektiven Erregbarkeit auch zu gestei- 
fter sexueller Ansprechbarkeit. Weiter kennen 
Fiir: die Beziehungen der Schilddrüse zu den Pha- 
Fin des Geschlechtsiebens sowie zu den Affekt- 
Fälerungen. Die gesteigerte Libido beim Basedow 
It nicht etwa die Folge einer gesteigerten Ge- 
ISllechtsdrüsenwirkung, ` denn die Geschlechts- 
| fisen können sogar gleichzeitig atrophische Ver- 
derungen zeigen, sondern lediglich eine Teil- 
steinung der allgemeineren Affektsteigerung. 

Die erotisierende Wirkung der Geschlechts- 
Eis: ist also ebenso sekundär wie die verge- 
| hlechtlichende auf morphologischem Gebiete. Die 
I*kundäre Färbung der Eigenschaft, nicht die 
f tieenschaft selbst, ist eine Leistung der Ge- 
| lechtsdrüsenreifung. 

Daß nicht alle Eigenschaften des weiblichen Ge- 
|Siicchtes mit in die erotisierende Wirkung der 
jeschlechtsdrüse einbezogen sind, zeigt uns die 
Beobachtung an weiblichen Frühkastraten und 
Sinuchoiden. Auch hierbei kommt eine Parallele 
i nr morphologischen Vergeschlechtlichung zum 
Ausdruck. Wie ich an anderer Stelle ausgeführt 
abe, ist auch ein Teil der körperlichen Formen 
” weiblichen Geschlechtes weniger in die form- 

Tenzierende "Wirkung der Geschlechtsdrüse 


bezogen als dies beim männlichen Geschlechte 
g Aue ist. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


diese Erotisierung ist 


Tieren und gleichzeitig gesteigerte Aggressivität ` 


Hieraus resultiert sich die Ähnlichkeit 


247 


mancher Formen des Eunuchoiden mit den weib- 
lichen Formen, die keinen Umschlag: in das andere 
Geschlecht bedeuten. 

Wir sprechen also von einem sekundären 
erotischen Charakter der -Psych£ 
wie wir von einem sekundären Geschlechtscharak- 
ter des Körpers sprechen. 

Diese Betrachtungen sind auch grundlegend für 
unsere Stellungnahme zu den Problemen des 
Alterns und der Verjüngung. Diese sind 
ebensowenig wie das besprochene Reifungspro- 
blem Geschlechtsdrüsenprobleme, sondern kompli- 
ziertere Korrelationsprobleme. ? 

Von hier aus kommen wir weiter zu anderen 
Problemen von krankhaften Äußerungen des 
Sexuallebens. Wir haben schon gesehen, daß die 
Äußerungen des Hypo- und Hypergenita- 
lismus auf körperlichem und psychischem Ge- 
biete keinen unmittelbaren Rückschluß auf die In- 
tensität der Geschlechtsdrüsenwirkung gestatten, 
auch ‘hierbei handelte es sich um Korrelations- 
probleme. i 

Weiterhin ist auch die Pathogenese sexuel- 
ler Perversitäten kein Problem der spe- 
ziellen Geschlechtsdrüsenforschung, sondern ein 
Degenerationsproblem allgemeineren Charakters. 

Geschlechtscharakter hat die Anlage vom Mo- 
ment der Befruchtung an, also auch ohne Reifung 
der Geschlechtsdrüse, nur die Reifung dieser Merk- 
male ist an die Geschlechtsdrüse gebunden. Dies 
beweisen der Pseudohermaphroditismus als Miß- 
bildung, der Halbseitenzwitter, die Beobachtungen, 


daß sich beim Fötus männliche Geschlechtsorgane 


auch beim Fehlen der männlichen Geschlechtsdrüse 
entwickeln, weiter die Beobachtung des morpholo- 


‚gischen Valenzwechsels ohne Änderung des Ge- 


schlechtsdrüsencharakters und ohne Änderung der 
Triebrichtung, sowie die Tatsache, daß der Eunv- 
choidismus kein Konvergieren eines asexuellen 
Typus darstellt, sondern einen SS 
ten Typus sexueller Unreife. 

Schon in der Anlage liegt oft das Auftreten ein- 
zelner Merkmale des anderen Geschlechts teils mit, 
meist ohne krankhafte Triebrichtung, die natürlich 
erst nach der erotisierenden Wirkung der Reifung 
deutlich wird. Bei der Homosexualität ge- 
hört die krankhafite Richtung des Kontrektations- 
triebes zu der primären Anlageanomalie und er- 
hält unter der erotisierenden Wirkung der Ge- 
schlechtsreifung ihre spezielle Richtung und Ver- 


wertung. Auch meinen Erfahrungen nach führt die 


Überpflanzung der Geschlechtsdrüse eines Nor- 
malen auf den Homosexuellen zu keiner Änderung 
der - Triebrichtung, selbst nicht bei gleichzeitiger 


248 


psychotherapeutischer Beeinflussung. Nach Kastra- 
tion schwindet ın solchen Fällen lediglich die eroti- 
sierende Wirkung und damit die perverse Betäti- 
gung nach einiger Zeit, nicht aber die krankhafte 
Einstellung des Kontrektationstriebes. Selbstver- 


ständlich ist das Problem der Homosexualität hier- 


mit noch nicht erschöpft. Aber zu unserem Ihema 
gehören nur die vielleicht weniger häufigen Fälle 
von essentieller Homosexualität. a 

Das Wesen der inneren Sekretion für die Kon- 


stitution und derenAnlageanomalieñn 


liegt in der besprochenen Bedeutung der Einzel- 
drüse als Entwicklungs- und Organisationsträger. 
Diese schaffen in Wechselwirkung mit der somati- 


schen Anlage und dem Milieu den Organismus. Auf 


dieser Grundlage können wir mit Hilfe der Kör- 
perbauforschung biologische Charakterforschung 
treiben, wenn wir unter biologischem Charakter 
den Ausdruck der Gesamtkonstitution auf psychi- 
schem Gebiete verstehen. Er entsteht aus dem 
Zusammenwirken der besonderen Anlage des Zen- 


Bericht über das Ergebnis der Untersuchungskommission der 
Psychologischen Gesellschaft in Berlin. 
Von Dr. med. Paul Sünner. 


m 19. Oktober erstattete Herr Geheimrat Moll 
als der maßgebende Einberufer der bekannten 
Untersuchungskommission im Rahmen der Psy- 
chologichen Gesellschaft seinen Bericht. Das Er- 
gebnis ist ein außerordentlich dürftiges zu nennen, 
und es mußte Verwunderung erregen, daß es 
immerhin gelang, zwei Stunden lang eingehende 
sog. Protokolle zu verlesen. Lediglich ein einziges 
Gebiet von alledem, was untersucht werden sollte, 
konnte besprochen werden. Es haben sich nämlich 
. nur eine Anzahl von Leuten gemeldet, die vor- 
gaben, Hellsehmedien zu sein. Zum Teil bezog 
sich . die angebliche Fertigkeit derselben auf das 
Deuten von Träumen, teils auf Hellsehversuche. 
Das in den meisten Fällen negative Ergebnis der 
mit Geduld und Ausdauer angestellten Versuche 
wurde vom Vortragenden in der bekannten Art 
wiedergegeben, wobei der Versuch, die Lachmus- 
keln der sonst tötlich gelangweilten Zuhörerschaft 
zu reizen, nicht unterblieb. | 
Mit Wärme. wurde das Wohlwollen und das 
geduldige Einstellen auf die Versuchspersonen her- 
vorgehoben, wobei der Vertreter einer Firma für 
Wollwaren und Herren- und Damenwäsche aus 
Sachsen besonders zeitraubend behandelt zu sein 
schien. Mit Nachdruck wurde auch betont, daß 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


tralnervensystems mit den innersekretorischen. ' 
Konstitutionsträgern, seine Ausbildung erfährt der Į 
Charakter in der Wechselwirkung dieser Anlagen # 
mit dem Milieu. Die Aufgabe der Körperbaufor- # 
schung liegt in der Systematisierung ‘vorhandener f 
Degenerationszeichen oder sonstiger faßbarer Kör- 
perbauzeichen und deren Zurückführen auf die $ 
Korrelation, wobei wir die Bedeutung einzelner 

innersekretorischer Organe nicht überschätzen $ 
dürfen. = 
Störungen im Gefüge dieser innersekretorischen 
Konstitutionsträger führen z. B. als Eunuchoidis- $ 
mus zu körperlichen und charakterologischen art Y 
fremden Merkmalen, die nicht mehr in die Kollek- 
tivkonstitution, den Mutterboden der Individual- 4 
konstitution gehören. Diese Abänderung wird von 4 
der Gesamtheit als fremd, d. h. asozial empiunden f 
wie sie sich selbst in die Gesamtheit nicht einti- $ 
sen. Solche Störungen führen also, um mit Krae- f 
pelin zu reden, zur Entwurzelung. 
(Fortsetzung folgt.) 1 


dem. gewiß. zu erhebenden -Einwand gegenüber, 
daß es sich nicht um richtige Medien gehandelt" 
hätte, zu erklären sei, daß es sich um teilweise seht $ 
bekannte Personen ihres Faches gehandelt habe” 
Mit größter Verwunderung wurde im Schlul-" 
wort, als das negative Resultat nochmals hervor- 3 
gehoben wurde, jeder Hinweis auf die anderen 
Punkte des Programms vermißt. Es mußte in die 7 
sem Kreise, der gekommen war, um doch immet 
hin mehr zu hören, Erstaunen erregen, dab vr 
Telepathie, Telekinese, Materialisationen USW 
auch mit keinem Worte die Rede war. Und das 
alles nach einem Jahr sogenannter emsiger F ori 
schung von einer. so bedeutend angekündigte! " 
Kommission! Con. z ; 
In der Diskussion, zu der sich diesmal Hert Moll ; 


ES a a ENG 


bequemt hatte, wurde dieses magere Er 
nis denn auch von verschiedenen Seiten beleu 
tet. Es sprachen die Herren Aigner, Schwab, SU 7 


ner, Frank-Briesen, Dessoir und andere. 


Herr Sünner wies darauf hin, daß man über dna i 
Bericht des Abends als Überschrift setzen köm” f 
| Denn der Vortragende s fh 
Opfer gefale Ti 
Personen von merkwürdiger/Geistesverfassung 0% 7 | 
sogar mangelnder Urteilskraft, die aus ganz ande i i 


Märchenerzählungen. 
wohl sog. Märchenerzählern zum 


a! 
ne Ve] 


Tfründen, um sich wichtig zu tun, oder berühmt zu 
3 werden, oder um ein Zeugnis zu erhalten, sich zur 
FVerfügung gestellt hatten. Man müsse sich wun- 
lern, daß solchen Leuten soviel Zeit und Mühe ge- 
Ividmet worden sei, wobei man die Vermutung 
nicht los werde, daß mit allen Mitteln wenigstens 
fof für einen Referierabend gesammelt wurde. 
Alierkwürdigerweise habe Herr Moll dem Reisen- 
fén in wollenen Unterhosen und Damenwäsche 
fanen ganzen Abend mit der Kommission gewid- 
met, während doch jeder andere Arzt nach zwei 
Pinten diesem Herrn mit Rücksicht auf die kost- 
fure Zeit die Tür gewiesen hätte. Es scheine also, 
fas wenn die Warnung der Deutschen Okkultisti- 
‚schen Gesellschaft in Berlin vor einem Zusammen- 
Jabeiten mit Herrn Moll Früchte getragen habe. 
Tuch bestehe seit einem halben Jahre eine „Ärzt- 
liche Gesellschaft für Parapsychische Forschung”, 
fie das Ihrige zum Fernhalten von Medien getan 
f obe und die auch beanspruche, ein Wort auf die- 
f som Gebiete mitsprechen zu dürfen. Richtige -Me- 
4 dien stellten sich im allgemeinen mit ihrem ver- 
q inerten Nervensystem und Seelenleben nicht auf 
4 (en Markt und riefen: „Hier bin ich”, sondern ließen 
sch nur mühsam finden und dann nur in kleinem 
J Kreise von Ärzten und Naturwissenschaftlern un- 
f ersuchen. Das höchst dürftige Ergebnis sei also 
f Wwauszuschen gewesen, und vor den zahlreich er- 
f hienenen Pressevertretern sei ein Wort der Ab- 
F wehr am Platze, die Ausführungen des Herrn Moll 
fas der Weisheit letzten Schluß zu betrachten. 
f uflallenderweise wurde diesen Ausführungen in 
Er Kreise lauter Beifall zuteil.) 

= Herr Dr. Frank, Briesen, hob die von verschie- 
| ‚denen Seiten schon früher (Kröner, Sünner u. a.) 
| mängelte persönliche unglückliche Art und Weise 
fis Referenten hervor, die nicht die Einstellung 
nd Gewähr biete, erfolgversprechend auf diesem 
f biete zu arbeiten. Er empfahl ein Zusammen- 
| Weiten aller in Berlin bestehenden, für das Ge- 
f tiet der Okkultistischen Forschung ernstlich inter- 
A Ssierten Kreise. Auf seine Frage an den Vortra- 
f nden, wer denn die so bekannten Medien ge- 
j Vesen seien, ob er ihre Namen nennen könne, blieb 
e die Antwort schuldig. 

| Herr Prof. Dessoir bedauerte das negative Er- 
| tnis der Kommission und unterstrich die unge- 
{ure Mühe und Zeit, die man auf die Untersuchun- 
| en verwandt habe. Er betonte die Bereitwillig- 
| 3 eit, trotzdem ernstlich weiterhin mitforschen und 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Es wird dringend gebeten, von Vorträgen und Aufsätzen immer recht 
bald einen druckfertigen Eigenbericht an die Schriftleitung zu senden. 


249 


mitarbeiten zu wollen, da’ er sich freuen würde, 


auf einem Gebiete, von dem so manche bedeutende 


Persönlichkeiten sagten, daß „etwas Wahres daran 
sei , auch einmal etwas Positives zu erleben. 

Leider wird dieser begreifliche Wunsch solange 
unerfüllt bleiben, solange Herr Prof. Dessoir und 
der dritte Mitarbeiter der Kommission, Herr Dr. 
phil. Baerwald, sich nicht von Herrn Moll zu tren- 
nen vermögen. Daß dieser sich noch nicht in die 
Rolle dessen, der seine einstmals angsemaßte ton- 
angebende Stellung auf dem Gebiete 'Parapsychi- 
scher Forschung längst verloren hat, hineinzufin- 
den vermag, bewies sein Auftreten an diesem 
Abend, wo es ihm doch ein leichtes gewesen wäre, 
ii der Versenkung zu bleiben. Seine Unverwüst- 
lichkeit ist anzuerkennen, aber daß er aus den ver- 
schiedensten Vermahnungen, die er im Laufe der 
Zeit einstecken mußte, auch aus Universitätskrei- 
sen außerhalb Berlins, nicht das Mindeste gelernt 
hat, bewies sein Schlußwort. 

Denn nachdem seine „Gegner” sich ausgespro- 
chen hatten und ihm nun nicht mehr gefährlich 
werden konnten, versagte er es sich nicht, nach 
den verschiedenen Seiten hin sein sattsam bekann- 
tes Gift zu verspritzen. 

Es erscheint nach den obigen Ausführungen 
doch angebracht, die gelegentlich eines früheren 
Vortrages geäußerten Worte des Heidelberger 
Psychiaters, Professor Gruhle, im Zentralblatt für 
die gesamte Neurologie und Psychiatrie vom 15. 
April 1922 an dieser Stelle einem weiteren Leser- 
kreise zu unterbreiten. Er schreibt: „Moll macht 
sich seine Aufgabe zu leicht. Er erklärt zwar aus- 
drücklich, man solle „alle Sachen” untersuchen, 


aber für ihn scheint — aus seinem ganzen saloppen 


Ton zu schließen — das negative Ergebnis von 
vornherein festzustehen. Er hat den Phänomenen 
gegenüber — von Mystik ist übrigens in wissen- 
schaftlichem Sinne nicht die Rede — niemals die 
Einstellung, man solle den Medien die Aufgabe er- 
leichtern, sondern er sucht sie ihnen zu erschwe- 
ren. Moll interessiert sich dafür, was die Medien 
nicht können, — er sollte sich dafür interessie- 
ren, was und unter welchen Umständen sie mehr 
können als andere Leute. Darauf kommt es 
an. Derartige mit garstigen Witzchen: ausgestat- 
tete populäre Vorträge bringen gerade den Arzt in 


seiner Fortbildung nicht weiter.” 


Hiermit kann wohl das Kapitel: Moll und seine 
Untersuchungskommission geschlossen werden. 


250 


Mitteilungen. 


— Unterricht für das Pilegepersonal. Aus dem Be- 
richt über die Kantonale Heil- und Pflegeanstalt Fried- 
matt, Basel 1921: Einem von seiten des Staatsarbeiter- 
vereins an das Sanitätsdepartement gerichteten Gesuch 
um Abhaltung von Kursen über die Irrenpflege für das 
Wartpersonal wurde stattgegeben. Der Kurs wurde 
durch den Sekundärarzt abgehalten. 


Referate. 


— Psychische Faktoren bei organischen Krankhei- 
ten. Von G. R, Heyer, H. med. Univ.-Klinik München. 
Münch. med. Woch. 1922 Nr. 34, 1241 bis 1243. 

Empfehlung der psychotherapeutischen Methoden 
auch bei organischen Krankheiten, die meist mehr als 
man denkt überlagert sind, namentlich die schweren 
Nervenkrankheiten. In diesen kann Behebung der psy- 
chogenen Faktoren das Leben oft noch erträglich ma- 
chen. An Hand von Krankengeschichten wird gezeigt, 
wie aber auch bei anderen Erkrankungen die Hebung 
des Befindens der Gesamtpersönlichkeit den Heilungs- 
verlauf begünstigt. Beschreibung von Fällen, in denen 
die physische Noxe mit psychischem Trauma zeitlich und 
innerlich verkoppelt war und Heilung erst eintrat, als 
beide. Faktoren exakt angegriffen wurden. Empieh- 
lung der Hypnose zur Differentialdiagnose zwischen 
Hysterie und beginnender Epilepsie. Eigenbericht. 


— Myelozytenbefund bei inneren Krankheiten (außer 
bei primären Blutkrankheiten).. Von A. Roscher. 
Zentralbl. f. innere Medizin 1922 Jahrg. 43 Nr. 32 vom 
12. August. SS 

Im Stadtkrankenhause zu Zittau wurden vielfache 
: Untersuchungen des peripheren Blut auf Mpyelozyten 
gemacht. Dieselben wurden bei Iniektionskrankheiten 
mit und ohne Leukozytose, bei sekundären Anämien, 
insbesondere bei Ulkus und Karzinom, auch bei ent- 
zündlichen Vorgängen und bei Psychosen ge- 
tunden. Nach Ansicht der Untersuchungsansteller kommt 
ihnen eine klinische Bedeutung insofern zu, als sie die 
klinische Diagnose erweitern und vertiefen können. Es 
wird das Vorhandensein von Myelozyten als Ausdruck 
vermehrter Blutneubildung bzw. als Schädigung und 
Reiz der Bildungsstätten aufgefaßt. Diagnose, Pro- 
gnose und Therapie sollen durch sie gewinnen. 
| Wenn Nachuntersuchungen dies bestätigen, dann 
wäre für unsere Psychiatrie viel gewonnen, denn dann 
könnten wir die differentialdiagnostischen Fragen, wel- 
che sich so oft (Hysterie oder larvierte Dementia prae- 
cox? Imbezillität oder beginnende Hebephrenie? Haft- 
psychose oder Simulation?) uns entgegenstellen, leicht 
in diesem Roscherschen Sinne lösen, und es wäre seit 
der Wassermannschen Entdeckung nichts so Umwäl- 
zendes in der Irrenheilkunde publiziert worden, wie die- 
ser Myelozytennachweis. Wern. H. Becker. 


— Kritischer Beitrag zu der Serologie der Dementia 
praecox. Von Hans Roemer, Karlsruhe. Zeitschr. 
f. d. des. Neur: u. Psych. 1922, 78, Heft 4-5 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


-Heft 1-2. 


[Nr. 37138 $ 


S. 571. Die serologischen Befunde stehen mit den # 


zurzeit geltenden Annahmen der Klinik, der Erbbiologie E 
und der Konstitutionspathologie über das Wesen der * 


Dementia praecox, im besonderen hinsichtlich der Un- 
wichtigkeit der äußeren Ursachen und der Wichtigkeit # 
der Erbanlage, 
anfängliche Hoffnung, mit der Abderhaldenschen Reak- 


tion die Dementia praecox von den Psychopathien und T 


dem manisch-depressiven Irresein scharf abgrenzen zu ' 
können, hat sich nicht erfüllt. 
zur Ablehnung der Methode. R. 
erste Anwendung 
Psychosen  vielversprechende 


meint, 
Befunde 


praecox unbeirrt durch 


augenblicklich im Vordergrund stehenden 


anlangt, noch keineswegs erschöpft sind. 1 
— Der Okkultismus der Gegenwart und seine Ge- f 
fahren. Von Dr. med. H. Brennecke. Abteilungs- 3 
arzt an 
burg. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. 


u. Psych. 1922 Bd. m \ 


„Auf der einen Seite stellen die nicht mehr zu leus- f 


nenden, okkulten Phänomene, von denen die Telepathie f 
und das Hellsehen bereits als bewiesen anzuerkennen Fi 
an die Naturwissenschaft gebieterisch das Ver Fl 
langen um Aufnahme in den Kreis ihrer Forschung. Se fi 
geben den Beweis der Selbständigkeit des Seelenlebeis: 4 

. Hüten wir aber auf der anderen Seite uns und die” Ai 


sind, 


Menschheit vor falschen Wegebereitern, den gefäht- Fi 
lichen Halbgebildeten und Unwissenschaftlichen.” | 


Buchbesprechungen. 


— Leitfaden für Irrenpfleger. Von weiland Dr. Lud: 
wig Scholz, Nervenarzt in. Bremen, Direktor a. D. Š 
der Prov.-Irren- und Idiotenanstalt in Kosten. vo 2° 
Deutschen Verein für Psychiatrie gekrönte Preisschritt. # 
17. und 18. Auflage. Mit 42 Abbildungen. Besorgt von f; 
Medizinalrat Prof. Dr. Dannemann, Direktor der d 
hessischen , Heil- Bas Pilegeanstalt Heppenheim 4. d 7i] 
Bergstraße. Halle a. S. 1922, Carl Marhold Verlagsbuci 
handlung. Grundpreis 1,00 M, Schlüsselzahl zurzeit 100. 4 

Unterrichtliche Ausbildung des Pflegepersonals tut i Í 
heute an den Anstalten, wo der Achtstundendienst einge- i 
führt ist, besonders not. 


fen hat, bringen es mit sich, daß mancher Pflege 


er- 4 
immer so mit dem ganzen Herzen seinen Dienst V 1 


sehen kann, wie er es möchte und wie & aui | 
S. 123 als altes und natürliches Erfordernis der itek § 
anstalten und als besonderer Ruhmestitel des = 
pflegepersonals geschildert wird. Dazu kommt, da 


bi f 
heutzutage gewisse Weltverbesserer in plötzlich 4 


in weitgehender Übereinstimmung, Die T, 


Dies ist aber kein Grund 4 
nachdem die #\ 
der Abderhaldenschen Reaktion auf 1 
ergeben hat, $1 
sollte man die serologische Erforschung der Dementia Fs 
die Gunst oder Ungunst der T 
klinischen $ 
Theorien in zäher und kritischer Arbeit ausbauen, zi- F\ 
mal die Entwicklungsmöglichkeiten bei dem Abderhal- # 
denschen Verfahren, was die Auffindung neuer Methoden 2 


der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg-Ham- T 


Auch die wirtschaftlichen u f 


Sorgen, mit denen heute manche Pilegerfamilie zu e A ] 
r niee y 


1192) 

, sich selbst entdeckter Neigung - (aber nicht Fähig- 
keit) zu „Höherzüchtung” des Menschengeschlechts 
de Irrenpfllege am liebsten als etwas Kultur- 
f vidriges hinstellen möchten. Der Leitfaden von 
1 Scholz hat seinen unvergänglichen Wert darin, daß er 


es vermeidet, "das Pflegepersonal mit gelehrten Theo- 
frien bekannt zu machen, und sich vielmehr an Herz und 
f Charakter, an Takt, Pflichtgefühl und christlichen Sinn 
@ wendet. Es wird immer aufs beste um die Irrenanstal- 
‚ten bestellt sein, wenn dieser Geist in ihnen wohnt. 

E —=Levy-Suhl, Dr. med. Max, Facharzt für Ner- 
4 ven- und Seelenleiden, Berlin-Wilmersdorf: Die hypno- 
Fische Heilweise und ihre Technik. Eine theoretische 
| ind praktische. Einführung‘ in die Hypno- und Sugge- 
stionstherapie nebst einer vergleichenden Darstellung der 
4 Treudschen Psychoanalyse. 146 S. Mit 20 praktischen 
f Beispielen. . Stuttgart 1922, Verlag von Ferdinand Enke. 
1 Geh. 96,00 M. | 

7 Bei den ungemein vielen Neuerscheinungen über 
f Iiypnose müssen wir uns hier auf die bloße Angabe von 
Titel und Verfasser beschränken und nur bemerken 
f das Buch unter diesen Schriften einen hervorragenden 
f Patz verdient. Auf die Ausführungen über die von ihrem 
“bohen therapeutischen Ziele „weit entfernten” Be 
schen Ergebnisse der Psychoanalyse nach Freud, S. 112 
und 113, sei ee hingewiesen. 

E Finkelstein,- Prof. Dr. H., und Dr: F. Rohr: 
I Die Behandlung der a Bauchfellerkrankungen 
4m Kindesalter. Halle a. S. 1922, Carl Marhold Ver- 
f lgsbuchhandlung. ` Grundpreis 0,70 M, Schlüsselzahl 
f zurzeit 100. 

f Diese Schrift wird besonders auch die Ärzte der 
j ilil- und Pflegeanstalten für geistesschwache Kinder 
4 und Jugendliche interessieren; in solchen Anstalten kom- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚daß. 


251 


men in Anbetracht der dort herrschenden Häufigkeit der 
Tuberkulose solche Erkrankungen nicht selten vor: 
jedenfalls findet man bei Sektionen recht oft verkäste 


tuberkulöse Mesenterialdrüsen. Die chronisch verlau- 
fenden Bauchfellentzündungen sind fast ausnahmslos 
tuberkulöser. Art. 

— Jacobi, Pastor Gerhard, Halle a. S., Geschäfts- 


führer des Provinzialvereins für psychopathische Kinder 
in der Prov. Sachsen: Was sind Psychopathen und wie 
ist ihnen zu helfen? Für Nichtmediziner dargestellt. 
Halle a. S. 1922, Carl Marhold Verlagsbuchhandlung. 
Grundpreis 0,70 M, Schlüsselzahl zurzeit 100. 

Die Ausführungen über die erziehliche Behandlung, 
besonders über die Selbstverständlichkeit (S. 28, 29), die 
dabei walten soll, sind auch für Ärzte sehr beachtens- 
wert, wie überhaupt die ganze Darstellung die Mitwir- 
kung des Erziehers bei der Psychopathenfürsorge im 


. besten Lichte zeigt. 


— "Gruber, 0g- By. und EKT ATACE SENA 
Neuere Anschauungen vom Wesen des Ulcus pepticum ` 
ventriculi und duodeni. Halle a. S. 1922, Carl Marhold 
Verlagsbuchhandlung. _Grundpreis 0,95. M, Schlüssel- 


zahl zurzeit 100. 


Es ist bemerkenswert, daß an Stelle des konstitutio- 
nellen und neuropathischen Moments als Ursache die me- 
chanische Schädigung wieder mehr in den Vordergrund 
serückt wird. Es wird überhaupt ein Zusammenwirken 
mehrerer Schädigungen angenommen (S. 16); dabei spie- 
len die gegebenen lokalen Verhältnisse eine besonders 


wichtige Rolle. 


Ausgang in Krebs ist beim peptischen Magenge- 
schwür selten, bei dem des Duodenum ungemein rar 
(S. 41). D auch für den Neurologen lesenswerte Ar- 
beit (vgl. S. 34, Gehirnaffektionen). 


Für sen Weihnachisstisch! 


Ein lustiges Buch für Aerzte und Patienten 


Mit hörrohr und Spritze 


NA = = s 
mN E È Gps 
M = reich illustriert, auf jeinstem Kunsidruckpapier mit elegantem Ein- = mN 
= band von Max Klinger. — Preis geb. 1100,— M, brosch. 950,— M. = 
a TI TI TITAN adatti 


| Verlag Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstraße Nr. 48. 


} 


292 


Wirtschaitliches. 


Vom „Deutschen Garten-Kalender” (Herausgeber 
Saathoff, Verlag P. Parey, Berlin SW. 11, Hedemannstr. 
10 und 11) ist der Jahrgang 1923 pünktlich erschienen. 
Er enthält neben Kalendarium und Schreibkalender zahl- 
reiche Hilfstabellen und belehrende Artikel und sei den 
Anstalten wiederum bestens empiohlen. 


erhalten. 


worauf wir unsere 


Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schrift 
leitung resp. den Verlag über 
Fragen das Rückporto beizufügen. 


Personalnachrichten. 


— Köln. Priv.-Doz. der Psychatrie Dr. K. Schneider 


Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S 


Be es tale alu ei nr E NE 
SEBNZERESERBREEIBBRRSEENBEBRERESBENSEBERFEBEIRZRERBME 


Sanatorien und NHeilanstalten. 


Siehe auch die nachstehende Seite. 
EEREBEEEBEBEBSEREBRBERNZERBIHEUNEEREKEBEEEAERBEEBBSSE 


Sanatorium Waldirieden 
Ziegenhals (Schles.) 


für Nervenkranke, Entziehungskuren (Morph.,. Alc.) Zweiganstalt mit 
mäßigen Preisen: Psychotherapie, Anleitung zu gesundheitsfördernder Be- 
schäftigung. Alle physikalischen Heilmittel. Dr. Jirzik: 


Nervenheilanstalit = Görlitz 


Offene Kuranstalt: fir Nervenkranke, Erholungsbedürftine, Alkoholisten, Morphinisten u. a. 


Arztliches Pädagogium: fir jugendliche Kranke, Psychonathen, Debile, Imbecille u. a. 
Geschlossene Anstalt: fir Geisteskranke 
‚Besitzer und Leiter: San.-Rat Dr.’ Kahlbaum. 


Dr. Hertz’sche Privat-Heil- u. Pflege-Anstaltin Bonn. 
Nervenheilanstalt mit 2 getrennten Abteilungen 


I. Offene Abteilung für eg rang 
2. Geschlossene Abteilung für Psychosen aller Art 


Nahe bei der Stadt in ruhiger Lage Prospekte auf Verlangen 
‚Sanitätsrat Dr. Wilhelmy. 


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Professor Dr. König. | ' 


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Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummern, 
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ORANG 


TESIS SISIANE 


THAHIEKISKITSTAIRAIAIHANE TE E 


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Jg.led. ev. Arzt: ne 
psychiatr. u. in Alig.-Pr. betät., 0 aA 
“iene in öff. Irr.-A.; Antr. jederz. 
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Wochenschrift. 


3 > Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


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E ` 


Inhalt: Zur Pathogenese der 


Psychiatrie und innere Sekretion. 
S. 263.) — Buchbesprechungen. (S. 


Von Dr. med. et phil. 


M. H.! 


[eh habe auf die bezüglichen Befunde beim Men- 
schen (Taucher) schon in anderem Zusammen- 
lange (1910) aufmerksam gemacht, aber noch nicht 
Ülegenheit genommen, diese seltenen Verände- 
i demonstrieren. 

Wie Sie sehen, handelt es sich um umschriebe- 
© oder ausgedehntere Läsionen namentlich der 
Neiben ‚aber auch der grauen Substanz des Rük- 
lönmarks, die zunächst die Nervenelemente, bei 
lherer Intensität jedoch auch das Stützgewebe, 


at ês zum nekrotischen Zerfalle entsprechender 
kide bzw. zu vollständiger Erweichung 
i0 licher Abschnitte kommt. — Was hier vor allem 


) Vortrag, gehalten in der Sitzung des Vereines für 
Vchiatrie und Neurologie vom 13. Juli 1920. 


30. Dezember 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 
Halle a. S., Mühlweg 26 
Fernsprecher 6823 


Telegramm - Adresse: Marhold Verlag Hallesaale 
Postscheck: Leipzig 32070. 


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Psychiatrisch- Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Foen. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr, Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
"Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
liberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
Dr. v. Olah, Budapest, 
Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Vocke, Eglfing b. München, 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Profi. Dr. med. et phil. 


Schrittleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 


Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
W. Weygandt, Hamburg. 
e Zu beziehen durch iede Buchhandlung, 


die Post und unmittelbar vom Verlage. 

Erscheint bis auf weiteres vierzehn- 
tägig in Doppelnummern. l 

Zuschriften für die Schriftleitung sind 

an San.-Rat Dr. Brésler in Kreuzburg 

(Ob.-Schl.) zu richten. Bei Anfragen ist 
das Rückporto beizufügen. 


Alleinige Anzeigen-Annahme: 


Hans Pusch, Berlin SW. 48, 
Wilhelmstraße 28. A 


Schädigungen des Zentralnervensystems, insbesondere des: Rückenmarks nach 
rascher Dekompression beim Menschen. Von Dr. med. et phil. Hermann von Schrötter, Wien. (S. 253.) 
Von Priv.-Doz. Dr. Heinrich Fischer, Gießen. Schluß. (S. 255.) -— Referate. 
263.) — Therapeutisches. 


(S. 265.) — Wirtschaftliches. (S. ir 


lur 1 Pathogenese der Schädigungen des Zentralnervensystems, insbesondere 
des Rückenmarks nach rascher Dekompression beim Menschen. ') 
Hermarn von Schrötter, Wien. rs 


betont werden Sal ist de Genese dieser Zer- 


störungen, für welche der Ausdruck Myeolose 


im Gegensatze zur Myelitis berechtigt erscheint. 


Die Veränderungen sind auf das Auftreten von frei- 


em Stickstoffe im Blüte, den Säften und Gewebs- 
maschen zurückzuführen, Vorgänge, die in ihrer 
Wirkung um so eingreifendere sind, ie länger der 
Aufenthalt unter hohem Drucke gewährt hat und 
ie beschleunigter die Dekompression erfolgte. 
Bei den bezüglichen Schädigungen handelt es 
sich nun einerseits um die Wirkung des emboli- 
schen Transportes von an’ anderen Stel- 
freige- 
wordenem Stickstoffe, andererseits um den Ein- 
fluß des autochthon, in Loco freiwerden- 
den Gases, Vorgänge, die sich mehrfach. ergän- 
zend im wesentlichen dadurch zum-Untergange im 


besonderen der spezifischen Elemente führen, dab 


sie die Ernährung, die Sauerstoffversorgung- der- 


254 


selben : beeinträchtigen bzw. 
Waren wir früher geneigt, namentlich dem erstge- 
nannten Vorgangee, (dem - Kreisen übersättigter 
Lösungen, der Verschleppung von Gasblasen die 
Hauptrolle zuzusprechen, so läßt sich derzeit aber 
mit aller Bestimmtheit sagen, daß auch das letzt- 
genannte Moment von maßgebender Bedeutung 
ist, nachdem wir durch die Untersuchungen von 
Vernon 1906 sowie durch weitere Studien von 
Ouincke 1910 wissen, daß lipoide Substanzen etwa 
5-6mal soviel Stickstoff absorbieren‘ als 
Serum und demgemäß das Unterhautfett (Fett- 
mark), sowie. myelinhaltige Texturen als gasauf- 
speichernde Gewebe zu betrachten sind. Infolge- 
dessen bleibt die bei der Dekompression notwen- 
dige Stickstoffabgabe wegen der verschiedenen 


Beschaffenheit der absorbierenden Medien ge- 
wissermaßen hinter dem Druckabfalle zurück, es 
entstehen supersaturierte Lösungen, Gasreste in 


den fettführenden Geweben, die namentlich dort 
nachteilig einwirken müssen, wo die Blutversor- 
gung schon physiologischerweise eine geringe ist, 
und Diffusionsvorgänge daher erschwert sind.?) 
Aus diesem Grunde finden wir die Läsionen vor 
allem auch in der weißen Substanz‘ des Rücken- 
markes lokalisiert, während die graue wegen ihrer 
reichlichen Blutversorgung nur ausnahmsweise ge- 
Schädigt.wird.. —-Nach längerem Aufenthalte unter 
hohem Drucke und relativ prolongierter 
Dekompression, dürfte die Schädigung vorwie- 
send an das Kreisen gasführenden Blutes, die er- 
schwerten Resorptionsbedineungen für den lokal 
freiwerddenden Stickstoff bei gleichzeitiger Beein- 
 trächtigung der Sauerstofiver soreng daselbst ge- 
knüpft sein, während nach kurzer Dekompres- 
sion auch das rasche Freiwerden a Gas- 
mengen an umschriebener Stelle selbst in Rech- 
nung zu ziehen und in der Tat in Form eigenartiger 
Bilder, dem Auftreten von runden Lücken im Ge- 
webe, nachzuweisen ist. — In solchen Fällen han- 
delt es sich dann auch um traumatische Störungen, 
die den nachfolgenden nutritiven (ischämischen) 
Schädigungen der Nervenelemente vorangehen, 
wie sie mit dem erschwerten Abtransporte freige- 
= wordenen Stickstofies seitens eines zumeist noch 
Gasblasen führenden Blutes zusammenhängen. 
= Hämorrhagien werden. auch in: ausgedehnten 
Herden (Längsschnitte) vermißt oder treten nur 
unter besonderen: Bedingungen —. gleichzeitige 
‚venöse Stauung older Ruptur von Kapillaren — auf. 
2) Das Freiwerden von Stickstoff aus dem Fett- 
marke der Knochen ist unterdessen von Bornstein 
im Wege der  Radiographie (Aufhellung bezüglicher 
Knochenpartien) nachgewiesen worden. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


unterbrechen. —. 


das 


‚standenen 
und vereinzelt in der weißen, aber auch der graue 


-mithin besonderer, 


auch ausgesprochene Hirnerscheinu ngeli 


~ Auseinanderdrängung des feineren Netzwerkes 


Auftreten der Lücken. 


Unter den zuletzt genannten Umständen, biiy 
hoher Tensiondifferenz, BR es zur Gasen F. 
dung in Form kleiner oder -größerer Blasen] 
(„bubbles”), die die Gewebsmaschen auseinander A} 
drängen, das Gefüge bei reichlichem Auftreten i 


paraten erkennen kann — am Quer- sowie am 
Längsschnitte als einfach kreisrunde oder verschie- jp 
den sphärisch begrenzte Lücken darstellen, die f 
im: Innern. . manchmal noch ein feinstes Netzwerk 
von gedehnter Stützsubstanz erkennen lassen?) 
Diese Bildungen dürfen nicht mit jenen hier, 
namentlich nach protrahiertem Verlaufe typisch4 
auftretenden und ja auch von Prozessen ander ii 
pathologischer - Dignität genugsam bekannten 4 4 
Lücken bzw. Lückenfeldern verwechselt werden At | 
die durch den Untergang bzw. die Resorption voii X 
Nervenfasern im Gefolge höher oder tiefer sitzen i hi 
der Läsionen bedingt und häufig von einer Ver “ 
dichtung der bezüglichen Gliamaschen begleitet i a 
sind. Diese Lücken besitzen einen bestimmten il 
dem Schwunde der gequollenen Achsenzylinda i 
entsprechenden Querschnitt, sind: zumeist in Grupi y 
pen angeordnet, das Ganze oft einem Maschen fiy 
werke um den nekrotischen Herd gleichend, wäh, 
rend die durch" umschriebene Gasentbindung: ent- b 
Löcher verschiedene Größe aufweiself hi 

3 
während id M 


FÜR 


li 
! 


Diese Diskontinuitäten sind 4 
primärer Natur, 
erstberührten Lücken im wesentlichen bereits" 
sekundäre Veränderungen darstellen. A 

Das fett- bzw. lipoidhaltige Nerven 
gewebe disponiert, wie gesagt, schon aus phys gr 
\ 


Substanz auftreten 


kalischen Gründen zu Schädigungen nach rascher $ 
Dekompression und es stehen demgemäß neuro- f 
logische Symptome bis zu den schwersten Graden 1 
im Vordergrunde der klinischen Bilder. Am häufig: 1 Ih 
sten. werden Paraplegien verschiedener In A 
und Extensität beobachtet, daß aber nach rascher fr n 
Dekompression von hohem Drucke ie 2 


Psychosen, vorkommen, erscheint bei längeren} 


3?) An einem von A. Köhler mit aliravioleti iii 
Lichte aufgenommenen, im übrigen ungefärbten prä- 
parate -meiner Sammlung sieht man diese beinnend J 
zwischeit g 
den Längsfasern, diesen gewissermaßen ann 
tösen Charakter mancher Stellen des Querschnittes deut 
lich ausgesprochen. — Dagegen, daß diese Auflockenit {h 
etwa durch ödematöse Durchtränkung bedingt ist, "sec $ 
schon das umschriebene und bestimmter aussen i 


4 
t 


Be: 


i (reisen von reichlich freies Gas führendem Blute 


Iegreiflich. 


Ihren übersättigter Lösungen in den Geweben ab- 
f pielen, auf die Bedeutung der kolloidalen Struktur 
Fir Gewebe, der Viskosität der Säfte hierbei, kann 
In dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. 
Alterwähne nur noch den für die örtlichen Pro- 
Jesse der Gasentbindung ‚wichtigen Vorgang, daß 
Aurschleppte Stickstoffbläschen in einer Umgebung 
Ailerer Tension als Attraktionssphären, 
kichsam impfend, wirken und dadurch zum Frei- 
Ferden weiterer Gasmengen führen. Im. übrigen 
Fierweise ich auf Angaben, die ich hierüber an einer 
Sriheren Stelle *) gemacht habe. 

po versteht, daß es bei protrahiertem 
Mankheitsverlaufe zu  reparatorischen 
Porgängen, Gliaverdichtung, kleinzelliger 
fonum bzw. in die nekrotischen Herde mit ihren 
Atinigfachen Zerfallsvorgängen kommt und bei 
Anlsprechender Lokalisation und additiver 
lung dieser Höhlen auch Degeneratio- 
dien in höheren, sonst nicht veränderten Segmen- 
indes Systemes (Ponsgegend) nachzuweisen sind. 
Purch die graduell wechselnde, namentlich die 
finter- und Seitenstränge betreffende Ausdehnung 
fir Herde können die klinischen Symptome man- 
Kigtaltige sein; wegen der zumeist intakten Funk- 
fion der grauen Substanz, im besonderen der 
Aitritiven Zentra der Vorderhörner, sind Muskel- 
[vien selten. — In schweren Fällen, wie nach 


94 v. Schrötter, Le travail dans l'air comprimé. 
Mich des Internationalen Kongresses für Gewerbe- 
line, Brüssel, A. Goemaere, 1910. — Des ferneren 
Wären hinsichtlich der bei der Bildung von Gasblasen 
‘| ftatenden Bedingungen neuere Untersuchungen von 
N. Ramsden (1920) zu vergleichen, wonach Autor die 
deutung des Fettgewebes als Gasreservoir für das 
Eo bestätigt und für die Gasblasen eine Art 
f mran aus eiweißhaltigen Stoffen annehmen 
Fichte, 


k 
Ber 
2y 
AES 
IA) 


H 
M 
& 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE. WOCHENSCHRIFT 


Infiltra- 


ATSE 


255 


;eschleunigter Rückkehr des Tauchers aus großen 
Tiefen, 30 bis 40 m und darüber, tritt, wie Sie dies 
hier in einem anderen Falle sehen, vollständige 
Nekrose mit Zerstörung des Stützgewebes, 
„ramollissement comme de la cr&me”, namentlich 
vom unteren Dorsalabschnitte nach abwärts ein. 
— Versuche, die seinerzeit Philippon (1885) unter 
Anwendung von Stickoxydul ausgeführt hat, das 
etwa 58 mal so stark absorbiert wird als Stick- 
stoff, ergaben (nach der Druckvierminderung) noch 
viel eingreifendere Schädigungen mit hochgradigem 
Emphyseme und traumatischen Blutungen. der 
Organe. | 

Die Ihnen hier demonstrierten Befunde vom 
Menschen boten mir eine willkommene Ge- 
legenheit, die Ergebnisse von seinerzeit mit R 
Heller und W. Mager, 1898, ausgeführten Tier- 
experimenten ergänzen und, was deren Patho- 
genese anlangt, berichtigen zu können. 


Abschließend will ich nur noch bemerken, daß 
es dank weittragender, in den letzten Jahren 
aurchgebildeter Erfindungen der ,‚Hanseatischen 
Apparatebau-Gesellschaft, vorm. L. von Bremen 
& Co.” in Kiel gelungen ist, den Taucher vom 
Aufenthalte unter einem der jeweiligen Tiefe ent- 
sprechenden Wasserdrucke frei zu machen — der 
Taucherapparat übernimmt die gesamte Last und 
gestattet dabei die Beweglichkeit der in eigen- 
artigen gasdichten Scharnieren drehbaren Extre- 


mitäten — und damit die aus der Dekompression 


sich ergebenden Gefahren zu umgehen. Das 
Tauchen wird nunmehr in bedeutende Tiefen 
über die bisher erreichte Grenze von 50 m hin- 
aus gefahrlos, bei Atmung unter annähernd nor- 
maler Spannung, ausgeführt werden können. 

Auf eine Wiedergabe der gelegentlich des Vor- 
trages demonstrierten Abbildungen, im be- 
sonderen der beim Menschen beobachteten Ver- 
änderungen, muß im Hinblicke auf die heute so 
hohen Herstellungskosten verzichtet werden. 


| Psychiatrie und innere Sekretion. 
I =; Von Priv.-Doz. Dr. Heinrich Fischer, Gießen. 


h welchen Beziehungen stehen nun die 
eben besprochenen innersekretorischen Funktio- 
fien und funktionellen Mechanismen zu den kli- 


fisch- Psychiatrischen 
ildern? . 


Krankheits-. 


(Schluß.) 


Epilepsieähnliche Zustände lernten ` wir 
schon bei der Besprechung der innersekretorischen 
Krankheitsbilder vielfach kennen. So sahen wir 
Beziehungen der Kastration und des Eunuchoidis- 
mus zur Epilepsie. Bei der Tetanie lernten wir 


256 


epileptoide Verstimmungszustände, tetanische und 
elementare Krämpfe kennen. Beim Addison be- 
gegneten wir Schwindelanfällen, Ohnmackten, 
Migräne, Schlaflosigkeit wechselnd mit unvermittelt 
einsetzender Schlafsucht und Anfällen von Ady- 
namie. 
selten durch Krampfanfälle ein und zeigen anfalls- 
weise auftretende Muskelschwäche, Schlafsucht 
bzw. periodisch auftretende Schlafanfälle. Sym- 
ptomatische Krämpfe haben wir schließlich beim 
Basedow und beim Diabetes kennen gelernt. 

Alle diese interessanten Erscheinungen gehen 
aber nicht über die Bedeutung des Symptomati- 
schen hinaus. Sie geben uns kein Bild von der 
Bedeutung der inneren Sekretion für die klinischen 
Formen der konstitutionellen. Epilepsien, die un- 
abhängig von den eben aufgeführten Störungen der 
inneren Sekretion auftreten. Die bei epileptischen 
Krankheitsbildern gelegentlich beschriebenen Be- 
funde an den Drüsen selbst bringen uns zunächst 
auch nicht weiter und erwecken eher den Eindruck 
des Zufälligen und Regellosen. 

Es ist nun nicht möglich, innersekretorische 
Funktionen zu einem komplexen Krankheitsbilde, 
wie die konstitutionellen Epilepsien es sind, in. Be- 
ziehung zu setzen. Wir müssen vielmehr den ein- 
zelnen Äußerungsformen der Krankheit nachgehen. 
"Daber-haben wir festzustellen, welche. innersekre- 
torischen Organe in den funktionellen Mechanis- 
mus der Äußerungsform eingeschaltet sind, und 
welche Bedeutung ihnen in der speziellen korrela- 
tiven Zusammenordnung zukommt. 

Das klinische Bild der Epilepsien zeichnen be- 
sonders krankhafte Außerungsformen der Motilität 
und des Affektlebens aus. Fragen wir also zu- 
nächst, welche Bedeutung der inneren Sekretion 
für die Außerungsform der Motilität als Krampf, 
d. h. für de Krampffähigkeit des Organis- 
mus zukommt. Ganz allgemein kennen wir den 
Einfluß der sensiblen Phasen, der Puber- 
tät, Involution, Menstruation und besonders der 
Schwangerschaft auf den Krampf. Zur weiteren 
- Klärung müssen wir nun von den Beziehungen der 


„inneren Sekretion zur muskulären und neuromus- 
 .  _ kulären - Ansprechbarkeit ausgehen. 


| | Epithel- 
körperchenausfall führt bekanntlich zu 

neuromuskulärer Übererregbarkeit und zu Krämp- 
fen von tetanischem und elementarem Charakter. 
Im frühen Kindesalter finden sich auch unter den 
Ausiallserscheinungen der Thymus elektrische 
Übererregbarkeit und Krämpfe. Latent ee 
tanie, auch” experimentellen Ursprunges, wird 
inter dem Einfluß der Schwangerschaft, der Men- 
struation und Involution nicht selten manifest, unter 


\ 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Hypophysenkrankheiten leiten sich nicht 


-form der Motilität. Die Bedeutung der a 4 
_torischen Organe für die zugrunde liegende Kon A 


erkennen wir also einen krampfhemmenden Ein 4 
fluß der Geschlechtsdrüse bei der Tetana 
der sich dabei auch auf die begleitenden elemen {i 
taren Krämpfe erstreckt. Diese krampfhemmend { 
Wirkung der Geschlechtsdrüse erklärt sich zu N 
Teil aus ihrem Einfluß auf den Ca- Stoffwechsel] | 
der nach Geschlechtsdrüsenausfall herabgesetzt isti 
aus demselben Grunde ist die elektrische Erai n 
barkeit nach Kastration oft deutlich gesteg! 
gert. Im Einklang mit dem Obigen werde! 
kastrierte Tiere krampffähiger. Die Sensibilieäl l 
rung und Labilität des Sympathikus und die Aded 
nalinempfindlichkeit sind nach Kastration zii i 
gert. Diesen sensibilisierenden Einfluß auf die} i 
Adrenalinwirkung kennen wir außerdem: von dei 
Schilddrüse, dem Hypophysin, einer Reihe voi’ 
Krampfgiften und besonders von der Säure g 
überladung des Blutes. Die symptomali' $ 
schen Krämpfe beim Diabetes erklären i 1 
aus der Zunahme der Azidosis. Der steigernde Ein- 4 
fluß der Schilddrüse auf die osychomu 
sche Erregbarkeit bis zu symptomatischen Kräm- f 
fen ist zur Genüge bekannt. Die Beziehungen ef 
Nebennieren kommen in der izenena) ; 
Wirkung aui-die- Muskelleistung, in der Herabse-A 
zung der experimentellen Krampffähigkeit nebet i 
nierenloser Tiere und darin zum Ausdruck, dab de. i 
Adrenalinempfindlichkeit mancher Krampîkranke $ £ 
gesteigert ist. Dazu komrnt die Ähnlichkeit dad i 
Stoffwechselstörungen sowie Blutbilderscheinu 4 
gen nach Adrenalininjektion und im Krampf. DUMI 
der Aypophyse haben wir die nahen Bezie 3 
hungen zum Zwischenhirn zu berücksichtigen, Wi 
dem wir ein sog. Krampfzentrum annehmen. 4 
Wir sehen also, daß sich Beziehungen inne‘ 
sekretorischer Leistungen wohl zu einzelnen Aube- 1 
rungsiormen /des Krankheitsbildes resp. dem Me- ; 
cħanismus der Äußerungsform, z. B. zum Kram f 
klären lassen. Es würde aber m. E. eine unlöse f 
bare Aufgabe sein, nach Beziehungen zu einet | 
komplexen Krankheitsbilde Epilepsie” zu suchel l & 
Der bereitiegende Mechanismus mE 
den Krampf ist kein pathologischer, lediglich 9 
im Gehirn vorgebildeter Epilepsiemechanismiè {r 
sondern die pathologische Äußerungsiorm i 
physiologisch vorgebildeten Mechanismus für | 
motorischen Funktionen. 
Bei der epileptischen a 
wird der Krampf zur konstitutionellen Äußerung 


u. a 
Re Se E] 


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a ee A aes y) SA 


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i tution läßt sich erst aus den erörterten Beziehun- 
; gı zum Motilitätsmechanismus schließen. 

i Weiterhin haben wir zu scheiden die Beziehun- 
Í ven zur allgemeineren Krampffähigrkeit 
ind zu der besonderen Form des Kramp- 
i jes- als elementartetanisch und hysterisch., Die 
l inzelne innersekretorische Leistung zeigt zunächst 
Anehr allgemeinere Beziehungen zur Krampffähig- 
‚gkeit, Auch bei Epithelkörperchenausfall sehen wir 
p diese Krampfformen-nebeneinander und inein- 
ander übergehend vorkommen. Für die Form des 
ie spielt die besondere Formel der Korrela- 
Jin und Besonderheiten der nervösen Anteile des 
Piumpimechanismus die ausschlaggebende Rolle 
“Der Krampf ist nicht das Wesen des ganzen 
nienischen Anfalles, sondern nur seine sinnfäl- 
T igste Phase und Außerung. Das Wesen des Añ- 
Filles sind konstitutionelle Schwankungen in ver- 
F chiedenen vegetativen Mechanismen, die neben 
fim Krampf ihren Ausdruck in den begleitenden 
[ihitwechselschwankungen finden, die nicht Ge- 
fiese, sondern teils koordinierte Begleiterscheinun- 
m teils auch nur Folge der Muskelarbeit des 
4 Ntampfes sind. 

7 Die Beziehungen der inneren Sekretion zu 
f den krankhaften Affektäußerungen leiten 
Fiber zu der Besprechung des manisch-de- 
i Altessiv en Irreseins. In den Frörteruneen 
Fiber die Entstehung dieser Krankheit spielt die 
Finersekretorische Hypothese eine geringere Rolle 
4stgenüber der Theorie, die den Hauptwert auf die 
Altimäre Anlageanomalie des Gehirns legt oder 
foch zum mindesten auf das Verhältnis der Wider- 
}undsfähigkeit des -Gehirns zu dem hypothetischen 
j f mersekr etorischen Grundprozeß. Sie entstand auf 
frnd der erörterten Beobachtungen, daß bei 
f mersekretorischen Krankheiten manisch-depres- 
E Äußerungen des Affektes recht häufig sind. 
biese Hypothese stützte sich ganz besonders auf 
fa beobachtete Gegensätzlichkeit in den Äuße- 
[ürsstormen von Myxödem und Basedow. Hierzu 


f rung des Basedow und die Hemmung des Myx- 
fidem den klassischen Erscheinungen der Manie 
{nd Depression nicht ohne weiteres entsprechen, 
| Ondern zum mindesten meistens atypisch sind. 
M ist der myxödematöse Geisteszustand mehr 
erlangsamung und Erschwerung als Depression 
ind die depressive Färbung im allgemeinen durch 
lie Tatsache des Bewußtwerdens der Störung ge- 
"izend erklärt (Wagner von Jauregg). 
hlsleben ist dabei oft normal ansprechbar. Eine 
[sondere Färbung des Bildes kommt häufig durch 
ee zur Unzufriedenheit, zum- Mißtrauen, zu 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


MB aber betont. werden, daß die manische Er- 


Das Ge- 


25/ 


Beeinträchtigungsvorstellungen, zu Zwangsvorstel- 
lungen und Phobien zum Ausdruck. Auch die Ver- 
stimmung des Basedow ist weniger heiter als 
reizbar, labil und jähzornig. Auch hier sind depres- 
sive Ideen, hypochondrisches Nörgeln, Beeinträch- 
tigungsvorstellungen und Phobien nicht selten. 
Weiter stützte-sich die Theorie auch beim manisch- 
depressiven Irresein wieder auf gelegentliche- Be- 
tunde an den Drüsen selbst, so betont Stransky 
Strumen und basedowoide Symptome bei Mani- 
schen, myxödematöse bei Depressiven,. Weiter 
waren es beim manisch-depressiven Irresein weni- 
ger körperliche Degenerationszeichen als Stoff- 
wechselbegleiterscheinungen, die zum Vergleich 
herangezogen wurden. Man- folgerte in Parallele 
mjt der besprochenen Schilddrüsengegensätzlich- 
keit bei Depression ein Darniederliegen und bei der 
Manie eine Steigerung der Stoffwechselvorgänge. 
Als Grundlage dachte man neben der Schilddrüse 
an zwei sich die Wage haltende resp. krank- 
haft schwankende Organsysteme mit einer der 
Schilddrüsenfunktion ähnlichen Gegensätzlichkeif. 
Andere Autoren denken an Dys- und Parafunktion 
oder an Intoxikation mit innersekretorischen Stof- 
fen. Die bei allen physiologischen Schwankungen 
des innersekretorischen Systems, z. B..in der 
Pubertät, Schwangerschaft usw., tatsächlich auf- 
tretenden Schwankungen im Affektleben stützen 
zum mindesten eine Intoxikationstheorie nicht. 
Weiterhin spielt bei der Begründung der Hypo- 
these die Beobachtung eine Rolle, daß Affekte un- 
mittelbar in das innersekretorische Geschehen ein- 
greifen und zu kurzdauernden Erschütterungen (so 
Spannungsaffekte zu kurzdauernder Glykosurie) 
führen können, ja selbst zu psychogen ausgelösten 
Blutdrüsenneurosen, wie wir das schon bespro- 
chen haben. Dabei sahen wir, daß dieses Eingrei- 
fen der Affekte in das innersekretorische System 
kein regelloses, sondern von der Qualität des 
Affektes abhängig ist, und daß andererseits die 
Affekte auch durch Hormone eine besondere Fär- 
bung erhalten, so die erotische durch die Ge- 
schlechtsdrüse, andere Qualitäten durch die Schild- 
drüse ú. a. m., die wir als begleitende Affektäuße- “ 
rungen innersekretorischer Krankheiten im ein- 


zelnen kennen gelernt haben. 


Wir können nun wieder die innersekretorischen 
Funktionen nicht zu dem komplexen Affektleben in 
Beziehung setzen, sondern nur zu seinen einzelnen 
Komponenten, so zur Affektspannung und Affekt- 
färbung. 

Die Diskussion über die Klinische Stellung des 
manisch-depressiven Irreseins zeigt eine weit- 


sehende Parallele mit der Auflösung des alten Epi- 


258 


lepsiebegriffes. Auch hier hat das manisch- 
depressive Symptom einen größeren Umfang, ist 
die klinische keine pathogenetische Einheit. Wie 
bei der Epilepsie der Krampf, so wurde beim 
 manisch-depressiven Irresein die hervorstechende 
Außerungsform der Affektfärbung zum Gruppie- 
rungsmittelpunkt für verschiedene Typen. Ganz 
abgešłehen davon, daß letzten Endes die manisch- 
depressive Äußerungsform des Affektes unbegrenzt 
bei allen psychiatrischen Krankheitsbildern auch 


exogener Genese gelegentlich vorkommen können. 


In den Affektäußerungen können wir als selb- 
ständige Komponenten die Affektspannung und 
Affektfärbung unterscheiden neben dem im Affekt 
sich ausdrückenden Grundcharakter der Persön- 
lichkeit. Spannungsanomalien schwanken zwi- 
schen Affektschlaffheit über die Labilität bis zur 
höchsten Spannung der epileptischen Explosivität. 
Die Färbungsäußerungen schwanken vom depres- 
siven Schwermut über den ungefärbten Gleichmut 
bis zur Euphorie des Manischen. Wir sehen, wie 
in pathologischen Breiten die manisch-depressive 
Färbungsanomalie mit der paranoischen Persön- 
lichkeit kompliziert sein kann. So zeigte sich auch 
in der Entwicklung der Paranoiafrage, daß 
scharfe Abgrenzung vom manisch-depressiven Irre- 
sein nicht möglich ist, daß diese beiden wie auch 
andere» Erkrankungen der: - Degenerierten. -ohne 
scharfe Grenze fluktuierende Übergänge zeigen: 

Was zunächst die Affektspannung anbe- 
langt, so erkannten wir schon die Bedeutung der 
Nebennieren für den Tonus und die Aktivität der 
Psyche. Spannungsaffekte und Nebennieren be- 
sesnen sich in der Wirkung auf die Glykogen- 
mobilisierung und in der Wirkung auf den Muskel- 
tonus. Steigernd auf die Affektspannung wirkt der 
Ausfall der Epithelkörperchen, wir können dem- 

nach annehmen, daß deren physiologische Funk- 
tion die Affektspannung herabsetzt. Auch hier 
zeigt sich die Parallele in der Wirkung auf die 
Aftektspannung und die Motilität. Weiter steht 
die Pankreasfunktion in Beziehung zum Affekt- 
tonus, sie steht in einem gewissen Antagonismus 
zur Nebennierenfunktion im Zuckerstoffwechsel. 


= Dämpfung und positive Färbung des Affektes beob- 


achten wir während der Verdauung. ‘ 

- Nun zur Affektfärbunge: Der bekannteste 
Affektfärber ist das erotisierende Geschlechtsdrü- 
senhormon. Am meisten besprochen sind die Be- 
ziehungen der Schilddrüse zur manisch-depressiven 
Aubßerung. Dazu steigert die Schilddrüsensekretion 
durch Sensibilisierung der Nebennierenwirkung 
gleichzeitig die Affektspannung. Bei Hypophysen- 
ausfall sahen wir neben Abnahme der- Spannung 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


lebens. 


ihre 


 Mypothyreoidismus sein sollte. 


den. 


[Nr. 39/404) 


euphorische Färbung. Die Akromegalie zeigt gele- 1 
gentlich Beziehungen zur manisch - depressiven # 
AÄußerungsform. $ 

Es stehen also innersekretorische Funktionen 1 
in Beziehung zu den Äußerungsformen des Affekt- P 
Wir können aber von dem manisch-de # 
pressiven Irresein nicht im Sinne einer innersekre- 4 
torischen Krankheit sprechen. Í 

Dieser Betrachtung der isolierten Mechanismen i 
für die einzelne Äußerungsform folgt dann. die Au- P 
gabe der Zusammenordnung mehrerer dieser Me $ 
chanismen zu einem komplexen Krankheitsbild $ 
Damit bekommen wir wohl auch weiter Au$ 
schlüsse darüber in welcher Sphäre des Seelen 
lebens ein Krankheitsvorgang lokalisiert ist. A 

Bei de Dementia praecox hat dia 


innersekretorische Genese mehr Anhänger, sie hat f° 


nach und nach die ältere Hypothese von der allge f 
meineren Stoffwechselstörung resp. Autointoxika 3 
tion ersetzt. E3 

Diese Theorie fußt auf der Tatsache, dab ge 


wisse innersekretorische Krankheiten und die De #° 


mentia praecox Parallelerscheinungen in bezug al $° 
morphologische Anomalien und Stoffwechselstö-” a 
rungen zeigen, und weiter auf Befunden an dent E 
innersekretorischen Drüsen selbst. E 

Im Mittelpunkt der Theorien steht die Annahme f 
einer-BDysfunktion eder Geschlechtsdrüse. 


Bildes mit der Pubertätspsyche, aus dem häufigen pa 
Beginne in der Pubertätsphase und aus den Begi 
ziehungen, die die Dementia praecox im Begim p: 
und Verlauf zum Generationsgeschäft beim Weibe d 
hat, geschlossen. Sie schien besonders durch Ano i 


malien der körperlichen und psychischen Sexuak fi 


sphäre und durch Befunde der Abderhaldenschen f 
Methode gestützt. Im Anschluß an Einzelbefunde #1 
hat man weiter die Schilddrüse zur Erklärung het- i 
angezogen, wieder z. T. mit Betonung der Gege 7 
sätzlichkeit, insofern die Hebephrenie Folge eme {i 
Hyperthyreoidismus, die Katatonie Folge eme f 
Auch Epithelkör 7° 
perchen und Nebennieren sind von einzelnen Auto- F 
ren in den Kreis der Betrachtung gezogen. 1 
Art der Störung ist teils als Dys- oder Parafunk- 3 
tion, teils als polyglandulärer Natur aufgefaßt w0: F 
Ja, man hat sogar daran gedacht, dab eme q 
nur quantitative Differenz derselben Störung = A f 


° . š a ir ein m 2 
geringem Grade das manisch-depressive Irres@" 7 


und bei Zunahme der Giftstärke die Dementia praeri j 
cox erzeugen sollte. Keine ‚einzige der heran“ 7 
zogenen Stoffwechselstörungen hat sich letzte I 
Endes als charakteristisch für die Dementia prat: 3 i 
cox erwiesen. CEAN 


Diese 4! 
wird aus gewissen Gemeinsamkeiten des klinischen F° 


Die 3: 


{w22 


| i Wagner von Jauregg macht auf zwei Katego- 
ren von Fällen aufmerksam, bei denen er durch 
iombinierte Schilddrüsen- und Arsentherapie gute 
Ifriolge erzielte. Er berichtet von Mädchen mit 
Averspäteter geschlechtlicher Entwicklung und einer 
APsychose im Pubertätsalter, die man nach der 
Tlierrschenden Nomenklatur nur als Dementia prae- 
fox hebephrenica auffassen könne. Andere Fälle 
betrafen die zur Zeit der Pubertät und auch schon 
Früher auftretende Tiks. 

f Sehr interessant sind die tierexperimentellen 
Firiahrungen von Blum, Parhon und Pineles an 
Funden und Affen nach Thyreoparathyreoidekto- 
fme. Es traten katatonische Störungen der Motili- 
ft Stereotypien, Katalepsie, Stupidität, Nahrungs- 
Fierweigerung und Psychosen mit Erregungszu- 
{änden auf. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß 
f as branchiogene System auch in der Genese der 
f motorischen Erscheinungen der Dementia praecox 
fine gewisse Rolle spielt. 

2 Gegen die Theorie, nach der die Dem. pr. eine 
f imersekretorische Geschlechtsdrüsenkrankheit ist, 
{sprechen mehrere Erfahrungstatsachen. So ist 
Zeinmal die Pubertätspsyche’ keine Leistung der 
Jimersekretorischen Geschlechtsdrüse. Weiter ent- 
Wickeln sich manche Erkrankungen an Dementia 
| Dratcox zeitlich unabhängig von der Pubertät. 
f Dann hatten wir schon gesehen, daß wir mit patho- 

{genetischen Rückschlüssen aus einzelnen Körper- 

f tuzeichen vorsichtig sein müssen. Diese Erschei- 
ngen — das sei hier ausdrücklich noch mal her- 
Yrgehoben — haben keinen unveränderlichen 
Mathogenetischen Wert, 
f erst durch ihre Systematisierung und die Analyse 
j ler Gesamtkorrelation, die der jeweiligen Krank- 
heit zugrunde liegt. Ganz besonders ließen sich 
f us körperlichen und psychischen Anomalien der 
Sexualsphäre keine unmittelbaren Schlüsse auf 
Itimäre Funktionsstörung der Geschlechtsdrüse 
| ‚selbst machen. 

Die Pathogenese der Dementia praecox hat ver- 
Aiedene Faktoren zu berücksichtigen. Zunächst 
sind» erbbiologische Faktoren der ‘Anlage zur 
Krankheit zum Teil schon vor der Pubertät in 
Ähnlichkeiten des vorpsychotischen Charakters mit 
| "anchen Äußerungen der Psychose selbst deut- 
j Ich. Diese sowie Resultate der Vererbungsfor- 
thung haben bekanntlich dazu geführt, daß einige 
Autoren in der Psychose nichts prinzipielles Neues, 
Ondern nur eine Auswirkung der konstitutionellen 
Anlage sehen wollen. Eine solche Betrachtung 
titit vom biologischen Gesichtspunkt meines Er- 


"ider Zu, die auch klinisch zu einer Vertiefung der 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


rativer 


-praecox weder 


sich keine Anhaltspunkte gefunden. 


sie ‘erhalten ihren Wert 


‚ichtens nur für die konstitutionellen Krankheits-. 


259 


Anlage führen, wie z. B. die konstitutionellen Epi- 
lepsien und das manisch-depressive Irresein. Bei 
der Dementia praecox steht dieser Auffassung 
aber entgegen, daß wir es mit einer Abknickung 
und  Wesensänderung der Persönlichkeit zu tun 
haben. Bisher stehen Konstitution und Dementia 
praecox in einem durchaus nicht klaren Abhängig- 
keitsverhältnis, und es ist fraglich, ob sich das Pro- 
blem „Körperbau und Psychose” hier ohne wei- 
teres an das Problem Bl und Charakter” 
anschließt. 

Der ag: Einfluß der Pubertäts- 
phase liegt in der gesamten biologischen Umwäl- 
zung, die die Pubertät zu einer sensiblen Phase 
macht. Er erstreckt sich nicht nur auf die Demen- 
tia praecox, sondern auf eine ganze Reihe degene- 
Krankheiten. Auch ist heute noch nicht 
auszuschließen, ob bei der Dementia praecox nicht 
zusammen mit der endogenen auch exogene Ent- 
wicklungsstörungen eine Rolle spielen. 

Wir kennen bis heute das Wesen der Dementia 
ätiologisch noch pathogenetisch. 
Dafür, daß die Dementia praecox eine innersekre- 
torische Krankheit des Pubertätsalters wäre, haben 
Doch kann bei 
richtiger Fragestellung auch hier die innersekreto- 
rische Forschung vielleicht zur Klärung der Ge- 
nese beitragen. 

Die RER TEE TEE zeigte uns, daß die 
funktionelle Ausgeglichenheit eines Organes um so 
sicherer gewährleistet ist, je fester es in seine nor- 
malen korrelativen Bindungen eingeschaltet ist. 
Wie wir schon bei den Störungen der Reifung 
sahen, wird die Funktion der einzelnen Drüsen um 
so labiler und damit auch. pathologischen Reizen 
zugänglicher, je mehr sie aus dieser funktionsregu- 
lierenden Kraft der Korrelation abgleiten. Diese 


Lockerung der normalen korrelativen Bindungen 


ist in den sogenannten sensiblen Phasen, und zwar 
vesonders in der Reifephase der Pubertät ausge- 
prägt vorhanden. Sie kommt dadurch zustande, 
daß zu dieser Zeit Zentrum und Einstellung der 
Korrelation sich ändern. Die zentrale Stellung in 
der Korrelation gleitet anscheinend mehr und mehr 
von der Zirbel auf die Hypophyse über und’ ent- 


sprechend dieser gleitenden Umstellung des Zen- 


trums lösen sich die Neueinstellungen der Korrela- 
tion ab. Diese biologische Umwälzung macht sich 
auch in den begleitenden klinischen Außerungsfor- 
men als sensible, d. h. besonders anfällige Phase 
kenntlich. = 

Daß einzelne Glieder der Korrelation in dieser 
Phase durch endogene Momente zur Isolierung 
von den normalen korrelativen Bindungen ge- 


. 260 


Fälle besagen, 


sekretorischen Korrelation 


bracht werden können, lehren uns auch die Erfah- 
rungen der Klinik. So gibt es einen morphologisch 
besonders gekennzeichneten Typus einer konstitu- 
tionellen Krampfkrankheit mit schwacher, fast 
fehlender Terminalbehaarung bei sonst normalen, 
ia lebhaften Äußerungen der Geschlechtsdrüsen- 
wirkungen und auffallender Affektlabilität vom 
Charakter der Affektepilepsie, ein Krankheitsbild, 
das erst in der Pubertät deutlich in die Erscheinung 
tritt. Die morphologischen Besonderheiten dieser 
daß der 
gehende Reiz für die Reifungssvorgänge der Kör- 
perbehaarung in den Nebennieren nicht voll zur 
Geltung gekommen ist. Damit ist die normale 
korrelative Verbindung zwischen Hypophyse und 
Nebenniere gelockert, ynd durch diese Isolierung 
sind wieder die Nebennieren reflexlabiler gewor- 
den... Solche. kKonstitutionellen | 
CETTE NENNE TS a A Organe 
spielen auch sonst noch eine Rolle, z. B. für die 
Erscheinungen des Eunuchoidismus, = dem. die 
bindende Wirkung der Geschlechtsdrüsenreifung in 

Korrelation ganz ausfällt. Diese peripheren 


Isolierungen können sich in den Phasen stärkerer 


endogener Schwankungen rhythmisch heraus- 
heben und die ursprünglich krankhafte Anlage ver- 
tiefen, so daß es auch in der Äußerungsform zu 
eine. Vergröberung. der ursprünglichen „Persön- 


lichkeit kommt, wie wir das von dem Verlauf kon-- 
stitutioneller Krampfkrankheiten und .Affektkrank- 
"heiten kennen. Ir 


‚Weiter sehen wir, daß in der Zeit der Pubertät 
von Haus aus minderwertise Anlagen der inner- 
schon durch Einwir- 
kung physiologischer Reize, z. B. durch Belastung 
mit der neu hinzukommenden Geschlechtsdrüsen- 
funktion zur Entzleisung kommen. Ein sol- 


cher Vorgang spielt vielleicht in einem Teil. der 


~ Fälle von Dementia praecox. eine Rolle, bei der, 


en 


wie gesagt, die Besonderheiten des präpsychoti- 


‚schen Charakters häufig für eine von Haus aus 


abnorme Anlage. sprechen. - Die. bei dieser Ent- 
gleisung tatsächlich beobachteten Störungen in der 


‚Sexualsphäre sind kein Beweis, daß die Dementia 
"praecox eme 


l inņnersekretorische- Geschlechtsdrü- 
senkrankheit ist, wohl aber geben uns. diese Kör- 


 perbauzeichen Hinweise auf die Korrelationsglieder, 
die bei der Belastung mit der Reifung versagt 


haben, und damit pathogenetische Gesichtspunkte. 
Dieser biologischen Entgleisung entspricht klinisch 
auch die Abknickung der psychischen Persönlich- 
keit. Diese Entgleisung leitet gewissermaßen die 
‚Weiterentwicklung in einer abwegigen Richtung 
ein, die zur Zersetzung der ursprünglichen Persön- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


von der Hypophyse aus- 


SOEs 2 


drüse. De 


‚in ungünstigen Milieuverhältnissen 


nicht direkt auf das Soma, sondern durch Abände- E 


der 


‘des Rohmaterials für 


sionen und Heilungen mit Defekt ee {i 
Die Körperbauforschung hat also bei der De 
o praecox neben der n anei den köri i 


während dieser TRA S werden Hieni i 
über geben uns Photographien vor und während‘ 
des Krankheitsablaufes oft sichtbaren Aufschluß. 

Werfen wir zum Schluß noch einen Blick auf? 
die Bedeutung der inneren ra für die Ge 
nese der en,psychis ıen Krank-# 
heitsbilde 4: 

Die Klinische Konstitutionsforschung wertet den Pi 
Organismus in den normalen und krankmachenden fi 
Reizen der Umwelt. Unter. den ersteren steht an 1 
erster Stelle in der Bewertung der allgemeinen {i 
Milieuverhältnisse die Nahrung. Dabei hat sich ge- {i 
zeigt, daß gewisse Aminosäuren und die sogenant- < i 
ten Vitamine zum Aufbau und zum Erhalten dès fl 
Organes unentbehrlich sind. Ihrer Wirkung nach 3 
hat man sie mit Aktivatoren verglichen, Ähnliche ®s 
Wirkungen kennen wir schon von anorganischen $u 
Stoffen, z. B. von der Jodwirkung auf die Schild $ 
Organismus kann diese akzessorischen Fi 
Stoffe nicht selbst aufbauen und benötigt sie aber fk 
zum Aufbau anderer Stoffe, z. B. zur Synthese E R 
wichtigen Lipoide, auslallswrkungen | 


vom edssiroplischen ae als Kr T I, 
und von dei} 
Kriegs- und Nachkriegskrankheiten, die die Blo- Fi 
kade mit sich brachte. Wir wissen aus Unter- fk 
suchungen, daß insbesondere die innersekreilfzgl 
schen Organe beim Fehlen der genannten Stofie N 
schwer geschädigt werden, so berichtet Peiser vl? 1 
Abnahme des Adrenalingehaltes der. Nebennieret, | J 
Curschmann ‘von der Zunahme der Schilddrüse 7 
schwächlinge nach dem Kriege, Schlesinger VI 
der Hungertetanie u. a. m. Diese Faktoren wirken 1 


rung der Drüsenfunktion, welche die Hauptver- $ 
wendungsstätte dieser Stoffe -sind (Pick). Diese I 
Stofie sind dementsprechend auch selbst wieder in 4 
den innersekretorischen Wachstumsdrüsen Na 
gewiesen. Sie sind am Chemismus der Drüsa f 
selbst beteiligt. Damit erklärt sich die Ähnlichkeit = 
der bei ihrem Fehlen auftretenden Krankheitelh 4 
Avitaminosen, } 


mit innersekretorischen Aus- F 
fällen und die Ähnlichkeit ihrer Wirkungen mit det F 
Hormonwirkung. Sie stehen mit dem Ersatzwe®® | 2 
die Drüsenleistung M Be F 
ziehung. 


An den Drüsen selber unterscheiden WI 77 


Di Da 
p iy 
5 


: Anschluß an A. Kohn die eigentlichen Drüsen und 
Solche Anteile, die nach Maßgabe ihrer pharmako- 
Zimmamischen Wirkungen bewertet werden. Beide 
Finden sich oft in einem Organe zu einer Funktions- 
Feinheit zusammengeordnet, z. B. m der Neben- 
fiere. Der pharmakodynamische Reizstoffträger, 
fis Adrenalsystem, untersteht dem unmittelbaren 
Iiphischen und funktionellen Einflusse des sym- 
mthischen Nervensystems. Die Drüsen entnehmen 
fas Rohmaterial dem Kreislauf, darunter die ak- 
Issorischen Nährstoffe, und arbeiten -dieses Mate- 
Sal organ- und konstitutionsspezifisch um, sie sind 
Also gewissermaßen Energietransforma- 
Foren. Die aufgehäuften Stoffe erhalten gegen- 


Reaktionsfähigkeit, die für ihre Funktion maßgeb- 
ich ist, wie wir das bei der Korrelation bespro- 
fen haben und besonders an der Wirkung der 
f mersekretorischen Geschlechsdrüse kennen ge- 
ftmt haben. Nach den neueren Forschungen ist 
sr Hormonträger in der Geschlechtsdrüse der 
Fsimenbildende Teil, der trophisch und funktionell 
4 mittelbar vom Nervensystem abhängig ist, die 
A iwischenzellen sind eine Wachstumsdrüse. Das 
f imersekr etorische Geschlechtsdrüsenhormon ent- 
f ültet nun seine Wirkung micht nur auf diese Zwi- 
i Shenzellendrüse, sondern auch auf andere Wachs- 
f umsdrüsen. Die Sensibilisierung der aufgehäuften 
f Stoffe in. den Wachstumsdrüsen ist an den nor- 
fmen Aktivator gebunden. So sehen wir nach 
f Aisa! des Geschlechtsdrüsenhormons, daß. ein 
Überangebot an kohmaterial vorhanden ist, das 


{ud auch noch zum Teil unverarbeitet im Blute 
| ‚kteist, Damit erklärt sich der. erhöhte Lipoidge- 
talt der Nebennierenrinde und des Blutes nach 
| Kastration. 

E Die Schwierigkeiten für die Transplantation 
figen neben anderen Momenten insbesondere 
f Grin, daß das Organ den trophischen und funktio- 
{Men Einfluß der nervösen. Verbindung nötig hat, 
Mit deren Zerstörung der das Hormon liefernde 
o Schaden leidet. 


Pr 


hm zur Organotherapie überhaupt ausschlag- 
f bend. Wir können nur dann Erfolge erwarten, 
fenn wir nicht nur die Drüse, sondern auch den 


" ge zuführen. 
Wir unterscheiden also ganz allgemein zwi- 


MY 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


wieder. 


fiber den- endogenen Reizstoffen eine spezifische 


f Onsekutiv von anderen Drüsen verarbeitet wird 


- Diese Ausführungen sind für unsere Se 


ktivierenden Teil dem Organismus in genügender 


an den a resp. o e 


261 
nismus verwendungsfähig gemacht wird. Hiermit 
klären sich auch unsere Ausführungen über die 


reiz- und konstitutionsspezifischen Wirkungen der 
innersekretorischen Organe noch weiter. Daneben 
dürfen wir natürlich den direkten und vermitteln- 
den trophischen Einfluß des Nervensystems nicht 
vergessen. Wichtige trophische und Wachstums- 


. zentren liegen bekanntlich am Boden und in den 


Wandungen des dritten Ventrikels. Diese bilden 


zusammen mit Anteilen der Hypophyse 
eine funktionelle Einheit als Hypophysen-Hypo- 
thalamussystem. 


Am klarsten wird das einheitliche Ineinander- 
arbeiten von nervöser und innersekretorischer Lei- 
stung sowie der Milieuwirkung am Beispiel der 
Nebennieren. Die Anlage des Adrenalsystems ist 
abhängig von der Sympathikusbildungszelle.. Diese 
Produktionsstätte des Adrenalins bleibt dauernd in 
enger trophischer und funktioneller Abhängigkeit 
vom Sympathikus, auf den das Adrenalin selbst wie- 
der tonisierend wirkt. Es stellt weiterhin anschei- 
nend den wichtigsten endogenen Reiz für die kon- 
stitutionelle Größe der Nebenniere dar. Die Rinde 
benötigt zum Lipoidaufbau akzessorische Nähr- : 
stoffe. Die Arbeit dieses Lipoidorganes ist wie- 
der während der fötalen ns für den 
Auibau des Gehirns und später für den Tonus des 
Affektes notwendig. Die ae der 
Nebenniere als einheitliches Organ: ist wie- gẹ- 
schaffen, um die Verbindung von Mark und Rinde 
so intensiv wie möglich zu gestalten, das Mark 
schwimmt in dem.-venösen Abfluß der Rinde 
(Kohn). Dieser enge Stoffaustausch erleichtert die 
iunktionelle Einheit des Gesamtorganes. > Die funk- 
tionelle Regulierung der Rinde geschieht wesent- 
lich durch das Mark unter Vermittlung von dessen ` 
sensibilisierender Substanz als Zwischenglied. An 


diesem Beispiele. wird das enge korrelative Zu- 


sammenarbeiten von Nervensystem, innersekreto- . 
rischem System und Milieuwirkung besonders klar. 

Das Individuum: ist .mit seinen innersekretori- 
schen. Organisationsträgern in seine Umweltbedin- 
gungen eingeschaltet (Hart). Das Resultat des ` 
Aufbaues als (esamtorganismus ist nicht von ein- 
zelnen dieser drei Faktoren, sondern von ihrem ge- 
setzmäßigen Zusammenarbeiten abhängig. 

Auf diesem Wege klärt sich wohl auch die Be- 


deutung der inneren Sekretion für die Vermittlung 


und Umiermung pathologischer exogener Reize als 
Intoxikation und als Infektion. Schon bei. Bespre- 


chung der Pathogenese der Idiotien wurde darauf 


hingewiesen, daß manche Infektionen eine beson- 
dere Affinität zu einzelnen Drüsen besitzen, wie. 
die kongenitale Lues zur UlyDoDiy 5 andere akute 


262 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Infektionen zur Schilddrüse, und so zu Krankheiten 
führen, ‘an denen jeder Organismus erkranken 
kann. Andererseits sind bestimmte Konstitutionen 
für Infektionen besonders auffällig. 
der Stat. th. I. eine besondere Disposition für die 
tuberkulöse Erkrankung der Nebenniere u. a. m. 
Dagegen ist der Eunuchoidismus anscheinend eine 


Konstitution, die nach meinen Erfahrungen wenig 


zu Infektionskrankheiten neigt.. Weiter zeigen z.B. 
thyreoidektomierte Tiere gegen anorganische Gifte 
eine herabgesetzte, schilddrüsengefütterte 
gegen Acetonitril und Morphin eine erhöhte Emp- 
findlichkeit.. Auch bei nebennierenlosen Tieren 
ändert sich die Giftwirkung. Die Jodwirkung im 
Organismus ist an das Vorhandensein der Schild- 
drüse gebunden, und nach den Erfahrungen Wag- 
ner von Jaureges kann die Wirkung einer Jodkur 
bei Luetikern durch Schilddrüsenmedikation ge- 
steigert werden. Schilddrüsenschwächlinge zeigen 
gegen Jod eine Idiosynkrasie, die Bedeutung der 
inneren Sekretion für andere Idiosynkrasien ken- 
nen wir z. B. von der Schwangerschaft. So finden 
sich eine ganze Reihe von: Hinweisen, die noch er- 
 weitert werden könnten dafür, daß die innere Se- 
kretion eine filtrierende Schutzvorrichtung gegen- 
über exogenen Schädlichkeiten, die im Organismus 
angreifen, darstellt. Damit verstehen wir die Be- 
deutung der Konstitution für das Resultat der Wir- 
kung exogener Schädlichkeiten- | | 

Aus der Psychiatrie wissen wir, daß die Reak- 
tionsformen bei leichteren exogenen Schädlichkei- 
ten von den konstitutionellen Anlagetypen nicht 
scharf getrennt sind. Dabei zeigen manche Iniek- 
tionen eine Ailinität zu bestimmten Äußerungs- 
formen, Typhus zur manischen, Influenza zur 
depressiven Äußerung und Chorea zur Ängstlich- 
keit und Reizbarkeit. Bonhoeffer hat dann zuerst 
darauf hingewiesen, daß dagegen die exogenen 
Reaktionstypen bei einer gewissen Intensität und 
Dauer der Schädigung nicht mehr von der. ur- 
sprünglichen toxischen Wirkung abhängig sind, 
daß die klinische Erscheinungsform vielmehr für 
ätiologische Zwischenglieder spricht, die unab- 
hängig von deren Art bestimmte gemeinsame sym- 
. ptomatische Mechanismen zur Auslösung bringen. 
-— Wir sehen in ‘diesen’ exogenen Äußerungsfor- 
men eine weitgehende Parallele zu unseren obigen 
Erörterungen über die begleitenden psychopatholo- 
gischen Veränderungsformen innersekretorischer 
Krankheiten. Auch diese ließen bei leichteren Er- 
krankungen die Anlagetypen erkennen, bei schwe- 
reren dagegen führten sie zu Psychosen, die von 


So schafft z.B. 


Tiere. 


lichen 


. Stelle des speziellen Hirnstudiums das Studium fm 


geben. 


Es wird dringend gebeten, von Vorträgen und Aufsätzen immer recht i 
bald einen druckiertigen Eigenbericht an die Schriftleitung zu senden. 


den sonstigen symptomatischen 
nichts unterschieden sind. 4 
Diese Zusammenhänge lassen daran denken, & 
daß die innere Sekretion eine periphere Schutzyor- t, 
richtung auch für die Psyche darstellt, die bei exoi, 
genen Schädlichkeiten in Kraft tritt, und. deren Ver- i 
sagen als partielle oder totale Schwäche dieser fi # 
trierenden Schutzvorrrichtung den Verlauf deri 
Wirkung leitet. Eine Parallele zu 
zheren - Schutzvorrichtung haben 


Psychosen ini 


intellektuellen Vorgänge filtriert und verarbeitet f 
an das affektive Seelenleben weitergibt. Auch hier 
haben wir ein idiosynkrasieartiges Versagen des T. 
Filters im Affektkrampf und reaktiv ausgelöster $5 
Psychosen bei konstitutioneller Anlageschwäche#, 
der Hemmungen. 1 
Ich bin am Ende meiner Ausführungen, die das fi 
gestellte Thema natürlich in der. kurzen Zeit nicht $i 
erschöpfend und nur in großen Zügen behandelt Fi 
konnten. 3 
Sie sehen neben einem schon recht ansehn- 
Fundamente gesicherter Tatsachen emei 

Fülle von Arbeitshypothesen, die zweifellos Al, 
die nächste weitere Entwicklung der Psychiatrie gi 
einen Einfluß haben werden. ee 
Die Zeit, in der die Pathogenese der Geistes- i A 
krankheiten ausschließlich im Gehirn . gesucht 
wurde, ist vorüber. Es wäre verfehlt, nun an die Ih 


einzelner innersekretorischer Organe setzen mg" 


wollen. Wir dürfen nicht die innersekretorischei 7 
Funktionen herausheben und den Funktionen des = 
Zentralnervensystems gegenüberstellen -und ai fy 
diesem Wege die innersekretorische Genese der p 
Geisteskrankheiten beweisen wollen. Wir müsse! {iy 
vielmehr den gemeinsamen Aufgaben von nervös f 
und innersekretorischer Funktion nachgehen und f 
ihre funktionelle Einheit betonen. Unsere Aufgabe f. 
ist, wie im einzelnen ausgeführt wurde, die Korte 2° 
lationsforschung und Mechanismenforschung als N 
Grundlage für die Außerungsiormen des normalt 4 
und pathologischen Seelenlebens. Wir müssen der | 3 
Einordnung des Gehirns in das exakte Gefüge des 4 
Gesamtorganismus nachgehen. | “As 

Dabei wird die Klinik durch die zunehmende jel- di 
nere Analyse und weitere Heraushebung einzelne! Tr 
Typen besonders aus den fluktuierenden Übergäl 7: 
gen in den krankhaften Erscheinungen des Seeli 4 
lebens der Degenerierten der pathogenetischel T 
Forschung auch weiterhin wichtige Hinwe® 7 


— Eine Erwiderung an Herrn Haymann auf sein Re- 
rat über 'Brennecke: „Der Okkultismus der Gegen- 
Tat und seine Gefahren”, im Zentralblatt f. d. ges. 


1922. 

f Herr Haymann kritisiert in einem etwas ironisch 
asklingenden Referat meine Studie über den Okkultis- 
Anis der Gegenwart und seine Gefahren (Zeitschr. f. d. 
ds. Neurol. u. Psychiatrie Bd. 77 Heft 1-2). Um even- 
Fullen Mißverständnissen vorzubeugen, sehe ich mich 
n ı iolgender Erwiderung veranlaßt: 

f Den Anstoß zu der Arbeit gab mir, nicht, wie der 
herr Ref. meint, „ein paar zufällige Berührungen mit 
Tfrsönlichkeiten, welche in und um Hamburg „Okkultes’” 
fi irgendeiner Form unters Volk zu tragen sich bemü- 
Fin”, sondern die Erkenntnis der stetig wächsenden Ge- 
für für die psychische Gesundheit Einzelner und wei- 
frer Volkskreise infolge des bedenklich um sich grei- 
faden mystisch-okkultistischen Offenbarungsspiritismus. 
F Aus einer langjährigen eingehenden Beschäftigung- mit 
ddr einschlägigen Literatur und mit der Schopenhauer- 
Athen Philosophie glaubte ich die Berechtigung zu 
Haben, den Versuch zu machen, mehr referierend als auf 
1 frund praktisch-experimenteller Erfahrungen, die als 
Jet anzuerkennenden okkulten, d. h. parapsychischen 
IPlänomene von den Fehlerquellen und von’den offen- 
Ahrungsspiritistischen Selbsttäuschungen zu sondern. 
f Herr Haymann scheint das Gebiet der Parapsycho- 
{ sie weder literarisch, noch praktisch zu kennen, sonst 
jnüßte er wissen, daß bei der großen Seltenheit echter 
Medien, die echte parapsychische Phänomene produzie- 
a (vgl. auch die jüngsten Veröffentlichungen der ärzt- 
hen Gesellschaft für parapsychische Forschung in Ber- 
in), es nicht so leicht ist, in eigenen Experimenten eigene 
Ab ahrungen zu sammeln und darüber etwas mitzuteilen. 
Darin haben es die Herren Anatomen, Serologen, Psy- 
thologen, Kliniker usw., denen das ihren fünf Sinnen zu- 
Priche Material ständig zufließt, eben viel leichter. 

= Anch die Meinung des Herrn Referenten, ich lehnte 
ann aprioristisch” die „eine Hälfte der Erscheinungen” 
à und erkennte die andere als erwiesen an, beruht auf 
nem Irrtum. Ich habe die Telepathie und das Hell- 
Whien als durch die, wissenschaftlicher Kritik‘ standhal- 
den Versuche Richets, Tischners, v. Wasielewskis 
la. als erwiesene Tatsachen anerkannt und die für die 
Anderen Phänomene noch notwendige vorsichtige Skep- 
Ss aus den Eigenberichten und Veröffentlichungen der 
Kweiligen Experimentatoren auf diesen Gebieten zu be- 
| Tünden versucht. Der Irrtum des Herrn Ref. beruht 
scheinend wieder darauf, daß er die Arbeiten der in 
Meiner Studie erwähnten Forscher nicht kennt. Und 
lich bezieht sich die Fußnote der Schriftleitung der 
Mitschr, i. d. ges. Neurol. u. Psych. hauptsächlich auf 
k Weiterreichende Skepsis der Schriftleitung. 

“ we Herr Haymann im zweiten Teile ein „kunter- 
: _ Durcheinanderwerfen von Okkultismus,  Kur- 


um 1. November 


u 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Alsurölogie und Psychiatrie Bd. XXX Heft 7 S. 298 - 299 


263 


Referate. 


mir unverständlich. Ich habe im Eingang und auf S., 253 
meiner Arbeit-auseinander gelegt, was die Wissenschaft 
unter „Okkultismus” versteht, und was Laien und Kur- 
pfuscher fälschlich damit bezeichnen, und habe nur kurz 
auf die Gefahren der kriminalistischen Hellseher, der 
„okkultistischen” Kurpfuscher und der Offenbarungs- 
spiritisten hingewiesen. 

In den letzten Worten seiner Kritik reißt Herr Hay- 
mann einen Satz aus dem Zusammenhang heraus und be- 
nutzt ihn zu dem ironischen Ausklang seines Referates. 
Auf diese Ironie, vor allem auf das etwas deplacierte 
„BSchade!” irgendwie einzugehen, halte: ich für über- 
flüssig. | Ä 

Hamburg, Brennecke. 


12. Nov. 1922. Dr. 


Buchbesprechungen. 


— Einhorn, Dr. med. Max, Prof. der Medizin an 
der New York Postgraduate Medical School, New York: 
Die Methoden der künstlichen Ernährung, insbesondere 
die Indikationen und die Technik der Duodenal- und 
Rektalernährung. 43 S. Mit 6 Abb. Bd. VII Heft 3 
der Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Ge- 
biete der Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, mit 
Rücksicht auf allgemein-ärztliche Interessen, begründet 
von Prof. Dr. A. Albu in Berlin, herausgegeben von 
Prof. Dr. H. Strauß in Berlin. Halle a. S. 1922, Carl 
Marhold Verlaesbuchhandlune. 8,00 M. 

Diese Schrift enthält für die Anstaltspraxis sehr 
viel Bemerkenswertes. Außer der subkutanen’ Ernäh- 
rung, der Ernährung mittels Magenschlauch und der 
Rektalernährung ist auch die Duodenalernährung Ein- 
horns eingehend beschrieben. "Olivenöleinspritzung 
unter die Haut ist übrigens schon 1875 bei einem Gei- 
steskranken angewandt worden (S: 7). Leube hat 
später sehr ausgiebig davon Gebrauch gemacht. B. 


— Gigon, Prof. Dr. Alfr., Basel: Einige neuere Be- 
trachtungsweisen in der- Ernährungstherapie. 48 S. 
Bd. VII Heft 4 obengenannter Sammlung. Halle a. S. 
1922, Carl Marhold Verlagsbuchhandlung. 8,50 M. 

Dasselbe gilt von diesem Heft, zumal die Ernährung 


‚in den Anstalten mit der zunehmenden Teuerung wieder 


größere Schwierigkeiten bereitet. B. 


— Dresel, E. G.: Die Ursachen der Trunksucht 
und ihre Bekämpfung durch die Trinkerfürsorge in Hei- 
delberg. 125 S. Berlin 1921, Verlag Julius Springer. 

Das vorliegende Buch von dem a- o. Prof. für soziale 
Hygiene an der Universität Heidelberg Dr. med. et phil. 
E. G. Dresel enthält auch für den Psychiater manches 
Interessante. Von den 151 von ihm in der Heidelberger 


- Fürsorgestelle untersuchten Trinkern waren 107 psycho- 
‚pathisch veranlagt. 


| Die meisten psychopathischen Trin- 
ker waren schon zwischen der Schulzeit und dem 2i. 
Lebensjahr der Trunksucht verfallen. Als von Jugend 


auf am gefährdetsten haben sich die geistig minderwer- 


tigen aktiven Persönlichkeiten erwiesen, am schwersten 


264 


beeinflußbar die an Moral insanity Leidenden. Mit Recht 
hebt Dresel hervor, daß bei den noch nicht hoffnungs- 
losen Trinkern die Anstaltsbehandlung viel früher und 
häufiger angewandt werden müßte, als dies bis jetzt ge- 
schieht. 


möglichst frühzeitigen 


Er verlangt gerade zur Er- 
kennung der zahlreichen in Trunksucht verfallenden 


nsvchopathischen Persönlichkeiten die Mitwirkung eine: 
geschulten Psychiaters bei jeder Trinkerfürsorgestcelle. 
Das Dreselsche Buch, das den Ursachen der ırunk- 
sucht aufs gründlichste nachgeht, kann jedem Psychiater, 
der sich mit der Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs be- 
schäftigt, empfohlen werden. Dr. Möckel, Wiesloch. 


— Behrend, Elisabeth: 
und Bild. 13. Aufl. 200. bis 224. Tausend. 24 S. Jubi- 
läumsausgabe. Mit einem Geleitwort von Dr. med. 
Riehm. -Leipzig und Berlin 1922, Verlag von B: G. 
Teubner. Geh. 8,00 M. 

Man wird dieses Büchlein in den Familien unserer 
Angestellten angelegentlichst empfehlen; es wird vielen 
deutschen Müttern ein treuer Berater sein; es kommt 
dem Gemüt und Verstand der Mutter näher als es die 
herbe Prosa und die Nüchternheit und Schulhaftigkeit 
von Merkblättern oder Lehrbüchern vermögen. B. 


Säuglingspflege in Reim 


= Knapp, Priv.-Doz.Dr. Paul, Augenarzt in Basel: 
Diagnostisch-klinischer Leitfaden über den Zusammen- 
hang von Augenleiden mit anderen Erkrankungen für 
Studierende und Ärzte. 118 S. Basel 1920, Benno 
Schwabe & Co. 10,00 M. 


Eine sehr naaie übersichtliche und ausführliche, 
Zusammenstellung. 18 Abbildungen sind eingefügt. Die 
Beziehungen zu Gehirnerkrankungen sind besonders ein- 
gehend erörtert. 


a eh (Prof, Dr Aiea Hoche: 
Narrènspiel.. Bilder aus dem neuen Deutschland. 1045S. 
Freiburg i. .B. 1921, J. Bielefelds . Verlag. 

- Wieder eine prächtige Gabe, aus noch immer von 
Schmerz durchwühltem, aber unter bitterem, scharfem 
Spott sich zur kräftigen Wehr gegen den Unsinn in der 
neuen Zeit durchringendem Herzen, Hoffnung atmend 
und Zuversicht spendend. In einer Hinsicht sind es poli- 
tische, Patriotische Lehrgedichte, die in echt künstleri- 


scher Form die guten und die bösen Geister der Zeit zu . 


Worte kommen lassen. Möchten sie zum Sieg der guten 
beitragen. B. 


uroedel, Priv.-Doz. Dr. Franz M., Frankfurt 
am Main: Grundriß und Atlas der Röntgendiagno- 
stik in der inneren Medizin und den Grenzgebie- 
ten. Bearbeitet von Brauer, Dietlein, -Finckh, 
Goetze, Groedel, - Hänisch, Holzknecht, Jamin, Im- 
melmann, Koehler, Krause, Lossen, Otten, Pfeiffer, 


Schnaudigel, Spieß. Dritte, vollkommen umeearbeitete ` 


und wesentlich erweiterte Auflage. 826 und 64 S. Mit 
541 autotypischen Abbildungen auf 137 Tafeln und 549 
Textabbildungen. Lehmanns Medizinische Atlanten Bd. 
VII. München 1921, J. F. Lehmanns Verlag. Geb. 200 M. 


Das Werk behandelt: ‚Röntgenphysik, Röntgentech- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


' Vertrauen auf die geistigen Waffen, mit denen allein wir 


Bad, einer vorsichtigen gymnastischen Übung usw. Sid 


von der Antiperistaltik bei Hysterie, Neurasthenie und 


nes 
cerebrospinalis. Ein Beitrag zur Pathologie der aa a 
des Nervensystems. 96 S. Jena 192], G. Eier Ei 
Brosch. 18,00 M. 


nik, röntgenologische Lokalisation in der inneren Medi- 3 
zin, Röntgenuntersuchung bei Erkrankungen des Gehirns, I 
des Rückenmarks und der peripheren Nerven, Röntgen {o 
diagnostik in der Augenheilkunde, des Gehörgangs, der k 
Kiefer und Zähne, der oberen Luftwege, das normale i 
Thoraxbild, Röntgenuntersuchung der Trachea und des i) 
oberen Mediastinums, Kombination der Tracheobroncho- p 
skopie und der Ösophagoskopie mit der Röntgenunter- fi 
suchung, Zwerchfiell und Atmung, Röntgendiagnose der 
Thoraxtumoren, der Bronchialerkrankungen, der | 
gentuberkulose, der Lungenkrankheiten mit Ausschlub’ 
der Tuberkulose, der Pleuraerkrankungen; die Röntgen- $ 
strahlen als Hilfsmittel bei der Auswahl der Ben O | 
zu behandelnden Lungenfälle und der Kontrolle der $i 
Operationserfolge, die Röntgendiagnose der Erkrankun- 1 
gen des Perikards, des Herzens, der Gefäße; die spe- gi 
zielle Technik der Röntgenuntersuchung des Verdau $ 
ungstraktus, die Röntgenuntersuchung der Speiseröhre, i 
des Magens, des Darms, das Röntgenbild des operativ ’ fr 
veränderten  Verdauungstraktus, die Röntgenunter $ E 
suchung der Leber und Gallenblase, der Milz, des Pan- En T 
kreas des uropoetischen Systems, des Skeletts. 4 i 

Das Werk ist eine Erlösung. Wie ans 
wierig mußte man bisher in Zeitschriften und Lehrbie DR 
chern herumsuchen, wenn man genaueres auf diesem” 
Sondergebiet nachschlagen wollte, und wem steht soviel 
einschlägige Literatur immer und schnell zur Verfügung. 


Hinsichtlich der Ausstattung bedarf es keiner Worte 4 
sie weist alle Vorzüge auf, wie wir sie von den Leli-” Ir 
mannschen Atlanten gewohnt sind. | 


Beim Anblick sölcher- Werke hebt sich unser De 
trauen auf die Zukunft deutscher Kultur mächtig, das 


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weiterhelfen müssen uin E 


uns für die nächste Zeit 


werden. | k 

Was Einzelheiten anlangt, so sei z: B. auf die Ein- 4 
wirkung von Giften und Arzneimitteln auf die Herzgröle 7 
hingewiesen (S. 377), auf den Einfluß von Bädern all 
das Herz (nach heißem Bad Verkleinerung, nach kalten 
Vergrößerung). „Die vielen Mitteilungen über. Volum- 
schwankungen des. Herzens nach einem Schreck, durch 
Kompression des Oberschenkels, nach einem einzelnen 


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mit größter Skepsis aufzunehmen” (S. 378). Bei Erkran- | | 
kungen des Skeletts ist Myxödem und Kretinismus, Mon | | 
golismus, Akromegalie usw. berücksichtigt (S. 1%% 4: 
S. 568 ist von der „verstärkten, häufig stürmisch rhytle | 
mischen Magen- und Antrumperistaltik” die Rede, >. L 


Tabes. Dies nur einige wahllos herausgegriffene pro: 
ben, welche die Wichtigkeit des Atlas auch für die An- 
staltspraxis zeigen. Bresler. 


= Dreyius, Prof, -Georg E: Direktor der Abtei- | i 


lung für Nervenkranke im städt. Krankenhaus sad 
zu Frankfurt a. M.: Isolierte Pupillenstörung und Liau 


{022 
2 D. weist nach, daß es für die Verlaufsaussicht grund- 
Fützlich verschieden ist, ob der Liquor primär negativ 
qer positiv befunden wurde. Der Nachweis wird an 
Futmiestischen Untersuchungen von 107 Kranken mit 
4 Aholierten Fupillenstörungen geführt. Von den 39 Liquor- 
Ansitiven waren 26 (= ?/s) mehr oder weniger deutlich 
Inogredient, von 18 Liquornegativen kein einziger. Un- 
ferden 26 waren 23 Männer und 3 Frauen (8:1), wäh- 
wnd die Gesamtzahl von Männern und Frauen sich wie 
45:3 verhielt. Mit der Zunahme der Dauer der Beob- 
f chtung steigt bei den Liquorpositiven die Zahl der Pro- 
Frredienten deutlich dauernd, während alle Liquornega- 
Fiven, einerlei, ob sie zwei oder neun Jahre beobachtet 
Fnurden, stationär blieben. Bei ersteren ist also der 
i ‚ktankhaft anatomische Prozeß, der dem jeweiligen Be- 
Smd am Nervensystem zugrunde liegt, nicht zum Still- 
F stand gekommen; ein Damoklesschwert schwebt über 
Filmen, wenn. nicht langdauernde chronisch- intermittie- 
| ende Behandlung Stillstand bringt. _ 

(Das Gehirn einer liquorpositiven Kranken zeigte 
oskonisch keinen wesentlich von der Norm abwei- 
fenden Befund, mikroskopisch deutliche Merkmale -von 
$ lies; umgekehrt das Gehirn einer liquornegativen nur 
f makroskopisch Merkmale früherer Lues, mikroskopisch 
f keinerlei Veränderungen, die auf aktive Lues wiesen.) 
Weitere Untersuchungen über die Häufigkeit von 
f usnahmen obiger Regel hält D. für erwünscht. 

f Die fleißige Studie bedeutet einen sehr erfreulichen 
nd wichtigen Fortschritt auf diesem Gebiet. Wegen 
‚der sehr zahlreichen interessanten Einzelheiten sei auf 
J ds Original verwiesen. l | B. 


—_— 


Therapeutisches. 


Berichtet von Apotheker Kurt Kleinert, 
Kreuzburg O.-S. 


t — Thymobronchin, ein neues Expektorans. 

| Durch die vorzüglichen Erfolge angeregt, "welche 
i: organisch gebildeten Pflanzenstoffe als husten- und 
Uhrampfstillende Mittel gezeitigt haben, vor allem die- 
f migen aus Polygala Senega, Senega, Psychotria 
Ibtcacıranha, Ipecacuanha, Aesculus hypocasta- 
um Kastanie, Papaver Rhöas, Klatschrose 
f Thymus vulgare, Thymian, und Thymus serpyllum, 
Quendel, sowie Origanum vulgare, Dorst, und 
Phellandrum sativum, Feldkümmel, ist durch arz- 
tiliche Verwendung dieser. vielfach erprobten und be- 
lebten Hustenheilmittel zusammen mit Sem. Ajowan. 
And mit Kal. bromat. ein neueres Expektorans „Ihymo- 
| !onchin” von Apotheker Martin Lorenz, Leipzig, 
 Ëutritzscher Str. 1, zusammengestellt worden. Zu 
Pie: Herstellung wird folgendes Rezept angegeben: 
Infus. Spec.: expector. cps. (1:3) 50,4 v. H., Extr. 
Swe ‚expector. spirit. 4,0 v. H., Kal. bromat. 45,0 v. H. 
| Rezept für Species expect. cps.: 
50, Rad, Seneg., Fol. Cast. vesc., Flor. Rhöados, Herb. 
Îrigan, Cretic. ana 4,0, Herb. Thym. vulg., Herb. Serp., 
= Phellandr. ana 5,0. | | 

. n Mixturen wird es als Sir. Thymobronchin ver- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


-torium Dr. Winckel, 


-der Universität in 


Sem. Ajowan. 


265 


ordnet; es ist dadurch sowohl : Expektorans wie Ge- 
schmackskorrigens, an Stelle von Sir. Rubi Idaei. 

Zur Verordnung werden folgende Rezepte emp- 
iohlen: 

R.: Inf. Ipecac + 0,2:: 70,0, Liqu: 
Sir. Thymobronchin. ad 100,0. S.: 
täglich einen Teelöffel. 

R.: Codein phosph. 0,1, Aqu. Amygd. am. ad 10,0. 
S.: Dreistündlich 15 Tropfen in einem Eßlöffel Thymo- 
bronchin. 

R.: Apomörph. mur. 0,05, Morph. mur. 0,03, Acid. 
mur. dil. 0,5, Sir. Thymobronchin 30 bis 50,0, Aqu. dest. 
ad 200,0. S.: Zwei- bis dreistündlich einen Eßlöffel. 

Seine arzneiliche Bestätigung fand „Thymobronchin” 
durch die chemische Untersuchung im Chem. Labora- 
München, in folgendem chemischen 
Gutachten: „Die Analyse bestätigt die Richtigkeit Ihrer 
Angaben, das Thymobronchin bestehe aus einem Pilan- 
zenextrakt und daß es gleichzeitig 0,6 v. H. Bromsalze 
enthält. Giftige Stoffe, Alkaloide und Schwermetalle 
sind nicht vorhanden. gez. Dr. Winckel.” 

Viele ` günstige ärztliche Gutachten empfehlen die 
arzneiliche Verwendung dieses neuen Hustenmittels. 

— Über Digitalisstoffe und Digitalismedikamente. 


Von Walther Straub. Aus dem Pharmokolog. Institut 
Freiburg i. Br. Deut. med. Woch. 


Ammon. anis. 0,5, 
Zwei- bis fünfmal 


1922 Nr. 24. 
Ganz besondere Sorgfalt ist stets der Gewinnung 
der wirksamen Herzarzneien aus Digitalis und Stro- 
phanthus zugewendet worden. Gute Erfolge ergaben in 
neuerer Zeit Apocynum cannabinum, ferner Convallaria 
maialis und Scilla maritima. Die Digitalisstoffe sind 
Glykoside, Zuckeräther, wie sie im Pflanzenreiche außer- 
ordentlich zahlreich vorkommen, sie gehören chemisch 
zu den Saponinen, sind somit zytolytische Substanzen 
mit besonders an der Oberfläche stark auflösender Wir- 
kung. Die Wirkung der Digitalisstoffe und der Sapo- 
nine aufs Herz ist im Prinzip die gleiche, Digitalisstoffie 
sind eben Saponine, die von allen ihren Haftfähigkeiten 
nur mehr die für den Herzventrikel erhalten haben. Die 
Einstellung der Reinsubstanzen erfolgt sehr genau am 
Katzen- und am Froschherz. Die Resultate sind: Kon- 
stanter Alkaloidwert a) für Digitoxin — 0,000 004 g für 
1 g Frosch, b) Gitalin = 0,0 000 065 g für 1 g Frosch, 
c) Strophanthin = 0,0000 009 g für 1 g Frosch. 
Digitoxin, Digitalein und Gitalin-Verodigen sind die 
Reinsubstanzen in fester Form, hierzu kommen noch die 
sehr gebräuchlichen Dialysate. | 
Dieitoxin ist wasserlöslich, als Molekül sehr fest 
gegen Zersetzung, von außerordentlich großer Haftfähig- 
keit am Gewebe. Digitalein ist sehr leicht wasserlös- 


lich, mäßig zersetzlich, sehr hitzeempfindlich. Digitalin. 
verum ist nicht in den Digitalisblättern, es ist ein 
Samenglykosid. 


Das mit Hitze behandelte Infusum enthält sehr wenig 
von dem kaum Jöslichen Digitoxin; kaum Digitalein und 
nur unvollständig Gitalin, es ist vergleichsweise weniger 
wirksam als die entsprechende innerlich gegebene Menge 
Digitalispulver. Eine mit kaltem Wasser hergestellte 


“è 


. zen oder 


oder 


266 


Mazeration, die alles Digitalein und alles Gitalin ent- 
hält, ist nicht haitbar. Die sehr gebräuchlichen alko- 
holischen Auszüge, die Dialysata und Tinctura Digitalis, 
enthalten sämtliche Digitalisalkaloide. Alle Reinsubstan- 
Mischungen von solchen sind in Lösung was- 
serklar, in fester Substanz rein weiß, 

Die Strophanthine wirken rasch und flüchtig, sie 
werden -sehr oft für die intravenöse Therapie verwen- 
det; von ihnen sind wichtig das (Kombe-)Strophanthin 
(Böhringer-Mannheim) und das neu erprobte Purostro- 
phan. Cymarin aus Apocynum- cannabinum istetwa ge- 
nau so zu beurteilen wie Strophanthin; chemisch ist eine 
äußerst nahe Verwandtschaft aufgedeckt worden. Aus 
Adonis (Adonisröschen) und Convallaria (Springauf) sind 
«alenische Präparate vorhanden. Scilla maritima (Meer- 
zwiebel) wird in England mit Digitalis zusammen mit 
recht gutem Erfolg angewendet. Das daraus hergestellte 
weinglykosid Scillaren gilt gegenwärtig als am meisten 
erfolgversprechend. Der Scilla maritima kommt beson- 
ders diastolische Wirkung zu, woraus sich. wertvolle 
therapeutische Spezialindikationen ergeben, die dem ge- 
wonnenen neuen Mittel erst die Existenzmöglichkeit im 
Arzneischatze sichern. 

— Die Bewertung von Eiweißpräparaten. Von 
Prof. F. Müller, Berlin. Deut. med. Woch. 1922 Nr. 34. 


Nutzungs- und Heilwert sowie Preise neuer Eiweiß- 


präparate entziehen sich der Beurteilung des Laien. Der 
seringe Preis ist keinesfalls ausschlaggebend. 

Reine Eiweißpräparate sind gleicherweise zu ver- 
wenden wie Eiweißpräparate mit aufgeschlossenem Ei- 
weiß, das in ihnen in Form von Albumosen, Peptonen 
Aminosäuren enthalten ist, 
präparate mit geringem Eiweißgehalt und großen Men- 
gen Kohlehydraten oder mit einem reichen Gehalt an 
Phosphorsäure und Vitaminen. 

Ein wirklich reines Eiweißpräparat ist unzersetz- 
lich, daher geruch- und geschmacklos und enthält: 1. keine 
Kohlehydrate, 2. wenig Wasser und Asche, 3. nur ge- 
ringe Spuren von Fett; niemals über 2 v. H., was wichtig 
ist zur Vermeidung der Bildung freier Fettsäuren. 

-= Die pflanzliche Herkunft von Eiweißstoffen macht 
letztere nieht 'minderwertig. Die Verwendung von Perl- 


eiweiß aus Lupinen mit einer aus Gries, Brot und Fett 


bereiteten Köst, in der die Stickstoffmenge des Flei- 
sches in der gleichen Menge Stickstoff durch Perleiweiß 
ersetzt wurde, zeigte die bisher beste Stickstoffaus- 
nutzung. Vor allen anderen reinen Eiweißpräparaten, 
vor den Albumosepräparaten und den gemischten Ei- 


" weißpräparaten gebührt dem Perleiweiß ganz bestimmt 


. der Vorzug. 


Diesen ganz besonderen Vorzug zeigt es in seinem 


höchsten Gehalt an Protein-Stickstoff, an durch Pepsin- 
 salzsäure löslichem Stickstoff und an Phosphorpentöxyd, 


auch ist es ausgezeichnet durch geringen Phosphorsäure- 
gehalt und vor allem vollkommen purinfrei. Deshalb 


-bewährt es sich vor den anderen reinen Eiweißpräpa- 


raten, vor Nutrose, -Sanatogen, Plasmon und Materna, 


vor dem Albumosepräparat Riba und vor den gemisch- 


ten Nährpräparaten Malztropon und Odda für Gichtiker 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


desgleichen Eiweiß- 


"Isolierungstechnik, verfaßtes, im Verlag von Carl Mar 


INr. 7 
sowohl,. wie auch als hervorragendes Nähr- und Kräfte | 
gungsmittei für Rekonvaleszenten, Schwangere und Kin- 
der, so daß es bei seiner großen Billigkeit auch als ganz E 
vorzügliches Heilmittel im Sinne der Krankenkassenbes 
stimmungen zu bewerten ist. 4 

— Ein neues Krätzemittel „Sarscato”.. Von Dr 
Ssmechula, Sekundärarzt. Aus dem Dermatologi- £ 
schen Stadtkrankenhaus II in Hannover (Direktor, Priv. 
Doz. Dr. Stümpke). Deut. med. Woch. 1922 Nr. 34, 

Von allen bekannten flüssigen Krätzemitteln, welche i 
die Wäsche schonen und rasch wirken, sind die belieb- l 
testen Ristin und Mitigal. Mitigal wurde am günstigsten 
beurteilt und zeitigte bisher die besten Erfolge. Zur 
Empfehlung eines neuen, Schwefelwasserstoff enthalten- 
den Mittels „Sarscato” (Neopharm-Gesellschaft in Han- 
nover) wird nach eingehenden Versuchen im Dermato- 4 
logischen Stadtkrankenhaus Hannover folgendes Gesamt 
resultat veröffentlicht: Es hat ein milchiges, gelblich 
weißes Aussehen, fühlt sich fettig an und riecht ange 
nehm. Zur Verdeckung des HsS-Geruches ist ein Pari 
füm verwendet worden. In der Anwendung ist es eine" 
schäumende Schüttelmixtur, die die Wäsche ganz außer-) 
ordentlich schont. Gebrauchsanweisung. Der Körper $ 
wird nach einem heißen Bade vom Hals bis zu den Zehen. 
gründlich mit der Flüssigkeit eingerieben. Fine halbe - 
eine Stunde später erfolgt die zweite Einreibung, ami 
folgenden Tage die dritte. Die alte Wäsche wird a 
halten. Am dritten Tage wird ein Reinigungsbad ge 
nommen und dabei der Körper kräftig abgeseift, darauf 
Leib- und Bettwäsche gewechselt; damit ist die Kur 
beendet. Zu” der ganzen Kur sind 100 bis höchstens 
150 g „Sarscato” erforderlich. Das Mittel ist dem Miti= 
gal im Preise gleich, jedoch billiger als Ristin. In der 
Wirkung ist es dem Mitigal gleich, dem Ristin überlegen a 

— E. Mercks Jahresbericht über Neuerungen auf den 
@ebieten der Pharmakotherapie und Pharmazie. Br 
Jahrgang 1921. Darmstadt, November 1922. Bi: 

Der Jahresbericht gibt auf S. 3 bis 81 eine Übersicht: 
über neue Glykoside, von denen therapeutisch wichtig" 
sind: Aesculin, Amygdalin, Arbutin, Bryonin, Condi- 
rangin und Peristaltin. Ferner auf S. 82 bis 454 eine i | 
Zusammenstellung von Präparaten und Drogen, ein In 5 
haltsverzeichnis S. 463 bis 477, Liter aturverzeichnisi 
S. 478 bis 487 und S. 488 bis 492 Mercks Wissenschafts“ i 
liche verätentlieifungen. Der Jahresbericht ist em glänt- M 
zendes Zeugnis über die hervorragenden Leistungen des 
wissenschaftlichen Institutes von E. Merck auf pharmi 
zeutisch-chemischem Gebiete. A 1 


Wirtschaitliches. eo o 


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Ke bnar für Gewerbe und Haus betitelt sich E 
ein von Oberingenieur E. Reif, Düsseldorf, Te 
schem. Berater und Sachverständigen der Kälte- il 


hold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. 1922, Be 
Buch, das mit 143 in den Text gedruckten A 
3 Tafeln sowie 18 Tabellen, 158 Seiten umfassend, al 


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den Krankenhäusern sehr willkommen sein dürfte, E 


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ME Jahrgang, 1922/23, Nr. aa E dalea S. 13. Januar. 
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Psychiatrisch- Neurologische 
Wochenschrift. 


Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 
Alleinige Anzeigenannahme: Hans. Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstraße 28. 


Bevor der Arzt oder der Zahnarzt seine Steuereinschätzung abgibt, 
empfiehlt es sich, das neu erschienene Buch: 


„Das Einkommensteuergesetz‘' 


ausschließlich für Mediziner bearbeitet, zu Rate zu ziehen. Von Herrn San.- 
Rat Dr. Joachim, einer Autorität in ärztlichen Steuerfragen, bearbeitet, 

sibt der Inhalt des Buches sehr praktische und wertvolle Aufschlüsse über 

erlaubte Abzüge, Werbekosten usw. Jeder Arzt spart durch Anschaffung 

des Buches Zeit und Geld. 


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Hoo Verlag Hans Pasch, Berlin SW. 48. 


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Rarifaturen aus after und newer Zeit 
gefammelt von Ouftav Koch fteiteru Dr. Zihen 


NUN INNE 


Aus den zahlreichen Besprechungen der früheren Auflagen: 


Deutsche Medizinische 


NINE 


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et 
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Wochenschrift: 


„Was der Beruf des Arztes an Humor und 


Komik enthält, ist in dem kurzweiligen Büch- 


lein zusammengetragen, und zwar in Gestalt 
von Anekdoten, Schnurren, Witzen, Karikaturen 
aus alter und neuer Zeit. Für den Mediziner 
bildet es einen belustigenden Spiegel, für den 


„Patienten ein willkommenes Adjuvans und Corri- 
= gens bei depressiven Zuständen. 
-  therapeutisches Mittel sei es beiden Parteien 
wärmstens empfohlen. S 


Als psycho- 


Berliner Volkszeitung: 


„Der Titel, die Namen der Herausgeber, der 
Verlag, — das genügt als Empfehlungsbrief für 
dieses scherzhafte Buch, das den Ärzten eine 


„Fachliteratur“ für jene Art von lustiger Ver- 
hohnepiepelung gilt, die Goethe gemeint hat, als 
„Wer sich nicht selbst zum Besten 
halten kann, der ist gewiß nicht von den 


er sagte: 


Besten.“ Aber auch die nichtärztliche Welt 


wird an diesen Schnurren und Schwänken aus ~ 
dem Hörsaal der Klinik, dem Sprechzimmer und | 


der Krankenstube ihre herzliche Freude haben. 


Zu beziehen dich jede Buchhandlung oder drel vom 


| Verlag Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wihemk 28 er 


EEE 


N SVEN AIR WE u 


Psychiatrisch: Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschlieBlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh, Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
“birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Ferzberge (Berlin), Geh. Med.- 
| Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), . Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir.’Dr. Herting, Galkhausen 
Rhi), Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat.Dir.-Dr. Lehmann, 
FHartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
I Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
E oine (N. a Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
A Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


E - Schriftleiter: | | 
A Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Br. 
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1922/23. 


13. Januar 


2 41/42. 


Bezugspreis: 


Mm 75,— für Monat Januar, zuzügl. 
br Postüberweisungsgebühr. 


Bezugspreise nach dem Auslande: 


f: Für den vollständigen Jahrgang, ein- 
schließlich Portokosten: Belgien Fr. 32, 
England sh. 14, Dänemark Kr. 14, Frank- 
(eich Fr. 32, Japan Yen 7, Italien Lire 40, 
| Luxemburg ET 232, Niederlande fl. > 
| \rwegen Kr. 16, Schweden Kr. 

Spanien Pes. 16, Schweiz Fr. 16, ime” 
(tika Dollar 4, Tschech.-Slov. Kr. 


Von Dr. Friedrich Wolf. 
Tag — Mitteilungen. (S. 278.) — Referate. 


pgr- 
TER 
Am- y 


m 24. Januar 1923 vollendet Geheimer Medi- 
Lana Dr. Ganser in Dresden sein 70. Lebens- 
Die gesamte psychiatrische Welt Deutsch- 
ira Anteil an diesem ‚seltenen Festtage neh- 
I und dabei der großen Verdienste gedenken, 
le Ganser sich um die Förderung der Psychiatrie 
i Wissenschaft und Praxis erworben hat. Seine 
hlr 'tichen Schüler aber werden sich freuen, bei 
lese t Gelegenheit ihrem Meister öffentlich Dank 
gen zu können für das, was er als Lehrer und 
hr tbild ihnen gegeben hat. 

Ganser ist aus der Schule Franz v. Rineckers 
t der psychiatrischen Klinik zu Würzburg her- 
rge egangen, der noch eine Reihe anderer, her- 
Üttagender Psychiater wie Grashey, Jolly, Rie- 
: Kraepelin entsprossen sind. Er hat dann fünf 
fire an der psychiatrischen Universitätsklinik in 
m il ichen unter Gudden gearbeitet und sich 1881 
e Privatdozent habilitiert. 1886 kam er nach 
sden. Hier wurde 1889 nach seinen Angaben 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 
Halle a. S., Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 
Telegramm- Adresse: Marhold Verlag Hallesaale 
Postscheck: Leipzig 32070. 


| Wilhelmstraße 28. i 


dhn halt: Zu Gansers 70. Geburtstag. Von Stadtbezirksarzt Dr. Schubart, Plauen. (S. 
(S. 271.) AOE: der Vertreter der Hilfsvereine für Geisteskranke. 
Sr 278.) 
iR (S. 279.) — Personalnachrichten. 


gegnet ist. 


Zu beziehen durch jede Buchhandlung, 

die Post und unmittelbar vom Verlage. 

Erscheint bis auf weiteres vierzehn- 
‘ tägig in Doppelnummern. 

Zuschriften für die Schriftleitung sind 

an San.-Rat Dr. Bresler in Kreuzburg 

(Ob.-Schl.) zu richten. Bei Anfragen ist 
das Rückporto beizufügen. 


Alleinige Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin SW. 48, 


269. ) — Taubenkönig. 


— Buchbesprechungen. (S. 278) — Therapeutisches. 


(S. 280.) 


Zu Gansers 70. Geburtstag. 


Von Stadtbezirksarzt Dr. Schubart, Plauen. . 


die städtische Irrenbeobachtungsstation mit Sie- 
chenhaus errichtet, deren ärztliche Leitung er seit- 
dem gehabt und die er im Laufe der folgenden Jahr- 
zehnte zu einer neuzeitlichen Ansprüchen gerecht 
werdenden Heil- und Pflegeanstalt entwickelt hat. 

Mögen Berufenere an anderer Stelle die wissen- 
schaftliche Bedeutung Gansers hervorheben, die 
vor allem auf der klassischen Beschreibung eines 
hysterischen Dämmerzustandes mit Vorbeireden 
unbestritten beruht, mir, der ich von der Psychia- 
trie zur amtsärztlichen und  sozialhygienischen 
Tätigkeit übergegangen bin, sei es vergönnt zu 
schildern, was Ganser auf den Gebieten der ge- 
richtlichen Psychiatrie und der öffentlichen Ge- 
sundheitspflege geleistet hat. 

Jüngere Ärzte mögen es sich vielleicht kaum 
mehr vorstellen können, welch großem Wider- 


stande die aufblühende Psychiatrie vor 30 bis 40° 


Jahren im Gerichtssaal und in der Verwaltung be- 
Ganser hat sich dadurch nicht irre. 


270 


machen lassen, sondern er hat vor Gericht mit vor- 
zürlicher Begründung seine auf hervorragenden 
Kenntnissen beruhenden Anschauungen, daß ein 
Teil der Verbrecher psychisch (defekte Menschen 
und deshalb anders als gesunde Menschen zu be- 
urteilen sind, vertreten und hat dem Juristen 


durch die Klarheit und Zielsicherheit seiner Gut-_ 


achten die Achtung vor der Psychiatrie allmählich 
abgerungen. 
Das genügte ihm- aber noch nicht, sondern er 


wollte auch aus widerstrebenden Juristen Mit- 


arbeiter an den Problemen der gerichtlichen Psy- 
chiatrie machen und damit erreichen, daß man der 
psychischen Eigenart der Rechtsbrecher in der 
Rechtsprechung und im Strafvollzug mehr Beach- 
tung schenke. Zu diesem Zwecke hat er mit 


Weber, Sonnenstein, in Dresden die forensisch- ° 


psychiatrische Vereinigung gegründet, und .es ist 
ihm geglückt, hier Ärzte und Juristen zu frucht- 
barer wissenschaftlicher Arbeit zu vereinigen und 
wiederholt auch auf die Gestaltung von: Gesetzes- 
‚vorlagen bestimmenden Einfluß zu gewinnen. Man 
darf wohl ohne Übertreibung sagen, daß Ganser 
bisher in dieser Vereinigung stets die treibende 
Kraft gewesen ist. ER 

Seine Vorliebe für die gerichtliche Psychiatrie 
fand auch in einer Reihe wissenschaftlicher Ver- 
öffentlichungen ihren Ausdruck, so über -„Simula- 
-tion von Geistesstörung”, über „Mord im Säufer- 
wahnsinn”, und es ist nicht zufällig, daß der von 
ihm beschriebene und nach ihm benannte hysteri- 
sche Dämmerzustand eine besondere forensische 
Bedeutung hat, da er gerade- bei Häftlingen 
am häufigsten aufzutreten pflegt. Gansers Ver- 
dienste um die forensische Psychiatrie fanden da- 
durch Anerkennung, daß er 1908 als ordentliches 
Mitglied in das sächsische Landesgesundheitsamt 


berufen wurde. 


Auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheits- 
pflege hat sich Ganser. vor allem um die Bekämp- 
fung des Alkoholismus verdient gemacht. Diesen 


Kampf hat er zu einer Zeit aufgenommen, als man 


- unter Ärzten und Laien noch’Gefahr lief, deswegen 
als Mucker und krasser Philister veerschrien zu 
werden. Er hat ihn durch. Wort, Schrift und Bei- 
spiel geführt. 
Alkoholismus: eine Krankheit sei, die man ärztlich 
behandeln müsse („Die Trunksucht eine heilbare 
Krankheit”, 1901) und die man nicht mit Moral- 
predigen, Polizeistrafen und -anderen Zuchtmaß- 
nahmen beseitigen könne. Auch wie man Trinker 
behandeln könne, hat er gezeigt und bei der Be- 
handlung des Delirium tremens mit sofortiger 


‚Alkoholentziehung, aber Darreichung herzstärken- 


: PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚der Mittel, vor allem (der Digitalis, neue Wege ge- ; 


achtungsstation überwiesen. 


Besonders hat er betont, daß der ieh 
zeit ohne besondere. Formalitäten gestattet, Œ {K 


[Nr. 41/42 fi 


wiesen und sehr gute Erfolge erzielt („Zur Behand- 1 
lung des Delirium tremens”, M. m. W. 1907). | 

Ebenso eifrig wie für die Trinkerbehandlung hat fy 
sich Ganser für die Psychopathen- und Geistes 4 
schwachenbehandlung im Interesse der öffent- 4 
lichen Gesundheitspflege und Ordnung eingesetzt. IX 
Er ist hierbei aber zunächst auf heftigen Wider- 1 
stand der Verwaltungsbehörden gestoßen, und er 
hat viel Mühe, Zeit und Nervenkrait aufwenden $4 
müssen, um hier die Anerkennung psychiatrischer $ 
Denkweise und Behandlungsmethoden anderen $ 
Verwaltungsmaßnahmen gegenüber zu erringen $ 
Früher ist es in Dresden, wie wohl auch ander- $ 
wärts, üblich gewesen, Landstreicher, Prostituierte f 
und Trinker, sobald sie die öffentliche Ordnung f 
störten, mit kurzen Polizeistrafen immer und immer $ 
wieder zu belegen, auch wenn sie imbezill; geistig $ ; 
minderwertig, epileptisch oder hysterisch veran- f 
lagt waren. Ein .Erfolg konnte damit natürlich 1 
nicht erzielt werden, und so kamen diese Psycho- | 
pathen schließlich, da sie immer wieder rückfällig i 
wurden, in die städtische Arbeitsanstalt, wo. sie f, 
einer zuchthausmäßigen Hausordnung unterworean P 
wurden. Erst wenn nun hier Erregungszuständ, f 
Krämpfe, Selbstmordversuche, Nahrungsverweige-F | 
rung und anderes die weitere Verhaltung unmög” 
lich machten; wurden-sie.der psychiatrischen Beob- 4 
Nicht genug” damit, $ 
es mußten nicht selten solche asoziale psychisch $% 
Debile, wenn sie durch längere psychiatrische At- : 
staltsbehandlung wieder einigermaßen ins Gleict-: y 
gewicht gebracht worden waren und versuchs- “ 
weise in freiere Verhältnisse entlassen werden soll Ai 
ten, zunächst die Kosten der Anstaltsbehandung 4 
in der Arbeitsanstalt abarbeiten!- Der mühsam er y 
reichte Erfolg war damit meist dahin. ` 46 

Dem hat sich Ganser mit aller Kraft widersetzt h 
und verlangt, daß alle geistiger Abnormität irgen® Y 
wie Verdächtigen sofort psychiatrischer Anstalts- In 
beobachtung zugeführt und erst dann der Polizei- D 


und Korrektionshaft unterworfen werden sollten, fa 


wenn dies seitens des Psychiaters für unbedenklici i 
und zweckmäßig erachtet. worden war. Obwohl P 
nun das freie Aufnahmeverfahren der Dresdner K 
Irrenanstalt, das die Aufnahme eines Kanken jeder: fy 
Durchführung des vorgeschlagenen Syst! ER 
wesentlich erleichterte, hat es doch vieler Jahre G 
und vieler Auseinandersetzungen mit den Behörden i 
bedurft, bis man anerkannte, daß Trinker und PS 39 
chopathen nicht in die Polizeihaft und Arbeits?” fy 
stalt, sondern in psychiatrische Anstaltsbehandun® i 
gehörten. | RA 


_ 


11923) 


4 Wenn aber Ganser bisher als erfolgreicher 
fert worden ist, so darf nicht vergessen werden 
Slervorzuheben, wie er gekämpft hat. Denn nicht 
letzt darin wird er allen seinen Schülern ein 
dkuchtendes Vorbild sein und bleiben. Er hat seine 
Alämpfe „ohne alle Härten und Schärfen”, getreu 
(tem Wahlspruch: fortiter in re, suaviter in modo, 
oonstanter in se, ganz objektiv, ohne persönlichen 


= Anläßlich seines 70. Geburtstages dürfen des- 


N kenne ich unter den Lebenden wohl nur 
7 einen Menschen von solch majestätischer Ruhe 
‚ind von solcher Heiterkeit der Seele. Fast wäre 
noch zu jung dazu mit seinen achtzehn Jahren. 
_ Aber er hat einen Taubenschlag 


-= Er hat Kapuziner, Purzeltauben, Schleiertauben, 
Btieftauben, seine Mövchen und auch einen Turtler. 
Wir wohnen einander gegenüber; das heißt, er 
wohnt höher als ich. Bei seltenen Gelegenheiten 
haut er zu mir hinunter und betrachtet mich 
rch meine breiten Fensterscheiben wie ein komi- 
‚ches Tier in einem Aquarium. Ich argwöhne, er 
‚kann sogar meine Füße unter dem Schreibtisch 
e Das kann sonst niemand. 


Winen Thron aufgeschlagen. An einer Stelle ist 
ds Fachwerk des. Daches verwunderlich durch- 
Siochen. Zwei grobe Bretter über einer selbst 
Verschalten Luke und auf ihnen erhebt sich in über- 
| schender Weise ein schlanker, sesselartiger Bau. 
Diesen besteigt der Taubenkönig täglich, zweimal 
am Tage. Des Morgens kann ich ihn nur selten 
essen, Gegen fünfin der Frühe rollt sein erster 
Piti über die schlafende Stadt. Eine Armee 
Könnte man damit erwecken. Dann rauscht es 
Von den Flügeln seines Volkes; immer weitere 
Kreise, Es wäre ungerecht zu vergessen, daß 
sgenüber die Spatzenwand steht. Sonst ist es 
ine alte haushohe Brandmauer, 
berwuchert. In seinen Ranken wohnen: die 
Matzen, Es müssen schon die Spatzen der gan- 
Mn Stadt sein. Sobald der furchtbare erste Pfiff 
dis Taubenkönigs verrollt ist, erfolgt alsbald ein 
fen diesen kaum vernehmbarer zweiter, Das 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


MKimpfer für das Ansehen der Psychiatrie geschil- 


AAngriii, aber mit Zähigkeit und Ausdauer geführt. 


- Auf dem schlanken First seines Daches hat er > 


zählt schneller, 


sanz mit. Efeu 


271 


halb wohl die deutschen Irrenärzte ihn zu seinen 
Erfolgen herzlich beglückwünschen. Ganz beson- 
ders aber werden ..wir uns freuen, daß die vielen 
und heißen Kämpfe ihm nichts anhaben konnten 
und daß er noch in jugendlicher Frische und Tat- 
kraft seines Amtes walten und in vorderster Reihe 
für psychiatrisches Wissen und Denken streiten 
kann. Möge ihm das zum Nutzen der deutschen 
Psychiatrie und zu seiner eigenen Freude noch 


ad multos annos vergönnt sein! 


Taubenkönig. 
(Ein Beitrag zur Tierhypnose.) 
Herrn Geheimrat Dr. Siegbert Ganser zum siebzigsten Geburtstag. 
Von Dr. Friedrich Wolf. 


war der Spatzenkönige.. Noch eine Minute, und 
wie auf ein Kommando beginnt ein alles über- 
zwitschernder Lärm. Die Spatzenwand fliegt auf. 
Es scheint täuschend so, als erhebe sich die ganze 
alte Efeumauer auf tausend kleinen Flügeln und 
schwinge sich mit hinauf in den weißen Morgen. 
Am Abend kommen wir beide heim; er im blauen 
Zwilch des Fabrikarbeiters mit dem: zweitöpfigen 
Eßkessel. Nach einer halben Stunde besteigt er 
den Thron. Er wächst mit jedem Ruck, kaum 
wiederzuerkennen. Er sitzt dort droben wie ein 
König. Er hält eine lange biege Rute in der Hand 
mit einem geschnittenen, fast unwahrscheinlich 
langen Riemen aus scharlachrotem Tuch. Er be- 


. wegt ihn ganz leise, ein sehr zartes Locken flicht 


sich rhythmisch in diese Schwingung ein. Der rote 
Faden rieselt erst nur wie Blut; ein Perpendikel, 
schlägt er bald über die ganzen: Dachreihen. Das 
Locken schwillt.e Man sieht fern am schon dun- 
kelnden Himmel eine sich wiegende, silberne 
Welle. Die Welle zittert gleich einer bebenden 
Schwinge. Sie wächst. Der rote Perpendikel 
höher, überschlägt sich. Das 
Locken wird zu einem hymnenartigen Ruf, steigt 
plötzlich in chromatischen Läufen zu einem scharf 
punktierten Tanztakt hinan. Ein rotes Rad dreht 
sich fiebernd in der braungoldenen Luft. Es 
rauscht ein Gesang von Flügeln gleich einer Huldi- 
eung. Ein glitzernder Ball steht über des Königs 
Haupt. Mit einem einzigen Ruck stößt er den Arm 
senkrecht hoch. Breit saust ein roter Reifen über 
alle Kamine, Drähte und Firsten, wagerechthin um 
den silbernen Schwarm; der muß mit in dem 
Kreisen als Achse und als Speiche. Die Melodie 
fällt, fällt wieder in ihre erste lockende Schleife. 


a Zieht, verlesen. 


272 


Die Ringe werden stiller, enger; schon erkennt 
man die Schnur. Wie bezaubert fallen, legen sich 
die Tauben weich mit ihr um ihres Königs Schul- 


Besprechung der Vertreter der Hilfsvereine für Geisteskranke 


gelegentlich der 


in der psychiatrischen und Nervenklinik in Leipzig bzw. 
Deutscher Naturforscher in Leipzig. 


Anwesend sind 18 Herren: 


Geh. Medizinalrat Direktor Dr. Ackermann, 
schweidnitz, 

Oberarzt Dr. Arnsheim, Alzey, 

Sanitätsrat Direktor Dr. Falkenberg, Merzberge, 

Geheimer Medizinalrat Direktor Dr. Fischer, Wies- 
loch, 

Direktor Dr. Heyse, Bernburg, 

Medizinalrat Direktor Dr. SR Klingenmünster 
(Rheinpfalz), 

Regierungs-Medizinalrat Dr. Künzel, Waldheim, 

Reg.-Medizinalrat Dr. Müller, Dösen, 

Reg.-Medizinalrat Dr. Noebel, Untergöltzsch, 

Direktor Dr. Pohlmann, Aplerbeck i. W., 

Reg.- Medizinalrat Dr. Rentsch, Sonnenstein, 

Medizinalreferent beim Ministerium des Innern 
Dr. Roemer, Karlsruhe, 

Medizinalrat Dr. Schneider, Tera Dösen, 

Geh. Medizinalrat Direktor Dr. Schulze, Arnsdorf, 

Direktor Dr. Schulte, Marsberg, 

Medizinalrat Dr. Schwabe, Plauen, 

Reg.-Medizinalrat Dr. Stemmler, Arnsdorf, 

Oberarzt Dr. Werner, Heppenheim. 


Groß- 


Ackermann, Großschweidnitz, eröffnet um 5 Uhr 


nachmittags die Sitzung. Auf Anregung von Roe- 
- mer hat er Herrn Obermedizinalrat Dr. Kolb in Er- 

langen um einen Bericht über die von ihm einge- 
richtete Fürsorge für beurlaubte und entlassene 
‚Kranke für die Besprechung ersucht. Da Herr 
‘Kolb am Erscheinen verhindert ist, wird der von 
ihm eingesandte Bericht, der sich besonders auf 
die Stellung der Fürsorge zu den Hilfsvereinen be- 
Derselbe lautet: 


Fürsorge für die Geisteskranken 


außerhalb der Anstalten. 


- Unter .den ‚deutschen Ländern, die sich einer 
organisierten Fürsorge für die Geisteskran- 
ken außerhalb der Irrenanstalten er- 
freuen, steht neben Baden und Brandenburg mit an 
erster Stelle Sachsen. Dort besteht seit 1898 ein 
Unterstützungsverein für Geisteskranke, 
Jahre 1906 3800 Mitglieder, im Jahre 1921 über 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Jahresversammlung des deutschen Vereins für Psychiatrie am 22. 


träge für Unterstützungen zuweisen. 


der im 


u. Dr ee | 
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[Nr. ae 4 

tern; eine schlanke Kerze gegen die nächtige ff 
Himmelszone. 

Ganz weiße Tauben. 


Der König lächelt. 


September 192 ER 


der Hundertjahrfeier der Gesellschaft 1 


4400 Mitglieder umfaßte, im Jahre 1906 an Unter- $% 
stützungen 6300 M, im Jahre 1921 14000 M ver-# / 
teilte. Der Verein sieht seine Aufgabe darin, das P 
Verständnis für die Geisteskrankheiten und das {0 
Interesse für die Geisteskranken zu wecken und zu 0 
fördern, die aus den öffentlichen Irrenanstalten {Mi 
entlassenen Personen zur Erleichterung ihres Wie- \ 
dereintritts in das bürgerliche Leben zu unter FM 
stützen. Außerdem will er, soweit für diesen gm 
Zweck noch Mittel verfügbar sind, den in Not ber g! 
findlichen Familien Geisteskranker Hilfe- gewähren. $s 
Seine Mittel gewinnt der Verein durch Jahresbei-4 
träge seiner Mitglieder, durch Stiftungen und aus pM 
den Zinsen eines Stammvermögens, das durch Zur f\ 
weisung größerer Einzelgaben und durch Zuwe qo 
sung eines Teiles der Jahresbeiträge auf die Höhe $ 
von--50-000 M gebracht. wurde. 4 

In jedem politischen -Bezirke des Staates ist ai $ 
von der Mitgliederversammlung BF" 
wähltes Ausschußmitglied' tätig, das de 
Mitgliederbeiträge sammelt, die eingegangenen Ber P 
träge teils unter die Geisteskranken des Bezirkes {m 
und an die Familien dieser Kranken verteilt, teils A 
dem Vorstande zuführt. Jedes Ausschußmitglied 3 
soll Vertrauensmänner werben, die inne 7° 
halb ihres Wohnortes das Ausschußmitglied in der | A 
Fürsorge für die Geisteskranken und deren Fam f 
lien, in der Förderung der Interessen des Vereines 7° 
bei der Gewinnung brauchbaren Pflegepersonaß A 
für die Staatsanstalten unterstützen. Vorstantqr 
des Vereines ist der Direktor einer der Staatsirtel q 
anstalten; derselbe wird von einigen Anstaltsbealt- 7 
ten bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützt 3 
Der Vorstand kann den einzelnen Bezirken Bei; 3 
Von allen 4" 
Entlassungen aus den Staatsanstalten erhält = 4 
Unterstützungsverein Kenntnis. E 

Es ist klar, daß ein so organisierter Unterstil 1 
zungsverein von mehreren Tausenden Mitglieder! A 
außerordentlich segensreich wirken mub. wi E 
nur durch die gewährten Geldunterstützungen, 9 4 
wertvoll diese auch immer sind. Der Hauptwert Au 
des Vereines scheint mir darin zu liegen, z i 


a 
L 
4 
LA 
Br 


familie, in der ein Mitglied geistig erkrankt ist, 
drei, an wen sie sich wenden muß, um Rat und 
dütigenfalls Hilfe zu finden. Und jeder Anstaltsdi- 
{iktor weiß: in meinem Bezirke wohnen Persön- 
Äihkeiten, die ein warmes. Herz haben für unsere 
fanken und ihre Familien; jeder Anstaltsdirektor 
jeiß, an wen er sich — direkt oder durch Ver- 
nttlung des Ausschußmitgliedes — zu wenden hat, 
ivenn er einen hilfsbedürftigen Kranken entläßt 
fider wenn er Unterstützung für die Familie eines 
tanken benötigt. Besonders wertvoll wirkt die 
Tätigkeit des Vereines, wenn die Mitglieder sich 
m die Stellenvermittlung für entlassene Kranke, 


fürftige Familienangehörige, um die Abgabe von 
ust an Kranke oder deren Familien persönlich be- 


in Kranken persönlich annehmen. Von großem 
Werte ist endlich, daß zahlreiche intelligente und 
liisbereite Menschen auf diese Weise Einblick er- 
“ilten in die Organisation, in den Betrieb, in die 
flistungen unserer Öffentlichen Irrenanstalten, und 
dab sie dadurch befähigt werden, Helfer zu sein im 
Kampfe gegen die Vorurteile, die den Irrenanstal- 
kn, den Geisteskrankheiten und den Geisteskran- 
den i immer noch entgegengebracht werden. 

| Bei aller Anerkennung der Leistungen und Er- 
iige der Unterstützungsvereine muß ich aber an 
(land meiner nunmehr 15 jährigen praktischen Er- 
hlrungen in der öffentlichen Irrenfürsorge die 
Frage, ob durch Unterstützungsvereine allein eine 
Virksame Fürsorge für die außerhalb der Anstalt 
kindlichen 'Geisteskranken erzielt werden kann, 
Nermeinen; ich muß sie besonders verneinen für 
lie Jetztzeit, in welcher der Kreis der Menschen 
"Mrüblich eng geworden ist, die in der Lage und 
eignet sind, sich freiwillig der Geisteskranken in 


lhl der einer Fürsorge bedürftigen Kranken mit 
[r zunehmenden Not unseres Vaterlandes und mit 
ër zu erwartenden Erschwerung aller Lebensbe- 
Ängungen zunehmend groß werden wird; der irü- 
Xr charitativ überwiegend tätige Mittelstand hat 
Mit verschwindenden Ausnahmen schwer um die 
n Existenz zu kämpfen und „der neue Reich- 
im‘ dürfte wenig Verständnis für die Nöte un- 
rer Kranken und wenig Befähigung, unseren 
Kanken werktätige Hilfe zu leisten, besitzen. 
4 Fs: möge gestattet sein, in kurzen Zügen die 
e entliche Fürsorge für die außerhalb der Anstal- 
in befindlichen Geisteskranken zu. schildern, die 
A dank dem Entgerenkommen der Regierung und 
[8s ‘Kreistages der Städte und der Bezirke unseres 
5 "ahmegebietes in den letzten 15 Jahren im An- 


h un Ne ae. L 
> We RED RUE U Mr Te Be EEE SE 9 GE Rn -e EEE Tan ua 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


in Beschaffung von Erwerbsmöglichkeit für be- 


Inihen und sich der Beaufsichtigung und Pflege 


ler erforderlichen Weise anzunehmen, während die ` 


273 


schluß an die Anstalt organisieren durfte: Jeder 
aus der Anstalt Erlangen ausscheidende Kranke 
bleibt zunächst mindestens drei bis sechs Monate, 
weiterhin solange in Fürsorge der Anstalt Erlangen, 
bis er selbst oder bis seine Vertreter die Aufhebung 
dieser Fürsorge erbitten. Die Fürsorge wird be- 
tätigt durch einen älteren im Hauptamte tätigen 
Oberarzt, durch zwei (demnächst drei) in den 
benachbarten Großstädten Nürnberg und Fürth 
stationierte erfahrene Fürsorgepflegerinl- 
nen im Hauptamte und durch zwei in der Anstalt 
Erlangen tätige Oberpfleger im Nebenamte. Jeder 
aus der Anstalt Erlangen entlassene Kranke wird 
durch Fürsorgearzt und Fürsorgepflegerin anfangs 
in kurzen, später meist in längeren Zwischenräu- 
men besucht; vor der Entlassung in Fürsorge wer- 
den de Familien-, Wohnungs- und Er- 
werbsverhältnisse genau geprüft: 
jedem bedürftigen Kranken und jeder bedürftigen 
Familie können auf Antrag des Fürsorgearztes 
durch den Direktor Unterstützungen bis 
zum Gesamtbetrag von 6000 M für die hiesige 
760 Kranke enthaltende Anstalt zugewiesen wer- 
den. Der Fürsorgearzt benützt die viel- 
fachen Beziehungen einer großen An- 
stalt, die vielfachen Beziehungen, die sich durch 
frühere Kranke und deren Familien knüpfen lassen, 
im Interesse des entlassenen Kranken oder seiner 
Familie zur Vermittlung von Stellen, zur Unter- 
bringung, zu Unterstützungen, zur Beihilfe. Der 
Fürsorgearzt sorgt für ärztlichen Rat, für 
Zurückverbringüuns in die Anstalt 
bei Verschlechterung des Zustandes, bei Rück- 
fällen, bei Exzessen, bei ungeeignetem Verhalten 
der Umgebung, bei Krankheiten in der Familie; 
er berät in Wohnungsfragen, bei Familiendiffe- 
renzen; er sichert das Vermögen und den 
Besitzstand der ohne Angehörige allein stehenden 
Anstaltskranken bis zur Aufstellung eines gesetz- 
lichen Vertreters. Der Fürsorgearzt hat dafür zu 
sorgen ‚daß die haltlosen Psychopathen unter 
Leitung und strenge Zucht kommen; er wird viel- 
fach dafür einzutreten haben, daß der Psychopath 
nicht auf Grund seines früheren Anstaltsaufenthalts 
im Falle krimineller Betätigung strafirei ausgeht 
und aus dieser Straffreiheit Anreiz zu neuen schwe- 
reren Verfehlungen findet. Der Fürsorgearzt sorgt 
für Anschluß des Alkoholisten an eine Tem- 


perenzvereinigung, für Unterbringung in einem ab- 


stinenten Betriebe oder für Bestellung eines ab- 
stinenten Begleiters, tunlichst auch für Abstinenz 
der Familie; er sorgt für Zurückverbringung des 
Alkoholisten in die Anstalt beim ersten Alkohol- 
konsum,- spätestens beim ersten Alkoholexzeß. 


274 


Der Fürsorgearzt hält wöchentlich zweimal 
Sprechstunde ab, in der sich geisteskranke 
oder nervöse Menschen, gleichgültig ob sie früher 
in einer Anstalt waren oder nicht, ebenso wie die 
Angehörigen solcher Kranken unentgeltlich Rat 
und Auskunft holen können; er berät auf Er- 
suchen den Amtsarzt und die Behörden 
in psychiatrischen Fragen; er- steht in ständiger 
Fühlung mit anderen Fürsorgestellen, mit der 
Distriktspolizeibehörde, mit dem psychiatrischen 
Berater der Hilfsklassen, mit dem Arbeitsnachweis, 
mit der Armenpflege, mit privaten Wohltätigkeits- 
vereinigungen. Der Fürsorgearzt nimmt Klagen 
entgegen, welche von entlassenen Geisteskranken 
für die Zeit ihres Anstaltsaufenthaltes über die Be- 
handlung durch das Anstaltspersonal etwa ge- 
äußert werden. 

Der Umfang der Fürsorgetätigkeit, die von (der 
hiesigen Anstalt ausgeübt wird, ergibt sich aus der 
Tatsache, daß im Etatsiahr 1921 im Aufnahmebe- 
zirke der Anstalt Erlangen, der im wesentlichen 
die Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen und rund 
480 000 Einwohner umfaßt, 621 Kranke und frühere 
Kranke in Fürsorge standen: bei- diesen Kranken 
wurden durch den Fürsorgearzt 1721, durch das 
Fürsorgepflegepersonal 5264 Besuche abgestattet. 

Wenn ich nach 15 Jahren auf das zurückblicke, 
was dank dem großzügigen Entgegenkommen der 
vorgesetzten Stellen und dank der vorzüglichen 
Befähigung des Fürsorgearztes, des Oberarztes 
Dr. Faltlhauser, hier erreicht werden konnte, so 
darf ich sagen: 

1. Wir haben erreicht, daß alle aus der Anstalt 
 entlassenen Geisteskranken und einige der nicht 
in Anstalten gewesenen geistig anomalen Menschen 
unseres Aufnahmebezirkes einer wirksamen Für- 
sorge unterstellt sind, die überall da, wo es im 
Interesse der Allgemeinheit oder im Interesse der 
Kranken oder ihrer Familie angezeigt erschien, bis- 
her ohne jede Schwierigkeit dauernd ausgeübt wer- 
den Konnte. 

2. Durch diese Fürsorge ist es dem Anstalts- 
vorstand möglich gemacht, geeignete Kranke, die 
an einer chronischen Geisteskrankheit leiden, nach 
 eingetretener Beruhigung ohne Gefährdung der 
Umgebung und der Kranken versuchsweise zu ent- 
lassen; wir haben dabei die Erfahrung gemacht, 
daß ein über Erwarten großer Prozentsatz dieser 


Kranken, besonders aus der Gruppe der Dementia- 


praecox, die sonst die Anstalten vielfach lebens- 
länglich oder für Jahrzehnte belasteten, unter Für- 
sorge dauernd oder doch vorübergehend außer- 
halb der Anstalt belassen werden konnten; die 
Kranken fühlen sich außerhalb. der ‚Anstalt regel- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


in seltenen Fällen noch (den ‚„Kerkermeister”, in 


Hilisyersins geneigt war, diese Frage für die da- 1: 


[Nr. 41/42 fi 


mäßig wohler; sie verursachen erheblich geringere fi 
Kosten, und ein über Erwarten großer Prozentsatz 1u 
von ihnen hat sich trotz Fortdäuer der Krankheit v 
als erwerbsfähig erwiesen. 1 

3. Durch die Fürsorge wurden wir in die Lage Hi 
versetzt, fast allen Entlassungsgesuchen der Ange f 
hörigen, zahlreichen Entlassungsgiesuchen der Kran- # 
ken in Form der versuchsweisen Entlassung unter fii 
Fürsorge oder doch in Form kurzer Besuche bei- 
den Angehörigen ohne Gefahr für die öffentliche 
Sicherheit und ohne Gefahr für das Wohl der Kran- fy 
ken zu entsprechen. Dadurch haben wir dasMil-# 
trauen der Angehörigen gegen die Anstalt, die Ab- fy 
neigung der Kranken gegen den Anstaltsaufenthalt A 
und gegen die Ärzte auf das wirksamste bekämpft: 7 
Kranke und Angehörige sehen in uns Ärzten nut A 


der großen Mehrzahl den Arzt und Helfer. Dief, 
Abneigung gegen die Zuführung zur Anstalt, de f 
Abneigung gegen den Eintritt oder gegen die Rück f, 
kehr in die Anstalt hat bei Angehörigen und Kran 
ken wesentlich abgenommen. 

4. Dadurch, daß wir den Kranken Gelegenheit $ 
geben, uns nach dem Austritt aus der Anstalt f 
etwaige Klagen über ungeeignete Behandlung ® 
während des Anstaltsaufenthaltes mitzuteilen, = 
haben wir einer solchen ungeeigneten Behandlung? 
durch das Anstaltspersonal auf das wirksamstè f 
vorgebeugt, da jeder Anstaltsangestellte weib, dah q 
berechtigte Klagen zur Lösung des Dienstverhält- 4 
nisses führen. A 

Wenn ich gefragt würde, was unserer hiesige gr 
Fürsorge noch fehlt, so würde ich ohne Zauden | 
sagen: uns fehlt noch ein Hilfs- und Unterstüt T 
zungsverein, wie es der sächsische Unterstützung- 
verein ist; uns fehlt eine Anzahl freiwilliger Helfer 4 
und Helferinnen, uns fehlt ein Kreis von Persön- | 
lichkeiten, die uns in unseren Bemühungen um die s 
Stellenvermittlung, bei Beschaffung von Unterkunit Is 
und Unterstützung freiwillig zur Seite stehen. fs 

Im Jahresberichte 1914 des Unterstützungsvel® ji 
eines ist die Frage aufgeworien, Ob es überhaupt k: 
geraten ist, auf. eine staatliche, d. h. öffentliche 4 
Fürsorge für entlassene Geisteskranke zuzukofk TI 
men; es scheint, daß der damalige Vorstand ds } i 


malige Zeit zu verneinen und ‚die Fürsorge durcl 1 
freiwillige Vertrauenspersonen zu bevorzugen an i 
Scheu vor einem zu starren Gefüge einer ÖNA 
lichen Fürsorge. Nach meiner 15 jährigen prakti. Í 
schen Erfahrung erscheint die Besorgnis vor einet K 
zu starren Gefüge der öffentlichen Fürsorge M 1 
gründet bei einer zweckmäßigen a 
dieser Fürsorge und vor allem bei einer Vors% a 


digen Auswahl des Fürsorgearztes; es scheint mir 
Inrichtig, die Frage aufzuwerfen, ob die öffentliche 
8 oder private Fürsorge zu bevorzugen sei: beide 
fuben ihre Vorzüge, beide haben ihre Nachteile; 
fie Vorzüge eines jeden der beiden Systeme kön- 
dien gesteigert, die Nachteile gemildert werden durch 
Iuntsprechende organisatorische Maßnahmen; für 
de Großstadt eignet sich mehr die öffentliche, für 
Kleinstadt und flaches Land mehr die private Für- 
forge; immer aber müssen wir uns darüber klar 
dein: 

f Eine wahrhaft gute Fürsorge ist nur da mög- 
dich, wo eine zweckmäßig an die Anstalt des Auf- 
[nhmebezirks angegliederte öffentliche Fürsorge, 
{vie sie von Erlangen aus durchgeführt wird, unter- 
f stützt und gefördert wird durch die Tätigkeit eines 
Invaten, charitativen Hilfs- und Unterstützungs- 
Vereins, wie er in Sachsen besteht. Es darf nicht 
leißen: „Hie öffentliche Fürsorge!” — „Hie pri- 
‚hate Fürsorge!”, sondern es sollte stets und über- 
jal heißen: „Hie öffentliche und private Fürsorge 
‚in verständnisvollem Zusammenarbeiten!” 


- Ein solches Zusammenarbeiten scheint überall 
icht möglich, und es scheint mir vor allem leicht 
‚möglich bei der Organisation des sächsischen Un- 
erstützungsvereins, der zum 1. Vorsitzenden einen 
t der deutschen Psychiatrie hochangesehenen 
‚Psychiater hat und unter dessen Ausschußmitglie- 
em sich mehrere Vorstände und Ärzte von Staats- 
Itrenanstalten befinden, deren Namen in der deut- 
‚schen Psychiatrie einen guten Klang, haben. 
Besonders wertvoll, ja völlig unentbehrlich ist 
‚ir die öffentliche Irrenfürsorge die Zusammen- 
arbeit mit einem Hilfs- und Unterstützungsverein 
af dem flachen Lande und in der Kleinstadt; wäh- 
nd in der Großstadt ein Fürsorgearzt, unter- 
Sützt von wenigen Berufspflegerinnen, den Für- 
Sorgedienst für die auf engem Gebiete nahe bei- 
mmen wohnenden.Geisteskranken, früheren Gei- 
Steskranken und deren Familien leicht und mit 
 eringem Kostenaufwand in vollkommener Weise 
| A versehen vermag, würde eine nur mit Beamten 
‚ütbeitende Fürsorge auf dem Lande und in den 
Kleinen Städten entweder ein sehr zahlreiches 
soul oder enorme Reisekosten erfordern, ohne 
daß eine gute Wirksamkeit gesichert wäre; in der 
Kleinstadt und auf dem Lande würden regelmäßige 
‚oder auch nur häufigere Besuche früherer Kranker 
durch Anstaltspersonal die Gefahr einer Beunruhi- 
Kung der Bevölkerung und einer Schädigung des 
tanken und dessen Familie zur Folge haben. Auf 
m flachen Lande und in der Kleinstadt sind der 
enticher Fürsorge in dieser Form. enge Gren- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


275 


zen gezogen, die nur durch Entwicklung der pri- 
vaten Fürsorge hinauszeschoben werden können; 
in diesen ländlichen und kleinstädtischen Gebieten 
müssen wir Psychiater uns die verständnisvolle 
Mitarbeit privater Kreise sichern, und zwar in 
erster Linie der Ärzte, besonders der Amtsärzte, 
der Geistlichen, der religiösen Vereinigungen, der 
Lehrer, der Abstinenzvereine, in Industriegebieten 
der Gewerkschaftsfunktionäre, auch frühere Pfle- 
ger oder frühere Beamte und Angestellte unserer 
Anstalten und ihre Familien werden zweckmäßig 
zur Mitarbeit herangezogen. Die Zusammenfas- 
sung dieser und anderer sich für das Irrenwesen 
interessierenden Persönlichkeiten in einem Hilfs- 
und Unterstützungsverein, die regelmäßige brief- 
liche Fühlunsnahme und eine periodische persön- 
liche Fühlungnahme des Fürsorgearztes der An- 
stalt mit diesen Vertrauensmännern des privaten, 
aber durch 'staatliche Beihilfe geförderten Unter- 
stützungsvereins wird auch auf dem Lande und in 


der Kleinstadt eine genügend wirksame Fürsorge 
-für die Geisteskranken außerhalb der Anstalten mit - 


verhältnismäßig geringem Aufwand gestatten. 
Die Entwicklung der Fürsorge für die Geistes- 
kranken außerhalb der Anstalten ist gerade in der 
Jetztzeit um so wichtiger, weil eine organisierte 
Fürsorge die natürliche Zunahme unserer Irren- 
anstalten zwar nicht aufzuhalten, aber zu verlang- 
kamen vermag. Deutschland steht in seiner 
jetzigen Not vor der Gefahr, daß der’ Ausbau der 
Irrenanstalten in dem erforderlichem Umfang in 
Zukunft wegen Mangel an Mitteln nicht mehr mög- 
lich sein. wird; wir werden in -vielen Fällen, in 


denen in Zukunft Anstaltsfürsorge notwendig oder 


wünschenswert gewesen wäre, uns damit begnü- 


gen müssen, die Kranken während der unruhigsten 


Stadien ihrer Krankheit in der Anstalt zu verpfle- 
gen und sie dann wieder Zu entlassen. : Das wird 
ohne schwere Gefahren für die Außenwelt und ohne 
schwere Gefahr für die Kranken und ihre Familie - 
nur dann möglich sein, wenn die Kranken nach 
ihrer Entlassung einer wirksamen Fürsorge unter- 
stellt werden, und diese wirksame Füsorge läßt 
sich nur entwickeln durch ein Zusammenarbeiten 
von Öffentlicher und privater Fürsorge im Anschluß 
an unsere großen Irrenanstalten. Es ist daher 
freudig zu begrüßen, daß das sächsische Staats- 
ministerium Veranlassung genommen hat, Ärzte 
der sächsischen Staatsanstalten zum Studium der 
Erlanger Fürsorgeanstalten nach Erlangen abzu- 
ordnen; ich glaube, daß die Einführung der öffent- 
lichen Fürsorge für die Geisteskranken und ihre 
Verknüpfung mit dem segensreich wirkenden pri- 
vaten Unterstützungsverein für das. Irrenwesen 


-276 


Sachsens einen wesentlichen Fortschritt bedeuten 
würde. 
‚Erlangen, den 12. September 1922. 
. Obermedizinalrat Dr. G. Kolb, 
Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen. 


Roemer, Karlsruhe, begründet seine An- 
regung mit dem Hinweis auf die neuerdings immer 
mehr Eingang findende ‚freie Fürsorge” für Gei- 
steskranke und die hierdurch in breiterem Umfang 
mögliche Frühentlassung.t) 
hatte sowohl Bleuler als auch Kolb nur unter dem 
Druck des Platzmangels, also gewissermaßen un- 
freiwillig, Versuche mit früheren Entlassungen ge- 
macht und dabei unerwartet gute Erfolge beson- 
ders bei Schizophrenen gehabt. Angesichts des 
Zwanges zur äußersten Sparsam- 
Keit, der für absehbare Zeit alle Anstaltsneubau- 
ten verbietet, sowie der zu erwartenden, zum Teil 
schon in Erscheinung- tretenden Wiederzunahme 
der Anstaltsirequenz bedarf diese jüngste Für- 


sorgeiorm der aufmerksamen Beachtung der Irren- 


ärzte. Das badische Ministerium des Innern hat 
auf Grund des Berichts einer Ministerialkommis- 
sion, welche die bayrischen und dabei die Erlan- 
ger und Nürnberger Einrichtungen besichtigt hat, 
beschlossen, einen Versuch mit einer solchen Für- 
sorgeeinrichtung von der Anstalt Wiesloch aus in 
Mannheim zu machen. Die Fürsorgestelle wird in 
den nächsten Tagen eröffnet werden.) Von be- 
sonderer Wichtigkeit ist dabei, daß deren Organe, 
d. h. die Fürsorgeschwester (eine hierzu vorgebil- 
dete ältere Pflegerin der Anstalt) sowie der Für- 
sorgearzt (ein Arzt der Anstalt) in engster Fühlung 
mit den Mitgliedern des Hilfsvereins der betreffen- 
den Stadt arbeiten. Wie auch sonst in der Gesund- 

‚heitsfürsorge sind neben den hauptamtlichen Kräf- 

ten die ehrenamtlich tätigen Privatpersonen nicht 
: zu entbehren, zumal es bei der Geisteskrankenfür- 


sorge außer der unmittelbaren Unterstützung durch. 


persönliche Hilfe nicht zuletzt auf die Bekämpfung 
der alteingewurzelten Vorurteile gegen Anstalten, 
Irrenärzte und Geisteskranke.ankommt, für die ge- 


 . rade die Beteiligung von Privatpersonen besonders 


' wichtig ist. Die offene Fürsorge gibt den Mitglie- 
dern. der Hilfsvereine die Möglichkeit, trotz der 


4) Vergl. Roemer, Die sozialen Aufgaben des Irren- _ 


arztes in der Gegenwart. Diese Wochenschrift XXI, 


45-46. 

2) Sie wurde am 1. Oktober d. E eröffnet; von dem 
Fürsorgearzt Dr. Schürlein, Hilfsarzt der Anstalt Wies- 
- Joch, und der in Erlafigen vorgebildeten Fürsorgeschwe- 
ster wurden bisher etwa 100 entlassene o Kranke in Für- 
sorge genommen. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Bezeichnenderweise 


las A 7 
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[Nr. aa] | 


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heutigen Schwierigkeiten des täglichen Lebens sich h 
an der Fürsorgearbeit in weit wirksamerer Weise ' 
als bisher mit Rat und Tat zu beteiligen. Sie wird 
auf diese Weise dazu berufen sein, den manch 
orts nur auf dem Papier stehenden Hilfsverein d A 
neues Leben einzuhauchen. 

Schwabe, Plauen, berichtet über. die Orga 
nisation der öffentlichen Fürsorge für Geistes- 
kranke in Plauen. Seit 1. Juli 1921 ist dort unter ; 
seiner Leitung im Anschluß an die psychiatrische fie 
Abteilung des 'Stadtkrankenhauses eine „Bera- $k 
tungsstelle” eingerichtet worden, deren- Geschäfte’ |: 
im wesentlichen von dem Hilfsarzt der Abteilung T 
und. einer fachlich vorgebildeten Fürsorgerin be- 
sorgt werden.) Sie dient der Beratung der ent- 
lassenen Geistes- und Krampfkranken, Psycho- 
pathen und Trinker, namentlich behufs der sozialen ; È 
Wiedereingliederung. Sie steht ferner den An Ri 
gehörigen psychisch Erkrankter zur Verfügung, ° K 
arbeitet mit dem Polizeiamt, den Schulärzten und N 
den Fürsorgeerziehungsbehörden zusammen. und g 4 
ist dem städtischen Gesundheitsamt angegliedert 4 
Sie steht in reger Beziehung zu den Landes-Hek” 
und Pilegeanstalten und dem Wohlfahrtsamt der N 
Amtshauptmannschaft Plauen. Außer der Stadt” 
sind der Hilfsverein für Geisteskranke sowie ferner 7 
die Krankenkassen, | die Landesversicherung uid $i 
der Fürsorgeerziehungsverband an der geldlichen > r 
Unterhaltung beteiligt. -Die bis jetzt vorliegenden 
Erfahrungen sind als günstig zu bezeichnen. Die $ i 
Beratungsstelle betreut erfolgreich auch psychisch 4 
Kranke, darunter auch Selbstmordkandidaten, diè- 


fi 


fo 
Ik 
In 


2 
zur Aufnahme in eine geschlossene Anstalt über- i 
i$ 


haupt nicht gelangen. Es hat sich auch gezeigt 4 
daß die psychopathische Minderwertigkeit seht 

häufig bei der sittlichen Gefährdung und Verwahr- 1 
losung beteiligt und der Wahrnehmung seitens der | 
Fürsorgestelle erfolgreich zugänglich ist. 


Fischer, Wiesloch (Selbstbericht): Der 
„badische Hilfsverein für Geistes% 
kranke”, gegründet im Jahre 1872 von den 
Direktoren Dr. Roller, Illenau, und Dr. Franz | 
Fischer senior, Pforzheim, erneuert im Jahre 1906 
auf Grund meiner Vorarbeiten durch Direktor Dr. 
Schüle, Illenau, hat seine Zentrale seit 1906 m 
Illenau, wo auch die Kassenverwaltung und die 
Verteilung der Gelder an die Landesanstalten und. 
die beiden Kliniken stattfindet. Im übrigen haben 1 
die einzelnen Anstalten in der Ausübung der Für- | 1 
sorge innerhalb ihres Aufnahmebezirkes ziemlich 
freie Hand. Der Verein ist bis jetzt auf treiwilit | 


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3) Der Bericht erscheint ausführlich 


in ae i 
Wochenschrift. BR 


11923] 


Hilfskräfte, Vertrauensleute (Lehrer, Geist- 
fiche, Frauen usw.), die in allen Teilen des Landes 
üfgestellt sind, angewiesen. 

f In Wiesloch haben wir von jeher die Aufklä- 
Iungstätiekeit am Publikum für einen der wich- 
igsten Punkte, ja-die Vorbedingung für den Erfolg 
fer Irrenfürsorge außerhalb der Anstalten ange- 
hen und danach gehandelt. Von Eröffnung der 
Iinstat an (1905) haben reichliche Führungen 
fer verschiedensten Kreise des Publikums mit grö- 
bren einleitenden Vorträgen stattgefunden, so wie- 
erholt mit Berufsvertretungen, Arbeiterbildungs- 
jereinen und Fürsorgeorganen jeder Art, mit 
fGeistlichen, Lehrern, Verwaltungsbeamten, Rich- 
fer, Technikern und Studenten, insbesondere 
Ikdizinern; auch sonst war die Anstalt und ihre 
f ünrichtungen jedem Wißbegierigen (nicht Neu- 
ikrigen) zugänglich. Außerhalb der Anstalt wur- 
den. in den verschiedensten Städten öffentliche 
[Vorträge aus dem Gebiete des Irrenwesens ge- 
{ulten. Diese eingehende Aufklärung über die neu- 
'witlichen Einrichtungen und das wirkliche Leben 
ii der Irrenanstalt stellt zugleich die wirksamste 
Form der Bekämpfung der leider’ im Publikum 
och immer herrschenden Vorurteile gegen die 
keisteskranken und die Irrenanstalten dar. Wenn 
1% damit bei uns im Südwesten trotz mancher 
Rickfälle im ganzen doch entschieden vorwärts- 
gangen ist, so dürfen wir in Wiesloch uns bei 
aller Bescheidenheit u auch mit dabei ge- 
Pen zu sein. 


Für die besonderen Zwecke des Hilfsvereins 
rden vor allem die Geistlichen beider Konfes- 
“sonen und die Lehrer zu gewinnen gesucht durch 
Einladung zum. Besuche der Anstalt, durch Vor- 
täge und Führungen und sodann durch Heranzie- 
ung derselben zu praktischer Betätigung (Aus- 
Kumft über die 'Familienverhältnisse von Kranken, 
Hilfe bei der Verteilung der Unterstützungen, Ge- 
 Vinnung von geeigneten Pflegepersonalkräften 
sw), wobei wir recht günstige Erfahrungen mach- 
tèn und meist bereitwillige Unterstützung fanden. 
Ahr Unterrichtung für diese Kreise wurde trotz 
Biss Alters meine Schrift „Laienwelt und er 


' a 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


d en; sie wurde-in 20 Exemplaren in Umlauf ge- 


277 


Mit der Anstalt Wiesloch ist die „Beratungs- 
stunde der Tuberkulosenfürsorgestelle” des gan- 


zen Amtsbezirks Wiesloch verbunden; die Sprech- 


stunden, Untersuchungen und Anordnungen werden 
von unseren Ärzten in Räumen der Anstalt vor- 
genommen. Außerdem befindet sich bei der An- 
stalt eine „Beratungsstelle für Nervöse und Ge- 
mütskranke (Psychopathen)”, wobei die Tuber- 
kulosenfürsorgeschwester gelegentlich ihrer Außen- 
tätigkeit durch Zuweisung geeigneter Fälle tätig 
ist (siehe den Aufsatz von Anstaltsarzt Dr. Möckel 
in der Psychiatr.-Neurol. Wochenschrift 1921-22 
Nr. 35-36. „Sozialärztliche und sozialpsychiatrische 
Tätigkeit an der Heil und Pflegeanstalt Wiesloch”). 

Über die der Anstalt unterstehende „Fürsorge- 
stelle für Nerven- und Gemütskranke” nach Kolb- 
schem Muster, die demnächst mit einem unserer 
Ärzte als Fürsorgearzt und einer Pflegerin als Für- 
sorzeschwester in Mannheim aufgetan werden soll, 
hoffe ich später einmal auf Grund von Erfahrungen 
berichten zu können. 


Außerordentlich gefreut habe ich mich über den 
heutigen Vortrag von Herrn Kollegen Rein: „Psy- 
chiatrische Aufklärungsarbeit”, worin auf die Wich- 
tigkeit dieser Seite des psychiatrischen Wirkens 
durch Vorträge und Lichtbilder hingewiesen wird, 
ganz im Sinne meiner eigenen 25 jährigen Bestre- 
bungen. Als ich damals im Jahre 1897 mit meinen 
ersten Aufsätzen und dann mit meinen Schriften 
hervortrat, waren die auf diesem Gebiete tätigen 
Psychiater leicht zu zählen. Ich möchte heute, 
wo wir viel zahlreicher beisammen sind, an alle 
sozial-psychiatrisch gerichteten Kollegen den Auf- 
ruf richten, sich durch die mannigfachen Wider- 
stände, denen wir begegnen, von der Weiterarbeit 
nicht abhalten zu lassen, sondern sie gegenteils zu 
vertiefen und auswirken zu lassen nach den ver- 
schiedenen Hauptrichtungen: Aufklärungsarbeit am 
Publikum, praktische Fürsorge sowohl an den Ent- 
lassenen (Nachschau, Beratung, Unterstützung, Be- 
schaffung von Arbeitsgelegenheit) wie auch an den 
Familien unserer Anstaltspfleglinge (Erwerbsber- 
hilfe, Aufrechterhaltung des Geschäfts, materielle 
Unterstützung, Haushalt- und Kinderfürsorge, wie 
überhaupt Familieniürsorge im weitesten 
Sinne). 

(Schluß folgt.) 


»  Vergleichspunkt braucht. 


278 


M i 


— Stettin, Kückenmühler Anstalten. Herr Dr. Schar- 
ling von den Kellerschen Anstalten in Breining, Däne- 
mark, besuchte unsere Anstalten; als er erfuhr, daß wir 
wie alle deutschen Anstalten in finanzieller Notlage sind, 
regte er, nach Hause zurückgekehrt, bei Prof. Keller 
eine Sammlung an, als deren Ergebnis uns letzthin Prof. 
Keller die Summe von 1182 Kronen, nach dem da- 
maligen Stande der Valuta 1800000 M, zusandte. Ihnen 
beiden sei auch an dieser Stelle herzlichst gedankt. 


Referate. 


-  — Über den Normbegriii im ärztlichen Denken. Von 
L. R. Grote, Halle. Zeitschr. f. Konstitutionslehre 
1922. Bd. VIIL-H. 5 S. 361 bis: 377. 


‚ Die Arbeit geht aus von dem Gegensatz zwischen 
rein  wissenschaftlichem und rein. ärztlichem Denken. 
„Das erste muß wegen der immer begrenzten Erkennt- 
nis immer vorläufige Resultate haben, die in logi- 
scher Weise typisiert werden. Die reine Er- 
Kenntnis, die Endzweck der Wissenschaft ist, deckt sich 
nicht mit dem Arbeitszweck des Arztes, der immer vor 
der Aufgabe steht, dem Ganzen des Individuums, 
auch seinen irrationalen Anteilen, gerecht zu werden. 
Die wissenschaftliche Medizin: hat den Normbegriff als 
‚eine Typisierung gewisser Individuengruppen geschaffen. 
Er ist zunächst rein statistisch gewonnen. Die einfache 
Methode von Quetelet ist zwar von neueren (Rautmann) 
verbessert, aber das T'ypisierungsprinzip bleibt das 
gleiche. Ihr gegenüber steht ein idealistischer Normbe- 
griff (Hildebrandt), der in einem überindividuellen Art- 
bild den Angelpunkt der Vergleichung der Individuen 
"sucht. Dieser Normbegriff ist ebenso, wie der. statisti- 
-Sche, rein fiktiver Natur. "Für den Arzt sind beide 
nicht brauchbar. Es wird vorgeschlagen, einen klini- 
schen Normbegriff einzuführen, der unter der Bezeich- 
nung der Responsivität (des „Sich-selbst-ent- 
sprechens”) des Individuums keinen außerindividuellen 
Unter Responsivität wird da- 
bei verstanden, daß die Lebensäußerungen eines Men- 
schen völlig seinen biologischen Notwendigkeiten, die 
ihm aus dem Zusammentreffen seiner jeweilige Lebens- 
lage mit seinen physiologischen Leistungsmöglichkeiten 
erwachsen, entsprechen. Dieser Begriff fällt praktisch 
zusammen mit der individuellen Gesundheit, ganz ab- 
‘gesehen von irgendwelchen Abweichungen in Qualität 
-und Quantität der Morphologie und der Funktion. Die 
statistische Normalität schließt eine inhaltlich .ab- 
solute Norm ein, der Responsivitätsbegriff setzt eine 
solche nur in formaler. Hinsicht voraus. Auf diesem 
Unterschied beruht wesentlich der Fortschritt in der 
ärztlichen Erkenntnistheorie. 
baut”, es brauchen nur noch Realitäten miteinander in 
Beziehung gesetzt zu werden. 


wird auf das. Original verwiesen. (Selbstbericht.) 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


tteilungen. 


Die Fiktion wird „abge-. 
Für die Einzelheiten 


schöpferischen. Meister Freud selbst ein Vo 


Buchbesprechungen. 


— Voges, Verwaltungsdirektor, 


Georg: Verwaltungsorganisation 


im wesentlichen auf die Verhältnisse größerer städti- 
scher Krankenhäuser bezieht. | pi 

— Schmidt, Dr. Walther, Cöthen (Anhalt): Zur $i 
Geschichte von Maß und Zahl in der Psychologie. 48 $. [ie 


Bei dem DER Eifer, mit dem gesenwärte in akd j 3 


Irren- und Nervenheilanstalten psychologisch und im be- fy 
experimentalpsychologisch gearbeitet wird, i 
verdient Schmidts Schrift auch in diesen Anstalten fK 
Beachtung, da man immer den Zusammenhang mit den g 


sonderen 


Hilfswissenschaften im Auge behalten muß. 


— Much, Hans, Prof. Drt.: Moderne Biologie, E 
2. und 3. Vortrag. Spezifische und unspezifische Reiz- 2. 
therapie. 98 S. Leipzig 1922, Curt Kabitzsch. Brost liü 
12,00 M. | 


Kritische Darstellung der Probleme‘ 
lich sind, nach Much, 
extrakte die Lipoide; 


entgegensehen darf. p, 

Sry a, 
der Okkulten: Medizin, 
aller Zeiten. 


gnostik. 180 S. Berlin-Pankow 1922, Linser-Venlä K 
G. m. b. H. į"! 
Davon gilt, was von den übrigen Heften dieses am 


Buches gesagt worden ist. 
ist bewunderswert. 
das Geheimnis der Gegenwart. 


— Placzek, Dr: med. H., Nervenarzt in Berlin: fi 
Eine medizin i Ee 
2., wenis d h 
Bonn 1922, A. Ma gi 
& Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn). Brosch 50,00 : | 


Das Geschlechtsieben der Hpysterischen. 
sche, soziologische und forensische Studie. 
veränderte Auflage. 276 S. 


geb. 62,00 M. 


wenig verändert ist, läßt sich über sie auch hier we 
Neues sagen, was beweist, daß wir in der Erkenntnis nicht 
weiter gekommen sind, das. Bedürfnis nach Aufklä 
aber fortbesteht. 

Von Freuds Verdrängungsidee sagt P. 


sen o 
„fruchtbar, bedeutungsvoll, nur in der ausnahmslo T 


t 
Einstellung auf das Sexuelle unerträglich. Gleich per 
träglich ist aber auch die Technik, mit der die T! 
dianer ihre Heilunesziele anstreben. Daß auch 


IN | 


Hamburg, St | 
in Krankenanstalten, flo 


Wahrsci Hi 
die wirksamen Stoffe der Organ Fl 

man kann mit reinen Orga f 
lipoiden dieselben Wirkungen, oft sogar besser, erzi-' 48 
len, als mit Auszügen, die das ganze Organ enthalten. di 
Von diesen Lipoiden, die also sehr wichtig sind, wird st 
der 4. und 5. Vortrag handeln, dem man mit Interesse 77 


G. W.: Ursprung, Wesen und Erfolge V 
Einführung in die Geheimnisse" A 
Bd. V.: Okkulte Diagnostik und Pro TB 


Die Phantasie des Verfassers È 
Hoffentlich findet -er auch a | m 


05% S 
Da die zweite Auflage dieses ausgezeichneten m ® 


B, 
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Da a 
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sie st. ; A 


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dicht erspart werden kann, ist besonders bedauerlich” 
15.28). Ähnlich S. 77 bei der Traumtheorie Freuds. 
| 2 Br 
f -Leisewitz, Dr. med. Theodor, Frauenarzt in 
ABirenfels bei Kipsdorf: Kurzes Repetitorium der Gynä- 
Fiologie (einschließlich der gynäkologischen Operations- 
Iklıre) als Vademekum für die Klinik und Praxis sowie 
fis Katechismus für die Prüfungen. 5., umgearbeitete 
Hutlage. 144 S. Mit 3 Abb. Leipzig 1922, Joh. Ambr. 
Barth. 21,00 M, geb. 25,50 M. 

f Inder Anstaltspraxis wird dieses Büchlein manchem 
Avilkommen sein zur Auffrischung seiner Kenntnisse. Es 
Ist nach den ersten Autoritäten der Gynäkologie bear- 
Hheitet und verdient das durch -vier Auflagen ihm er- 
| Viesene Vertrauen auch fernerhin. 

T — Ellis, Havelock: Geschlechtstrieb und Scham- 
iiini. Autorisierte Übersetzung nach der dritten eng- 
| schen Originalauflage mit Unterstützung von Dr. M. 
Fischer, besorgt von J. E. Kötscher. 4, er- 
f tinzte und erweiterte Auflage. Bd. I der Sexualpsycho- 
figischen Studien. Leipzig 1922, Curt Kabitzsch. Brosch. 
pon geb. 70,00 M. 

4 Enthält die Kapitel:. Die Entwicklung des Schamge- 
is das Phänomen der Sexual-Periodizität, Auto- 
‚Erotismus, und die Anhänge: Der Einfluß der Menstrua- 
ton auf die Stellung der Frau, Sexual-Periodizität beim 
Manne, der auto-erotische Faktor in der Religion. 
Fast jede Seite ist teilweise neu geschrieben, wie 
Ellis im Vorwort versichert; besonders wertvoll sind 
lie Ergänzungen aus dem historischen und ethnographi- 
sen Bereich der Erscheinungen des Geschlechtstriebes. 
In unserer schamlosen Zeit wird der Nachweis des 
Ssthamgefühls als eines echten Instinktes, einer Schutz- 
p etung, als eben zeitgemäß erachtet werden. 
Das Buch. ist eine unerschöpfliche Fundgrube von 


hörigen Kritiken und Meinungsverschiedenheiten. Es 
Vird in seiner neuen und erweiterten Ausgabe noch 
ehr als bisher ein vorzüglicher Führer durch, dieses an 
Erscheinungen und Widersprüchen so reiche Feld des 
‚neischlichen Daseins sein. 

= Der Preis ist für heutige Verhältnisse ungemein 
Hiedrig, | 

= — Ebeler, Dr. F., Frauenarzt in Köln: Taschen- 
duch der Wochenbettpflege für Krankenpflegerinnen, 
 Uebammenschülerinnen und junge Mütter. 2., verbes- 
ste und vermehrte Auflage. 95 S. Mit 56 Abb. Leip- 
= 1922, Verlag von Repertorienverlag. Brosch. 20,00 M. 
= Ein sehr praktisch abgefaßtes Buch, das Kranken- 
ilegerinnen und gebildeten Müttern bestens empfohlen 
Verden kann, natürlich nur, wenn es unter ärztlicher 
‚Anleitung gelesen und benützt wird. 


Therapeutisches. 


= — Über die Verbreitung des Kropies bei Schulkin- 
ern, Von Johanna Kraeuter, Schulärztin an den 
Sädt. Mittelschulen für Mädchen in München.. Münch, 
= Wochenschr. 1921 Nr. 2. : | 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


E aneen und ‘Tatsachen und zugleich der dazu- 


279 


Verf. gibt einen statistischen Überblick über die Ver- 
breitung des Kropfes der Münchener Schuljiugend. Sie 
führt die günstigen Resultate Klingers. in der 
Schweiz und Marines in Ohio an, die beide mit. klei- 
nen Joddosen erzielten. Verf. schlägt vor, auch in Mün- 
chen eine systematische Bekämpfung des Kropfes in der 
Schule durchzuführen, da hier die Kropfverhältnisse ähn- 
lich liegen wie in den genannten Staaten. Um eine Ga- 
rantie zu haben, daß das Präparat auch wirklich von den 
Kindern genommen wird, empfiehlt sie wegen des Scho- 
koladezusatz das von Klinger gewählte Präparat, 
nämlich Schokolade-Jodostarin-Tabletten. 


— Behandlung einer Psychose. mit Ovobrol. Von 
Hindenberg, Alt-Strelitz. Münch. med. Woch, 1922 
Nr. 40. | | 

Eine 42 iährige Patientin, aus psychisch belasteter 
Familie stammend, wurde Anfang 1921 sehr nervös, die 
Periode stellte sich alle drei Wochen und sehr verstärkt 
ein und Weihnachten 1921 erkrankte die Patientin an 
einer Art Grippe und zeigte dabei gleichzeitig starke 
psychische Veränderungen. Ein hinzugezogener Fach- 
arzt stellte die Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf Psy- 
chose infolge der fieberhaften Erkrankung. Zeitweise 
traten ausgesprochene Delirien auf. 

„Die seit Anfang des Jahres 1921 auftretenden ver- 
frühten und verstärkten Menses in Verbindung mit dem 
melancholischen Charakter der Psychose brachten mich 
auf den Gedanken, daß ovarielle Ausfallserscheinungen 
die Psychose mit bedingten. Nach zwei Monaten seit 
Verlauf. der. bis dahin. wesentlich -unverändert gebliebe- 
nen Psychose wurde auf Grund vorstehender Über- 
legungen systematisch Ovobrol (Ovoglandol und Sedo- 
brol) verabreicht. Hiernach trat auffälliger Rückgang 
der Psychose ein. Zunächst wurde die Kranke allmäh- 
lich. ruhig, sie wurde klarer. und die Melancholie wich, 
so daß die Kranke seit Pfingsten 1922, d. h. seit Anfang 
Juni 1922, psychisch als geheilt betrachtet werden muß. 

Hinzufügen möchte ich noch,’ daß die Psyche so 
ausenfällie mit Beginn der Ovobroltherapie -gesundete, 
daß auch die Angehörigen einzig und allein diesem Prä- 
parat die Heilung .zuschreiben.” | 

— Hat es einen Zweck, Epiphysenpräparate bei 
Mastkuren und Hypophysenpräparate bei Entiettungs- 
kuren zu verwenden? :Von C. v. Noorden, Frank- 
furt a. M. Klin.. Woch. 1922 Nr. 27 S. 1391. | 

In den keineswegs seltenen Fällen, wo- die üblichen 
Methoden der Überernährung nicht senügen oder WO 
sich der Verabfiolgung von großen Nahrungsmengen 
Schwierigkeiten entgegenstellen, bieten die Präparate 
der Zirbeldrüse eine wesentliche Hilfe. Sie scheinen 
Verfasser wirksamer und unbedenklicher zu sein, als 
das Zuhilfenehmen von Arsenpräparaten. Da eine Über- 
funktion der Zirbeldrüse regelmäßig einen erheblichen 
Fettansatz zur Folge hat, spricht Verfasser in solchen 
Fällen von „pinealer Fettsucht”. | 

Seine Erfahrungen (seit etwa einem. Jahr) èr- 
strecken sich auf Basedow- und Basedowoidfälle, auf 
andere Formen von Hyperthyreose, auf manche Fälle 
von Tuberkulose und von Diabetes mellitus. Benützt 


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DREPES: 


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wurde bisher ausschließlich das sog. „Epiglandol” (Che- 
mische Werke Grenzach, Berlin). 

Es wurde in der Regel täglich oder ieden zweiten 
Tag drei bis fünf Wochen lang der Inhalt einer Original- 
ampulle intramuskulär injiziert. Bereits nach fünf bis 
sechs Epiglandoliniektionen begann gewöhnlich schon 
das Körpergewicht kräftig zu steigen. Nachteile der In- 
jektionen wurden nicht beobachtet. 


Die Fettleibigkeit mit MHypophysenpräparaten allein 
zu bekämpfen, hält Verfasser nicht für angebracht. Da- 
gegen erweisen sich einige, etwa alle zwei bis drei Tage 
verabfolgte Pituglandoliniektionen als brauchbare Ver- 
stärkung der Thyreoidinwirkung. | 


Personalnachrichten. 


— Alt-Scherbitz bei Halle a. S. Am 25. Dezember 
1922 entschlief sanft an den Folgen eines Schlaganialles 
Herr Geheimer Sanitätsrat Direktor Dr. Albrecht Paetz 
im fast vollendeten 72. Lebensjahre, 

— Magdeburg. Am 28 Dezember 1922 Mach un- 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummern, 
Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


BESTBEWÄAHRTE 
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DICH ED CD CE Ds 


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LITERATUR 9090099 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Firma Wendt & Klauwell verlegt wertvolle Litera ; 


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PHEUMASAN“. LENICET ZA 


BEGLI NR 87/120 


[Nr. 41/0 0 


erwartet Herr Geheimer Sanitätsrat Professor Dr Ä 
Konrad Alt, Direktor i.R. der Landesheil- und Prle 
anstalt Uchtspringe. 


Die bekannte Verlagsbuchhandlung EEE ; 
bisher in Langensalza, ist mit der Firma Carl Marhod $ 
Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. vereinigt und wird & 
nunmehr in Halle a. S., Mühlweg. 26, fortgeführt, De $ 


aus dem Gebiete der Psychologie, Philosophie, Pädagogik, 7 
Theologie und des Okkultismus namhafter Autoren. $ 

. Der heutigen Ausgabe der Psychiatrisch-Neurole $ 
gischen Wochenschrift liegt ein ausführliches Verlags- 
verzeichnis der Firma Wendt & Klauwell bei, welches 
die Leser der Zeitschrift sicherlich ganz besonders? 
interessieren dürfte. Bestellungen werden von jeder < 
Buchhandlung oder aber direkt vom Verlag a 3 


Es wird gebeten, allen Aniragen an die Schritt- | : ; 
leitung resp. den Verlag über redaktionelle | $ 
Fragen das Rückporto beizufügen. | 


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2000090 PROBEN 


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P. 


A Jahrgang, 1922/23, Nr. Da een Halle a. S., 27. Januar. | 


Psychiatrisch- Neurologische 
Wochenschrift. 


Schriitleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 
Alleinige, Anzeigenannahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstraße 28. 


5 2 £ 


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AU gefammelt von Ouftav Hoch tetteru Dr. Zhhe 


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Aus den zahlreichen Besprechungen der früheren Auflagen: 


Deutsche Medizinische Berliner Volkszeitung: 


Woechenschriit: i „Der Titel, die Namen der Herausgeber, der 

„Was der Beruf des Arztes an Humor und | Verlag, — das genügt als Empfehlungsbrief für 
Komik enthält, ist in dem kurzweiligen Büch- | dieses scherzhafte Buch, das den Ärzten eine 
dein zusammengetragen, und zwar in Gestalt | „Fachliteratur“ für jene Art von.lustiger Ver- 
von Anekdoten, Schnurren, Witzen, Karikaturen ! hohnepiepelung gilt, die Goethe gemeint hat, als 
aus alter und°neuer Zeit. Für den Mediziner | er sagte: „Wer sich nicht selbst zum Besten 
bildet es einen belustigenden Spiegel, für den | halten kann, der ist gewiß nicht von den 
Patienten ein willkommenes Adjuvans und Corri- | Besten.“ .Aber auch die nichtärztliche Welt 
gens bei depressiven Zuständen. Als psycho- | wird an diesen Schnurren und Schwänken aus 
 therapeutisches Mittel sei es beiden Parteien | dem Hörsaal der Klinik, dem Sprechzimmer. und 
' wärmstens empfohlen, | | | Sr ‚der Krankenstube ihre herzliche Freude haben. 


au beziehen durch ie Buchhandlung oder direkt vom 


Verlag Hans Pusch, Berlin *SW. 48, Wilhelmstr. 28 


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Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 
Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 
Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 


Organ der Vereinigung aus der Ostmark veririebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Oeh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
“i Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
2 (Rhl), Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
| Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Profi. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
| Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 


per- Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München. Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. Ms Dir. Prof: 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 
Schrittleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
Nr. 43/44. 27. Januar 1922/23. 


I 

I Bezugspreis: 

| 

# M 75,— für Monat Januar, zuzügl. 
| Postüberweisungsgebühr. 


| | |Bezugspreise nach dem Auslande: 


I Für den vollständigen Jahrgang, ein- 
| schließlich Portokosten: Belgien Fr. 32, 
ii England sh. 14, Dänemark Kr. 14, Frank- 
| Teich Fr. 32, Japan Yen 7, Italien Lire 40, 
| Lixemburg Fr. 32, Niederlande fl. 2 
otwegen Kr. 16, Schweden Kr. 
| Spanien Pes. 16. Schweiz Fr. 16, ime. 
| pe Dollar 4, Tschech.-Slov. Kr. 


Ihalt Konrad Alt}. (S. 281) - 


i Megeanstalt 
E lert. 


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„Philippshospital“ 
(S. 287.) — Mitteilungen. 


À m 28. Dezember 1922 ist Konrad Alt plötzlich 
A ind unerwartet in Magdeburg gestorben, erst 
aire alt.: 2 

Was Alt in der 25 jährigen Tätigkeit als Direktor 
w on Uchtspringe als Psychiater,  irrenärztlicher 
Praktiker, Organisator geleistet hat, habe ich kurz 
li diesen Blättern geschildert, als er vor zwei Jah- 
l in aus seinem Amt in Uchtspringe schied (Jahrg. 22 
X985). Hier soll nur der Persönlichkeit dieses nicht 
wöhnlichen Mannes kurz gedacht werden. 

Alt ist 1861 als Sohn eines Lehrers in der Nähe 
ion Trier geboren, besuchte dort das Gymnasium 
Md studierte in Würzburg, wo .er bei Kölliker, 
en indileisch, Gerhardt, Leube, Rienecker, Matter- 
lick vielseitige Anregung fand und namentlich in 
ten i Jahren seines klinischen Studiums als eifriger 
nulus in nähere persönliche Berührung mit den 


Is: bei Hitzig in Halle Assistent und Oberarzt der 
at zteren Klinik, an deren Überführung in den Neu- 
i au er wesentlich mit arbeitete. Seine Absicht, 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


Malle a. S; Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 
Telegramm- Adresse: Marhold Verlag Hallesaale 
Postscheck: Leipzig 32070. 


| Wilhelmstraße 28. | 


— Besprechung der Vertreter der Hilfsvereine für Geisteskranke. 
282.) — Bericht iber die Tätigkeit des staatlichen Laboratoriums an der hessischen Heil- und 
bei Goddelau in der Zeit vom 1. 
(S. 290.) — Buchbesprechungen. 


litischen Lehrern kam. Dann war er unter Rigel. 
in der medizinischen Klinik in Gießen, von 1888 bis 


— ich zu habilitieren, wurde durch eine persönliche 


Zu beziehen durch jede Buchhandlung, 

die Post und unmittelbar vom Verlage. 

Erscheint bis auf weiteres vierzehn- 
tägig in Doppelnummern. 

Zuschriften für die Schriftleitung sind 

an San.-Rat Dr. Bresler in Kreuzburg 

(Ob.-Schl.) zu richten. Bei Anfragen ist 
das Rückporto beizufügen. 


Alleinige Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin SW. 48, 


Schluß. 


Januar 1921 bis 30. Juni 1922. Von Dr. Ernst 
(S. 290.) — Therapeutisches. (S. 291.) 


a 2 Konrad Alt }. 


Differenz mit Hitzig verhindert. Er verließ die 
akademische Laufbahn und gründete eine Privat- 
klinik in Halle. Von da aus wurde der 32 jährige 
zur Leitung der, neu zu erbauenden Landesanstalt 
der Provinz Sachsen nach Uchtspringe berufen. 

-= Uchtspringe war damals tatsächlich nur ein neu 
geschaffener Name noch ohne Inhalt. Geplant war 
eine Anstalt für ‚Epileptiker und Blöde’”. Alt hat 
sie so ausgestaltet, daß daraus das Vorbild für alle 
Betätigungen der praktischen Irrenfürsorge wurde. 
Der Name Uchtspringe hat durch ihn in der psy- 
chiatrischen Welt inner- und außerhalb Deutsch- 
lands eine glänzende Bedeutung erhalten. 

Als Alt nach der Kriegs- und Revolutionszeit, 
verstimmt über die Neuordnung der Dinge, die Lei-: 
tung der Anstalt niederlegte und die Einsamkeit der 
altmärkischen Heide mit Magdeburg vertauschte, 
war es nicht, um müßig zu sein. Neben einer sich 


‚rasch entwickelnden Konsiliarpraxis hatte er bald 


wieder eine öffentliche Wirksamkeit gefunden als 
Vorstand der Ärztekammer der Provinz Sachsen. 
Auch hier nahmen ihn organisatorische Fragen, 
Standesangelegenheiten, ärztliche Fortbildung in 


282 


Anspruch. In. einer Zeit, in der der Ärztestand 
mehr 
feindliche Gewalten bedarf, war er der rechte Vor- 
kämpfer, der — immer auf der Wacht! — in die 
Schranken trat und sich anschickte, seine ganze 
Kampfesfreude, seine organisatorische und schrift- 
stellerische Begabung diesen Aufgaben zu widmen, 
als ihn der Tod wegrafite. 

Aber neben seiner amtlichen, beruflichen Tad 
' wissenschaftlichen Tätigkeit war es vor allem der 
Mensch Alt, der fesselnd und zündend wirkte. 

Sicher war Alt keine harmonische, abgeklärte 
Persönlichkeit, sondern eine Kampfesnatur durch 
und durch mit Kanten und Rauheiten, die mancher 
im dienstlichen und persönlichen Verkehr zu fühlen 
bekam. 

Frühzeitiges Ausscheiden aus dem akademi- 
schen Leben und später zahlreiche organisatori- 
sche Aufgaben entfernten ihn von planmäßiger, rein 
wissenschaftlicher Tätigkeit, die vielleicht auch 
seinem, mehr praktisch gerichteten Geist nicht ent- 


sprach. Aber sein Reichtum an originellen Gedan- - 


ken auch'auf wissenschaftlichem Gebiet kam jünge- 
ren Forschern zugute, und wissenschaftliche Arbei- 
ten seiner Schüler förderte er eifrig und schuf ihnen 
in Uchtspringe geeignete Laboratorien. Als Liehrer 
und Vortragender wußte er namentlich klinische 
Krankheitsbilder glänzend zu schildern und alle 


Hilfsmittel zur Belehrung seiner Hörer heranzu- . 


ziehen. So brachte er es fertig, in der einsam ge- 
legenen Anstalt gut besuchte ärztliche Fortbildungs- 
kurse abzuhalten, bei denen er auch außerhalb der 
Vortragsstunden in’enger persönlicher Fühlung mit 
den Hörern stand. 

"Bei seiner organisatorischen Tätigkeit kam es 
ihm zugute, daß er sich jeder Situation rasch an- 
paßte und auch aus den größten Schwierigkeiten 
immer einen Ausweg fand. Die Anfänge von Ucht- 
springe im -Sommer 1894, der Versuch, eine große 


Anstalt mitten in die einsame Heide, fern von jeder 


größeren Siedelung zu legen, waren so schwierig, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


“ daß das kleine Häuflein 
denn ie des Zusammenhaltes gegen viele 


SS f 
GI 

2 

Tre 


[Nr. 43/44 91 


Getreuer nur durch das 1 
Vorbild und die Tatkraft des Chefs zusammenge- i 
halten wurde, und jeder, der jene Gründung mit- 

erlebt hat, denkt heute mit Freude und Dankbar- 11 
keit gegen Alt an jene Lehriahre zurück. Denn er 
wußte alles zu beleben und für den kleinsten Gegen- 
stand zu interessieren: bauliche, land wirtschaftliche ° 
und ärztliche Fragen, wissenschaftliche Forschun- 


gen und Standesangelegenheiten, nicht zuletzt das %4. 


Problem, in dieser Einsamkeit Beamtenfamilien an- 3 


- zusiedeln und gesellschaftliches Leben zu erwecken; #° 


alles gewann in seinen Händen Gestalt und erschien # 
zusammengehörig und selbstverständlich. 4 
Im Sommer 1914 sollte das 20 jährige Bestehen f 
der Anstalt Uchtspringe durch eine Zusammenkunit 7 
früherer Schüler Alts begangen werden. Def 
Sturm des beginnenden Weltkrieges_hat diese Ab- 1 
sicht verweht. Was übrig blieb, war nur eine $ 
kleine Festschrift. In der dazu geschriebenen f 
Adresse habe ich Alt gesagt: SE 
„In all diesem Wirken im großen und kleinen, in z 
Wissenschaft und Praxis ist der Kern Ihrer. Per 
sönlichkeit der gleiche geblieben. 
reichem ärztlichen Wissen und Können all dies zu 
erreichen war, ist selbstverständlich. | 
mehr und was weiter dazu nötig war —: Sie sind ; 


von jeher auch ein guter Arzt gewesen, „gut = 
im wahrsten Sinne des Wortes, wie es nur ein guter fv 


Mensch sein kann:-mit persönlicher Teilnahme für 7 


Ihre Kranken, mit Optimismus und Selbstvertrauel, | | T 
in festem Glauben an den Erfolg sind Sie an hre FU 


Mission gegangen, und nur so konnten Sie auch ut- $h 


. > 2 | 
ter schwierigen Verhältnissen Ihr Ziel erreichen. 4 


Gütig und stets ber eit, zu helfen und zu fördern, Ü 


war Alt auch gegen jüngere und ältere Beruisge- i 
nossen, von denen sich mancher auch später noch Ai 


bei dem welterfahrenen, klugen Monn einen Rat — H 
holte. 4 
Diese Herzensgüte vor allem wird ihm unter a 
denen, die ihm ‚per sönlich nahe standen, ein dank- 4: 
bares Andenken sichern! Weber, Chemnitz. | 


| Besprechung der Vertreter der Hilfsvereine für Geistäskranke 
gelegentlich der Jahresversammlung des deutschen Vereins für Psychiatrie am 22. September 1922. 4ı 
! in der psychiatrischen und Nervenklinik in Leipzig bzw. der  Hundertiahrfeier der Gesellschaft 4 

| | Deutscher Naturforscher in Leipzig. | 4 


(Schluß. ) 


Sa Niedermarsberg (Selbstbericht): In 
- der Provinz Westfalen dienen der offenen 
Fürsorge für Geisteskranke, insbesondere für die 
aus der Anstalt entlassenen, der zu Niedermars- 


berg durch Böcmte der dortigen Provinzialheik 2 
anstalt im Jahre 1872 gegründete St. Joh 


ale © a 
Verein und die neuerdings durch die kommit T 


h- i 
Vereinigung für Gesundheitspflege im rheinis? a 


Daß nur mit y 


Aber — was f ¢j 


annes- fs 


11923] 
F westfälischen Industriegebiet 
Turgestellen. 

2 Der. Marsberger Hilfsverein verfolgt den Zweck: 
fi hilfsbedürftige Geisteskranke, besonders die aus 
f den Irrenanstalten entlassenen zu unterstützen, 
9). richtige Anschauungen über Geisteskranke und 
7 Heilanstalten zu verbreiten und die herrschen- 
den Vorurteile zu bekämpfen, 

3, Anstalten für blödsinnige Kinder und Epileptiker 
7 zu gründen. 

‘ Der Verein führt die Bezeichnung: St. Johannes- 
{Verein zur 
dlen zu Niedermarsberg. 

f Im Jahre 1882 erhielt der Verein Korporations- 
‚rechte. In den ersten Jahren seines Bestehens ver- 
iolgte er vornehmlich die beiden zuerst genannten 
liele. Aber bereits im Jahre 1880 wurde auch das 
ditte Ziel durch Ankauf verschiedener Häuser und 
Grundstücke in Angriff genommen und so der 
‚Grundstein gelegt für die hiesige Idiotenanstalt, 
‚später St. Johannes-Stift genannt. Auch der wei- 
tere Ausbau, die Leitung und Verwaltung der An- 
Salt bis zum Jahre 1911 ist das Werk des Vereins. 
Im Jahre 1911 wurde die Anstalt von dem Ver- 
tin an die Provinz Westfalen abgetreten. Bei der 
Übergabe bot sie Raum für 540 Kranke. 

Der St. Johannes-Verein blieb mit einem Bar- 
‚Vermögen von rund 25000 M bestehen. Zurzeit 
[lat er ein Vermögen von rund 40000 M. Die Zin- 
‚sen dieses Kapitals werden zur wirtschaftlichen 
Unterstützung von Kranken verwandt, die aus den 
beiden Marsberger Anstalten entlassen sind, oder 
ar Unterstützung bedürftiger Familienangehörigen 
m Anstaltskranken usw. 

= Während des Krieges ruhte das Vereinsleben. 
insbesondere . die Werbetätigkeit mehr oder weni- 
‚ser. Zur Neubelebung des Vereins ist in der letzten 
(eneralversammlung ein entsprechender Beschluß 


geschaffenen Für- 


‚seleitet. Insbesondere soll eine verstärkte Auf- 
Närungsarbeit und auch Werbetätigkeit entfaltet 
Werden zur Aufbringung größerer, der jetzigen 
Teuerung einigermaßen entsprechender Barmittel. 
= Weiter dienen in umfassender Weise der offe- 
len Fürsorge für Geisteskranke die neuerdings 
nächst im rheinisch - westfälischen 
Industriegebiet geschaffenen Für- 
Sorgestellen, ins Leben gerufen durch die 
Ommunale Vereinigung für Gesundheitsfürsorge. 
-Die Einrichtung solcher Fürsorgestellen erfolgt 
a Rahmen der übrigen Fürsorgetätigkeit der Ge- 
Mndheitsfürsorgeabteilung oder des Wohlfahrts- 
mies. Von dem Sprechstundenarzt oder Für- 
igearzt wird psychiatrische Vorbildung verlangt. 


nn I rn me 4 KRETA EN. or ra a -7 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


allgemeinen Irrenfürsorge von West- 


Selaßt, die Ausführung desselben ist in die Wege 


283 


Auch die ihm unterstellten Fürsorgerinnen müssen 
mit den Grundzügen der. Geisteskrankenfürsorge 
hinreichend vertraut sein. 

Die Aufgaben dieser Fürsorgestellen erstrecken 
sich nun nicht nur auf die Fürsorge für aus den 
Anstalten entlassene Geisteskranke, sondern auch 
auf die Ermittelung anstaltspflegebedürftiger und 
nichtanstaltspflegebedürftiger Personen, auf solche 
Familien, die. durch die Trinkerfürsorge und im be- 
sonderen durch die Hilfsschulen bekannt sind, auf 
cine laufende Beobachtung, unter welche Form der 
Beobachtung alle bekannt gewordenen Fälle von 
Geistesstörungen und Grenzzuständen fallen, ins- 
besondere auch diejenigen, die der Kriegsbeschä- 
digtenfürsorge bekannt sind. Ferner ist eine Zu- 
sammenarbeit mit den Hilfsvereinen und mit den 
Anstalten, aus denen Kranke zur Beurlaubung oder 
Entlassung kommen, vorgesehen. Über die ge- 
nauere Einrichtung dieser kommunalen Geistes- 
krankenfürsorge sind Richtlinien aufgestellt, die auf 
Wunsch gegen Erstattung der Unkosten gern in 
Abschrift übersandt werden. 

Bemerkt sei noch, daß in der am 11. Januar 1921 
stattgefundenen Konferenz der Direktoren der 
westfälischen Provinzialheilanstalten in Münster 
unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmanns 
der Beschluß gefaßt worden ist, diese Fürsorge- 
stellen, wo sie sich bilden, von seiten der Provin- 
zialzentrale und der Anstalten durch eine rege 
Zusammenarbeit zu unterstützen. 

Falkenberg, Herzberge (Selbstbericht) be- 
richtet ‚kurz. -über die -„Beiratstelle für 
Nerven-und Gemütskranke der Stadt 
Berlin”, zu der die bisherige der Anstalt ange- 
gliederte „Beiratstelle für entlassene Geistes- 
kranke” vor kurzem erweitert worden ist. Die 
letztere, hervorgegangen aus der Initiative Moelis, 
der bereits 1909 ein sorgfältig durchgearbeitetes 
Programm für diese neue Art Fürsorge aufstellte, 
sollte einerseits dazu beitragen, den Unvollkom- 
menheiten abzuhelien, mit denen der unvermittelte 
Übertritt von Anstaltskranken in die offene Armen- 
pflege öfters verbunden war, anderseits eine Für- 
sorge auch für solche Kranke ermöglichen, welche 
die Abhängigkeit von anderen, wie sie die Fami- 
lienpflege unter Aufsicht der Anstalt mit sich bringt, 
schlecht vertragen und sie vor allem auch nicht 
nötig haben. Während die Familienpfilege 
den zwar nicht mehr der Anstaltspflege, wohl aber 
noch der Leitung und Aufsicht durch andere be- 
dürftigen, nichtgenesenen Kranken in Verhältnisse 
bringen will, die seine Existenz außerhalb der An- 
stalt materiell auch dann sicher stellen, wenn er 
durch eigene Arbeit nichts oder nur wenig dazu 


284. 


beitragen kann (was selbstverständlich nicht aus- 
schließt, daß auch in der Familienpflege Wert dar- 
auf gelegt wird, eine dem Kranken etwa noch ver- 
bliebene Arbeitsfähigkeit nach Möglichkeit weiter 


zu entwickeln), war die Beiratstelle für gei- 


stig weniger geschädigte Kranke bestimmt, die zwar 
ebenfalls noch einer gewissen Fürsorge und Hilfe 
bedürfen, aber durch die bisherige Anstaltsbehand- 
lung schon die Fähigkeit zu einer selbständigen 
Lebensführung und Beschäftigung wieder erlangt 
haben. Für diese wird es genügen, wenn die 
Schwierigkeiten, die sich ihnen außerhalb der An- 
stalt bei der Erlangung regelmäßiger Beschäftigung 
entgesenstellen, beseitigt werden, und wenn durch 
sachremäße ärztliche Einwirkung ihre Initiative 
gefördert und in die richtigen Bahnen gelenkt wird. 
Die Überweisung aller oder fast aller aus der An- 
stalt ausscheidenden Kranken an die Beiratstelle, 
wie sie anscheinend in Erlangen geschieht, war in 
Berlin nie beabsichtigt und würde bei den großen 
in Betracht kommenden Zahlen auch kaum Erfolg 
versprechen. 

Die Erfahrungen, die mit dieser „Beiratstelle für 
entlassene Geisteskranke” gemacht waren, ließen 
es berechtigt erscheinen, bei der Schaffung der 
neuen Stadtgemeinde Großberlin, welche die Für- 
sorge für Geisteskranke vor neue organisatorische 
Aufgaben stellte, die bisherige Beschränkung auf 
schon: früher in einer Berliner Anstalt Behandelte 
und aus ihr Entlassene wegfallen zu lassen und die 


--Beiratstelle entsprechend den inzwischen weiter 


fortgeschrittenen Fürsorgebestrebungen allgemein 
für Nerven- und Gemütskranke nutzbar zu machen. 
Der Aufbau der Beiratstelle brauchte dabei nicht 
wesentlich geändert zu werden: sie untersteht nach 
wie vor einem erfahrenen Psychiater (Oberarzt 
Dr. Hasse) als ärztlichem Leiter, unter dem eine 
angestellte Helferin (frühere Pflegerin) tätig ist; 
die Erledigung der Bureauarbeiten geschieht ne- 
‚benamtlich durch einen Bureaubeamten. Die frei- 
-willige Mitarbeit von Männern und Frauen der ver- 
schiedensten Berufskreise, die der Stelle nament- 
lich bei der besonders wichtigen Beschaffung von 
Arbeitsgelegenheit für die Kranken mit Rat und 
-Tat helfend zur Seite stehen sollte, hat sich leider 
nicht so entwickelt, wie sie Moeli in seinem Pro- 
‚gramm vorsah: das zunächst: erfreulicherweise 
recht lebhafte Interesse hat unter dem Einfluß des 
Krieges und der gerade in Berlin besonders tief 
gsreifenden Veränderungen .der letzten Jahre mehr 
und mehr nachgelassen und wird — wenigstens in 
‚absehbarer Zeit — kaum in dem gewünschten Um- 
fange wieder zu wecken sein. 

Die Überweisung von Kranken durch die pr n 


FSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‘schien von einer 


[Nr. 43/44 {0 


tischen Ärzte wird durch Ablehnung jeder ärzt- 4 
lichen Behandlung im engeren Sinne in der Dera 
ratstelle zu fördern. gesucht. 


Die bei der Organisation der Verwaltung der 
neuen Stadtgemeinde durchgeführte Trennung in 
zwanzig, in gewissem Umfange — namentlich auf 
dem Gebiete der Wohlfahrtspilege — selbständige 4 
Bezirksämter ließ die Frage auftauchen, ob es an- 
gebracht sei, die fürsorgerische Tätigkeit für Ge- # 
müts- und Nervenkranke, die nicht der Anstaltsbe- 


handlung bedürfen, zu dezentralisieren und sie den 
Die Ant- 7 
unter anderem # 


einzelnen Wohlfahrtsämtern anzugliedern. 
wort ist verneinend ausgefallen; 
auch deshalb, weil es erwünscht erschien, die Zu- 
sammenarbeit der Beiratstelle mit den Anstalten % 


(aus denen ihr nach wie vor geeignete Kranke bei f 


der Entlassung überwiesen werden) auch dadurch. $ 
zu sichern, daß der ärztliche Leiter der Stelle die $. 
vorhandenen Einrichtungen der 
staltsfürsorge und der 
praktischer Erfahrung genau kennt und durch seine & 
eigene Tätigkeit an einer Anstalt in persönlicher | F 
Verbindung mit den Anstaltsärzten bleibt. Bei der j 
Einrichtung ie einer 


Auch die Anpassung an die Wünsche der Kranken, 7 
namentlich bei der Beschaffung einer ihren Eigen- 
heiten gerecht werdenden Arbeitsgelegenheit, €r- | 
-für das ganze Stadtgebiet zu- 
ständigen Stelle aus leichter, 


zelnen Wohlfahrtsamtes notwendig wird. 
Die Aufgaben der Berliner Beiratstelle decken 9 


sich vielfach mit denen in anderen Städten; S fha 


dient insbesondere als Beratungsstelle: 


a) für die Kranken selbst, 
ebensowohl in rein gesundheitlichen Fragen 
(ärztlicher Rat und Zuspruch, erforderlichen- 


falls Hinweis auf die Notwendigkeit ärztlicher "ü 
Behandlung, auch Rat und Vermittlung bei = 
Heilstätten, 4% 
Anstalten, Abstinenzvereine u. ä.), als auch IN IN 
sozialen und wirtschaftlichen Fragen (Beruis- {M 
beratung, Rat und Hilfe bei Beschaffung vo! fA 


Überweisung in Krankenhäuser, 


Wohnung und Arbeit, Beratung bei Erhebung ey 
von Rentenansprüchen u. ä.); 1 

b) für de Angehörigen der Kranken | j 
(Rat und Aufklärung über den Zustand und die 7 
Behandlung der Kranken, Beratung bei beab- # 
sichtister oder von der Beiratstelle emp 
lener Bestellung eines Pilegers oder Vor 
des u. ä.); 


städtischen An- fi 
Familienpflege aus eigener f 


Stelle in jedem Bezirksamt $ 
wäre diese Forderung nicht durchführbar gewesen. P 


zumal gelegentlich 9° 
auch aus ärztlichen Gründen ein Wechsel der Ar- Í $ | 
beitsstelle ohne Rücksicht auf die Grenzen des eill- | , 


und zwar f 


foli- 1 i 


11923] 


c) für den -Arbeitgeber des Kranken 
(Aufklärung über die Eigenheiten des Kranken, 
seine Arbeitsfähiskeit und etwaige besonders 
zu berücksichtigende Wünsche): 
Wohlfahrtspflege, sofern diese nicht, 
wie z. B. für die Jugendpflege, 
psychiatrische Berater besitzen, in Fällen, in 
denen sich an sie Personen wenden, deren gei- 
stiger Gesundheitszustand zu Zweifeln Anlaß 
gibt. 


Sollte es zur Einrichtung - einer ‚städtischen 
Berufs(Sammel)-Pflegschaft oder Vor- 
Inındschaft für psychisch Abnorme kommen, wür- 
fie die Beiratstelle auch dieser mit fachärztlichem 
Rat zur Seite stehen können. 
- Von der Übernahme einer Schutzaufsicht 
iber Kriminelle ist mit Rücksicht auf die hierfür 
esonders ungünstigen großstädtischen Verhält- 
fisse bisher Abstand genommen; solange es noch 
an einer genügenden gesetzlichen Festlegung der 
Rechte des die Schutzaufsicht ausübenden Fürsor- 
grs fehlt, erschien eine Zurückhaltung gerade hier 
angebracht, damit nicht etwa ungünstige Erfahrun- 
‚fen, die in der Unvollständigkeit der bisher getrof- 
inen Bestimmungen ihre Erklärung finden würden, 
ter Einrichtung selber, der in der Zukunft voraus- 
Schtlich eine ganz besonders wichtige soziale Auf- 
be zufallen wird, zur Last gelegt werden 
Besonders ersprießlich hat sich in der letzten 
Út die durch die räumliche Nähe begünstigte (die 
Beiratstelle ist jetzt in den Räumen des städtischen 
Atbeitsnachweises untergebracht), auf Anregung 
&s zuständigen städtischen Dezernenten Dr. Mos- 
acher erfolgte Zusammenarbeit mit dem städti- 
hen Gewerbearzt erwiesen; die Beiratstelle hat 
durch mehrfach Gelegenheit gehabt, sich bera- 
tnd und begutachtend in Fragen der Berufsbera- 
tung, Arbeitsfähigkeit und Arbeitseignung zu be- 
tigen. 
In dringenden Fällen ist die Beiratstelle auch 
Itrechtigt, den bei ihr Hilfe Suchenden Barunter- 
Sützung in beschränktem: Umfange zu gewähren, 
Rmentlich wenn es sich darum handelt, dem 
Kranken über die Zeit vorübergehender Arbeits- 
Dsigkeit hinwegzuhelfen und zu verhüten, daß 
Seine Wiederaufnahme in die Anstalt aus vorwie- 
Pu wirtschaftlichen Gründen notwendig wird. 


Werner, Heppenheim (Selbstbericht): Der 
I gegründete Hilfsverein für die Geisteskranken 
"Hessen ist mit einer der ältesten in Deutsch- 
land, Er sah von jeher seine Aufgabe darin, be- 
lirttigen Kranken regelmäßige und ausreichende 


d) für de Organe der Öffentlichen: 


eigene 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


- Psychotherapie erfolgreich fördern. 


285 


Unterstützungen zu gewähren, systematisch zu 
helfen unter Mithilfe des Vertrauensmannes und 
nicht etwa nur von Zeit zu Zeit Almosen an Be- 
dürftige zu verteilen. Dies setzt natürlich eine lei- 
stungsfähige Kasse voraus. Wir sind auch in den 
letzten Jahren durch die sorgsam durchgeführten 
alliährlichen Kollekten unserer Vertrauensleute in 
den Stand gesetzt worden, die Unterstützungen zu 
erhöhen, wenn wir natürlich mit der fortschreiten- 
den Geldentwertung auch nicht Schritt halten 
konnten. Wir verteilen zurzeit in Heppenheim 
monatliche Unterstützungen von 100 bis 150 Mark 
an die aus der Anstalt entlassenen Kranken, so daß 
wir im Jahre mit einer Unterstützungssumme von 
1200 bis 1800 Mark ie Kopf rechnen. Die Aufgaben 
des Hilfsvereins werden wachsen, wenn wir auch 
in Hessen dem Problem der Frühentlassung der 
Kranken nähertreten und die Fürsorge für die Gei- 
steskranken im Sinne des Erlanger Fürsorgesy- 
stems ausgestalten werden. Bis jetzt sind dafür 
noch kaum Anfänge vorhanden. Es besteht ledig- 
lich an der Anstalt Heppenheim eine Fürsorgestelle 
für Nerven- und Geisteskranke, die mit der für Ge- 
schlechtskranke und Tuberkulöse vereinigt ist. 
Roemer, Karlsruhe, sieht in der Verwen- 
dung hauptamtlicher Kräfte, wie sie in 
der offenen Fürsorge stattfindet, den Hauptfort- 
schritt in prinzipieller Richtung und den Grund für 
die neuen Erfolge gegenüber den bisherigen Be- 
strebungen der Hilfsvereine. Wenn damit zu der 
charitativen Fürsorgetätiekeit die pflichtmäßige 
Befriedigung eines Fürsorgeanspruchs hinzutritt, 
so kann doch gerade bei diesem neuen Zweig der 
Gesundheitsfürsorge die freiwillige Hilfe- 
leistung  mitiuhlender Persönlich- 
keiten am wenigsten entbehrt werden. Neben 
dieser persönlich-seelischen Mitarbeit können die 
Hilfsvereine durch Zuwendung von Geldmitteln, die 
iedoch die Pflichtleistung der zuständigen Körper- 
schaften und der Fürsorgeämter grundsätzlich nie-- 
mals ersetzen, d. h. ersparen dürfen, die Fürsorge- 
stellen gerade bei Beginn ihrer Tätigkeit in ihrer 
Ob die Für- 
sorgestellen staatlich oder kommunal betrieben 
werden sollen, richtet sich nach den verschieden- 
artigen örtlichen Verhältnissen. Aufieden Fall 
müssensie von den zuständigen psy- 
chiatrischen Instituten (Heil- und Pflege- 
anstalten, psychiatrische Kliniken, Irrenabteilungen 
der Krankenhäuser) — am besten ohne räum- 
liche Verbindung — betrieben werden. Wie 
die Erfahrung lehrt, ist die Kontinuität der 


ärztlichen Versorgung für den Erfolg ent- 


scheidend. Empfindlichen Kranken wird der Über- 


286 


gang zu einem neuen, unbekannten Arzt erspart 
und der Übergang in die gewohnten Familien- und 
Erwerbsverhältnisse durch das Gefühl der stets 
offenen Rückkehr in die Anstalt außerordentlich er- 
leichtert. Für die überall schwierigen Psychopa- 
then, Alkoholiker usw. bildet die während der Be- 
urlaubungszeit stets gegebene rechtliche Möglich- 
keit der Zurücknahme in die Anstalt ohne jede 
Förmlichkeit ein in seinem Wert kaum zu über- 
schätzendes pädagogisches Moment, ohne das eine 
wirksame Psychopathenfürsorge nicht gedacht 
werden kann. Die Arbeitsgemeinschafit zwischen 
Entlassenenfürsorge und dem ganzen System der 
übrigen Gesundheitsfürsorge einschließlich der Fa- 
milienfürsorge gestaltet sich in der Praxis erfah- 
rungszemäß einfach. Daß sie jedoch in dieser nicht 
völlig aufgehen kann, ergibt sich auch aus der 
Personalfrage. Eine Säuglingspflegerin kann 
in einem bestimmten Zeitabschnitt zwar zur Tu- 
berkulosefürsorgerin oder auch. zur Familienfürsor- 
gerin weiter ausgebildet werden. Die Geisteskran- 
kenfürsorge dagegen mit ihren verantwortungs- 
vollen Aufgaben kann nur einer Persönlichkeit an- 
vertraut werden, die in der strengen Schule der 
mehrere Jahre geleisteten Irrenpflege den schwer 
zu berechnenden und häufig selbst gefährlichen 
Charakter der gebesserten Kranken kennen und 
behandeln gelernt hat. Die Einrichtung der öffent- 
lichen Fürsorge in ländlichen Bezirken 
begegnet, wie überhaupt, auch bei den Geistes- 
kranken besonderen Schwierigkeiten. Der gege- 
=» bene Ausgangspunkt bleibt die Stadt, am besten 
die Großstadt; jedoch zeigen (die neuesten Erfah- 
rungen Kolbs, daß der Ausbau dieser Fürsorge auch 
ander Peripherie der Vororte und von da aus fort- 
 schreitend in den näheren und dann entiernteren 


ländlichen Nachbargebieten mit geeigneten Kräf- 


ten durchführbar ist; wie es scheint, mit besserem 
Erfolg und mit leichterer Mühe, als etwa von ab- 
seits liegenden Heil- und Pflegeanstalten aus. Bei 
ieder ländlichen Fürsorge wird aber immer den 
Vertrauensleuten der Hilfsvereine (Geistliche, Leh- 
rer und andere Beamte) eine wichtige Rolle, z. B. 
bei der rasch erforderlich werdenden Benachrich- 


-~ tigung der Fürsorgeorgane zukommen. Ein beson- 


‚derer Vorzug der offenen Fürsorge ist darin zu er- 
blicken, daß die Fürsorgestellen allein durch ihr Da- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


sein und ihre Tätigkeit im besten Sinne aufklä- 4 


rend wirken. Wie nach den vorliegenden Er- 
fahrungen mit Bestimmtheit zu erwarten ist, wird &, 
die offene Fürsorge ganz wesentlich dazu beitra- ° 
gen, unsere Heil- und Pflegeanstalten,- die trotz 
aller bau- und betriebstechnischen Fortschritte im # 
freiheitlichen Sinne durch die hohen Mauern altein- 


sewurzelter Vorurteile von der übrigen Welt ab- IT 


geschlossen sind, dem Verständnis und dem Ver- 


kehr der Bevölkerung in weit größerem Umfange, TF 
‚als dies bisher der Fall war, zu öffnen. Damit dient 1 
diese jüngste Form der Geisteskrankenfürsorge zu- fes 
die von fir 


gleich der psychiatrischen Aufklärung, ii 
Hilfsvereinen mit gutem Grunde von jeher in ihren fs 


Aufgabenkreis einbezogen worden ist; diese wird FH 


ia neuerdings auch vom Reichsverband der beam- 7 


teten deutschen Irrenärzte als dringlich in Angriff 1f 


genommen und z. B. in Baden von den Ärzten der $ 


Anstalten und Kliniken durch regelmäßige Vorträge $V 
in den Lehrerseminaren, vor Gesundheitsfürsorge- Tst 


rinnen usw., 


sowie durch Anstaltsführungen eifrig Tio 
gefördert. | 2 


Klüwer, Klingenmünster, beschreibt kurz, $“ 


wie die Fürsorge in Erlangen bzw. Nürnberg von = 
kleinen Anfängen aus organisatorisch entwickelt = 
auch über den Krieg durchgehalten und mit ver- 1% 


hältnismäßig geringen Geldmitteln gefördert wor- f 
den ist. ren | z 

Ackermann, Großschweidnitz, schildert diè 1y 
vom Freistaat Sachsen gleichfalls aufgenommene 


Pflege der Aufklärungsarbeit, zu deren Förderung P 


u. a. Anstaltsführungen von Vereinen, Volkshoch- = 
schulen, Primanern der Seminare und Lehren i 
regelmäßig unternommen werden. CR 

Er schließt mit Dank an die Erschienenen um ; | 
6 Uhr 15 Min. die Sitzung. Die Versammlung ist E 


sich darin einig, jeweils gelegentlich der Jahres- a 
versammlung des Deutschen Vereins für Psychia fa 
trie eine Aussprache der Vertreter der Hilisvereile q 


abzuhalten, da durch Austausch der Erfahrungen ani i: a 


diesem neuerdings besonders wichtig gewordene i 


Gebiet gerade infolge der Verschiedenheit der ört- : 
lichen Verhältnisse wertvolle Anregungen vermit- 2 
telt werden können. A 


Hans Roemer, Karlsruhe. f 


423] PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 287 


1 Aus der Landesheil- und Pflegeanstalt ‚Philippshospital” (Direktor: Medizinalrat Schneider). 
Bericht über die Tätigkeit des staatlichen Laboratoriums an der hessischen 
Heil- und Pilegeanstalt ‚„Philippshospital“ bei Goddelau in der Zeit vom 
I. Januar 1921 bis 30. Juni 1922: 


Von Dr. Ernst Illert, Anstaltsarzt. 


Di Staatliche: Laboratorium ander Landes-Heil=- 7 -an O zen | Zahi 

{7 und Pflegeanstalt „Philippshospital” wurde Art der Untersuchung der Fosi 
finde 1920 eingerichtet wne- nannt Von Ir Saman n e a a e a Fälle | ^ 
{021 die Arbeit auf. Seine Entstehung verdankte I. Klinisch-chemische Untersuchungen 

8 in erster Linie dem Bestreben, für die psychia- 1. Chemische u. mikroskopische Urin- 

dische Diagnostik wichtige -Laboratoriumsunteri- untersuchungen . . {1372170 
Sichungen zu ermöglichen und diese im eigenen 2, Chemische u. mikroskopische Ma- 

Haus unter einheitlichen Gesichtspunkten auszu- gensaftuntersuchungen . 176, 
ühren. In zweiter Linie waren die hygienischen 3. Klinische Blutuntersuchungen (Hb, 
Erfordernisse des Anstaltsbetriebs zu berücksichti- Erythrozyten- Leukozytenzahl, Fär- 

gen. Die Ausführung der Untersuchungen in enger beindex usw.) . . 354p 
Verbindung mit dem klinischen Betrieb der An- 4. Stuhluntersuchg. auf okkultes Blut 24 4 


5. Bestimmung des Gesamteiweiß u. 

= Rest-N in Serum u. Liquor (Mikro- 
methoden nach Bang) . . 154| — 

. Bestimmung des Blutzuckers (Mi- | 
kromethode nach Bang) 


stalt gestattete die Anwendung moderner Labora- 
‚briumsmethoden in einem Umfang, wie es bisher 
dicht möglich war. Hinzu kam, daß allmählich 5 
das ganze Untersuchungsmaterial der hessischen 


Iitenanstalten mit einem Krankenbestand von 7, Untersuchung des Liquors auf Pico. 
etwa 2000 Kranken im hiesigen Laboratorium ver- zytose u. Zellarten 155 
arbeitet wurde. Gerade diese einheitliche Unter- Summe: Sammer aa 153 


Schung des Materials der vier hessischen Anstal- 
‚in war für die Besonderheiten der psychiatrischen HI. Bakterlologische Untersuchungen 
| Diagnostik in vieler Beziehung förderlich. Die 8. Stuhl und Urin auf Typhus-, Para- 
Überlegenheit dieser Zentralisie- = typhus- und Ruhrbazillen 
tung machte sich unter anderm besonders bei 9. Kulturelle Untersuchung von Eiter, 
‚der diagnostisch so wichtigen Liquoruntersuchung Urin, Punktaten, Sputum 
bemerkbar, bei welcher bisher die zytologische, 10. Kulturelle Untersuchung von Blut 
Chemische, mikrochemische, bakteriologische und (Schüttelblut, Blutgallen) . 


Vro ? i i ; Q - 
xrologische Untersuchung oft an vier verschiede R = HA ici 


k 2 Untersuchungsstellen a an werden 12. Untersuchung auf Tuberkelbazillen 
mußte, während sie jetzt, den klinischen Erforder- im: Tierversuch 


Missen des Falles angepaßt, an einer Stelle 13. Kulturelle Untersuchüng v von pa: 


ausgeführt werden Kann. chenabstrichen usw. auf Diphthe- 
Er. riebazilien 

Wir geben im folgenden eine allgemeine Über- 14. Mikroskopische Untersuchung Eier 
Sicht über die ausgeführten Untersuchungen und Gonokökken 

besprechen Besonderheiten bei den einzelnen Un- 5, Untersuchung von Stuhl Ant 


l 
erabteilungen. | eier 


Die Gesamtzahl der Untersuchungen betrug in 16. Untersuchung v von Blutausstrichen 


: auf Malaria und Rekurrens 
der Zeit von 1. Januar 1921 bis 30. Juni 1922 17 > 


. Herstellung von autogenen und 


%24. Diese gliedern sich Mischvakzinen 
I. in klinisch-chemische (2185), 18. Untersuchung von Kälberimpfstoff 
N. in bakteriologische (3201) und a. d. hess. Impfanstalt bez. Keim- 
IL in serologische (3638) Untersuchungen. Zar. = Virulenz usw. (Lymph- 
' Über die Zusammensetzung dieser drei Haupt- 19. Sonstige Tierversuche (Diphtherie 
Suppen sowie die Art des Untersuchungsmaterials Tetanus, Rekurrens) 


Sibt folgende Tabelle Aufschluß: Summe: | 3201 Summe: 13201] 489 489 


288 


Art der Untersuchung der Es 
Fälle 
Ill. Serologische Untersuchungen 
20. Wassermannsche Reaktion und i 
Sachs-Georgi im Serum ; 1383 | 322 
21. Wassermann’sche Reaktion im 
Liquor 109| 74 
22. Widaľsche Reaktion mit Erregern 
der Typhusgruppe . 884| 19 
23. Widal’sche Reaktion mit Erregern | 
der Ruhrgruppe . SY ee 
24. Kolloidreaktionen des, Liquor Cere- 
brospinalis (Goldsol usw.) = TOD 
25. Untersuchung des Liquors auf 
Globuline, Gesamteiweiß usw. . 155| 76 


Summe: [3638| 491 


Insgesamt 9024 Fälle, davon 1133 positiv. 


I. Klinisch-chemische Untersuchungen. 


Bezüglich der klinisch - chemischen Untersu- 
chungen, die in der üblichen Weise durchgeführt 
wurden, fand sich im allgemeinen nichts Bemer- 
kenswertes. Wiederholt konnten wir Zylindrurien 
nach monatelang fortgesetzter Trionalverabrei- 
chung beobachten mit geringen Eiweißmengen und 
sehr zahlreichen hyalinen Zylindern, ohne daß es 
dabei zur Hämatoporphyrinurie, Methämoglobin- 
- urie oder Hämaturie gekommen wäre. Unter Aus- 
setzen des Medikaments verschwanden solche 
. Zylindrurien in kurzer Zeit. — Die Mikromethoden 
nach Bang, vor allem die Rest-N-Bestimmung er- 
wies sich besonders bei den arteriosklerotischen 
Psychosen wertvoll, da sie über den Grad der 
Azotämie Aufschluß gab. Für die spezielle Liquor- 


- diagnostik ebenso wichtig als Ergänzung des „Re- 


aktionsspektrums” war die Mikrobestimmung des 
Traubenzuckers im Liquor, besonders für die 
Diiferentialdiagnose der Encephalitis epidemica, 
der Meningitis tuberculosa usw. 


Unter 1372 Urinuntersuchungen konnten wir 
 ©2 mal krankhafte Eiweißmengen im Einklang mit 


pathologischen Sedimentbestandteilen und 18 Gly- 


 kosurien feststellen. Die quantitativen Zuckerbe- 
stimmungen wurden ausschließlich durch. Titra- 
tion mittels Fehling’scher Lösung ermittelt. — Die 
mikroskopische Untersuchung der Liquoren auf 
vermehrte Zellzahl und krankhafte Zellarten er- 
gab in einem hohen Prozentsatz (fast 50 v. H.) 
positive Ergebnisse. Zu berücksichtigen ist hier- 
bei, daß bis jetzt meist nur bei klinisch verdächtigen 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[Nr. 43/44 4) 


Fällen die Lumbalpunktion vorgenommen wird und 4 
die relativ hohe Zahl der Paralysen unter diesen 
Liquoren das Ergebnis im positiven Sinne beein- 
flußt. Bei der Färbung des Liquorsediments zur 
Differentialdiagnose der Zellen haben wir mit einer 
einfachen 10 bis 15 Sekunden dauernden Färbung 
mit Löfflerblau genügend klare Bilder bekommen, 
die für die meisten Fälle ausreichte, daneben kamen 


die Romanowsky- und die Methylgrünpyroninfär- 
bung (Plasmazellen) zur Anwendung. 


ll. Bakteriologische Untersuchungen. | 
Unter den bakteriologischen Untersuchungen $ 
nahmen die Stuhl-- und Urinuntersuchungen mit 
1835 Proben die erste Stelle ein. 
tersuchungsfällen konnten 14 mal Typhus-, 
Paratyphus B-, 


wiesen werden. Da es sich fast ausschließlich um # 


Umgebungsuntersuchungen handelt, ist der relativ f, 


niedrige Prozentsatz von 1,1 v. H. positiver Et- 
gebnisse verständlich. 


nung von Dauerausscheidern in der 


nur einmal ausgeführte Untersuchung müssen wit 7 


als durchaus unzureichend bezeichnen, namentlich 7 ii 


wenn eingedickte, ev. sogar mehrere Tage aufbe- Tha 
wahrte Stühle zur Verarbeitung kommen. Man fsi 


findet in solchen Stuhlproben infolge der eingetrete- 70 


nen Zersetzung neben den gewöhnlichen Darmbak- 1 


terien zwar häufig Proteusbazillen, dagegen so gut 4 
Wenn es sich er- fim 
möglichen läßt, empfiehlt sich die vorherige Ver 7 

abreichung von Abführmitteln an die Kranken, um 1 d 
dünnbreiige Stühle zu erhalten und damit den in- 47i 
halt der oberen Darmabschnitte rascher zutage A ii 
Die Wichtigkeit dieser Maßnahme zeigen fg 
die Krankengeschichten unserer Dauerausscheider ak 
die manchmal erst nach längerem Aufenthalt in det fh 


wie niemals pathogene Keime. 


fördern. 


Anstalt gelegentlich der. bakteriologischen Unter- 


suchung leichter, auf Diätfehler zurückzuführendef Tg 
Durchfälle als Typhusträger erkannt wurden. Der” N 
Stuhluntersuchungen bei zu 
den geringsten unspezifischen Durchfällen Geistes- K 
Die Vet- fh 


arbeitung größerer Kotmengen zur Verbessat f 


Wert bakteriologischer 
kranker geht hieraus zur Genüge hervor: 


der positiven Ergebnisse, z. B. mit dem a 
ätherverfahren nach Bierast, ist im Massenbetrie ` ' 


zu umständlich und in erster Linie für die Nacli- 5% 
untersuchung erkannter Dauerausscheider zu. emp: ger 


fehlen. 

Entsprechend a 
Literatur fanden sich Typhusträger fast nul q8 
weiblichen Kranken, wir konnten hier eine Para: a 3 


Unter 1835 Un- 7 
4 mal 12 
2 mal Kolitisbazillen (Y) nachge- Tý 


Die Wichtigkeit der Erken- “h 
Irrenanstalt Ti 
macht bei der jetzigen Methodik eine wiederholte, di 
am besten dreimalige Stuhluntersuchung nötig. Eine Fi 


älteren Erfahrungen - am 
EI ge 


11923] 


fiyphus B- und sechs Typhusträgerinnen beobach- 
fen die auf der Dauerausscheiderstation, welche 
die hiesige Anstalt für alle hessischen Anstalten im 
Betrieb erhält, isoliert waren. Dagegen konnten 
wir auf der Männerseite nur einen Paratyphus B- 
Träger und einen Diphtheriebazillenträger fort- 
lufend untersuchen. Dei einer Typhusträgerin, 
de ad exitum kam, konnten Typhusbazillen in 
jReinkultur aus der Gallenblase gezüchtet werden. 
i Die kulturelle Untersuchung von Eiter, Urin, 
Punktionsflüssigkeiten, Sputum (nicht Tbe.!) er- 
fab in 124 Fällen 106 mal ein positives Ergebnis. 
Ii4mal konnten Staphylococcus pyogenes aureus, 
l4mal Streptococcus longus, 2 mal Streptococcus 
{mcosus, O0 mal Pneumokokken, 8 mal Bact. coli, 
f 2mal Influenzabazillen (Sputum frischer Grippe- 
ille) nachgewiesen .werden. In 46 Blutkulturen 
wi septischen Allgemeininfektionen wurden zwei- 
mal Streptokokken, einmal Typhusbazillen gefun- 
den. — Die Untersuchung auf Tuberkelbazillen hat 
“Wider bekannten Bereitschaft unsauberer, verblö- 
tter Kranker, an Tuberkulose zu erkranken, für 
| die Irrenanstalt erhöhte Bedeutung. Jedes erhält- 
liche Sputum sollte untersucht werden. Schein- 
dar harmlose Bronchitiden erwiesen sich als spe- 
isch. Unter 287 Untersuchungen auf Tuberkel- 
azillen (273 Sputa, 12 Stühle, 2 Punktate) erwiesen 
Sch 35 als positiv. Im Tierversuch (4 Punktate, 
1 Urine) konnten dreimal Tuberkelbazillen nach- 
gewiesen werden. Alle negativen Sputa, Stühle 
Ww. wurden mittels des Uhlenhuthschen Antifor- 
inverfahrens angereichert. Bei der mikroskopi- 
hen Untersuchung haben wir an neueren Metho- 
den zum Nachweis der Tuberkelbazillen neben der 
‚Ziehl-Neelsen-Färbung das Verfahren von Konrich 
da, Schaedel angewendet. Mit beiden Färbun- 
sen, besonders nach Schaedel (Verwendung von 
Karbolmethylviolett statt Karbolfuchsin, Nachfär- 
bung mit dünner Chrysoidinlösung) haben wir gute 
iigebnisse erzielt. — Die kulturellen Untersuchun- 
sen von Rachenabstrichen (363) auf Diphtherie- 
Millen ergaben in 29,7 v. H. positive Ergebnisse. 
Un unerwartet hoher Prozentsatz der Anginen 
ierte bei kultureller Untersuchung Diphtherie- 
bazillen, Ein Fall entwickelte sich zum Diphtherie- 
illenträger. 
[Vir ihn fortlaufend -untersuchen und in wieder- 
tolten Tierversuchen die Virulenz der gefundenen 
Diphtheriebazillen feststellen. Schließlich wurde 
7 ohne besondere therapeutische Einwirkung 
‚keimfrei, Die Infektionsquelle für unsere Kranken 
Müssen wir in erster Linie in den besuchenden An- 
Schörigen vermuten. Rachenabstriche des neu 
"iretenden Personals zu untersuchen, wäre von 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Anderthalb Jahre hindurch konnten 


289 


Wert, um Diphtheriebazillenträger auszuschließen. 
— Bei den Gonokokkenuntersuchungen, die vor- 
wiegend (die weiblichen Kranken betrafen, wurden 
unter 72 Ausstrichen 14mal positive Befunde er- 
hoben. Die Abstriche wurden ausnahmslos nach 
Gram gefärbt. — Von besonderem Interesse waren 
die Stuhluntersuchungen auf Wurmeier. In 311 
Stuhlproben wurden in über 50 v. H. (157 mal) 
Wurmeier festgestellt. 104 mal konnten Askariden- 
eier (Ascaris lumbricoides), 52 mal Trichozephalus- 
eier (Trichocephalus dispar), einmal Glieder von 
Taenia saginata gefunden werden. Die bei zahl- 
reichen Kranken vorhandenen Oxyuren sind in 
dieser Zusammenstellung nicht berücksichtigt. Die 
Häufigkeit der Askariden und Trichozephalen. er- 
klärt sich aus der Verwendung der Anstaltsab-. 
wässer als Dünger für die selbstbewirtschafteten 
Felder. Grünes, nicht gekochtes Gemüse wird zum 
Überträger der Eier, die in der Erde den für ihre 


. Entwicklung zur Larve notwendigen Reifungspro- 


zeß durchmachen.!) Dieser Reifungsprozeß der 
Helmintheneier beansprucht Wochen und Monate, 
die Infektiosität der Askaris- und Trichozephalus- 
larven innerhalb der Eihülle erhält sich durch viele 
Monate, angeblich sogar durch Jahre, so daß eine 
Sanierung des gedüngten Bodens aussichtslos er- 
scheint. Bei der wirtschaftlichen Unmöglichkeit, auf 
die Bodendüngung durch die Anstaltsabwässer zu 
verzichten, ist die Behandlung der Helminthenträ- 
ser und die Vermeidung ungekochten Gemüses die 
wichtigste prophylaktische Maßregel. Der Nach- 
weis der Eier wurde mittels Auswaschen des 
Stuhles mit destillierttem Wasser und Zentrifu- 
gieren des Waschwassers oder nach der Fülleborn- 
schen Kochsalzmethode:. geführt. Beide Methoden 
lieferten bei großer Billigkeit gute Ergebnisse. 
Therapeutisch hat sich uns Ol. chenopodii anthel- 


"mintici gegen die Askariden bestens bewährt, gegen 


die Trichozephalen war es ohne erkennbare Wir- 
kung, so daß wir jetzt mehr Trichozephalusstühle 
beobachten, im Gegensatz zu den anfänglichen Un- 
tersuchungen, wo fast jeder Krankenstuhl zahlreiche 
Askarideneier enthielt. 

Blutausstriche auf Malaria und Rekurrens konn- 
ten wir 25 mal untersuchen, darunter gelegentlich 


der therapeutischen Rekurrensimpfiung von Para- 


Iytikern acht positive Befunde erheben (Spiro- 
chaeta Duttoni). Bei einem Paralytiker konnten 
nach klinischem Abklingen der Infektion im Liquor. 
fünf Wochen post infectionem Rekurrensspiro- 
chäten durch den Tierversuch nachgewiesen wer- 
den. Von den sonstigen Tierversuchen (79) auf 


1) cf. Fülleborn, Klin. Woch. 1922 Nr. 20. 


290 ~ 


Diphtherie, Tetanus und Rekurrens gaben 35 ein 
positives Ergebnis, Nachweis von Rekurrensspiro- 
chäten 24 mal, von Diphtheriebazillen 11 mal. — 
Die Untersuchung der Kälberlymphproben aus der 
hessischen Impfanstalt wurde an 24 Einzelproben 
.durchgeführt. Die bakteriologische Untersuchung 
ergab nichts Bemerkenswertes, Tetanuskeime 
wurden niemals nachgewiesen. Bezüglich der 
Virulenzprüfung bedienten wir uns der Grooth- 
schen Intrakutanmethode und des Kornealver- 
Süuches nach Paul.. - Letzterer verdient in erster 
Linie zur Prüfung der vakzinalen Virulenz heran- 
gezogen zu werden. Starke Reaktionen. der 
Kornea nach 48 Stunden verbürgen eine genügende 


> OŘ IMM 


Mitteilungen. 


— Reichsverband. a 

l. Bezüglich der Durchführung der Richtlinien war 
in Leipzig beschlossen worden, daß jeder Einzelverband 
zum 1. Januar 1923 einen ausführlichen Bericht über die 
bisher erfolgten Schritte und die Ergebnisse zwecks 
neuer Dienstanweisungen oder Anpassung der vorhande- 
nen, auch etwaige Wünsche oder Abänderungsanträge, 
dem sgeschäftsführenden Vorstand zur Kenntnis und 
Weitergabe an den Richtlinienausschuß einreichen möge. 
Da die Berichte aus einer größeren Anzahl von Ver- 
bänden noch fehlen, wird der Termin bis zum 1. April 
verlängert. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen die Be- 
richte jedoch unbedingt eingereicht sein, da es sonst dem 
Ausschuß nicht mehr möglich sein würde, das erhaltene 
Material bis zur nächsten Versammlung zu bearbeiten, 
wie das beschlossen wurde. 

2. Es wird schon ietzt an die zum 1. April 1923 zu 
'erstattenden Mitteilungen über den Stand und die Vor- 
.gänge in den Einzelverbänden erinnert. Wir bitten um 
recht ausführliche und pünktliche Berichte über alle 
wichtigen Fragen, besonders. auch im Interesse der Er- 
sparnis von Porto und Schreibgebühren. 

3. Herr Sanitätsrat Dr. Bresler richtet an die Herren 
Korrespondenten aller Einzelverbände und Ärztekolle- 
‘gien die dringende Bitte, ihm immer recht bald über Per- 
sonalveränderungen, Fortschritte oder sonstige beson- 
dere Ereignisse aus dem "Anstaltsleben Nachricht zu 
geben. Es würden hierdurch viele Mühe und Kosten 


~ erspart werden. Adresse des Schriftleiters der Psychia- 


„trisch-Neurologischen Wochenschrift: Sanitätsrat Direk- 
tor Dr. Bresler, Landesanstalt Kreuzburg (Schlesien). 


I. A.: Dr. Hussels. 


—- Ärztliche Gesellschait für parapsychische For- 
schung. Bericht über die Sitzung vom 19. Dezbr. 1922. 

Herr Sünner: Bericht über das Buch von 
Schrenck-Notzing über Materialisationsphänomene. Er- 
scheint in den Originalien. dieser Wochenschrift. 

Herr Seck: Über telekinetische Erscheinungen. 
Ref. veranstaltet seine Sitzungen grundsätzlich unter der 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


telle Ausschaltung von 


[Nr. 43144. l 


Virulenz des Impfstoffes, während bei der Grooth- f 
schen Methode die unbekannten Momente einer 4 
individuellen Disposition bei den Kaninchen für den f | 
Grad der Impfreaktion vereinzelt ausschlaggebend 4 
sind. — Autogene und polyvalente Staphylokokken- #' 
vakzine wurden in 21 Fällen hergestellt. Wir er- 4 
sparen uns die käuflichen Impfstoffe und haben die # 


Gewißheit, nur frisches, biologisch wirksames f, 
Material zu verimpfen. Zum Schutze des auf der 7, 
Dauerausscheiderstation beschäftigten Personals Ti 


wurde die Schutzimpfung obligatorisch gemacht. 1 
Der nötige Impfstoff wurde aus sechs hier gezüch- $P 
teten Typhusstämmen hergestellt. E j 

(Schluß folgt.) 


Wahrung der spiritistischen Fiktion, um den Medien ihre i 
psychische Eigenart und Einstellung zu erhalten. Hin- 5 
gegen bemüht er sich um methodische und Be 
nichtokkulten psychologischen ® 
Fehlerquellen. So konstruierte er an Stelle der Plan- f - ; 
chette ein Pendel, bei welchem die Lage der Buchstaben A 
die von der Schwingung jeweils erreicht wurden, vorher i 
unbekannt war und erst mit dem Ende der Pend a ; 
schwingung feststellbar wurde.. Die Resultate fielen den- d 
noch genau so aus wie bei der gewöhnlichen Planchetie $ 
nämlich sinnvoll. Er beschreibt sodann telekinetische A 
Erscheinungen, insbesondere Spuren auf berußten Papie- 
ren, welche zwar nicht sinnvoll waren, aber doch \ ke = 
großer Eigenart und wechselnder Beschaffenheit. DE r 
berußten Papiere werden demonstriert. Be 
Diskussion: Die Prinzipienfragen der Materialisal 
und der Telekinese werden nach ihrem Für und W m 
erörtert, im Sinne der Zustimmung von den Herren Ws 
neralarzt Richter und Bernouilli, im Sinne der SK% 
von den Herren Kronfeld, Frank-Briesen und Czrelli itz 
Die weitere Diskussion soll bis zur Beendigung des \ jor 
trages Schwab über eigene Materialisationsexperif : 
vertagt werden. Kronfeld, Boil 2 


í S GR R Erra Ea S ` 


= 


Buchbesprechungen. 


+ Urstein, Dr. med. M., ih Warschau: Katar P> 
tonie unter dem Bilde der Hysterie und a 
456 S. Berlin 1922, S. Karger. 200, 00 M. 


der Katatoiie einen Fall Katatonie unter dem pna da 
Paralyse, einen Fall Katatonie unter dem Bild der = 


Ausgang, Diaen 


Ursachen und Wesen, Verlauf, 
Schlußbetrachtungen. 
Mit einer Ausnahme sind es weibliche Fälle. 


Wenn auch der Lage der Dinge nach für die suk 


71193) 


Imenahme zu den Problemen auf diesem Gebiet mehr 
sıbiektive Wertungen entscheidend sind, so bleibt doch 
die außerordentlich fleißige Studie eine nicht hoch genug 
m schätzende Förderung und Bereicherung unseres 
Wissens. Es ist in den letzten Jahren wenig über diese 
Ifragen gearbeitet worden. 
Sehr erfreulich ist es auch, 
fich war, so ausführliche Krankengeschichten drucken 
m lassen, da der Teuerung und des Papiermangels 
wegen doch immer verlangt wird: möglichst nur kurze 
Auszüge. (Dabei wird freilich für Schwindelreklame 
find Betrug von manchen Firmen noch ungeheuer viel 
f Papier verschleudert!) 

Es ist für wissenschaftliche Zwecke unerläßlich, daß 
Slche Krankengeschichten nach wie vor gedruckt wer- 
“den, so daß sie Jedem jederzeit zugänglich sind;. dal 
se nur irgendwo ungedruckt in einer Sammlung unter- 


daß es heute noch mög- 


- PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


29] 


— Grötzinger, Richard, Talismanische Dämono- 
logie. 128 S..  Berlin-Pankow, Linser-Verlag, G. m. 


b. H. 24,00 M. 

-Dasa Buch. = ohne Jahreszahl; was von Dämonen 
handelt, bedarf vielleicht keiner. Jahreszahl, es hat 
Ewigkeitswert — muß ieder gelesen haben. Er wird 
sicherlich auch an den Teufel glauben lernen, was in 
unserer teufellosen Zeit höllisch not tut! B. 

Iherapeutisches. 
— Ein Fall von Dermatitis dysmenorrhoica symme- 
trica. Von Dr. Ludwig Baer, Volontärass. a. d. Haut- 
‚abtlg. d. städt. Krankenhauses zu Altona a. d. Elbe. 


Dermatolog: Wochenschr. 1921 Nr. 26a. 
Verf. behandelte eine Patientin, bei der während 
oder wenige Tage nach den Menses an fast immer sym- 


‚metrischen Stellen rötliche Flecken oder Knötchen auf- 
traten, die in wenigen Tagen über die Stadien der Blase, 
Kruste - und Schuppe oder durch Überspringen eines 
oder mehrerer dieser Zwischenglieder sich wieder zur 
Norm zurückbildeten oder erst nach Sekundärinfektion, 
durch Juckreiz veranlaßt, unter desinfizierender Behand- 
lung nur wenig später zum normalen Hautniveau sich 


gebracht werden, hat wenig Zweck. B. 

= —Lenzmann, Prof. Dr., Duisburg: Das Problem 
der Metalues. Ein Beitrag zur Frage des Wesens der 
Paralyse und der Tabes. 20 S. Leipzig 1921, Verlag 
{vom Repertorienverlag. 6,00 M. 

< Erörterung der bekannten Theorien, ohne neues zu- 
l miügen. B. 


MATICUM 


CHMERZSTILL END*« 


pEr: RHEUMATISMUS -+ ISCHIAS G/CHTe 
GRIPPE - NEURALGIEN + TERZBESCHWERDEN 


BESTBEWÄHRTES 
2 


NT? 
SOFO 


url | | 


BERINFEZESNI ETW N FTSE SIMAN EEANN EN 


A 


UMASAN “s LENI CET == 


LITERATUR 800000 BERLIN N. 87120 ọọ 0066000 DROBEN 


$ 


22 ________ PSYCHIATRISCH-NEUROLOQISCHE WOCHENSCHRIFT [Nr. 43/44 


regenerierten. Verf. nimmt einen ätiologischen Zusam- Verf. konnte bei seiner Patientin ein teilweises 
menhang mit den Menses an. Schwinden der Eifloreszenzen einen Tag nach der 
Matzenauer und Polland haben bei allen Verabreichung von Ovoxslandol feststellen. | 
Fällen von Dermatitis dysmenorrhoica eine Lipoidämie | 
festgestellt. Auch ein anderer Autor konstatierte „bei } A 
seiner Patientin, die gleichfalls nicht gravid war, Lipoide Es wird gebeten, allen Anfragen an die Schriit- | ° 
im Blut. Später fand Polland bei einem weiteren leitung resp. den Verlag über redaktionelle 
Fall mit abnormer- Menstruation einen starken Abbau Fragen das Rückporto beizufügen. 
von Övarialproteinen nach Abderhalden. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummern. 
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von Anekdoten, Schnurren, Witzen, Karikaturen 

‚aus alter und neuer Zeit. Für den Mediziner 

bildet es einen belustigenden Spiegel, für den 

. Patienten ein willkommenes Adjuvans und Corri- 

~ gens bei depressiven Zuständen. Als psycho- 

<.  therapeutisches Mittel sei es beiden Parteien 
~ wärmstens empfohlen.“ 


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JULIUS 
KLINGER 


Sprit f 


NN 


Berliner Volkszeitung: 


„Der Titel, die Namen der Herausgeber, der 
Verlag, — das genügt als Empfehlungsbrief für 
dieses scherzhafte Buch, das den Ärzten eine 
„Fachliteratur“. für jene Art von lustiger Ver- 
hohnepiepelung gilt, die Goethe gemeint hat, als 
er sagte: „Wer sich nicht selbst zum Besten 
halten kann, der ist gewiß nicht von den 
Besten.“ Aber auch die nichtärztliche Welt 
wird an diesen Schnürren und Schwänken aus 
dem Hörsaal der Klinik, dem Sprechzimmer un 


UAUA UNAIA IAAI AINIIN INAAMINI 


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Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 

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tika Dollar 4, Tschech.-Slov. Kr. 48. 


nhalt: Albrecht Paetz 7. 
schen Heil- und Pflegeanstalt 
Jini 1922. Von Dr. Ernst Illert. Schluß. 


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Tlalle a. 


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Telegramm - Adresse 


giir N L D a ai 


Lg A ae 


(S. 294.) 


Von Dr. med. Paul Bergmann, Berlin. 


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1 
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N m 25. Dezember 1922 starb zu Rittergut Alt- 
© * Scherbitz, in Amt und Würden, in den Sielen, 
Wie ein anderer Großer - 
Wünscht hatte, Albrecht P aetz, der Organisator 
ler berühmten Pflanzschule der ganzen modernen 
Anstaltspsychiatrie, ihr zweiter und in mancher 
Minsicht ihr erster Direktor. Denn mag man 
| dich Köppe die genialere Phantasie und, mit Ibsens 
| Wort geredet, den eigentlichen Königsgedanken zu- 
hi gen — es wird doch immer der Ruhm von 
R: Paetz bleiben, daß er eine etwas weite Strategie 
in Bi Zügel straffer, erreichbarer Taktik zog, daß 
t einen groben Rahmen würdig, praktisch, frucht- 
bar - erfüllte und daß er für etwas Neues, Werden- 
des ‚ Vielfach noch als unreif Verschrienes nicht 
Air eine gute Form der Organisation fand, son- 
die Form schlechthin, diejenige Organisa- 
ion, die die letzte geblieben ist, weil sie die beste 
War, obwohl sie die erste war. Paetz ist der 
K Nassiker der Anstaltspsychiatrie; er ist ihr klas- 
e sches Genie wie Köppe ihr romantisches war. 

| Paetz, hat das heutige Alt-Scherbitz -geschaffen 
; : einer mustergültigen Anlage; in: seiner muster- 


Dr. v. Olah, Budapest, 
E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. Starlinger, 
Vocke, Eglfing b. München, 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. 
Schriftleiter: 


Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberscħlesien). 


10. Februar 


Verlag und sah 
Carl Marhold ae, 
„ Mühlweg 26 


Fernsprecher 6823 
>: Marhold Verlag Hallesaale 
Postscheck: Leipzig 32070. 


(S. 293.) -— Bericht über die Tätigkeit des staatlichen Laboratoriums an der hessi- 
„Philippshospital“ 


es sich vergeblich ge- 


Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Meudizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. 
Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., 
llberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 


Beyer, Roder- 


San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
Prof. Dr. H. Vogt, 


Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 


W. Weygandt, Hamburg. 


1922/23. 


Zu beziehen durch jede Buchhandlung, 

die Post und unmittelbar vom Verlage. 

Erscheint bis auf weiteres vierzehn- 
tägig in Doppelnummern. 

Zuschriften für die Schriftleitung sind 

an San.-Rat Dr. Bresler in Kreuzburg 

(Ob.-Schl.) zu richten. Bei Anfragen ist 
das Rückporto beizufügen. 


Alleinige Anzeigen-Annahme: 
Hans Pusch, Berlin SW. 48, | 


Wilhelmstraße 28. || 


bei Goddelau in der Zeit vom 1. Januar 1921 bis 30. 


— Wie wirken die Erkrankungen des Gastrointestinalappara- 
4 es auf die Stimmung der Geisteskranken? Von Dr. L. Stanojevic, (S. 295.) — Der Okkultismus und seine Gegner. 
E (S. 300.) — nu un a 


Albrecht Paetz t. 


(S. 303.) 


gültigen Klarheit, Vernunft, Nützlichkeit, Heilkraft, 
Heiterkeit, Schönheit und Güte, :-Paetz -ist dèr 
Schöpfer des Alt-Scherbitzer” Systems, dieser ab- 


- solut sachzemäßen Vereinigung von klinischer Zen- 


trale mit grandioser Landwirtschaft zum Zweck 
der Arbeitstherapie und damit der Wiedervor- 
schule fürs Leben. Paetz hat, wie kein Geringerer 
als Clemens Neißer, der wahrlich zu Prioritätsehr- 
geiz befugte, uns bestätigt, die moderne Bettbe- 
handlung, die moderne Wachabteilung begründet. 
Paetz hat den Psychiater aus einem Verwahrungs- 
beamten, aus einem gewalttätigen Samariter wie- 
der zum Arzt von Fühlen und Denken gemacht, 
Paetz hat dem Psychiater und damit auch seinen 
Kranken Glaube, Liebe und Hoffnung wiederge- 
schenkt. Wenn einer, so verdient Paetz, der Hun- 
derten vom psychiatrischen Menschennachwuchs, 
der Dutzenden vom psychiatrischen Anstaltsnach- 

wuchs Lehrer, Leiter, Wegweiser, Feldmesser, 

Baumeister, arbiter sapientiarum gewesen ist, den 


Ehrentitel pater psychiatricus. 


Trotzdem wird man nicht darüber hinwegkom- 
men, daß Paetz zu früh für seinen Ruhm, zu früh 


294 
für sein Werk gestorben ist. Es könnte sein, dab 
der alte Paetzsche Grundsatz weiser Sparsamkeit 
in Anstaltsbau und Anstaltsbetrieb der einzige ist 
und bleibt, der uns über die trostlose Gegenwart 
und Zukunft hinweghilft, hinweghelfien m u B, wenn 
wir wenigstens Reste der alten Größe retten wol- 


len. Dagegen nicht zu früh gestorben ist Paetz für 
sich selbst. Seit seiner Apoplexie im Sommer wubte 


- 


Bericht über die Tätigkeit des staatlichen Laboratoriums an der hessischen } 
Heil- und Pflegeanstalt „Philippshospital‘“ bei Goddelau in der Zeit vom | 
I. Januar 1921 bis 30. Juni 1922. 1 
Ernst Illert, Anstaltsarzt. 
(Schluß.) 


Von Dr. 


HI. Serologische Untersuchungen. 

Die. Wassermannsche Reaktion wurde nach der 
amtlichen Vorschrift vom August 1920 mit zwei 
Komplementverdünnungen 1:10 bzw. 1:20 mit 
konstanten Serum- und fallenden Antigenmengen 
ausgeführt. Für jede Reaktion wurden vier Ex- 
trakte verwendet, drei amtlich geprüfte und ein 
im -hiesigen Laboratorium hergestellter. Unter 
1383 Untersuchungen gaben 322 ein positives Er- 
gebnis. Die Flockungsreaktion nach Sachs-Georegi 
ergab in 89,2 v. H. mit der WaR. übereinstimmende 
Resultate. Unter 169 . Liquoren waren 74 nach 
Wassermann positiv. Die regelmäßige Ausführung 
der WaR. im Blutserum sämtlicher Neuaufnahmen 
. “war diagnostisch von der größten Wichtigkeit und 


Datum der Aus- Agglutination mit ITyphusformolkultur Ha ĵi 
Name Keimart Infektion scheidung (Ablesung nach 24 Std.) . A| 
peobachtet:] 120:4 2401:1280 |1:160|1:320| K j 
gek, Ty.Baz. | unbekannt 4 Jahre ee ae a Z Fse 
2A. 3 unbekannt 2 Jahres] +1 Tsak 0 0 0 
338. unbekannt 1 Jahr SSH ht: 0 0 0 0 
26. IV. 1921 ; | ds: 
5. B. an onbekannt d: 2 e Jahr e 2. Eear S e O 0 
6. Wa. £ unbekannt I-l- z Jahr I FA rs | fr. | fr. 120 0. 
Agglutination m. Paratyphus B 
| Formolkultur | 
Paratyph. | 
7. M. B.Biz unbekannt | 6 Monate SS ES Se 0 
EROT ; unbekannt | 10 Jahre | 0 0710 0 0 0 
| 7 = positive, +s = schwach positive, fr. 


ermöglichte vereinzelt überhaupt erst die Dia- 
gnosenstellung. Das gilt besonders für. diejenigen 
Altersparalysen, die klinisch das Bild des. Alters- 
schwachsinns zeigen und nur serologisch erkannt 


> 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT [ 


Unzuverlässigkeit der 


Nr. 45/46 4 


er, daß er vom Tode gezeichnet, daß er ein alter # 
Mann war. Eine furchtbare Erkenntnis für den, f 
dessen Werk ihn eigentlich zwingt, ewig jung zu 
bleiben. 

Also auch hier wieder am Schluß die Tragödie 


des Menschen. Freilich: die triumphis 
rende Tragödie des ero Ben -Meis 
chen! W. Fuchs. 


— Die Widalsche Reaktion mit 
Erregern der Typhusgruppe lieferte unter 884 Fäl- # 
len 19 mal positive Ergebnisse, wenn man nur f; 
deutlich positive Agglutination in der Verdünnung T 
von 1:160 und darüber, abgelesen im Neißerschen 5; 
Agglutinoskop, als positiv bezeichnet.!®) Die Widal- 7] 
sche Reaktion mit Dysenteriekeimen war in 87 1, 
Fällen stets negativ. Bei der Bedeutung, die der 
Widalschen Reaktion bei der Umständlichkeit und 7, 
Stuhluntersuchung für die # 
Erkennung von Dauerausscheidern der Typhus- fi 
gruppe beigelegt wird,’) haben wir diese Frage E 
erneut an dem Material unserer Anstalt (8 Fälle) je 
geprüft und geben im folgenden eine tabellarische 7] 
Übersicht unserer hierauf bezüglichen Resultate 


l 
Í 


werden können. 


= iragliche Agglutination. 


la) Das Gesagte gilt für die Agglutination mit De ; 1 

phusbazillen. S. 

` 2) Vergl. Hilgermann, Zentralbl. î. Bakt, Bd. 68 S. 645, 
H. Martz, Z. f. H. Bd. 80 S. 355. 


1923] 


"Wir sehen also unter den sechs Typhusausschei- 
drinnen nur im Fall 1 positive Agglutination in der 
ISerumverdünnung 1:160, bei Fall 2 und 3 ergibt 
| die gleiche Serumverdünnung ein negatives Ergeb- 
fis, bei Fall 4, 5 und 6 fragliche Agglutinationen, 
wie sie als unspezifische Reaktionen nach den ver- 
schiedensten Erkrankungen auftreten können. Die 
Mehrzahl dieser Kranken zeigt also einen negativen 
4Widal, ein Ergebnis, das auch schon von anderer 
Seite bestätigt ist. Betonen möchten wir, dab die 
Int Agglutination verwendeten Typhusstämme 
Ficht agglutinabel waren und die Agglutination der 
IKtankenseren mit den homologen Stämmen meist 
Aiedrigere Werte ergab. Danach hat es den An- 
Ishein, als wäre die Widalsche Reaktion für die 
1 Erkennung von Typhusträgern ziemlich wertlos, 
Jumal wir bei unseren Kranken noch öfters ver- 
Anehrten Typhusagglutininen infolge der Schutz- 
impfungen begegnen. Daß solche Reaktionen dia- 
snostisch verwertbar sind, lehren die Beobachtun- 
gen, die H. Braun und W. Lies’) im hygienischen 
Institut zu Frankfurt machen konnten. Sie beob- 
ichteten, daß die Widalsche Reaktion auch bei 
Sehutzgeimpften im Sinne einer bestehenden Ty- 
usinfektion zu verwerten ist, wenn bei positivem 
Ausfall der Typhusagglutination (1 : 160 und höher) 
de Paratyphus A-Aufschwemmung eine Mit- 
“agglutination zeigt, deren Titerhöhe sich g in nie- 
[ten Werten (1 :40.bis 1:80) bewegt. Solche 
[iphuskrane 1 des Paratyphus 5 zeigen 


[yphuskranke in über 50 v. H. aller Fälle, Schutz- 
Bi dagegen niemals. Ob das gleiche auch 
ir die unspezifische Steigerung der Typhusagglu- 


"ine gilt, ist noch nicht entschieden. Wir konn- 


en 


°) Münch. med. Woch. 1918 Nr. 38. 


eton die Stimmung des gesunden Menschen ist 

mehr oder weniger labil als Ausdruck eines 
ychischen Gesamtzustandes, auf den eine Reihe 
„I verschiedensten Faktoren einwirkt. Unsere 
Stimmung ist zugleich die Resultante aller unserer 
N Tgangefühle, deren Ursache wir häufig gar nicht 
nmen. Wir wissen ja aus Selbstbeobachtung, 
daß b wir. bald heiterer Stimmung sind, bald wieder 


i 


pe 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ta 


deprimiert, ohne daß wir 


295 


ten die Beobachtungen von Braun und Lies auch 
bei unseren Dauerausscheidern bestätigen. Von den 
sechs Iyphusausscheidern zeigten vier Mitagglu- 
tinationen des Paratyphus A. Man wird sich des- 
halb bei den serologischen Blutuntersuchungen zur 
Erkennung von Dauerausscheidern nicht auf die 
bisher übliche Agglutination mit Typhus-, Para- 
typhus B- und Shigabakterien beschränken dürfen, 
sondern bei positivem Typhuswidal auch den Para- 
typhus A-Bazillus zur Agglutination stets mitver- 
wenden müssen, um "beobachtete Mitagglutina- 
tionen für eine noch bestehende Sn zu 
verwerten. 

Die Untersuchung der Liquoren auf Globu- 
line, GGesamteiweiß, Riest-N geschah in der üblichen 
Weise. Pathologische Eiweißmengen -(Globuline 
usw.) konnten unter 155 Untersuchungen 76 mal 
festgestellt werden. Unter den serologischen 
Liquoruntersuchungen nahmen neben der WaR. 
die Kolloidreaktionen eine bevorzugte Stelle ein, 
von deren Wichtigkeit in diagnostischer Beziehung 
wir uns immer wieder überzeugen konnten, so daß 
sie jetzt zu den stets ausgeführten Laboratoriums- 


untersuchungen gehören. Regelmäßig ausgeführt 
wurde die Langesche Goldsolreaktion. Die Er- 


gebnisse übertrafen bezüglich der Erkennung lueti- 
scher Liquorveränderungen wiederholt diejenigen 
der Wassermannschen Reaktion. 190 Reaktionen 
mit genügend testiertem Goldsol ergaben einen 
weitgehenden Parallelismus mit den übrigen 


Liquorreaktionen. Als Ergänzung des „Reaktions- 
spektrums” im Liquor bedeutet die Goldsolreaktion 
bei richtiger Anwendung einen Fortschritt der 
Liquordiagnostik, die für ‚den Dermatologen, 
Neurologen und Psychiater gleichmäßig wert- 
voll ist. i 


Wie wirken die Erkrankungen des Gastrointestinalapparates auf die 

| = Stimmung der Geisteskranken? 

Peter bei der Hundertiahrfeier der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte in Leipzig 
| am 22. September 1922. 

| on Dr. L. Stanojevic, Direktor der königl. Landesirrenanstalt Stenjevec bei Zagreb, Kroatien. 


dafür einen plausiblen 
Grund aufzufinden vermöchten. Im Sinne Wundts 
setzt die normale Verarbeitung innerer und äuße- 
rer Reize einen normalen Bewußtseinszustand 
voraus. Wo dieser, wie bei Geisteskrankheiten, 
alteriert ist, da wird damit auch die Reizverarbei- 
tung und dadurch die Stimmung verändert. 
Die Stimmung der Geisteskranken ist uns aus 


gebaut, schlecht genährt. 


296 


der alltäglichen Praxis wohl bekannt, aber wie auf 
die Stimmung bei schon längere Zeit bestehender 
Geisteskrankheit verschiedene Erkrankungen des 
Magens und Darmes einwirken, davon wissen wir 
bis heute nichts und darüber wird auch in der 
Weltfachliteratur nicht verhandelt. Das, was bis 
jetzt vorliegt, sind nur Arbeiten über die sog. 
Intoxikation vom Darmwiege aus, bei sonst geistig 
Gesunden. Über verschiedene dabei auftretende 
psychotische Erscheinungen berichten die Arbei- 
ten von Flemming, Griesinger, Wagner-Jauregg, 
Jakobsohn, Sölder, Bischoff, Binswanger, Berger, 
Regis, Seglas, Klippel, Hamilton, Wook, Camppel- 
Clark, und Macpherson, aber alle diese Arbeiten 
nehmen keine Beziehung auf die Wirkung einer 
Erkrankung des Verdauungsapparates auf die Stim- 
mung der Geisteskranken, deren bloße Körper- 
konstitution schon von der gesunden abweicht. 
Gerade deshalb halte ich es für wichtig, auch auf 
diese Frage auf Grund von Erhebungen bei 28 Gei- 
steskranken zu antworten, die bereits längere Zeit 
in der Irrenanstalt verweilen und dort interkur- 
rente Erkrankungen des Verdauungsapparates 
durchmachten. BE 

- Bei Erfüllung dieser Aufgabe war ich genötigt, 
auf den habituellen Geisteszustand der betreffen- 
den Patienten genauer einzugehen, um auf diese 
Weise möglichst deutlich . und markant die psy- 
chotischen Züge zu beschreiben, welche die Dauer- 
stimmung der Kranken charakterisieren, und damit 
auch den Wechsel der Stimmung unter dem Ein- 
dlusse einer akzidentellen Erkrankung klarer auf- 
zuweisen, | 


5 ` 
7 g 


* 


I. Oligophrenie (Idiotie). V. L., 15 Jahre alt, von 
Geburt blödsinnig. Laut Bericht des Gemeindearztes 
war der Patient seit einem Monat vor der Internierung 
zu Hause sehr unruhig, schrie und zerriß seine Kleider, 
gab auf Fragen keinerlei Antwort. In die Anstalt am 
29. Dezbr. 1919 verbracht, lag er bei der Visite zusam- 
mengekauert im Bette, mit verschränkten Armen, starrte 
¿vor sich hin, achtete kaum auf seine Umgebung, gri- 
massierte von Zeit zu Zeit und machte Drehbewegungen 
mit dem Kopfe. Status somaticus: Mittelgroß, grazil 
Bei der Untersuchung sehr 
unruhig, läßt unter sich. Pupillen mittelweit, rund, rea- 
gieren prompt auf Licht. Patellar- und Achillessehnen- 
reflexe beiderseits gleich auslösbar. Harn: Spez. Gew. 
1018, ohne pathologische Bestandteile. | 

25. August 1919. Seit zwei Tagen Durch- 
fall. Stuhl reichlich, dünnflüssig, schleimig, enthält 
unverdaute Nahrungsreste.. Der Patient ist stark nie- 
` dergeschlagen; starrt. stumpf vor sich hin. Zunge rein, 
feucht, am Abdomen kein pathologischer Befund zu er- 
heben. Fortschreitender körperlicher Verfall. Diagnose: 


Colitis catarrhalis. Therapie: Diät, Brom, Ölklistier. - 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


27. Jan. 1920. Stuhl normal, 
unruhig, lärmt und schreit. 
12. Febr. 1920. Wieder 
chische Depression. 


Durchfall. Schwere psy- 


Zellen. 4 
13. Febr. Durchfall dauert an. Der Patient ist 1 
ruhig, in sich gekehrt, der Gesichtsausdruck zeigt 


schwere Depression. 
14. Febr. Exitus letalis. 


| 15. Febr. Autopsie (Prof, Dr. Jurak) ergab folgen- 1 
den Befund: Microgyria levis gradus, Induratio cerebri. # 


[Nr 45/46 4 


der Patient ist wieder / 


Im Harne nichts Pathologisches, 
Blutuntersuchung ergibt Vermehrung der eosinophilen 1 


Synostosis praematura suturae longitudinalis. Infanti- T 
lismus. Bronchitis acuta. Colitis acuta. Aska- # 
riosis. Trichozephalosis. 


II. Paralysis progressiva. Dr. B. D., 46 Jahre alt, I 
! In die Anstalt f 
aufgenommen am 1. März 1920. Auszug aus der Kran- f 
kengeschichte: Laut Bericht des Hausarztes erwarb der T 
Vor 2 Monaten auffallende f 
Bei und nach der Aus 7 
nahme unruhig, spricht viel im Sinne von Größenideen, " 
kommt ohne sichtbaren Grund in heftigen Affekt, der 1 

Er zeigt keinerlei 7 
Kritik oder Einsicht in seine Lage, hält sich für voll- F 
kommen gesund, regt sich furchtbar auf, wenn ihm ein I 
Spielt ständig die "| 
Rolle eines großen Herrn, der verlangt, daß die allge- N 


verheiratet, von Beruf Rechtsanwalt. 


Jahren Lues. 
(jeistesstörung. 


Pat. vor -21 
Zeichen von 


ebenso schnell wieder verschwindet. 


Arzt vorhält, daß er „nervös” sei. 


meine Aufmerksamkeit auf ihn konzentriert und -seme 
Wünsche erfüllt werden. 


rer Gesichtsausdruck, Anisokorie, 
Romberg 0. 


dy ausgesprochen +. Starke Lymphozytose. 


9. April 1922. -In der Nacht dreimal Durchfall. Klagt ; 
bei der ärztlichen Visite, daß er sich schwach fühle, 4 
weswegen er den ganzen. Tag im Bette liegen misse 7 
Deprimiert, traurig, erklärt, daß ihm der Tod bevot- 
stehe. Objektiv: Zunge rein, feucht, im Abdomen nichts {f 
| Diagnose: Kata- 1 


rhalische Diarrhöe. Therapie: Diät, Prießnitz-Umschlag: ER 
jebhaftet, 


Besonderes, im Harn viel Indikan. 
11. April. Stuhl ‘normal, der Pat. ist 


spricht unaufhörlich und zeigt demente Euphorie. 


II. Progressive Paralyse. D. R., 49 Jahre alt, VAT 7 


In die Anstalt aufgenommeR Fi N 


heiratet, Feldarbeiter. 
5. Novbr. 1921. 
Pupillen reagieren auf Licht und Akkomodation, 


Status somaticus: Klein, gut gena 


sichtsausdruck stumpf, schlaff, erhöhte ‚Patellar- a 7 
Achillessehnenreflexe, 1. > r. Schwankt bei gesen 7 


i0, 
Hesitierende Sprache ohne Me 
in. SelN 


senen Augen. 
Abschwächung der Kritik und Einsichtslosigkeit I 
Lage. Be 
9.-Novbr. 1921. Das Lumbalpunktat zeigt eme 
höhten Druck des Liquors. Blut Wassermann 
Liquor Wassermann +++. — Nonne-Apelt 
Pandy stark ausgesprochen +. Weichbrodt pos! 
starke Pleozytose (63 Lymphozyten in 1 cmm). 


Status somaticus: Gut ent- fi 
wickelt und genährt, äußere Degenerationszeichen, lee- 4 
Argyli-Robertson 
Patellar- und Achillessehnenreflexe erhöht, gleich stark. 3 
Blut Wassermann +++, Liquor Wasser i 
mann +++. Nonne-Apelt stark ausgesprochen +. Pan- 1 


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11923} 


Unruhig: stört bei Nacht seine Mit- 
ihnen das Bettzeug weg, wird ag- 


11. Jan. 1922. 
Apatienten, nimmt 
I gressiv. 

wi: Tebr. 1922. _ Seit gestern 
Hald schreit er, bald weint er 
westliche Depression. Seit gestern be- 
fsteht Durchfall. Objektiv: Bauch etwas meteo- 
fiistisch, Druckempfindlichkeit in der Gegend des Colon 
iscendens. Zunge rein, feucht. Temp. 37,3. Im Harn 
Azeton +, Indikan +, spez. Gew. 1015. Diagnose: 
Katarrhalische Diarrhöe. Therapie: Diät, Prießnitz, Öl- 
f hlistier. 

20. Febr. Bei der 
f demente Euphorie. 


tu hig:ET., 
und zeigt 


ärztlichen Visite heiter, zeigt 


Stuhl wieder normal. 


IV. Schizophrenie. Gi. Br., 32 Jahre alt, unverheira- 
I kt, kriegsinvalider Offizier. In die Anstalt aufgenom- 
ten am 28. Dezbr. 1921. War schon im Jahre 1913 in 
Fer Irrenanstalt Steinhof. Anfang Dezember 1921 er- 
"ktankte er wieder akut, wurde sehr unruhig und voll- 
= ständig verwirrt, so daß man ihn nicht mehr zu Hause 
‚halten konnte. Seit dem ersten Tage seines Anstalts- 

‚aufenthaltes benimmt er sich läppisch, grimassiert dau- 
4 erd, spricht bei der ärztlichen Visite: in wichtigem 
4 Tone von banalen Dingen, reicht dem Arzte in manirier- 
fir Weise die Hand, behandelt ihn als alten Bekannten. 
fiochgradige Zerfahrenheit und Neigung zum Vorbei- 
l teden.. Status somaticus: Grazil gebaut, mittelmäßig ge- 
f tàhrt, Pupillen in Ordnung, Patellar- und Achillessehnen- 
Atilexe erhöht, gleich stark. Wagnersches Phänomen 
Abeim Druck auf die Augäpfel ausgesprochen. Innere 
= ohne besonderen Befund. 
= 21. Jan. 1922. Spricht fortdauernd laut mit sich 


4 selbst, große Affektlabilität, weint, lacht und singt 
i ireheinander, Schlechter: Schlaf. 
‚17. Febr. 1922. Seit gestern Durchfall mit Erbre- 


| Kin bei der Visite stark blaß und niedergedrückt. Liegt 
“apathisch im Bett. Objektiv: Zunge belegt. Druck- 
{ mpfindlichkeit des ganzen Bauches. Temp. 37,4, Puls 
A Harn: Spez. Gew. 1016, enthält keine pathologischen 


ewiri und benimmt sich aggressiv. 

fu V. Progressive Paralyse. Gi. Sti., 40 Jahre alt, 
{ Bauer. In die Anstalt aufgenommen am 10. Juli 1920. 
4 Bei der Aufnahme sehr unruhig, schwitzte stark, zer- 
er die Kleider, war ganz zerschunden, man konnte 
d Winer nur mit großer Mühe Herr werden, ihn ausziehen 
Fi in das Einzelzimmer stecken, wo er wieder sein 
f Strohlager zerwühlte, das zementierte Klosett heraus- 
| reißen, das Türschloß. abzubrechen und auch beim 
Fenster Zerstörungen anzurichten versuchte. Auf Fra- 
Jen oder Zureden reagierte er überhaupt nicht. Diese 


Fr bis zum 31. Dezbr. 1920. Hernach wurde er ruhig 
EN‘ gab auf Fragen besonnen Antworten. Status 
mat: Mittelgut genährt und entwickelt, 
p Merationszeichen, leerer, 'apathischer Gesichtsaus- 
tiek, Pupillen mittelweit, ungleich, rechts größer als 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


druck, ungleiche Pupillen, 


ä Bestandteile, Diagnose: Akute Gastroenteritis.: Thera- 
| 3 Diät, Prießnitz. 
I 25. Febr. Wieder unruhig, schreit, schimpft, spricht 


; Sychomotorische Aufregung . dauerte fast ununterbro- 


äußere ` 


297 


links, auf Licht minimale, auf Akkomodation gute Reak- 
tion. Patellar- und Achillessehnenreflexe lassen sich 
nicht auslösen. Blut Wassermann +++, Liquor Was- 
sermann —--+--. Nonne-Apelt +. Starke Pleozytose. 
In psychischer Hinsicht (1. Febr.): Zeitlich und örtlich 
ziemlich gut orientiert, euphorisch, gesprächig, sagt, er 
sei nicht krank gewesen, als man ihn hierher geführt 
habe. Kritik geschwächt, Einsichtslosigkeit in seinen 
Zustand. Zur Zeit des Examens ziemlich unruhig, 
manchmal zieht er sich mitten am Tage im Tagraunıe 
aus. - 

6. März 1922. Seit gestern Durchfall, Zunge rein, 
keine Druckempfindlichkeit des Bauches. Temp. 37; 
Sonst ruhig, ohne Interesse für die Umgebung, außer- 


ordentlich apathisch. Harn: Spez. Gew. 1016, enthält 
keine pathologischen Bestandteile. Diagnose: Katar- 
rhalische Diarrhöe. Therapie; Diät, Ölklistier. 

8. März. Stuhl in Ordnung, Pat. wieder "unruhig, 


schreit und lärmt. 


VI. Progressive Paralyse. St. J., 57 Jahre alt, un- 
verheiratet, Kaufmann. In die Anstalt verbracht am 
11. Dezbr. 1921. Auszug. aus der Krankengeschichte:; 
Vor 10 Jahren Lues, über ev. Behandlung derselben ist 
nichts zu erfahren. Vor fünf Monaten die ersten Zei- 
chen geistiger Erkrankung. Wiederholter Selbstmord- 
versuch, Angst vor Verfolgung usw. Vom 23. Novbr. 
bis 1. Dezbr. verweilte er auf der Grazer Universitäts- 
klinik, wo. er einer künstlichen Fieberkur durch Milchin- 
jektionen unterzogen wurde. In der Anstalt störrisch, 
gibt hochfahrende Antworten, zeitlich und örtlich schlecht 
orientiert, zeigt schwere Erinnerungsstörungen: es be- 
steht Sprachstörung in Form von Dysarthrie. Die 
Sprache ist eintönig, ohne Modulation. Status somati- 
cus: - Groß, schlecht genährt, stumpfer Gesichtsaus- 
r > ], dieselben entrundet, 
die rechte reagiert auf Licht träger als die linke, Ak- 
komodationsreaktion ist gut. Patellar- und Achilles- 
sehnenreflexe erhöht. Romberg 0. Harn: Spez. Gew. 
1018, enthält keine patholog. Bestandteile. , Bei der 
Lumbalpunktion erhält man klaren Liquor unter hohem 
Drucke. Blut Wassermann ——-—+, Liquor Wassermann 
+++.  Nonne-Apelt +. Pandy +. Weichbrodt +. 
Starke Pleozytose. 

23. Jan. 1922. Unruhig, aggressiv, 
kranken das Essen weg. 

2. Febr. 1922. Unruhig, führt Selbstgespräche, 
schläft nicht bei Nacht, muß zum Essen angehalten wer- 
den. 

12. Febr. Hört häufig beunruhigende Stimmen, 
schlägt um sich, schimpft und schreit auf die anderen 
Kranken. Riecht an den Speisen, ob nicht Gift darin 
sei. Zeigt beständig Angst. Des Nachts unruhig, 
schläft schlecht und stört die anderen. 


14. März 1922. Seit gestern Durchfall, bei der ärzt- 
lichen Visite liegt er ruhig im Bett, apathisch, stark be- 
drückt, der Schlaf ist besser, keine Gehörshalluzina- 
tionen, Objektiv: Die Zunge rein, feucht. Colon ascen- 
dens druckempfindlich. Temp. 37,1. Harn: Spez. Gew. 
1019, enthält Indikan in Spuren. Diagnose: Katarrha- 


nimmt den Mit- 


‘klagte 


298 


lische Diarrhöe. Therapie: Diät, Prießnitzumschlag, Öl- 
klistier. | 
18. März. Ganz apathisch, antwortet kaum auf 
Fragen, Stuhl wässerig, schleimig. Zusehends körper- 
licher Verfall. 
21. März. 


VII. Dementia praecox paranoides. V. V., 39 Jahre 
alt, unverheiratet, pensionierter Hauptmann. In die An- 
stalt gebracht aus der Pflegeanstalt „Steinhof? in Wien 
am 28. Novbr. 1920. Auszug aus der Krankengeschichte: 
Der Vater des Patienten ist Alkoholiker, eine Schwester 
ist geisteskrank. Der Patient besuchte die Offizier- 
schule mit schwachem Erfolge, erkrankte im April 1915. 

8. Dezbr. 1920. In der Anstalt größtenteils ruhig, 
hier und da Aufregungszustände.. Bei der ärztlichen 
Visite Vorbeireden, völlig zerfahrene Äußerungen; ruft 
auf einmal laut: „Wer kann beweisen, daß meine Mutter 
eine Hure war?” Zankt sich, droht usw. 

30. Dezbr. Schimpft und lärmt den ganzen Tag, 
sagt, die Katholiken seien Schweine, schimpft den König 
Peter, die Mitkranken nennt er schwäbische Schweine. 
Status somaticus: Hochgewachsen, schlecht genährt, 
Pupillen in Ordnung, Patellar- und Achillessehnenre- 
flexe erhöht, beim Druck auf die Augäpiel lebhafte Ab- 
wehrbewegungen (Wagnersches Bulbusphänomen). Harn: 
Spez. Gew. 1016, enthält keinerlei pathologische Be- 
standteile. 

27. Febr. 1921. Unruhig, geht den ganzen Tag am 
Gange auf und ab, fuchtelt mit den Händen und spricht 
mit sich selbst. Die letzte Nacht unruhig, wälzte sich 
im Bette und murmelte leise. Am Morgen fiel er über 


Exitus letalis. 


den Wärter mit Schimpfreden her, wollte nicht auf- 


Stehens: = | | 

11. Mai 1921. Sagt bei der ärztlichen Visite, er 
höre noch immer Stimmen, aber das mache ihm weiter 
keine Sorgen mehr. Meint, daß die anderen seine Ge- 
danken lesen können. 

25. Febr.: 1922. _.Gestern abend erbrach er und 
über Bauchschmerzen.. Bekam am Morgen 
Durchfall. Ißt schlecht, klagt über Schwäche in Armen 
und Beinen. Sonst ruhig, wie erschöpft, bedrückt. Ob- 
jektiv: Beim Druck auf den Magen- ausgesprochene 
Empfindlichkeit. Zunge rein, feucht. Temp. 36,5. Harn: 
Spez. Gew. 1017, enthält keinerlei patholog, Elemente. 


Diagnose: Akute Gastroenteritis. Therapie: Bettruhe, 
Diät, Prießnitz. | | | 
28. Febr. Befindet sich wohl, sitzt im Zimmer, liest 


Bücher und Zeitungen. Gegen die Ärzte immer freund- 
‚lich, auf dem Gesichte ein steifes Lächeln. 


VIH. Schizophrenie. F. A., 18 Jahre alt, unverhei- 
ratet, ohne Beruf. In die Anstalt gebracht am 23. Dezbr. 
1920. ‚Auszug aus der Krankengeschichte: Pat. ist ein 
‚uneheliches Kind, der Vater ein Trunkenbold. Schon 
seit einem Jahr bot sie Zeichen von Irrsinn. Schimpfte 
grundlos und- weinte dann: wieder. Bei der Aufnahme 
in die Anstalt war sie örtlich gut, zeitlich schlecht orien- 
tiert. Auf Fragen gab sie mangelhafte Anworten. Keine 
Krankheitseinsicht. Während des Examens benahm sie 
sich ruhig... Zufriedener "Gesichtsausdruck, kindisches 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


los, schläft schlecht. | 


R 
> 
di 


INr. 45/46 1 
Äußere mit Zügen von Neugierde. Hier und da flüstert 4 
sie vor sich hin. Gefragt, was sie da spreche, antwortet 1 
sie verlegen, daß ihr manchmal beim Tag und manch- % 
mal auch bei der Nacht Engel und die Muttergottes er- 
scheinen. (Gehörshalluzinationen und Wahnideen nicht 1 
feststellbar. Status somaticus: Mittelgroß, mittelgut ge- I 
nährt, Pupillen in Ordnung, Wagnersches Bulbusphä- T 
nomen ausgesprochen. Harn: Spez. Gew. 1017, ohne 1 
path. Bestandteile. | 


27. Jan. 1921. Spricht mit sich selbst, lacht grund 4 


24. Mai 1921. Lacht ohne sichtlichen Grund, ve- f 
weigert die Nahrungsaufnahme. 4 

l. Febr. 1922. Eine Zeit hindurch sehr aufgeregt, 9 
weint häufig, lacht dann wieder, spricht mit sich selbst, 
flucht und führt laszive Reden. a 

21. Febr. Seit drei Tagen Bauchschmerzen, Durch- 
fall. Objektiv: Zunge belegt, Druckempfindlichkeit in £ 
der Magengegend, liegt apathisch im Bette, stumm, gibt- $) 
spärliche Antworten. Temp. 37,1. . Harn: Spez. Gew. f 
1016, keine path. Bestandteile. Diagnose: Akute Gastro- ` l 
eñteritis. Therapie: Diät, Prießnitz, Rheum. 


IX. Paranoia. H. S., 65 Jahre alt, Witwer, von Be- 4! 
ruf Gastwirt. In der Anstalt seit 9. Febr. 1909. Bei der 7) 
Anstaltsaufnahme höflich entgegenkommend, zeitlich und $! 
örtlich gut orientiert, gibt besonnene Antworten, sagt f 
es sei an allem Schuld die „krizevacka politika”, auf die f 
Frage, was das- sei, verliert er sich in konfuse Rede P 
und gebraucht unverständliche Ausdrücke. Schon länge- 7 
re Zeit empfinde er, daß etwas gegen ihn im Gange sei. $ 
Auf die Aufforderung, diese Empfindungen zu beschre- 1 
ben, verliert er sich wieder in unzusammenhängendes f 
Gerede. Sagt, er schlafe wie gewöhnlich. Auf die f 
Frage, wie er dies „gewöhnlich” meine und ob er M f 
der Nacht Ruhe habe, antwortet er, daß’ er schon gehört y 
habe, wie man gegen ihn eine „Parade” ins Werk setze 7 
er werde sich aber dem”Arzte anvertrauen, und hoffe i 
dadurch dies zu vereiteln. Status somaticus: Mittel- 4 i 
groß, schlecht genährt, anämisch. Pupillen in Ordnuns q 
Reflexe normal. Innere Organe ohne path. Befund $ 
Harn: Spez. Gew. 1016, keinerlei patholog. Bestand {f 
teile. | | CORE 

28. Jan. 1920. Ruhig, geschlossen, spricht mit me 4 
mandem, antwortet auf Fragen des Arztes höflich. Sagt x 
er sei ein Opfer der „Pfendungen, d. h. der Fendan- 7] 
listen”, die Krone hätte sich ein wenig geneigt, hätte f 
sich mit den Pfaffen besprochen, und so sei er als iht ; 
Opfer nach Stenjevec gekommen. Er hätte sich dem 7 
durch Selbstmord entziehen wollen, aber um es au 4 
richtig zu sagen, habe er nicht gewußt, wie das a 8 i 
stellen. -Schon 22 Jahre quäle ihn eine Inquisition set i 
der Zeit, wo. er gepfendet worden war. Er habe keme 4 
Freiheit. > 

21. März 1922. 
klagt über Bauchschmerzen, besonders nachts. 
und ißt schlecht. N 

22. März. Pat. ist stark bedrückt, ganz nieder i 
gebrochen, fühlt sich schwächer. Beschuldigt sich, db J 
er- ein Blinder, ein Taugenichts sei. „Wie ich aao i 


Hat seit einigen Tagen Durchfall, > 
‚Schläft 


[123 


4 Welt gekommen bin, muß ich auch als Blinder sterben.” 
Vernunft und Verstand ist mitgenommen. Er habe ge- 
3 hört, er sei zum Tode verurteilt. Beklagt sich, daß man 
fiin verlassen habe. Er empfinde nur Kälte. An allem 
Ẹdesen sei der „Kronrat” schuld. Sieht ganz herunter- 
rekommen’ aus, hat schwachen Appetit. Objektiv: Zunge 
frein, feucht. Bauch etwas meteoristisch. Colon asc. 


Siruckempfindlich. Harn: Spez. Gew. 1016, enthält kei- 
wrlei patholog. Bestandteile. Temp. 36,8. Diagnose: 
Ẹfolitis catarrhalis. Therapie: Diät, Prießnitz. 


7 X. Melancholie. F. A. 57 Jahre alt, Bauer, Kriegs- 
Tinvalide. Wurde in die Anstalt am 14. Novbr. 1917 ver- 
Fracht, da er zwei Selbstmordversuche gemacht hatte, 
fud zwar das eine Mal, indem er sich den Hals zu 
F rschneiden versuchte, das andere Mal, indem er aus 
dem ersten Stock der Kaserne durchs Fenster springen 
i wollte. Auszug aus der Krankengeschichte: In der An- 
E fortdauernd traurig, deprimiert, spricht nur, wenn 
man ihn fragt, Bewegungen langsam, beklagt sich hier 
fmd da bei der ärztlichen Visite, daß er wegen seiner 
T vielen Sünden aus dieser Welt gehen müsse. Status 
N umaticus: Mager, blaß, periphere Arterien hart, gänse- 
f argelartig, Herzarhythmie mit Extrasystolen. Pupillen 
fi Ordnung, Patellar- und Achillessehnenreflexe erhöht, 
feich stark. Harn: Spez. Gew. 1016, enthält keine 
F nath. Bestandteile. Der Pat. ist die ganze Zeit ruhig, 
f schweigsam, hält sich rein, schläft. gut. 
= 24, März 1922. In der Nacht Durchfall, am. Morgen 
fhei der ärztlichen Visite stark deprimiert, schweigsam, 
fest im Bette mit angezogenen Beinen, verfällt körper- 
lich zusehends. Objektiv: -Zunge rein, Abdomen nir- 
{ tends druckempfindlich, Temp. 37,6. Harn: Spez. Gew. 
4115, Indikan +. Diagnose: Katarrhalische Diarrhöe. 
Í Therapie: Diät, Prießnitzumschlag. 
29. März. Durchfall besteht dauernd weiter, schwe- 
| 4 körperlicher Verfall, psychisch .schwer deprimiert. 
n = 5. April. Um 13 Uhr 30 mit. Exitus letalis. 


XI. Dementia senilis. P. P., 60 Jahre alt, verheiratet, 
In die Anstalt verbracht am 12. Oktbr. 
1 Auszug aus der Krankengeschichte: Anamne- 
f stisch ist zu erwähnen, daß sie im zweiten Jahre 
Ihrer Ehe einen Knaben gebar. Von den Angehörigen 
lbt ein Bruder und eine Schwester. In der Familie 
į Sind keinerlei Geisteskrankheiten vorgekommen. Die 
1 Pat, erkrankte im März 1921 mit Zeichen körperlichen 
| Verfalles, sie starrte oftmals wie abwesend vor sich hin 
And sprach verwirrtes Zeug. Ihre Reden hatten öfter 
Rligiösen Inhalt, sie sah überall den Teufel, wie er 
lort in der tiefen Grube sitzt”. In der Anstalt war 
die bei der Aufnahme zeitlich und- örtlich schlecht 
Mientiert, stark gehemmt, faßte schwer auf, antwortete 
(“st nach mehrmaliger Wiederholung der Frage und dann 
er langsam und mit leiser Stimme. Halluzinationen 


KEKE 

FEN. 
BA. j 

Eey = 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


299 


oder Wahnideen ließen sich nicht feststellen. Je länger 
das Examen dauert, um so mehr wird sie gehemmt, will 
nicht mehr antworten, wiederholt nur stereotyp: „Sie 
wissen es ja ohnehin.” Auf die Frage, ob sie traurig 
sei, sich vor etwas fürchte, sagt sie mit müder Stimme: 
„Ich fühle mich sehr schwach.” 

25. April 1922. Seit zwei Tagen Durchfall, 
mung kKleinmütig, gedrückt, 
liegt ständig apathisch im Bette ohne irgendwelches 
Interesse. Objektiv: Zunge rein, feucht, keine Druck- 
empfindlichkeit des Bauches. Harn: Spez. Gew. 1016, 
enthält nichts Pathologisches. Diagnose: Colitis catar- 
rhalis. Therapie: Diät, Prießnitz. 


28. April. Stuhl in Ordnung, Pat. etwas lebhafter, 
spricht verwirrtes Zeug durcheinander. 


Stim- 
hier und da Angstanfälle 


XII. Paralysis progressiva. M. J., 38 Jahre alt, ver- 
heiratet, Aufseher im milit.-technischen Institute. Wurde 
in die Anstalt verbracht am 9. März 1922. Auszug aus 
der Krankengeschichte: Bei der Aufnahme ruhig, zeit- 
lich schlecht, örtlich gut orientiert. Erzählt, er habe 
vor 25 Tagen im Dienste einen Anfall bekommen, bei 
dem er verwirrt wurde und das Bewußtsein verlor. Im 
übrigen fühle er sich vollkommen gesund. Er esse und 
schlafe gut. Die Potentia coeundi sei angeblich unbe- 
grenzt. Vor sechs Jahren hätte er sich in Frankreich 
mit Lues infiziert und sei dortselbst behandelt worden. 
Beim Sprechen läßt der Pat. einzelne Silben aus, beim 
Wiederholen von Sätzen ganze Wörter. Im Trinken 
und Rauchen war er angeblich mäßig. In der Familie 


seien keine Geisteskrankheiten vorgekommen. Vegeta- 
tive Funktionen in Ordnung, Status somaticus: Mittel- 


groß und mittelgut genährt. Pupillen eng, gleich weit, 
linke entrundet, die rechte reagiert auf Licht etwas 
träger als die linke. _ Tremor linguae et manuum. 
Patellar- und Achillessehnenreflexe erhöht, gleich stark. 
Romberg 0. Harn: Spez. Gew. 1015, enthält keinerlei 
path. Bestandteile. = 
10. März 1922. Lumbalpunktion ergibt erhöhten 
Liquordruck. Blut Wassermann ++++, Liquor Was- 
sermann +++. Nonne-Apelt +. Pandy +. Weich- 
brodt +.  Ausgesprochene Pleozytose (21 Zellen in 
1 cmm). | 
29. März. Bei der ärztlichen Visite stark apathisch, 
klagt, er sei wie aufgetrieben, er habe Aufstoßen, seit 
drei Tagen habe er keinen Stuhl. Mürrische Stimmung: 
Obiektiv: ImColon descendens massive Kotballen, Bauch 
leicht meteoristisch, Zunge rein, feucht. Temp, 36,9. 


‘Harn: Spez. Gew. 1018, enthält ein größeres Quantum 


Indikan. 
Diät. 
1. April 1922. Stuhl in Ordnung, Pat. fühlt sich 
frischer und kräftiger, er beklagt sich über nichts. 
(Fortsetzung folgt.) 


Diagnose: Obstipation. Therapie: Calomel 0,3, 


300 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[Nr. 45/46 1 


Der Okkultismus und seine Gegner. 


Von“ Dr. 


| (je den Autoren, die zur Frage des Okkultis- 

mus in dieser Wochenschrift bisher das Wort 
ergriffen haben, sind es vorzugsweise drei, die, 
jeder in seiner Art, einen typischen und richtung- 
weisenden Standpunkt vertreten, nämlich Bresler, 
Friedländer und Sünner. 

Der erstgenannte Autor kommt in seinen Dar- 
legungen: zu dem Ergebnis, dab er den Okkultismus 
unbedingt ablehnt. 
ungläubig gegenüber und zweifelt nicht, daß sie teils 
auf Betrug der sogenannten Medien beruhen, teils 
auf Selbsttäuschung und Fehlerquellen in der Beob- 
achtung zurückzuführen sind, ja er ist nicht weit 
entfernt von der Behauptung, daß der Okkultismus 
aus einer krankhaften Geistesverfassung seiner An- 
hänger zu erklären sei (s. seinen Aufsatz „Ge- 
heimsucht” in dieser Wochenschrift vom 6. Mai 
1922). Bresler sieht im Okkultismus keineswegs 
eine Wissenschaft, sondern besten Falles eine ‚Irr- 


lehre”, die sich auf „rezellose, unbestätigte Einzel- 
beobachtungen“ aufbaut (s. diese Wochenschrift 
1922 S. 98). 


Mit dem Epitheton „regellos” mag Bresler recht 
haben; denn wären die okkultistischen Erscheinun- 
gen regelrecht und entsprächen sie dem Schema des 
Naturgeschehens, so brauchten sie wahrlich nicht 
zum Gegenstand einer besonderen Forschung ge- 
macht zu werden. Ihre Regelwidrigkeit gereicht 
schon dem Proktophantasmisten in Goethes Faust, 
hinter dem sich bekanntlich der Aukflärer und Ver- 
standesfanatiker Nicolai verbirgt, zum lebhaften 
Ärger und veranlaßt ihn zu der beweglichen Klage: 
„Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel. 
Wir sind so klug, und dennoch spukt’s in Tegel!” 
Hingegen darf Breslers Annahme, daß der Ok- 
kultismus aus „unbestätigten Einzelbeobachtungen” 
‘bestehe, nicht unwidersprochen bleiben. Denn er 
umfaßt im Gegenteil eine unabsehbare Fülle von 
Erscheinungen, und diese sind etwa nicht bloß 
hier und da, vereinzelt und in unkontrollierbarer 
Weise aufgetreten, sondern sie sind: vielmehr von 


zahlreichen Forschern beobachtet und bezüglich- 


ihrer Tatsächlichkeit über allen Zweifel sicher- 
gestellt worden. Zur Stütze dieser Behauptung 
könnte ich mich auf eine ganze Reihe von aner- 
kannten Autoritäten in den Naturwissenschaften 
berufen. Ich beschränke mich iedoch darauf, als 
meinen Gewährsmann allein L. Löwenfeld, Mün- 
chen zu nennen, weil bei einer Besprechung von 
dessen Schrift über „Aypnotismus. und 
Medizin” 


Er steht seinen Erscheinungen . 


sich Bresler über die Urteilsfähigkeit - dern daß auch einmal von Hellsehern irgend 


med. Paul Bergmann, Berlin. 


dieses Autors besonders anerkennend äußert (s 1 


diese Wochenschrift 1922 S. 41). 

Löwenfeld nun ist es, der in seinem „Som- 
nambülismus- urd- Spiritism us 3 
Aufl, Wiesbaden 1907) alle okkulten Phänomene 
eingehend bespricht, und obwohl er diesen mit T 
weitgehender Skepsis gegenübersteht und aus f 
äußerste bestrebt ist, sie auf bekannte Naturgesetze 
zurückzuführen, so kann er doch nicht umhin, be- 
züglich von dreien der hier in Frage stehenden Er- 
scheinungsgruppen folgendes zu erklären: 

l. „Wir en vorläufig es dabei bewenden 
lassen, dás: Ternsehen als 
aber noch unerklärliche Leistung des Gehirns Zu 
Due. 


2. „Die Möglichkeit einer geistigenF ern- 


wirkung von einem Menschen auf andere ohne 


Vermittlung der uns bekannten Sinne ist nach den 4 
derzeit vorliegenden Erfahrungen nicht abzu- f 
leugnen.” 

3. Man wird zugeben müssen, daß, wenn es sich 
auch bei den Materialisationen in den 
spiritistischen Sitzungen wohl zum größten Teil 
um Täuschungen gehandelt hat, die durch .betrüge- 


rische Manipulationen der Medien oder Halluzina- 7 
tionen und Illusionen der Teilnehmer hervorgerufen T 
wurden, man doch auch manche Materialisationen, q 


über welche von anerkannten Forschen berichtet 
wird, als echt ansehen darf.” 


Nach solchen Erklärungen eines von ihm selbst T 
als Autorität anerkannten Forschers ist Bresler 1 
nicht mehr dazu berechtigt, an seinem Unglauben # 
gegen die okkulten Erscheinungen festzuhalten und 2 


ihre Wirklichkeit in Abrede zu stellen, sondern es A i 


erscheint vielmehr an der Zeit, diesem negierenden Es 


Standpunkt, in sinngemäßer Übertragung auf die 1. 
hier vorliegende‘ Frage, jene Worte entgegenzi- T 


halten, die Schopenhauer in seinem ‚Versuch | 


„Wer É 


heutzutage die Tatsachen des animalischen Mague- 4 
tismus und seines Hellsehens bezweifelt, ist nicht 7 i 


über Geistersehen” ausspriche 


mehr ungläubig, sondern unwissend zu nennen. 4 
Vertritt Bresler den Standpunkt der unbeding- 1 
ten Ablehnung, so kommt Friedländer zu eine 


dingten Zustimmung. Er macht nämlich seine An- Er 
erkennung des Okkultismus einmal davon abhängig. j 
daß er die fraglichen Erscheinungen persönlic I 


beobachte oder erlebe, und sodann, daß die angeb- | R 
lich okkulten Kräfte nicht bloß „sich durch Klopi- 


töne und andere Scherze bemerkbar machen, Bi A 
etwas g 


eine tatsächliche, 1 


rbe 4 


11923] 


Bedeutsames für einen Menschen, für eine Familie, 
lür ein Volk wirklich Wertvolles festgestellt oder 
vorhergesagt werde”. Beide Bedingungen aber 
“sind meines Ermessens durchaus unberechtigt. 
| Die erstere sucht Friedländer zu begründen 
durch den Hinweis darauf, daß „die Überzeugung 
fedes Menschen, von allem anderen abgesehen, auf 
seinen persönlichen Erfahrungen beruhe.” Dieses 
Argument steht aber in unverkennbarem Wider- 
“spruch mit der allgemein bekannten und jeden 
f Augenblick beweisbaren Erfahrungstatsache, daß 
die Menschen in ihrer großen Masse gerade von 
{dm ohne Wank überzeugt sind, was sie nicht per- 
‘ sönlich erfahren haben, sondern was auf dem Wege 
der Überlieferung zu ihrem geistigen Besitztum ge- 
‘worden ist. Ja, sie mißtrauen eher dem Zeugnis 
ihrer Sinne als einer allgemein verbreiteten und 
‚herrschenden Meinung. Die zivilisierten Menschen 
 iweiteln fast ausnahmslos keinen Augenblick daran, 
i daß die Sonne am Himmelsgewölbe still stehe, aber 
dese Überzeugung beruht keineswegs auf per- 
l Sönlichen Erfahrungen, die ihnen vielmehr das 


‚Gegenteil lehren, sondern auf irgendwelchen 


| sie auf Treu und Glauben annehmen. Aber nicht 
bloß unter den „Gebildeten”, sondern auch unter den 
Í Gelehrten gibt es gewiß nur wenige, die sich ihren 
| ‚geistigen Besitzstand in seinem ganzen oder auch 
| ur größeren Umfange allein durch persönliche Er- 
‚ahrungen erworben hätten. 

Wenn dem aber so ist, so liegt in diesem Sach- 


| verhalt keineswegs der Vorwurf eines Mangels an 


| Nsglaube ist vielmehr auch in der Wissenschaft 
| eine unausweichliche Notwendigkeit; ohne ihn 
ü Wären Fortschritte kaum denkbar. Der Historiker, 
i m nur ein Beispiel zu wählen, wäre zu unfrucht- 
| darer Arbeit verurteilt, wenn er genötigt wäre — 
| Seinen persönlichen Erfahrungen zuliebe — jede 
"überlieferte Geschichtszahl, anstatt sie als fest- 
| hende und bekannte Größe anzuseħen, durch 
| mständliches Quellenstudium auf ihre Richtigkeit 
| din nachzuprüfen. Und — um auf ein uns näher 
| iegendes Gebiet zu exemplifizieren .— wie oft 
| Sründet sich unsere ehrliche und feste Überzeu- 
Sing von der Heilkraft eines Arzneimittels nicht 
| teigene persönliche Erfahrungen, sondern auf Ver- 
‚Suche, die andere mit ihm unternommen haben, 
j = die verba magistri oder den consensus omnium! 
| Vie viele Abhandlungen über medizinische Gegen- 
| tinde würden gar nicht zustande. kommen, wenn 
die Autoren allein von solchen Tatsachen Gebrauch 
machen dürften, von deren Richtigkeit sie sich 
ars eigene Forschungen und Erfahrungen. über- 


ae Nea FA EEE TEE ED Tu ET paz la e AT i Ba 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Schlecht oder gar nicht begriffenen Lehrsätzen, die 


‚tellektueller Selbständigkeit, sondern der Autori- ` 


301 


zeugt haben! Daher aber darf auch ein Arbeiter 
auf okkultistischem Felde sich nicht darauf be- 
schränken, allein die von ihm selbst erlebten Er- 
scheinungen in ihrer Realität anzuerkennen, son- 
dern er hat bis zum Beweise des SR 
senteils als gesichertes Wissens- 
gut auch diejenigen tara ams: 
zuerkennen, die von -’einwandfreien 
Beobachtern übereinstimmend be- 
richtet und als solche festgestellt 
worden sind. 

Ebenso unberechtigt ist die andor Bedingung. 
Friedländers, wonach sich aus den okkulten Er- 
scheinungen erst einmal irgendein erweisbarer 
Nutzen ergeben soll. Verständlich erscheint diese 
Forderung nur dann, wenn — wie auch wohl von 
Friedländer — angenommen wird, die Okkultisten 
wübten die fraglichen Vorgänge nicht anders als 
durch das Eingreifen von Geistern zu erklären. In 
diesem Falle nämlich ergibt sich infolge der über- 
lieferten Vorstellungen, die man allgemein mit dem 
Begriff eines ‚„Geistes” verbindet, fast von selbst 
die Forderung, dieses Wiesen solle seine Existenz 
nicht durch Klopfen, Werfen, Tischheben und ähn- 
liche geistlose Kundgebungen beweisen, : sondern 
es solle seine Vernunft dartun und sich womöglich 
dem menschlichen Erkenntnisvermögen überlegen 
zeigen. | 

Friedländer übersieht Ben daß die Geister- 
hypothese allein von den Spiritisten gebraucht wird 
und dab der Okkultismus es gerade als eine seiner 
wichtigsten Aufgaben betrachtet, diese Hypothese 
überflüssig zu machen, indem er zu beweisen sucht, 
daß die okkulten Vorgänge durch bisher noch un- 
erforschte Kräfte der menschlichen Seele bewirkt 
werden. Die weitreichende Bedeutung eines jeden 
okkulten Phänomens, welcher Art es sein mag, be- 
ruht nicht auf irgendeinem intellektuellen Gehalt, 
sondern allein darauf, daß wir auf eine Klasse von 
Erscheinungen hingewiesen werden, die im Gegen- 
satz zum Naturgeschehen nicht durch mechani- 
sche Ursachen, auch nicht auf psycho-physischem 
Wege, sondern allein kraft unserer Psyche zu- 
standekommen. Diese offenbart uns in den ok- 
kulten Erscheinungen — und beständen sie auch 
nur in einem einfachen Klopfen — ihre uns sonst 
verborgene Selbstherrlichkeit, durch die. sie in 
voller Freiheit von körperlichen Bedingungen und 
ohne alle mechanischen Behelfe zu autonomem 
Wirken befähigt wird. | 

Was endlich Sünner Asche so wird er sich 
vermutlich dagegen verwahren, zu den G&gnern 
des Okkultismus gezählt zu werden; hat er sich 
doch erst kürzlich durch seine Gründung‘ der 


| = Schauung beruht. 
„Exakten” die beruhigende Versicherung, der Ok- 


302 
„Ärztlichen Gesells chaft Emr pakas 
psychische Forschung” ein unleugbares 


und-hoch zu bewertendes Verdienst um die okkul- 
tistische Bewegung erworben. Jedoch bekundet 
er in seiner Polemik mit Friedländer (s. diese Wo- 
chenschrift 1922 Nr. 5-6 und 15-16) einen Stand- 
-punkt, der geradezu gleichbedeutend ist mit einer 
Verneinung des Okkultismus oder wenigstens mit 
einer Verkennung seines wahren Wesens. 

Es wirkt schon befremdlich, wenn man sieht, 
wie Sünner in seiner Entgegnung auf die Fried- 
länderschen Angriffe sich vor den „Weissagun- 
gen des Nostradamus” sozusagen bekreuzigt und 
sich beeilt, seinem _Diskussionsgegner zu be- 
teuern, dieses Buch sei ihm fremd, und „er habe 
ebensowenig. Interesse daran wie Herr Professor 
Friedländer”. Nun kann es aber nach den licht- 
vollen Darlegungen Max Kemmerichs in seinem 
Buche „Prophezeiungen” (München 1911) 
gar keinem Zweifel mehr unterliegen, daß der Arzt 
"Michel Nostradamus wichtige Ereignisse der Welt- 
geschichte in zwar verhüllter, aber doch untrüg- 
licher Weise mit unverkennbaren Einzelheiten vor- 
ausgesagt hat. Trotzdem will Sünner die zeit- 
liche Fernschau aus dem Okkultismus, wie er ihn 
versteht, ausgeschaltet wissen, und er verschweigt 
ihn unter den ausdrücklich von ihm aufgezählten 
(Gegenständen, mit denen allein sich seiner An- 
sicht nach die wissenschaftliche Forschung zu be- 
fassen habe. 

»Man beginnt diese Ansicht zu verstehen, wenn 
man liest, daß er den Anhängern der okkultistischen 
Forschung das Streben zuschreibt — oder muß es 
heißen vorschreibt? —, „das noch Verborgene und 
Ungeklärte der Erfahrungswissenschaft einreihen 
und zu dem mit dem Verstande Erfaßbaren ge- 
stalten zu wollen”. Bisher schien es klar zu sein, 
daß die „exakten Naturwissenschaftler”” den Ok- 
kultismus bekämpften oder noch lieber totschwie- 
gen in der ahnungsvollen Erkenntnis, daß seine 
Anerkennung gleichbedeutend sei mit der Preis- 
gabe des materialistischen. Dogmas, auf dessen 
Grunde ia ihre Wissenschaft und ihre Weltan- 
Jetzt aber gibt Sünner den 


 kultismus sei eigentlich Fleisch von ihrem Fleisch, 
und sein Karren sei im Begriff, auf das altgewohnte 
Geleis der een geschoben zu 
werden. 
Sünner scheint jedoch nicht zu sehen, daß er 
mit seiner Erklärung Aussichten eröffnet, die uner- 
füllbar, ja utopisch sind, und zwar darum, weil die 
okkulten Vorgänge von den zur Erfahrungswissen- 
schaft ‚gehörenden Erscheinungen toto genere ver- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


y 
S 


INr. 45 


schieden sind. Eine jede Erscheinung nämlich F 
im erfahrungswissenschaftlichen Sinne dann al 
erklärt, wenn sie letzten Endes auf Phänomel 
von mechanischer oder zum mindesten von physi 
kalischer oder chemischer Art zurückgeführt wef 
den kann.- Daher werden sogar die dunkelsten uif 
kompliziertesten aller Lebenserscheinungen, näm 
lich die Sinnesempfindungen sowie das Denkel 
Fühlen und Wollen, nicht mehr als Rätsel angel 
sehen, weil wir zu erkennen vermögen, daß! 
von elektrischen und chemischen Zustandsänd 
rungen im Zentralnervensystem verursacht odi 
wenigstens begleitet werden. Bi 

Nun ist es aber ganz undenkbar, daß ein of 
kulter Vorgang mit irgendwelchen physischen Ve 
änderungen innerhalb oder außerhalb unserdf 
Organismus in ursächlichen Zusammenhang s 
bracht werden kann. Denn diese Veränderung 
sind nur möglich durch unmittelbare oder mittel 
bare Berührung mit dem sie verursachenden ONE 
iekt nach dem keine Ausnahme duldenden Grund 

satz: nullus effectus sine tactu. f 

Es ist aber vergebliche Mühe, das okku 
Klopfen, das zweite Gesicht, die Gedankenübertif 
gung, die Psychometrie und ähnliche Vorgäng 
durch irgendwelche Bewirkungen. physischer Aif 
zwischen dem ihnen entsprechenden Objekt ug 
dem Medium erklären zu wollen. Denn zwischif 
beiden gähnt ein leerer Raum, und der lali 
sich durch Gehirnstrahlen, durch psycho-physiscd 
Emanation, durch AÄtherkörperchen und ande 
ebenso fragwürdige Dinge keineswegs ausfüldl 
sondern die damit versuchten Erklärungen mach 
die Sache nicht klarer und sind problematischer fl 
das Problem, das sie lösen sollen. Sollte es ab , 
wirklich einmal gelingen, irgendeine Klasse W 
okkulten Erscheinungen physisch oder auch mip 
psycho-physisch zu erklären, so würden sie RR 
den ihnen bisher zugeschriebenen Charakter oig 
büßen und zw supranormalen Phänomenen werda 
denn das Wesen des Okkulten besteht in der ul) | 
vermittelten Fernwirkung. 

Schon Schopenhauer, obwohl er die Oki / 
Erscheinungen nach dem Sprachgebrauch seill 
Zeit als tierischen Magnetismus bezeichnet, hat mg 
seinem erstaunlichen Tiefblick für den Kern iod 1. 
Dinges ihr eigentliches Wesen durchschaut, UF 
dieses hat er darin gefunden, daß in ihnen die Sel i 
— oder, wie er sie nennt, der Wille — mitti 
einer actio in distans zur selbständig 
körperfireien Wirkung gelangt. Mit dieser Hy 
these läßt sich alles, was im Okkultismus zu 
tritt, zwanglos erklären, aber freilich nur für dei l 
jenigen, der in der Seele nicht, gemäß der Wulf 


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1 


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En Aktualitätstheorie, die bloße Summe und 
i finheit der höheren Gehirnfunktionen sieht, son- 
lern der mit Plato, Aristoteles, Augustinus, den 
Scholastikern sowie mit Kant und Schopenhauer die 
afele als eine an sich selbständige, vom Körper 
g oo Wesenheit erkennt. 

= Gerade weil sie vom Körper wesensverschieden 
lt läßt sich recht wohl begreifen, daß die Seele, 
Im Gegensatz zu ihm einer actio und visio in distans 
fähig ist, und zwar dann, wenn es ihr unter beson- 
feren Umständen gelingt, sich aus ihrer Arbeits- 
if gemeinschaft mit ihm vorübergehend zu befreien, 
d his wo sie dann „einhertritt auf der eigenen Spur”, 
ob 
„reise betätigt und alles das, was wir okkult nen- 
el jen, hervorzurufen vermag. 
Was man auch von dieser Hypothese halten 
Ai nag, es gibt jedenfalls keine andere, die uns die 
kulten Vorgänge auch nur annähernd so befrie- 
i figend zu erklären vermag. Und andererseits ist 
ferienige, der sie zurückweist, zu der Sisyphus- 
i Arbeit genötigt, die okkulten Phänomene ins Er- 
uührungswissenschaftliche umzubiegen, was ihm 


i 


— — —— 


N 


j Beyer, | Dr. med. Alfred, Menschenökonomie. 
j 13 S. Berlin und a 1922, J. AH. W. Dietz Nachi, 
= b. H. 


N Dieses mit großer sine und mit vollster 
Hingabe und edler Begeisterung für hohe Menschheits- 
e| dheal und -ziele geschriebene Buch wird auch in unse- 
fen Fachkreisen mit Nutzen gelesen werden, da wir 
i Jin gerade an der Stelle tätig sind, wo die Mängel 
i r menschlichen Daseins- und Gesellschafts- und Wirt- 
a Rhaftstorm mit all ihren Schädigengen der körperlichen 
a fud geistigen Gesundheit sich am furchtbarsten kundtun. 
Von den einzelnen Abschnitten seien genannt: Natürliche 
nd kulturelle Entwicklung, Selbstsucht und Nächsten- 


Ai natürliche Berufung und Beruf, Glück und Arbeit, | 


Arbeit und Arbeitswissenschaft, die. Gesellschaft als 
Maurzieı und als individueller Wunsch, Automatisierung, 

' filage und Züchtung, Psychologie und Rechtspflege, die 
Fizewandte Psychologie im täglichen Leben. ‘ Es kann 
k erfreuliche Mitteilung hier angefügt werden, daß 
i fie in dem Buch gemachten Vorschläge bereits zum 
toßen Teil in die Praxis umgesetzt sind durch die vom 
Wertasser bewirkte Gründung einer Gesellschaft zur För- 
Pung der angewandten Psychologie (eingetragener 
Feten), in welcher sich hervorragende Vertreter von 
Anisterien und anderen wichtigen Zentralbehörden und 
` wissenschaftlichen Kreisen befinden, und der, wie 


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aus 


2 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ire eigengesetzliche Erkenntnis- und Wirkunes- 


Buchbesprechungen. 


Elektrizität. 


für Heizzwecke bei 
Elektrische Meßinstrumente. 


303 


nur dann gelingen kait wenn er bloß an ihrer 
Oberfläche umhertastet ugd wenn er sich wohl 
hütet, ihnen auf den Grund zu gehen. Die Okkul- 
tisten, soweit sie Gegner des Sub stan z begriffs 
der Seele sind, können die Hypothese von der Seele 
als Bewirkerin der okkulten Erscheinungen natür- 
lich nicht annehmen, aber dann müssen sie sich, 
unter Verzicht auf jede Erklärung, darauf be- 
schränken, die Phänomene zu beobachten, zu be- 
schreiben und in Klassen einzuteilen. Damit wäre 
dann freilich, dem Wunsche Sünners entsprechend, 
der Okkultismus in die Erfahrungswissenschaften 
eingereiht, aber auf Kosten seines eigentlichen 
Wesens. Auf diese Art von Okkultisten passen nur 
allzu sehr jene denkwürdigen Worte, die Goethe. 
am 16. Dezember 1828 zu Eckermann über gewisse 
Naturforscher seines Zeitalters geäußert hat: „Sie 
halten zu sehr auf Fakta und sammeln deren zu 
einer Unzahl, wodurch nichts bewiesen wird. Im 
ganzen fehlt der theoretische Geist, der fähig wäre, 
zu Urphänomenen durchzudringen und der ein- 
zelnen Erscheinungen Merr zu werden.” 


= 


zu hoffen, auch recht viele Psychiater beitreten werden. 
Dr. Beyer wurde zum ersten Vorsitzenden dieser Ge- 
sellschaft gewählt. 


— Mandel, Dr. J. A., Prof. d. Chemie, New York, 
und Steudel, Prof. Dr. H., in Berlin: Minimetrische 
Methoden der Blutuntersuchung. 26 S. Mit 4 Figuren 
im Text. Berlin und Leipzig 1921, Vereinigung wissen- 
schaftlicher Verleger, Walter de Gruyter & Co. Geh, 
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Beschreibt u. a.: Biutenldahrne: Gewinnung eines 
eiweißfreien Filtrates aus Blut, Bestimmung von Rest- 
stickstoff (Colorimeter), Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin, 
Kreatin, Traubenzucker, Chloriden, Kohlensäure. 


— Haustechnische Rundschau. Zeitschrift für Haus- 
und Gemeindetechnik. Halle a. S., Carl Marhold Ver- 
lagsbuchhandlung. | 

Aus dem Inhalt der letzten Hefte. 

Heft 19: Zum neuen Jahre! Die Kosten der Speisen- 
bereitung bei Verwendung fester Brennstoffe, Gas und 
Wasserversorgungsanlagen. 

Die Verwendung von Gas und Elektrizität 
den derzeitigen NHeizstoffpreisen. 


Heft 20: 


Heft 21: Kochanlagen in gewerblichen Betrieben. 


Elektrische MeBinstrumente. 


f j Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres liiig in Doppelnummern. 


nr der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 


— Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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24, Jahrgang, 1922/23, Nr. 47/48. Halle a. S., 24. Februar. | 


Wochenschrift. 


Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Psychiatrisch-Neurologische 
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Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlune in Halle a. S. 
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Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener-Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


>| Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
| birken b. Leichl., Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
II Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
I (Rhl.), Geh. Med.-Rat Dr. Ilberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), San.-Rat Dir. Dr. Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. „elite 
| Hartheck, Geh. San.-Rat Dr. Mercklin, Treptow a. R., Dir. Dr. v. Olah, Budapest, Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 
| Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. et phil. Sommer, Gießen, Reg.-Rat Dr. San 
I Mauer-Öhiing (N.-Ö.), Ob. ien -Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 


Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


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Bezugspreis: ; Zu beziehen durch jede Buchhandlung, 

Es R Verlag und Ausgabe: die Post und unmittelbar vom Verlage. 

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Postüberweisungsgebühr. Carl Marhold Verlagsbuchhandlung TSCHEInG: Bisz aurs weiteres  YISTZERNE 


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3 A Dollar 4, Tschech.-Slov. Kr. Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstraße 28. das Rückporto beizufügen. 


Inhalt: Okkultismusforschung. Von Dr. K. Schmelzeis, Oberarzt a. D. (S. 305.) -— Wie wirken die Erkran- 
| kungen des Gastrointestinalapparates auf die Stimmung der Geisteskranken? Von Dr. L. Stanojevic. 
| Schluß. (S. 308.) — Mitteilungen. (S. 315.) — Personalnachrichten. (S. 316.) 


RER 


Okkultismusiorschuneg. 
Von Dr. K. Sohmelzeis, Obierarzt a. D.”) 


\ Ki den Bemerkungen, die ich seinerzeit an eine Inzwischen hat Dr. Friedländer in weiteren 
2 Abhandlung von Friedländer über sogenannte Aufsätzen seine Stellungnahme geklärt, mit der 
epathic anknüpfte, gedachte ich nicht in einen man sich vom wissenschaftlichen Standpunkt aus 
fie einungsstreit über okkultistische Fragen in der durchaus einverstanden erklären kann. In seineti 
hy Chiatrisch-Neurologischen Wochenschrift ein- Anforderungen an die Versuchsanordnung geht er 
treten, da ich nicht annahm und auch heute nicht m.E. allerdings noch nicht weit genug. Wenn er 
nni hme, daß deren Leser gerade sehr erbaut sein für das Lesen der Zettel durch den Gedankenleser 
dürf en über derartige Erörterungen in ihrer Zeit- verlangt, daß der Zettel in einem entfernten Zim- 
rift, in welcher ihnen doch wohl andere Fragen mer von dem Untersucher in den Umschlag gelegt 
u htiger sind. Meine Absicht war vielmehr, den werden soll, haben andere bereits weitergehend ver- 
| durch die micht ganz klare Fassung des. Friedländer- langt, daß der Untersucher den Inhalt des Zettels 
x schen Aufsatzes nahegelegsten Eindruck nicht auf- überhaupt nicht kennen soll, damit keine Möglich- 
ommen zu lassen, als wenn größere Teile der dem keit irgendeiner Art von Mitteilung von ihm an 

4 ‚Kreise der Nerven- und Irrenärzte angehörigen, den Gedankenleser besteht. | 
für das Geistesleben doch: wohl einigermaßen be- ‘ Nachdem meine Absicht erreicht ist, sehe ich 
de utsamen Leserschaft der Wochenschrift dem Ok- mich leider durch die Aufsätze von Herrn Kollegen 
N ktismus zustimmend gegenüber stünden. Dies Sinner, von denen einer auch auf mich Bezug 
| ‚sewib nicht der Fall, wenn auch einzelne hier „nimmt, wider Willen genötigt, noch einige Bemer- 
ê eigenen Wege gegangen sind. | kungen zu machen, obgleich ich es für richtiger 
=) Bemerkung bei der Korrektur: Der Aufsatz ist halte, die Erörterung okkultistischer Fragen in 
ts im Juli 1922 verfaßt. | erster Linie denen zu überlassen, die in der Lage 


306 


sind, selbst Versuche und Untersuchungen darüber 
anzustellen. 

© Seinen Aufsatz in Nr. 5/6 dieser Wochenschrift 
schließt Herr Kollege Sünner mit der Frage: „Wer 
will bei dieser Forschung’ mit dabei sein?” Aber 
alles, was er vorangehend schreibt, die Art, wie 
‚er Herrn Moll, einen Mann von wissenschaft- 
lichem Ruf, behandelt, kann davon nur ab- 
schrecken. An der Wiege- jedes wissenschaftlichen 
Fortschrittes steht der Zweifel, und Herr Moll war 
durchaus berechtigt, an eine so dunkle Sache wie 
den Okkultismus, mit all den Vorsichtsmaßregeln 
heranzutreten, die der Zweifel verlangt. Die Ok- 
kultisten mußten demgegenüber sagen: „Unsere 
Saclıe ist gut, je gründlicher untersucht wird, desto 
lieber ist es uns.” Statt dessen machte man durch 
Boykott die Untersuchung unmöglich und zog es 
vor, einen eigenen Verein zu gründen, dessen Name 


schon die mangelnde Absicht verrät, sich in Über- 


seinstimmung mit den Naturgesetzen zu halten. 
Parapsychisch als Ersatz für metaphysisch! Frei- 


lich, die Spiritisten haben die metaphysische Welt. 
etwas anrüchig gemacht. Es dämmert nachgerade 


‚auch bei den einsichtigen Okkultisten, daß eine 
‚Geisterwelt, die auch im „besseren Jenseits” nichts 
‘Neues gelernt hat und nichts Besseres zu tun weih, 
als auf den Ruf von Hinz und Kunz zu erscheinen 
"und einfältige Fragen zu beantworten, doch eine 
recht traurige Rolle spielt. Als Spiritismusersatz 
haben wir dafür jetzt die Anthroposophie Steiners. 


Ich muß sagen, es ist erstaunlich, wie die Leute- 


immer wieder dem Einfluß blendender Wortmache- 
rei unterliegen. Was ist bei Freud, Einstein, Stei- 
ner mehr, als Überschwenglichkeit und maßlose 
Übertreibung? Bei Freud und Einstein wenigstens 
ein Korn Wahrheit, bei Steiner nicht einmal das, 
dafür um so mehr Schwulst. | 

~ Mit vollem Recht hält Herr Friedländer die Be- 
zeichnung „wissenschaftlicher Okkultismus” für 
 widersinnig, und mit allem Nachdruck muß man 
sich auch gegen die Vermengung von Uneriorsch- 


tem und Geheimnis wenden, die Herr Kollege Sün- 


ner anstrebt, indem er alles in einen großen Okkul- 
tismusbrei hineinwerfen möchte. Okkultismus und 
Wissenschaft sind Gegensätze, das ergibt sich aus 
der ganzen Geschichte des ersteren. Zu seinem 
Wesen gehört das Geheimtun und Geheimhalten 
{Herr Bresler spricht von Geheimsucht). Er ist 
eine Denkweise, eine Denkrichtung, eine Glaubens- 
gemeinschaft mit Eigenschaften ähnlich derjenigen 
anderer Religionsgemeinschaften, wozu auch Un- 
duldsamkeit gegenüber dem Zweifler gehört. Im 
Gegensatz dazu will die Wissenschaft volle Klar- 
heit. Es gibt für sie keine Geheimnisse, die irgend 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


jemand neidig verhüllt, sondern nur Unerforschtes; # 
wie das große Rätsel des Lebens, und sie erwartet f 


die Lösung von geduldigem Weeiterstreben, bei 
dem sie sich, ehe sie höher klimmen Kann, erst 


neue Stufen in die steile Höhe einhauen muß. Der 


Okkultismus kann nur Gegenstand der Forschung 
sein, und man kann deshalb auch nicht von einem 


Archiv für wissenschaftlichen Okkultismus reden, 1 
sondern nur von einem Archiv für (wissenschaft ° 


liche) Okkultismusforschung. 


Nach Herrn Kollegen Sünner gehört Mut dazu, T 
So sollte es P 


sich zum Okkultismus zu bekennen. 
auch sein, soweit wissenschaftliche Kreise in Frage 
kommen. Es sollte Mut dazu ‘gehören, vor wis 


senschaftlich gebildete Menschen mit der’ Behaup: # 
tung hinzutreten, der Körper, den wir kennen, nicht \ 
als eine homogene Masse, sondern als einen Staat f 
hochwertiger, in wunderbarster und verschieden- E 


ster Weise entwickelter Zellen könne nach Laune 
eines mehr oder weniger hysterischen Weibes aus 


dessen mehr oder weniger unaussprechlichen Kör- P 
perhöhlen heraus oder durch seine Haut hindurch 4 

r . s . -95 a 
schleim- oder mehlpappenartige oder „plastische ff 


Massen ausscheiden. Es sollte Mut dazu gehören, 


vor ihnen zu behaupten, wenn irgendwo Knochen 7 
und Töpfe und Hausgeräte in der Luft herumilie- 4 


ven, stecke mehr dahinter, als die Dreistigkeit eines 
fingerfertiren bösen Buben oder Mädchens. 


Was dagegen die nicht wissenschaftlich gebil- 


deten oder halbgebildeten Kreise anlangt, so hat 


dort schon vor dem Kriege kein Mut dazu gehört, " 


sich zum Spiritismus oder Okkultismus zu beken- 
nen. 
sogenannten höchsten Kreise hinauf sehr beliebt. 


Seit dem unglücklichen Ende des Krieges aber 7 
geht die Fahrt mit vollen Segeln hinein ins Dunkle. A 
Schon im Kriege machte sich der Aberglaubet 
breit. Man erinnert sich an die vielen Prophezer 7 
hungen, von denen keine eintrat. Dazu kam allet { 
lei Aberglauben im Heer und außerhalb. Hierübef d 
kann man bei Hellwig nachlesen‘) Der Kriegs 7 
verlust und die Kriegsfolgen haben aber ein unse 7 
heures ‚Bedürfnis nach Ablenkung und Betäubuns 7 
erzeugt. Alles was betäubt, ist beliebt.* Daher de $ 
Tanzwut nach dem Kriege, das Sekttrinken und f 
Zigarettenrauchen, die Kokainsucht, der vermehrte 7 
Kino- und Kirchenbesuch und das Anschwellen des a 
Okkultismus. Das ist eine Erscheinung, die. nicht d 


ietzt erst zum ersten Mal beobachtet wi 
a 


Folge schrecklicher, erschöpfender Ereignisse. 1 


denke an die häßliche religiöse (und politische) | 


1) Hellwig, Dr. Albert, Weltkrieg und Aberglaube 
1916. | en o 


Im Gegenteil waren diese sogar bis in die if 


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1923] 


eaktion, die nach dem Schrecken der Revolution 
{md der Napoleonischen Kriege einsetzte, an den 
Pietismus der Frau von Krüdener, der zur „heiligen 
Allianz” führte und seinen gräßlichen Ausdruck im 
IKreuzigungstod der „heiligen Gret” fand (vergl. 
1.a. J. Scherr, Größenwahn). Jedenfalls hat ge- 
ıenwärtig der Okkultismus Oberwasser, und es 
tehört kein Mut dazu, ihn mitzumachen. 

| All diese Erscheinungen entstehen aus 
Fbefühl, und dementsprechend führt auch Herr Kol- 
fege Sünner den Satz von Freska an: „Mit Stolz 
wurde die Existenz der Seele so lange geleugnet, 
his sie sich selbst durch das Bedürfnis von Millio- 
fien Menschen bewies.” Aber, was kann das Be- 
Tüirfnis beweisen? Nicht das Allergeringste. Wir 
können noch so sehr etwas wünschen oder nicht 
Jwinschen, angenehm oder unangenehm finden, das 
ändert nicht das Geringste an der Wirklichkeit der 
"Dinge. In den schönen Märchen unserer Kindheit 
ing alles nach Wunsch. Der Böse wurde bestraft, 
der Gute belohnt, und die arme Schönheit heiratete 
fin Prinzen. Heranwachsend mußten wir aber 
Ischen, daß die Wirklichkeit ganz anders aussah. 
Wie sehr könnten wir jetzt ein „Esel streck dich, 
J lischlein deck dich, Knüppel aus dem Sack” brau- 
Ithen, besonders den Knüppel, aber das Wünschen 
| lilt leider nichts. Die Erscheinungen des Gefühls, 
Altzten Endes alle rückführbar auf die. Grundfor- 
fuen Lust und Unlust, sind gewiß mächtig. Furcht 
ind Wunsch sind z. B. die Eltern aller Religionen, 
dte noch heute fast die gesamte Menschheit in 
ihrem Banne halten, trotz ihres Gegensatzes zu 
f Vernunft und Tatsachen. Aber das Gefühl ist nicht 
{nmal für unsere Handlungen ein sicherer Leiter. 
1 Ès gibt Almosen und baut Krankenhäuser, aber es 
Verbrennt auch Ketzer, Juden und Hexen. Es lei- 
jet unser Handeln nur richtig, wenn es gleichge- 
ss ist mit den Gesetzen der Menschlichkeit. 
i fir das Wissen ist es vollständig unbrauchbar, 
in Irrlicht, das in die Sümpfe hineinführt. - 

| Wenn nun nichtokkultistische Kreise von Ver- 
‚Suchen und Untersuchungen auf okkultistischem 
‚ebiet durch Boykott u. dgl. abgeschreckt wer- 
= und man andererseits den Okkultisten mit be- 
;echtigtem Mißtrauen gegenübersteht, fragt es sich, 
| Welchen Standpunkt man unabhängig, von Ver- 
| Achen und Untersuchungen einnehmen kann. Neh- 
1 Men Wir das Abstoßendste zuerst, die sogenannten 
Naterialisationen (NB. das Fremdwort ist ebenso 
‚Mßlich wie die Sache). Hierüber ist oben schon 
| tiniges gesagt. Die Frauensperson, die in Nacht 
= Dunkel arbeitet, nur hier und da vom Blitz- 
| ht bengalisch beleuchtet, nachdem sie Zeit genug 


= s4 CE FFRAN 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


dem ` 


tigen Ende gelangt. 


tabt hat, die Verborgenheit für ihre Zwecke aus- 


s” 


307 


zunutzen, soll kraft ihres Geistes aus ihrem Körper 
heraus Materie erzeugen können. Stammt die 
Materie aus dem Nichts, dann steht die Frauens- ` 
person dem biblischen Schöpfer gleich, der aus 
dem Nichts die Welt erschafft. Entstammt sie dem 
Körper, dann muß der Verlust am Körper nach- 
weisbar sein: Sie muß faßbar, meßbar, der Unter- 
suchung zugänglich sein, wobei freilich der Aus- 
schluß der Betrugsmöglichkeit schwer ist. Im 
übrigen sind die Okkultisten hier sehr bescheiden: 
geworden. Wenn der Geist seine Vorstellungen in 
Materie umsetzen könnte, würde ihn nichts hindern, 
Gold, Edelsteine und Wertpapiere zu ‚„materiali- 


sieren”, die er sich jedenfalls besser vorstellen 
kann, als eine „plastische Masse”, und die nicht 


ganz unzweckmäßig wären. Aber davon hat man. 
nie gehört. Zur Zeit der seligen Bertha Rothe 
wurden noch Rosen ‚„materialisiert”’; aber diese 
fanden sich in Berthas Unterrock und Bertha mußte 
wegen Betrugs ins Gefängnis wandern. Seitdem 
werden die „Materialisationen” immer unfaßbarer: 


schleimartig, mehlpappenartig, „plastische Masse”. 


Wenn sie sich schließlich noch weiter in einen 
„blauen Dunst” auflösen, dann sind wir zum rich- 


Auch über „Telekinese” ist oben bereits einiges 
gesagt. Bewegungen von Tischen u. del. in spiri- 
tistischen Sitzungen sind wiederholt als Betrug 
nachgewiesen worden, bewirkt durch Hände, Kniee, 
Füße, Zehen, feine Fäden usw. Im übrigen stelle 
sich jeder vor, welch große Kraft dazu gehören 
würde, einem Gegenstand entfernt vom Körper, 
auch nur eine einfache Bewegung vom Körper 
weg oder zu ihm hin mitzuteilen. Nun gar erst 


eine Bewegung, bei welcher ein vielfaches Inein- 


andergreifen verschiedengerichteter haltender, 
hebender, richtender Kräfte nötig wäre. Wenn ein 
Schiff vom Ufer aus elektrisch bewegt werden 
kann, liegt doch die Sache eben so, daß die Trieb- 
kraft und ein Teil des ordnenden und richtenden 
Apparates in das Schiff eingebaut sind, während 
vom Lande nur elektrische Anregungen kommen. 

Prophezeiungen stehen m. E. im Gegensatz zum 
Gesetz von Ursache und Wirkung und sind daher, 
da wir letzteres nicht aufgeben können, ohne auf 
das Denken überhaupt zu verzichten, unmöglich. 
Ereignisse kommen zu unserer Kenntnis dadurch, 
daß die von ihnen ausgehenden Veränderungen in 
Schall, Licht, Wärme, Elektrizität usw. auf unser 
Gehirn einwirken. Das Gehirn wird auch von 
denen, die eine Seele annehmen, mindestens als 
Vermittler zwischen Innen- und Außenwelt ange- 
sehen. Wirkungen können aber nicht früher sein 
als ihre Ursache. (Es wäre hier nötig, einige Aus- 


308 


führungen über Seele, Stoff, Materialismus usw. 
zu machen, doch würde dies zu weit führen.) 
Bei der Beurteilung der Prophezeiungen sind 
weiter zu berücksichtigen ihre Zweideutigkeit, ihre 
Unbestimmtheit in bezug auf Inhalt, Ort und Zeit 
der Erfüllung und ihre erfüllungsfördernde Wir- 
kung. Für die Zweideutigkeit waren uns auf der 
Schule die delphischen Orakel ein Muster. Da hieß 
es z. B.: „Wenn Krösus über die Halys geht, wird 
er ein großes Reich zerstören”; welches, das mußte 
er selbst herausfinden. Oder: „Ibis redibis non 
morieris in armis”; die Stellung eines weggelasse- 
nen Kommas entscheidet hier, ob man liest: „Du 
wirst gehen, Du wirst zurückkehren, Du wirst 
nicht in den Waffen sterben”, oder: „Du wirst 
- gehen, Du wirst nicht zurückkehren, Du wirst in 
den Waffen sterben”. Die Unbestimmtheit spielt 
besonders auch bei. den geschichtlich bekannten 
Weissagungen eine Rolle. Man kann alles Be- 
liebige aus ihnen herauslesen und sie können auf 
vergangene, gegenwärtige oder zukünftige Ereig- 
nisse passen. Dies gilt z. B. auch von den Weis- 
sagungen des Nostradamus.’) Bei einigen Weis- 
sagungen desselben hat man den Eindruck, daß er 
in geheime politische Treibereien eingeweiht war 
und dadurch Absichten vorher wußte, die anderen 
unbekannt waren. Dies könnte z. B. von der Weis- 
sagung gelten, in der er den Tod des französischen 
Königs im Turnier voraussagte. |En cage id’ör lui 
 crachera la tête = Im Goldkäfig (gedeutet als 


2) Vergl. Kemmerich, Dr. Max, Prophezeiungen. 
Knief, Albert, Die Prophezeiungen des Nostradamus und 
der Weltkrieg. 


Wie wirken die Erkrankungen des Gastrointestinalapparates auf die 
X = Stimmung der Geisteskranken?. 


Vortrag bei der Fiohdertjahrfeier der 


Von Dr. L. Stanojevic, Direktor der königl. 


XI. Schizophrenie. M. L., 27 Jahre alt, unver- 
heiratet. Dienstmädchen. In die Anstalt am 15. Jan. 1921 
verbracht. Auszug aus der Krankengeschichte: Aus dem 
ärztlichen Zeugnis, das die Pat, aus Zagreb mitbrachte, 


geht hervor, daß sie schon einige Monate sehr unruhig 


ist, nachts schlecht schläft, Teufel sieht usw. In der 
Anstalt .benahm sich die Pat. maniriert, war gehobener 
Stimmung, lachte. häufig ohne Grund. Sprach viel, 


FSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE DEN 


ausgeht, 


Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte i in Leins 
am 22. September 1922. | 


Landesirrenanstalt Stenievec bei Zagreb, Kroatien: 


(Schluß.) 


trisch.- Caput obstipum, Gaumen eng ‘und steil. Pami 


[Nr. ais Í 


Goldhelm) wird er ihm das Haupt zer che 


Der König starb durch einen Lanzenstich ins: 4 
Auge.| a 
- Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist T 


schließlich die‘ erfüllungfördernde Wirkung der I 
Prophezeiungen. Aus dem: „Es wird sein”, wird f 
leicht ein: „Es muß sein”, aus der Ankündigung # 
des Menschen ein Befehl des Schicksals, nament- # 
lich. dann, wenn die Weissagung von’ Personen f 
enen Verbindung mit überirdischen f 
Mächten zugetraut wird, wie zauberkundigen $ 
Wahrsagerinnen oder den jüdischen Propheten. # 
Die nordische Sage erzählt von einem Norwegen $ 
den die Weissagung einer zauberkundigen Finnin f 
veranlaßt, sich, ganz im Gegensatz zu seinen uw: f 
sprünglichen Absichten, in Island niederzulassei; ' 
genau so, wie es die Finnin vorausgesagt hatte $. 
„Dem Willen des Schicksals kann ich mich doci f 
nicht entziehen”, sagt er sich schließlich. Einen fi 
ähnlichen Gedanken entwickelt Oskar Wilde in #7 
der Erzählung „Lord Arthur Savilles Verbrechen‘ f 
und die Religionsforschung, welche bestreitet, dab Fi 
der Jesus der Evangelien gelebt habe, sieht in dem A s 
Jesus aus dem Geschlechte Davids nur eine lite- Fl 
rarische Erfüllung der :Messiasprophezeiungen des F 
Jesaias, ohne -übrigens das tatsächliche Ar 
von Messiasen zu bestreiten. a; 
- Nur nebenbei sei noch auf den gemeinen Betrug 4 
hingewiesen, auf das : vorhergehende, heimliche T 
Einziehen von Erkundigungen, welches bei der 1 
landläufigen Wahrsagerei die größte Rolle spielt, Ui 
und auf die Tatsache, daß die Wahrsager kluge | 
Menschen und Verhältnisse richtig ein sch 
Leute sind. (Schluß Bi 


„pravoslavna”, der Arzt. sei ein serbischer ki, 
„pravoslavni’ Glaubens. Jetzt sei Januar 1901. Spricht, 
zerfahren, redet vorbei, fühlt sich glücklich und zuitle 
den. Halluzinationen werden negiert. Status somafi- 
eus: »Mittelgroß, gut genährt, Schädel stark unsymme 


fhr weit, gleich, reagieren auf Licht und Akkomodation. 
APipillenreaktion auf psychische oder Schmerzreize 
frige (Bumke). Patellar- und Achillessehnenreflexe er- 
Piht, gleich stark. Wagnersches Phänomen auslösbar. 
Harn: Spez. Gew. 1015, enthält keinerlei pathologische 
Aflemente. | 

"17, Jan. 1921. Stark aufgeregt und unruhig, springt 
Iien ganzen. Tag herum, singt, schreit, lacht, 
Zindere Kranke. Nachts unruhig, schläft schlecht. 

f 5. April 1921. Schreit den ganzen Tag, schimpft, 
1 st grob und ungebärdig. Schläft schlecht. 

f 5 Novbr. 1921. Stark aufgeregt, redet verwirrtes 
eug, behauptet, sie sei die Muttergottes. 

$ 5. Jan. 1922. Fortgesetzt stark aufgeregt, 
Anhigt die Mitpatientinnen, schläft schlecht. 

7 16. Febr. 1922. Immer gleich, regt sich häufig auf, 
Zshimpft, führt unflätige ‚Reden, schläft- schlecht. 

7 26. Febr. Pat. fühlt- sich schwach, ist gedrückt, 
fegt im Bette, jammert, weint, windet sich vor Bauch- 
Ashmerzen, erbricht große Mengen ‘einer gelblichen 
Sflissigkeit. Äußert Angst vor einem baldigen Tode. 
Alemp. 39,1. Objektiv: Konjunktivits,. Zunge rein, Ab- 
fomen ohne besonderen Befund, keinerlei Druckemp- 
indfichkeit des Bauches. Über den Lungen bronchiti- 
fche Geräusche. Harn: Spez. Gew. 1016, Albumen +, 
Ihndikan +++. Diagnose: Gastroenteritis acuta. grip- 
J ralis, Therapie: Diät, Thermophor auf den Magen. 

4 4. März 1922. Temp. 36,9. Stark bedrückt, weint, 
Fert Lebensüberdruß. 


beun- 


4 6. März. Temp. 39. Durchfall, erbricht: jegliche 
flüssige Nahrung. 
#7 A. März. Temp. 36,5. 


T 8. März. Exitus unter den Symptomen der 
isuffizienz. 

| 9. März. Obduktion (Dr. Kornfeld): Gastroenteritis 
9 auta, pigmentatio follicularis. Degeneratio. adiposa et 
| hrenchymatosa gravis myocardii. 'Degeneratio paren- 
{ùymatosa renum.. Tumor lienis acutus cum folliculis. 
hfiltratio adiposa circumscripta hepatis. Thymus per- 
{ sistens, Oedema pulmonum acutum.  Hydrosalpinx 
fdilateralis. Erosio portionis uteri. 


i XIV. Schizophrenie mit epileptitotmen Anfällen. M. 
f: 44 Jahre alt, Witwe eines Handlungsreisenden. In 


[üe e = und wurde streitsüchtig. In der 
I Zeit begann sie- leidenschaftlich zu rauchen, 


alt s die adati wirft mit Steinen, schimpft und 
Chreit, erklärt, sie sei verzweifelt wegen ihres Sohnes. 
N Weint den ganzen Tag nach ihrem 
jammert, sagt, 


= > . Jan. 1918, Weint unaufhörlich, 


Cal 


__PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


schlägt. 


Herz- 


22. Jan. 1922 ohne Dokumente verbracht. 


das Blut sei ihr in den Adern geronnen und ietzt könne 
sie nicht sterben. 


18. Febr. 1919. Unruhig, zankt, nimmt den anderen 
das Essen weg, schläft wenig. 

12. Septbr. 1920. Bekam bei der ärztlichen Visite 
plötzlich. einen Anfall mit Fall auf den Boden, vollkom- 
mener Bewußtlosigkeit, Jlichtstarren Pupillen und 
Schaumbildung vor dem Munde. Keine Krämpfe. Ba- 
binski 0. Der Anfall dauerte 25 Sekunden. | 

2. Dezbr. 1920. Drängt. hinaus, zerstört oder ver- 


trägt, was ihr in die Hände kommt. 
6. Jan. 1921, Nachts sehr unruhig, spricht mit sich 
selbst, schimpft auf die Mitpatientinnen. 


12. Jan. 1922. Sehr unruhig, spricht mit sich selbst, 
schreit, singt, schläft schlecht. | 

21. Febr. 1922. Unruhig, schimpft, redet vorbei, 
hat bereits drei Tage keinen Stuhl. Therapie: Ca- 
lomel 0,3. - | | 

22. Febr. Durchfall, Patientin ist sehr ruhig, liegt 


schweigsam im‘ Bette, bei der ärztlichen Visite ver- 
schiedene Klagen hypochondrischen Charakters, beklagt 
sich, es schmerze sie jeden Augenblick etwas anderes, 
es werde ihr die Hand abfallen, der ganze Leib brenne 
usw. Jammert unaufhörlich und äußert Lebensüber- 
druß. Appetit schwach. Objektiv: Zunge rein, feucht, 
Abdomen nirgends druckempfindlich., Temperatur 37,1. 
Harn: Spez. Gew. 1017, Azeton +. Diagnose: Melan- 
cholisches Zustandsbild mit hypochondrischer Färbung 
infolge Diarrhöe. Therapie: Diät, Prießnitz, Ölklistier. 

28. März 1922. Spricht wieder den ganzen Tag, 
zankt mit den Mitpatientinnen, schimpft, schreit, singt 
wieder. 


A. S., 36 Jahre alt, ge- 
In die Anstalt am 
- Auszug aus 
der Krankengeschichte: Bei der Aufnahme war die Pa- 
tientin euphorisch, gesprächig und motorisch lebhaft. 
Singt und pfeift, schreit, macht: scherzhafte Bemerkun- 
gen. Ideenflucht. Läßt sich schwer fixieren. Persön- 
lich, örtlich und zeitlich orientiert, hat kein hinreichen- 
des Verständnis für ihre Lage. Zeigt geschwächte Kri- 
tik, äußert Größenideen, sie werde Jugoslavien retten, 
sie habe Beziehungen zum König usw. Bei der Unter- 
suchung sehr unruhig, springt aus dem Bette, steigt auf 
Stühle. Status somaticus: Mittelgroß, schwach genährt, 
schläfriger Gesichtsausdruck. Pupillen mittelweit, gleich, 
rund, die rechte reagiert auf Licht träger als die linke. 
Patellar- und Achillessehnenreflexe erhöht, gleich. 
Innere Organe ohne auffiallenden pathologischen Befund. 
Keinerlei auffallendere Störungen in der Sprache. Harn: 
Spez. Gew. 1016, enthält keinerlei pathologische Be- 
standteile. Lumbalpunktion: erhöhter Liquordruck. Blut 
Wassermann ++++, Liquor Wassermann ++--++. 
Nonne-Apelt +. Pandy +. Weichbrodt +. Starke 
Pleozytose, in 1 cmm 106 Lymphozyten. 

1. Febr. 1922. Fortdauernd unruhig, spricht viel tmit 
sich selbst, singt, schreit, schläft schlecht, 

9. Febr. Unruhig, gegen die Mitpat. aggressiv. 

23. Febr. Seit vorgestern Durchfall, seit gestern auf- 


XV. Paralysis progressiva. 
schieden, von Beruf Schneiderin. 


310 


fallend ruhig, liegt im Bett, zeigt keinerlei Interesse, ant- 
wortet auf Fragen langsam und leise. Objektiv: Zunge 
rein, Bauch weder meteoristisch noch druckempfind- 
lich. Temp. 36,6. Stuhl wässerig, schleimig. Harn: 
Spez. Gew. 1016, enthält viel Indikan. Diagnose: Katar- 
rhalische Diarrhöe. Therapie: Diät, Ölklistier. 


XVI. Schizophrenie. C. G., 41 Jahre alt, unverhei- 
ratet. Hausmagd. In die Anstalt verbracht am 7. Febr. 
1921. Vom Tage ihres Aufenthaltes in der Anstalt an 
ist sie sehr grob, widerspenstig, aufgeregt ohne Grund, 
gibt auf Fragen keine oder unzusammenhängende Ant- 
worten, schimpft auf die Ärzte, klagt dauernd, sie werde 
gequält, bekomme nichts zu essen, habe Tag und Nacht 
keine Ruhe. Von Zeit zu Zeit geht sie auf die Mitpat. 
los, so daß sie häufig isoliert werden muß. Manchmal 
verweigert sie die Nahrung. Status somaticus: Mittel- 
. groß, grazil gebaut, schlecht genährt, äußere. Degenera- 
tionszeichen, Pupillen in Ordnung, Patellar- und Achilles- 
sehnenreflexe beiderseitig erhöht, gleich, Wagnersches 
'Būlbusphänomen +. Harn: Spez. Gew. 1016, »enthält 
keinerlei patholog. Bestandteile. | 


4. April 1922. Am Abend begannen nach dem Essen 
Bauchschmerzen, in der Folge erschien ein weicher, 
wässeriger Stuhl. ke 

5. April. Am Morgen bei der ärztlichen Visite auf- 
fallend ruhig, zugänglich, aber stark gehemmt, antwortet 
auf Fragen kurz und langsam mit leiser Stimme.. Ob- 
iektiv: Druckempfindlichkeit in der Magengegend, be- 
legte Zunge, Foetor ex ore. Harn: Spez. Gew. 1015, 
Indikan in Spuren. Temp. 38,3. Diagnose: Akute dys- 
peptische Gastroenteritis. Therapie: Diät, Prießnitz. 


6. April. Ruhig, liegt den ganzen Tag im Bette, ißt o 


antwortet kaum auf Fragen. Objektiv: Zunge 
Temp. 37,4. 
7. April. Klagt über Bauchschmerzen. 


8. April. Lebhafter, lacht und redet vorbei. 


wenig, 
rein. 


XVII. Schizophrenie. S. S. K., 24 Jahre alt, unver- 
heiratet, Photograph. In die Anstalt verbracht am 26. 
März 1922. Auszug aus der Krankengeschichte: Bei 
der Aufnahme war er sehr deprimiert, sprach langsam 
und mit leiser Stimme. Zeitlich und örtlich war er voll- 
ständig orientiert, er protestierte gegen seine Verbrin- 
gung in die Anstalt. Er sei früher ungarischer Staats- 
angehöriger gewesen und würde daher wünschen, daß 
man ihn nach Budapest versetze. Unter anderem er- 
zählte er, daß er seit der Zeit, da er aus der russischen 
Kriegsgefangenschaft heimkehrte, den ganzen Tag be- 
 sṣchäftigungslos zu Hause gesessen habe, da er sich zu 
schwach fühle. Als Ursache seiner Traurigkeit führt er 
‚das Getrenntsein von seinen Angehörigen an.. Im übri- 
zen fühle er sich gesund und arbeitsfähig. In seinen 
Reden. -zeigt er deutliche Zerfahrenheit und Nei- 
gung zum- Vorbeireden. Ambivalenz. Sein Gebaren 
trägt die Note eines gewissen Selbstbewußtseins, das 
seiner Gehemmtheit besondere Züge verleiht. Status 
somaticus: Blaß, mager. Linksseitige Apizitis. Äußere 
Degenerationszeichen. Pupillen in Ordnung. Patellar- 
und Achillessehnenreflexe erhöht, gleich stark. Wag- 


 PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


 nersches Bulbusphänomen +. Harn: 


nach Hause lasse. 


Spez. Gew. 1017, 
ohne pathologische Bestandteile. | 
5. April 1922. Durchfall. Der 
einen Dickdarmkatarrh. Der Pat. 
deprimiert, unzufrieden, nörgelt, 
die Umgebung. Liegt ruhig. im Bette. 
rein, feucht. Druckempfindlichkeit des Colon ascendens. 
Temp. 37. Harn: Spez. Gew. 1017, enthält keinerlei 
pathologische Bestandteile. Diagnose: 
Diarrhöe. Therapie: Diät, Prießnitz, Ölklistier. 
| 7. April. Stuhl seltener, 
Schwere Depression. 

8. April. Der Durchfall hat 
Kranke beklagt sich iedoch bei der. 
daß ihm kalt sci. 
Appetit ist gut. 

9, April. Heute lebhafter, 
spricht viel mehr und klarer. 


Ä XVII. Katatonie. 
Dienstmädchen. 
1918. Auszug aus der Krankengeschichte: Pat. ist gröb- 


heute 
ärztlichen Visite, 


verlangt 


tenteils unruhig, spricht viel verwirrtes Zeug durcheit- 1 
zeitweise negati- N 
vistisch, lacht und weint ohne Grund, dann wieder liegt i 
Status somaticus: f 
Mittelgut entwickelt und genährt, äußere Degenerations- 7 


ander, im übrigen ist sie orientiert, 


oder sitzt sie ruhig auf der Bank. 


zeichen. Pupillen in Ordnung. Patellar- und Achilles- J 
sehnenreflexe erhöht. Wagnersches Bulbusphänomein f 
+. Harn: Spez. Gew. 1016, enthält keinerlei patholog f 


Bestandteile. 
11 .März 1922. | 
werde alle Fenster zerschlagen, 


so daß sie isoliert werden mußte. 
S. April 1922 


Nr. 47/48 1 


Stuhl spricht für T 
ist außerordentlich T. 
ist mißtrauisch gegen 1: 
Objektiv: Zunge ° 

Katarrhalische 7 
aber noch immer wässerig. I 
aufgehört, der $ 


Die Stimmung ist apathisch, aber der T. 


nach Hause, - 


A..J..23 .Jahfe- alt, unverheiratet, f 
In die Anstalt verbracht am 12. August 4 


> x P 4 e 
jin ap er a a ne I 

v De = a ns — >P 
PEG SANE : Yea S | 


Aufgeregt, schreit und droht, siè 4 
wenn man sie nicht 4 
Im Tagraum begann sie mit den A 
Schalen herumzuwerfen und auf den Tisch zu schlage, 1 


- A TTL a a ee a er A AT ET 


Heute in der Frühe wie auch gestem q 
Abend erbrach sie, bei der Visite klagte sie über Bauch“ | a 


schmerzen. Sonst ruhig. Antwortet auf Fragen langs: f 
sam und leise. Objektiv: Zunge rein, feucht. Maget T 
druckempfindlich. Harn: Spez. Gew. 1016, enthält I 
keinerlei patholog. Bestandteile. Diagnose: Akute Er 
Gastritis. Therapie: Diät, Rheum. wer 
10. April. Stuhl normal geformt. Pat. fühlt sich sut f 


ihre Stimmung ist lebhaft. 


XIX. -Schizophrenie. P. C., 43 Jahre alt, verheiratet, 1 
In die Anstalt verbracht am 22. Oktbr. 921. I 


Auszug aus der Krankengeschichte: Bei der Aufnahme | 
h un 


Bauer. 


schreit der Pat. aus vollem Halse, singt unaufhörlic 
verständliches und unzusammenhängendes Zeug. 
erklärt, Teufel und oftmals Feuer zu sehen. 


8. Dezbr. 1921. Unruhig, weint häufig, drängt nach 7 \ 
Hause, läuft alle Augenblicke auf den Abort, salbi seit ST 


Haupt mit Kot, trinkt seinen Harn, erklärt, das sei das k 


beste Mittel gegen Würmer.. 
Bauche und er fühle, 
Nachtschlaf stark gestört. 


17. Jam 1922 Bei der ärztlichen Visite zeriahitn 1 
klagt, daß ihm die anderen Kranken Gift in das ES $ 


mischen, ferner, daß man ihm das Bett so bereichen 7 


Er habe viel Würmel Mir, 
wie sie -sich herumbewestl a 


{i923 


i das untere Ende höher stehe, was bedeute, daß er bald 
I zuerunde gehen werde. Neigung zum Vorbeireden. 
7 18. April 1922. Laut Wärtermeldung klagt der Pat. 
Ischon zwei Tage, daß er keinen Stuhl habe. Bei der 
ärztlichen Visite klagt er darüber, daß er wie aufge- 
Trieben sei, daß er empfinde, wie ihm aus dem oberen 
Teil des Bauches viel Schleim komme, welcher sich als- 
dann im Munde ansammle und herausgeworfen werden 
müsse. Depressiver Zustand. Appetit schwach. Ob- 
fektiv: Zunge trocken, rein.. Colon ascendens leicht 
I meteoristisch und druckempfindlich mit fühlbaren Kot- 
Shallen. Harn: Spez. Gew. 1017, Indikan +. Diagnose: 
T Obstipation. Therapie: Diät, Ölklistier. 

4 20. April. Auf das Klistier erfolgte ein: ausgiebiger 
4 Stuhl in zwei Schüben, worauf sich der Pat. leichter 
7 fühlte und lebhafter wurde. 


f XX. Schizophrenie. D. D., 40 Jahre alt, unverhei- 
Fatet. Lehrerin. In die Anstalt verbracht am 7. April 
"12. Auszug aus der Krankengeschichte: Der Groß- 
J vater des Vaters und ein Bruder des Vaters waren gei- 
d steskrank. Der Vater selbst war nervenkrank. Bei der 
"Pat. bemerkte die Umgebung schon längere Jahre hin- 
Fdurch eine gewisse -Aufgeregtheit. In der letzten Zeit 
d schlief sie schlecht, wurde ängstlich, fürchtete sich ge- 
f wisse Gegenstände zu .berühren, hatte Angst vor Ver- 
Siitung, hörte Stimmen, ging in der Stadt herum und 
# suchte einen Mann. Ende März 1922 machte sie einen 
 Selbstmordversuch. Bei der Aufnahme in der Anstalt 
f war sie psychomotorisch unruhig, ging nervös auf und 
lab, sprach viel, verlangte nach Hause; wenn man sie 
7 schon nicht nach Hause lassen wolle, so möge man sie 
f Wenigstens als Klosterschwester aufnehmen, und zwar 
f gleich heute, auch einen: Mann hätte sie gerne, damit 
sie für die Zukunft versorgt sei. Im übrigen war sie 
| geordnet, aß gerne, schlief nachts ruhig und hielt sich 
| Fein. Status somaticus: Klein, schlecht genährt, anä- 
isch, äußere Degenerationszeichen. Pupillen eng, rund, 
& eich weit, reagieren gut auf Licht und bei Akkomoda- 
‚tion.  Patellar- und Achillessehnenreflexe erhöht, es 
I besteht leichte Protrusio bulborum. Kein Graefe, kein 
j Moebius, kein Stellwag. Puls 84. Innere Organe ohne 
| Besonderheiten. Wagnersches Bulbusphänomen +. 
| Harn: Spez. Gew. 1016, enthält keinerlei pathologische 
aiie 


= 10. April 1922. Heute bei der ärztlichen Visite klagt 
sie darüber, es gehe ihr hier viel schlechter als zu 
Hause. Sie äußert Angst, beklagt sich über die Kost, 
| daß sie schlecht sei. Die Glieder seien ihr abgestorben, 
|: Sie habe keinen Appetit. Seit. gestern leichter Durch- 
All und Bauchschmerzen. Objektiv: Zunge unrein, 
Magen druckempfindlich, kein Meteorismus. Temp. 36,9. 
3 Harn: Spez. Gew. 1017, enthält keinerlei pathologische 
e Diagnose: Akute Gastroenteritis. Thera- 
; bie: ‚Diät, Prießnitz, Rheum. 

- XXI. Progressive Paralyse.. D. P., 40 Jahre alt, ver- 
i heiratet, Schiffskapitän. In die ‚Anstalt verbracht 26. 
| Febr. 1922. Auszug aus der Krankengeschichte: 


tat ist schon mehrere Jahre hindurch Trinker und 
: idenschaftlicher Raucher. Anfang Februar 1922 mach- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Der. 


3ll 


ten sich bei ihm: die ersten Zeichen von Geistesstörung 
bemerkbar. Er begann viel zu sprechen von seinem 
Berufe, vom Trinken, vom Ankaufe von Schiffen, von 
grobem Vermögen usw. Bei der Aufnahme blickte er 
lebhaft um sich, war gesprächig, vom unaufhörlichen 
Geschwätz war er schon ganz heiser. Er gab zu, täg- 
lich */a bis 1 Liter Wein getrunken zu haben, bei fest- 
lichen Gelegenheiten sogar 3 bis 4 Liter, Zur Zeit seines 
Dienstes bei der Marine habe er „Ulcus molle” gehabt. 
Damals sei er mit Injektionen behandelt worden. Vor 
zwei Jahren habe er geheiratet, der Ehe entstammte 
ein Kind, welches aber bald aus unbekannter Ursache 
starb. Der Pat. ist persönlich und örtlich unorientiert, 
spricht beständig von seinem großen Vermögen, er be- 
sitze 1'/s Mill. Dinare, 122 Pfund Sterling, 3 Häuser, 
3 Automobile, 4 Tramwayen usw. Grobe Störungen im 
Rechnen, dysarthritische Sprache, unsicherer Gang. 
Status somaticus: Groß, fest gebaut, an den oberen Ex- 
tremitäten mehrfach tätowiert. Pupillen mittelweit, 
gleich rund, Lichtreaktion träge, Akkomodationsreaktion 
gut. Tremor manuum. Patellar- und Achillessehnen- 
reflexe erhöht, gleich. Romberg +. Innere Organe 
ohne besonderen Befund. Harn: Spez. Gew. 1017, ent- 
hält keinerlei patholog. Bestandteile. Blut Wassermann 
+++, Liquor Wassermann +++. Nonne-Apelt +, 
Pandy +. Weichbrodt +. Starke Pleozytose, 71 Zellen 


in 1 cmm. 


28. Februar bis 10. April 1922. Sehr unruhig, spricht 
viel, springt im Zimmer herum, zerstört die Einrichtungs- 
cegenstände, zankt mit den Mitpat., schreit und schimpft, 
daß “man sie nicht nach Hause läßt. | 

10. April 1922. Nachdem Pat. gestern erbrochen 
hatte, fühlt er sich schwach. Heute in der Nacht bekam 
er starken Durchfall. Der Pat. ist stark deprimiert, voll 
Angst, antwortet mit ängstlicher Stimme und beklagt 
sich, daß ihn von den Seinigen niemand besucht, weder 
Frau noch Verwandte. Klagt über Bauchkrämpie, deret- 
wegen er nicht essen und nicht schlafen könne: Ob- 
jektiv: Starker körperlicher Verfall, Zunge trocken, 
etwas belegt, Druckempfindlichkeit in der Magengegend. 
Temp. 37. Harn: Spez. Gew. 1018, Azeton +. Dia- 
gnose: Akute GaRILOgHEReihis. Therapie: Diät, Prieß- 
niz, Rheum. 


XXI. . Epilepsie mit postparoxysmalen Delirien. R. 
N., 22 Jahre alt, unverheiratet, Bauer. In die Anstalt 
verbracht am 22. April 1921. Auszug aus der Kranken- 


geschichte: Seit dem ersten Tage seines Anstaltsaufent- 


haltes bekommt er alle vier bis fünf Tage typische, mit 
tonischen und klonischen Krämpfen, Bewußlosigkeit, 
Schaumbildung vor dem Mund und Sezessus verbundene 
Anfälle. Nach solchen Anfällen ist er vollkommen ver- 
wirrt, gewalttätig, läuft in großer Unruhe im Zimmer 
herum. 

11. April 1922. Durchfall (9 bis 10 Stühle). Stuhl 
ist wässerig, schleimig. -Schwere psychische Depression, 
der Kranke antwortet bei der Visite langsam und kurz. 
Klagt über Schwäche, er könne kaum Hände und Füße 
bewegen. Objektiv: Progressiver körperlicher Verfall, 
Colon asc. meteoristisch, Bauch nirgends druckempfind- 


312 


Harn: Spez. Gew. 1013, Alb. +. Diagnose: Katar- 
Therapie: Diät, Ölklistier. 

- XXIII. Schizophrenie. D. G., 29 Jahre .alt, unver- 
heirat, Schuhmachergehilfe. In die Anstalt verbracht 
am 18. Jan. 1921. Auszug aus der Krankengeschichte: 
Die Eltern des Patienten sind Alkoholiker, der Patient 
selbst war ein schlechter Schüler, er trank immer gerne, 
besonders seitdem er ins Feld gegangen war, woselbst 
er auch geistig erkrankte und ins Spital abgegeben 
wurde. Nach Hause gekommen war er immer schweig- 
sam, lag tagelang ohne Interesse herum und rauchte. 
Anfangs arbeitete er noch ein wenig, in der letzten 
Zeit überhaupt nicht mehr. Vor einem Monat begann 
er in- der Nacht zu lärmen, zu schreien und pfeifen, so 
daß es die Angehörigen nicht mehr auszuhalten ver- 
mochten. Dabei onanierte er viel. Er wurde gewalt- 
tätig gegen seine Eltern. In seinen: Wutanfällen zer- 
trümmerte er Spiegel; Bilder und ähnliches. Gelegent- 
lich der Aufnahme in die Anstalt war er zeitlich und 
örtlich desorientiert, antwortete auf Fragen langsam und 
verständlich, aber häufig auch stark verwirrt. Er sprach 
leise, dabei runzelte er die Stirne, dann wieder fing er 
‚wie im Ärger aufgeregt zu schreien an, brummte schließ- 
lich vor sich hin. . Wenn man aufhört ihn zu fragen, 
so spricht er mit sich selbst. Er redet vorbei, hält 
sich etwas: maniriert, verkriecht sich unter die Decke 
oder hockt und starrt auf die Decke unter sich usw. 
Status somaticus: Mittelgroß, mittelgut genährt, äußere 
Degenerationszeichen. Pupillen mittelweit, gleich, rund, 
reagieren auf Licht und Akkommodation. Patellar- und 
Achillessehnenreflexe beiderseits erhöht und gleich. 
Wagnersches Bulbusphänomen positiv. Harn: Spez. 
Gew. 1016, enthält keine patholog. Bestandteile. 

20. Jan. 1921. Schläft schlecht, spricht verwirrtes 
Zeug. | 

16. März 1921. Sehr unruhig, Tag und Nacht lärmt 
er, zerreißt seine Kleider, zerwühlt sein Bett. 

27. Okt. 1921. Den ganzen Tag schreit und lärmit 
er, weint, schimpft in die Luft, schlägt mit den Händen 
herum, spuckt um sich, schläft schlecht, verkriecht sich 
unter die Decke und spricht unaufhörlich mit sich selbst. 
Wirft das Eßgeschirr an die Wand. 

18. März 1922. Wieder seit einigen Tagen stark 
gereizt, schlägt um sich, zertrümmert ein all im 
-Tagraume. 
= 21. April 1922. Nachts bekam er Durchfall, liegt 
heute bei der Visite im Bette, traurig, gedrückt, ruhig. 


lich: 
rhalische Diarrhöe. 


- Klagt über Bauchschmerzen, er habe keinen Appetit 


und sei sehr schwach. Objektiv: Tem. 37,1 Colon asc. 


meteoristisch, druckempfindlich. Harn: Spez. Gew. 1020, 


Alb. +. Diagnose: Colitis catarrhalis. 
Prießnitz, Ölklistier. | 
- XXIV. Schizophrenie. Z. P., 21 Jahre alt, unver- 
heiratet, Bauer. In die Anstalt verbracht am 14. Jan. 
1921. 
Jahresfrist geistig erkrankt. 
geht nachts im Dorfe umher, erwürgt Hühner und 
Gänse, geht auf die Umgebung los usw. Gelegentlich 
der Aufnahme hielt er sich maniriert, stand oder saß 
unbeweglich, hielt die Hände gekreuzt, starrte vor sich 


Therapie: Diät, 


Spricht verwirrtes Zeug, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‚sich am Boden, zieht sich nackt aus, 


gehört. 


Auszug aus der Krankengeschichte: Schon seit 


hin,- benahm sich  kindisch, 
Grund und redete vorbei. 
orientiert. Status somaticus: 
äußere Degenerationszeichen. 
gleich, reagieren auf Licht und Akkomodation. 
lar- und Achillessehnenreflexe beiderseits gleich-stark. 
Wagnersches Bulbusphänomen positiv. Harn: 
Gew. 1026, ohne patholog. Bestandteile. 

15. Jan. 1921. Unruhig, 


grimassierte, 


[Nr. 47/48 | 


lachte: ohne ; i 
Zeitlich und örtlich ist er 1, 
Fest gebaut, gut genährt, ° : 
Pupillen mittelweit, rund. 4: 
Patel- 1; 


‚Spez, 1 


geht im Zimmer herum, 


spricht mit sich selbst, greift sich an den Kopf, seufzt 4 


tief auf, macht sich Vorwürfe über das, 
Hause getan hat. 
gezündet.” Auf einmal klettert er aufs 
sagt, er'werde davonlaufen, 
sel wegnehmen usw. 


15. Febr. 1921. 


Fensterbrett. 


Stark unruhig, 


‘einem Wärter den Schlüs- 7} 


schlägt wild um fy 


was er u $ 
„Gott, wozu habe ich das Haus an- f; 


sich, geht auf Wärter und Kranke los, stürzt sich un- f5 
versehens auf einen Patienten, wirft ihn nieder und be- fy 


einnt ihn zu würgen. Nachts schläft er 
schwätzt und macht Grimassen. 

..9. März 1921.. Gestern den ganzen 
ruhig, schreit, lärmt, haut um sich, zerrt 


Kleidern, springt über die Tische, 


schlecht, f 


Tag sehr un f 
an seinen 9 
echt auf die Mit- de 


kranken los, schlägt sich mit ihnen und nimmt ihnen 4 


das Essen weg. 
Strohsack, lacht und knirscht mit den Zähnen, 
17. April 1921. | 
ein. Wilder, zerreißt sein Gewand, rauft herum, 
dungsstücke umher usw. 
2. Juni 1921. 
schmerzen. Stark deprimiert. 
langsam leise, liegt apathisch da. 


feucht, Colon asc. meteoristisch, nicht druckempfind- Ah 
lich. Harn.: Spez. Gew. 1020. Aceton +. Temp. 38, 
Diagnose: Colitis catarrhalis. Therapie: 


nitz, Ölklistier. 
5. Juni 1921. 


XXV. Schizophrenie. 
Bäuerin. 
zum zweiten Male. 


ausgesprochene Zeriahrenheit. 


der Nacht schläft sie schlecht und spricht mit S$ 
selbst. 
weigert die Nahrung. 


somaticus: Klein, fest gebaut, gut genährt. 
Ordnung. 
gleich. 
Harn: Spez. Gewicht 1017, enthält keine pa Be 
standteile. 

18. Febr. 1922. 


Seit gestern Durchfall mit Bauch- Em 
Antwortet auf Fragen q 
Objektiv: Zunge reit, Th 


Diät, Prieb- E 


= ~J 
=, A I A 
= De PTO ei 


Di EN 


+ 
a en 


Fühlt sich besser, Durchfall hat aut- | 


P. G., 48 Jahre alt, Witwe, 4 
In die Anstalt verbracht am 15. Dezbr. 1912 9 
Auszug aus der Krankengeschichte: 
In der Anstalt ist sie größtenteils unbeschäftigt, nimmt = 
den anderen das Essen weg, ist unfügsam und wider- A 
spenstig. Bei der Visite lacht sie, redet vorbei und zeigt 3 
Von Zeit zu Zeit ist sie i 
wieder sehr aufgeregt, schimpft, schreit, schlägt mit den 4 
Füßen, geht auf die Mitkranken los, spricht -obszöß, m 
ich 
Im aufgeregten Zustande ist sie unrein und ver- = 
Im ruhigen Zustande ist sie II 7 
der Anstaltskolonie mit Füttern und Reinigen des Ge- a 
flügels beschäftigt, dann ist sie ziemlich fleißig. Status E ; 
Pupillen it 

Patellar- und Achillessehnenreflexe erhöht 5 
Wagnersches Bulbusphänomen ausgesprochen: 4 


AA V) WA TE = Sa 


y Ş i ep Age 1% 


Sul Lane x 


RE a TAIS E 


Bei der ärztlichen Visite = ' 
apathisch, liegt unbeweglich im Bette, klagt über Bann 4 


Die ganze Nacht sitzt er auf dem F0 


Sehr unruhig, springt herum wie fi 
wälzt fe 
wirft die Klei- f 


Ware 
De —-. 
EEE. Du 


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ER Eee 


En. VO 


ER 


[1923] 


{schmerzen und Durchfall, welcher schon zwei Tage an- 
dere. Objektiv: Zunge belegt, Druckempfindlichkeit 
fis Magens und Bauches. Harn: Spez. Gew. 1020, In- 


dikan in Spuren. Diagnose: Akute Gastroenteritis. The- 
Tapie: Diät, Prießnitz. 
XXVI. Dementia praecox paranoides. B. H., 48 


In die Anstalt verbracht 
Male. Pat. ist unver- 
ist grob und widerspenstig, 


I lahre alt, verheiratet, Bäuerin. 
Im 27. Juli 1921 zum vierten 
lindert, äußert Wahnideen, 
Imeidet jeglichen Umgang. 
“12. Novbr: 1921. Steht fortwährend am Fenster, 
# starrt hinaus und.spricht verwirrtes Zeug. Bei der Vi- 
site beschimpft sie die Ärzte in gemeinen Worten, da- 
= äußert sie, sie sei die Muttergottes, 

20. -März 1922. Die ganze Zeit ruhig, schweigsam 
E einsilbig. Gorda Benehmen, schläft ziemlich. 
f Status somaticus: Mittelgroß, mager. Pupillen’ mittel- 
weit, gleich, rund, reagieren auf Licht. Patellar- und 
"Achillessehnenreflexe erhöht, gleich .stark. Harn: Spez. 
few. 1017, enthält keinerlei patholog. Bestandteile. 

4 -22. März. Seit gestern Durchfall, nach angeblich 
T veitägiger Stuhlverstopfung. _ Sehr ruhig, bedrückt, 
{jbt einsilbige, kurze Antworten mit leiser Stimme. 
klagt über Schmerzen im. Bauch und auf der Brust. 
fObiektiv: Zunge rein, feucht, Bauch etwas aufgetrieben, 
‚Colon asc. etwas druckempfindlich. Temp. 36,9. Harn: 
| Spez. Gew. 1018, Indikan in Spuren. Diagnose: Diarrhöe 
ex obstipatione. Therapie: Diät, Ölklistier. 

25. März. Heute lustiger, sehr gesprächig, fühlt sich 
üt und sagt: „Ich heiße heil. Jungfrau Maria, Schöpfe- 
fin des Himmels und der Erde.” 

= XXVIL Schizophrenie. I. V., 27. Jahre alt, unver- 
heiratet, Student der Philosophie. - In die Anstalt ver- 
bracht zum zweiten Male am 30. März 1922. Auszug 
{äis der Krankengeschichte: Bei der Aufnahme saß er 
Mit gesenktem Haupte, mit halbgeschlossenen Augen am 
Tische, zitternd am ganzen Körper. 
Hemmung. Spricht spontan überhaupt nichts. Auf Fra- 
sen antwortet er mit leiser Stimme durch die Zähne. 
Seufzt tief, jammert leise vor sich hin: „Früher empfand 
Ch, daß ich mich selbst verloren habe, jetzt empfinde 
ch überhaupt nichts mehr.” Immerfort erklärt er, es 
Ši eine Dummheit, daß sich mit ihm überhaupt jemand 
Iefasse. er sei dessen nicht wert. Die Leute werfen 
im vor, daß er sein Antlitz geschändet hat. 
it er: vollkommen orientiert, im Benehmen geordnet. 
Halluzinationen werden negiert. Schläft schlecht. Meist 
[ersonnen und bedrückt. Status somaticus: Groß, fest 
baut. Pupillen reagieren auf Licht und Akkomodation. 
atatonische. Pupillenstarre (Westphal). Patellar- und 
Achillessehnenreflexe erhöht, gleich stark. Wagnersches 
Nılbusphänomen ausgesprochen. Harn: Spez. Gew. 1017, 
Mhart keine patholog. Bestandteile. 

30. April 1922. Seit gestern besteht Durchfall, der 
Mi liegt im. Bette, stark bedrückt, gibt auf Fragen nur 
adnische Antworten. Fühlt -sich sehr schwach, hat 
nen ‚Appetit, zeigt keinerlei Interesse. . Äußert: „Ich 
MRs vollkommen zugrunde “gerichtet, ich- konnte nicht 
"erhindern, daß ich zugrunde gehe, ich habe jede Emp- 
4 r verloren. 2 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


‘ Rinderhirt. 


beim Militär diente er nicht. 


Ausgesprochene 


Im übrigen 


Obiektiv: Zunge rein, feucht, Bauch 


313 


nicht aufgetrieben, auch nicht druckempfindlich. 
36,9. Harn: Spez. Gew. 1017, 


Temp: 
enthält keinerlei patholoe. 


Bestandteile. Diagnose: Katarrhalische Diarrhöe. S 
rapie: Diät, Ölklistier. 
2. Mai 1922. Heute mehr geordnet, 


nicht so gè- 
Stuhl in Ordnung. A 
l. P., 30 Jahre alt, geschieden, 
In die Anstalt Vechta vom Gerichte in 
Osijek am 18. April 1922. Auszug aus der Krankenge- 
schichte: Der Pat. war angeblich als Kind schon immer 
kränklich. Es schmerzen ihn die Ohren, der Kopf, er 
litt an Schwindel, deshalb ging er nicht in die Schule, 
da er unfähig war zu lernen. Seit Kindheit hört er 
schlecht, bekommt häufig. Zittern am ganzen Körper, 
Die Mutter starb an un- 
bekannter Krankheit, vor einigen Monaten erschoß er 
seine Stieimutter und seinen Vater mit einem Revol- 
ver, „weil sie ihn nicht gemocht haben”, Er hatte 
immer Schwierigkeiten mit der Sprache. Verheiratete 
sich, die Frau: ging ihm aber nach anderthalb Jahren 
davon. In der Anstalt ist er dauernd ruhig, gleichgül- 
tig, hört schwer. Spricht mühsam und etwas stotternd. 


hemmt wie am 30. April. 
XXVIII. Imbezillität. 


‘Spricht gewöhnlich stark umschweifend und läßt nur 


schwer, erkennen, was er eigentlich sagen will. Die 
Sprache ist ziemlich monoton. Er hat keine Ahnung von 
den einfachsten Dingen aus dem praktischen Leben, ab- 
strakte Begriffe fehlen - anscheinend gänzlich. Faßt 
schwer auf. Seine Bewegungen sind träge und unent- 
schlossen. Status somaticus:* Klein, gut genährt, grazil 
gebaut. Äußere Degenerationszeichen. Beiderseitige 
chronische Mittelohrentzündung. Pupillen rund, mittel- 
weit, gleich, reagieren auf Licht und Akkomodation. 
Patellar- und Achillessehnenreflexe erhöht, gleich. In- 
nere Organe: Mitralinsuffizienz. Harn: Spez. Gew. 1018, 
enthält nichts Pathologisches. 

4. Mai 1922. Seit gestern nachmittag hat Pat. star- 
ken Durchfall, saß nach Wärtermeldung die ganze Nacht 
am Klosett. Stuhl gelblich, wässerig. Bei der ärztlichen 
Visite traurig, fühlt sich schwach, hat Aufstoßen. Klagt 
über Bauchschmerzen, Objektiv: Zunge feucht, nicht 
belegt, Bauch etwas meteoristisch und druckempfindlich. 
Temp. 36,9. Harn: Spez. Gew. 1018, enthält keine path. 


Bestandteile. Diagnose: Dyspeptische Diarrhöe. 


* % 
* 


Das Studium ‘ides Einflusses einer zastrointesti- 
nalen Erkrankung auf die Stimmung der Geistes- 
kranken zeigt bei unseren 28 Fällen deutlich, daß 
alle akuten, subakuten oder chronischen Erkran- 
kungen des Magens und Darmes bei sämtlichen 
Fällen ein ausgesprochenes. Bild einer seelischen 
Depression von leichtestem Torpor bis zum 
schwersten melancholischen Bilde mit seinen Un- 
terarten erzeugen. Die Kranken, die, wie man aus 
den Krankengeschichten sieht, unmittelbar vor der 
Vertdauungsstörung unruhig und bis zur schwer- 
sten psychomotorischen Agitation gereizt waren, 
werden auf den leichtesten Katarrh des Magens, 
des Dickdarms, auf die einfachste Obstipation hin, 


„erhöhte Reizbarkeit 


314 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


[Nr. 47/48. É 


matter Stimmung, klagen und jammern, sind be- 
drückt oder mürrisch, wie auf ein unangenehmes 
Erlebnis hin, sie sind gleichgültig, mehr oder weni- 
ger traurig, appetitlos, denken an Selbstvernich- 
tung, an den Tod usw. Daß so einfache akziden- 
telle Erkrankungen tatsächlich den besprochenen 
Finfluß auf die Stimmung der Geisteskranken 
haben, geht schon aus der Tatsache hervor, dab 
an Stelle der erwähnten torporösen Depression 


sogleich die gewöhnliche Grundstimmung tritt, so- 


bald die gastrointestinale Störung wieder ausge- 
lichen ist. i 

Es entwickeln sich also -bei Geisteskranken ähn- 
liche Gemütsverfassungen unter dem Einfluß einer 
Erkrankung des Vierdauungssystems, wie bei ge- 
sunden Individuen. infolge derselben Störungen. 

Was nun die Ursachen psychotischer Phäno- 
mene infolge einer Erkrankung des Verdauungs- 
apparates bei Gesunden angieht,. so war schon 
Stinzing der Meinung, daß in dieser. Hinsicht Er- 
nährungsstörungen eine große Rolle spielen, denen 
gegenüber das menschliche Gehirn besonders emp- 
tindlich sei. Nach Binswanger wäre:eine Anämie die 
Ursache schwererer nervöser Symptome, wofür 
auch Experimente sprächen, nach denen eine Stö- 
rung im Gasstoffwechsel in den Nervenzellen eine 
| hervorrufen würde. Diese 

Hypothese zeigt sich aber bis jetzt als unhaltbar, da 
uns über ‚den Stoffwechsel im Zentralnerven- 
system überhaupt nichts Sicheres bekannt ist. In 
bezug auf die Aufklärung des Stoffwechsels im 
` Organismus hat die russische medizin. Schule bis 
‚jetzt die bedeutendsten und gründlichsten Arbeiten 
hervorgebracht, an der Spitze Justschenko, der 
sich um die Untersuehung ‘der pathologischen Ver- 
änderungen besonders im Organismus der Geistes- 
kranken große Verdienste erwarb, indem er auf 
Grund der Experimente von Pawlow auf biologisch- 
chemischem Wege den Einfluß verschiedener In- 
toxikationen und Infektionen auf die "Entstehung 
von Geistesstörungen aufzuklären unternahm. 
Auch dieser Autor kam auf Grund der Unter- 
suchung von Harn, Serum, der Fermente usw. zu 
dem Schluß, daß bei Geisteskranken der ganze 
. Apparat der Innervation von Drüsen und des 
gastrointestinalen Systems geschädigt sei. Daß 
sich im kranken tierischen Organismus Störungen 
im Bereiche des Stoffwechsels abspielen, dafür 
sprechen nicht nur die lehrreichen Studien von 
Justschenko, sondern auch die groben Befunde im 
Harn der Geisteskranken, besonders unter dem 
Einflusse verschiedener Verdauungsstörungen: 
' denn qualitative und quantitative Veränderungen 
der Ausscheidungsprodukte müssen auf Verände- 


“wie zZ.. B. bei 


rung des Stoffwechsels zurückgeführt 
Trotz aller dieser gründlichen und bedeutsamen 
Studien aus den Laboratorien ist aber die psychi- 
sche Alteration im Sinne der depressiven Ver 
stimmung unter dem Einfluß einer Verdauungsstö- 
rung weder bei geistig Gesunden und noch weniger 
bei Geisteskranken plausibel zu machen. Dies dari 
uns aber nicht wundernehmen, denn nichts ist so- 
kompliziert wie der normale und pathologische 
Stoffwechsel im tierischen Organismus, ganz ab- 
gesehen davon, daß an eine Erklärung psychischer 
Tatbestände aus physiologischen Vorgängen hier 
überhaupt nicht gedacht wird. Noch mehr kompli- 
ziert und unklar ist dies in einem Kranken Körper, 
(jeisteskranken, denn bei Geistes- 
kranken ist ohne Zweifel die körperliche Konstitu- 
tion verändert, wie dies gerade die gründichei 
biologisch- chemischen Untersuchungen zeigen. 
Daß jede körperliche Alteration einen Einfluß 


auch auf das psychische Leben und dessen. ein- m 
zelne Sphären hat, lehrt schon die Erfahrung aus 7, 
denn schon ein geistig st- f 


dem täglichen Leben, | 
sunder Mensch wird ganz anderer Stimmung, wenn” g 
ihn irgendeine geringfügige Verletzung tritt 


Ebenso ist uns bekannt, daß selbst der Arzt, wert d. 


er aus irgendeinem Grunde erkrankt, sich meist 
nicht selbst heilt; er ist mißtrauisch gegen sich ip 
selbst und sucht deswegen fremde Hilfe. Also T 
schon eine elementare körperliche Veränderung 
bei geistig Gesunden ist imstande, das psychische 
Gleichgewicht in negativer Richtung zu verändert, 
Diese Labilität der Stimmung beobachten Wi 
häufig bei sonst geistig gesunden Individuen, die i 
gegen Tollwut behandelt wurden. 
stig gesunde Personen proiizieren die geringste 
körperliche Veränderung in die psychische Sphäre 

Wenn dies der faktische Tatbestand bei geistig # 
Gesunden ist, dann ist von selbst zu erwarten, dab f’ 
sich die gleichen psychischen Veränderungen im 
Sinne einer depressiven Stimmung mit ihren Varia- 1. 


-tionen in potenzierter Form bei- geistig Erkrank- 


ten einstellen werden, welche mehr oder wenige! 
auch körperlich alteriert sind, besonders- in Fällen 
chronischer Psychosen. 

Aus dem Erwähnten ist also mit apodikt ‚scher 
Sicherheit zu erwarten, daß die verschiedenen Er- 


‚krankungen des gastrointestinalen Systems n01 4 
in höherem Maße schwächend einwirken auf kòt- I 


und 


perlich und geistig herabgekommene Personen, ns 
e 


die unbedingte Folge ist eine Veränderung 
Stimmung im Sinne einer psychischen Depression: 


Infolge dieses depressiven Zustandes wird de 4 
Nahrungsaufnahme schlecht, die Folge kann wie S a 


der eine Herabsetzung der körperlichen Kear bie Me. 


werden. 4, 


Also auch ger 1: 


Im deletären Ausgang sein, wie uns das gut Uc- 
fanmt ist beim Idiotismus und bei der Paralyse. 
Werade in dieser letzteren. Tatsache liegt der 
found, warum man sowohl bei der Spitals- als 
fuch bei der häuslichen Pflege von Geisteskranken 
uf den Zustand des Verdauungessystems beson- 
ers achten muß. 

| Um bei einer Erkrankung des Darmtraktes 
ie Möglichkeit eventueller ernsterer Folgen: nicht 
Fais dem Auge zu verlieren und im Hinblick auf 
fas notwendige therapeutische Handeln müßte 
fach der praktische Arzt das Auftreten einer de- 
fyessiven Stimmung bei Geisteskranken unter dem 
Jönluß irgendeiner gastroenterogenen Affektion 
fis ernstes Symptom werten. In Kenntnis dieser 


fer diätetischen Prophylaxe bei einer geistes- 
ktanken Person, groBe Wichtigkeit beilegen. Da- 
Sieben ist das wichtigste, daß wir die Resistenz 
Jles Pat. erhalten, d. h. es ist unsere Aufgabe, zu 


faungsapparates zu beseitigen, so weit wir dies 
dim stande sind. ; 

| Zusammenfassung: 

/ a) Unter dem Einflusse von Erkankungen des 
Magens oder Darmes zeigt die Stimmung bei Gei- 
(steskranken das Bild einer Depression mit ihren 
Variationen, Er | | 

b) Diese psychische Depression bei Geistes- 


kranken infolge einer Erkrankung des Verdauungs-. . 


Aparates steht ohne Zweifel in-engster Beziehung 
A der Verminderung der Resistenz des gesamten 
Organismus. | | Be zS 


E Literatur: 

l. Bischoff, Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 56. 

2% Campbell-Clarke, Journ. of ment. science 1887. 

ù Chevalier-Lavaure, Arch. de Neurologie 1893 Bd. 26. 
4 Flemming, Über die pathologischen Beziehungen der 
k Verdauungsanomalien zu der Geistesverwirrung. 
| Allg. Ztschr. f. Psych. 1845 Bd. 2. 

^ Griesinger, Pathologische Therapie der psychischen 
= Krankheiten. S. 201 ff. Stuttgart 1867, Ad. Krabbe. 
Jacobson, Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 51. 

1 Justschenko, Über Magenverdauung, vornehmlich 


ir 
x 


- — Reichsverband. 

~ L Der Reichsbund der höheren Beamten hat den 
Beitrag iedes Einzelmitgliedes für das 1. Vierteljahr 
23 auf 40 M festgesetzt, außerdem verlangt er eine 
Nachtragszahlung von 20 M für den Kopf für das Jahr 
2. Da unser bisheriger Jahresbeitrag von 100 M 
E Person unter diesen Umständen und bei der noch 
mer fortschreitenden Teuerung bei weitem nicht aus- 
"eicht, hat der Vorstand beschlossen, einen Beitrag von 


Jlatsache ‚müssen wir auch der Prophylaxe, d. h. 


der Zeit die Folgen einer Erkrankung des Ver-. 


1023] _ PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 315 


über Absonderungsarbeit der Magendrüsen bei Gei- 
steskranken. Russischer Arzt 1902. | 

8. — Über Oxydationsprozesse in Organismen Geistes- 
kranker und über Giftigkeit des Harnes bei densel- 
ben. Psych. Rundschau 1907. ee 

9. — Das Wesen der Geisteskranklieit und deren bio- 
logisch - chemische Untersuchungen. Dresden und 
Leipzig, Theodor Steinkopf. | 


10. — .Biologische Untersuchungen geistiger Erkran- 


kung. Russischer Arzt 1911. 

Il. — Untersuchungen der fermentativen Prozesse bei 
(ieisteskranken. Psych. Rundschau. 

12. Kasansky, Materialien zur experimentellen Patholo- 
gie und Therapie der Magendrüsen des Hundes. 
Dissert. 1901. | 

13.-Köppes,-- Arch, ‚1... Psych.” Bd. 20. 

14. Krafft-Ebing, R. v., Lehrbuch der Psychiatrie, 7. 
Aufl. Stuttgart 1903. | 

15. Massen, Hahn, Neuzky, Pawlow, Eckowsches Röh- 
renloch der unteren Hohl- und Pfortader und seine 
Folgen für den Organismus. Arch. d. biolog. -Wis- . 
sensch. 1892. | 

16. Macpherson, Journ. of ment. science 1893. 

17, Neuzky und Lieber, Materialien für das Studium des 
Magensaftes und des chemischen Bestandes an En- 
zymen. Arch. d. biolog. Wissensch. 1901. 

18. Pawlow, Vorlesungen über Funktionen .der Haupt- 
verdauungsdrüsen. 

19. Plönies, Gesteigerte Reflexerregbarkeit und Nervo- 
sität in ihren ätiologischen Beziehungen zu den funk- 
tionellen Störungen und Reizerscheinungen der Ma- 
senläsionen mit Berücksichtigung des Einflusses der 
Anämie und Unterernährung, Arch. f. Psych, Bd. 55. 

20. — Das Vorkommen und die ursächlichen Beziehun- 
gen der psych. Störungen, besonders der Zwangs- 
vorstellungen und Halluzinationen, bei Magenkrank- 
heiten usw. Arch. f. Psych. 1910 Bd. 46. 

21. — Die diätetische und medikamentöse Behandlung 
der von Magenerkrankungen abhängigen zerebralen 
Funktionsstörungen und Psychosen. Arch. f. Psych. 
1911 Bd. 48. Ä = Ä 

22. Sawriew, Materialien zur Physiologie und Patholo- 
gie der Bauchdrüsen. Dissert. 1900. 

23. Seglas, Arch. gener. de medec. 1893. 

24. Sölder, Jahrb. f. Psych. Bd. 17. 

25. Wagner-Jauregg, Jahrb. f. Psych. Bd. 12. 

26. Wien. klin. Woch. 1896. 

27. Wook, Med. Record 1899 Bd. 56. 


Mitteilungen. 


t00 M für das 1. Vierteljahr 1923 zu erheben. Wir bit- 
ten demgemäß die Schatzmeister aller unserer Einzel- 
‚erbände, schleunigst diesen Betrag von 100 M ie Ein- 
zeimitglied zu sammeln und’ an den Schatzmeister, Herrn 
Regierungsmedizinalrat Dr. Maaß, Dösen bei Leipzig, 


- Postscheckkonto Leipzig 58055, abzuführen. 


2. Aus dem Reichsbund der höheren Beamten ist uns 
folgende Mitteilung zugegangen: | 
a): Ruhrhilfe. Der Aktionsausschuß der Beamten- 


316 


spitzenorganisation hat beschlossen, für die diesmalige 
Sammlung zur „Ruhrhilie” von Maßnahmen für die ein- 
heitliche technische Abführung der Sammlung abzu- 
sehen, da diese nach den zugegangenen Mitteilungen 
bereits überall weit fortgeschritten ist, und nachträg- 
liche Maßnahmen nur Verwirrungen stiften würden. Wir 
fordern daher unsere Mitglieder auf, zunächst 0,5 v. H. 
ihres Januareinkommens einmalig an die Sammelstelle 

„Ruhrhilfe” bzw. des „Deutschen Volksopfers”, mit 
dem die „Ruhrhilfe” in Verbindung steht, abzuführen. 
Wir weisen entgegen irrtümlichen Auffassungen darauf 
hin, daß der Satz von 0,5 v. H. des Monatseinkommens 
dem für die Arbeiter in Frage kommenden Beitrag von 
einem Stundenlohn entspricht und daß dieser Satz inner- 
halb sämtlicher Spitzenorganisationen als Norm verein- 
bart worden ist. 

b) Feindnothilfe des Reichsbundes. Die Ereignisse 
im Ruhrgebiet zeigen, daß gerade die höheren Beamten 
mit ihren Familien aufs schwerste getroffen werden. 
Die staatlichen Maßnahmen, so anerkennenswert und 
‚energisch sie sind, werden nicht ausreichen, die furcht- 
bare Not zu lindern, die über unsere Kollegen im be- 


setzten Gebiet gekommen ist oder ihnen noch bevor-. 
Unserer Organisation erwächst daher die selbst- 


steht. 
verständliche Pflicht, Hilfsmaßnahmen für diese Bedräng- 
ten rechtzeitig vorzusehen, insbesondere da auch an- 
dere große Beamtenverbände besondere Sammlungen 
für ihre Mitglieder veranstalten. Wir fordern daher un- 
sere Mitglieder auf, neben der allgemeinen Beteiligung 
an der Ruhrhilfe 2 v. H. ihres Februareinkommens an 
die „Feindnothilfe des Reichsbundes” ungesäumt abzu- 
führen. Das Nähere ergibt sich aus den Aufrufen, die 
allen Verbänden zugegangen sind. Wir bitten insbeson- 
dere die Ortsgruppen des Reichsbundes, für die schleu- 
.nige Durchführung der Sammlungen bei den ihnen an- 
geschlossenen Gruppen der Berufsverbände Sorge zu 
tragen. 

Die obengenannten Aufrufe sind den Korresponden- 
ten aller unserer Einzelverbände bereits zugegangen. 

3. Auf unsere Eingabe betreffend Amtsbezeich- 
nungen ist uns von dem „Leiter der Geschäftsstelle der 
vereinigten Provinzen”, Herrn Geh. Regierungsrat Ger- 
hardt, Landessyndikus der Provinz Brandenburg, fol- 
sende Antwort zugegangen: „Für die gewünschte Ände- 
rung der Amtsbezeichnungen vermag ich mich nicht ein- 
zusetzen, da die überwiegende Mehrzahl aller Provinzen 
in ihren Antworten auf eine besondere Umfrage diese 
Frage durch die neuen Besoldungsordnungen als er- 
ledigt ansieht. 
“äußerten Zweifel hinweisen, ob den Provinzialverbänden 
überhaupt das Recht zusteht, für ihre Anstaltsärzte die 
Amitsbezeichnungen ‚„Medizinalrat” selbst unter Hinzu- 
fügung eines auf den Provinzialdienst hindeutenden Zu- 
satzes zu wählen.” 

‘Mit Rücksicht auf die im letzten Satze dieser Mit- 
teilung ausgesprochenen Zweifel haben wir uns zunächst 
an das Preußische en des Innern gewendet, 
um die Frage zu klären. 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummert 
Schluß der anato 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S. SE 
aan Druck: Emil Wolf & Söhne, Halle a. S ; 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Dr. Hösel ein Arzt betraut worden, 


-Anstaltswesen bei 


. eigenartige und schwer 


für das staatliche Irrenwesen an einen Nichtfachmaut? 


Dabei möchte ich auf den hierbei ge- - 


[Ni É wis 


TER 
Ban. 


4..- Im: Freistaat Sachsen wurde mit ‚der Stellu 
eines „Landespsychiaters” an Stelle des verstorbene 
Ministerialrates Dr. Mösel ein praktischer Arzt betraut, 
Die daraufhin vom „Verein der Ärzte an den Sächsi- 
schen Landesanstalten” beim Ministerium erfolgte Ein- I 
gabe haben wir durch folgenden Protest bei dem Mic 
nisterpräsidenten des Staatsministeriums unterstützt; 

Wie uns der „Verein der Ärzte an den Sächsisch 
Landesanstalten” mitteilt, ist mit der Stellung eines = 
Referenten für das staatliche Irrenwesen im Ministerium ; 
des Innern an Stelle des verstorbenen Ministerialrate es 
der psychiatrisch 
Vorbildung nicht besitzt. — Der Reichsverband beamte 
ter Irrenärzte, der die offiziell anerkannte Standesverire 
tung im Reich ist und dem so gut wie alle beamteten ie 
Irrenärzte angehören, hat schon hei seiner Gründung 
grundsätzlich und mit allem Nachdruck gefordert, 1 dab 
die irrenärztlichen Belange und die Aufsicht über das, 
den Behörden nur von einem E -- 
fahrenen Fachmann ausgeübt werden könne. Es ist ut S 
stets als selbstverständlich erschienen, daß gerade die: 
Aufsicht über das seiner ganzen Natur nach besonders E 
zu bearbeitende Irrenanstalts- je 
wesen einen nicht nur in der psychiatrischen Wissen 
schaft durchgebildeten, sondern auch im praktischen An 
staltsbetriebe durchaus erfahrenen und erprobten rad 
mann erfordert. Es ist völlig ausgeschlossen, daß & 
Arzt, der diese Vorbedingungen nicht erfüllt, den N; 
gaben eines solchen Amtes gewachsen oder gar als- ‚die 
geeignetste und tüchtigste Persönlichkeit für einen sa 
chen Posten anzusehen sein sollte. — Wir müssen daher 
ernsten Protest gegen die Übertragung des Referates 


einlegen. — Zugleich erheben wir auch dagegen cma 
spruch, daß die Auswahl einer derartigen Persönlichkeit 

nicht — wie das in anderen Ländern und Ver waltungel E 
üblich ist — nach Anhörung von namhaften Fachveizs 


mit der betreffenden fachärztlichen Organisation #6 
schehen ist. — Aus diesen Gründen unterstützen WE 
die Eingabe des „Vereins der Ärzte an den Sächsise r 
Landesanstalten” an den Herrn Minister des Innern y tei 
30. Januar 1923 auf das nachdrücklichste. Be . 

, Der Vorstand. I. A.: Dr. Pussel F 


Dersonalnachriehten. 


— Der Gattin und langjährigen vn 
Mitarbeiterin des Herrn Prof. Dr. Oskar Vogt, Pa 
Caecilie Vogt, wurde auf Grund wissenschaftlich & 
probter Leistungen die ärztliche Approbation erteilt. 
Ihre Arbeiten betreffen bekanntlich gehirnanatomis A 
Untersuchungen. Seinerzeit wurde ihr -wegen ihrer ) Y 
dienste auf diesem Gebiet auch der Möbiuspreis 
sprochen (diese Woch. Bd. XXI S. 78,256; XXIIIS: 


Dieser Nummer liegt ein Prospekt der Firma 
Kalle & Co., A.-G., Biebrich a. Rh. betr. „Neuro 
bei, welchen wir der Beachtung unserer Leser empi = 


[4 Jahrgang, 1922/23, Nr. 49/50. | Se 


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‘England sh. 14, Dänemark Kr. 14, Frank- 
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"Luxemburg Fr. 32, Niederlande il. 

| Norwegen Kr. 16, Schweden Kr. 12 
|| Spanien Pes. 16. Schweiz Fr. 16, ame 
= Dollar 4, Tschech.-Slov. Kr. 


J 
i 
H 
| 


Von Dr. 
Zahnarztes ? 


ühalt  Okkultismusforschung. 
 Berufsnervosität des 


‚Von Dr. 


Bei den .Ahnungen, -die. den Prophezeiungen 
anestehen, sind zwei Fehlerquellen zu beachten: 
E asike des Gedächtnisses und eine 
ebni 

nis sind wir nicht mehr imstande, genau dar- 
er zu berichten, und je weiter wir uns davon 


Merung. Bei sefühlsbetonten, aufregenden Er- 
Jan ssen, um die es sich häufig handelt, nimmt 
(lig (F Unsicherheit der Erinnerung noch zu. 
| t gewissenhafte Leute. "Wie -weit aber die Ge- 
wi sen- und Gedankenlosigkeit gerade in solchen 
Dingen geht, ist unglaublich. Selbst Leute, die auf 
Anderen Gebieten gewissenhaft sind, sind es nicht, 
Wenn solche Dinge, wie Ahnungen, in Frage kom- 


Rh: 


ten, Die Leute, die von Ahnungen erzählen, er- 


ählen die Ahnung, oder die Erfüllung oder beides 
teist or Erzählt werden aber nur die erfüllten 


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K. Schmelzeis, Oberarzt a. D. Schluß. 
Von Dr. 


genaue Rechnung. Schon kurz nach einem Er- 
der einfachen 


itiernen, desto unzuverlässiger wird unsere Er- 


Das gilt 


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Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


I Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von . 

Geh. Sanitäts-Rat Prof. Dr. K. Alt, Magdeburg, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roder- 
| Prof. Dr. Bleuler, Zürich, San.-Rat Dir. Dr. Deiters, Düren, San.-Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Med.- 
| Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler b. Freiburg i. 
llberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 


Br., San.-Rat Dir. Dr. Herting, Galkhausen 
Kluge, Potsdam, San.-Rat Dir. Dr. Lehmann, 
Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Reg.-Rat Dr. H. Schlöß, 


San.-Rat Dir. Dr. 


| Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ob.-Med.-Rat Dir. Dr. Vocke, Eglfing b. München, Prof. Dr. H. Vogt, Nervenarzt, Frankfurt a. M., Dir. Prof. 
Ig Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. W. Weygandt, Hamburg. 
Schriftleiter: 
I Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 
| Nr. 49/50. 10. März 1922/23. 


Zu beziehen durch jede Buchhandlung, 

die Post und unmittelbar vom Verlage. 

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tägig in Doppelnummern. 


Abbestellungen sind nur vier teljährlich 

zulässig und müssen spätestens 14 Tage 

vor Beginn iedes neuen Quartals ein- 
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Zuschriften für die Schriftleitung sind 
an San.-Rat Dr. Bresler in Kreuzburg 
(Ob.-Schl.) zu richten. Bei Anfragen ist 


das Rückporto beizufügen. 


(Susi 
(S; 319.) — 


Gibt es eine 


Franz Hippel. Mitteilungen. (S. 327.) 


Okkultismusforschung. 


K. Schmelzeis, Oberarzt a. D. 
(Schluß.) 


seine Ahnungen und. die seiner ständigen Um- 
eebung, dazu die Erfüllungen, und er wird sehen, 
daß letztere nur einen ganz geringen Hundertsatz 
ausmachen, auf keinen Fall mehr, als wie man nach- 
Wahrscheinlichkeitsrechnung er- 
warten durfte. | er 

Über das räumliche Fernsehen (Telepathie) 
liegen aus früherer Zeit keine zuverlässigen Nach- 
richten vor. Bei den Ferngesichten Swedenborgs, 
die Kant mitteilt (Brand von Stockholm u. a.), hebt 
dieser ausdrücklich hervor, daß er von den Be- 
richten, die ihm durch „Hörensagen” bekannt seien, 
nur die wiedergebe, welche noch am zuverlässig- 
sten erschienen. Es handelt sich also auch da um 
Erzählungen, die, von Mund zu Mund weiter ge- 
geben, sich in zunehmendem Maße verändert 
haben und auf Richtigkeit gar nicht mehr unter- 
sucht werden können. Daß schon Kants Versuche, 
einen genauen Bericht zu erhalten, an dem Schweei- 
gen Swedenborgs scheiterten, teilte Herr Fried- 
länder bereits mit. -Den neueren „Telepathen” 
werfen ihre Kritiker Ungenauigkeit, ungenaue Pro- 


käme die über räumliche Fernsicht hinzu. 


318 


tokollführung, wenn nicht Betrug vor. Allgemein 
läßt sich sagen, daß nicht anzunehmen ist, das Ge- 
hirn, welches für die Wahrnehmung der verhältnis- 
mäßig starken, aus der Nähe kommenden Reize 
des wunderbar ausgebauten Sinnesapparates be- 
darf, könne bei aus weiter Ferne kommenden, die 
doch naturgemäß viel schwächer sein müßten, die- 
ses Apparates vollständig entbehren. Die Tele- 
graphie ohne Draht läßt sich hier zum Vergleich 
nicht heranziehen. Wollte man gleichwohl die 
Möglichkeit eines Fernsehens annehmen, dann läbt 
sich nicht einsehen, warum es auf ein paar Per- 


sonen und deren private Abmachungen beschränkt 


sein sollte. Wäre es aber allgemein verbreitet, 
dann bekäme die Welt ein anderes Gesicht. Schätze 
aller Art könnten mühelos gefunden werden, 


Kriminalpolizei, Detektiv und Untersuchungsrichter 


würden überflüssig und das Leben in der allge- 
meinen Sichtbarkeit unerträglich. Zu der Kas- 
sandraklage über den Jammer zeitlicher Fernsicht 
Es ist 
besser, daß wir vor beiden bewahrt sind. 
Ähnliches gilt für. das Hellsehen in der Nähe 
und das Gedankenlesen. Dazu- kommen als Er- 


 klärung die unwillkürlichen Muskelbewegungen. 


‚totzeschlagen haben; 


i 


Die Flüstersprache will Herr Kollege Sünner zwar 
aber es steht da Aussage 
gegen Aussage, und wenn dem Bericht des Pro- 
fessor Lehmann in Kopenhagen derienige des 
Privatgelehrten Krall gegenübersteht, wird man 


nicht ohne weiteres dem ersteren weniger Glau- 
ben schenken. 


Ich persönlich versteife mich übri- 
gens nicht auf die Flüstersprache, sondern kann 
mir auch eine andere, sozusagen weniger grobe 
Übertragung denken. Jedenfalls empfinde ich das 


Denken, auch abgesehen von der damit verbunde- 


ruft, wenn sie einem „im Kopfe herum geht”, 
Sie „nicht los werden kann”. 
Ist da gewiß nicht die Rede. 


wohl als die erste Veränderung anzusehen ist. 


nen Anstrengung und Ermüdung, als etwas durch- 
aus Körperliches, d. h. als Gesichts-, Gehörs- usw. 
Bild. Herr Kollege Sünner spricht da gegenüber 
Dr. Berndt zwar von Halluzination, aber ebenso- 
gut könnte er „innere Stimme”, „Stimme des Ge- 
wissens?” und Gedächtnis eine Halluzination nen- 
nen. Besonders deutlich tritt die körperliche Natur 


des Denkens auf musikalischem Gebiet hervor, 


wenn man Sich etwa eine Melodie ins Gedächnis 
man 

Von Halluzination 
Darüber, was Hallu- 
zination ist, dürften wir uns doch klar sein. Das 
Wesentliche an ihr ist der Verlust der Fähigkeit, 


zwischen Bildern äußerer und innerer Herkunft zu 


unterscheiden, verbunden mit Zunahme der letz- 
teren an Stärke und Zahl, wobei diese Zunahme 
ES 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


gischen Verwandtschaftsnachweis 


wird schließlich alles als von außerhalb des Gera 
alles sozusagen nach T 


hirns kommend empfunden, 
außen projiziert. 
Gegen die Wünschelrute läßt sich, 


[Nr. 49/50 1 


wenn mail 
nicht die Rute, sondern ihren Träger als die Haupt- 


sache betrachtet, von allgemeinem Standpunkt aus 1 


Es ließe sich sehr wohl den- 
daß eine Art Witterungsvermögen, 


kaum etwas sagen. 
ken, 
serer 
gegangen, 
ähnlich wi 


bei einzelnen Personen wieder 


aus un- | 
tierischen Vorzeit stammend und verloren f 
auftritt, 1 
e etwa bei manchen Menschen ein Haar- P 


kleid oder ein Schwanzrest wieder erscheint. Oder ” 


es könnte bei einzelnen Personen eine besondere 


Empfindlichkeit gegenüber schwachen elektrischen 7 
Hier f 
kommt auf den Versuch alles an, und da steht wie- T 
der Behauptung gegen Behauptung. Wo steckt da 7 


Strömen oder ähnlichem ausgebildet sein. 


der Fehler? 


. Zum Schluß noch einmal die „denkenden” Tiere. 7 
Die Annahme unbewußter Zeichengebung betrachte T 
Die Krallschen I 
Versuche bedürfen der Nachprüfung, und wer dies 3 
an die ungeheure 1 


ich auch jetzt nicht als erschüttert. 


schroff findet, möge sich u. a. 


Schwierigkeit einer genauen Protokollführung et- 7 


innern. 
fahren. 
sehr häufig 
führung Anstoß genommen, 


Schon als Irrenarzt kann man dies er- $ 
Wenigstens habe ich als Sachverständiger f 
an der Art der richterlichen Protokoll- \ 
die oft nur die Fragt E 
und die glatte Antwort notierte, während die gan- f 


zèn Zwischenfragen und das charakteristische Vers A 


halten des Kranken gar nicht oder ungenügend ver- Ti 
Herr Kollege Sünner meint, s0 f 
einfach, wie ich mir die Sache denke, liege sie dodi” q! 
Nun, wenn ich den Tieren die Sache so bè- 1. 
wie nn Beeren u! indem ie nur je 1 


merkt wurden. 


nicht. 


nur in der Annahme, daß ich: so Hoch die redit F 
zeitige Wahrnehmung feinster Bewegungen an die i 


Tiere außerordentliche, nervenzerrüttende Anfor- 


derungen stelle.‘ Herr Kollege Sünner spricht a 
selbst von Bewegungen von nur t/s mm. Dab f 
aber die „denkenden” Tiere nervös seien, wurde | 
in verschiedenen Berichten angegeben, und be f 
sonders ein Aufsatz in der Umschau schilderte vor | 


längerer Zeit den Mannheimer Hund als zur Zeit 


der Vorstellung in einem Zustand hochgradiget I 


Spannung und Nervosität befindlich. 


Vom Standpunkt der freien Wissenschaft us 1 


wäre gewiß nichts dagegen einzuwenden, wenn 


ed 
Sich bei den Tieren eine menschenähnliche | 
Sie würde neben den vorzeit: | 


nachweisen liebe. 
lichen Funden, der vergleichenden Anatomie, a 
kels biogenetischem Grundgesetz und dem sefo® 


ein weiteres 4 


N “ 


Eo 
% a aa 


UF: | t 


I Glied in der Kette der Beweise für die nahe Ver- 
f wandtschaft von Tier und Mensch liefern. Der pri- 
Imitive Mensch sah ja auch nicht auf das Tier als 
Į etwas Niedrigeres herab, sah vielmehr vielfach 
‚iberlegene Eigenschaften bei ihm, wie Größe, 
{ Stärke, Flinkheit, Schlauheit, Schönheit, und als er 
sich die ersten Götter schuf, nahm er auch Tiere 
inihre Zahl auf. Daher u. a. die Tierverehrung 
hei Ägyptern und Indern, die Gottheiten mit Tier- 
f köpfen und zum Teil auch die Seelenwanderune. 
f Erst die an die Ausbildung von Sprache und Werk- 
Freug gebundene Höherentwicklung brachte den 
; Menschen zum Bewußtsein seiner Macht und 


f zung der Tiere, und es liegt kein Grund vor davon 
Sabzugehen. Auch das, was man in den’ Tierge- 


-- 


iD“ besonders durch die letzten Jahre bedingte 
kritische Lage der Arbeitsleistung erfordert die 
f höchste 
| iizierte Fähigkeit für jeden Beruf. Jede Kraftver- 
| geudung in dieser Hinsicht bedeutet einen Rück- 
schritt. Der Kampf ums Dasein erfordert nicht nur 
lie höchste Qualifikation im mechanisch-physischen 
Sinne, sondern vielmehr. auch die meist zu wenig 
beachtete psychische Befähigung. Gerade in dieser 
Richtung muß die heute soviel gepredigte Berufs- 
beratung die richtige Verbindung herstellen, d. h. 
‚sowohl in bezug auf die Schwierigkeiten und Ge- 
A a e als solchen, wie auch auf die in 


o a für a ien a in 
= birgt,  Irotz alledem herrschen noch in BR 


N een von en 
Aa n Interesse wie au, „Fostbe- 


Mile der gebnisse der neueren Pa oce 
h auf Grund der Beobachtungen, des Experi- 


BT; 
ht 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


keit an die 


T Überlegenheit und damit zur geringeren Einschät- 


Konzentration und somit die höchstquali- : 


319 


schichten von Seton-Thompson oder in den trer- 
psychologischen Schriften von Zell u. a. über ihre 
geistigen Fähigkeiten liest, geht doch über ein- 
fache Verhältnisse nicht hinaus, über Anhänglich- 
Jungen und Sorge für sie, Sorge für 
Nahrung, Nachahmung, Abrichtung u. derel. Auch 
die „denkenden” Tiere lassen jede eigene Geistes- 
äuberung vermissen. Was möchte man von den 
„denkenden? Pferden nicht alles erwarten! Ge- 


genseitige Verständigung durch die’ Klopfsprache, 


Pferdeskat, Streik, Pferdebeirat 
nichts Dierartiges geschieht, und das 
„denkende” Pferd wird sich, selbst wenn sein Herr 
ihm vorher Mitteilung davon macht, ebenso wie 
der erste beste ungelernte Ackergaul stumpfsinnig 
zur Schlachtbank führen lassen. 


Vereinsgründung, 
usw: Aber 


+ mm 


Gibt es eine Berufsnervosität des Zahnarztes? 
Ergebnisse einer Sammelforschung. 


Von Dr. Franz Hippel. 


ments und der Fragebogenmethode untersucht wor- 
den. Gewisse Kreise wollen gerade die beiden letz- 
teren Methoden nur anerkennen. Ich will nun fest- 
stellen, ob es eine Berufsnervosität des Zahnarztes 
gibt. Nervosität ist heutzutage ein Schlagwort gc- 
worden. Eben aus diesem Grunde ist eine mög- 
lichst scharfe Umgrenzung des Begriffes nötig. 
Dornblüth fabt. die Nervosität in folgendem. Sym- 
ptomenkomplex zusammen: „Die Nervosität, allge- 
meine Nervenschwäche, Neurasthenie gehört zu den 
allgemeinen Neurosen, und man- versteht hierunter 
eine allgemeine funktionelle Störung des Nerven- 
systems, die sich zum Teil durch Reizbarkeit, zum 
Teil durch herabgesetzte Widerstandsfähigkeit 
charakterisiert. Die Neurastheniker erschrecken 
und erröten leicht und bekommen bei den gering- 


sten Veranlassungen Herzklopfen. Es wird den 
Erkrankten unmöglich, die früher mit Leichtigkeit 
ausgeführten Arbeiten zu vollenden. Sie leiden 


nicht selten an Schlaflosigkeit. Bet manchen stellt 
sich Kopfschmerz mit Überempfindlichkeit der 
<opfhaut oder auch Augenschmerz beim Lesen und 
Schreiben ein. Dabei können die sog. Nervösen 
äuberlich ganz wohl aussehen, die Verdauung ist 
nicht gestört, oder es gesellt sich durch die fortge- 
setzte Aufregung nervöse Dyspepsie mit Herz- 


klopfen und Obstipation hinzu und er st dann kom- 


men die Kranken körperlich herunter.” Viele Ner- 
vöse können nicht lange stille sitzen, müssen be- 
ständig etwas zum Spielen in der Hand“haben, zei- 


320 


sen zappelnde, tik- oder choreaähnliche Bewegun- 
gen. Die Nervosität war schon im Altertum be- 
kannt, doch ist sie erst in den letzten Dezennien 
wissenschaftlich genauer studiert worden. Die Er- 
scheinungen sind teils zerebralen, teils spinalen 
Ursprungs. Die .zerebralen Ursprungs sind schon 
oben beschrieben. Die ‚Nervosität vom Rücken- 
mark aus zeigt mehr Rückenschmerzen, Mibemp- 
findungen in den Beinen, ‘sexuelle Störungen usw. 
Viel und oft führt 
Hypochondrie. Die Allgemeinursachen der Ner- 
vosität haben wir in geistiger Überanstrengung zu 
suchen .bei einer fortgesetzt auszeübten Berufs- 
tätiekeit ohne rechtzeitig dazwischen geschobene 
Erholungspausen. Eine anhaltende Steigerung der 
gemütlichen Erregbarkeit, Fortfall der. Müdigkeit 
und bedeutende Herabsetzung der geistigen Lel- 
stungsfähigkeit sind Folgen von chronischer Er- 
schöpfung. Das klinische Bild ist das der Neur- 
asthenie. Länger dauernde und schwerere Störun- 
sen des Nervensystems entwickeln sich, wenn zu 
der geistigen Überanstrengung dauernde gemüt- 
liche Anspannung, das Gefühl schwerer Verant- 
wortlichkeit und körperlicher Anstrengung hinzu- 
‚kommen. Bei einer derartigen Tätigkeit wird die 
Widerstandskraft des Menschen rasch verbraucht, 
er wird reizbar und stumpf zugleich. Wir wissen 
aus dem täglichen Leben, wie leicht manche Men- 
schen. die ‚Ermüdungsgr enze überschreiten und in 
extremen Fällen nervös zusammenbrechen, weil 
“die Natur sie nicht durch die rechtzeitigen Ermü- 
Aungsgefühle geschützt hat. Auf der anderen Seite 
aber finden wir die vielen, die sich bei kleinen An- 
strengungen bereits müde ‚fühlen, da sie nicht früh- 
zeitig gelernt Haben, die leichten Müdierkeitsgefühle 
zu hemmen. Ich erinnere da an die Versuchsreihen 
. von Kraepelin und seinen Schülern, die sich haupt- 
 sächlich mit den individuellen Unterschieden der 
Erschöpfbarkeit, der Ermüdbarkeit, der Erholungs- 
fähigkeit und der Erregbarkeit beschäftigt haben. 
- Geistestätiekeit und Gemütsbewegungen beruhen 
auf den Lebensvorgäneen in unserer Hirnrinde. 
Eine- der wichtigsten Grundlagen für unser Wohl- 
Ka befinden ist das aus ihnen entspringiende Lebens- 
. gefühl. Wir müssen eine Verstandes- und -eine 
=- "Gemütsleistung unterscheiden. Bei einfacher gei- 
stiger Arbeit tritt nach gewisser Zeit Ermüdung ein. 
Ihre subjektive Begleiterin, die Müdigkeit, erheischt 
schließlich Tätigkeitseinstellung und drängt zu 
Schlaf und Erholung. Die gemütliche Erregung 
aber vertreibt die Müdigkeitswarnungszeichen und 
kann die Arbeitsleistung bis zur Erschöpfung und 
damit bis zur unmittelbaren körperlichen Schädi- 
gung führen. Bis zu einem gewissen Grade ge- 


FSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


die Neurasthenie zu richtiger ` 


schieht das schon bei jeder 
wir mit. lebhaften Interesse nachgehen. 


mütlicher Erregung einherzsehende Arbeit. Durch 
ein wiederholt unterdrücktes Ruhebedürfnis kommt 


eine wirkliche Überanstrengung zustande, die sich 


meist in Nervosität äußert. Die Bedingungen zur 
Nervosität sind in Erregungsfaktoren vorhanden, 
die sowohl in der Person mit ihren psychisch-physi- 
schen Anlagen, als auch in den 


rufsnervosität als solcher im strengen Sinne keine 
Rede sein kann. Es gilt die Bahnen bloßzulegen, 
deren Zusammenwirken die Nervosität bedingen, 


die man im Interesse der mannigfachen ‚Unterbe- ` 
griffe besser mit mervösen Zuständen bezeichnet 


und die für ieden Beruf eine andere Zusammenset- 


zung haben, so daß sich die genaue Frage der Un- | 
tersuchung so formuliert: Wieweit liegen im Beruf poi 
Momente, 1 


krankmachenden 
Symptome der Nervosität hervorrufen? Die 


die Bedingungen der 
die die 


exakteste Untersuchungsmethode ist das Experi- 1 


ment. Man kann hierbei die Bedingungen nach 
Wunsch herstellen, wiederholen und kann die Er- 
gebnisse objektiv messen. 


wiesen war. 
logie, Kapitel VIH, 
Schwierigkeiten foleendermaßen. 


ausüben, die nicht beabsichtigt waren. 
drücke können mißbverständlich aufigefabt werden 
und es ist niemand da, der den Irrtum richtig stellt: 
Man weiß nicht, ob im Einzelfalle die Ausfüllung 
ernsthaft oder spielerisch vor sich ging, ob sie Vol” 


Eitelkeit diktiert oder in vollster Aufrichtigkeit voll- t 
zogen war, ob sie von einem guten oder ec N 
In meinem Falle handelte | 
Ich erwartete 1 
bei der kleinen, aber gewählten Schar der Beant- f 
worter bereitwilliges Eingehen und Zeit- und Kraft- re 
‚Von a 
den 150 Kollegen antworteten überhaupt nir 3 7 


und davon wieder-nur 34 auf die Fragen, die ande- N 
eI- 2.4 


Beobachter herrührte. 
es sich um eine Qualitätserhebung. 


Leider wurde ich sehr enttäuscht. . 


aufwand. 


ren vier schrieben wegen Zeitmangels und Int 


esselosigkeit ab. Als Beispiel führe ich zwei der er : 


sagebrieie an: | 
Sehr geshkter Herr Kollege! 


2 bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dab es — 
- leider aus Zeitmangel nicht möglich ist, w I 


a Fragen zu beantworten. 


Mit vorzüglicher Hochachtung ee 


geistigen Arbeit, der 1 
Demnach T 
gefährdet in erster Linie die Gesundheit die mit ge- I 


beruflich zeitlich $ 
bedingten Umständen liegen, so daß von einer Be- $ 


IM 


Bei der Beobachtungs. 4 
methode können Schwierigkeiten vorkommen. ` Das I 
‚ist um so mehr der Fall bei der Fragebogenmethoda 4 
auf die ich durch die gegebene Lage allein ange 7 
William Stern (Differentielle Psycho- I 
S. 129) charakterisiert deret 7. 
Der Fragebogen 1 
ohne Kontrolle des Untersuchers kann Wirkungen a 
Seine Aus- i. 


- A 
pA: 
4 Tg ; 


| 1923] 


7 schäftigung durch Sport usw. 
f Ihnen mancher den„Fragebogen sogar übel neh- 
? men können. 


wie er den 150 Kollegen zugesandt wurde. 
fag ein Begleitschreiben bei, in dem neben der Bitte 
Jim Ausfüllung die Wichtigkeit der Erhebung in 
wissenschaftlicher 
[hoben war neben der Bemerkung, 
Imgesichert und auch anonyme Zuschriften genehm 
I Selen: 


|1. Besteht: hereditäre 


Sis 


wieder 


q 
E ns ee a le 
i k 


8 


Mein sehr verehrter Herr Kollexe! 
Ihren Fragebogen nehmen Sie anbei nur bitte 
zurück; erstens haben wir in unserem 
Stande Besseres zu tun als uns mit Derartigem 
abzugeben, zweitens halte ich unseren Stand im 


Vergleich zu anderen Berufen gar nicht einmal 


für so ungünstig. Voraussetzung ist natürlich, 
dab jeder nach Kräften die fehlende Freiluftbe- 
ETSELZE Es wird 


Kollegialiter XY. 


den Fragebogen folgen, so 
Ihm 


Ich lasse nunmehr 


und Standeshinsicht hervorge- 
dab Diskretion 


Der Fragebogen hatte folgenden Wortlaut: 
Statis tikaat rerund 


eingegangenen Antworten 
des Fragebogens. 


der 


Belastung, insbesondere mit 


Nervenleiden, Geisteskrankheiten oder ner- 
vösen Störungen allgemeiner. oder örtlicher 
Art? — Migräne 3 positiv, 31 negativ; Neur- 


f asthenie I pos., 33 neg: 

{2 Kindheit regulär? — Mundatmung 1 pos., 
= neg.; zweimal Diphtherie 1-pos., 33 neg.; 
‘ fige Pneumonie 1 pos., 
í mung 1 pos., 33 neg.; Migräne 1 pos., 
3 Schulzeit glatt? — Körperlich glatt 33 pos., I 


33 
häu- 
spinale Läh- 
33 neg. 


33 Nee; 


neg. (mit 15 Jahren Typhus, Verlassen der 
2 Schule): nach Leistungen glatt 29 pos., 5 neg. 
Eher davon fünfmal sitzengeblieben à ein hal- 
bes Jahr); Träumer 1 pos., 33 neg. 


4 Studium glatt? — Körperlich glatt 34 pos., 


‚O:neg.; nach Leistungen glatt 34 pos., 0 neg. 


> Niederlassung und Praxis glatt? — Niederlas- 


‚sung glatt 34 pos; 0 neg.; Praxis glatt 34 DOS., 
-0 neg, | 


á Familienleben, Ehe, Sexualleben ausgeglis chen? 
eo Ausgeglichen 30, gestört 4. 


: Keine nervösen Erscheinungen vor und nach 
der Berufsergreifung. — Kollegen Nr. 4, 5, 7, 15, 


` 22, 24, 32, zus. 8. 


e — sc den Nr. Is Sin: 


 delanfälle 10: Heißhunger 8; Examensangst 8; 


_ Fize Ideen 25; Allgemeine nervöse Störungen 
= 20. bis 22. Jabr) 11; Erröten zwischen 12. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Ill. 


15. 


16. 


18. 


19; 


LE ed 
. Wie lange wird Praxis ausgeübt? — Seit 1 Jahr 
As seit 4 J.2; seit 6.J.E; 


321 


und 15. Lebensiahr 8, 23; Anstoßen der Zunge 
8235 Nervöse Verdauungsbeschwerden 1, 19; 
Migräne 6, 8, 17; Reizbarkeit 8, 17, 19. Zusam- 
men 18 Krankheitserscheinungen, davon ab 
9 Fälle, da dieselben Patienten, bleiben 9 Kol- 
legen mit mervösen Erscheinungen vor der Be- 
rulsergreifung. 


Nervöse Erscheinungen nach der Berufsergrei- 


fung. —  Ischias -Nr. 175  Nervöses Magen- 
leiden 17; Suggestibilität 8; Auffassungs- 
schwäche 19; Erwartungesanest 12 Hem- 


mungen 12; Unzulänglichkeitsgefühle 12; 
Schreckhaftigkeit- 12, 18; Angstzustände 14, 
3t; “Fahrigkeit 8, 10; Schwindelanfälle 8, 19; 
Phantasieerreebarkeit 12, 23;  Ermüdung der 
Augen 3, 10, 30; Hypochondrie 10, 12, 13; Un- 
beständigkeit 10, 23, 26; erundlose Stimmungs- 
schwankungen 10, 12, 26; Willens- und Konzen- 
trationsschwäche 9, 12, 23; Verstimmbarkeit 2 
10, 13; Tachykardie 6, 9, 11, 13, 16; Kopfdruck 
8, 13, 18, 29, 33; Verzeßlichkeit und Zerstreut-- 
heit 8, 10, 12, 13, 14,23, 26; Schlafstörungen 2, 
8, 12, 13, 18, 19, 29; Empfindlichkeit 2, 8, 10, 13, 
18, 20, 29, 34; Ermüdbarkeit 2, 8, 10, 11, 12, 13, 
18723: 34 Ungedüld:2, 3,8519; 11;:12.:13,:.14>38 
19, 28,:29; Reizbarkeit 1, 2, 8, 9, 10,1, 12, 13, 
17, 18, 27, 29, 33. Zusammen 81 Krankheitser- 
scheinungen, davon ab 9 Fälle, da dieselben Pa- 
tienten, und 9 Fälle mit nervösen Erscheinungen 
vor der Berufsergreifung, bleiben 17 Kollegen 
mit nervösen Erscheinungen nach der Beruis- 
ergreifung. 


Haben seit der Berufstätigkeit andere Schäd- 


lichkeiten auf das Nervensystem eingewirkt? — 
Gifte 1 pos., 33. neg. (Trikresolformalin, Chlor- 
phenol); Krankheit 2 pos., 32 neg. (Ohrenleiden, 
Ulcus ventriculi); Persönliches 2 pos., 32 neg:; 
Krieg 6 pos., 28 neg. (einer Kopfschuß); Kriegs- 
ende 2- pos: 32 neg. 


Sind seit der Berufsausübung nervöse Stör un- 


gen aufgetreten? — Nach eigener Ansicht 13 
pos., — neg.; ‚nach ärztlicher Ansicht 6 pos., 
nach Umgebungsansicht 7 pos., — neg. 


seit 10 J. 3; 
seit 13:3.22 
seit 23]; 
seit 30-i as 
seit 30 Faş 


SERS J:F; 
seit 13.J.'L; 
seit 224): I; 
seit: 28-J; 1; 
seit 35 J..2; 


N 


set 4.4, seit.12 3233 
seo. Je 1: seit 203.7; 
seit’25°J. 1; seit 26 Jf; 
seit:33 J.1; seit 34.J: 1; 
seit 45 J. 11. 


— 
Je. 


Wieviel Stunden Arbeit täglich? — 6 Std. 1; 
7 Std. 3; 8 Std. 4; 9 Std. 7; 10 Std. 6; 11:.-St4-T; 


12 Std-3; 13 Std. 1; 14 Std. 5. 


Wie lange Urlaub im Jahr? 2 Wochen 7 . 


24. 


25. 


1 pos., 33 neg 


. Enthält die 


- sċhwerer, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


4 Wochen 5 Wochen 1; 


7 Wochen 2 


3: Wochen 8; 
6 Wochen 3; 


143; 


Est das- Pi re mit Bsondesen (örtlichen 


~ 


usw.) Schädlichkeiten verbunden? — Schlechte 
Luft 2 pos., 32. neg.; Lärm 1 pos., 33 neg.; Tri- 
kresolformalinekzem 1 pos., 33 neg.; Nabelbruch 
. (durch Zurücklegen des mit einem 
Patienten besetzten Operationsstuhles). 

eigentliche Berufstätigkeit nervös 


machende Momente? — Ja 18: nein 6. 


. In welcher Richtung? — Technik 6; Assistenz 7; 


Telephon während der Arbeit 1; Anstrengung 
17; Verantwortung 15; gebückte Haltung 2; 
Widerstand der Patienten 2; anspruchsvolle 
Patienten 5; Unsauberkeit der Patienten 3; 
Hetzen, um fertig zu. werden 7; operative Ein- 
griffe größerer Art 2; Einatmen des Hauches 
der Patienten 1; subtiles Arbeiten an kleinen 
Objekten 2; unangenehmer Übergang zur 
Schwachsichtigkeit 4; konservierende Behand- 


tung empfindlicher Patienten 4. 


Sind die nervösen Störungen seit Ausführung der 


Praxis ‚Folgen der Arbeit? — Teilweise 6; 
ganz T. | 
Einer speziellen Seite der Arbeit? — Erfinder- 


tätiekeit 1; Lehrtätiekeit 3; schmerzhafte Ein- 
eriiie 3; vieles Stehen 8; Hetzarbeit 6. 


6. Fallen bestimmte Berufisaufgaben jetzt auffal- 
lend schwerer oder leichter als im Anfang? — 


Kraftanstrengung 1 schwerer, 3 leichter; manu- 
elle Dinge 1 schwerer, 3 leichter; Buchführung 
] schwerer, 3 leichter; konservierende Behand- 
lung 3 schwerer, 3 leichter; vieles Stehen 8 
a.2eichter. 


27. Ist Zahnheilkunde der Beruf Ihrer Wahl? —. 
Ja 26; nein 4. | 
28. Fühlen Sie sich im Beruf befriedigt? — Ja 25; 
Rein 3. 
29. Würden -Sie ihn wieder ergreiien?— Ja 20; 
nein. 9. = 
30. Würden Sie ihn Ihren Kindern zu ‚ergreifen 
= raten? — Ja 16; nein 7. 
31. Sind’ Sie der Ansicht, daß der Beruf des Fa 
arztes im allgemeinen nervös macht? Ja 25; 
‘nein 4; individuell 5. 
-32. Ist irgendwelches persönliches, literarisches, 
` wissenschaftliches sonstiges Material zu der 


Frage bekannt, ob eine besondere Berufsner- 


vosität der Zahnärzte angenommen wird und 
wie sie sich äußert? — Allgemeine Klagen 6; 
2 verwiesen: auf Ehescheidungen. 


Ehe ich die Auswertung der Statistik igen 


lasse, möchte ich darauf hinweisen, daß ich die ein- 
zelnen Kollegen mit fortlaufenden Nummern von 1 


INr. 49/50 1 


zis 34 bezeichne, um bei einem Hinweis auf das = 


Zusammentreffen eines gewissen: Symptomenkom- 1 


plexes bei einer. Persönlichkeit keine Unklarheiten I 
zu schaffen. 25 der erhaltenen Antworten bestäti 7 
gen eine Berufisnervosität der 


Berufisnervosität vor. Von den Kollegen, die die 
Frage verneinen, möchte ich von vornherein zwei g) 
ausschließen, und-zwar den einen, weil er nur rem ag 


orthodontisch tätig ist, den anderen, weil er keine #, 
Die fünf Kollegen glau- f: 
ben, daß ein gesunder, geduldiger Zahnarzt in Aus- 1 
wierden 7 
weitere Beachtung verdienen die 7 


Kassenpatienten behandelt. 
übung seiner Tätigkeit nicht nervös zu 
brauche. Eine 
Unterschiede in den sozialen und Vorbildungsum- 3 
ständen. Die Zahnärzte sind bunt zusammenge- I 
würfelt. 
ziner, Philologen usw., 


macht und traten demnach auch 


lichem Lebensalter in den Beruf ein. Nach einem f 


 siebensemestrigen Studiengang wird der Zahnarzt A. 
und 30. Lebens- Ah 
jahre zur Selbständigkeit gelangen können. Da ih 71 
feststellen will, ob durch den Beruf eine Nervosität I 
erzeugt wird, muß ich von vornherein alle die Kol- k 
legen absondern, die schon von Geburt oder vor der 7 
Berufsergreifung irgendwie krankhafte Erscheinun 7 
gen zeigten. Es sind das insgesamt neun Kollegen. "I 

Kollege 1 erkrankte während der Kindheit zwei- Ik 
mal an Diphtherie und atmete dauernd mit offenem fd 
Während der Schulzeit fiel er als Träumer 772 
wegen 7 \ 


normalerweise zwischen dem 25. 


Munde. 
auf und mußte 
Typhus die Schule verlassen. 


mit dem 15. Lebensjahre | 
Das spätere Studium "7 


verlief glatt, nur klagte er über nervöse Verdau- S 
Kollege 6 litt schon frühzeitig fg 
Kollege 8 hatte als Kind häufig unter” 8 


ungsbeschwerden. 
an Migräne. 


Pneumonie zu leiden. Seine Schulleistungen lieben d r 


zu wünschen übrig und auch er klagte schon in der 1 


Jugend über Migräne. Oftmals verspürte er einen 
abnormen Heißhunger. Recht unangenehm Wai 
ihm ein intensives Erröten zwischen dem 12. und 
15. Lebensjahre, außerdem stieß er beim Sprechen 
mit der Zunge an und war reizbar und zeigte Lam- 
penfieber und Fxamensangst. Beim Kollegen 10 { 
traten vor der Berufsergreifung vereinzelt Schwil- 4 
delanfälle infolge einer Gehirnerschütterung auf. JA 
Kollege 11 hatte leicht nervöse Erscheinungen vom 

20. bis 22. Lebensjahre. Die Beschwerden wareh 


nach dem Militärjahre verschwunden, und er führt 


sie auf Stubenhockerei während des Studiums ZU 
rück. Kollege 17 ist von Jugend an krank. Er führt i 
spinale Lähmung, Migräne und Neurasthenie a 
Die Leistungen in der Schulzeit: sind mäßig, doc 


Zahnärzte, 5 sagen, I 
es sei individuelle Veranlagung und 4, es liege keine I) 


Viele haben umgesattelt, waren Vollmedi- f 
haben ganz verschiedene I 
Entwicklungsgänge und Lebensschicksale durchge- Fr 
in unterschied- fs 


1923) 


"wird das Studium glatt abgewickelt. Nebenbei er- 
_ wähnt er abnorme Phantasieerreebarkeit. Kollege 
9 hatte vor der Berufsergreifung über Reizbarkeit 
find nervöse Verdauungsbeschwerden zu klagen. 
f Vor einem Jahre wurde ein Ulcus ventriculi fest- 
gestellt und operativ beseitigt.” Kollege 23 machte, 
"wie er mitteilte, „häufig Station. Er blieb fünfmal 
ie ein halbes Jahr sitzen”. Er errötete stark zwi- 
‚schen dem 12. und 15. Lebensjahre und stößt mit der 
Zunge an. Kollege 25 endlich klagt über fixe Ideen. 
= Acht von diesen Kollegen haben nach der Be- 
ruisergreifung bedeutend heftiger über Beschwer- 
den zu klagen, 
erhöhte Reeizbarkeit dazuzekommen. Kollege 9 
klagt über Tachykardie, Kollege 8 hat häufige 
‚schwindelanfälle. Er ist fahrig, hat öfters Kopf- 
‚druck, ist ungeduldig, reizbar, sehr empfindlich und 
"leidet trotz abnormer Ermüdbarkeit an Schlafstö- 
rungen. Die Ausfüllung seines Fragebogens ist 
f sehr flüchtig, aufgeregt und unklar und, da er sich 
‚selbst als sehr suggestibel bezeichnet, ist wohl 
seinen Ausführungen nicht viel Wert beizulegen. 
| Kollege 10 ist auch im Beruf fahrig geworden, dazu 
| recht unbeständig, verstimmbar, empfindlich, un- 
| geduldig und reizbar. Neben abnormer Ermüdbar- 
keit konstatiert er große Vrergeblichkeit und Zer- 
streutheit, klagt über grundlose Stimmungsschwan- 
‚kungen und abnorme Ermüdung der Augen. Kol- 
ege 11 bemerkte seit der Berufsausübung Tachy- 
kardie und abnorme Ermüdbarkeit, ist recht unge- 
Auldig und reizbar. Beim Kollegen 17 haben sich 
% den vielen Krankheiten noch Ischias “er ner- 
‚vöses Magenleiden gesellt, außerdem ist er sehr 
Teizbar geworden. Über Ungeduld, zeitweilige 
 Schwindelanfälle und  Auffassungsschwäche von 
istigem Material klagt Kollege 19. Kollege 23 


ns 


‚stellte bei sich Willens- und Konzentrations- 
| Schwäche, Vergeßlichkeit und Zerstreutheit und 
außerdem Phantasieerregbarkeit, Unbeständigkeit 


Ad abnorme Ermüdbarkeit fest.: 

Acht Kollegen haben keinerlei nervöle Erschei- 
ungen weder vor noch nach der Berufsergreifung 

allzuweisen. Die vordem erwähnten acht Kollegen 
‚haben seit der Berufsergreifung beträchtliche Zu- 
nahme der nervösen Beschwerden zu verzeichnen, 
der eine hat nach wie vor nur fixe Ideen angegeben 
nd die übrigen siebzehn, die vordem ganz gesund 
gewesen zu sein behaupteten, haben seit Ausübung 
‚der Praxis teilweise ganz beträchtliche Störungen 
‚des Nervensystems aufzuweisen. Am häufigsten 
fällt die Reizbarkeitins Auge, dann folgen Un- 
Seduld, abnorme Ermüdbarkeit, Empfindlichkeit, 
Grangeen, Vergeßlichkeit, Zerstreutheit usw., 

urzum die Symptome der Nervosität. Ich will 


FEIT 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Quecksilbervergiftung, 


und zwar ist beim Kollegen 1 eine 


323 


diese entstandene Nervosität nach den Einzelan- 
gaben der Kollegen nun auf ihre Ursachen hin un- 
ter suchen. 

Nach einer Statistik von B. Klein (Die Berufs- 
krankheiten des Zahnarztes) sind nur 17 v. H. aller 
Zahnärzte von Berufskrankheiten verschont. Von 
140 von ihm befragten Kollegen klagen allein 72 
über Nervenschwäche. Der Häufigkeit nach schlos- 
sen sich an Senkfuß, Infektionen, Augenbeschwer- 
den, MHerzbeschwerden, Krampfadern, Ekzeme, 
Übertragung von Katarrh 
und Nabelbruch. Da die Sorge einer Frwerbung 
eben genannter Berufsschädigungen auf das Ner- 
vensystem nicht ohne Einfluß ist, behalte ich die 
Reihenfolge der von Klein aufgestellten Berufs- 
krankheiten bei und sehe, ob auch meine befragten 
Kollegen derartige Schädigungen aufweisen. Acht 
meiner Kollegen klagen über das viele Stehen, das 
ihnen. teilweise jetzt noch viel schwerer als im An- 
fang der Ausübung der Praxis falle. Sicher wer- 
den Patienten mit statischem Plattfuß und Krampf- 
adern unter ihnen sein. Zwei führen das Bücken 
als äußerst lästig an. Die gezwungene Körpernal- 
tung, die der Zahnarzt am ÜOperationsstuhl ein- 
nimmt, der vorn übergebeugte Kopf bedingen ge- 
wisse Störungen. Durch die Kopfhaltung wird die 
Zirkulation des Blutes erschwert, der Blutandrang 


nach dem Kopfe wird begünstigt, und es treten 
Kopfschmerz, leichte Ermüdung, Flimmerskotom 
u. a. m. auf. Durch die Rumpfstellune sind auch 


häufig Magen- und Darmerscheinungen, durch das 
dauernde Stehen Hämorrhoidalerkrankungen, Phle- 
bektasien und Varizen bedingt. An dritter Stelle 
stehen die Infektionen. Der Zahnarzt muß sich 
meistens, um richtig arbeiten zu können, dem Ge- 
sicht des Patienten recht erheblich nähern. Ist da 
sehr häufig schon der foetor ex ore äußerst lästig, 
so kommt dazu noch die Gefahr der Infektion. Ka- 
tarrh, Angina, Diphtherie, Masern, Scharlach, Lues 
und Tuberkulose werden je nach Disposition mehr 
oder weniger leicht übertragen. Vor allem sind es 
die Tuberkulose und die Lues, die einem sorglosen 
Zahnarzt recht übel mitspielen können. Nach dem 
Flüggeschen Versuch ist die Gefahr der Tröpfichen- 
infektion eine sehr große, zumal wenn der Zahn- 
arzt noch für Tuberkulose disponiert ist. Beim 
Operieren im Munde Tuberkulöser kann es auch 
zu lokaler Tuberkuloseinfektion kommen in Gestalt 
eines Impfilupus oder einer Tuberculosis verrucosa 
cutis. Nicht weniger gefährlich ist die Möglichkeit 
einer syphilitischen Ansteckung. Almkvist nennt 
vier Arten ärztlicher Tätigkeit, die hauptsächlich 
durch Lues gefährdet. sind: I. die Gynäkologen, 2. 
die Chirurgen, 3. die Zahnärzte und 4. die Syphili- 


"seine 


324 
dologen. : Nicht- immer sind manifeste Luessym- 
ptome, Primäraffekt, Papeln, Plaques opalines als 


rechtzeitige Warnung vorhanden, und es kann die 
Spirochaeta pallida durch Hautdefekte oder durch 
Biß des Patienten in die Blutbahn gelangen. Von 
meinen Kollegen klagen vier über unangenehmen 
Übergang zur Schwachsichtigkeit. Durch die Klein- 
und Feinarbeit werden zumal bei intensiver künst- 
licher Beleuchtung die Augen stark in Anspruch ge- 
nommen. Die Konjunktiva ist häufig Sitz akuter 
und chronischer Entzündung. Der 
kariöser Zähne, die abspringenden Inkrustationen 
bei Zahnsteinreinigung, die mit Äther, Quecksilber, 
Chloroform, Karbolsäure und Jodoform geschwän- 
eerte Luft im Operationszimmer, das alles sind Mo- 
mente, die eine Bindehautverletzung resp. -reizung 
- bedingen und dauernd unterhalten. Ein amerikani- 
scher Augenarzt, Fox, beschreibt eine bei Zahn- 
ärzten auftretende Asthenopie. Er nennt die Er- 
krankung Goldblindheit. Sie äußert sich dadurch, 
daß nach längerem Arbeiten mit Gold das Auge un- 
fähig wird, das Gold von der Zahnsubstanz zu un- 
terscheiden. Fünf meiner Kollegen klagen über 
Herzbeschwerden. Auch Ekzeme 
geführt, und mußte einer der befragten Kollegen 
eines Trikresolformalinekzems wegen monatelang 
Tätigkeit aussetzen. Blomquist untersuchte 
die Luft zahnärztlicher Operationszimmer und 
stellte darin deutlich nachweisbare Mengen Queck- 
silber fest. Im Liter Urin eines Kollegen fand er 
3 bis 4 mg Quecksilber. 
Figenschaft schon bei Zimmertemperatur zu 
dünsten. Da am Tage so und so oft Quecksilber 
vom .Zahnarzt gebraucht wird, ist die Luft mit 
Quecksilberdämpfen beladen. Wenn der Zahnarzt 
. seine metallischen Füllungen, die aus Metallfeilun- 
gen und Quecksilber gemischt- werden, selbst be- 
reitet, ist die Unsitte verbreitet, aus Bequemlichkeit 
das überschüssige Quecksilber mit den Fingern 
auszupressen und das Füllungsmaterial in der Hand 
zu reiben und zu drücken. Außerdem wird dem 
Körper durch das viele Waschen mit Sublimat an- 
dauernd Quecksilber zugeführt. Diese ständig vom 
Körper aufgenommenen minimalen Quecksilber- 
 mengen summieren ihre Wirkung im Laufe der Zeit 
und, wenn es auch nicht zu den Erscheinungen 
akuter Quecksilbervereiftung kommt (Salivation, 
Stomatitis mercurialis, Lockerung der Zähne), so 
‚werden doch allgemeine Mattigkeit, Arbeitsunlust, 
leichte Ermüdbarkeit, erhöhteReizbarkeit, Schreck- 
haftigkeit, Schlaflosigkeit, allmähliche Abnahme der 
psychischen Leistungen sehr wahrscheinlich auf 
eine latente chronische Intoxikation mit Queck- 
silber zurückzuführen sein. 17 Kollegen klagen 


Vol 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


Bonrstaub 


werden an- 


Das Quecksilber hat die 


über die körperlichen Anstrengungen, die der Be- 
ruf mit sich bringt. 
Organe und Muskelgruppen stark beansprucht. 
Nach schweren Zahnextraktionen treten leicht 
Krampfzustände der Hand auf. Bei der 
der Schädlichkeitsfaktoren muß eine  peinlichste 
Aufmerksamkeit am Platze sein. (eisteskranke, 
Narkotisierte und Kinder beißen oft unwillkürlich 
zu. Ebenso können erhebliche Biß- und Quetsch- 
verletzungen beim Einrenken von Kieferluxationen 
vorkommen. Ferner sind .die 
Köntgenapparates, der heutzutage vom Zahnarzt 
sehr häufig benutzt wird, und außerdem die even- 
tucllen Unglücksfälle bei Ausübung der Technik zu 
erwähnen. Hat doch 
(ioldarbeiten ein Auge "eingebübt. Einer meiner 
Kollegen hat sich einen Nabelbruch zugezogen, als 
er den mit dem Patienten besetzten Operationsstuhl 
nach hinten umlegte. Es gibt wohl nur wenig Be- 
rufe, in denen dem Ausübenden so viele verschie- 
denartige Schädlichkeiten drohen, 
die dauernde Vergegenwärtigung aller Gefahren 
Unruhe hervor. Vier Kollegen klagen übe die emp- 
findlichen' Patienten bei konservierender Behand- 
lung. Die Patienten kommen meist im Zustand 
höchster Erregung in das Operationszimmer. 
sie doch oft genug Tage und Nächte lang vorher 


breitet. 
Kindern kommt die innere 
haltung, der krankhaften 
Jammern, Schreien, heftigen Abwehr- und Flucht- 


versuchen zum Ausdruck. Dazu gesellen sich bei dy 
‚den geringsten ärztlichen Manipulationen die net= fe 
wie Schwindel, BAR, 


vösen -Angstbeegleiterscheinungen, 
Mißbempfinden, . Herzklopfen, erregte 
Schlottern, Zittern, - Schweißabsonderung, 
kordialangst. 


Atmung, 


klagen, dann nimmt es nicht wunder, 


Akkomodationsneurasthenie eintritt. 


(Nahrung, Schlaf, Geschlechtstrieb). 


tienten mit einstimmen. 
lege das „auf die Nerven fallende 


[Nr. 49/50 I 
Andauernd werden einzelne I 


Vielheit 


Schädigungen des 


Kollege Adolf. Witzel bei 


Sind 


Prä- i 3 
Derartige Patienten verlangen scho- ia 
nendste Behandlung, weitgehendste Rücksicht und: R s 
Geduld, und wenn noch Widerstand des Patienten A 
einsetzt, über den auch zwei der befragten Kollegen f] 
wenn eine fy 
Bei den PD i 
tienten ist die Nervositätsursache nach Kraepelin {i 
zu suchen in zunehmender Verweichlichung, dem 9 
ständigen Wachsen der Bedürfnisse und der da f 
durch geschaffenen Abhängigkeit, sowie der AD- T 
schwächung und Verkehrung der natürlichen Triebe dk 
Ganz schlimm fi 
wird es noch, wenn Tanten, Groß- oder Schwiegel= qi 
müttier daneben stehen und in das Lamento. des Par. 
Ferner erwähnt ein wi 
Nörgeln al 7 


eas 


und ruft gewib Ti 


von heftigsten Schmerzen gepeinigt worden. Die A 
Angst vor zahnärztlichen Eingriffen ist weit ve- fy 
Namentlich bei hysterischen Frauen und I 
Spannung in der Körper- A, 

Muskelinnervation, m fe 


1923] 


‚spruchsvoller Patienten, die nie zufrieden zu stellen 
sind und dauernd ihrer, wenn auch einwandfrei hèr- 
‚gestellten Prothesen wegen angelaufen kommen. 
Sollen schmerzhafte Eingriffe vorgenommen wer- 
den, so stehen uns meist Lokal- und Leitungsan- 
"ästhesie oder Narkose zur Verfügung. Es gibt aber 
Buch Fälle, wo ohne Betäubung operiert werden 
mub.. Wir arbeiten dann auf einem sehr schmerz- 
haften Gebiet. Zahnziehen erfordert viel Übung, 
‚Geschicklichkeit und Ruhe, vor allem aber einen 
‚kaltblütigen Kopf neben ausgeprägter Energie. Wir 
‚dürfen dem Patienten nicht zeigen, daß wir nervös 
‚sind, sondern müssen uns beherrsche en.- Und das 
kostet einen gesteigerten Verbrauch an Nerven- 
kraft. Am schwierigsten wird ein operativer Ein- 
gitin der Mundhöhle in Vollnarkose, weil dabei so 
viele Sachen gleichzeitig ins Auge «gefaßt werden 
müssen. Dazu kommt die Verantwortung, die 15 
‚Kollegen als Nervositätsursache mit anführen. Die 
iahnärztlichen Leistungen sind vom Patienten 
leicht nachzuprüfen. Der Behandelte merkt sehr 
"bald, ob die Art der Ausübung eine schonende ist, 
ob die Plomben gut aussehen und halten, ebenso, 
0b die Prothese sich bewährt. Kein anderer Arzt 
ist vom Patienten so leicht auf seine Fähigkeiten 
zu taxieren wie der Zahnarzt. Passiert ihm ein 
Mißgeschick, daß er einen Patienten teils aus Fahr- 
ässigkeit, teils aus unglücklicher Verkettung der 
‚verschiedensten Umstände an seiner Gesundheit 
empfindlich schädigt und er dafür. schadenersatz- 
Dilichtig gemacht wird, so ist das wohl zunächst 
ine Geldbeutelangelegienheit, doch kann die mittel- 


‚Werden. Ruf und Ansehen leiden empfindlich, und 
€$ kann in schweren Fällen seine Existenz gefähr- 
det sein. Hat ein Zahnarzt große Kassenpraxis, 
dann wird das Bild noch mannigfacher. Die mei- 
‚sten Kassenpatienten sind nicht in der Lage, über 
ihre Zeit frei verfügen zu können. Und so drängen 
‚Sich dann die Patienten nach beendeter Arbeitszeit 
dden Abendstunden zusammen. Oft kommen die 
‚Leute direkt von der Arbeit, und so ist wohl haupt- 
ichlich zu erklären, daß sich drei meiner Kollegen 
über die Unsauberkeit der Patienten beklagen. 
Haben sich in den späten Abendstunden im Warte- 
immer noch viele Patienten einrefunden, dann 
Kommt für den Zahnarzt die Befürchtung, nicht fer- 
"X zu werden, und es setzt ein gesteigertes Hetzen 


Weiter und empfindet eine atemlose Scheu vor jeder 
fälligen Störung. Hat man dann noch Pech bei 
tem heutigen schlechten Material und Instrumenta- 
ium, dann sind die Voraussetzungen zur Nervosi- 
it a da. Wie aus der Statistik hervorgeht, wird 


si 


WE 


} 


- 
- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


bare Wirkung auf seine Psyche nicht bestritten 


in. Man arbeitet gewissermaßen besinnungslos 


325 


die zuträgliche Arbeitszeit erheblich überschritten. 
Arbeiten doch einzelne Kollegen bis zu 14 Stunden 
täglich. Auch die Technik bringt viel Ärger, um so 
mehr, ie weniger der Zahnarzt davon versteht. 
Äußerst unangenehm empfindet ein Kollege das Ab- 
rufen ans Telephon während der Ausübung der 
Praxis. Zwei der Kollegen sprechen die‘ Präzisions- 
arbeit, das „subtile Arbeiten an kleinen Objekten”, 
als Nervositätsursache mit an. Gute und gewissen- 


hafte zahnärztliche Arbeiten verlangen jedenfalls 
eroße körperliche und geistige Ausdauer und führen 


leicht zu Übermüdung. Unter der Hast der Tätig- 
keit leidet die Ernährung. Die Mahlzeiten werden 
nicht regelmäßig eingehalten. Vielfach wird die 
Nahrung mit -Hast geschlungen, nicht genügend 
durchspeichelt und gekaut. Verdauungsstörun- 
gen sind die Folge. Dann wird meist unmittelbar 
sach dem Essen die Tätigkeit fortgesetzt. Neun 
Kollegen geben Neigung zu Genußmittelmißbrauch 
an. Demnach werden sich einige Nervenerschei- 
nungen wohl auch oft auf Alkohol- und Nikotinmiß- 
brauch zurückführen lassen. — Wie die Mediizn-ist 
auch die Zahnheilkunde eine Kunst. Das Können, 
die künsterisch-technische Veranlagung ist die 
wichtigste Grundlage für den Zahnarzt. Dazu kom- 
men Wissen und Wissenschaft. Die Voraussetzun- 
gen zur Berufsbefriedigung sind mannigefach und 
schwer erfüllbar. Der Heilerfolg gewährt an sich 
wenig Befriedigung. Die Optimisten unter . den 
Zahnärzten werden leicht zu Enthusiasten, "die 
Pessimisten zu MHypochondern. Auffallend ist, dab 
von 34 Kollegen vier ihr Eheleben als gestört be- 
zeichnen. Im alltäglichen Leben fallen auch schon 
die zahlreichen Ehescheidungen der Zahnärzte auf. 
Es taucht da die Frage auf, ob nicht die Nervosität 
eine Rolle mitspielt. Gereiztheit und Launenhaftig- 
keit des Familienoberhauptes stören entschieden 
den häuslichen Frieden, und dazu kommt noch die 
Arbeitsüberbürdung. Der Zahnarzt hat für seine 
Familie wenig oder gar keine Zeit. Der Grund, daß 
Zahnarztirauen besonders zu Eifersüchteleien nei- 
een, ist nicht stichhaltig, haben doch andere Berufe 
ebensoviel geschäftlichen Umgang mit Vertretern 
des anderen Geschlechts, z: B. der Arzt und. der 
Photograph. — Der wirtschaftliche Kampf ums Da- 
sein hat heutzutage eine ungeahnte Schärfe und 
Riücksichtslosigkeit angenommen. Der Zahnarzt 
ist gezwungen, die Zeit der Ernte ernstlich auszu- 
nützen, da die meisten Kollegen wissen, daß ihr: 
nerventötender Beruf nur eine mittlere Berufs- und 
Lebensdauer zuläßt. Nach einer englischen Stati- 
stik beträgt die durchschnittliche Lebensdauer für 
englische Zahnärzte 45 Jahre, während das durch- 
schnittliche Alter für andere Berufe zwischen dem 


= ‚durchaus zu vermeiden. 
keit wären Stoffwechselkrankheiten (Gicht, 


326 


43. und 86. Jahre 
zu denken gibt. 

Ich glaube durch vorstehende Ängaben und Un- 
tersuchungen festgestellt zu haben, daß eine Berufs- 
nervosität des Zahnarztes vorliegt. Wir 
versuchen, diese Berufisnervosität zu mildern, wenn 
es auch nicht möglich sein wird, sie ganz zu be- 
seitigen. Ich will im folgenden ausführen, wieviele 
Ursachen, die zur Nervosität führen, ganz beseitigt 
resp. vermindert werden können. 

Die Operations- und technischen Räume des 
Zahnarztes müssen einwandfrei hygienisch einge- 
richtet sein. Das lageslicht muß durch hohe Fen- 
ster hereinfluten. Als künstliche Lichtquelle sollte 
der gleichmäßigen Lichtintensität wegen nur elek- 
trische Beleuchtung in Frage kommen. Die immer 
gebrauchten, Gas entwickelnden Desinfektionsmit- 
tel wie Formalin, Chlorphenol und. ätherischen Öle 
geben starken Geruch von sich und sind daher nicht 
ohne Einfluß auf das Nervensystem. Außerdem ist 
die Luft an sich durch die Ausdünstung des Patien- 
ten, durch den allmählichen Verbrauch des Sauer- 
stoffs, durch reichlich vorhandene Wasserdämpfie, 
Kohlensäure und die Gas- und Spiritusflamme 
schädlich und es muß durch gute Ventilation Abhilfe 
geschaffen werden. Des Zahnarztes und des Pa- 
tienten wegen müssen die benutzten Medikamente 
sofort nach Gebrauch wieder luftdicht verschlos- 
sen werden. Wird es doch auch vom Patienten 
äußerst unangenehm empfunden, wenn nicht nur der 
Operationsraum, sondern schon das Wartezimmer 
- und ev. das ganze Haus „nach Zahnarzt riecht” 
"und er durch die Reizung seiner Geruchsnerven 
schon an all’ das Unangenehme semahnt wird, das 
seiner wartet. Jetzt zur Person des Zahnarztes 
selbst. Der Zahnarzt muß einen möglichst geregel- 
ten Stundenplan haben, in dem Arbeit und Erholung 
berücksichtigt werden. Er muß sich vor Genuß- 
mittelmißbrauch hüten, vor allem vor unmäßigem 
Alkohol- und Nikotingenuß. Die Mahlzeiten müs- 
sen unbedingt eingehalten werden. Die Ernährung 
darf nicht unter dem Patienten- und Arbeitsandrang 
leiden. Ein guter Ernährungszustand ist der beste 
Schutz gegen Nervosität, aber auch gegen Infek- 
tionskrankheiten. Eine Überernährung ist aber 
Dutch die Art der Tätig- 
harn- 
saure Diathese, übermäßiger Fettansatz) gerade 
beim Zahnarzt als unangenehme Folge besonders 
zu befürchten. Alle Kautelen zur Verhütung einer 
| Infektion müssen so gewissenhaft als irgend mög- 
lich beachtet werden. Auch auf eine gute Körper- 
pflege muß der Zahnarzt halten. Möglichst täglich 
soll er ein Bad nehmen und soll sich mindestens 


schwankt, eine Statistik, die doch 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


müssen 


‚großer Bedeutung; die Kosten nicht zu scheuen und 5 


(Nr. 49/50 4 


einmal in der Woche massieren lassen, um haupt 4 
sächlich die Beinmuskulatur anzuregen, Um u- 1 
nötige Sorgen zu vermeiden, sollte der Zahnarzt 
sich, sein Personal und seine Einrichtung ver- 
sichern. Durch Feuerschäden oder Einbruch Kann 
er bei den kostbaren Einrichtungen -und Arbeits- 
material empfindlich geschädigt werden. Durch 
unglückliche Zufälle können sich seime Angestellten 
in Ausübung der Technik schwere Gesundheits- 3 


~ 


-e 


schädigungen zuziehen, und schließlich kann er 
selbst durch Infektion oder Unglücksfall in der f 


Praxis monatelang zum Nichtstun verurteilt sein. 
Auch für den Todesfall kann er die Sorge von sei A 
ner Familie für eine gewisse Zeit fernhalten, wenn 4 
er einer Lebensversicherung beitritt. Die Kenntnis ° 
der sozialen Gesetzgebung, soweit sie für seine g 
Kassenpatienten in Frage kommt, ist unbedingt e- I 
forderlich, um unnötigen Ärger und Zeitaufwand a 
mit Schreibereien zu sparen. Bei dem heutiger I 
schlechten Instrumentarium und Material ist es von % 


nur das Beste zu verwenden, um vielen Unannehm- 1 | 
lichkeiten aus dem Weg zu gehen. Für Buchtüh i 
rung, Bedienung des Telephons, Anrühren von De fs 
ment und`Amalgam, dessen Quecksilberüberschub fp 
nur mit einem Lederläppchen ausgedrückt werden 7] 
sollte, für Narkosen und für die vielen klemen fi 
Handreichungen müßte sich der Zahnarzt eine Hilis- i 
kraft zulegen. Die approbierten Kollegen sollten fe 
unbedingt nach dem Studium erst assistieren, ut 17 
die Art einer Praxisführung kennen zu lernen und ; A 
vor all die Möglichkeiten gestellt zu werden, die Ta 
sich bei der Berufsausübung bieten. Kann matii y 
doch den Klinikbetrieb nicht mit dem einer Privat: fi 
praxis vergleichen. Der Zahnarzt muß in allen SA Tg 
teln gerecht sein, wenn er sich niederläßt, und ohe 
Wanken und Zaudern seine Entscheidungen und K 
Anordnungen treffen. Die Sprechstunden sollten J 
nicht über acht Stunden täglich ausgedehnt werden. SE 
Für unbestellte Patienten ist der Zahnarzt‘ am 
besten nur zwei Stunden täglich zu sprechen, und | 
in der anderen Zeit ist er nur an bestellten Patien 

ten tätig. Auf diese Art und Weise kann er seint E ; 
Zeit ohne Aufregung und Überbürdung gut eintèi- I 
len. Unpünktlichkeit der Patienten darf nicht 8 : w 
duldet werden. ‘Die Patienten sollten zur Behand- a 
lung so bestellt werden, daß sich die Tätigkeit mòs- ; 
lichts abwechslungsreich gestaltet. Kinder und. 
Nervöse, die die größten Anfor derungen an unse! 
en stellen, sollten zu Su o 


mäßig ist es, Se Patienten nicht. in angen = 


1923) 


- (ewiß hat jeder Zahnarzt die Pflicht, seinen ängst- 
lichen und von Schmerzen gepeinigten Patienten 
Fentgegenzukommen und ihnen gegenüber eine ge- 
f wisse Nachsicht zu üben, er wird aber andererseits 
dafür sorgen müssen, daß seinen eigenen Nerven 
Ficht zuviel zugemutet wird, daß nicht er die 
Kosten einer vernachlässigten, häuslichen Erzie- 
Thung zu tragen hat und daß man ihm mit Anstand 
ind Würde gegenübertritt. Der junge Zahnarzt 


guten oder schlechten Sinne erziehen und wird dann 
‚später die Früchte seines Verhaltens ernten. Der 
‚Zahnarzt muß viel Selbstbeherrschung, Geduld und 
Ruhe besitzen, um einen Überschuß davon auf die 
Patienten abgeben zu können. Er muß die Sug- 
gestion beherrschen, muß einmal Nervösen und 
hauptsächlich Kindern gegenüber den Onkel Dok- 
tor zu spielen verstehen, ein andermal wieder muß 
er eine energische chirurgische Natur sein, kurzum 
‚en Situationskünstler. Man findet im Volk eine 
‚sehr verbreitete Angst vor zahnärztlichen Eingrii- 
en. Schon den Kindern wird im Falle des Unge- 
orsams mit dem Arzt gedroht, und da fällt es 
‚schwer, diese Vorurteile der kleinen Patienten zu 
beseitigen. Meist sind aber auch die Begleiter von 
‚Kindern ängstlicher und aufgeregter als die kind- 
‚lichen Patienten selbst. Da wird es oft angebracht 


‚sein, den „tragischen Chor von Verwandten zu ent- 


‚iernen, die dem Kinde mit Erfahrungen und Prin- 
“pien sekundieren”. Der Arbeit muß die Erholung 
| die Wage halten, und außer einem jährlichen Urlaub 
von mindestens vier Wochen, wo ‚der. Zahnarzt 


‚liche Frholungspausen eingeschaltet werden. Nach 
‚dem Mittagessen muß etwäs Ruhe eintreten, und 
‘sollte>sich der Zahnarzt erst ewas lang legen. 
Gegen Abend kann bei richtiger Einteilung täglich 
Teit für Wanderungen ins Freie gefunden werden. 
Der Sonnabendnachmittag und der ganze Sonntag 
‚Sollten unbedingt frei bleiben. Im mäßigen Sinne 


le Reichsverband. Der beed 
en hat den Beitrag für das zweite Vierteljahr 1923 
auf 250 M festgesetzt. Wir sind infolgedessen gezwun- 
gen, für die Mitglieder unseres Verbandes für das zweite 
"za 300 M ie Kopf einzuziehen und wer den auch 
ii Zukunft unseren Beitrag nur von Vierteljahr zu Vier- 
te kliahr festsetzen können. Wir bitten die Schatzmeister 
Kir Einzelverbände, ‚möglichst diesen Beitrag für das 
Zweite Vierteljahr schon jetzt zu sammeln und an den 
Schatzmeister des Reicheverbaudes abzuführen. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


kann in dieser Beziehung seinen Patientenkreis im: 


vollkommen ausspannen ‚sollte, müssen auch täg- 


Detrieben wird Sport eine gute Erholung und Ab- 


der höheren 


"uns im Einvernehmen mit den 


327 


lenkung bieten. Besonders KOEN Wandern, Jagen, 
Fischen und mäßiges Radeln in Betracht, aber 
auch Sammelsport jeglicher Art und Musik dürften 
ablenkend und beruhigend wirken. 

Beim Eintritt der ersten Anzeichen von Nervosi- 
tät muß man sich eine gewisse Beherrschung ange- 
wöhnen; denn oft ist das aufgeregte Wesen àn- 
fangs nicht in Schranken gehalten worden, man ließ 
vielmals im Familienkreis demselben die Zügel 
schießen und so konnte sich die Nervosität dann 
ungehindert bis zu einer bestimmten Höhe sukzes- 
sive heranbilden. 

| Literatur. 

Baer, Dr. Emil, Die Berufsschädigungen des Zahnarztes 
und ihre Verhütung. 

Bäumer, Dr. Eduard, Die Beratskrankheiten des Zahn- 
arztes. 

Blomquist, Quecksilber 
den Luft. 

Bumke, Oswald, Über nervöse Entartung. 

Chaies, Grundriß der Berufskunde und Berufshygiene. 


in der die Zahnärzte umgeben- 


Christ, Zur Hygiene des zahnärztlichen Berufes. Dtsch. 
zahnärztl. Woch. 1902, 52. 

Cohn, Gemütserregungen als Krankheitsursachen. 

Coles, Die Erhaltung der Gesundheit der praktischen 
Zahnärzte. - Korr.-Bl. f. Z. 1885 S. 84. 

Crißmann, Überarbeitung. Korr.-Bl. f. Z. 1897 S. 188. 


Dornblüth, Dr. Otto, Nervöse Anlage und Neurasthenie.- 

Herrenknecht, Prof. Dr., Der Zahnarzt als Hygieniker mit 
Rücksicht auf die eigene Gesundheit. 

Klein, Dr. B., Die Berufskrankheiten des Zahnarztes. 

Kraepelin, Einführung in die psychiatrische Klinik. 


- Münsterbersg,, Hugo, Psychologie und Wirtschaftsleben. 
| Ronde, Dr., 


- Frage der Berufsnervosität der Volks- 

| 'schullehre | 

Roth, ee der Gewerbekrankheiten. : 

Schultz, Prof. Dr. J. H., Psychotherapie. 

Schweizerische Vierteliahrsschrift für Zahnheilkunde, 
Nervosität der Zahnärzte. 

Schweninger, Der Arzt. 

Stern, William, Die differentielle BES chülbere, 

Weidner, Die persönliche Hygiene des Zahnarztes 
Rücksicht auf seinen Beruf. 

Wolf, Hygiene for the Dentist. 


Die 


mit 


Dental-Cosmos 1897. 


ee mn 


M i tteilungen. 


Der EA R der höheren Beamten macht uns 
folgende Mitteilung: Der Aufforderung des Reichsbundes, 
sich an der allgemeinen Volkssammluns für die be- 
drängten Gebiete zu beteiligen, ist von den Mitgliedern 
des Reichsbundes allenthalben in weitgehendstem Maße 
entsprochen worden. Im allgemeinen ist die höhere Be- 
amtenschaft für Januar und Februar weit über den von 
übrigen Organisationen 
vorgeschlagenen Mindestsatz von 05 v. H. hinausge- 
gangen. Im Interesse der Einheitlichkeit der Sammlun- 


328 


gen bitten wir erneut dringend darum, nicht den Auf- 
‚forderungen einzelner “örtlicher oder Behördenstellen 
(Beamtenausschüsse usw.), sondern lediglich den Wei- 
sungen unserer Organisation Folge zu leisten. Der 
Aktionsausschuß der Beamtenspitzenorganisationen hat 
sämtliche Beamtenspitzenverbände veranlaßt, die vor- 
stehende Aufforderung an alle ihre Mitglieder zu er- 
lassen; er hat außerdem die Regierungsstellen gebeten, 
im Interesse der einheitlichen Direktiven der Organisa- 
tionen von dem Erlaß, besonderer Sammlungsvorschrif- 
ten für ihren Bereich künftig abzusehen, Wir fordern 
unsere Mitglieder dringend auf, soweit sie etwa ‚selbst 
in Beamtenausschüssen sitzen, besonderen Maßnahmen 
dieser Beamtenausschüsse entgegenzuwirken und auf 
die Notwendigkeit der Organisatiónsdisziplin hinzu- 
weisen. 

Bezüglich der Sammlung zur „Feindnothilfe” des 
Reichsbundes bestehen an einzelnen Stellen leider noch 
immer Unklarheiten. Wir weisen erneut darauf hin, daß 
der Reichsbund zu dieser Sondersammlung gezwungen 
war, weil sämtliche übrigen Spitzenorganisationen 
ebenfalls Sondersammlungen veranstaltet hatten, die 
lediglich ihren Mitgliedern zugute kommen. Wenn der 
Reichsbund seine eigenen Mitglieder nicht benachteiligen 
wollte, mußte er sich daher diesem Vorgehen der 
übrigen Organisationen anschließen. Die Sammlungen, 
die bereits ein erfreuliches Ergebnis gehabt haben. 
‘ dienen außer der Aufrechterhaltung der von uns ver- 
anlaßten Fürsorgemaßnahmen auch dazu, diejenigen 
'Abwehrmaßnahmen zu unterstützen, die an einzelnen 
Orten des Einbruchgebietes von den Organisationen ge- 
meinsam veranlaßt worden sind, die höhere Be- 
'amtenschaft kann bei diesen Maßnahmen den ihr ge- 
bührenden Einfluß nur fördern, wenn ihre Organisa- 
tion auch in der Lage ist, sich an der bringung der 
nötigen Kosten zu beteiligen. Die = nr 3 
des Reichsbundes bedeutet also nicht eine Durchbrechung 
der Einheitsfront, sondern ist vielmehr zur Aufrechterhal- 
tung der Einheitsiront unbedingt nötig. 

Für den Monat März ist zwischen uns und dem 
‚ Deutschen Beamtenbund vereinbart worden, wiederum 
2 v. H. des Monatseinkommens von unseren 
Mitgliedern. zu erheben. Vón dieser Summe soll die 
Hälfte direkt an das Deutsche Volksopier, 
und zwar an die bekannten Sammelstellen, abgeführt 
werden; die andere Hälfte, also 1 v. H., ist auf die 
© Feindnothilfe des Reichsbundes einzuzahlen. Zur Orien- 
.tierung sei bemerkt, daß der Deutsche Beamtenbund nur 
1 v. H. an das Deutsche Volksopfer, dagegen 1,5 v. H. 
an seine Organisation abführen läßt. Wir: dürfen an- 

‚nehmen, daß unsere Mitglieder aus dieser Bevorzugung 


| ‚der allgemeinen Sammeltätiekeit durch uns ersehen, wie 


stark wir die besonderen Interessen der höheren Be- 
amtenschaft der Allgemeinheit gegenüber zurückzustellen 
geneigt sind. Wir weisen nochmals darauf hin, daß 
diesmai die für ‚die Allgemeinheit bestimmten Summen 


(iv. H) nicht an die „Ruhrhilfe” der Zentralarbeits- 


Für den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14 tägig in Danpelnimmeni rag 
— Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, falle a. SR oe 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle RS, 


Schluß uer Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT . 


zeichneten Reproduktionen bringen. 


[Nr. 49/5 0 
gemeinschaft, auf deren Verwendung wir keinen Eint A 
besitzen, sondern an das „Deutsche Volksopfer” der 
Reichsregierung abzuführen sind, in deren Verwaltungs- 
ausschuß wir einen Sitz haben. Eine aufklärende ge 
druckte Mitteilung unsererseits über die Maßnahmen ° : 
wird in den nächsten Tagen ergehen. Wir bitten jedoch A 
schon jetzt, an die Unterorganisationen unserer Verbände | 
die nötigen Mitteilungen gelangen zu lassen. e pi 

Hiernach sind Zahlungen auf die „Feindnothilfe” de 
Reichsbundes von unsern Mitgliedern den lokalen Orga- 1 
nisationen, also den Ortsgruppen, des Reichsbundes derai 
höheren Beamten zu überweisen. I. A.: Dr. Hussels. n 


Bu 
3 
m 


Eine Universalumrechnungstabelle für schlechte” 
Stimmungskurse in die fröhliche Hochstimmung cr i 
gnügter Stunden sind — die Meggendorfer-Blätter. En | 

Wer sie in die Hand nimmt und sich unbefangen u 
der Lektüre ihrer Humoresken, Anekdoten, Witze, Ge) | 
dichte und Glossen hingibt, wird schon nach kurzer Zeit A 
fühlen, wie sein Denken und Sinnen in heitere Bahnen I 
gelenkt und auf die Höhe einer humorvoll überlegenen 4 i 
Lebensbetrachtung geführt wird. Fe 

Nicht nur Erheiterung, sondern auch rein ästheti 
schen Genuß werden jedem Leser die Illustrationen Eu 
bereiten, die neben Karikaturen und heiteren Zeich- | 
nungen auch ernste Bilder erster Künstler in ausge- | 


hie 
Irgendeiner politischen Stellungnahme halten "g 
die Meggendorfer-Blätter fern, so daß sie allen Kreisen 
und allen Lesern als erheiternde, erfreuliche Lektüre 
willkommen sein werden. T 

Das Abonnement auf die Meggendorfer-Blätter kann 
jederzeit begonnen werden. Bestellungen nimmt jedi ; 
Buchhandlung und jedes Postamt entgegen, ebenso. ad a 
der Verlag in München, Residenzstr. 10, e | 
ginn eines Vierteliahres bereits erschienenen Nummen GE 
werden neuen Abonnenten auf. Wunsch nachgeliefert. 


En Haustechnische Rundschau. Zeitschrift für Haus- ; 
und Gemeindetechnik. Halle a. S., Garl Marhold Ver í 
lagsbuchhandlung. : 


Aus dem: Inhalt der let ten Hefte. 


Heft. 22: 
Einfluß auf unsere rennen ereoicine Sa Über eit 
neues Heizsystem. — Verkehrter Umlauf bei Samme 
heizungen. — Kurse für Heizer und überwachende Be 
amte von Zentralheizungsanlagen. — Vereinsnachriel 
ten. — Zeitschriftenschau. — Verschiedenes. r 
Heft 23: Das mechanische Äquivalent der Wärm 
nach der ursprünglichen Erklärung und erstmalige! 
Feststellung durch Robert Mayer. — Verschiedenes: 

Heft 24: Die übliche Stromkreistheorie in Warm- | 
wasserheizungen. — Erhaltung und Ausbau der indu 2 
striellen Produktionsmittel, eine Aufgabe für Arbe 
geber und Arbeitnehmer. — Armaturen — Gasverwi i 
tung — Badeöfen auf der Technischen Pritgahts i ; 
1923, — Zeitschriftenschau. — Verschiedenes. f 


pannanEienees nern ine Een S E EEE EEE nenn 


fa Jahrgang, 103338 Nr. 51/52. | Halle a. S., 24. März. 


F Psychiatrisch- Neurologische 
Eo Wochenschrift. 


Schriftleiter: Sanitätsrat Dr. Joh. Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


Verlag und Ausgabe: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung in Halle a. S. 
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Rat Dr. Joachim, einer Autorität in ärztlichen Steuerfragen, bearbeitet, 
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Aus den zahlreichen Besprechungen der früheren Auflagen: 


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_ Deutsche Medizinische 
Wochenschriit: 


„Was der Beruf des Arztes an Humor und 
Komik enthält, ist in dem kurzweiligen Büch- 


 lein zusammengetragen, und zwar in Gestalt 


von Anekdoten, Schnurren, Witzen, Karikaturen 
aus alter und neuer Zeit, Für den Mediziner 
bildet es einen belustigenden Spiegel, für den 
Patienten ein willkommenes Adjuvans und Corri- 
gens bei depressiven Zuständen. Als psycho- 
therapeutisches Mittel sei es beiden Parteien 
wärmstens empfohlen." 


Berliner Volkszeitung: 


„Der Titel, die Namen der Heransgaber, der 
Verlag, — das genügt als Empfehlungsbrief für 
dieses scherzhafte Buch, das den Ärzten eine 
„Fachliteratur“ für jene Art von lustiger Ver- 


hohnepiepelung gilt, die Goethe gemeint hat, als 


er sagte: „Wer sich nicht selbst zum Besten 
halten kann, der ist gewiß nicht von den 
Besten.“ Aber auch die nichtärztliche Welt 


wird an diesen Schnurren und Schwänken aus 
dem Hörsaal der Klinik, dem Sprechzimmer und 
der Krankenstube ihre herzliche Freude haben." 


Zu beziehen durch jede Buchhandlung oder direkt vom 


Val Hans Pusch, ‚Berlin SW, 48, Wilhelmstr. 28- 


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Ib. Freiburg i. Br., Sanitäts-Rat Dir. Dr. 
| Sanitäts-Rat Dir. Dr. 
lin, Treptow a. R., Hofrat Prof. Dr. E. E. Moravcsik, Budapest, 
Regierungs- Rat Dr. Starlinger, 


Nervenarzt, 


51/52. 


Bezugspreis: 


M 210,— für Monat März, zuzügl. 
Postüberweisungsgebühr. 


Bezugspreise nach dem Auslande: 


"I Für den vollständigen Jahrgang, ein- 
f| schließlich Portokosten: Belgien Fr. 32, 
i| England sh. 14, Dänemark Kr. 14, Frank- 
reich Fr. 32, Japan Yen 7, Italien Lire 40, 
Luxemburg Fr. 32, Niederlande fl. 8, 
I Norwegen Kr. 16, Schweden Kr. 12, 
I Spanien Pes. 16, Schweiz Fr. 16, Ame- . 
Bi Dollar 4, Tschech.-Slov. Kr. 48 


Psychiatrisch=Neurologische Wochenschrift 


Sammelblatt zur Besprechung aller Fragen des Irrenwesens und der praktischen 
Psychiatrie einschließlich der gerichtlichen, sowie der praktischen Nervenheilkunde. 
Internationales Korrespondenzblatt für Irrenärzte und Nervenärzte. 


Verbandsorgan des Reichsverbands beamteter deutscher Irrenärzte. 
Organ der Vereinigung aus der Ostmark vertriebener Irrenärzte. 


Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachmänner des In- und Auslandes herausgegeben von 


Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. G. Anton, Halle, Chefarzt Sanitäts-Rat Dr. Beyer, Roderbirken b. Leichl., 
Rat Dir. Dr. Falkenberg, Herzberge (Berlin), Geh. Medizinal-Rat Dir. Dr. Fischer, Wiesloch (Baden), Prof. Dr. Friedländer, Littenweiler 
Herting, Galkhausen (Rhl.), 
Kluge, Potsdam, Prof. Dr. Sh. Kure, Tokio, Se Dir. Dr. Lehmann, Hartheck, Geh. Sanitäts-Rat Dr. 

ir 
Dr. H. Schlöß, Wien, Geh. Medizinal-Rat Prof. Dr. E. Schultze, Göttingen, Geh. Medizinal- Rat Prof. Dr. med. et phil. 
Mauer-Öhling (N.-Ö.), Ober-Medizinal-Rat Dir. Dr. 
Frankfurt a. M., Dir. Prof. Dr. L. W. Weber, Chemnitz-Hilbersdorf, Dir. Prof. Dr. med. et phil. 


| | Schriftleiter: 
Sanitätsrat Direktor Dr. Johannes Bresler, Kreuzburg (Oberschlesien). 


24. März 


Verlag und Ausgabe: 
Carl Marhold Verlagsbuchhandlung 


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Prof. Dr. Bleuler, Zürich, Sanitäts- 
Geh. Medizinal-Rat Dr. Iiberg, Sonnenstein b. Pirna (Sachsen), 
Merck- ` 
Prof. Dr. A. Pilcz, Wien, Regierungs-Rat: 
Sommer, Gießen, 
Prof. Nr. H. Vogt, 
W. Weygandt, Hamburg. 


Dr. v. Olah, Budapest, 
Vocke, Eglfing b. München, 


1922/23. 


t 


Zu beziehen durch jede Buchhandlung, 

die Post und unmittelbar vom Verlage. 

. Erscheint bis auf weiteres vierzehn- 
tägig in Doppelnummern. 


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zulässig und müssen spätestens 14 Tage 

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gereicht sein. 


Zuschriften für die Schriftleitung sind 

an San.-Rat Dr. Bresler in Kreuzburg 

(Ob.-Schl.) zu richten. Bei Anfragen ist 
das Riückporto beizufügen. 


Inhalt: Zur Epilepsiebehandlung durch Nebennierenreduktion. Von Dr. A. Schönfeld, Primararzt. (S. 330.) 
m -— Zur Methodik der Adrenalinuntersuchungen am Menschen. Von Dr. F. J. Stuurman, Provinzial- 
trenanstalt Santpoort (Holland). (S. 337.) — Mitteilungen. (S. 338.) — Buchbesprechungen. (S. 339.) — Thera- 


iejenigen Leser, welche unsere Zeitschrift durch die 
= Post oder durch den Buchhandel beziehen, werden 
ebeten, die Abonnementserneuerung für den am 1. April 
beginnenden neuen (25.) Jahrgang sogleich vorzuneh- 
men, damit keine Unterbrechung in der Lieferung 
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Gerade jetzt in der wirtschaftlich schwierigen Zeit 
it es doppelt notwendig, die wissenschaftliche Presse 
Weiterhin durch Aufrechterhaltung des Abonnements 
ind durch Werbung neuer Leser zu unterstützen. 
Insere Leser werden daher gebeten, diejenigen Fach- 
kollegen, welche der Zeitschrift noch fernstehen, zur 
Bestellung eines Abonnements zu veranlassen. 


= Für die ersten Hefte des neuen Jahrgangs sind die 
olgenden Aufsätze vorgesehen: 


tot. Dr. H. Goldstein, Frankfurt: Die Topik der Hirn- 
| rinde in ihrer Bedeutung für die Klinik. 

Dr, C. B; Herrlighoifer: Die Lehre von den spezifischen 
 Sinnesenergien und ihre erkenntnis- theoretische Aus- 
a wertun ß. 

Dr, Luxenberger, Eglting: Die Psychiatrische Abteilung 


einer Fürsorgeerziehungsanstalt. 


peutisches. 


(S. 339.) 


Dr. H. Weigeldt, Leipzig: Die Bedeutung der Luftein- 

— blasung für Hirn- und Rückenmarksdiagnostik. 

Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Anton, Halle: Über Ersatz der 
Bewegungsleistungen beim Menschen und Entwick- 
lungsstörungen des Kleinhirns. 

Dr. Herzig, Wien: Psychoanalyse und Psychiatrie. 

Dr. Adolf Hoppe, Rinteln: Psychiatrie und Psycho- 
analyse. 

Prof. Dr. Weber, Chemnitz: Fürsorge für sozial Unzuläng- 
liche innerhalb und außerhalb der Anstalten. 

Oberarzt Dr. Rein, Landsberg a. W.: Psychiatrische Aul: 
klärungsarbeit. 

Dr. Hans Schmitz, Oberneuland-Bremen: Malariabehand- 
lung bei Paralyse. 

Dr. W. Bausch, Goddelau: Über das Tonusproblem und 
seine. Beziehungen zur Katatonie. 

Oberarzt Dr. A. Neuendorff, Bernburg: Über Hänge- 
matten- bzw. Netzbehandlung erregter Geisteskranker. 

Med.-Rat Dr. Kürbitz, Sonnenstein: Die Behandlung der 
Trunkenen und Trunksüchtigen im Entwurf 1919 zu 
einem Deutschen Strafgesetzbuch, 

und andere. } Š 
Abonnementsbestellungen nelimen der Verlag, die 

Postanstalten und. jede Buchhandlung entgegen. 


gen der Hirnsubstanz bzw. 


330 


Aus der mähr. Landesirrenanstalt in Brünn (Direktor: 
Zur Epilepsiebehandlung durch Nebennierenreduktion. 
A. Schönfeld, Primararzt.') 


Von Dr. 


p“ klinische Krankheitsbegriff der genuinen oder 
idiopathischen Epilepsie, noch vor verhältnis- 
mäßige wenigen Jahren ein fest umrissenes Krank- 
heitsbild, ist durch die Ergebnisse auf den Gebieten 
der histopathologischen und insbesondere der 
humoralpathologischen Forschungen ein immer 
mehr schwankender geworden. Schon früher hat 
man auf Grund klinisch-ätiologischer Erwägungen 
aus dem großen Gesamtbilde der Epilepsie, deren 
gemeinsames Kriterium die typische motorische 
Reizkomponente (Binswanger) mit Bewußtlosigkeit 
ist, die symptomatischen Epilepsien herausgelöst, 
und zuletzt ging man daran, die Kennzeichnung 
„echte? oder genuine Epilepsie fallen zu lassen und 
spricht nur mehr ‚vom epileptischen Symptomen- 
komplexe oder der chronischen Epilepsie”, den 
Anschauungen Hartmanns, di Gasperos, Redlichs 
und anderer Forscher Rechnung tragend. 

Während eine Zeitlang das Hauptaugenmerk der 
Forschung der Ergründung zellularpathologischer 
Veränderungen desGehirns und insbesondere seines 
Rindenanteiles zugewandt war, um in das dunkle 
Gebiet der idiopathischen Epilepsie hineinzuleuch- 
ten und daneben chemisch-molekulare Veränderun- 
ihrer Nervenelemente 
supponiert wurden, nimmt eine andere Forschungs- 
richtung eine hereditär erworbene Anlageanomalie 
(Redlich) mit epileptischer Reaktionsfähigkeit an 
oder führt nach Hauptmann die epileptische Ver- 
änderung auf exogene oder endogene Reizstofie 
zurück. In jüngster Zeit sind Stimmen laut gewor- 
den, welche als den wichtigsten und verheißungs- 
vollsten Weg zur Aufklärung dieser verwickelten 
„organischen Vorgänge den der biologischen und 
verwandten physikalisch-chemischen Prüfungs- 
methoden, auch unter Heranziehung des Tierexperi- 
ments gehen wollen. 

Es ist klar, daß insbesondere die Ergebnisse auf 
dem Forschungsgebiete der inneren Sekretion auf 
die krampfauslösenden Faktoren und ihre Bezie- 
hung zur Epilepsie ausgedehnt wurden (Biedl). In 
dieser Hinsicht sind allmählich alle _ Organe des 
endokrinen Systems geprüft und bald die Schild- 
drüse, bald die Epithelkörperchen oder die Neben- 
niere als krampferregende Drüsen angesprochen 
worden (Frisch). 


1) Nach einem im Brünner ärztlichen Verein am 6. 
Dezember 1922 gehaltenen Vortrage. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


- 


Dr. A. Papirnik). 


Auch H. Fischer ging bei der Aufstellung seiner 7 
Lehre von einer Reihe physiologisch-pharmakolo- % 
gischer Erfahrungstatsachen und dem Tierexperi- f 
mente aus, verlegte den Angriffspunkt der krampi- T 
in das Nebennieren- 1 
„Nebennierenlose 8 


auslösenden Erscheinungen 
system und prägte den Satz: 
Tiere können nicht mehr krampfen.” 


Unter Heranziehung der tierexperimentellen Er- 4 | 
fahrung, daß sich der Krampf bei allen Individuen f] 


[Nr. 51/52 4 


< 
Ir D "mp A un 


einer zur versuchsweisen Auslösung von Konvul- T, 


sionen geeigneten Tierklasse durch entsprechend f 
abgestufite Reize hervorrufen läßt, kommt er zur T] 


Annahme, daß der Krampf auf einem im gesamten f 


Organismus physiologisch vorgebildeten Mechanis- 11 


mus ablaufe und die Krampffähigkeit nicht lediglich 7 


eine Fähigkeit des Gehirnes sei. 


motorischen Reaktionsformen überhaupt. 


Krampf. sei, 


Dieser Mechanis- 1 
mus decke sich im wesentlichen mit dem für de T 
Der |g 
wie jede andere Muskelarbeit, seiner 1] 


Erscheinungsform nach zunächst eine Leistung der Ti 


quergestreiftten Muskulatur. 


Man müsse also der fy 
Frage nachgehen, welche Vorgänge in der Peri- f 
pherie des Organismus für die Leistungsfähigkeit f 
und Reizansprechbarkeit der Muskulatur von Be- 1 ¢ 


deutung sind. Es bestehe ein funktioneller Zusam- "Ts 


menhang zwischen Muskelarbeit und Nebennieren- f'y 
Im Tierexperiment habe sich gezeigt, dab’ ch 
die Fähigkeit, beim tierischen Organismus auf ent- 1. 
sprechende Reize mit Krämpfen zu reagieren, an 
das Vorhandensein der Nebennierensubstanz ge- 
„Die Krampffähigkeit des Organismus f 
nimmt mit Reduzierung der Nebennierensubstanz ” 
ab.” Dadurch werde eine Herabsetzung der Reiz- 
ansprechbarkeit der quergestreiften Muskulatur tt f 
In diesem Eintub 7 


liege die Bedeutung der Nebennierenexstirpatiol x 


system. 


bunden sei. 


entsprechende Reize erzielt. 
als krampfhemmendes Mittel. 


Fischer will durch 


aber die. Epilepsie heilen. Weiter betont er, dal 


er infolge der größeren Krampibereitschaft des sich a 


Ban. 


ee: 


er 


ET EUE 


die Nebennierenreduktion E 
beim Menschen nur den Krampf beeinflussen und i 
auf die Jähzornreaktion günstig einwirken, nicht I 


r nie y 
ze) an 2 


DE 


R DEAN, 


ARIO EIZA 
EEEE ARRE N NENNE 5 rer a Se Sy un 
i B- e > De p è EN WEL 3 I 
a Tu A 


gg 


entwickelnden Organismus und der Unklarheit über fi 


die Bedeutung der Nebennieren für die Wachstums- | 


vorgänge, die Operation auf Patienten zwischen z 


dem 20. und 30. Lebensjahre beschränkt sehen wil. I 
Nachdem Brüning im Dezember 1920 seine aui- a 


sehenerregenden Mitteilungen „Über die a Ei 


nieren-Exstirpation als 


krampfheilendes Mittel A 


1923) 


veröffentlicht hatte, sahen sich auch andere Chirur- 
‚gen veranlaßt, diese Operation auszuführen. Die 
Fxstirpation der Nebenniere in den Fällen, worüber 
“ich Ihnen zu berichten habe, wurde vom Primar- 
arzt der Landeskrankenanstalt „Am gelben Berg” 
‘in Brünn, Herrn Dr. Bakes, an zehn Fällen vorge- 
nommen. 

- Vom Standpunkt der Chirurgen wird über das 
-Operationsverfahren von anderer Seite publiziert 
‚werden. Ich will daher über die Operationsme- 
“tode, wie sie an unseren Fällen vorgenommen 
rde, kurz berichten: 

| Von fast allen Chirurgen wurde wegen der 
leichteren Zugänglichkeit die linke Nebienniere re- 
duziertt. Brüning empfahl den Weg durch die 
Bauchhöhle von einem Querschnitt aus, also intra- 
(peritoneal, während Sultan und Steinthal extra- 
| peritoneal von: Lumbalschnitten aus operierten, mit 
Resektion der 12. Rippe, was Sultan bei seinen 
‚späteren Fällen unterläßt. 

Die Operationsmethode von Bakes ist ähnlich 
der Küttners eine extraperitoneale. Sein Schnitt 
geht längs der 12. Rippe, biegt dann senkrecht zur 
Darmbeinkante um und zieht entlang derselben 
dach vorn. 
verläuft am lateralen Rande des Musc. obl. extr. 
durch das oberflächliche Blatt der Fascia lumbo- 
dorsal, der Latissimus dorsi wird sodann vollstän- 
dig medial geschoben, die 12. Rippe durch- Ab- 
‚schieben des Musk. obl. < extr. skelettiert 
ind eventuell reseziert, das nun vorliegende 
‚tiefere Faszienblatt wird breit gespalten, 


breiter Zugang zur Niere und Nebenniere. 
Unterbindung von Gefäßen (Art. renalis und Äste 
Von der Aorta usw.) wird die Nebenniere nicht aus- 
‚geschält, sondern mit dem Fett in die Höhe ge- 
‚hoben, hierbei neuerdings Gefäße unterbunden und 
Nun löst sie sich leicht aus der Umgebung los.” 

3 Der operative Eingriff selbst wurde von unseren 
als auch von den in der Literatur berichteten Fällen 
F im allgemeinen gut überstanden, doch kann er, wie 
vn des weiteren ergeben wird, in seinen Folge- 
; 


Wirkungen nicht als harmlos bezeichnet werden. 

- Von unseren zehn operierten Fällen wurden 
acht aus dem Materiale der Irrenanstalt entnom- 
men, zwei direkt der chirurgischen Abteilung zuge- 
ihr 
Wenn wir das Ergebnis des operativen Ein- 
OR hinsichtlich der erzielten Resultate ins Auge 


fassen und die Einzelfälle einer gedrängten Be- 


_trachtung unterziehen, so wäre folgendes zu be- 
"Merken: 1. Fall: Uiber, Beatrix, 27 Jahr, ledig, seit 
siebenten Lebensjahre krampfend. Eine typi- 


PERNO p RE EF DAUNA a L 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOÖCHENSCHRIFT 


„Der horizontale Anteil des Schnittes 


der 
Schnitt auseinandergezogen, und es entsteht ein 
Nach 


331 


sche chronische Epileptika mit Krampfserien und 
charakteristischen Dämmerzuständen, welche trotz 
Bromtherapie und Luminalbehandlung nur gering- 
fügigen Krampfnachlaß aufwies, so daß die Opera- 
tion, 7. Juni 1921 (Entfernung der linken Neben- 
niere) indiziert erschien. In den ersten drei 
Wochen krampffrei; vorübergehend Hebung des 
psychischen Zustandes mit seltenen und zwar 
starken Krämpfen trotz neuerlicher Brom- und Lu- 
minaldarreichung. Auftreten von früher nicht beob- 
achteten postparoxysmellen Zuckungen am ganzen 
Körper. In den nächsten Monaten setzt der alte 
schwere Krampfzustand wieder ein und Pat. er- 
liegt demselben etwa eineinviertel Jahr nach der 
Operation im „Status”. Diesem Zustand entspre- 
chender Sektionsbefund, das Gewicht der rechten 
Nebenniere 6,3 g, histologischer Befund normal. 

Der 2. Fall, Rych., Franz, 21 Jahre, Schuhmacher, 
war ein bereits mit Demenzsymptomen und’ kata- 
tonischen Erscheinungen behafteter eunuchoider Epi- 
leptiker. Operation am 21. April 1921 (Entfernung 
der rechten Nebenniere). Hier konnte zunächst 
eine Abschwächung der Krampfparoxysmen im 
ersten Monat nach der Operation konstatiert wer- 
den, ferner eine geringfügige Besserung. des psy- 
chischen Verhaltens. Pat. war eine Zeitlang tat- 
sächlich zugänglicher,-lebhafter, aber nicht arbeits- 
fähig, ebenso ließ sich auch unter Luminaltherapie 
die Frequenz der Anfälle auf ein geringeres Maß 
herabdrücken. Die Anderung des psychischen 
Symptomenbildes hielt nicht lange an. In der letz- 
ten Zeit (August 1922) reizbar, verweigerte den Ge- 
horsam, war einsichtslos, geriet leicht in Konflikte 
mit der Umgebung. Nach dem Einsetzen neuer- 
licher Krampfserien Tod im Status am 19. Novbr. 
1922. Außer Bronchitis und beginnender Pneumo- 
nie ergibt der Sektionsbefund Leptomeningitis und 
eine Atrophia cornus ammonis. Die linke Nebenniere 
wiegt 12 g, ist 6 cm lang und 3 cm breit. Ohne be- 
sondere makroskopische Veränderung. In diesem 
Falle dürfte — der histologische Befund steht noch 
aus — eine Gewebshypertrophie des Organes vor- 
liegen. 

Beim 3. Fall, der 18 jährigen Sophie Kraj, land- 
wirtschaftliche Arbeiterin, weisen trotz traumati- 
scher Ätiologie — sie soll im 14. Lebensjahre vom 
Schüttboden auf die Tenne herabgestürzt sein — 
die Anfälle nicht das Gepräge der Jacksonschen, 
sondern der idiopathischen Epilepsie mit zahlrei- 
chen Krämpfen auf, mitunter über 100 im Monat. 
Operation am 21. Novbr. 1921 (Exstirpation der lin- 
ken Nebenniere). Als ein vorübergehender Erfolg 
läßt sich aber gerade bei dieser Kranken, obwohl 
wegen des noch nicht abgeschlossenen Wachstums 


332 


der Organe ein positives Resultat als sehr fraglich 
und der Eingriff nach Fischers ursprünglicher An- 
sicht geradezu kontraindiziert erschien, eine auf- 
fallende Besserung hinsichtlich der Intensität der 
Insulte verzeichnen; auch die Zahl der Anfälle war 
ganz bedeutend gegen früher gesunken. Ein Zittern 
des ganzen Körpers, das ähnlich wie bei Fall I 
postoperativ zur Beobachtung gelangte, ist weni- 
ger bedeutungsvoll als der Umstand, daß das psy- 
chische Verhalten, die Zornesausbrüche und das 
nörgelnde boshafte Wesen unbeeinflußt war, als 
die Pat. nach mehr als einem halben Jahre nach 
der Operation entlassen wurde. Am 25. Novbr. 
1922 wurde sie wegen unverminderten Krampf- 
 zustandes und Unhaltbarkeit wieder eingebracht. 

` Der 4. Fall, Agathe L., 22 jährige Beamtenfrau, 
leidet seit dem vierten Jahre an Epilepsie.. Sie 
hatte verhältnismäßig wenig schwere und nicht zu 
häufige Anfälle und stand in der Anstalt ebenfalls 
unter Luminaltherapie. Die Anzeige zur Operation 
war keine zwingende. Pat. selbst drängte jedoch 
beständig dazu, sie hatte davon auf der Abteilung 
sprechen gehört, daher wurde ihrem Ansuchen 
willfahren. Operation am 24. März 1921 (Entfer- 
nung der linken Nebenniere). Leider blieb bei 
dieser Kranken der Erfolg aus. Sie verfiel etwa 
vier Wochen nach der Operation in einen Krampf- 
paroxysmus, wozu sich eine Pneumonie gesellt 
hatte und starb im Status epilepticus. Hier darf 


‚allerdings nicht außer acht gelassen werden, daß 


die Autopsie u. a. einen Status thymolymphaticus 
und Tuberkulose aufwies. 

‚Ein letales Ende nahm auch der 5. Fall, Rudolf 
Werb., ein 20 jähriger, schwer dementer, bereits 
jahrelang erfolglos behandelter Fallsüchtiger, der 
körperlich schon herabzekommen war, als an ihm 
am. 19. April 1921 die Operation vollzogen wurde. 
Bei ihm stellten sich nach- der Operation Krämpfe 
vom gewöhnlichen Typus ein und er erlag densel- 
ben innerhalb 24 Stunden. Die Autopsie ergab 
typische Statussymptome. 

Um einen seit der Kindheit an schwerer Eple 
sie leidenden 21 jährigen Patienten, Gustav C., han- 
delt es sich im 6. Falle. Ausschließlich unter Brom- 
behandlung und von zahlreichen Anfällen verschie- 
dener Intensität heimgesucht, wurde er immer 
mehr dement. Operation am 6. August 1921 
(Reduktion von zwei Dritteln der rechten Neben- 
niere). Unter Luminalbehandlung geringere Fre- 
quenz der Anfälle bei unveränderter Stärke. Psy- 
chisch das gleiche Verhalten. Allmählich wurden 
Erscheinungen von Tuberkulose manifest, die nach 
einmonatlichem Krankenlager, bei zuletzt .seltene- 
ren Anfällen, am 28. Januar 1922 zum Exitus führ- 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


ten. Der Sektionsbefund: HAydrocephal. int. et 
extern., .Leptomeningitis, Tbc. universalis. Der 
rechte Nebennierenrest wiegt 4 g, die Rinde gelb- 
lich verfärbt. Die linke Nebenniere wiegt 6,85 g, 
ist weich, hyperämisch, besonders die Rinde, wel- 
che verbreitert ist. 
Hypertrophie nachgewiesen werden. 


Beim 7. Fall, der 26 jährigen Marie Zvej., er- 


reicht die Beobachtungszeit mehr als ein Jahr nach 
der Operation (20. August 1921: 
linken Nebenniere). 
einer seit Jahren unter 


Degenerationszeichen. 


ringer, 
höhte Reizbarkeit, 
sion während des Anfalles; 
Fabrikarbeiterin, der 8..Fall, 
einer Fallsüchtigen, die hauptsächlich 
schluß an die Menstruation krampit, 
die Anfälle bisher erkennen. 


fort. 
überwiesen werden. 


Der 9. Fall betrifft einen 28 jährigen, verheiralt éi x 
ten Schneidergehilfen, bei dem sich mit 21 Jahren $ 
-epileptische Krämpfe einstellten. | 
sinnig, vergeßlich, wechselnd im psychischen Ver- 1 
halten, von gutmütiger Schwerfälligkeit bis zu tob- f 
Bezüglich der Zahl seiner T 
Anfälle vor der Operation sind wir auf die An- 1 
gaben des Kranken angewiesen, zwei bis acht im 1 
Monate, da er unmittelbar auf die chirurgische Ab- q 


süchtiger Erregung. 


teilung aufgenommen wurde. Operation am 8. 


Februar 1921 (Entfernung der rechten Nebennier e). 2 / 
Krampfpause von 14 Tagen, dann Anfälle schwa- g 
Einen Monat später finden wir aut I 


cherer Art. 
fallende amnestische und Intelligenzdefekte, die 


sich in der Folge zum Teil restituieren, ebenso 
wechselnde Arbeitsfähigkeit und newerliches Ei- 
setzen der Krämpfe, welche eine Zeitlang schwä- “ 
cher und zahlenmäßig geringer waren. Zwei Mo- : 
nate post operationem hat er täglich zwei At: 1 
fälle, wird reizbar und erregt. 
therapie klingt die motorische Unruhe ab, es folgt A 
-eine Krampfpause von über einem Monat, worall ra 
bei subjektivem Wohlbefinden und Or T 


(Nr. 51/52 5 


Histologisch konnte keine 


Entfernung der 
Die Kranke bietet den Typus 7 
dem Einfluß des Leidens 
stehenden Pat. mit charakteristischen epileptischen 4 
Bereits am siebenten Tage 7 
nach dem Eingriff setzen die Krämpfe in vehemen- ° 
ter Weise ein, ihre Anzahl wurde keineswegs ge- 1 
es kamen Akzedentien hinzu, welche vor- f 
- her nicht in Erscheinung getreten waren, wie er- 1 
gesteigerte psychomotorische T 
Erregung und eine eigenartige Pro- und Retropul- 1 
auch eine Herabset- 1 
zung der Jähzornreaktion ist keineswegs erfolgt. 1 

Die am 19. August 1921 operierte Gottliebe Pa 1 
ein leichterer Typus I 
im An- 1 
läßt weder 1 
günstige noch nachteilige Folgen des Eingriffes aut 1 
Ihre Verstimmungs 1 
zustände und Reizbarkeit bestehen unverändert) 
Zuletzt mußte sie einem Versorgungshaüs $ i 


Etwas schwach- SE 


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1923] 


| wiederum Paroxysmen mit Dämmerzuständen auf- 
"treten. In dem folgenden Halbiahre ist ein deut- 
| licher Einfluß der Luminaltherapie auf Krämpfe 
| und Gebahren im günstigen Sinne zu verzeichnen. 
"Auch aus der Kremsierer Anstalt, wohin er trans- 
| feriert wurde, wird über das wechselnde Spiel von 
‚krampffreien Perioden und solchen -fast täglicher 
| Anfälle berichtet. 

(Ganz eigenartig gestaltet sich das Schicksal 
‘des 10. Falles, Ludwig Ram., eines 32 iährigen, 
| ledigen, landwirtschaftlichen Hilfsarbeiters. Er ist 
| soweit aufgeklärt und intelligent, daß er vom Chi- 
i urgen direkt die in Rede stehende Operation 
| zwecks Heilung seines Leidens wünscht, welche 
'anihm am 16. Juni 1921 (Entfernung der linken 
 Nebenniere) vollzogen wird. Krampffrei entlassen, 
| kehrt er wegen neuerlicher Anfälle spontan auf die 
| chirurgische Abteilung zurück, um abermals vom 
Operateur Hilfe zu verlangen. Es wird ihm am 
10. September 1921 das untere Drittel der rechten 
 Nebenniere entfernt. Die Krämpfe setzen aber 
Schon wieder am ‘nächsten Tage ein und wieder- 
i holten sich. Pat. wird in seine Heimat entlassen. 
Zu Hause schwere Anfälle mit postparoxysmeller 
- Benommenheit und Tod im Status am 15. Mai 1922. 
= Eine Umschau in der einschlägigen Literatur 
ergibt, daß bisher nur eine verhältnismäßig geringe 


Anzahl von Nebennierenreduktionen zu Heil- 
Zwecken des Krampfes ausgeführt wurden. Wie 
ich den Mitteilungen Sultans- entnehme, verfügt 


_ Brüning über die meisten: Erfahrungen an operier- 
ten Krampfkranken. 


über 14 operierte Fälle, von denen 5 geheilt bzw. 
erheblich gebessert wurden; im Juli 1921 verfügt 
er bereits über 25 Fälle und hält seine früheren 
Ausführungen im vollen Umfange aufrecht: „Durch 
- Exstirpation einer Nebenniere wird die Krampf- 
erregbarkeit des Epileptikers herabgesetzt, da- 
_ neben -tritt eine Beeinflußbarkeit der Psyche ein, 
das. Gedächtnis bessert sich wieder etwas, das auf- 
; geregte Wesen, die-Neigung zu Zornausbrüchen 
legt sich.” 
b Über weniger günstige Ooeranonsresulfate 
l teferiert Steinthal aus Stuttgart. Mit Ausnahme 
ines Kranken, bei dem Kopftrauma vorausge- 
| gangen war, handelte es sich bei seinen Patienten, 
fünf männlichen und zwei weiblichen, um echte 
[mine schwere Epilepsieformen, deren Dauer 
Stets mehrere Jahre währte. Er gelangt zu dem 
 Schlusse, daß die nächste Zeit nach der Operation 
die Anfälle ausbleiben, aber dann sich genau wie 
rüber einstellen. | 


2 
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Lege u ae u ee N 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


vier 


Auf einer Tagung der mittel- 
 Theinischen Chirurgenvereinigung berichtete dieser | 


_ sentlich milder geworden. 


Sultan hat fünf Fälle operiert und bekennt, daß | 


333 


keiner der von ihm Operierten die Anfälle ver- 
loren, in einem Falle der psychische Zustand sich 
gebessert hatte, in einem anderen während der 
Monate nach der Operation die Anfälle bei 
Luminalbehandlung weniger zahlreich waren. Er 
ist der Meinung, daß das vorliegende Material 
noch zu gering sei, um ein endgültiges Urteil über 
das Verfahren abzugeben, daß aber die Aussichten, 
durch die Nebennierenreduktion zu einer Heilung 
oder auch nur wesentlichen Verringerung der epi- 
leptischen Anfälle zu gelangen, als gering bezeich- 
net werden müssen. | 

Desgleichen weisen (die sieben Fälle von 
Schmieden und Peipers keine dauernde Besserung 
des Krampfzustandes auf. V. Engelbrecht äußert 
sich auf der Tagung der Vereinigung nordweest- 
deutscher Chirurgen (13. Januar 1922) dahin: „Eine 
Besserung der Krampfianfälle konnte nicht festge- 
stellt werden.” Bis auf einen Fall, der sich nach 
mehrmonatiger Beobachtung in Friedrichsberg ge- 
bessert hatte, konnte auch dort keine Änderung 
der Epilepsie festgestellt werden (Klin. Woch. 1922 


Nr. 25). 


Borszeky, dessen Beobachtungen an neun 
Fällen schwerster zenuiner Epilepsie aus dem 
Budapester. Krankenhause vorliegen, kann keinen 
einzigen so günstigen Erfolg verzeichnen, wo die 


Krämpfe nach ‘der Operation ein für -allemal aus- 


geblieben sind. Er verzeichnet zunächst selteneres 
Auftreten der Krämpfe in milder Form, die mit 
Luminal meistenteils beeinflußbar geworden sind, 
bei einzelnen Fällen sogar heftigere Krampfanfälle. 
Aber auch die ‚günstigeren Wirkungen seien nur 
vorübergehend, „so daß nach höchstens vier bis 
fünf Monaten der Zustand sich verschlimmert hat.” 
Diesen Mißerfiolgen und skeptischen Ansichten 
stehen eine Anzahl günstigerer Operationsresultate 


und optimistischer Äußerungen gegenüber. So 


schreibt Sandor (Uipest) über vier Fälle, von denen 
einer nach vier Wochen bzw. zwölf Tagen noch 
anfallsirei war: bei einem dritten, welcher an einer 
schweren; zur Verblödung führenden Krankheits- 
form litt, waren: die Anfälle mehrere Monate nach 
der Operation sehr selten, in ihrem Charakter we- 
Der Autor sah zweimal 
im Anschluß an die Operation pneumonische Er- 
scheinungen mit Empyem, woran einer seiner vier 
Patienten starb. 

Obwohl sich Sandor der Kürze seiner Beob- 
achtungen bewußt ist, glaubt er doch, daß man 
nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet sei, „auf 
diesem verheißungsvollen Wege fortzufahren”. 
Bardenheuer (3 Fälle), Kutscha-Lissberge (2 Fälle), 
Pohrt (1 Fall), v. Brunn (1 Fall), äußern sich eben- 


334 


falls im Sinne einer günstigen Krampfbeeinilus- 
sung, doch ist weder die Beobachtungszeit noch die 
Anzahl ihrer Fälle für ein abschließendes Urteil 
ausreichend. 

Beim Aufwerfen der Frage, ob von der Über- 
tragung der Fischerschen Theorie in die Praxis 
eine therapeutisch günstige Beeinflussung -der 
Krampfkranken zu erwarten war, sind wir ge- 
nötigt, einzelne Hauptpunkte seiner Lehre zur Er- 
örterung zu bringen. | 

Das Gehirn stellt nach Fischer nicht die ein- 
zige Angriffsfläche im Krampfmechanismus dar, 
dieses sei vielmehr auch für periphere Reize zu- 
eänglich, so daß man zentral und peripher angrei- 
fende Reize für den Krampf unterscheiden müsse. 
Abhängig sei der Krampf auch von der Reizan- 
sprechbarkeit der Muskulatur; diese stehe wieder 
in engem funktionellen Zusammenhang mit dem 
Nebennierensystem. Der Autor will tierexperi- 
mentell bewiesen haben, daß die Krampffähigkeit 
des Organismus von einer ausreichenden Menge 


funktionstüchtiger Nebennierensubstanz im Körper 


abhängig ist. Es gehören die Nebennieren, wahr- 
scheinlich einschließlich des ganzen chromaffinen 
Systems im Körper, zum Krampfimechanismus. 
Seine experimentellen Resultate seien mit ein we- 
sentlicher Beweis dafür, daß die Aufstellung einer 


peripheren Komponente des Krampimechanismus’ 


im Körper berechtigt sei. Diese periphere Kompo- 
nente treffe in der Muskulatur. mit der zentralen 
durch Vermittlung der peripherischen Nerven zu- 
sammen. Auf der anderen Seite bestehe eine 
direkte Kontinuität zwischen zerebralen und sym- 
pathischen Zentren und dem Nebennierensystem 
durch den Sympathikus. Das Mark der Neben- 
niere sei als Teil des chromaffinen Systems ein 
direkter Abkömmling des Sympathikus selbst; da- 
mit sei ein vollständiger Ring des Krampfmecha- 
nismus $eschlossen, dessen wesentliche Knoten- 
punkte das Zerebrum, das Nebennierensystem und 
die Muskulatur seien. Ferner behauptet er, daß 
durch die Nebennierenexstirpation eine Herabset- 
zung der Reizansprechbarkeit der quergestreiften 
' Muskulatur und damit eine Erhöhung ihrer Reiz- 
= schwelle für entsprechende Reize erzielt werde. 
Dies hebt er unter Hinweis auf die Erfahrungen 
am Menschen (Brüning) und seine Tierversuche 
insbesondere Specht gegenüber hervor, der auf 
Grund einer großen Reihe analoger Tierexperi- 
mente den Fischerschen Thesen entgegentritt, weil 
nach Herausnahme einer Nebenniere oder zugleich 
des größten Teils der anderen eine vollkommene 
Beseitigung der durch Amylnitrit hervorgerufenen 
Krämpfe, wie dies Fischer behauptet, überhaupt 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


. zeigte sich, daß nicht operierte Ratten oder solche 


Lebenden einen Fingerzeig hierfür, daß durch die T 
Entfernung einer oder beider Nebennieren die 24 


[Nr. si i 


nicht erzielt werden könne und die Krämpfe fast j 4 
zur gleichen Zeit oder sogar früher als vor der = 
Operation einsetzen, ferner bei partieller Resek- 1 
tion mit einer Regeneration bzw. Hypertrophie | 
des anderen Nebennierenrestes zu rechnen sei, 
Schließlich käme beim Menschen das vikariierende 4 
Eintreten des stark verbreiteten Interrenalsystems 
in Betracht, so daß auch deswegen ein Dauereriolg | 
auszuschließen sei. 4 

In ungemein scharfer Weise wenden sich Meyer 
und Brühl gegen Fischers Schlußfolgerungen aus ” 
dem Tierexperiment, indem sie bemerken, daß. die 1 
Kompliziertheit der Materie, die Verschlingung ° 
gegenseitig sich beeinflussender konstitutioneller 1 
Faktoren und die mangelhafte Kenntnis des Sub- 4 
strates eines abnorm reizbaren Gehirnes uns nicht 4 
gestatten, eine Spezifität der Reizstoffe zu for- II 
mulieren. 

Trotz dieser Einwände läßt sich nicht leugne 
daß die Ideengänge Fischers manches Bestechende 
für sich haben, wofür trotz vielfacher Mißerfolge ° 
am Lebenden die gemachten Erfahrungen sprechen, 
anderseits im aa! Beweis gegen Beweis 
it 


stätigt. 

In neuester Zeit hat Mauerhofer den Muskel- AE 
widerstand von der Nebennieren beraubten Meer- f i 
schweinchen, Ratten usw., welche in einer. rotiè- {d 
renden Trommel eingeschlossen waren, geprüft. a 


. Er gelangt zu ähnlichen Schlußfolgerungen, wie siè ia 


vor Jahren schon Wiesel und Schur nach gleich- M 
artigen Versuchen an Hunden aufstellten. ES T 
mit einseitiger Exstirpation nach zwei bis vier : i 
Stunden erschöpft waren, während beiderseits 
operierte eine 3- bis 121 mal kürzere Ermüdungs + 
reaktion aufwiesen, wobei diese erschöpften Tiere i 7 
regelmäßig an Prostration zugrunde gingen. Nor- 
male Tiere oder einseitig exstirpierte erholten sich 
bald wieder. Der Autor zieht darai den Schlub, 5 


die schädfichen. e E “bei ae 
siver Muskeltätigkeit zu zerstören. Seine Versuche ; 
lassen aber, unserer Meinung nach, auch noch die i 


Deutung zu, und es bieten uns die Erfahrungen am a, 


Resistenz des Gesamtorganismus infolge des gal- & : 
zen oder teilweisen Fehlens des Nebennierenhor- E \ 
mons herabgesetzt wird. Es gewinnt den Anscheir i 
daß Pat., welche den Eingriff gut überstanden MI 1 
sich körperlich bald erholten, später einer verhält 


nismäßig niederen Anzahl von Krämpfien Br p 


Pr 


BE nöiserien erlagen, sei es einige Wochen oder 
| Monate nach der Operation, weil sie eine vermin- 
derte Widerstandskraft gegenüber den neuerlichen 
Paroxysmen haben mußten. Es ist auffallend, dab 
a B. die jugendlich kräftige Patientin L. (Fall 4) 
einem verhältnismäßig kurze Zeit währenden, 
‚nicht besonders intensiven epileptischen Insult er- 
lag; allerdings wurde bei ihr ein Status thymo- 
Iymphaticus post mortem konstatiert. Desglei- 
chen Fall 1, welche vorher längere und schwerere 
Krampfserien überstand und bis zuletzt in gutem 
Ernährungszustand sich befand. Aus dem Sek- 
tionsprotokoll geht hervor, daß keine anderen 
somatischen Veränderungen als die beim Status 
epilepticus gewöhnlich .erhobenen vorhanden 

Unser Fall 10, an dem in Intervallen die 


Waren. 
linksseitige Fpinephrektomie und die rechtsseitige 
Reduktion ausgeführt wurde, ist geeignet als Ex- 
perimentum in vivo am Menschen in das Dunkel, 
welches um die Rolle der Nebenniere als „periphere 
- Krampikomponente” schwebt, einiges Licht zu 
werfen. ‘In der mir zugänglichen Literatur ist nur 
noch eines analogen Falles, nämlich Küttners, Er- 
wähnung getan (Kehrer, Klin. Woch 1922 Nr. 5), 
der nach Exstirpation einer Nebenniere die Entfer- 
nung einer Hälfte der zweiten vornahm, aber den 
Erfolg noch abwartet. Den Chirurgen schien 
‚jedenfalls der Gedanke naheliegend, durch die Re- 
Fiktion des vielleicht infolge vikariierender Hyper- 
‚trophie oder abnormaler Funktion krampfauslösen- 
den zweiten Organs das Leiden-zu bekämpfen. 

p Bei der Reduktion der zweiten Nebenniere 
Rigte sich nun in unserem Falle, daß die bisherige 
"Annahme einer stellvertretenden Wiachstumsver- 
größerung infolge Funktionsübernahme- nicht ein- 
‚getreten war. Es konnten histologisch erkennbare 
Differenzen gegenüber der Norm nicht erhoben 
Werden. Desgleichen boten die Nebennieren der 
ad exitum gelangten Fälle weder makroskopisch 
noch mikroskopisch das Bild einer Hypertrophie 
‚dar, so daß wir in diesen Fällen eine rein funktio- 
elle Stellvertretung der -betreffenden Nebenniere 
nehmen müssen. Schließlich wäre an eine Hy- 
‚Bertrophie im Bereiche des Interrenalsystems zu 
denken. Unsere Befunde des ersten und sechsten 


Falles (Tod fünfviertel Jahr bzw. fünf Monate nach 
‚der Operation) stimmen mit dem von Peipers er- 
‚hobenen Falle überein, der zehn Monate nach der 
E sie a omie zur Autopsie kam, 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


335 


trophie der rechten Nebenniere berichten. Von un- 
seren Fällen wies die rechte Nebenniere von Fall 2 
(Tod ein Jahr acht Monate post operationem) ein 
Gewicht von 12 g auf, so daß hier, der histologische 
Befund steht noch aus, eine Hypertrophie vorliegen 
dürfte. 

Der Widerspruch beider Angaben findet wohl 
dadurch seine Erklärung, daß, wie aus Unter- 
suchungen des Nebennierengewebes durch Simonds 


und Johanns (nach Borszeky) hervorgeht, das Ge- 


wicht beider Drüsen Schwankungen von 3,3 g bis 
10 g unterworfen ist. Letzterer Autor fand die 
linke Nebenniere in 47 v. H. der untersuchten Fälle 
kleiner und leichter als die rechte, in 33 v. H. 
waren beide ungefähr gleich und in nur 20 v. H. war 
die linke schwerer und größer. 

Veränderungen des Blutbildes und Blutzuckerge- 
haltes konnten nicht festgestellt werden, wie das 
auch Bausch an Brünings Fällen nachwies. Ob 
eine postoperative rasch verlaufene Hämoptoe bei 
Fall3 trotz auffallender Gewichtszunahme und ohne 
objektiven, Lungenbefiund auf die Blutdruckerhö- 
hung: zurückzuführen ist, wie dies Borszeky bei 
seinem Fall von profusem Nasenbluten mit verfrüh- 
ter Menstruation nach der Operation vermutet, 
möge dahingestellt bleiben. Dies ist um so un- 
wahrscheinlicher, als aus den Versuchen der Auto- 
ren und meinen eigenen hervorgeht, daß das Neben- 
nierenhormon keine dauernde Blutdruckerhölung 
zu bewirken vermag. 

Es lag der Gedanke nahe, bei den einseitig Epi- 
nephrektomierten durch Zufuhr von Nebennieren- 
sekret und zum Vergleiche bei Epileptikern und 
Nichtkrampfenden auf‘ experimentellem Wege 
Krampfiparoxysmen hervorzurufen. 

An acht Gienesungsfällen von Amentia, zehn 
nichtoperierten Epileptikern und zwei mit exstir- 
pierter Nebenniere wurde Adrenalin Heisler 1,0 
:1000 in Dosen bis 2,0 ccm in Form subkutaner 
Iniektionen einverleibt. Ohne auf die Einzelheiten 
der interessanten Ergebnisse näher eingehen zu 
können, sei zur Sache selbst bemerkt, daß es mir 
im Gegensatz zu Benedek, welcher 1 bis 1,5 ccm 
Tonogen Richter in gleicher Weise anwandte, nicht 
gelang, epileptiiorme Krämpfe künstlich hervorzu- 
rufen. Auch die Temperatursteigerungen; wie Falta 
und Bertelli bei bedeutend niedrigeren Gaben beob- 
achteten, konnte ich nicht feststellen, obwohl die 
übrigen somatischen Reaktionen, wie Mydriasis, 
Alterationen der Pulsfrequenz, -der Pulsrhythmik 
und‘der FHerzdynamik, bis fast zum Versagen der 
Herztätigkeit, stenokardischen Anfällen ähnliche 
Zustände, vasokonstriktorische Erscheinungen der 
Haut, die sich u. a. in fahler Blässe äußerte, Ver- 


336 


langsamung der Atmung, ferner Oppressions- und 


Vernichtungsgefühl, Parästhesien usw. hinreichende 


Anhaltspunkte bieten für eine fast bis zu den äußer- 
sten humanen Grenzen reichende Wirkungsweise 
der iniizierten Substanz. Die der Nebenniere be- 
raubten zwei Kranken reagierten im wesentlichen 
nicht anders, als die Übrigen; nur Fall 1 zeigte be- 
reits bei 1,5 ccm Adrenalin die gleichen Folge- 
erscheinungen, insbesondere Pulsverlangsamung 
bis auf 48 Schläge in der Minute, 
Nichtoperierte bei höheren Gaben. Im allgemeinen 
ist der Einwand berechtigt, daß das auf künstliche 
Weise gewonnene Nebennierensekret nicht dem 
natürlichen gleichwertig ist; immerhin hätte man 
aber die Reizschwelle für die somatischen Reak- 
tionen der beiden operierten Epileptiker höher sup- 
poniert, wenn es schon nicht gelang, Krämpfe zu 
erregen. | 

Zur Klärung dieser Frage werden noch weeitere 
Nachprüfungen erforderlich sein, und. zwar mit 
Adrenalinprodukten verschiedener Herkunft. Dies 
geht auch aus dem Satze Fischers hervor: „Es er- 
scheint wohl möglich, daß es bei höheren Dosen zu 
Krampfanfällen kommt.” 

Mit Ausnahme einer starken Apathie bei einem 
der operierten Epileptiker traten keinerlei psychi- 
sche Alterationen auf, die Kranken waren durch- 
weg sehr erschöpft, von den somatischen Vorgän- 
gen in Anspruch genommen; einzelne äußerten 
wiederholt ihre Zustimmung zu der, wenn auch 
stark angreifenden Injektion, in der Hoffnung, auf 
diese Weise vom Krampfe befreit zu werden, und 
verfolgten mit Interesse den Ablauf der Reaktion, 
soweit ihr subiektives Befinden dies zuließ. Durch- 
schnittlich nach zwei Stunden waren, abgesehen 
von allgemeiner Schwäche, die wesentlichen Stö- 
rungen abgeklungen. 

Wenn wir auf Grund unserer ahnen mit 
jenen Autoren übereinstimmen, welche die Haupt- 
wirkungen des Adrenalin einer maximalen Sym- 
pathikusreizung, andere Folgen, wie die Verlang- 
samung der Herzreaktion und Atmungshemmung, 
der Vagusreizung zuschreiben, so können wir, vom 
experimentellen Standpunkt am Menschen aus- 
gehend, nicht die Ansichten jener teilen, welche, 
. wie Krasser, im Adrenalin ein Hormon sehen, das 
u. a. epileptische Krämpfe herbeizuführen imstande 
ist. Ist auch der Einfluß des Adrenalins auf die 
biologischen Vorgänge von eminenter Bedeutung, 
so darf diese Einwirkung, wie wir gesehen haben, 
doch nicht überschätzt werden. Gerade so, wie 
Bolten fehl ging, als er aus seiner Behauptung von 
der krampfauslösenden Kraft der Hormone von 
Schilddrüse und Nebenschilddrüse therapeutische 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


wie einzelne 


Schlußfolgerungen zog und dem an diesen Sekreten 1 
scheinbar verarmten Organismus durch Zufuhr von 


Preßsaft dieser Drüsen aufhelfen und den Krampf 


bekämpfen wollte, außer acht lassend, daß es nicht 


angeht, eine schadhafte Stelle im Gebäude des 


endokrinen Systems zu reparieren ohne Rücksicht 


auf eventuelle Schädigungen und konvulsiv wir- 
kende Faktoren seitens anderer innersekretorischen 


Drüsen, ebenso zeigt es sich als verfrüht, die Ne- 
bennierenfunktion praktisch therapeutisch zu be- 


werten. 


Wenn wir an die Ergebnisse der Brüningschea = 


Operation die kritische Sonde legen, gelangen wir 


an der Hand unseres Materials zu: nachstehendem 


Resultat: 
Es starben von zehn Operierten (bei elf Eingrif- 


fen) innerhalb eines Zeitraumes von 1!/ Jahren 


sechs Kranke, d. i. 60 v. H., also eine erschreckende 
Mortalität. 
Bezüglich der Liebenden stehen wir folgenden 


Tatsachen gegenüber: Nach vorübergehender Ver- 
minderung oder kurze Zeit dauerndem Aussetzen 1 


[Nr. 51/52 


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der Krämpfe nach der Operation ist eine Erneue- 1 


rung des alten Krampftypus zu verzeichnen. Lumi- 1 
naltherapie, Brombehandlung oder beide sind: von 7 
wie es auch sonst häufig: bei 
Keine dauernde Be- f 
einflussung des psychischen Verhaltens, weder der f 
Intelligenz noch der affektiven Vorgänge. F 

In-Zusammenfassung der Operationsergebnisse | 
und unserer Versuche gelangen wir zu folgenden; 


flüchtigem Erfolg, 
unseren Kranken vorkommt. 


Schlußsätzen: 


1. Die Behauptung Fischers, die Krampffähig A 


keit des Organismus nimmt mit Reduzierung 
der Nebennierensubstanz ab, 
beim Menschen als nicht zutreffend. 


erweist sich 1 k 


2. Unsere klinischen Erfahrungen im Zusam: 3 w 


menhalt mit den Resultaten der meisten 'h 


Autoren tun ‚dar, daß die Nebennierenreduk- 1 
tion nicht imstande ist, das Krampfbild beim = 
'Epileptiker dauernd im günstigen Sinne 4 fy 


verändern oder zu heilen. 


Nach gelegen {| 


licher Besserung tritt der alte Krampftypus z (i 


wieder auf. 


3. Diese Tatsache wird bekräftigt durch eimen f i 
Fall von Nebennierenexstirpation und konta- f y 


lateraler Nebennierenreduktion, vorn G 
Status” endete. 


4. Die Exstirpation der Nebenniere vermag auch 5 
nicht das psychische Verhalten des Kramp: f 
fenden zu beeinflussen. Die typischen Eisen 1 
schaften, wie Reizbarkeit, Jähzorn usw., wel {| q 
den nicht merklich tangiert, die Intels s 


nimmt nicht zu. 


m 


d Versuche am Menschen mit hohen Adrenalin- 
gaben haben ergeben, daß dieses Hormon 


leptische Krämpfe hervorzurufen. 

. Die Nebennierenreduktion birgt Gefahren in 
sich, denen kein entsprechender therapeuti- 
scher Effekt gegenüber steht, ist daher als 
krampfheilender Eingriff abzulehnen. 


a TE nn ZI a er Te PIRE SC eT e 
- 


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PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


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d. ges. Neur. u. 


: Wiesel, Wien. med. Woch. 1907 Nr. 14. 


\ 


Zur Methodik der Adrenalinuntersuchungen am Menschen. 
Von Dr- F. J. Surman, gtovinzial on Santpoort (Holland). 


J der Detschen mediz. Wochensciriii 1922- Nri28 ` 


vom 14. Juli 1922 stellt Dr. M. Rothmann einige 
E itungen an unter obenstehendem Titel. Er 
kommt zu dem Schluß, daß bei derartigen Unter- 
Suchungen drei Punkte beobachtet werden müssen, 
wenn die gewonnenen Ergebnisse nicht von vorn- 
‚herein zur Weertlosiekeit verurteilt sein sollen, 
nämlich: 
= 1. Das zu untersuchende Individuum. muß so- 
Weit betäubt sein, daß eine rein psychische Beein- 
flussung des Blutdrucks .nicht zu befürchten ist. 
(Beim Menschen dürfte hierzu eine Skopolamin- 
Morphineinspritzung genügen.) 2. Das Adrenalin 
muß intravenös eingespritzt werden. 3. Die Mes- 
sung des Blutdrucks muß mit einem Instrumen- 
tarium erfolgen, welches absolute Werte liefert 
und” die e des gesamten Druckablaufs 
p 

Obgleich ich im "wesentlichen mit diesen Be- 
I an einverstanden bin, meine ich doch, 
daß der Schluß, daß alle früheren Untersuchungen, 
Welche den drei Forderungen nicht ganz entspre- 
en, ‚wertlos sind, zu weit geht. 


Ich . er habe im vorigen Jahre Adrenalin- 
probeeinspritzungen gemacht bei etwa 100 Geistes- 
kranken. (Diese Untersuchungen sind publiziert 
in der „Nederlandsche Maandschrift voor Genees- 


kunde Bd. XI Nr. 1.) Dabei habe ich immer 0,7 mg 


Adrenalin subkutan eingespritzt ohne Betäubung. 


‚ Anfänglich habe ich auch die intravenöse Einsprit- 


zung (0,1 bis 0,2 mg) gemacht. Weil ich jedoch 
dabei eine sehr schnelle Reaktion mit starken sub- 
jektiven Beschwerden, einmal sogar einen leichten 
Kollaps sah, habe ich die intravenösen Einspritzun- 
sen eingestellt und weiter immer subkutane ge- 
macht. Bei derartigen Untersuchungen an Geistes- 
kranken in einer Irrenanstalt ist doch große Vor- 
sicht geboten, nicht allein um den Kranken nicht 
wirklich zu schaden, sondern auch um den bösen 
Schein zu vermeiden. 

Ein Nachteil der 
auch, daß die Reaktion so schnell verlief, wo- 
durch die Veränderungen der Pulszahl (und des 
Blutdrucks, da der Blutdruck nicht kymographisch 
registriert wurde) sehr schwer genau zu bestim- 


- men waren. 


intravenösen Methode war - 


338 


Die Probeperson wurde auch nicht betäubt. 
Eine Skopolamin-Morphineinspritzung -ist doch 
immer etwas Unangenehmes. Auch war ich nicht 
davon überzeugt, daß die Skopolamin-Morphinein- 


spritzung nicht die Adrenalinreaktion beeinflussen 


würde. Drittens war meines Erachtens .die Be- 
täubung überflüssig. Die meisten Kranken reagier- 
ten ia psychisch nicht oder sehr wenig auf die Ein- 
spritzung des Adrenalins. Bei den einzelnen Kran- 
ken, welche wohl unruhig, ängstlich oder zornig 
davon wurden, trat wirklich unmittelbar eine Puls- 
beschleunigung auf, welche jedoch nur einzelne 
Minuten dauerte. Diese Pulsbeschleunigung war 
also leicht zu unterscheiden von derjenigen, die 
durch das Adrenalin verursacht wurde. Diese 
letzte trat am frühesten 10 bis 20 Minuten nach der 
subkutanen Einspritzung auf und dauerte bis 40 
bis 60 Minuten nach der Einspritzung. 

Den Blutdruck habe ich gemessen mit dem 
Apparat von Riva-Rocci, Recklinghausen. Jede 
fünf Minuten wurde eine Messung gemacht und die 
gefundenen Zahlen wurden später als eine Kurve 
gezeichnet. In derselben Weise haben auch Dresel 
und andere ihre Kurven erhalten. Wenn auch 
diese: Methode etwas komplizierter ist als die 
kymographische, so gibt sie m. E. einen ebenso 
guten Einblick in den Verlauf des Blutdrucks. 

Die Bestimmung des Blutdrucks mittels des 
. Apparats von Riva-Rocci ist der plethysmogra- 
phischen Methode vorzuziehen, weil in dieser 
Weise nicht allein der systolische Druck (palpato- 
risch!), sondern auch der diastolische Druck (aus- 
kultatorisch)) am besten genau bestimmt werden 
können. ; 

Sind nun die Ergebnisse meiner Untersuchungen 
wertlos? Ich kann das nicht glauben. Unmittel- 
bar nach der subkutanen Einspritzung habe ich 
immer durch kräftiges, einige Minuten dauerndes 
Massieren die schnelle, regelmäßige Resorption des 
- Adrenalins befördert. Wie oben schon gesagt, trat 
immer in 10 bis 20 Minuten eine mehr oder weniger 
starke Pulsbeschleunigung und Steigerung des 
systolischen Blutdrucks auf, welche bis 40 oder 60 
Minuten nach der Einspritzung dauerten. Dagegen 
nahm in derselben Zeit der diastolische Druck mei- 
stens etwas ab; in einigen Fällen blieb dieser auf 
gleicher Höhe, nur in zwei Fällen mit sehr starker 


Mitteilungen. 


Sa Psychiatrischer Fortbildungskurs: Die hessi- 
sche Regierung bietet in sehr anerkennenswerter 
Weise, die überall Nachahmung finden sollte, den an 
ihren Heil- und Pilegeanstalten tätigen Ärzten im März 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


gefunden habe, daß Alkaligabe (Natrium bicarboni- = 


[Nr. 51/ A a a 


Steigerung des systolischen Drucks stieg auch der q 
diastolische etwas. Ei: 

Das Typische der- Reaktion, welche nur m i 
Stärke wechselte, und der ausgesprochene Par- 1 
allelismus, welcher zwischen der Pulsfrequenz und 1 ; 
dem systolischen Blutdruck bestand, sprechen ohne 
Zweifel für die Abhängigkeit von der Adrenalinein- 
spritzung. : 

Diese Reaktion war nicht zu verwechseln mit T 
der bisweilen schnell auftretenden, kurz dauernden 7 
Pulsbeschleunigung (durch psychische Vorgänge 4 
(Angst, Zorn). Ich meinte deshalb hieraus schlie- 1 
Ben zu können, daß das Adrenalin bestimmt auf das 7 
Herz wirkte (Pulsbeschleunigung, Steigerung des = 
systolischen Drucks). Die Wirkung auf die Gefäße 1 
war meistens (oder immer) eine dilatatorische. ° 
Dies ist dadurch zu erklären, daß das Adrenalin in 3 
stärkerer Verdünnung vasodilatorisch wirkt, in f; 
schwächerer vasokonstriktorisch (s. Roncato, Arch. a 
di Fisiol 1919). 4 

Ich kann also Rothmann nicht beistimmen, dai 
das Adrenalin nur auf die Gefäße wirkt und nicht | 
auf das Herz. Auch Czepai (D. m. Woch. 1921) hat | 
(nach einer anfänglichen Verminderung) eine aus- 1 
gesprochene Vermehrung der Pulszahl beob- a 
achtet. Ebenso berichten Boothly und Sn nn, 
(The Americ. Journ. of Physiol. 1920, 51). = 

Zum Schluß sei noch mitgeteilt, daß ich. auch: i 


aT a i - A Na Tepe- 
| eze E a om EN] o e WERT ara E a en A n e m~ — nwa nam ps na FE 1E 


i 


eak 


cum, Natrium oder Kalium citricum) per os die x 
Adrenalinreaktion abschwächt. Ich hatte dieses" ni 
versucht, weil mir bekannt war, dab Alkali m 
das Adrenalin schnell zerstört. Vor kurzem bat z 
Zonidek (D. m. Woch. 1921 Nr. 50) in einer höchst "7 > 
interessanten Mitteilung eine ganz andere Erklä f3 
rung von dieser auch von ihm bestätigten Erschei 17 
nung gegeben. Diese von mir beobachtete Ab- fi 
schwächung der Reaktion durch Alkaligaben weist 1 ; 
auch darauf hin, daß die Pulsbeschleunigung ora A 
Adrenalin abhängig ist. a 

Wenn ich also theoretisch die Richtigkeit der GN 
Bedingungen Rothmanns anerkenne, so meile fn 
ich doch, daß praktisch die von mir befolgte Me tx 
thode genügt und daß auch die subkutane Probe Į? 
einspritzung mit Adrenalin unter den oben genant- q» 
ten Bedingungen brauchbare Resultate gibt. 34 


Gelegenheit zum Besuch eines einwöchigen, 42. Stunden | 
umfassenden Fortbildungskurses an der Landesunivetsi | - 
tät Gießen,-an welchem auch die Gesamtheit der iM f 
kreisärztlichen Dienst sich betätigenden Kollegen en i 


1923) 
, nehmen wird. Um allen beamteten Ärzten des Landes 
den Besuch zu ermöglichen, wird der Kurs zweimal ab- 
gehalten und jeweilig einer Hälfte der Interessenten vor- 
getragen werden. Der Staat trägt die Fahrtkosten und 
bietet den Teilnehmern für die Dauer einer Woche statt 
der früher üblichen Tagegelder Unterkunft und Ver- 
köstigung in der Heil- und Pflegeanstalt Gießen, ein 
- schätzenswertes Entgegenkommen, das bei den gegen- 
wärtigen Unterkunfits- und Verpflegungsverhältnissen 
sehr angenehm empfunden werden wird. Das Programm 
‚sieht Vorträge der Herren Prof. Prof. Voit, Boström, 
 Grießbach, Gottschlich, Stepp, Sommer, Brüning, Köppe, 
 Bürker, Jesionek vor. Den Beschluß bildet eine Füh- 
zung und Besichtigung des Bades Nauheim durch Prof. 
Weber. — Ein kürzerer Doppelkurs von zweitägiger 
Dauer für die gleichen Teilnehmer, ebenfalls mit staat- 
licher Fürsorge für Unterkunft und Verpflegung, fand be- 
reits im Hochsommer des verflossenen Jahres im Phi- 
lippshospital bei Goddelau statt, das neuerdings seine 
wissenschaftlichen Laboratorien in mustergültiger Weise 
ausbauen konnte. 


Buchbesprechungen. 


= —Ellger, Hans: Der Erziehungszweck im Straf- 
Bvöllzug. 112 S. Halle .a. S. 1922, man Marhold Ver- 
_lagsbuchhandlung. 

= Verf. war früher Anstaltsgeistlicher in Lüttringhausen 
und später Direktor des bekannten Jugendgefängnisses 
zu Wittlich; auf dem reichen Schatz seiner Erfahrungen 
‚ist das vorliegende Buch aufgebaut. In klarer Weise be- 
jaht er zunächst die Berechtigung des Erziehungsgedan- 
kens im Strafvollzug und er sieht-in der-Strafe selbst 
nicht nur eine Regressiv-, sondern auch eine Präventiv- 
maßregel. Um die Erziehung im Strafvollzug möglichst 
‚zu fördern, empfiehlt E., daß die einzelnen Anstalten nur 
bestimmte Lebensalter aufnehmen sollen. Unterschiede 
in dem Grade der Erziehbarkeit sind nicht nur nach 
‚Alter und nach der Art der verbrecherischen Gesinnung 
zu machen, sondern es ist auch die geistige und sitt- 
‚liche Minderwertiekeit zu berücksichtigen; Sonderanstal- 
‚ten für alle Psychopathen hält E. nicht für zweckmäßig. 
(Rei. vermißt in diesem Kapitel die durchaus nötige 
‚und oft ausschlaggebende Tätigkeit des psychiatrisch 
(vorgebildeten Strafanstaltsarztes.) Mit Recht sagt E., 
man dürfe nicht in jedem Verbrecher nur einen Kran- 
ken sehen, der nicht zu bestrafen sei, sondern der 
einer Heilbehandlung bedürfe; dann fährt er fort (S. 53): 
„Soviel Dank auch der Strafvollzug der Psychiatrie 
schuldet, so dürfte doch stets ihrem Einfluß eine be- 
stimmte Grenze zu setzen sein, wenn dieser nicht zu 
einer schädlichen Einseitigkeit werden soll.” Ich glaube, 
dieser Satz ist in mehr als einer Beziehung anfechtbar, 
kann doch nur der Arzt erkennen, ob wirklich die 
Psyche krank ist, und er ist es auch, der Laien vor 
falschem Urteil und vor Mißgriffen in der Behandlung 
bewahren kann. 


PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 


sagen des „Durchseuchungswiderstandes“ 


339 


Durchaus zu billigen sind dagegen die warmherzigen 
Worte‘E.s über Erziehung zur Zucht und zur Arbeit mit 
dem Ziel, soziale Menschen zu schaffen; Gehorsam, per- 
sönliche Einwirkung und progressiver Strafvollzug (vier 
Klassen) sollen. hierzu mithelfen. Wichtig ist auch die 
Tätigkeit des Seelsorgers und des Lehrers, der weniger 
positive Kenntnisse vermitteln soll, als auf Übung der 
geistigen Fähigkeiten und der sittlichen Erkenntnis be- 
dacht sein muß. 

Für vorläufig zu Entlassende fordert E. eine beson- 
dere Kommission, die diese Frage prüfen soll; ferner be- 
spricht er die Tätigkeit des Fürsorgers, der dem Ent- 
lassenen zur Seite stehen muß und der .ihn auch 
anzuhalten hat, den einst angerichteten Schaden wieder 
gut zu machen. 

In humaner, aber eis schwächlicher Weise 
will Verf. die Erziehungsgedanken in die Tat umgesetzt 
wissen, um die Rechtsbrecher wieder zu resozialisieren. 
Die Freiheitsstrafe in diesem Sinn allgemein umzuge- 
stalten ist ein hohes, aber wohl keineswegs unerreich- 
bares Ziel. Jedem, der sich für dieses Thema inter- 
essiert, kann Ellgers Buch nur empfohlen werden. 

Kürbitz, Sonnenstein. 


Therapeutisches. 


— Erfahrungen bei der Behandlung der Tuberkulose 
mit den Partialantigenen nach Deycke-Much. (Aus Dr. 
Weickers Lungenheilanstalten in Görbersdorf.) Von 
Dr. Warnecke, leitender Arzt. Zeitschrift für Tuber- 
kulose Bd. 37 Heft 3. 

Die Partialantigene eignen sich in erster Linie für 
produktive und produktiv - exsudative Formen mit 


‚geringer und mäßiger Allergie und drohender Anergie, 


wenn es darauf ankommt, die Reizempiindlichkeit der 
Zellen zu steigern. Besteht eine starke Allergie bei 


‘relativ schwerem Lungenbefund, so kann man mit größter 


Vorsicht versuchen, durch weitere Zufuhr von Antigenen 
den Körper in dem offenbar bestehenden heftigen Ab- 
wehrkampf zu unterstützen. Man muß aber die Be- 
handlung sofort einstellen, wenn Ansteigen der Tempe- 
ratur, Stich- und Herdreaktionen usw. auf eine Gift- 
überlastung hinweisen. Mehr oder weniger chronisch 
verlaufende und stationäre indurierende Prozesse mit 
starker Allergie eignen sich meist nicht für Partigene. 
Bei diesen Krankheitsbildern lassen sich Alttuberkulin 
und besonders auch Tuberkulin-Rosenbach mit Vorteil 
anwenden, wenn es darauf ankommt, eine bestehende 
Überempfindlichkeit zu beseitigen. Bei schweren Er- 
krankungen, bei denen eine negative Anergie das Ver 
anzeigt, ist 
wenigstens zunächst von jeder spezifischen Behandlung 
abzusehen und event. zu versuchen, den anergischen 
Zustand durch allgemeine therapeutische Maßnahmen zu 
beeinflussen. Bei positiv anergischen Tuberkuloseformen 
im Sinne v. Hayeks wäre eine Partigenbehandlung 
widersinnig. 


-Pür den Textteil verantwortlich: Dr. Bresler,, Kreuzburg (Oberschlesien.) — Erscheint bis auf weiteres 14tägig in Doppelnummern. 
Schluß der Anzeigenannahme 6 Tage vor der Ausgabe. — Verlag: Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Halle a. S 
Druck: Emil Wolff & Söhne, Halle a. S. 


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männ. Leitung ermöglichen Beschäftigunzstherapie jeder Art. 5 Ärzte. Volle Pension mit 
ärztlicher Behandlung, Preis je nach Wahl des Zimmers.. Für besondere Ansprüche elegante 
Villen. Reiseverbindung: ab Schnellzugsstation Remagen. der linksrhein. Bahn mit Nebenbahn 

oder Automobil der Anstalt. Prospekt auf Wunsch durch die Direktion. 


Geh. San.-Rat Dr. v. Ehrenwall, leitender Arzt und Besitzer. 


Geh. Sanitätsr. Dr. Goldsteins Sanatorium 7 
für Nervenkranke u. Erholungsbedüritige, Berlin-Lichterfelde 


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WW In15 Minuten vom Potsdamer Ringbahnhof erreichbar. Telephon: Li. Nr. 


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Dr. Jirzik: 


Nervenheilanstalt = Görlitz 
Offene Kuranstalt: für Nervenkranke, Erholungsbedürftige, Alkoholisten, Morphinisten u. a. $ 


Arztliches Pädagogium: fir jugeniliche Kranke, Psychopathen, Debile, imbecille u. a. 
Geschlossene Anstalt: fi Geisteskranke 
Besitzer und Leiter: San.-Rat Dr. Kahlbaum. 


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Sanatorien und NMeilanstalten. = 


Siehe auch die vorstehende Seite. 


Dr Hertz’sche Privat-Heil- u. eg Anti Bonn. 
Nervenheilanstalt mit 2 getrennten Abteilungen 


I. Offene Abteilung für er er 
2. Geschlossene Abteilung für Psychosen aller Art 


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Nahe bei der Stadt in ruhiger Lage Prospekte auf Verlangen 
Sanitätsrat Dr. Wilhelmy. -= Professor Dr. König. 


Kuranstalt „Parkhof‘““ Rinteln a. d. Weser 


Heilanstalt für Nerven- und Gemütskranke. Drei getrennte Häuser 
für leichte und schwere Kranke; offene Abteilung; große geschützte Parks 
und Gärten, elektr. Licht, Zentralheizung, Badehaus mit elektr. Licht- und 
Bestrahlungsbädern. Liegehalle, Wintergarten: etc. 

Auskunft und Prospekt durch die Besitzer und leitenden Ärzte. 
Telephon 54. Dr. med. Adoli Hoppe und Dr. med. Hans Hermel. 


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i Lewaldsche Kuranstalten : % 
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i | 1. Sanatorium für Nerven- und Gemütskranke. 2. Erholungs- ‚die beste _ E 
i heim für Nervöse und Erholungshedürftige. Entziehungskuren. : | score | J & 
Dr. Joseph Loewenstein, Nervenarzt. An 3 
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a, Mannheim) ; 
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